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I. Elementargeometrie

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1. Einleitung<br />

I. <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Punkte bezeichnen wir mit Großbuchstaben, Geraden und Kreise mit Kleinbuchstaben<br />

und Winkel mit griechischen Buchstaben. Für Längen, zum Beispiel Seitenlängen eines<br />

Dreiecks, verwenden wir Kleinbuchstaben und für Flächen Großbuchstaben. Wir führen<br />

folgende Abkürzungen ein:<br />

AB Strecke zwischen den Punkten A und B<br />

−→<br />

AB Vektor vom Punkt A zum Punkt B<br />

l(A, B) Gerade durch die Punkte A und B<br />

|AB| Abstand der Punkte A und B<br />

AB orientierter Abstand vom Punkt A zum Punkt B<br />

△ ABC Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C<br />

∠ ABC Winkel bei B im Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C<br />

#ABC Fläche des Dreiecks mit den Eckpunkten A, B und C<br />

Den orientierten Abstand erhält man, indem man die Gerade g durch A und B mit der<br />

Zahlengerade R identifiziert und die Koordinate von A von der von B subtrahiert. Es gilt<br />

AB = −BA. Liegen drei Punkte A, B und C auf einer Geraden g, ganz egal in welcher<br />

Reihenfolge, es gilt immer AB + BC = AC. Allerdings hängt AB davon ab, wie man<br />

g orientiert, das heißt welche Richtung die positive ist. Dreht man die Orientierung um,<br />

dann ändert AB das Vorzeichen.<br />

Wir werden den orientierten Abstand immer nur in Verhältnissen verwenden. Seien<br />

P , Q und R drei voneinander verschiedene Punkte auf einer Geraden g. Dann ist das<br />

Verhältnis P Q<br />

QR<br />

eindeutig bestimmt, unabhängig davon, wie man die Gerade g orientiert,<br />

da bei Änderung der Orientierung sowohl P Q als auch QR das Vorzeichen ändern. Liegt<br />

Q zwischen P und R, dann haben P Q und QR gleiches Vorzeichen, sodass P Q<br />

QR > 0 und<br />

gilt. Liegt Q nicht zwischen P und R, dann haben P Q und QR verschiedenes<br />

P Q<br />

QR<br />

=<br />

|P Q|<br />

|QR|<br />

Vorzeichen, sodass P Q<br />

P Q<br />

QR<br />

< 0 gilt und wegen QP = −P Q auch −<br />

QR = QP<br />

QR = |QP |<br />

|QR| .<br />

Bemerkung: Wir benötigen sowohl den üblichen, nicht orientierten Abstand als auch<br />

den orientierten Abstand, den wir mit AB bezeichnen. Der Abstand ist der Betrag dieser<br />

Zahl, daher bezeichnen wir ihn mit |AB|. Es kommen oft Quotienten AB<br />

CD<br />

vor. Würden<br />

wir den Abstand mit Querstrich bezeichnen, dann hätten wir AB , was etwas verwirrend<br />

CD<br />

aussieht. Ein Vektor wird mit −→ AB bezeichnet. Eine dazu passende Bezeichnung für eine<br />

Strecke ist AB.<br />

Für Dreiecke verwenden wir die Standardbezeichnung.<br />

C<br />

Die Eckpunkte werden mit A, B und C bezeichnet, die einem<br />

γ<br />

δ<br />

Eckpunkt gegenüberliegende Seite mit dem entsprechenden b<br />

a<br />

Kleinbuchstaben a, b und c, und der (Innen)Winkel bei jedem<br />

Eckpunkt mit dem entsprechenden griechischen Buchstaben<br />

α<br />

β<br />

α, β und γ. Der Winkel δ ist ein Außenwinkel. Bei jedem<br />

A c<br />

B<br />

Eckpunkt gibt es zwei Außenwinkel, die gleich groß sind.<br />

Als Beweismethode werden oft kongruente Figuren verwendet. Zwei Figuren heißen<br />

kongruent, wenn sich die eine durch Verschieben, Drehen, Spiegeln in die andere überführen<br />

lässt. Bei kongruenten Figuren stimmen entsprechende Seitenlängen, Winkel und Flächen<br />

überein. Es folgen einige Beispiele.


2 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Seien g und h zwei Gerade, die einander in einem Punkt S h<br />

schneiden. Dann sind einander gegenüberliegende Winkel,<br />

die von den beiden Geraden eingeschlossen werden, gleich<br />

α S β<br />

groß. In der Zeichnung sind zwei solche Winkel mit α und g<br />

β bezeichnet. Dreht man die gesamte Figur um den Punkt<br />

S um 180 0 , dann gehen die Geraden g und h in sich selbst<br />

über. Der Winkel β kommt dann auf dem Winkel α zu liegen. Somit sind die beiden<br />

Winkel gleich. (Scheitelwinkel)<br />

Zwei parallele Geraden g 1 und g 2 werden von<br />

einer dritten Geraden h geschnitten. Der Schnittpunkt<br />

von g 1 mit h sei S und der Schnittpunkt von<br />

g 2 mit h sei R. Dann sind die in der Zeichnung mit g 2<br />

γ R<br />

α und β bezeichneten Winkel gleich groß. Das sieht<br />

man, wenn man die gesamte Figur entlang der Geraden<br />

h verschiebt, sodass g 1 dann auf g 2 liegt und<br />

h<br />

h in sich selbst übergeht. Der Winkel α liegt dann<br />

S α<br />

auf dem Winkel β, womit die Gleichheit dieser Winkel<br />

gezeigt ist (Stufenwinkel). Aus obigem Resultat<br />

g 1<br />

folgt dann, dass auch der mit γ bezeichnete Winkel gleich α ist (Wechselwinkel).<br />

Seien g und h zwei Gerade, die einander in einem<br />

Punkt S schneiden und den Winkel α einschließen.<br />

Sei u eine senkrechte Gerade auf g und v eine senkrechte<br />

Gerade auf h. Der von u und v eingeschlossene<br />

Winkel β ist dann gleich α. Das sieht man so:<br />

Wir drehen die Geraden u und v um ihren Schnittpunkt<br />

P um 90 0 und erhalten die Geraden ũ und ṽ,<br />

die dann ebenfalls den Winkel β einschließen. Da ũ<br />

parallel zu g liegt und ṽ parallel zu h, muss β = α<br />

gelten. Durch die Parallelverschiebung, die P in S<br />

überführt, wird ja ũ auf g und ṽ auf h abgebildet.<br />

Der Winkel β liegt dann auf dem Winkel α.<br />

Schließlich beweisen wir noch zwei einfache Resultate für das Dreieck.<br />

h<br />

g<br />

v<br />

P<br />

β<br />

β<br />

u<br />

ũ<br />

ṽ<br />

S<br />

β<br />

α<br />

Satz 1: Die Summe der (Innen)Winkel eines Dreiecks beträgt 180 0 .<br />

Beweis: Die Eckpunkte und Winkel des Dreiecks<br />

g<br />

werden wie üblich bezeichnet. Wir zeichnen eine<br />

zur Dreiecksseite AB parallele Gerade g durch<br />

den Eckpunkt C des Dreiecks. Diese bildet mit<br />

der Dreiecksseite AC einen Winkel ε und mit der<br />

Dreiecksseite BC einen Winkel δ. Nach dem oben<br />

bewiesenen Resultat gilt ε = α und δ = β, da die<br />

α<br />

A<br />

Gerade g parallel zur Seite AB liegt. Klarerweise<br />

gilt ε + γ + δ = 180 0 . Damit ist auch α + γ + β = 180 0 gezeigt.<br />

ε<br />

C<br />

γ<br />

δ<br />

β<br />

B


Franz Hofbauer 3<br />

Satz 2: Sei c die Länge der Seite AB eines Dreiecks △ ABC und h die Länge der Höhe<br />

durch C. Das Rechteck mit Seitenlängen c und h hat dann eine doppelt so große Fläche<br />

wie das Dreieck. Die Dreiecksfläche ist gleich c · h<br />

2 .<br />

Beweis: Sei D der Fußpunkt der Höhe durch C.<br />

Wir zeichnen ein Rechteck, dessen eine Seite AB<br />

ist, sodass die beiden anderen Ecken des Rechtecks,<br />

die wir U und V nennen, auf der zu AB parallelen<br />

Geraden durch den Punkt C liegen. Das<br />

Rechteck hat dann Seitenlängen c und h. Die<br />

beiden Dreiecke △ ACD und △ CAU sind kongruent<br />

(Drehung um den Mittelpunkt der Strecke<br />

AC um 180 0 ) und haben daher gleiche Fläche.<br />

Ebenso sind die Dreiecke △ BCD und △ CBV<br />

U<br />

A c<br />

C<br />

h<br />

D<br />

V<br />

B<br />

kongruent und haben daher ebenfalls gleiche Fläche. Wenn D auf der Strecke AB liegt,<br />

wie in der Zeichnung dargestellt, dann ist #ACD + #CAU + #BCD + #CBV die Fläche<br />

des Rechtecks und #ACD + #BCD die Fläche des Dreiecks △ ABC. Wenn D rechts<br />

von B liegt, dann ist #ACD + #CAU − #BCD − #CBV die Fläche des Rechtecks und<br />

#ACD − #BCD die Fläche des Dreiecks △ ABC. Wenn D links von A liegt, dann ist<br />

#BCD + #CBV − #ACD − #CAU die Fläche des Rechtecks und #BCD − #ACD<br />

die Fläche des Dreiecks △ ABC. Man sieht, dass in allen drei Fällen die Rechtecksfläche<br />

doppelt so groß ist wie die Fläche des Dreiecks △ ABC.<br />

2. Der Strahlensatz<br />

Der Strahlensatz macht eine Aussage über die Verhältnisse von entsprechenden Seiten<br />

von Dreiecken in einer der beiden folgenden Situationen:<br />

D<br />

D<br />

S<br />

h<br />

g<br />

B<br />

u<br />

A<br />

v<br />

C<br />

A<br />

u<br />

B<br />

S<br />

h<br />

g<br />

v<br />

C<br />

Zwei Gerade g und h schneiden einander in einem Punkt S. Eine weitere Gerade u<br />

schneidet die Geraden g und h in den Punkten A und B, die ungleich S sind. Eine zu<br />

u parallele Gerade v schneidet g und h in den Punkten C und D, die ebenfalls ungleich<br />

S sind. Dadurch entstehen zwei Dreiecke △ SAB und △ SCD. Dabei können zwei Fälle<br />

auftreten. Entweder die beiden parallelen Geraden u und v liegen auf derselben Seite von<br />

S, wie es in der linken Zeichnung dargestellt ist, oder sie liegen auf verschiedenen Seiten<br />

von S, wie es in der rechten Zeichnung dargestellt ist.<br />

Satz 3 (Strahlensatz) In der oben beschriebenen Situation gilt SA<br />

SC = SB<br />

SD = AB<br />

CD .<br />

Beweis: Wir nehmen an, dass die Geraden u und v auf derselben Seite von S liegen. Das<br />

ist der oben links dargestellte Fall. In diesem Fall gilt SA SB<br />

AB<br />

SC<br />

> 0,<br />

SD<br />

> 0 und<br />

CD > 0.


