AGG und Mobbing - Anwaltskanzlei Merz - Dresden
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von Rechtsanwalt Dieter <strong>Merz</strong><br />
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Zur Person: Dieter <strong>Merz</strong><br />
Rechtsanwalt <strong>Merz</strong> ist seit 1985 als Rechtsanwalt zugelassen <strong>und</strong> seit<br />
1991 in <strong>Dresden</strong> tätig. Er ist Gründer von zahlreichen Organisationen,<br />
Verbänden <strong>und</strong> Vereinen <strong>und</strong> ist ferner Herausgeber zahlreicher<br />
Fachpublikationen <strong>und</strong> Ratgeber, so zum Beispiel von dem Online-<br />
Portal www.sz-jobs.de/Ratgeber. Zudem hält er vielfach Fachvorträge,<br />
leitet Workshops <strong>und</strong> ist Referent im Expertenteam der <strong>Dresden</strong><br />
International University.<br />
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht betreut er schwerpunktmäßig mittelständische Unternehmen<br />
unterschiedlicher Branchenbereiche, vom kleinen Einzelunternehmerbetrieb bis hin zu<br />
Kapitalgesellschaften, Kommunen, soziale Träger sowie Angehörige freier Berufe. Weiterhin vertritt er<br />
Verkehrsunternehmen, Automobilhäuser <strong>und</strong> deren K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verfügt über große Erfahrungen im<br />
Verkehrsunfallrecht.<br />
Ferner kann Herr Rechtsanwalt <strong>Merz</strong> auf erfolgreiche Beratungen bis hin zu zahlreichen, auch<br />
b<strong>und</strong>esweiten Prozessvertretungen verweisen.<br />
Zur Rechtsanwaltskanzlei <strong>Merz</strong><br />
Oberste Priorität der Rechtsanwaltskanzlei <strong>Merz</strong> ist das problemorientierte, effiziente <strong>und</strong><br />
wirtschaftlich durchdachte Handeln im Umgang mit den Anliegen der Mandantschaft. Hierbei erfolgt<br />
eine umfassende <strong>und</strong> zielorientierte Betreuung der Mandantschaft sowohl im außergerichtlichen, als<br />
auch im gerichtlichen Bereich. Neben der Vertretung der Mandantschaft hat es sich die<br />
Rechtsanwaltskanzlei <strong>Merz</strong> zur Aufgabe gemacht, durch intensive <strong>und</strong> sorgfältig abgestufte Beratung<br />
die Mandantschaft zu präventiven Denken zu verhelfen <strong>und</strong> somit frühzeitig juristische<br />
Problemschwerpunkte zu vermeiden.<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
I. BEGRIFF ............................................................................................................................... 4<br />
II. ARBEITSRECHTLICHE BEWERTUNG ................................................................................. 4<br />
III. BESCHWERDE- UND ANZEIGERECHT ............................................................................... 6<br />
1. Betriebliche Beschwerdestelle nach <strong>AGG</strong> .......................................................6<br />
2. Allgemeines betriebliches Beschwerderecht ...................................................6<br />
IV. LEISTUNGSVERWEIGERUNGSRECHT ................................................................................ 7<br />
V. SCHADENSERSATZANSPRÜCHE ........................................................................................ 8<br />
1. Vertragshaftung ............................................................................................9<br />
2. Deliktische Haftung .......................................................................................9<br />
3. Rechtsfolgen ................................................................................................ 10<br />
4. Keine Haftungsbeschränkung nach § 105 SGB VII ........................................ 12<br />
5. Keine Haftungsprivilegierung für Vorgesetzte .............................................. 12<br />
VI. SOZIALRECHTLICHE ANSPRÜCHE.................................................................................... 12<br />
1. <strong>Mobbing</strong> als Arbeitsunfall ............................................................................ 12<br />
2. <strong>Mobbing</strong> als Berufskrankheit? ..................................................................... 13<br />
3. <strong>Mobbing</strong> <strong>und</strong> Opferentschädigungsgesetz .................................................... 13<br />
VII. DARLEGUNGS- UND BEWEISLAST .................................................................................... 14<br />
VIII. MAßNAHMEN DES ARBEITGEBERS................................................................................... 14<br />
IX. MITWIRKUNGSRECHTE UND HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN DES BETRIEBSRATS .... 15<br />
1. Allgemeines ................................................................................................. 15<br />
2. Teilnahme an <strong>Mobbing</strong>schulungen ............................................................... 15<br />
3. Abschluss einer Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong> ................................. 16<br />
4. Reaktionsmöglichkeiten bei Beschwerden von <strong>Mobbing</strong>betroffenen ............. 17<br />
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I. Begriff<br />
Bei dem Begriff "<strong>Mobbing</strong>" handelt es sich nicht um einen Tatbestand im juristischen Sinn, sondern um einen<br />
Sammelbegriff von Verhaltensweisen, die je nach Sachlage des Betroffenen rechtliche, ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Nach der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts ist <strong>Mobbing</strong><br />
"das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch<br />
Vorgesetzte" (BAG, Beschluss v. 15.1.1997, 7 ABR 14/96).<br />
Dem entspricht die Auffassung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs, der unter <strong>Mobbing</strong> den Missbrauch der Stellung eines<br />
Vorgesetzten versteht, um einen Untergebenen systematisch <strong>und</strong> fortgesetzt zu beleidigen, zu schikanieren <strong>und</strong><br />
zu diskriminieren.<br />
Nach der - wohl umfassendsten - Definition des LAG Thüringen sind unter <strong>Mobbing</strong> "fortgesetzte, aufeinander<br />
aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder der Diskriminierung dienende<br />
Verhaltensweisen" zu verstehen, "die nach Art <strong>und</strong> Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der<br />
Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind <strong>und</strong> jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine<br />
Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte des Betroffenen verletzen".<br />
