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Akute Harnwegsinfektionen, Teil 1: HWI in der Praxis - Swiss ...

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ambulante mediz<strong>in</strong><br />

<strong>Akute</strong> <strong>Harnwegs<strong>in</strong>fektionen</strong>, <strong>Teil</strong> 1: <strong>HWI</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />

Philip Tarr a , Katr<strong>in</strong> Baumann b , Astrid Wallnöfer b , Franziska Zimmerli c , Daniela Maritz a , Ursula Burri a ,<br />

Mart<strong>in</strong> Egger d , Olivier Clerc e , Enos Bernasconi f , Helen Kovari g , Laurence Senn h<br />

Qu<strong>in</strong>tessenz<br />

P <strong>Akute</strong> Blasenentzündungen s<strong>in</strong>d bei Frauen weit häufiger als bei Männern.<br />

Wenn die Diagnose kl<strong>in</strong>isch klar ist, dann br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> positiver Ur<strong>in</strong>streifentest<br />

ke<strong>in</strong>e zusätzliche Information; umgekehrt haben bis zu 30%<br />

<strong>der</strong> Frauen mit <strong>HWI</strong> e<strong>in</strong>en negativen Streifentest.<br />

P Bei typischen <strong>HWI</strong>-Symptomen (Dysurie, Pollakisurie, Harndrang) ist<br />

auch das Wachstum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ur<strong>in</strong>kultur von 10 2 -kompatiblen Keimen/ml<br />

(Frau) o<strong>der</strong> 10 3 (Mann) diagnostisch.<br />

P Bei e<strong>in</strong>er unkomplizierten Zystitis kommt es auch ohne Antibiotika<br />

sehr selten zu e<strong>in</strong>er Sepsis o<strong>der</strong> Pyelonephritis. Die Symptome verschw<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong> ca. 50% auch ohne Antibiotika und mit Ibuprofen möglicherweise<br />

gleich schnell wie mit Antibiotika.<br />

P Es wird vermehrt auf antibiotikafreie Zystitistherapien h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

denn Antibiotika verursachen ökologische Kollateralschäden: Sie begünstigen<br />

die Kolonisation und Infektion mit antibiotikaresistenten Keimen.<br />

P Rezidivierende <strong>HWI</strong> sollen nur mit e<strong>in</strong>er Antibiotikadauerprophylaxe<br />

behandelt werden, wenn nicht-antibiotische Strategien nicht ausreichen.<br />

Daten zu Cranberryprodukten s<strong>in</strong>d nicht überzeugend; vag<strong>in</strong>ale Probiotika<br />

sche<strong>in</strong>en vielversprechend.<br />

<strong>Harnwegs<strong>in</strong>fektionen</strong> (<strong>HWI</strong>) gehören zu den häufigsten<br />

bakteriellen Infektionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong>. Sie gelten als unkompliziert,<br />

wenn ke<strong>in</strong>e strukturellen o<strong>der</strong> funktionalen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen des Urogenitaltrakts vorliegen.<br />

Viele Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen fühlen sich zu Recht<br />

verunsichert, denn die antibiotische Resistenzlage hat<br />

sich <strong>in</strong> den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Ziel<br />

dieses Artikels ist es, Grundlegendes zu <strong>HWI</strong> sowie<br />

neue Trends bezüglich antibiotikafreier Therapie für<br />

Praktiker<strong>in</strong>nen und Praktiker zusammenzufassen.<br />

50-jährigen Frauen ist die <strong>HWI</strong>-Inzidenz deutlich tiefer<br />

als bei jungen Frauen. Diabetes mellitus erhöht das<br />

<strong>HWI</strong>-Risiko. Nicht e<strong>in</strong>heitlich nachgewiesen ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss<br />

von vag<strong>in</strong>aler Trockenheit und Nierenste<strong>in</strong>en. Als<br />

Risikofaktoren nicht belegt s<strong>in</strong>d Kälteexpositionen, geme<strong>in</strong>sames<br />

Baden, Hallenbadbesuche, vag<strong>in</strong>ales Duschen<br />

nach dem Sex, chronisches «zu lange warten»<br />

mit Wasserlösen, Tampons, enge Unterwäsche, ger<strong>in</strong>ge<br />

Tr<strong>in</strong>kmengen und Wischen mit Toilettenpapier von h<strong>in</strong>ten<br />

nach vorn [1].<br />

Lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e grundlegend neuen<br />

Erkenntnisse <strong>in</strong> den letzten 20 Jahren<br />

Die Mehrzahl <strong>der</strong> unkomplizierten Zystitiden wird durch<br />

E. coli verursacht (75–95%), gefolgt von Proteus mirabilis,<br />

Klebsiella pneumoniae, Enterokokken und, vor allem<br />

bei jungen Frauen, Staphylococcus saprophyticus.<br />

Staph. aureus im Ur<strong>in</strong> entspricht selten e<strong>in</strong>em primären<br />