4 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Wir arbeiten mit den Dreiecksflächen U = #SAB, V = #ABC und W = #ABD. Es gilt<br />

U + V = #SCB und U + W = #SDA. Sei d der Abstand der parallelen Geraden u und<br />

v. Weiters sei a der Normalabstand des<br />

Punktes A von der Geraden h und b der<br />

D<br />

des Punktes B von der Geraden g. Es gilt<br />

SA<br />

SC = |SA|<br />

|SC| = |SA| b 2<br />

|SC| b 2<br />

SB<br />

SD<br />

= |SB|<br />

|SD|<br />

= |SB| a 2<br />

|SD| a 2<br />

= #SAB<br />

#SCB =<br />

U<br />

U+V<br />

und<br />

= #SBA<br />

#SDA = U<br />

U+W .<br />

Die beiden Dreiecke △ ABC und △ ABD<br />

haben Grundlinie AB und gleiche Höhe d.<br />

Daher haben sie auch gleiche Fläche, also<br />

S g<br />

gilt V = W . Damit ist SA<br />

A<br />

SC = SB<br />

SD<br />

, der erste<br />

C<br />

Teil des Strahlensatzes, bereits bewiesen.<br />

Um auch SA<br />

SC = AB<br />

CD<br />

zu beweisen, arbeiten wir mit den Dreiecksflächen R = #SCD und<br />

T = #BCD. Ist c der Normalabstand des Punktes S von der Geraden u, dann gilt<br />

R = c+d<br />

2<br />

· |CD| und T = d 2 · |CD|, woraus R − T = c 2 · |CD| folgt. Wegen U = c 2 · |AB|<br />

erhalten wir AB<br />

CD = |AB|<br />

|CD| = U<br />

R−T<br />

. Da sowohl U + V als auch R − T die Fläche des Dreiecks<br />

△ SBC ergeben, gilt U + V = R − T . Somit ist AB<br />

CD = U<br />

U+V<br />

= SA<br />

SC gezeigt.<br />

Der Satz ist für den Fall bewiesen, dass die beiden parallelen Geraden auf derselben Seite<br />

des Punktes S liegen. Den anderen Fall, wo die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten<br />

von S liegen, kann man auf diesen zurückführen, indem man die links von S liegende Gerade<br />

um S spiegelt. Es ist zu beachten, dass dabei die Zahlen SA, SB und AB ihr Vorzeichen<br />

ändern.<br />

Wir geben einen zweiten Beweis des Strahlensatzes, der ein wenig analytisch ist.<br />

Zweiter Beweis: Wir nehmen wieder an, dass die beiden parallelen Geraden u und v auf<br />

derselben Seite von S liegen. Die Gerade u schneidet die Geraden g und h in den Punkten<br />

A und B, die Gerade v schneidet g und h in den Punkten C und D.<br />

Wir führen den Beweis zuerst in dem Fall,<br />

rational ist. Es existieren Zahlen<br />

wo SA<br />

SC<br />

k und n in N mit SA<br />

SC<br />

= |SA|<br />

|SC|<br />

= k n . Wir<br />

. Dann gilt |SC| = nq<br />

= kq. Wir teilen die<br />

Strecke SC in n gleich lange Stücke der<br />

Länge q und zeichnen durch diese Teilungspunkte<br />

Geraden, die parallel zur Gerade<br />

setzen q = |SC|<br />

n<br />

und |SA| = |SC| k n<br />

v liegen. Diese Geraden unterteilen die<br />

Strecke SD in n gleich lange Stücke, deren<br />

A<br />

C<br />

Länge wir mit r bezeichnen. Das erkennt<br />

man, indem man in Richtung der Geraden g um die Strecke q parallel zu v verschiebt. Es<br />

gilt dann |SD| = nr und, da die k-te dieser parallelen Geraden mit der Geraden durch A<br />

und B zusammenfällt, auch |SB| = kr. Damit ist SB<br />

SD = |SB|<br />

|SD| = k n gezeigt.<br />

Ebenso zeichnen wir durch die auf der Strecke SC liegenden Teilungspunkte Geraden, die<br />

parallel zur Gerade h liegen. Diese Geraden unterteilen die Strecke CD in n gleich lange<br />

Stücke, deren Länge wir mit s bezeichnen. Es gilt dann |CD| = ns und, da die ersten k −1<br />

S<br />

h<br />

h<br />

g<br />

B<br />

u<br />

B<br />

D<br />

v<br />

v


Franz Hofbauer 5<br />

dieser parallelen Geraden die Strecke AB in k gleich lange Teile der Länge s teilen, auch<br />

|AB| = ks. Damit ist AB<br />

CD = |AB|<br />

|CD| = k SA<br />

n<br />

gezeigt. Wir haben also<br />

SC = SB<br />

SD = AB<br />

CD bewiesen.<br />

Um den Beweis zu führen, wenn SA<br />

SC<br />

nicht<br />

rational ist, teilen wir wie oben die Strecke<br />

D<br />

SC in n gleiche Teile der Länge q = |SC|<br />

n<br />

und zeichnen parallele Geraden zu v bzw.<br />

B 2<br />

B B<br />

zu h, die SD in n gleiche Teile der Länge<br />

1<br />

r und CD in n gleiche Teile der Länge s<br />

h<br />

v<br />

teilen. Die Punkte A und B liegen jetzt<br />

nicht auf einem Unterteilungspunkt. Seien<br />

A 1 und A 2 die Unterteilungspunkte auf der S g<br />

Strecke SC, zwischen denen A liegt. Seien<br />

A 1 A A 2 C<br />

B 1 und B 2 die Unterteilungspunkte auf der<br />

Strecke SD, zwischen denen B liegt. Die Strecken A 1 B 1 und A 2 B 2 liegen dann parallel<br />

zur Strecke AB. Und da es sich bei den Punkten A 1 , A 2 , B 1 , B 2 um Unterteilungspunkte<br />

handelt, erhalten wir |SA 1|<br />

|SC|<br />

= |SB 1|<br />

|SD|<br />

= |A 1B 1 |<br />

|CD|<br />

und |SA 2|<br />

|SC|<br />

= |SB 2|<br />

|SD|<br />

= |A 2B 2 |<br />

|CD|<br />

aus dem ersten<br />

Teil des Beweises.<br />

Es gilt |SA| < |SA 2 | und |SB 1 | < |SB|. Wegen |SA 2 | = |SA 1 | + q folgt |SA| − q < |SA 1 |<br />

und |SA|−q<br />

|SC|<br />

< |SA 1|<br />

|SC|<br />

= |SB 1|<br />

|SD|<br />

< |SB|<br />

|SA|<br />

|SD|<br />

. Setzt man für q ein, so erhält man<br />

|SC| − 1 n < |SB|<br />

|SD| .<br />

Es gilt |SA| > |SA 1 | und |SB 2 | > |SB|. Wegen |SA 1 | = |SA 2 | − q folgt |SA| + q > |SA 2 |<br />

und |SA|+q<br />

|SC|<br />

> |SA 2|<br />

|SC|<br />

= |SB 2|<br />

|SD|<br />

> |SB|<br />

|SD|<br />

. Setzt man für q ein, so erhält man<br />

|SA|<br />

|SC| + 1 n > |SB|<br />

|SD| .<br />

Wir haben somit |SA|<br />

|SC| − 1 n < |SB|<br />

|SD|<br />

< |SA|<br />

|SC| + 1 n<br />

gezeigt. Das gilt für alle n ∈ N. Daraus<br />

ergibt sich die Gleichheit |SA|<br />

|SC| = |SB|<br />

SA<br />

|SD|<br />

, das heißt<br />

SC = SB<br />

SD .<br />

Da aber auch |A 1 B 1 | < |AB| und |A 2 B 2 | > |AB| gelten, kann man diesen Beweisschritt<br />

auch mit |A 1 B 1 | statt |SB 1 |, mit |A 2 B 2 | statt |SB 2 |, mit |AB| statt |SB| und mit |CD|<br />

statt |SD| durchführen und erhält |SA|<br />

|SC| − 1 n < |AB|<br />

|CD|<br />

< |SA|<br />

|SC| + 1 n<br />

. Da dies für alle n ∈ N<br />

gilt, ist auch |SA|<br />

|SC| = |AB|<br />

SA<br />

|CD|<br />

gezeigt, das heißt<br />

SC = AB<br />

CD .<br />

Der Fall, in dem die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten von S liegen, lässt sich wie<br />

im ersten Beweis durch Spiegeln am Punkt S auf den Fall zurückführen, wo die parallelen<br />

Geraden auf derselben Seite von S liegen.<br />

Wenn die oben vorausgesetzte Situation vorliegt mit zwei einander schneidenden Geraden<br />

g und h, die von zwei parallelen Geraden u und v geschnitten werden, dann verwendet<br />

man die in Satz 3 formulierte Version des Strahlensatzes mit orientierten Verhältnissen.<br />

Häufig wendet man den Strahlensatz aber auch auf ähnliche Dreiecke an. Wir nennen<br />

die Dreiecke △ ABC und △ DEF ähnlich, wenn<br />

∠ CAB = ∠ F DE, ∠ ABC = ∠ DEF und ∠ BCA = ∠ EF D<br />

gilt. In diesem Fall kann man die Dreiecke übereinanderlegen, sodass der Punkt D auf A<br />

liegt, die Seite AB auf DE und die Seite AC auf DF . Aus dem Strahlensatz folgt dann<br />

|AB|<br />

|DE| = |AC|<br />

|DF | = |BC|<br />

|EF | .<br />

In diesem Fall verwendet man eine nichtorientierte Version, da die Dreiecke △ ABC und<br />

△ DEF ja irgendwie liegen können. Oft schreibt man diese Gleichungen auch so auf<br />

|AB|<br />

|AC| = |DE|<br />

|DF | ,<br />

|AB|<br />

|BC| = |DE|<br />

|EF |<br />

und<br />

|AC|<br />

|BC| = |DF |<br />

|EF | .