Der in § 3 Abs. 3 <strong>AGG</strong> definierte Begriff der "Belästigung" ähnelt stark den von der Rechtsprechung entwickelten<br />
<strong>Mobbing</strong>-Definitionen. Nach § 3 Abs. 3 <strong>AGG</strong> ist eine Belästigung eine Benachteiligung, "wenn unerwünschte<br />
Verhaltensweisen, die mit einem Benachteiligungsgr<strong>und</strong> des § 1 <strong>AGG</strong> in Zusammenhang stehen, bezwecken<br />
oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von<br />
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes<br />
Umfeld geschaffen wird".<br />
Beachte: § 3 Abs. 3 <strong>AGG</strong> regelt damit nunmehr einen Teilbereich des Komplexes "<strong>Mobbing</strong>" spezialgesetzlich.<br />
§ 3 <strong>AGG</strong> enthält allerdings keine Legaldefinition von "<strong>Mobbing</strong>". Erfasst werden nur Anfeindungen, die mit einem<br />
Merkmal des § 1 <strong>AGG</strong> in Zusammenhang stehen. Im Übrigen, d. h. in allen Fällen, in denen die Belästigung<br />
weder mit der Rasse, ethnischen Herkunft, Religion <strong>und</strong> Weltanschauung, dem Alter, Geschlecht, einer<br />
Behinderung oder der sexuellen Identität des Betroffenen in Zusammenhang steht, bleibt es bei den allgemeinen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen, die nachfolgend dargelegt werden. (vgl. insoweit auch das Skript „<strong>Mobbing</strong>“)<br />
II.<br />
Arbeitsrechtliche Bewertung<br />
Bei der arbeitsrechtlichen Bewertung von <strong>Mobbing</strong> ist danach zu unterscheiden, ob das <strong>Mobbing</strong> vom Arbeitgeber<br />
ausgeübt bzw. geduldet wird oder ausschließlich von Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten des Betroffenen<br />
ausgeht.<br />
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Der Arbeitgeber hat aufgr<strong>und</strong> des bestehenden Arbeitsverhältnisses als arbeitsvertragliche Nebenpflicht die sog.<br />
Fürsorgepflicht, die ihn verpflichtet, auf das Wohl <strong>und</strong> die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht<br />
zu nehmen. Dazu gehört auch die Pflicht, den Arbeitnehmer davor zu schützen, dass er am Arbeitsplatz<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgefahren ausgesetzt ist <strong>und</strong> Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet sind, das Fortkommen des<br />
Arbeitnehmers zu beeinträchtigen.<br />
§ 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber ferner, das Persönlichkeitsrecht der im Betrieb beschäftigten<br />
Arbeitnehmer gegen Beeinträchtigungen zu schützen. Unter dem Begriff des Persönlichkeitsrechts wird das<br />
Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde <strong>und</strong> Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit<br />
verstanden.<br />
Soweit der Arbeitgeber aktiv <strong>Mobbing</strong> gegen einen bestimmten Arbeitnehmer betreibt oder daran beteiligt ist,<br />
verletzt er nicht nur seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern auch das Persönlichkeitsrecht des<br />
Betroffenen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber das von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen ausgehende<br />
<strong>Mobbing</strong> kennt, aber stillschweigend duldet <strong>und</strong> nichts dagegen unternimmt. Der Arbeitgeber ist in einem solchen<br />
Fall aufgr<strong>und</strong> seiner Fürsorgepflicht <strong>und</strong> § 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, sich schützend vor den Betroffenen zu<br />
stellen <strong>und</strong> geeignete Maßnahmen zu treffen, um weitere <strong>Mobbing</strong>handlungen zu verhindern.<br />
Allein durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung verletzt ein Arbeitgeber nicht seine dem<br />
Arbeitnehmer gegenüber bestehenden Rücksichtsnahmepflichten. Eine nicht mehr sozial adäquate Maßnahme<br />
könnte eine Kündigung nur dann darstellen, wenn sie den Arbeitnehmer über den bloßen Kündigungsausspruch<br />
hinaus in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt <strong>und</strong> dies vom Arbeitgeber auch so gewollt ist (BAG, Urteil v.<br />
24.4.2008, 8 AZR 347/07).<br />
Arbeitnehmer haben gegenüber dem Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, sich so zu verhalten,<br />
dass der Betriebsablauf nicht beeinträchtigt wird <strong>und</strong> Schäden für das Eigentum bzw. Vermögen des Arbeitgebers<br />
vermieden werden (sog. arbeitsrechtliche Treuepflicht bzw. Pflicht zur Unterlassung betriebsschädlichen<br />
Verhaltens). Diese Pflicht verletzt der mobbende Arbeitnehmer, weil durch <strong>Mobbing</strong> i. d. R. auch der<br />
Betriebsfrieden gestört wird <strong>und</strong> dem Arbeitgeber Schäden in Form von Lohnfortzahlungskosten der als Folge<br />
des <strong>Mobbing</strong>s erkrankten oder in ihrer Leistungsfähigkeit geminderten Arbeitnehmer entstehen.<br />
Gegenüber dem Betroffenen begeht der mobbende Arbeitnehmer durch sein Verhalten eine unerlaubte<br />
Handlung in Form einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Ges<strong>und</strong>heit.<br />
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III.<br />
Beschwerde- <strong>und</strong> Anzeigerecht<br />
1. Betriebliche Beschwerdestelle nach <strong>AGG</strong><br />
Bei Belästigungen wegen eines der acht Merkmale aus § 1 <strong>AGG</strong>, die damit unter besonderem gesetzlichem<br />
Schutz stehen, haben Beschäftigte die Möglichkeit, sich bei der betrieblichen Beschwerdestelle nach § 13 <strong>AGG</strong><br />
zu beschweren (dazu oben).<br />
2. Allgemeines betriebliches Beschwerderecht<br />
Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen belästigt bzw. "gemobbt" werden, d. h. nicht wegen eines durch das<br />
<strong>AGG</strong> geschütztes Merkmal, können auf das allgemeine betriebliche Beschwerderecht zurückgreifen, das<br />
seine Rechtsgr<strong>und</strong>lage in §§ 84 <strong>und</strong> 85 BetrVG hat. Diese Möglichkeit wird insbesondere durch die spezielle<br />
Regelung in § 13 <strong>AGG</strong> nicht ausgeschlossen.<br />
§ 84 Abs. 1 S. 1 BetrVG gibt jedem Arbeitnehmer, der sich vom Arbeitgeber oder anderen Arbeitnehmern des<br />
Betriebs benachteiligt, ungerechtfertigt behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt, das Recht, sich bei<br />
den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren. Dabei kann er zur Unterstützung oder Vermittlung ein<br />
Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG).<br />
Soweit es im Betrieb keine besondere Stelle für die Entgegennahme derartiger Beschwerden gibt (z. B. einen<br />