<strong>HWI</strong>; häufiger ist e<strong>in</strong>e Bakteriämie mit sekundärer Streuung<br />

<strong>in</strong> den Ur<strong>in</strong> – bei Staph. aureus im Ur<strong>in</strong> sollten deshalb<br />

Blutkulturen abgenommen werden.<br />

Die am Per<strong>in</strong>eum angesiedelten Darmkeime gelangen <strong>in</strong><br />

Vag<strong>in</strong>a und Urethra und steigen <strong>in</strong> die Blase auf. Wie das<br />

genau geht, wissen wir auch heute nicht im Detail. Geför<strong>der</strong>t<br />

wird dies durch Sex (z.T. werden E. coli auch zwischen<br />

Sexpartnern übertragen), die kurze Harnröhre <strong>der</strong><br />

Frau und durch die Fähigkeit von uropathogenen E.-coli-<br />

Stämmen, sich an urogenitale Epithelzellen anzuheften.<br />

Auch genetische Veranlagung (gewisse Blutgruppenantigene)<br />

wird als prädisponieren<strong>der</strong> Faktor diskutiert.<br />

Ur<strong>in</strong>streifentest: bei klaren <strong>HWI</strong>-Symptomen<br />

ke<strong>in</strong>e zusätzliche Information<br />

Philip Tarr<br />

Die Autoren haben<br />

ke<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />

Unterstützung und<br />

ke<strong>in</strong>e Interessenkonflikte<br />

im<br />

Zusammenhang<br />

mit diesem Beitrag<br />

deklariert.<br />

<strong>HWI</strong> s<strong>in</strong>d häufig, vor allem bei jungen<br />

gesunden Frauen<br />

Etwa die Hälfte aller Frauen ist m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal im<br />

Leben von e<strong>in</strong>er unkomplizierten Zystitis betroffen, und<br />

30–40% dieser Frauen erleiden m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Rezidiv<br />

(Abb. 1 x). Fast jede dritte Frau ist bis zum Alter von<br />

25 Jahren mit Antibiotika gegen e<strong>in</strong>en <strong>HWI</strong> behandelt<br />

worden. Auf 20 Frauen mit Zystitis kommt höchstens<br />

e<strong>in</strong>e, bei <strong>der</strong> es zur Pyelonephritis kommt.<br />

Sexuell aktive Frauen s<strong>in</strong>d häufiger von <strong>HWI</strong> betroffen.<br />

Spermizide, mit welchen viele Kondome imprägniert<br />

s<strong>in</strong>d, stellen e<strong>in</strong>en wichtigen Risikofaktor dar. Bei über<br />

Liegen bei e<strong>in</strong>er jungen Frau <strong>HWI</strong>-Symptome wie Dysurie,<br />

Harndrang und Pollakisurie vor, dann beträgt die<br />

a<br />

Infektiologie und Spitalhygiene, Mediz<strong>in</strong>ische Universitätskl<strong>in</strong>ik,<br />

Kantonsspital Baselland, Bru<strong>der</strong>holz<br />

b<br />

FMH Innere Mediz<strong>in</strong>, Muttenz BL<br />

c<br />

Frauenkl<strong>in</strong>ik, Kantonsspital Baselland, Bru<strong>der</strong>holz<br />

d<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Kl<strong>in</strong>ik, Regionalspital Emmental, Burgdorf<br />

e<br />

Service de médec<strong>in</strong>e et maladies <strong>in</strong>fectieuses, Hôpital<br />

Neuchâtelois, Neuchâtel<br />

f<br />

Servizio Malattie Infettive, Ospedale Regionale, Lugano<br />

g<br />

Kl<strong>in</strong>ik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitäts-<br />

Spital Zürich, Universität Zürich<br />

h<br />

Service de Médec<strong>in</strong>e Préventive Hospitalière, Centre Hospitalier<br />

Universitaire Vaudois, Lausanne<br />

Schweiz Med Forum 2013;13(24):467–471<br />

467


ambulante mediz<strong>in</strong><br />

Abbildung 1<br />

Kumulative Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit (und 95%-Konfidenz<strong>in</strong>tervall), e<strong>in</strong>e<br />

Harnwegs<strong>in</strong>fektion zu erleiden, gemäss Telefon<strong>in</strong>terviews mit 2000<br />

zufällig ausgewählten, >18-jährigen Frauen <strong>in</strong> den USA im Jahr 1996.<br />