6 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Manchmal ist auch folgende Umkehrung des Strahlensatzes nützlich. Dazu beweisen wir<br />

zuerst einen Hilfssatz.<br />

Hilfssatz A: Wenn die Punkte P , Q und S auf einer Geraden liegen und P S = QS gilt,<br />

dann sind P und Q identisch. Wenn die Punkte P , Q, R und S auf einer Geraden liegen<br />

und P R<br />

P S = QR<br />

QS<br />

gilt, dann sind P und Q identisch.<br />

Beweis: Da P , Q und S auf einer Geraden liegen und P S = QS gilt, haben die Punkte<br />

P und Q denselben Abstand von S. Sie liegen auch auf der selben Seite von S, da die<br />

Abstände in einer Richtung positives und in der anderen Richtung negatives Vorzeichen<br />

haben. Also sind P und Q identisch und die erste Aussage ist gezeigt.<br />

Jetzt zur zweiten Aussage. Da die Punkte P , Q, R und S auf einer Gerade liegen, gilt<br />

auch P R = P S + SR und QR = QS + SR. Setzt man das in P R<br />

P S = QR<br />

QS<br />

ein, so erhält man<br />

1 + SR<br />

P S<br />

= 1 + SR<br />

QS<br />

. Also gilt P S = QS. Aus der oben bewiesenen ersten Aussage folgt,<br />

dass P und Q identisch sind.<br />

Satz 4: Seien g und h zwei Gerade, die einander im Punkt S schneiden. Seien A und<br />

C Punkte auf g und B und D Punkte auf h, die alle ungleich S sind. Wenn SA<br />

SC<br />

= SB<br />

SD<br />

gilt, dann ist die Gerade l(A, B) durch die Punkte A und B parallel zur Geraden l(C, D)<br />

durch die Punkte C und D.<br />

Beweis: Sei u die Gerade durch den Punkt A, die parallel zu l(C, D) liegt. Sei B ∗ der<br />

Schnittpunkt von u mit h. Man beachte, dass l(C, D) und damit auch u nicht parallel zu h<br />

liegen kann. Aus Satz 3 folgt dann SA<br />

SC = SB∗<br />

SA<br />

SD<br />

. Wegen<br />

SC = SB<br />

SD erhalten wir SB∗ = SB,<br />

woraus B ∗ = B wegen Hilfssatz A folgt, da S, B und B ∗ alle auf der Geraden h liegen.<br />

Daraus folgt wieder, dass l(A, B) mit der Geraden u zusammenfällt, womit bewiesen ist,<br />

dass l(A, B) parallel zu l(C, D) liegt.<br />

Satz 5 (Satz von Menelaos) Seien A, B und C die Ecken eines Dreiecks und g eine<br />

Gerade, die durch keine dieser Ecken verläuft. Sei D der Schnittpunkt von g mit der<br />

Geraden l(A, B), sei E der Schnittpunkt von g mit der Geraden l(B, C) und sei F der<br />

Schnittpunkt von g mit der Geraden l(C, A). Dann gilt DA<br />

DB · EB<br />

EC · F C<br />

F A = 1.<br />

Beweis: Sei A ∗ der Fußpunkt des<br />

C<br />

Lots vom Punkt A auf die Gerade g,<br />

sei B ∗ der Fußpunkt des Lots vom g<br />

A ∗<br />

Punkt B auf die Gerade g und sei C ∗<br />

F<br />

der Fußpunkt des Lots vom Punkt C<br />

auf die Gerade g. Da die Strecken<br />

C ∗<br />

AA ∗ und BB ∗ parallel liegen, folgt<br />

E<br />

DA<br />

B ∗<br />

DB = AA∗<br />

BB<br />

aus dem Strahlensatz.<br />

∗<br />

Ebenso haben wir EB<br />

EC = BB∗<br />

CC<br />

, da die<br />

∗ D<br />

Strecken BB ∗ und CC ∗ parallel liegen, A<br />

B<br />

und F C<br />

F A = CC∗<br />

AA<br />

, da die Strecken AA ∗<br />

∗<br />

und CC ∗ parallel liegen. Damit ergibt sich DA<br />

DB · EB<br />

EC · F C<br />

F A = AA∗<br />

BB<br />

· BB∗<br />

∗ CC<br />

· CC∗<br />

∗ AA<br />

= 1.<br />

∗<br />

Satz 6 (Satz von Ceva) Sei △ ABC ein Dreieck und P ein Punkt. Sei D der Schnittpunkt<br />

der Geraden l(A, B) und l(C, P ), sei E der Schnittpunkt der Geraden l(B, C) und l(A, P )<br />

und sei F der Schnittpunkt der Geraden l(C, A) und l(B, P ). Wir nehmen an, dass diese<br />

Schnittpunkte existieren und nicht mit einem Eckpunkt des Dreiecks zusammenfallen.<br />

Dann gilt AD<br />

DB · BE<br />

EC · CF<br />

F A = 1.


Franz Hofbauer 7<br />

Beweis: Wir beweisen den Satz mit Hilfe von Satz 5. Die Zeichnung zeigt die vorliegende<br />

Situation. Links ist der Fall dargestellt, in dem der Punkt P im Innern des Dreiecks liegt,<br />

C<br />

F<br />

C<br />

F<br />

E<br />

P<br />

P<br />

E<br />

A<br />

D<br />

B<br />

A<br />

B<br />

D<br />

in der rechten Zeichnung liegt P außerhalb des Dreiecks. Wir wenden Satz 5 auf das Dreieck<br />

△ ADC und die Gerade l(B, P ) an, die die (Verlängerungen der) Seiten des Dreiecks in<br />

den Punkten B, P und F schneidet. Wir erhalten BA<br />

BD · P D<br />

P C · F C<br />

F A<br />

= 1. Ebenso wenden wir<br />

Satz 5 auf das Dreieck △ DBC und die Gerade l(A, P ) an, die die (Verlängerungen der)<br />

Seiten des Dreiecks in den Punkten A, E und P schneidet. Wir erhalten AD<br />

AB · EB<br />

EC · P C<br />

P D = 1.<br />

Multipliziert man diese beiden Gleichungen und beachtet, dass UV = −V U für zwei<br />

beliebige Punkte U und V gilt, dann erhält man AD<br />

DB · BE<br />

EC · CF<br />

F A = 1.<br />

Es gilt auch die Umkehrung des Satzes von Ceva.<br />

Satz 7: Sei △ ABC ein Dreieck. Sind drei Punkte D, E und F auf l(A, B), l(B, C)<br />

und l(C, A) derart gegeben, dass AD<br />

DB · BE<br />

EC · CF<br />

F A<br />

= 1 gilt, dann liegen die Geraden l(A, E),<br />

l(B, F ) und l(C, D) entweder parallel oder sie schneiden einander in einem Punkt.<br />

Beweis: Liegen die Geraden l(A, E), l(B, F ) und l(C, D) parallel, dann ist nichts zu beweisen.<br />

Nehmen wir also an, dass zwei von ihnen, sagen wir l(A, E) und l(C, D), einander<br />

in einem Punkt P schneiden. Angenommen die Geraden l(B, P ) und l(A, C) wären parallel.<br />

Diese Situation ist in der Zeichnung links dargestellt. Aus Satz 3 folgt dann DB<br />

DA = BP<br />

AC<br />

und EB<br />

EC = BP<br />

AD<br />

CA<br />

. Mit Hilfe der Voraussetzung<br />

DB · BE<br />

EC · CF<br />

CF<br />

F A<br />

= 1 erhalten wir<br />

F A<br />

= −1 und<br />

A<br />

C<br />

E<br />

B<br />

P<br />

D<br />

somit CF = AF . Es folgt C = A wegen Hilfssatz A, da C, A und F alle auf der Geraden<br />

l(A, C) liegen. Dieser Widerspruch zeigt, dass die Geraden l(B, P ) und l(A, C) nicht<br />

parallel sein können. Sei F ∗ ihr Schnittpunkt. Das ist in der rechten Zeichnung dargestellt.<br />

Aus Satz 6 folgt AD<br />

DB · BE<br />

EC · CF ∗<br />

∗<br />

CF<br />

F ∗ A<br />

= 1. Mit Hilfe der Voraussetzung erhalten wir<br />

F ∗ A = CF<br />

F A .<br />

Wegen Hilfssatz A folgt F ∗ = F , da die Punkte A, C, F und F ∗ alle auf der der Gerade<br />

l(A, C) liegen. Damit ist gezeigt, dass der Punkt F auf der Gerade l(B, P ) liegt, oder<br />

anders ausgedrückt, dass auch die Gerade l(B, F ) durch den Punkt P verläuft.<br />

A<br />

C<br />

E<br />

F ∗<br />

P<br />

B<br />

D


8 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

3. Das Dreieck<br />

Zwei Dreiecke △ ABC und △ P QR heißen kongruent, wenn es möglich ist, das Dreieck<br />

△ P QR durch Verschieben, Drehen und Spiegeln in eine Lage zu bringen, sodass dann<br />

der Punkt P mit A, der Punkt Q mit B und der Punkt R mit C zusammenfällt. Sind<br />

zwei Dreiecke kongruent, dann sind die einander entsprechenden Seiten gleich lang und die<br />

einander entsprechenden Winkel gleich groß. Kongruente Dreiecke haben natürlich auch<br />

gleiche Fläche und so weiter. Um festzustellen, ob zwei Dreiecke kongruent sind, verwendet<br />

man den folgenden Kongruenzsatz.<br />

Satz 8: Zwei Dreiecke sind kongruent, wenn folgende Größen übereinstimmen<br />

(a) die Längen der drei Seiten<br />

(b) die Längen zweier Seiten und der davon eingeschlossene Winkel<br />

(c) die Längen zweier Seiten und der der längeren Seite gegenüberliegende Winkel<br />

(d) die Länge einer Seite und die beiden daran anliegenden Winkel<br />

Der Beweis ergibt sich aus der Tatsache, dass man in allen vier Fällen das Dreieck aus<br />

den angegebenen Größen eindeutig konstruieren kann. In (c) ist es wichtig, dass der der<br />

längeren Seite gegenüberliegende Winkel übereinstimmt. Gibt man zwei Seiten vor und<br />

den der kürzeren Seite gegenüberliegenden Winkel, so kann man aus diesen Angaben zwei<br />

Dreiecke konstruieren, die nicht kongruent sind.<br />

Hat man zwei rechtwinkelige Dreiecke, dann sind diese nach (b) kongruent, wenn die<br />

Längen der beiden Katheten übereinstimmen. Stimmen die Längen der Hypotenuse und<br />

einer Kathete überein, dann sind sie nach (c) kongruent, da die Hypotenuse dem rechten<br />

Winkel gegenüber liegt und länger als die Kathete ist.<br />

Wir behandeln die besonderen Punkte des Dreiecks. Wir beginnen mit dem Schwerpunkt<br />

und dem Höhenschnittpunkt, da wir dafür den Strahlensatz verwenden. Für Umkreis- und<br />

Inkreismittelpunkt verweden wir den Kongruenzsatz.<br />

Die Schwerlinien verbinden die Mittelpunkte der Seiten mit den gegenüberliegenden<br />

Eckpunkten.<br />

Satz 9: Die drei Schwerlinien eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt, dem<br />

sogenannten Schwerpunkt, der jede Schwerlinie im Verhältnis 1 : 2 teilt.<br />

Beweis: Sei D der Mittelpunkt der Strecke AB,<br />

C<br />

sei E der Mittelpunkt der Strecke BC und sei F<br />

der Mittelpunkt der Strecke CA. Der Schnittpunkt<br />

der Geraden l(C, D) und l(B, F ) sei S.<br />

Wegen AF<br />

AC = 1 2 = AD<br />

AB<br />

folgt aus Satz 4, dass<br />

die Geraden l(D, F ) und l(B, C) parallel liegen.<br />

Aus Satz 3 folgt jetzt 1 F<br />

E<br />

2<br />

= AD<br />

AB<br />

= DF<br />

BC . Wieder<br />

mit Satz 3 ergibt sich dann SD<br />

S<br />

SC = DF<br />

CB = − 1 2 und<br />

SF<br />

SB<br />

= F D<br />

BC = − 1 2<br />

. Ist T der Schnittpunkt der<br />

Geraden l(C, D) und l(A, E), dann folgt analog<br />

T D<br />

T C<br />

= DE<br />

CA = − 1 2 und T E<br />

T A = ED<br />

AC<br />

= − 1 2<br />

. Da die<br />

Punkte C, S, T und D auf der Geraden l(C, D)<br />

A<br />

D<br />

B<br />

liegen und SD<br />

SC<br />

= T D<br />

T C<br />

gilt, erhalten wir S = T<br />

aus Hilfssatz A. Somit schneiden die drei Schwerlinien einander im Punkt S. Wir haben<br />

auch gezeigt, dass der Schwerpunkt S jede Schwerlinie im Verhältnis 1 : 2 teilt.