sog. Konflikt- oder <strong>Mobbing</strong>beauftragten), hat sich der Beschwerdeführer zunächst an seinen unmittelbaren<br />
betrieblichen Vorgesetzten oder, wenn die Beschwerde gegen ihn gerichtet ist, an den nächsthöheren<br />
Vorgesetzten zu wenden. Der Betroffene kann seine Beschwerde auch unmittelbar beim Betriebsrat einlegen, der<br />
in diesem Fall verpflichtet ist, beim Arbeitgeber auf eine Abhilfe hinzuwirken, sofern er die Beschwerde für<br />
berechtigt hält (§ 85 Abs. 1 BetrVG).<br />
Der Arbeitgeber hat nach § 84 Abs. 2 BetrVG die Pflicht, die eingelegte Beschwerde zu prüfen <strong>und</strong> dem<br />
Beschwerdeführer das Ergebnis seiner Untersuchungen mitzuteilen. Soweit er die Beschwerde für<br />
begründet hält, besteht für ihn eine Rechtspflicht zur Vornahme der zur Beseitigung der Konfliktsituation<br />
möglichen <strong>und</strong> geeigneten Abhilfemaßnahmen. Hilft der Arbeitgeber der Beschwerde nicht ab, so ist der<br />
Arbeitnehmer berechtigt, bei den für sein Begehren zuständigen Stellen außerhalb des Betriebs Schutz zu<br />
suchen, z. B. durch Erstattung einer Strafanzeige gegen den Mobber oder Einschaltung der für den Arbeitsschutz<br />
im Betrieb zuständigen Behörden (Gewerbeaufsichtsämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz).<br />
Wegen der Erhebung einer Beschwerde dürfen dem Arbeitnehmer nach § 84 Abs. 3 BetrVG keine Nachteile<br />
entstehen. Dieses Benachteiligungsverbot greift auch dann ein, wenn die Beschwerde objektiv nicht berechtigt<br />
war. Etwas anderes gilt nur für den Fall einer missbräuchlichen Ausübung des Beschwerderechts, z. B. bei völlig<br />
haltlosen schweren Anschuldigungen in beleidigender Form. Das Benachteiligungsverbot schützt den<br />
Beschwerdeführer in erster Linie gegen die Zufügung von Nachteilen durch den Arbeitgeber. Maßnahmen<br />
6
des Arbeitgebers, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen (z. B. Abmahnungen, Versetzungen oder<br />
Kündigungen), sind unwirksam.<br />
Der Beschwerdeführer erhält durch das Benachteiligungsverbot auch Schutz gegen Handlungen der von der<br />
Beschwerde betroffenen Personen (Arbeitskollegen, Vorgesetzte), die darauf gerichtet sind, ihn "m<strong>und</strong>tot" zu<br />
machen. So hat derjenige, über den Beschwerde geführt wird, gr<strong>und</strong>sätzlich keinen gerichtlich durchsetzbaren<br />
Anspruch auf Unterlassung der Behauptungen, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind. Etwas anderes<br />
gilt nur bei Behauptungen, die bewusst unwahr oder leichtfertig aufgestellt worden sind.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ausgeschlossen sind auch Schadensersatzansprüche des Betroffenen gegen Beschwerdeführer.<br />
Das LAG Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 30.11.1990, 12 Sa 708/90) hat entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer,<br />
der über einen Arbeitskollegen eine ehrenrührige, nicht erweislich wahre Behauptung aufstellt, die den<br />
Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung veranlasst <strong>und</strong> zum Arbeitsplatzverlust dieses Arbeitskollegen führt,<br />
dann nicht schadensersatzpflichtig macht, wenn er bei der Weitergabe der strittigen Äußerung in Wahrnehmung<br />
berechtigter Interessen gehandelt hat. Dagegen besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn ein Arbeitnehmer über<br />
einen Arbeitskollegen eine bewusst unwahre Tatsache (z. B. die Bezeichnung des Arbeitgebers als<br />
"Sklaventreiber") behauptet <strong>und</strong> dadurch den Arbeitsplatzverlust dieses Arbeitskollegen verursacht oder<br />
zumindest mit verursacht hat.<br />
IV.<br />
Leistungsverweigerungsrecht<br />
Während das <strong>AGG</strong> bei Belästigungen oder sexuellen Belästigungen ein spezielles Leistungsverweigerungsrecht<br />
vorsieht (§ 14 <strong>AGG</strong>), ergibt sich für <strong>Mobbing</strong>betroffene das Recht zur Zurückbehaltung der Arbeitsleistung<br />
aus § 273 Abs. 1 BGB.<br />
Diese Vorschrift gibt dem Arbeitnehmer das Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, um den Arbeitgeber zur<br />
Erfüllung einer ihm obliegenden fälligen Vertragspflicht aus dem Arbeitsverhältnis anzuhalten. In der<br />
Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht oder ein<br />
Verstoß des Arbeitgebers gegen die sich aus § 618 BGB ergebenden Arbeitsschutzpflichten ein<br />
Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung begründen können.<br />
Ein solches Arbeitsverweigerungsrecht kann dem Arbeitnehmer insbesondere bei einer schikanösen<br />
Behandlung durch den Arbeitgeber oder Vorgesetzte am Arbeitsplatz zustehen. Dies ist z. B. der Fall, wenn<br />
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter missbräuchlicher Ausübung seines Direktionsrechts unzumutbare<br />
Arbeiten zuweist oder ihn über längere Zeit nicht vertragsgemäß beschäftigt. Die berechtigte Ausübung des<br />
Zurückbehaltungsrechts hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des vertragswidrigen Zustands<br />
seinen Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615<br />
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BGB) behält.<br />
Bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist allerdings zu beachten, dass der Arbeitnehmer die<br />
Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers trägt. Erforderlich ist<br />
ferner, dass der Arbeitnehmer den beabsichtigten Gebrauch vom Zurückbehaltungsrecht vorher ankündigt,<br />
indem er den Arbeitgeber auf die Vertragsverletzung hinweist <strong>und</strong> ihm hinreichende Gelegenheit zur Abhilfe<br />
einräumt. Sofern der Arbeitnehmer den Konflikt durch sein Verhalten mit verursacht hat, muss er vor der<br />
Ausübung des Zurückbehaltungsrechts erst den Versuch unternehmen, durch die Korrektur seines eigenen<br />
Verhaltens eine Beilegung der Auseinandersetzung zu erreichen. Unterlässt der Arbeitnehmer die vorherige<br />
Ankündigung der Arbeitseinstellung oder kann er das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers im<br />
Prozess nicht beweisen, so verliert er seinen Vergütungsanspruch <strong>und</strong> begeht eine Arbeitsverweigerung, die den<br />
Arbeitgeber zum Ausspruch einer Abmahnung oder sogar zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen<br />
kann.<br />
Schwangere Arbeitnehmerinnen werden durch Konflikte am Arbeitsplatz häufig besonders stark belastet. Zum<br />
Schutz der Schwangeren <strong>und</strong> der Leibesfrucht kann in derartigen Fällen nach § 3 Abs. 1 MuSchG ein ärztliches<br />