Das Risiko steigt im Adoleszentenalter, parallel zum Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

sexuellen Aktivität.<br />

(Modifiziert nach Foxman B: Ann Epidemiol. 2000;10:509–15,<br />

mit freundlicher Genehmigung des Verlags)<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er bakteriellen Zystitis >50%; bei<br />

fehlendem vag<strong>in</strong>alem Ausfluss ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

noch höher. Treten dieselben Symptome wie<strong>der</strong>holt<br />

auf, so liegt <strong>in</strong> ca. 90% e<strong>in</strong> <strong>HWI</strong> vor. E<strong>in</strong>e Pyelonephritis<br />

wird suggeriert, wenn 01 <strong>der</strong> folgenden Symptome vorliegen:<br />

Fieber, Schüttelfrost, schlechter Allgeme<strong>in</strong>zustand,<br />

Übelkeit, lumbale o<strong>der</strong> Flankenschmerzen o<strong>der</strong><br />

Flankenklopfdolenz.<br />

E<strong>in</strong> positiver Ur<strong>in</strong>streifentest liefert bei suggestiver<br />

Anamnese für e<strong>in</strong>en <strong>HWI</strong> ke<strong>in</strong>e zusätzliche Information.<br />

Zudem kann bei negativem Streifentest (ke<strong>in</strong> Nitrit,<br />

ke<strong>in</strong>e Leukozyten) e<strong>in</strong>e Zystitis nicht ausgeschlossen<br />

werden, denn die Sensitivität beträgt nur ca. 75%.<br />

Liegen im Ur<strong>in</strong>sediment


ambulante mediz<strong>in</strong><br />

Tabelle 1<br />

Patient<strong>in</strong>nen mit erhöhtem Risiko für e<strong>in</strong>en komplizierten <strong>HWI</strong>-Verlauf, empfohlene Indikationen für Ur<strong>in</strong>kultur.<br />

– Fieber, reduzierter Allgeme<strong>in</strong>zustand, Übelkeit (Pyelonephritis?)<br />

– Symptome ausgeprägter/an<strong>der</strong>s als üblich<br />

– Symptome persistieren >5–7 Tage<br />

– Rezidivierende <strong>HWI</strong><br />

– Pyelonephritis <strong>in</strong> Anamnese<br />

– Patient<strong>in</strong> aktuell o<strong>der</strong> <strong>in</strong> den letzten 3 Monaten hospitalisiert o<strong>der</strong> mit Antibiotika behandelt (erhöhtes Resistenzrisiko)<br />

– Resistenter Keim <strong>in</strong> Anamnese<br />

– Alters- o<strong>der</strong> Pflegeheimbewohner<strong>in</strong><br />

– Patient<strong>in</strong> hat Dauer-Ur<strong>in</strong>katheter, Ureteralstent o<strong>der</strong> Nephrostomiekatheter<br />

– Schwangerschaft<br />

– Immunsuppression<br />

– Patient<strong>in</strong> ist polymorbid, <strong>in</strong>kl. Diabetes mellitus, Nieren<strong>in</strong>suffizienz<br />

– Urolithiasis, Stauung <strong>der</strong> oberen Harnwege, vorheriger urologischer E<strong>in</strong>griff, anatomische Abnormalität (z.B. Zystozele), Blasenentleerungsprobleme<br />

(z.B. bei Paraplegie)<br />

– Mann 3 chronische Prostatitis erwägen, vor allem wenn rezidivierende <strong>HWI</strong><br />

ren Daten l<strong>in</strong><strong>der</strong>t Ibuprofen die <strong>HWI</strong>-Symptome gleich<br />

gut und gleich schnell wie Ciprofloxac<strong>in</strong> [6]. Antibiotika<br />

können zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt e<strong>in</strong>gesetzt werden,<br />

falls <strong>der</strong> Verlauf unbefriedigend ist. Das Berner<br />

I nstitut für Hausarztmediz<strong>in</strong> und das Institut für Infektionskrankheiten<br />

<strong>der</strong> Universität Bern koord<strong>in</strong>ieren<br />

aktuell e<strong>in</strong>e randomisierte Doppelbl<strong>in</strong>dstudie (Norfloxac<strong>in</strong><br />

vs. Diclofenac) bei unkomplizierter Zystitis, siehe<br />

www.biham.unibe.ch/content/forschung/laufende_projekte/<strong>in</strong>dex_ger.html.<br />

Qu<strong>in</strong>olone s<strong>in</strong>d nicht mehr Therapie <strong>der</strong> Wahl<br />