Franz Hofbauer 9<br />

Die Höhen verlaufen durch die Eckpunkte des Dreiecks und stehen senkrecht auf die<br />

jeweils gegenüberliegende Seite.<br />

Satz 10: Die drei Höhen eines Dreiecks △ ABC schneiden einander in einem Punkt H,<br />

dem sogenannten Höhenschnittpunkt.<br />

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann<br />

C<br />

wählen wir die Bezeichnungen so, dass γ der Winkel<br />

≥ 90 0 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz.<br />

Sei D der Fußpunkt der Höhe durch den Eckpunkt<br />

C. Er liegt zwischen A und B, da die Winkel α und<br />

β spitz sind. Sei weiters G der Schnittpunkt der<br />

G<br />

Höhe durch den Eckpunkt C mit der durch den Eckpunkt<br />

A. Die Dreiecke △ ADG und △ CDB sind<br />

ähnlich. Beide Dreiecke haben bei D einen rechten<br />

Winkel und der Winkel bei G im ersten stimmt mit<br />

A<br />

D B<br />

dem Winkel β bei B im zweiten Dreieck überein, da die Höhen ja senkrecht auf den Seiten<br />

stehen. Aus dem Strahlensatz folgt |AD| , das heißt |DG| · |DC| = |AD| · |DB|.<br />

|DG| = |DC|<br />

|DB|<br />

Ist jetzt H der Schnittpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C mit der durch den Eckpunkt<br />

B, dann zeigt ein analoger Beweis, dass auch |DH| · |DC| = |BD| · |DA| gilt. Es folgt<br />

|DG| = |DH|. Da die Punkte D, G und H alle auf einer Geraden, der Höhe durch C,<br />

liegen und G und H oberhalb von D, erhalten wir G = H. Damit ist gezeigt, dass die<br />

Höhen eines Dreiecks einander in einem Punkt schneiden.<br />

Bemerkung: Zu jedem Dreieck △ ABC kann man das Seitenmittendreieck zeichnen, das<br />

ist das Dreieck, dessen Eckpunkte die Seitenmitten des ursprüglichen Dreiecks sind. Die<br />

Symmetralen der Seiten des ursprünglichen Dreiecks △ ABC sind dann die Höhen des<br />

Seitenmittendreiecks. Daher folgt bereits aus Satz 10, dass diese Symmetralen einander in<br />

einem Punkt schneiden. Wir werden das aber noch auf andere Art beweisen.<br />

Wir kommen zum Umkreis- und Inkreismittelpunkt.<br />

Seien U und V zwei Punkte. Die Symmetrale der Strecke UV ist die Gerade s, die<br />

senkrecht auf die Strecke UV steht und durch deren Mittelpunkt M verläuft.<br />

Satz 11: Seien U und V zwei Punkte und s die Streckensymmetrale der Strecke UV . Ein<br />

Punkt P liegt genau dann auf s, wenn er von U und V gleichen Abstand hat.<br />

Beweis: Sei M der Mittelpunkt der Strecke UV . Weiters sei P ein beliebiger Punkt.<br />

Liegt P auf s, dann sind die beiden Dreiecke<br />

△ P MU und △ P MV kongruent, da sie die Seite<br />

P<br />

P M gemeinsam haben, die Strecken MU und<br />

MV gleich lang sind, und wegen P auf s die Winkel<br />

∠ P MU und ∠ P MV beide gleich 90 0 sind.<br />

s<br />

Es folgt, dass die beiden Strecken P U und P V<br />

gleich lang sind. Somit hat der Punkt P gleichen<br />

Abstand von den beiden Punkten U und V .<br />

U M V<br />

Hat P gleichen Abstand von U und von V , dann sind die Dreiecke △ P MU und △ P MV<br />

kongruent, da sie die Seite P M gemeinsam haben, die Strecken MU und MV gleich lang<br />

sind, und ebenso die Strecken P U und P V . Es folgt, dass die Winkel ∠ P MU und ∠ P MV<br />

gleich groß sind, also beide gleich 90 0 . Somit liegt P auf der Streckensymmetrale s.


10 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Die Streckensymmetralen der drei Seiten AB, AC und BC eines Dreiecks △ ABC nennen<br />

wir die Seitensymmetralen des Dreiecks.<br />

Satz 12: Die drei Seitensymmetralen eines Dreiecks △ ABC schneiden einander in einem<br />

Punkt U, dem Mittelpunkt des Umkreises.<br />

Beweis: Sei U der Schnittpunkt der Seitensymmetrale<br />

C<br />

s a der Seite BC mit der Seitensymmetra-<br />

le s b der Seite CA. Da U auf s a liegt, ergibt sich<br />

|UB| = |UC| aus Satz 11. Da U auch auf s b liegt,<br />

erhalten wir ebenso |UA| = |UC|. Es folgt |UA| =<br />

|UB|. Wegen Satz 11 liegt U dann auch auf der<br />

Seitensymmetrale s c der Seite AB. Das zeigt, dass<br />

s b<br />

s a<br />

die drei Seitensymmetralen einander im Punkt U<br />

U<br />

schneiden. Da U den gleichen Abstand r von allen<br />

drei Eckpunkten A, B und C hat, ist der Kreis<br />

mit Mittelpunkt U und Radius r der Umkreis des<br />

Dreiecks.<br />

A<br />

B<br />

So wird auch klar, dass es zu drei Punkten A, B und C, die nicht auf einer Gerade<br />

liegen, genau einen Kreis gibt, der durch diese Punkte verläuft. Der Mittelpunkt dieses<br />

Kreises muss nach Satz 11 auf den Symmetralen der Strecken AB und AC liegen. Diese<br />

Symmetralen können nicht parallel sein, da die drei Punkte nicht auf einer Gerade liegen,<br />

und haben daher genau einen Schnittpunkt. Nur dieser Punkt kommt als Mittelpunkt in<br />

Frage. Daher gibt es nur einen Kreis durch A, B und C.<br />

Die Winkelsymmetrale definieren wir für zwei Halbgerade g und h, die von einem Punkt<br />

S ausgehen (und einen Winkel < 180 0 einschließen). Die Winkelsymmetrale w ist dann<br />

ebenfalls eine Halbgerade, die von S ausgeht und den Winkel zwischen g und h halbiert.<br />

Satz 13: Seien g und h Halbgerade, die vom Punkt S ausgehen. Ein Punkt P liegt genau<br />

dann auf der Winkelsymmetrale w, wenn er von g und h gleichen Normalabstand hat<br />

(wenn die Lote von P auf die beiden Halbgeraden g und h existieren und gleich lang sind).<br />

Beweis: Sei P ein Punkt zwischen den Halbgeraden.<br />

h<br />

Das Lot von P auf eine Halbgerade existiert, wenn<br />

H<br />

der Winkel zwischen SP und der Halbgerade ≤ 90 0<br />

ist. Ist er > 90 0 , dann existiert das Lot nicht. Den w<br />

Fußpunkt des Lotes von P auf g nennen wir G, den P<br />

Fußpunkt des Lotes von P auf h nennen wir H, vorausgesetzt<br />

die Lote existieren.<br />

Wir nehmen zuerst an, dass P auf w liegt. Da der g<br />

Winkel zwischen den Halbgeraden g und h kleiner als<br />

G<br />

S<br />

180 0 ist, ist der Winkel zwischen w und jeder der beiden Halbgeraden kleiner als 90 0 und<br />

daher auch zwischen SP und jeder der beiden Halbgeraden. Die Lote von P auf g und h<br />

mit Fußpunkten G und H existieren. Die Dreiecke △ P SG und △ P SH sind dann kongruent,<br />

da sie die Seite P S gemeinsam haben, die Winkel ∠ SGP und ∠ SHP beide gleich<br />

90 0 sind, und wegen P auf w auch ∠ GSP = ∠ HSP gilt. Es folgt, dass die Strecken P G<br />

und P H gleich lang sind. Das bedeutet, dass der Punkt P gleichen Normalabstand von<br />

den Geraden g und h hat.