Beschäftigungsverbot für die Dauer der Schwangerschaft ausgesprochen werden, wenn die betroffene<br />
Arbeitnehmerin durch die Konfliktsituation psychisch so stark belastet wird, dass eine Gefährdung für Leben oder<br />
Ges<strong>und</strong>heit von Mutter oder Kind bei Fortsetzung der Beschäftigung besteht. Für die Annahme einer derartigen<br />
Gefährdung ist es gr<strong>und</strong>sätzlich unerheblich, ob tatsächlich eine <strong>Mobbing</strong>situation vorliegt oder ob dies von der<br />
werdenden Mutter nur subjektiv so empf<strong>und</strong>en wird. Etwas anderes gilt nur, wenn offensichtlich ist, dass die<br />
geltend gemachte psychische Belastung von der Arbeitnehmerin nur vorgeschoben wird (so BAG, Urteil v.<br />
21.3.2001, 5 AZR 352/99).<br />
Bei einem auf "Stresssituationen am Arbeitsplatz" oder "Probleme mit Vorgesetzten oder Kollegen" gestützten<br />
Beschäftigungsverbot kann der Arbeitgeber eine konkrete Beschreibung der zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Umstände<br />
verlangen. Unterbleibt eine entsprechende Erläuterung durch den Arzt oder die Arbeitnehmerin, so ist der<br />
Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert.<br />
V. Schadensersatzansprüche<br />
Eventuelle Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche auf der Gr<strong>und</strong>lage einer Belästigung wegen eines<br />
der durch das <strong>AGG</strong> geschützten acht Merkmale sind speziell in § 15 <strong>AGG</strong> geregelt. Ansprüche auf Ersatz<br />
mobbingbedingter Schäden wegen anderer, nicht vom <strong>AGG</strong> erfasster Merkmale können sich aus Vertrag<br />
oder unerlaubter Handlung ergeben.<br />
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1. Vertragshaftung<br />
Betreibt der Arbeitgeber aktiv <strong>Mobbing</strong> gegen einen Arbeitnehmer, so steht diesem ein vertraglicher<br />
Schadensersatzanspruch auf der Gr<strong>und</strong>lage der allgemeinen Regelung des § 280 Abs. 1 BGB zu.<br />
Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber eine rechtswidrige <strong>und</strong> schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht<br />
begeht, indem er nichts gegen das ihm bekannte <strong>Mobbing</strong> eines Arbeitnehmers durch Vorgesetzte oder<br />
Arbeitskollegen unternimmt.<br />
2. Deliktische Haftung<br />
Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung steht dem Arbeitnehmer dann zu, wenn durch das<br />
<strong>Mobbing</strong> ein absolut geschütztes Rechtsgut im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, insbesondere Leben, Ges<strong>und</strong>heit<br />
oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht, rechtswidrig <strong>und</strong> schuldhaft verletzt wird. Dieser deliktische<br />
Schadensersatzanspruch kann sowohl gegen den Arbeitgeber als auch gegen mobbende Vorgesetzte oder<br />
Arbeitskollegen geltend gemacht werden.<br />
Aus <strong>Mobbing</strong>handlungen von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen kann eine Schadensersatzpflicht des<br />
Arbeitgebers unter dem Gesichtspunkt der Haftung für den Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB; BAG, Urteil v.<br />
25.10.2007, 8 AZR 593/06) bzw. den Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) resultieren. Voraussetzung ist wie bei der<br />
Haftung nach § 15 Abs. 1 <strong>AGG</strong>, dass das schuldhafte Fehlverhalten von der Hilfsperson "in Ausübung" <strong>und</strong> nicht<br />
nur "bei Gelegenheit" der ihr vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben begangen worden ist. Daran fehlt es i. d.<br />
R., wenn ein Arbeitnehmer von Arbeitskollegen bei der Arbeit schikaniert, diskriminiert oder ausgegrenzt wird.<br />
Mobbt dagegen ein Vorgesetzter ihm unterstellte Mitarbeiter, so kann dieses Fehlverhalten dem Arbeitgeber<br />
nach § 278 BGB zugerechnet werden bzw. der Arbeitgeber als Geschäftsherr selbst haften, auch wenn er das<br />
Verhalten weder gekannt noch gebilligt hat.<br />
Ein Schadensersatzanspruch kann auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer als Folge des <strong>Mobbing</strong>s seinen<br />
Arbeitsplatz verliert. So ist ein Arbeitnehmer, der über einen Arbeitskollegen eine bewusst unwahre Tatsache<br />
behauptet <strong>und</strong> dadurch dessen Arbeitsplatzverlust zumindest mit verursacht, dem Betroffenen nach § 824 Abs. 1<br />
BGB zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens (z. B. Verdienstausfall) verpflichtet.<br />
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines <strong>Mobbing</strong>betroffenen, so kommt eine Schadensersatzpflicht<br />
dann in Betracht, wenn die Kündigung gegen ein gesetzliches Verbot, die guten Sitten (§ 138 BGB) oder die<br />
Gr<strong>und</strong>sätze von Treu <strong>und</strong> Glauben verstößt <strong>und</strong> deshalb unwirksam ist. Für das Vorliegen dieser<br />
Voraussetzungen gelten allerdings strenge Anforderungen, die im Streitfall vom Arbeitnehmer darzulegen <strong>und</strong><br />
zu beweisen sind. So haben die Arbeitsgerichte bereits wiederholt entschieden, dass der Arbeitgeber nicht<br />
unsachlich oder willkürlich handelt, wenn er das Auftreten von Konflikten oder Spannungen am Arbeitsplatz zum<br />
Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers trotz ordnungsgemäßer Arbeitsleistung während der<br />
Probezeit zu kündigen. An für die Annahme von <strong>Mobbing</strong> notwendigen systematischen <strong>und</strong> zielgerichteten<br />
Anfeindungen gegen den Arbeitnehmer fehlt es, wenn es in der Entwicklung einer im Wesentlichen psychisch<br />
bedingten Konfliktsituation zu einer Eskalation kommt, auf die der Arbeitgeber mit einem nicht mehr<br />
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sozialadäquaten Exzess reagiert.<br />
3. Rechtsfolgen<br />
<strong>Mobbing</strong>betroffene Arbeitnehmer sind nicht auf den Ersatz ihres materiellen Schadens beschränkt, sondern<br />
können von dem Mobber u. U. auch eine Geldentschädigung (Schmerzensgeld) als Ausgleich für die<br />
Beeinträchtigung ihrer Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> ihres Persönlichkeitsrechts verlangen. Auch Vertragsverletzungen des<br />
Arbeitgebers, z. B. eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht, können einen Anspruch des Arbeitnehmers auf<br />
Schmerzensgeld begründen. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass der Arbeitgeber rechtswidrig <strong>und</strong><br />
schuldhaft eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter (Körper, Ges<strong>und</strong>heit, Freiheit oder sexuelle<br />
Selbstbestimmung) verletzt hat.<br />