Nitrofuranto<strong>in</strong>, Fosfomyc<strong>in</strong> und Cotrimoxazol werden<br />

neu als Antibiotika <strong>der</strong> ersten Wahl zur empirischen<br />

Therapie <strong>der</strong> unkomplizierten Zystitis empfohlen. Sie<br />

können auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schwangerschaft verwendet werden<br />

(Ausnahme: ke<strong>in</strong> Cotrimoxazol kurz vor Term<strong>in</strong>).<br />

Für Nitrofuranto<strong>in</strong> (2x 100 mg/d für 5 Tage) und Fosfomyc<strong>in</strong><br />

(3-g-E<strong>in</strong>zeldosis) s<strong>in</strong>d die Resistenzraten momentan<br />

noch sehr tief [2]. Beide verursachen ger<strong>in</strong>ge Kollateralschäden,<br />

und auch ESBL-Keime s<strong>in</strong>d darauf meist<br />

empf<strong>in</strong>dlich [5]. Die renalen Parenchymkonzentrationen<br />

s<strong>in</strong>d aber ungenügend zur Behandlung e<strong>in</strong>er Pyelonephritis<br />

(Indikation nur für Zystitis). Zudem ist S. saprophyticus<br />

<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch resistent auf Fosfomyc<strong>in</strong>.<br />

Cotrimoxazol (2x 160/800 mg/d für 3 Tage) ist gut<br />

wirksam und verursacht wenig Kollateralschäden, wird<br />

aber nicht empfohlen bei e<strong>in</strong>er lokalen Resistenzrate<br />

von >20%. Wegen <strong>der</strong> extrem hohen Urogenitalkonzentration<br />

ist Cotrimoxazol aber auch bei resistenten E.coli<br />

<strong>in</strong> ca. 50% wirksam.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> grossen Kollateralschäden sollten Qu<strong>in</strong>olone<br />

nicht mehr als empirische Therapie bei <strong>HWI</strong> e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Qu<strong>in</strong>olone werden nur noch bei <strong>der</strong> unkomplizierten<br />

Pyelonephritis o<strong>der</strong> <strong>in</strong> komplexen Situationen<br />

empfohlen – nach Rücksprache mit e<strong>in</strong>er Spezialist<strong>in</strong>.<br />

Betalaktame, zum Beispiel Amoxicill<strong>in</strong>-Clavulansäure<br />

o<strong>der</strong> Cefuroxim, s<strong>in</strong>d bei <strong>HWI</strong> weniger wirksam und<br />

verursachen relevante Kollateralschäden. Sie s<strong>in</strong>d daher<br />

nur 2. Wahl. Ihre Anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

ist erlaubt.<br />

Rezidivierende <strong>HWI</strong>: Cranberrydaten<br />

s<strong>in</strong>d nicht überzeugend<br />

Frauen mit e<strong>in</strong>em ersten <strong>HWI</strong> erleben <strong>in</strong> 30–40% rezidivierende<br />

Blasenentzündungen. Bei älteren, nicht aber<br />

jüngeren Patient<strong>in</strong>nen liegt oft e<strong>in</strong>e komplizierte Zystitis<br />

vor, mit anatomischen, funktionalen o<strong>der</strong> metabolischen<br />

Abnormalitäten. Das langfristige Ziel <strong>der</strong> Therapie<br />

rezidivieren<strong>der</strong> <strong>HWI</strong> ist die Verbesserung <strong>der</strong><br />

Lebensqualität, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie mit nicht-antibiotischen<br />

Mitteln (Abb. 2 x). Für die Wirksamkeit vieler dieser<br />

Methoden, wie die beliebten Cranberryprodukte, gibt<br />

es zwar kaum überzeugende Daten. Sie können aber<br />

empfohlen werden, da sie kaum Nebenwirkungen haben<br />

und viele Frauen von ihrer Wirksamkeit überzeugt<br />

s<strong>in</strong>d. Probiotische Produkte werden von Frauen mit rezidiverenden<br />

<strong>HWI</strong> seit vielen Jahren vag<strong>in</strong>al appliziert;<br />

gemäss e<strong>in</strong>er kürzlichen, gut gemachten Studie s<strong>in</strong>d vag<strong>in</strong>ale<br />