Franz Hofbauer 11<br />

Wir nehmen an, dass die Lote von P auf die Halbgeraden g und h mit Fußpunkten G und<br />

H existieren und gleichen Normalabstand von g und von h haben. Dann sind die Dreiecke<br />

△ P SG und △ P SH kongruent, da sie die Seite P S gemeinsam haben, die Winkel<br />

∠ SGP und ∠ SHP beide gleich 90 0 sind, und P G und P H gleich lang sind. Es folgt, dass<br />

auch die Winkel ∠ GSP und ∠ HSP gleich groß sind. Das aber bedeutet, dass P auf der<br />

Winkelsymmetrale w liegt.<br />

Satz 14: Die drei Winkelsymmetralen der Innenwinkel eines Dreiecks △ ABC schneiden<br />

einander in einem Punkt I, dem Mittelpunkt des Inkreises.<br />

Beweis: Sei I der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale<br />

C<br />

w α durch den Eckpunkt A mit der Winkelsymmetralen w β<br />

w β durch den Eckpunkt B. Da I auf w α liegt, hat I<br />

nach Satz 13 denselben Normalabstand von den Seiten<br />

I<br />

w α<br />

AB und AC. Da I auf w β liegt, hat I auch denselben<br />

Normalabstand von den Seiten BA und BC. Es folgt,<br />

dass I denselben Normalabstand von den Seiten CA<br />

und CB hat. Wegen Satz 13 liegt I auch auf der Winkelsymmetrale<br />

A<br />

B<br />

w γ durch den Eckpunkt C. Somit schneiden die drei Winkelsymmetralen<br />

einander im Punkt I. Da I den gleichen Normalabstand ϱ von allen drei Dreicksseiten hat,<br />

ist der Kreis mit Mittelpunkt I und Radius ϱ der Inkreis des Dreiecks.<br />

Satz 15: Sei △ ABC ein beliebiges Dreieck. Wir wählen eine Seite dieses Dreiecks<br />

und den dieser Seite gegenüberliegneden Eckpunkt. Die Winkelsymmetralen der beiden<br />

Außenwinkel, die an die gewählte Seite anliegen, und die Winkelsymmetrale des Innenwinkels<br />

beim gewählten Eckpunkt schneiden einander in einem Punkt, dem Mittelpunkt<br />

eines Ankreises.<br />

Beweis: Wir zeigen das nur für die Außenwinkel bei B und C und den Innenwinkel bei A.<br />

Sei I a der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale ˜w β<br />

des an der Seite BC anliegenden Außenwinkels beim<br />

Eckpunkt B mit der Winkelsymmetralen ˜w γ des an<br />

der Seite CB anliegenden Außenwinkels beim Eckpunkt<br />

C. Sei g die Halbgerade, die man erhält, wenn<br />

man die Seite AB über B hinaus verlängert, und h<br />

die Halbgerade, die man erhält, wenn man die Seite<br />

AC über C hinaus verlängert. Diese beiden Halbgeraden<br />

und die Seite CB schließen die oben verwendeten<br />

Außenwinkel ein. Da I a auf ˜w β liegt, hat<br />

I a nach Satz 13 denselben Normalabstand von der<br />

Halbgerade g und der Seite BC. Da I a auf ˜w γ liegt,<br />

hat I a nach Satz 13 denselben Normalabstand von<br />

der Halbgerade h und der Seite CB. Es folgt, dass I a denselben Normalabstand von den<br />

Halbgeraden g und h hat. Wegen Satz 13 liegt I a auch auf der Winkelsymmetrale der<br />

Halbgeraden g und h, das ist die Winkelsymmetrale w α des Innenwinkels durch den Eckpunkt<br />

A. Somit schneiden die drei Winkelsymmetralen ˜w β , ˜w γ und w α einander im Punkt<br />

I a . Da I a den gleichen Normalabstand ϱ a von g, h und der Dreiecksseite BC hat, berührt<br />

der Kreis mit Mittelpunkt I a und Radius ϱ a die Dreiecksseite CB und die Verlängerungen<br />

der beiden anderen Seiten. Somit ist er ein Ankreis des Dreiecks.<br />

C<br />

A<br />

h<br />

˜w γ<br />

B<br />

g<br />

˜w β<br />

I a


12 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Man kann diese Sätze über die besonderen Punkte des Dreiecks mit Ausnahme von<br />

Satz 12 auch mit Hilfe der Umkehrung des Satzes von Ceva (Satz 7) beweisen. Es ist<br />

ja nur das in diesem Satz auftretende Produkt von Verhältnissen zu berechnen. Für die<br />

Schwerlinien ist das sehr einfach. In diesem Fall sind diese Verhältnisse ja alle gleich 1. In<br />

den anderen Fällen muss man sie zuerst berechnen. Im folgenden Satz tun wir das für die<br />

Winkelsymmetralen.<br />

Satz 16: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C<br />

mit AB, E der der Winkelsymmetrale durch A mit BC und F der der Winkelsymmetrale<br />

durch B mit AC. Dann gilt AD<br />

DB = |AC|<br />

|BC| , BE<br />

EC = |BA| CF<br />

|CA|<br />

und<br />

F A = |CB|<br />

|AB| .<br />

Beweis: Wir führen den Beweis nur für die Winkelsymmetrale<br />

durch C. Ihr Schnittpunkt mit der<br />

Seite AB wurde mit D bezeichnet. Wir zeichnen<br />

die Parallele zur Seite AC durch den Eckpunkt<br />

B. Sie schneidet die Winkelsymmetrale durch C in<br />

einem Punkt, den wir G nennen. Aus dem Strahlensatz<br />

folgt DA<br />

DB<br />

= AC<br />

BG .<br />

A und B liegt, hat DA<br />

DB<br />

Da D immer zwischen<br />

negatives Vorzeichen. Es<br />

folgt AD<br />

DB<br />

|BG|<br />

. Da BG parallel zu AC<br />

liegt, erhalten wir ∠ BGD = ∠ ACD = γ 2 . Da<br />

= |DA|<br />

|DB|<br />

= |AC|<br />

auch ∠ BCD = γ 2<br />

gilt, ist das Dreieck △ CBG<br />

gleichschenkelig. Es gilt |BG| = |BC|. Damit ist<br />

gezeigt. Die beiden anderen Gleichungen<br />

beweist man ganz analog.<br />

AD<br />

DB = |AC|<br />

|BC|<br />

Jetzt können wir einen zweiten Beweis für Satz 14 geben. Sind D, E und F die Schnittpunkte<br />

der Winkelsymmetralen mit den gegenüberliegenden Seiten, wie sie in Satz 16<br />

eingeführt wurden, dann folgt aus diesem Satz sofort, dass AD BE CF<br />

DB EC F A = |AC| |BA| |CB|<br />

|BC| |CA| |AB| = 1<br />

gilt. Aus Satz 7 erhalten wir dann, dass die drei Geraden l(A, E), l(B, F ) und l(C, D),<br />

das sind die drei Winkelsymmetralen, einander in einem Punkt schneiden. Die Winkelsymmetralen<br />

können ja nicht parallel liegen.<br />

A<br />

F<br />

G<br />

D<br />

C<br />

γ<br />

2 γ 2<br />

E<br />

B<br />

4. Beweisen mit Hilfe von Abbildungen<br />

Wir behandeln die Eulergerade und den Feuerbachkreis. Entsprechende Sätze beisen wir<br />

unter Zuhilfenahme von Abbildungen, und zwar von sogenannten zentrischen Streckungen.<br />

Sei c ∈ R\{0, 1} und S ein beliebiger Punkt in der Ebene. Wir definieren eine Abbildung<br />

φ : R 2 → R 2 folgendermaßen: Ist P ∈ R 2 , dann sei φ(P ) der eindeutig bestimmte Punkt<br />

V auf der Geraden l(S, P ), für den SV<br />

SP<br />

= c gilt. Weiters sei φ(S) = S. Durch diese<br />

Abbildung wird die Ebene vom Punkt S aus um den Faktor c gestreckt. Ist |c| < 1, dann<br />

wird sie gestaucht. Bei negativem c wird außerdem um den Punkt S gespiegelt. Man<br />

nennt diese Abbildung die zentrische Streckung mit Zentrum S und Streckungsfaktor c.<br />

Zuerst beweisen wir Eigenschaften dieser zentrischen Streckungen.<br />

Hilfssatz B: Sei φ die zentrische Streckung mit Zentrum S und Streckungsfaktor c. Seien<br />

P und Q Punkte, die ungleich S sind. Sei V = φ(P ) und W = φ(Q). Dann liegt l(P, Q)<br />

parallel zu l(V, W ) und es gilt |V W | = |c| · |P Q|.


Franz Hofbauer 13<br />

Beweis: Wenn S auf der Gerade l(P, Q) liegt, dann tun das auch V und W , da nach<br />

Definition von φ ja V auf l(S, P ) und W auf l(S, Q) liegt. Es gilt also l(P, Q) = l(V, W ).<br />

Weiters gilt V W = V S + SW = c · P S + c · SQ = c · (P S + SQ) = c · P Q, woraus<br />

|V W | = |c| · |P Q| folgt.<br />

Es bleibt der Fall, dass S nicht auf l(P, Q) liegt. Nach Definition von φ haben wir zwei<br />

Gerade g und h, die einander im Punkt S schneiden, mit P und V auf der Geraden g und<br />

mit Q und W auf der Geraden h, sodass SV<br />

SW<br />

SP<br />

= c und<br />

SQ<br />

= c gilt. Aus Satz 4 folgt, dass<br />

die Geraden l(P, Q) und l(V, W ) parallel zueinander liegen. Aus Satz 3 folgt jetzt, dass<br />

V W<br />

P Q<br />

= SV<br />

SP , also V W<br />

P Q<br />

= c gilt. Daraus ergibt sich |V W | = |c| · |P Q|.<br />

Satz 17: In einem Dreieck △ ABC liegen der Höhenschnittpunkt H, der Schwerpunkt S<br />

und der Umkreismittelpunkt U auf einer Geraden und es gilt SU<br />

SH = − 1 2<br />

. Die Gerade durch<br />

diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade.<br />

Beweis: Sei φ die zentrische Streckung<br />

mit Streckungsfaktor c = − 1 2 , die<br />

C<br />

den Schwerpunkt S des Dreiecks als<br />

Zentrum hat. Sei M c der Mittelpunkt<br />

der Seite AB und M a der der Seite<br />

BC. Nach Satz 9 verläuft eine der drei<br />

Schwerlinien durch die Punkte S, M<br />

M b<br />

c<br />

H M a<br />

und C und es gilt SM c<br />

SC<br />

= − 1 2 , woraus<br />

S<br />

φ(C) = M c folgt. Sei G = φ(H).<br />

Nach Hilfssatz B liegt l(G, M c ) parallel<br />

zur Gerade l(H, C), die senkrecht<br />

U<br />

auf l(A, B) steht. Also steht auch<br />

l(G, M c ) senkrecht auf l(A, B) und<br />

A<br />

M c<br />

B<br />

ist daher die Symmetrale der Dreieckseite<br />

AB. Analog zeigt man, dass φ(A) = M a gilt und l(G, M a ) die Symmetrale der<br />

Dreieckseite BC ist. Also liegt G sowohl auf der Symmetrale der Dreieckseite AB als auch<br />

auf der Symmetrale der Dreieckseite BC und ist somit der Umkreismittelpunkt U. Wir<br />

haben φ(H) = U gezeigt. Das bedeutet, dass die Punkte U, S und H auf einer Geraden<br />

liegen und dass SU<br />

SH = − 1 2 gilt.<br />

Sei △ ABC ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H, Umkreismittelpunkt U und Umkreisradius<br />

r. Sei N der Mittelpunkt der Strecke HU. Der Kreis mit Mittelpunkt N und Radius<br />

heißt Feuerbachkreis oder Neunpunktkreis.<br />

r<br />

2<br />

Satz 18: Seien H a , H b und H c die Höhenfußpunkte und M a , M b und M c die Seitenmitten<br />

eines Dreiecks △ ABC. Sei H der Höhenschnittpunkt und R a , R b und R c die Mittelpunkte<br />

der Strecken HA, HB und HC. Dann liegen die neun Punkte H a , H b , H c , M a , M b , M c ,<br />

R a , R b und R c auf dem Feuerbachkreis.<br />

Beweis: Sei ψ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = 1 2<br />

, die den Höhenschnittpunkt<br />

H als Zentrum hat. Für einen beliebigen Punkt P ≠ H gilt dann, dass<br />

ψ(P ) der Mittelpunkt der Strecke HP ist. Daraus folgt, dass ψ(A) = R a , ψ(B) = R b ,<br />

ψ(C) = R c und ψ(U) = N gilt. Aus Hilfssatz B folgt |NR a | = 1 2 |UA|, |NR b| = 1 2 |UB|<br />

und |NR c | = 1 2<br />

|UC|. Da die Eckpunkte A, B und C des Dreiecks auf dem Umkreis liegen,<br />

erhalten wir |UA| = r, |UB| = r und |UC| = r. Das ergibt |NR a | = r 2 , |NR b| = r 2 und<br />

|NR c | = r 2 . Somit liegen die Punkte R a, R b und R c auf dem Feuerbachkreis.