Es ist daher wie folgt zu differenzieren: Macht der <strong>Mobbing</strong>betroffene ausschließlich eine Verletzung des<br />
allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend, so steht ihm nur ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus Delikt zu<br />
(§ 823 BGB, s. u.). Hat das <strong>Mobbing</strong> eine Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigung des Betroffenen zur Folge, so kann<br />
dieser einen Schmerzensgeldanspruch auch bei einer rechtswidrigen <strong>und</strong> schuldhaften Vertragsverletzung des<br />
Arbeitgebers geltend machen. Dem Betroffenen kommen dabei zwei Erleichterungen zugute: Während im<br />
Rahmen der deliktischen Haftung der Geschädigte den Nachweis führen muss, dass der in Anspruch<br />
genommene Schädiger die eingetretene Rechtsverletzung schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig verursacht<br />
hat, greift bei der Vertragshaftung zu Gunsten des Geschädigten die Beweiserleichterung des § 280 Abs. 1 S. 2<br />
BGB ein, nach welcher der Schädiger beweisen muss, dass er für eine begangene Pflichtverletzung nicht<br />
verantwortlich ist. Bei der Vertragshaftung muss der Schädiger ferner für das Fehlverhalten seiner gesetzlichen<br />
Vertreter <strong>und</strong> sonstigen Hilfspersonen nach § 278 BGB einstehen, ohne dass er die Möglichkeit eines<br />
Entlastungsbeweises nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB wie bei der deliktischen Haftung hat.<br />
Im Rahmen der deliktischen Haftung hat die bisherige Rechtsprechung [1] die Zuerkennung einer<br />
Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung davon abhängig gemacht, dass ein schwerer<br />
rechtswidriger <strong>und</strong> schuldhafter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt, die Schwere des Eingriffs nach dem<br />
Grad des Verschuldens, der Art <strong>und</strong> Schwere der Beeinträchtigung sowie dem Anlass <strong>und</strong> Beweggr<strong>und</strong> des<br />
Handelns eine Genugtuung erfordert <strong>und</strong> die Persönlichkeitsverletzung nicht in anderer Weise befriedigend<br />
ausgeglichen werden kann. Diese Voraussetzungen sind u. a. in folgenden Fällen als erfüllt angesehen worden:<br />
Beispiel<br />
· 4.000 DM Schmerzensgeld für die Bezeichnung einer Arbeitnehmerin als "faulste Mitarbeiterin<br />
Deutschlands" <strong>und</strong> "Königin der Tagediebe" in einem von dem Arbeitgeber herausgegebenen Anzeigenblatt.<br />
· 10.000 DM Schmerzensgeld für die in einem Anzeigenblatt aufgestellte Behauptung, eine Arbeitnehmerin<br />
sei plötzlich <strong>und</strong> unerwartet an einer eingebildeten Krankheit (astraler Hypertrophie) erkrankt.<br />
· 4.000 DM Schmerzensgeld für den in einer Verbandszeitschrift abgedruckten Hinweis eines Arbeitgebers<br />
auf eine namentlich genannte Arbeitnehmerin mit folgendem Text: "Falls sich eine Frau M bei Ihnen um eine<br />
Anstellung bewerben sollte, dann rufen Sie uns doch bitte einmal an - J.".<br />
10
Der Umstand, dass eine Maßnahme des Arbeitgebers rechtswidrig ist, z. B. der Ausspruch einer<br />
unberechtigten Abmahnung oder Änderungskündigung, reicht i. d. R. noch nicht aus, um einen<br />
Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers zu begründen. Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass<br />
die Verletzung einer vertraglichen oder gesetzlichen Pflicht adäquat kausal für den eingetretenen Schaden<br />
gewesen ist. Der Selbstmord eines Arbeitnehmers stellt regelmäßig keine adäquat kausale Folge einer sozial<br />
ungerechtfertigten Kündigung dar. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es objektive, für Dritte erkennbare<br />
Anhaltspunkte für eine Suizidgefährdung des Arbeitnehmers gegeben hätte.<br />
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Unwirksamkeit der Maßnahme offensichtlich ist <strong>und</strong> die dadurch<br />
eingetretenen immateriellen Folgen für den Arbeitnehmer eine schwerwiegende Beeinträchtigung seines<br />
Persönlichkeitsrechts darstellen. So hat das Arbeitsgericht Köln einen Arbeitgeber zur Zahlung eines<br />
Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000 DM verurteilt, weil er eine unwirksame Kündigung ausgesprochen hatte,<br />
obwohl ihm die Unwirksamkeit der Kündigung bekannt war bzw. zumindest hätte bekannt sein müssen <strong>und</strong> dem<br />
Arbeitnehmer als Folge der Kündigung erhebliche Nachteile (Ansehensverlust, Verlust der Kreditwürdigkeit)<br />
entstanden waren, die zu einer starken psychischen Belastung geführt hatten.<br />
Bisher ist die überwiegende Mehrzahl der auf <strong>Mobbing</strong> gestützten Klagen auf Schadensersatz <strong>und</strong><br />
Schmerzensgeld erfolglos geblieben. In der Praxis scheitern viele Klagen bereits an einer ungenügenden, d. h. zu<br />
pauschalen <strong>und</strong> unbestimmten Darlegung des geltend gemachten <strong>Mobbing</strong>sachverhalts. Erforderlich ist, dass der<br />
Kläger die <strong>Mobbing</strong>handlungen, denen er am Arbeitsplatz ausgesetzt war, so bestimmt darlegt, dass der Beklagte<br />
zu diesem Vortrag konkret Stellung nehmen <strong>und</strong> ggf. Gegenbeweismittel anbieten kann. Jede einzelne<br />
<strong>Mobbing</strong>handlung muss vom Arbeitnehmer unter Angabe von Zeitpunkt <strong>und</strong> Verursacher genau geschildert<br />
werden.<br />
Beispiel<br />
· Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat den unmittelbaren Vorgesetzten des klagenden Arbeitnehmers zur<br />
Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 51.900 DM verurteilt, weil dieser den Kläger während eines<br />
Zeitraums von insgesamt 6 Jahren fortgesetzt gemobbt hatte, um ihn zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu<br />
veranlassen. In der Berufungsinstanz ist diese Entscheidung vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz [12]<br />
dem Gr<strong>und</strong>e nach bestätigt worden, die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes wurde jedoch auf<br />
15.000 DM reduziert.<br />
· Das Arbeitsgericht Berlin hat den beklagten Arbeitgeber zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von<br />
8.000 EUR verurteilt, weil die klagende Arbeitnehmerin von der Geschäftsführerin des Beklagten wiederholt<br />
durch diskriminierende Äußerungen, zahlreiche Abmahnungen <strong>und</strong> Umsetzung in ein 4 qm großes<br />
Dienstzimmer schikaniert <strong>und</strong> auch nach der Erkrankung der Klägerin weitere <strong>Mobbing</strong>handlungen<br />
begangen hat.<br />
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4. Keine Haftungsbeschränkung nach § 105 SGB VII<br />