Laktobazillen tatsächlich wirksam [7]. Orale Östrogene<br />

reduzieren <strong>HWI</strong>-Raten nicht, und mit topischen<br />

vag<strong>in</strong>alen Östrogenen wurden <strong>in</strong> verschiedenen Studien<br />

unterschiedliche Erfolgsraten erzielt. Uro-Vaxom,<br />

e<strong>in</strong> orales Präparat mit <strong>in</strong>aktivierten E. coli, ist möglicherweise<br />

wirksam, aber die Datenqualität ist ungenügend.<br />

Wichtig ist auch, dass die Praktiker<strong>in</strong> im Detail erfragt,<br />

<strong>in</strong>wiefern Faktoren wie exzessive Intimhygiene,<br />

mechanische Irritation wegen häufigen Sex und/o<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>adäquater Lubrikation, postmenopausale Vulvovag<strong>in</strong>alatrophie,<br />

Allergie auf Intimprodukte o<strong>der</strong> sexuell<br />

übertragbare Infektionen (bakterielle Vag<strong>in</strong>ose, Candida,<br />

Trichomonaden, Herpes) e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Denn<br />

auch diese Faktoren können <strong>HWI</strong>-Symptome wie Harndrang,<br />

Pollakisurie und Hämaturie verursachen und<br />

eventuell <strong>HWI</strong> begünstigen.<br />

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ambulante mediz<strong>in</strong><br />

Abbildung 2<br />

Nicht-antibiotische Strategien bei rezidivierenden Blasenentzündungen.<br />

Erst wenn nicht-antibiotische Massnahmen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

postkoitale Antibiotikaprophylaxe nicht ausreichen,<br />

soll e<strong>in</strong>e Antibiotikadauerprophylaxe diskutiert werden.<br />

E<strong>in</strong>e tägliche E<strong>in</strong>nahme von Cotrimoxazol führt<br />

aber <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Monats zu Trägertum mit resistenten<br />

Darmbakterien und ist dann zur <strong>HWI</strong>-Prophylaxe<br />

nicht mehr wirksam. Bei schwierigen Situationen<br />

(grosser Leidensdruck, wie<strong>der</strong>holte Pyelonephritis,<br />

Sepsis) empfiehlt sich die Rücksprache mit e<strong>in</strong>em Infektiologen.<br />

<strong>HWI</strong> bei Männern:<br />

chronische Prostatitis erwägen<br />

Unterschied kle<strong>in</strong>er. Die Prostatahyperplasie ist <strong>der</strong><br />

wichtigste pathogenetische Mechanismus, aber e<strong>in</strong>e<br />

urologische Abklärung zeigt sonst meist ke<strong>in</strong>e Abnormalitäten.<br />

Bei rezidivierenden <strong>HWI</strong> f<strong>in</strong>den sich ab und<br />

zu Urethrastrikturen o<strong>der</strong> Prostataste<strong>in</strong>e, aber <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie soll hier e<strong>in</strong>e chronische Prostatitis gesucht werden<br />

[8]. Diese wird durch Ur<strong>in</strong>kulturen vor und nach<br />

Prostatamassage diagnostiziert. Viele Antibiotika penetrieren<br />

schlecht <strong>in</strong> die Prostata; Qu<strong>in</strong>olone (für m<strong>in</strong>destens<br />

4–6 Wochen) s<strong>in</strong>d bei sensiblem Keim Mittel <strong>der</strong><br />

Wahl. Bei den meisten Männern mit chronischer Prostatitis<br />

gel<strong>in</strong>gt ke<strong>in</strong> Keimnachweis (nicht-bakterielle<br />

chronische Prostatitis), und die Ätiologie bleibt unklar.<br />

Junge Männer s<strong>in</strong>d rund 30-mal seltener von akuten<br />

<strong>HWI</strong> betroffen als Frauen. Bei alten Männern ist <strong>der</strong><br />

Schweiz Med Forum 2013;13(24):467–471<br />

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ambulante mediz<strong>in</strong><br />

Danksagung<br />

Die Autoren danken Randy DuBurke, B<strong>in</strong>n<strong>in</strong>gen BL (www.randyduburke.com),<br />

für die Anfertigung <strong>der</strong> Illustrationen und Dr. Susanne Graf,<br />

Kantonsspital Baselland, für wertvolle Mikrobiologie-Diskussionen.<br />

Korrespondenz:<br />

PD Dr. med. Philip Tarr<br />

Leiten<strong>der</strong> Arzt<br />

Infektiologie und Spitalhygiene<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />

Kantonsspital Baselland<br />

CH-4101 Bru<strong>der</strong>holz<br />

philip.tarr[at]unibas.ch<br />

Literatur<br />

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pe=ref<br />

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7 Stapleton AE, Au-Yeung M, Hooton TM, et al. Randomized, Placebo-<br />

Controlled Phase 2 Trial of a Lactobacillus crispatus Probiotic Given<br />

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Cl<strong>in</strong> Infect Dis. 2011;52:1212–7.<br />

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Schweiz Med Forum 2013;13(24):467–471<br />

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