14 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Sei φ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = − 1 2<br />

, die den Schwerpunkt S des<br />

Dreiecks als Zentrum hat. Das ist die selbe, die wir im letzten Beweis verwendet haben.<br />

Dort wurde gezeigt, dass φ(C) = M c gilt. Analog zeigt man φ(A) = M a und φ(B) = M b .<br />

Wir überlegen uns, dass auch φ(U) = N gilt.<br />

Sei G = φ(U). Im letzten Beweis wurde φ(H) = U gezeigt. Die vier Punkte U, S, G und<br />

H liegen dann auf einer Gerade, das ist die oben eingeführte Eulergerade (Zeichnung links<br />

unten). Weiters gilt US = − 1 2 HS = 1 2 SH und GS = − 1 2 US = 1 2SU. Daraus folgt<br />

UG = US + SG = 2SG + SG = 3SG und<br />

GH = GS + SH = GS + 2US = −SG + 4SG = 3SG<br />

Es gilt also UG = GH. Somit ist G der Mittelpunkt der Strecke HU, das heißt G = N.<br />

Wir haben φ(U) = N gezeigt.<br />

Wie oben folgt jetzt |NM a | = 1 2 |UA| = r 2 , |NM b| = 1 2 |UB| = r 2 und |NM c| = 1 2 |UC| = r 2 .<br />

Damit ist gezeigt, dass auch die Punkte M a , M b und M c auf dem Feuerbachkreis liegen.<br />

C<br />

C<br />

M b<br />

H<br />

G<br />

S<br />

U<br />

M a<br />

A M c B<br />

M b<br />

α<br />

α<br />

Q<br />

g<br />

α<br />

A H c M c B<br />

α<br />

M a<br />

Es bleibt zu zeigen, dass die Punkte H a , H b und H c auf dem Feuerbachkreis liegen (Zeichnung<br />

rechts). Es gilt CM b<br />

CA<br />

= 1 2 = CM a<br />

CB . Aus Satz 4 erhalten wir, dass M aM b parallel zu<br />

AB liegt. Es folgt ∠ CM b M a = ∠ CAB = α (Stufenwinkel). Ebenso liegt M a M c parallel<br />

zu AC. Es folgt ∠ M c M a M b = ∠ CM b M a = α (Wechselwinkel). Sei Q der Schnittpunkt<br />

der Strecken M a M b und CH c . Der Winkel bei Q ist ein rechter, da M a M b parallel und<br />

CH c senkrecht zu AB liegt. Aus dem Strahlensatz folgt = CM b<br />

CA<br />

= 1 2<br />

, das heißt<br />

CH c = 2CQ oder CQ = QH c . Die beiden Dreiecke △ CQM b und △ H c QM b sind somit<br />

kongruent, da sie bei Q einen rechten Winkel haben, die Seite M b Q eine gemeinsame ist<br />

und die Seiten CQ und QH c gleich lang sind. Es folgt, dass die Winkel bei M b in beiden<br />

Dreiecken gleich groß sind und somit ∠ H c M b M a = ∠ CM b M a = α gilt.<br />

Sei g die Symmetrale der Strecke M a M b . Wegen |NM a | = |NM b | liegt N auf g. Wegen<br />

∠ H c M b M a = ∠ M c M a M b ist l(M b , H c ) das Bild von l(M a , M c ) bei Spiegelung an g. Da<br />

l(A, B) parallel zu M a M b und somit senkrecht zu g liegt, geht l(A, B) bei Spiegelung an<br />

g in sich selbst über. Der Schnittpunkt M c von l(M a , M c ) und l(A, B) wird daher bei<br />

Spiegelung an g auf den Schnittpunkt H c von l(M b , H c ) und l(A, B) abgebildet. Somit ist<br />

g auch die Symmetrale der Strecke H c M c . Da N auf der Symmetrale g liegt, erhalten wir<br />

|NH c | = |NM c | = r 2 . Das zeigt, dass H c auf dem Feuerbachkreis liegt.<br />

Analog zeigt man, dass auch die beiden anderen Höhenfußpunkte H a und H b auf dem<br />

Feuerbachkreis liegen.<br />

CQ<br />

CH c


5. Der Satz von Pythagoras<br />

Franz Hofbauer 15<br />

In einem rechtwinkeligen Dreieck heißt die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite<br />

Hypotenuse, die wir mit c bezeichnen, und die anderen beiden Seiten heißen Katheten,<br />

die wir mit a und b bezeichnen. Die Ecke beim<br />

rechten Winkel bezeichnen wir mit C und die<br />

den Seiten a und b gegenüberliegenden Ecken<br />

mit A und B. Die Winkel bei A und B nennen<br />

wir α und β. Die Höhe auf die Seite c nennen<br />

wir h und ihren Höhenfußpunkt H. Die Seite c<br />

wird durch H in zwei Teile geteilt, die wir mit<br />

p und mit q bezeichnen, sodass c = p + q gilt.<br />

b<br />

C<br />

h<br />

A q H c p B<br />

Satz 19: Für ein rechtwinkeliges Dreieck mit den oben eingeführten Bezeichnungen gilt<br />

c 2 = a 2 + b 2<br />

a 2 = pc und b 2 = qc<br />

h 2 = pq<br />

Satz von Pythagoras<br />

Kathetensatz<br />

Höhensatz<br />

Erster Beweis: Die Dreiecke △ AHC und △ ACB sind ähnlich, da sie beim Eckpunkt A<br />

denselben Winkel haben, und das erste Dreieck bei H und das zweite bei C einen rechten<br />

Winkel hat. Aus dem Strahlensatz folgt q b = b c und h b = a c , das heißt b2 = qc und h 2 = a2 b 2<br />

c<br />

. 2<br />

Ebenso sind die Dreiecke △ BHC und △ BCA ähnlich, woraus p a = a c und damit a2 = pc<br />

folgt. Damit ist der Kathetensatz bereits bewiesen.<br />

Addiert man a 2 = pc und b 2 = qc, die beiden Gleichungen aus dem Kathetensatz, so folgt<br />

a 2 + b 2 = (p + q)c = c 2 , der Satz von Pythagoras. Setzt man in h 2 = a2 b 2<br />

die beiden<br />

Gleichungen aus dem Kathetensatz ein, so folgt h 2 = pqc2<br />

c<br />

= pq, der Höhensatz.<br />

2<br />

Zweiter Beweis: Wir zeichnen zwei Quadrate mit Seitenlänge a + b nebeneinander. Aus<br />

jedem der beiden Quadrate schneiden wir vier Mal das Dreieck heraus, wie es in der Zeichnung<br />

zu sehen ist. Vom ersten Quadrat verbleiben<br />

zwei Quadrate, das eine mit Seitenlänge a, das andere<br />

mit Seitenlänge b. Die Flächen dieser beiden<br />

Quadrate sind a 2 und b 2 . Vom zweiten Quadrat bleibt<br />

ein Quadrat der Seitenlänge c übrig. Es ist ein Quadrat,<br />

da jeder der Winkel in den Ecken aus einem Winkel<br />

von 180 0 durch Wegnahme von α und β entsteht und α+β = 90 0 gilt. Da die verbleibende<br />

Fläche in beiden Fällen gleich sein muss, ist a 2 + b 2 = c 2 gezeigt.<br />

Die Höhe zerteilt das rechtwinkelige Dreieck in zwei kleinere rechtwinkelige Dreiecke ∆ 1<br />

mit Seiten h, p, a und ∆ 2 mit Seiten h, q, b. Sei ∆ das<br />

Dreieck mit den Seiten p + h, q + h und a + b. In der linken<br />

h b<br />

Zeichnung werden ∆ 1 und ∆ 2 aus dem Dreieck ∆ so herausgeschnitten,<br />

dass ein Quadrat mit Seitenlänge h übrigbleibt.<br />

q<br />

p a<br />

In der rechten Zeichnung werden ∆ 1 und ∆ 2 aus dem Dreieck<br />

∆ so herausgeschnitten, dass ein Rechteck mit Seiten<br />

a<br />

h<br />

p<br />

p und q übrigbleibt. Die Rechteckfläche ist somit gleich der<br />

h b<br />

Quadratfläche. Es gilt pq = h 2 . Damit ist der Höhensatz bewiesen.<br />

Der Kathetensatz folgt schließlich aus dem Satz von<br />

q h<br />

Pythagoras angewandt auf ∆ 1 und ∆ 2 und dem Höhensatz.<br />

Wir erhalten a 2 = p 2 + h 2 = p 2 + pq = pc und b 2 = q 2 + h 2 = q 2 + pq = cq.<br />

a<br />

c 2


16 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Wir kommen zu den Anwendungen des Satzes von Pythagoras. Der folgende Satz ist der<br />

Satz von Carnot. Man kann ihn als Gegenstück zum Satz von Ceva verstehen. Sind D, E<br />

und F Punkte auf den Trägergeraden der drei Dreiecksseiten, dann gibt der Satz von Ceva<br />

eine Bedingung dafür an, dass die Verbindungsgeraden dieser Punkte mit den Eckpunkten<br />

A, B und C des Dreiecks einander in einem Punkt schneiden. Der Satz von Carnot<br />

hingegen gibt eine Bedingung an, dass die Senkrechten durch diese drei Punkte einander<br />

in einem Punkt schneiden. Wir beweisen den Satz von Carnot und seine Umkehrung.<br />

Satz 20: Sei △ ABC ein Dreieck und P ein beliebiger Punkt. Sei E der Fußpunkt des Lots<br />

von P auf l(B, C), sei F der Fußpunkt des Lots von P auf l(C, A) und D der Fußpunkt des<br />

Lots von P auf l(A, B). Dann gilt |AD| 2 − |DB| 2 + |BE| 2 − |EC| 2 + |CF | 2 − |F A| 2 = 0.<br />