Die Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII ist bei <strong>Mobbing</strong> von Arbeitnehmern durch einen<br />
Vorgesetzen nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen<br />
Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen <strong>und</strong><br />
Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet,<br />
wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg<br />
herbeigeführt haben. Versicherungsfälle i. S. d. Gesetzes sind aber nur Arbeitsunfälle <strong>und</strong> Berufskrankheiten (§ 7<br />
Abs. 1 SGB VII). Bei <strong>Mobbing</strong>schäden handelt es sich aber weder im Schäden aus einem Arbeitsunfall noch einer<br />
Berufskrankheit (BAG, Urteil v. 25.10.2007, 8 AZR 593/06).<br />
5. Keine Haftungsprivilegierung für Vorgesetzte<br />
Ein Vorgesetzter, der im Rahmen der ihm vom Arbeitgeber übertragenen Weisungsbefugnis seine ihm als<br />
Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers mit übertragenen arbeitsvertraglichen Schutzpflichten gegenüber einem ihm<br />
unterstellten Arbeitnehmer verletzt, kann sich nicht auf eine Haftungsprivilegierung berufen. Die<br />
Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten findet ihre dogmatische<br />
Begründung darin, dass auf Seiten des Arbeitgebers dessen Betriebsrisiko zu berücksichtigen ist.<br />
Führt ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, das ein ihm unterstellter Mitarbeiter<br />
psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf eine billige Entschädigung in<br />
Geld (Schmerzensgeld), wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient.<br />
VI.<br />
Sozialrechtliche Ansprüche<br />
1. <strong>Mobbing</strong> als Arbeitsunfall<br />
Arbeitnehmer, deren Ges<strong>und</strong>heit durch einen Arbeitsunfall geschädigt worden ist, haben nach Maßgabe der<br />
§§ 26 ff. SGB VII einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B.<br />
Heilbehandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen, Verletztenrente).<br />
Ein Arbeitsunfall liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei der versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet (§ 8<br />
Abs. 1 S. 1 SGB VII). Unfälle sind nach der gesetzlichen Definition des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII von außen auf<br />
den Körper wirkende Ereignisse, die zu einem Ges<strong>und</strong>heitsschaden oder zum Tod führen. Die hieraus<br />
12
abgeleitete zeitliche Begrenzung des schädigenden Ereignisses auf Vorgänge von der maximalen Dauer einer<br />
Arbeitsschicht hat zur Folge, dass die Anerkennung eines durch <strong>Mobbing</strong> verursachten Arbeitsunfalls nur<br />
selten in Betracht kommen wird, weil i. d. R. erst das über einen längeren Zeitraum ausgeübte <strong>Mobbing</strong> zu einer<br />
Ges<strong>und</strong>heitsstörung führt.<br />
So hat das LSG Baden-Württemberg entschieden, dass der Tatbestand eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt ist, wenn<br />
ein Arbeitnehmer, der bereits seit längerer Zeit einer erheblichen Druck- <strong>und</strong> Konfliktsituation am Arbeitsplatz<br />
ausgesetzt war, nach einem Gespräch mit seinen Vorgesetzten, in dem in massiver <strong>und</strong> verletzender Form Kritik<br />
an seiner Arbeit geübt wird, an einer Depression erkrankt, weil es sich bei dem Gespräch nur um das letzte<br />
Ereignis in einer Kette mehrerer belastender Vorgänge handelt, die in ihrer Gesamtheit ursächlich für die<br />
psychische Erkrankung des Betroffenen waren. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls kommt daher nur dann in<br />
Betracht, wenn eine einzelne konkrete <strong>Mobbing</strong>handlung als unmittelbare Ursache für einen innerhalb des o. g.<br />
Zeitraums auftretenden Ges<strong>und</strong>heitsschaden angesehen werden kann.<br />
Beispiel<br />
· Herzinfarkt des <strong>Mobbing</strong>betroffenen nach der Ankündigung des Arbeitgebers, nicht gegen die Mobber,<br />
sondern gegen ihn vorgehen zu wollen;<br />
· Selbstmordversuch als Reaktion auf eine besonders schwere <strong>Mobbing</strong>handlung.<br />
2. <strong>Mobbing</strong> als Berufskrankheit?<br />
<strong>Mobbing</strong> ist keine anerkannte Berufskrankheit i. S. d. Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), vgl. § 9 SGB VII.<br />
Auch unter diesem Gesichtspunkt kann daher kein Leistungsanspruch gegen die Träger der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung geltend gemacht werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.8.2001, L 7 U 18/01).<br />
3. <strong>Mobbing</strong> <strong>und</strong> Opferentschädigungsgesetz<br />
Die Klage eines <strong>Mobbing</strong>betroffenen auf Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)<br />
ist vom B<strong>und</strong>essozialgericht in letzter Instanz abgewiesen worden. Zur Begründung wurde darauf verwiesen,<br />
dass nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG nur der jenige einen Anspruch auf Versorgung hat, der infolge eines vorsätzlichen<br />
<strong>und</strong> rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige<br />
Abwehr eine ges<strong>und</strong>heitliche Schädigung erlitten hat. Der Auffassung des, <strong>Mobbing</strong> müsse wegen der Gefahr<br />
schwerer psychischer <strong>und</strong> psychosomatischer Schäden unabhängig von der Art, Zahl <strong>und</strong> Qualifikation der<br />
einzelnen <strong>Mobbing</strong>handlungen als "tätlicher Angriff" angesehen werden, ist das Gericht nicht gefolgt.<br />
Das OEG ist bei <strong>Mobbing</strong> daher allenfalls dann anzuwenden, wenn der <strong>Mobbing</strong>betroffene auch tätlich<br />
angegriffen wird <strong>und</strong> als unmittelbare Folge dieses Angriffs einen Ges<strong>und</strong>heitsschaden erleidet.<br />
13
VII.<br />
Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast<br />
Nach den Gr<strong>und</strong>regeln des Zivilprozesses, die auch für das Arbeitsgerichtsverfahren gelten, muss derjenige, der<br />
ein Recht oder einen Anspruch geltend macht, die Tatsachen darlegen <strong>und</strong> beweisen, die den Schluss auf die<br />
von ihm begehrte Rechtsfolge zulassen. Im Bereich der Belästigung wegen eines durch das <strong>AGG</strong> geschützten<br />
Merkmals enthält § 22 <strong>AGG</strong> eine Beweiserleichterung für den Diskriminierten.<br />
Wegen Belästigungen aufgr<strong>und</strong> anderer, nicht vom <strong>AGG</strong> geschützter Merkmale gilt dies jedoch nicht. Will ein<br />