Beweis: Wir zeichnen die Lote vom Punkt P auf die (Verlängerungen der) drei Dreiecksseiten,<br />

das sind die Strecken von P nach D, von P nach E und von P nach F . Weiters zeichnen<br />

wir die Strecken vom Punkt P zu den drei<br />

Eckpunkten A, B und C. Dadurch entstehen<br />

C<br />

sechs rechtwinkelige Dreiecke, wobei die rechten<br />

Winkel jeweils bei den Punkten D, E und F liegen.<br />

Wir wenden den Satz von Pythagoras auf diese<br />

F<br />

sechs Dreiecke an und erhalten die Gleichungen:<br />

|AD| 2 = |AP | 2 − |DP | 2 , |DB| 2 = |BP | 2 − |DP | 2 ,<br />

P<br />

E<br />

|BE| 2 = |BP | 2 − |EP | 2 , |EC| 2 = |CP | 2 − |EP | 2 ,<br />

|CF | 2 = |CP | 2 − |F P | 2 , |F A| 2 = |AP | 2 − |F P | 2 .<br />

Das alles gilt auch, wenn der Punkt P außerhalb<br />

des Dreiecks liegt. Die Lage dieser rechtwinkeligen<br />

Dreiecke ist dann nur etwas komplizierter.<br />

A<br />

D B<br />

Subtrahiert man die ersten beiden Gleichungen, die darauffolgenden beiden Gleichungen<br />

und die letzten beiden Gleichungen, so hat man |AD| 2 − |DB| 2 = |AP | 2 − |BP | 2 ,<br />

|BE| 2 − |EC| 2 = |BP | 2 − |CP | 2 und |CF | 2 − |F A| 2 = |CP | 2 − |AP | 2 . Addiert man diese<br />

drei Gleichungen, so folgt schließlich |AD| 2 − |DB| 2 + |BE| 2 − |EC| 2 + |CF | 2 − |F A| 2 = 0.<br />

Das ist bereits das gewünschte Resultat.<br />

Satz 21: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei E ein Punkt auf l(B, C), sei F ein Punkt auf l(C, A)<br />

und D ein Punkt auf l(A, B), sodass |AD| 2 − |DB| 2 + |BE| 2 − |EC| 2 + |CF | 2 − |F A| 2 = 0<br />

gilt. Die Gerade durch E senkrecht auf l(B, C), die Gerade durch F senkrecht auf l(C, A)<br />

und die Gerade durch D senkrecht auf l(A, B) schneiden dann einander in einem Punkt.<br />

Beweis: Sei g a die Gerade durch den Punkt E senkrecht auf l(B, C) und g b die Gerade<br />

durch den Punkt F senkrecht auf l(C, A). Sei P der Schnittpunkt der Geraden g a und<br />

g b . Weiters sei D ∗ der Fußpunkt des Lotes von P auf die Gerade l(A, B). Aus Satz 20<br />

erhalten wir |AD ∗ | 2 − |D ∗ B| 2 + |BE| 2 − |EC| 2 + |CF | 2 − |F A| 2 = 0. Nach Vorassetzung<br />

gilt |AD| 2 − |DB| 2 + |BE| 2 − |EC| 2 + |CF | 2 − |F A| 2 = 0. Es folgt |AD ∗ | 2 − |D ∗ B| 2 =<br />

|AD| 2 − |DB| 2 . Setzt man x = DD ∗ dann gilt AD ∗ = AD + x und x + D ∗ B = DB. Setzt<br />

man das ein, so folgt |AD| 2 + 2AD · x + x 2 − |DB| 2 + 2DB · x − x 2 = |AD| 2 − |DB| 2 , das<br />

heißt 2AD · x + 2DB · x = 0. Wegen AD + DB = AB ≠ 0 folgt AB · x = 0 und daraus<br />

x = 0. Damit ist DD ∗ = 0 gezeigt, also D ∗ = D. Das Lot von P auf die Gerade l(A, B)<br />

geht durch D. Somit liegt P auch auf der Gerade durch D senkrecht auf l(A, B).<br />

Mit Hilfe von Satz 21 kann man zeigen, dass die drei Seitensymmetralen eines Dreiecks<br />

einander in einem Punkt schneiden. Ebenso kann man das für die Höhen zeigen.


Franz Hofbauer 17<br />

Satz 22 (Stewarts Formel) Seien P , Q und R drei verschiedene Punkte, die auf einer<br />

SP<br />

Geraden g liegen, und S ein weiterer Punkt. Dann gilt 2<br />

P Q·P R + SQ2<br />

QP ·QR + SR2<br />

RP ·RQ = 1.<br />

Beweis: Wir arbeiten mit orientierten<br />

Abständen. Es gilt AB = −BA für zwei<br />

S<br />

Punkte A und B und AC = AB+BC für<br />

drei Punkte A, B und C, die auf einer Geraden<br />

liegen. Diese Formeln werden wir<br />

verwenden. Um den Satz zu beweisen,<br />

zeichnen wir das Lot vom Punkt S auf die P H Q R<br />

Gerade g und bezeichnen den Fußpunkt<br />

mit H. Wir wenden den Satz von Pythagoras auf die drei rechtwinkeligen Dreiecke △ SHP ,<br />

△ SHQ und △ SHR an. Somit haben wir SP 2 = SH 2 + HP 2 , SQ 2 = SH 2 + HQ 2 und<br />

SR 2 = SH 2 + HR 2 . Wir subtrahieren die erste Gleichung von den beiden anderen und<br />

erhalten SQ 2 − SP 2 = HQ 2 − HP 2 und SR 2 − SP 2 = HR 2 − HP 2 . Weiters haben wir<br />

HQ 2 = (HP +P Q) 2 = HP 2 +2HP ·P Q+P Q 2 und HR 2 = (HP +P R) 2 = (HP −RP ) 2 =<br />

HP 2 − 2HP · RP + RP 2 . Wir setzen das in obige Gleichungen ein und erhalten<br />

SQ 2 − SP 2 = 2HP · P Q + P Q 2 und SR 2 − SP 2 = −2HP · RP + RP 2<br />

Wir dividieren die erste Gleichung durch P Q und die zweite durch RP . Addieren ergibt<br />

SQ 2<br />

P Q − SP 2<br />

P Q + SR2<br />

RP − SP 2<br />

SQ2<br />

RP<br />

= P Q+RP , das heißt<br />

P Q + SR2<br />

RP − SP 2 (P Q+RP )<br />

P Q·RP<br />

= P Q+RP . Wir<br />

beachten, dass P Q + RP = RQ gilt und erhalten SQ2<br />

P Q + SR2 SP<br />

2·RQ<br />

RP<br />

−<br />

P Q·RP<br />

= RQ. Division<br />

durch RQ ergibt dann<br />

SQ2<br />

= 1. Das ist bereits die gesuchte Formel,<br />

P Q·RQ +<br />

SR2<br />

RP ·RQ − SP 2<br />

P Q·RP<br />

da ja P Q = −QP , RQ = −QR und RP = −P R gilt.<br />

Wir geben noch eine Anwendung von Stewarts Formel.<br />

Satz 23: Sei △ ABC ein Dreieck mit Seiten a, b und c. Sei w die Länge der Winkelsymmetrale<br />

durch den Eckpunkt C. Dann gilt w 2 = ab(1 − ( c<br />

a+b )2 ).<br />

Beweis: Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit der Seite AB. Die<br />

drei Punkte A, D und B liegen auf einer Geraden und C ist ein weiterer Punkt. Aus Satz 22<br />

CA<br />

folgt daher 2<br />

AD·AB + CD2<br />

DA·DB + CB2<br />

BA·BD<br />

= 1. Nun gilt a = |CB| und b = |CA|. Satz 16 besagt<br />

AD<br />

DB = |AC|<br />

|BC| = b a , woraus AD = b a · DB folgt. Klarerweise gilt auch und AD + DB = AB.<br />

Daraus und aus obiger Gleichung ergibt sich DB =<br />

a<br />

a+b · AB und AD =<br />

b<br />

a+b · AB. Nun<br />

können wir die Nenner in Stewarts Formel berechnen: AD · AB =<br />

b<br />

a+b · AB2 = bc2<br />

a+b ,<br />

DA · DB = −<br />

ab<br />

(a+b)<br />

· AB 2 = − abc2<br />

2<br />

(a+b)<br />

und BA · BD = AB · DB = a<br />

2 a+b · AB2 = ac2<br />

a+b .<br />

Weiters gilt w = |CD|. Setzt man oben ein, so ergibt sich b2 (a+b)<br />

bc<br />

− w2 (a+b) 2<br />

2 abc 2<br />

Daraus folgt w 2 = ab −<br />

abc2<br />

(a+b)<br />

. 2<br />

+ a2 (a+b)<br />

ac 2 = 1.<br />

6. Der Kreis<br />

Sei AB eine Sehne in einem Kreis k. Ist C ein Punkt auf dem Kreis, dann heißt<br />

der Winkel bei C im Dreieck △ ABC Peripheriewinkel über der Sehne AB. Ist M der<br />

Mittelpunkt des Kreises, dann heißt der Winkel bei M im Dreieck △ ABM Zentriwinkel<br />

über der Sehne AB.


18 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Satz 24 (Peripheriewinkelsatz) Sei AB eine Sehne im Kreis k, dessen Mittelpunkt M<br />

Zentriwinkel α über der Sehne AB habe. Sei C ein Punkt auf dem Kreis. Liegt M auf der<br />

selben Seite von AB wie C oder auf AB, dann ist 1 2α der Peripheriewinkel von C über der<br />

Sehne AB. Liegt M auf der anderen Seite von AB als C oder auf AB, dann ist 180 0 − 1 2 α<br />

der Peripheriewinkel von C über der Sehne AB.<br />

Beweis: Die Punkte A, B und C liegen auf dem Kreis k. Dieser Kreis ist daher der<br />

Umkreis des Dreiecks △ ABC und M ist der Umkreismittelpunkt. Den Winkel beim<br />

Eckpunkt C in diesem Dreieck, das ist der Peripheriewinkel, nennen wir γ.<br />

Wir behandeln zuerst den Fall, dass M im Dreieck △ ABC liegt. Dieser Fall ist in der<br />

linken Zeichnung dargestellt. Die Dreiecke △ AMC und △ BMC sind gleichschenkelig.<br />

Die Schenkel MA, MB und MC dieser Dreiecke sind ja Radien des Kreises k.<br />

C<br />

γ<br />

M M γ C<br />

M<br />

α α α<br />

A B A B A B<br />

Es gilt ∠ AMC + ∠ BMC = 360 0 − α und ∠ ACM + ∠ BCM = γ. Daraus erhalten wir<br />

∠ CAM + ∠ CBM = γ, da die Dreiecke △ AMC und △ BMC gleichschenkelig sind und<br />

somit ∠ CAM = ∠ ACM und ∠ CBM = ∠ BCM gilt. Addition dieser drei Gleichungen<br />

ergibt 180 0 +180 0 = 360 0 −α+2γ, da Dreiecke Winkelsumme 180 0 haben. Es folgt 2γ = α.<br />

(Dieser Beweis funktioniert auch, wenn M auf AC, auf BC oder auf AB liegt, es treten<br />

nur Winkel mit 0 0 auf.)<br />

Der Fall, wo M auf der selben Seite von AB wie C liegt, aber nicht mehr im Dreieck<br />