Arbeitnehmer gerichtlich gegen <strong>Mobbing</strong> vorgehen, so trägt er die Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast für sämtliche<br />
mobbingbegründenden Umstände <strong>und</strong> deren Ursächlichkeit für die geltend gemachte Rechtsverletzung<br />
(Beeinträchtigung der Ges<strong>und</strong>heit oder des Persönlichkeitsrechts). Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung<br />
wegen Verletzung der Ges<strong>und</strong>heit oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts muss der Arbeitnehmer auch das<br />
Verschulden des Mobbers beweisen; bei vertraglichen Ansprüchen z. B. wegen Verletzung der Fürsorgepflicht<br />
kommt ihm die Beweiserleichterung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zugute, nach welcher der Schädiger beweisen<br />
muss, dass er für die begangene Pflichtverletzung nicht verantwortlich ist. Dem entspricht die<br />
Beweiserleichterung im Bereich des materiellen Schadensersatzes in § 15 Abs. 1 Satz 2 <strong>AGG</strong>.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzlich dem betroffenen Arbeitnehmer obliegende Beweislast ist der Hauptgr<strong>und</strong> dafür, dass in der<br />
Praxis viele Klagen scheitern. Erforderlich ist, dass der klagende Arbeitnehmer die <strong>Mobbing</strong>handlungen, denen er<br />
am Arbeitsplatz ausgesetzt war, so bestimmt darlegt, dass der beklagte Arbeitgeber zu diesem Vortrag konkret<br />
Stellung nehmen <strong>und</strong> ggf. Gegenbeweismittel anbieten kann. Jede einzelne <strong>Mobbing</strong>handlung muss unter<br />
Angabe von Zeitpunkt <strong>und</strong> Verursacher genau geschildert werden. Deshalb wird betroffenen ArbeitnehmerInnen<br />
häufig empfohlen, ein sog. "<strong>Mobbing</strong>tagebuch" zu führen, in dem die <strong>Mobbing</strong>handlungen, denen der Betroffene<br />
am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, chronologisch dokumentiert werden.<br />
Da es keine mobbingtypischen medizinischen Bef<strong>und</strong>e gibt, kann das Vorliegen von <strong>Mobbing</strong> nicht schon<br />
dadurch nachgewiesen werden, dass der Betroffene im Prozess ein ärztliches Attest oder Gutachten vorlegt, das<br />
zu dem Ergebnis kommt, die Erkrankung des Arbeitnehmers sei durch <strong>Mobbing</strong> am Arbeitsplatz verursacht<br />
worden. Mit einem derartigen Attest oder Gutachten kann der <strong>Mobbing</strong>betroffene lediglich die Kausalität zwischen<br />
einem feststehenden <strong>Mobbing</strong>tatbestand <strong>und</strong> der eingetretenen Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigung beweisen, d. h. den<br />
Nachweis dafür erbringen, dass die bescheinigte Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigung ursächlich auf die konkret<br />
dargelegten <strong>und</strong> erwiesenen <strong>Mobbing</strong>handlungen zurückzuführen ist.<br />
VIII.<br />
Maßnahmen des Arbeitgebers<br />
Bei Belästigungen wegen eines durch das <strong>AGG</strong> geschützten Merkmals ist der Arbeitgeber verpflichtet, die im<br />
Einzelfall geeigneten <strong>und</strong> erforderlichen <strong>und</strong> angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, § 12 Abs. 3 <strong>AGG</strong> (s. dazu<br />
14
oben). Gleiches gilt auch ohne spezielle gesetzliche Vorschrift für <strong>Mobbing</strong> wegen anderen, nicht durch das <strong>AGG</strong><br />
geschützten Merkmalen.<br />
Wenn Arbeitnehmer am Arbeitsplatz von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten gemobbt werden, ist der Arbeitgeber<br />
aufgr<strong>und</strong> seiner Fürsorgepflicht gehalten, sich schützend vor den <strong>Mobbing</strong>betroffenen zu stellen <strong>und</strong> gegen den<br />
bzw. die Mobber geeignete Maßnahmen zur Unterbindung weiterer <strong>Mobbing</strong>handlungen zu ergreifen. Dabei steht<br />
dem Arbeitgeber die ganze Bandbreite der arbeitsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf Fehlverhalten des<br />
Arbeitnehmers zur Verfügung, die von der Ermahnung als mildestes Mittel über die Abmahnung, Umsetzung <strong>und</strong><br />
Versetzung bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen.<br />
IX.<br />
Mitwirkungsrechte <strong>und</strong> Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats<br />
1. Allgemeines<br />
Der Betriebsrat hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze,<br />
Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge <strong>und</strong> Betriebsvereinbarungen durchgeführt <strong>und</strong> alle im<br />
Betrieb tätigen Personen nach den Gr<strong>und</strong>sätzen von Recht <strong>und</strong> Billigkeit behandelt werden (§§ 75 Abs. 1, 80<br />
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Neben dieser Überwachungsaufgabe obliegt dem Betriebsrat nach § 75 Abs. 2 BetrVG die<br />
Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen <strong>und</strong> zu<br />
fördern. Aus diesen Bestimmungen folgt, dass zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats auch die<br />
Abwehr von <strong>Mobbing</strong> am Arbeitsplatz <strong>und</strong> der Schutz der Betroffenen gehören.<br />
Der Betriebsrat ist dabei allerdings vorwiegend auf präventive Maßnahmen (z. B. den Abschluss einer<br />
Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong>) <strong>und</strong> die Beratung oder Unterstützung mobbingbetroffener Arbeitnehmer in<br />
konkreten Konfliktsituationen beschränkt. Ein aktives Vorgehen gegen den Mobber oder den untätig bleibenden<br />
Arbeitgeber ist nur begrenzt möglich.<br />
2. Teilnahme an <strong>Mobbing</strong>schulungen<br />
Damit der Betriebsrat in der Lage ist, sich effektiv für <strong>Mobbing</strong>betroffene im Betrieb einzusetzen <strong>und</strong> mit dem<br />
Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zur Lösung von <strong>Mobbing</strong>konflikten beraten kann (z. B. den Abschluss einer<br />
Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong> am Arbeitsplatz), benötigt er u. a. nähere Kenntnisse über die Entstehung<br />
<strong>und</strong> den Verlauf von <strong>Mobbing</strong>, dessen psychische, soziale <strong>und</strong> physische Auswirkungen auf die Betroffenen<br />
sowie die in Betracht kommenden Handlungsmöglichkeiten <strong>und</strong> rechtlichen Mittel zur Unterbindung von <strong>Mobbing</strong><br />
am Arbeitsplatz.<br />
15
Betriebsratsmitglieder haben nach § 37 Abs. 6 BetrVG das Recht, für die Teilnahme an Schulungs- <strong>und</strong><br />
Bildungsveranstaltungen von der Arbeit unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung freigestellt zu werden, soweit dort<br />
Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Sofern nach diesen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen ein Schulungsbedarf des Betriebsrats besteht, hat der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG<br />
sämtliche Kosten der Schulungsteilnahme des Betriebsratsmitglieds zu tragen (z. B. Seminargebühren, Reise-,<br />
Übernachtungs- <strong>und</strong> Verpflegungskosten).<br />
Die Arbeitsgerichte haben bereits wiederholt über die "Erforderlichkeit" einer Betriebsratsschulung zum Thema<br />
"<strong>Mobbing</strong>" entschieden. Gegenstand dieser Auseinandersetzungen war vor allem die Frage, ob Kenntnisse über<br />
<strong>Mobbing</strong> Spezialwissen darstellen, das vom Betriebsrat die Darlegung eines den Schulungsbedarf<br />
rechtfertigenden aktuellen betriebs- oder betriebsratsbezogenen Anlasses verlangt, oder ob es sich dabei um<br />
Gr<strong>und</strong>lagenwissen handelt, bei dem auf eine solche Darlegung verzichtet werden kann.<br />
Das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht geht davon aus, dass auf <strong>Mobbing</strong>-Seminaren Spezialwissen vermittelt wird <strong>und</strong> der<br />
Betriebsrat daher eine betriebliche Konfliktlage darlegen muss, aus der sich für ihn ein aktueller Handlungsbedarf<br />
zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben ergibt, zu deren Erledigung das auf der Schulung vermittelte<br />
Wissen benötigt wird. Dabei genügt es, wenn der Betriebsrat geltend macht, ihm seien konkrete <strong>Mobbing</strong>fälle<br />
oder zumindest konkrete Anhaltspunkte für <strong>Mobbing</strong>tendenzen im Betrieb bekannt geworden, die ein Tätigwerden<br />
des Betriebsrats erforderlich machen würden (z. B. die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über<br />
den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong>).<br />
3. Abschluss einer Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong><br />
In zahlreichen Betrieben haben Arbeitgeber <strong>und</strong> Betriebsrat gemeinsam Maßnahmen <strong>und</strong> Regelungen zum<br />
Umgang mit <strong>Mobbing</strong> am Arbeitsplatz entwickelt <strong>und</strong> in Form einer Betriebsvereinbarung verbindlich festgelegt.<br />
Solche. "Anti-<strong>Mobbing</strong>-Vereinbarungen" enthalten i. d. R. eine Definition des <strong>Mobbing</strong>begriffs, einen detaillierten<br />
Katalog von Maßnahmen <strong>und</strong> Sanktionen zur <strong>Mobbing</strong>bekämpfung, bestimmte Verfahrensweisen <strong>und</strong> -<br />
regelungen für die Lösung von <strong>Mobbing</strong>konflikten sowie konkrete Hilfsangebote <strong>und</strong> Ansprechpartner für<br />
<strong>Mobbing</strong>betroffene, z. B. die Installation eines sog. <strong>Mobbing</strong>- oder Konfliktbeauftragten.<br />
Ob der Betriebsrat die Einführung einer Betriebsvereinbarung gegen <strong>Mobbing</strong> am Arbeitsplatz auch gegen den<br />
Willen des Arbeitgebers durchsetzen kann, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Im juristischen Schrifttum wird<br />
teilweise die Auffassung vertreten, dass <strong>Mobbing</strong> der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1<br />
BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs <strong>und</strong> des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb) unterliegt <strong>und</strong> der<br />
Betriebsrat mithilfe seines Initiativrechts die Einführung einer "Anti-<strong>Mobbing</strong>-Vereinbarung" verlangen kann.<br />
Das Arbeitsgericht Köln hat dem Antrag eines Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss<br />
einer Betriebsvereinbarung zum Schutz von <strong>Mobbing</strong> <strong>und</strong> sexueller Belästigung am Arbeitsplatz stattgegeben.<br />
Das LAG Düsseldorf hält ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG - auch in Form<br />
eines Initiativrechts - nicht für <strong>und</strong>enkbar. Dagegen hat das LAG Hamburg die Auffassung vertreten, ein<br />
Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung einer Betriebsvereinbarung über die Verhinderung von <strong>Mobbing</strong><br />
16
werde durch den Gesetzesvorbehalt in § 87 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen, da der Gesetzgeber in §§ 82 ff.<br />
BetrVG eine abschließende Regelung für die Lösung innerbetrieblicher Konflikte getroffen habe.<br />
§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kommt entgegen der Meinung von Teilen des juristischen Schrifttums nicht als<br />
Gr<strong>und</strong>lage für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung gegen<br />
<strong>Mobbing</strong> in Betracht, da der typische Inhalt einer "Anti-<strong>Mobbing</strong>-Vereinbarung" weit über den<br />
Regelungsgegenstand dieser Vorschrift - Ausfüllung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften zur<br />
Verhütung von Arbeitsunfällen <strong>und</strong> Berufskrankheiten sowie über den Ges<strong>und</strong>heitsschutz bei der Arbeit -<br />
hinausgeht.<br />
4. Reaktionsmöglichkeiten bei Beschwerden von <strong>Mobbing</strong>betroffenen<br />
Der Betriebsrat hat nach § 85 Abs. 1 BetrVG die Pflicht, Beschwerden von Arbeitnehmern über <strong>Mobbing</strong><br />
entgegenzunehmen <strong>und</strong>, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Hält<br />
der Betriebsrat die Beschwerde für begründet, der Arbeitgeber jedoch nicht, so kann der Betriebsrat zur<br />
verbindlichen Klärung der Berechtigung der Beschwerde die Einigungsstelle anrufen. Ob der Betriebsrat von<br />
dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen; der Beschwerdeführer kann sich weder selbst an<br />
die Einigungsstelle wenden noch deren Anrufung durch den Betriebsrat erzwingen.<br />
§ 104 S. 1 BetrVG gibt dem Betriebsrat das Recht, vom Arbeitgeber die Versetzung oder Entlassung eines<br />
mobbenden Arbeitnehmers zu verlangen, falls dieser durch gesetzwidriges Handeln oder durch grobe<br />
Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Gr<strong>und</strong>sätze den Betriebsfrieden wiederholt gestört hat. Ein<br />
solches Verlangen ist i. d. R. erst dann berechtigt, wenn der Arbeitnehmer mehrere Pflichtverletzungen begangen<br />
hat <strong>und</strong> dadurch der Betriebsfrieden in grober <strong>und</strong> ernstlicher Weise gestört worden ist. Kommt der Arbeitgeber<br />
dem Verlangen des Betriebsrats nicht nach, so kann der Betriebsrat das Arbeitsgericht mit dem Ziel anrufen, dem<br />
Arbeitgeber die Durchführung der begehrten Maßnahme aufzugeben.<br />
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