△ ABC, ist in der mittleren Zeichnung dargestellt. Es gilt ∠ AMC − ∠ BMC = α und<br />

−∠ ACM + ∠ BCM = γ. Es folgt −∠ CAM + ∠ CBM = γ, da die Dreiecke △ AMC und<br />

△ BMC gleichschenkelig sind und somit ∠ CAM = ∠ ACM und ∠ CBM = ∠ BCM gilt.<br />

Subtraktion der zweiten und dritten Gleichung von der ersten ergibt 180 0 − 180 0 = α − 2γ,<br />

da Dreiecke Winkelsumme 180 0 haben. Es folgt 2γ = α.<br />

Der Fall, wo M auf der anderen Seite der Sehne AB als C liegt, ist in der dritten Zeichnung<br />

dargestellt. Es gilt ∠ AMC +∠ BMC = α und ∠ ACM +∠ BCM = γ. Daraus folgt dann<br />

∠ CAM + ∠ CBM = γ, da die Dreiecke △ AMC und △ BMC gleichschenkelig sind und<br />

∠ CAM = ∠ ACM und ∠ CBM = ∠ BCM gilt. Addition der drei Gleichungen ergibt<br />

180 0 + 180 0 = α + 2γ, da Dreiecke Winkelsumme 180 0 haben. Es folgt 2γ = 360 0 − α.<br />

Der Spezialfall von Satz 24, bei dem die Sehne durch den Mittelpunkt des Kreises<br />

verläuft, heißt Satz von Thales. Es treffen beide Fälle aus Satz 24 zu. Der Zentriwinkel<br />

beträgt dann 180 0 und der Peripheriwinkel somit 90 0 .<br />

Satz 25 (Satz von Thales) Sei k ein Kreis, mit Mittelpunkt M und einer Sehne AB, die<br />

durch M verläuft. Dann hat jeder Punkt C auf dem Kreis, der ungleich A und B ist, einen<br />

rechten Winkel als Peripheriewinkel über AB.<br />

γ<br />

C


Es gilt auch die Umkehrung des Peripheriewinkelsatzes.<br />

Seien A und B zwei Punkte und g die Gerade<br />

durch A und B. Sei H eine der beiden Halbebenen,<br />

in die g die Ebene teilt. Wir zeichnen alle Kreisbögen<br />

durch A und B, die in H liegen. Diese Kreisbögen<br />

füllen H vollständig aus. Durch jeden Punkt P in H<br />

verläuft einer dieser Kreisbögen, nämlich der Umkreis<br />

des Dreiecks △ ABP . Zwei dieser Kreisbögen haben<br />

außer A und B keinen gemeinsamen Punkt. Hätten<br />

sie einen weiteren gemeinsamen Punkt Q, dann wären<br />

Franz Hofbauer 19<br />

sie nicht verschiedene Kreisbögen, sondern beide der Umkreis des Dreiecks △ ABQ.<br />

Sei k einer der Kreisbögen. Nach dem Peripheriewinkelsatz haben alle Punkte auf k<br />

denselben Peripheriewinkel γ über der Sehne AB. Wir nennen k den γ-Kreisbogen. Der<br />

Mittelpunkt M des Kreisbogens k liegt auf der Symmetrale der Strecke AB. Liegt M in<br />

H mit Zentriwinkel α über der Sehne AB, dann ist k der γ-Kreisbogen mit γ = 1 2 α < 900 .<br />

Liegt M auf AB, dann ist k der γ-Kreisbogen mit γ = 90 0 . Liegt M nicht in H mit<br />

Zentriwinkel α über der Sehne AB, dann ist k der γ-Kreisbogen mit γ = 180 0 − 1 2 α > 900 .<br />

Wir können jetzt den Peripheriewinkelsatz und seine Umkehrung so formulieren: Der<br />

Peripheriewinkel ∠ AP B eines Punktes P in H ist genau dann gleich γ, wenn er auf dem<br />

γ-Kreisbogen liegt.<br />

Oft wird der Peripheriewinkelsatz so verwendet: Man kennt den Peripheriewinkel γ eines<br />

Punktes P auf dem Kreis k über der Sehne AB. Dann hat jeder andere Punkt auf k, der<br />

auf derselben Seite der Sehne AB liegt wie P , ebenfalls Peripheriewinkel γ, und jeder<br />

Punkt auf k, der auf der anderen Seite der Sehne AB liegt, Peripheriewinkel 180 0 − γ.<br />

Satz 26 (Südpolsatz) Sei P der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt<br />

C mit dem Umkreis. Dann hat P gleiche Abstände zu den Eckpunkten A und B und zum<br />

Inkreismittelpunkt I.<br />

Beweis: Wir wenden den Peripheriewinkelsatz<br />

auf die Sehnen BP und AP im Umkreis<br />

an. Es folgt ∠ BAP = ∠ BCP = γ 2 und<br />

∠ ABP = ∠ ACP = γ 2<br />

. Das Dreieck △ ABP<br />

ist gleichschenkelig. Der Punkt P hat gleiche<br />

Abstände zu den Eckpunkten A und B. Es<br />

bleibt zu zeigen, dass der Inkreismittelpunkt<br />

I den selben Abstand vom Punkt P hat wie<br />

der Eckpunkt A. Es gilt ∠ BAP = γ 2 und<br />

∠ BAI = α 2<br />

, da I auf der Winkelsymmetrale<br />

durch A liegt. Daraus folgt ∠ P AI = α+γ<br />

2 .<br />

Der Winkel ∠ P IA ist der Außenwinkel des A γ<br />

B<br />

Dreiecks △ ACI beim Eckpunkt I und daher<br />

2<br />

gleich der Summe der beiden Innenwinkel bei<br />

den Eckpunkten A und C. Da die Seiten AI<br />

und CI auf den Winkelsymmetralen liegen,<br />

P<br />

erhalten wir ∠ CIA = α 2 und ∠ ACI = γ α+γ<br />

2<br />

. Es folgt ∠ P IA =<br />

2<br />

. Das Dreieck △ AP I ist<br />

somit gleichschenkelig. Es folgt, dass der Inkreismittelpunkt I den selben Abstand vom<br />

Punkt P hat wie der Eckpunkt A.<br />

C<br />

γ<br />

2<br />

A<br />

I<br />

B


20 <strong>Elementargeometrie</strong><br />

Satz 27: Spiegelt man in einem Dreieck △ ABC den Höhenschnittpunkt H an den<br />

(Verlängerungen der) drei Seiten, dann liegen die gespiegelten Punkte auf dem Umkreis.<br />

Beweis: Wir beweisen den Satz für ein spitzwinkeliges<br />

Dreieck △ ABC und Spiegelung des Höhenschnittpunkts<br />

H an der Seite AB. Sei G der<br />

Schnittpunkt des Umkreises mit der Verlängerung<br />

der Höhe durch C (diese Höhe ist nicht eingezeichnet).<br />

Da ∠ AGB und ∠ ACB = γ Peripheriewinkel<br />

im Umkreis des Dreiecks über der Sehne<br />

AB sind, aber auf verschiedenen Seiten der Sehne<br />

liegen, erhalten wir ∠ AGB = 180 0 − γ. Die Höhe<br />

durch A steht senkrecht auf der Seite BC. Die<br />

Höhe durch B, deren Fußpunkt wir F nennen,<br />

steht senkrecht auf der Seite AC. Daher ist ∠ AHF<br />

gleich γ. Es folgt ∠ AHB = 180 0 − γ. Da G auf<br />

der Verlängerung der Höhe durch C liegt und da<br />

A<br />

C<br />

γ<br />

F H<br />

γ<br />

∠ AHB = ∠ AGB gilt, ist G der um die Seite AB gespiegelte Höhenschnittpunkt H. Somit<br />

ist gezeigt, dass dieser auf dem Umkreis liegt.<br />

Ist der Winkel γ bei C stumpf, dann verläuft der Beweis analog. Ist der Winkel bei A oder<br />

bei B stumpf, dann liegen C und der Schnittpunkt G des Umkreises mit der Verlängerung<br />

der Höhe durch C auf derselben Seite der Sehne AB, sodass ∠ AGB = γ gilt. Wie oben<br />

erhält man ∠ AHB = γ. Es folgt ∠ AHB = ∠ AGB. Also ist G auch in diesem Fall der<br />

um die (Verlängerung der) Dreiecksseite AB gespiegelte Höhenschnittpunkt H.<br />

7. Sehnen- und Sekantensatz<br />

Wir fassen Sehnen– und Sekantensatz in einem Satz zusammen.<br />

Satz 28: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r. Sei g eine Gerade, die den<br />

Kreis in den Punkten A und B schneidet. Sei R ein weiterer Punkt auf g. Dann gilt<br />

AR · RB = r 2 − |MR| 2 .<br />

Beweis: Sei h die Länge des Lots von M auf g und F dessen Fußpunkt. Wenn g durch<br />

M verläuft, dann ist h = 0 und F = M. Sei a = AR und b = RB. Aus den Rechenregeln<br />

für den orientierten Abstand folgt AB = AR + RB = a + b und AF = 1 a+b<br />

2AB =<br />

2 . Damit<br />

erhalten wir F R = F A + AR = − a+b<br />

2<br />

+ a = a−b<br />

2<br />

. Setzt man noch c = |MR| dann folgen<br />

G<br />

B<br />

P<br />

M<br />

M<br />

A B A<br />

R F<br />

F<br />

B<br />

R<br />

r 2 = h 2 + ( a+b<br />

2 )2 und c 2 = h 2 + ( a−b<br />

2 )2 aus dem Satz von Pythagoras. Subtrahiert man<br />

diese Gleichungen, dann erhält man r 2 − c 2 = ab, das heißt r 2 − |MR| 2 = AR · RB.


Franz Hofbauer 21<br />

Satz 28 heißt Sehnensatz, wenn R auf der Sehne AB liegt. In diesem Fall, der in der<br />

linken Zeichnung dargestellt ist, gilt |AR| · |RB| = r 2 − |MR| 2 , da AR und RB gleiches<br />

Vorzeichen haben.<br />

Liegt R außerhalb des Kreises, dann heißt Satz 28 Sekanten- oder Tangentensatz. In<br />

diesem Fall, der in der rechten Zeichnung dargestellt ist, gilt |AR| · |RB| = |MR| 2 − r 2 , da<br />

AR und RB verschiedene Vorzeichen haben. Ist P der Berührungspunkt einer Tangente<br />

vom Punkt R an den Kreis, dann folgt |RP | 2 + r 2 = |MR| 2 aus dem Satz von Pythagoras,<br />

sodass der Tangentensatz dann |AR| · |RB| = |RP | 2 lautet. Das erklärt auch den Namen.<br />

8. Inkreis, Ankreise und Umkreis<br />

Wir berechnen die Radien dieser Kreise. Eine dazu passende Formel für die Fläche des<br />

Dreiecks kommt im nächsten Kapitel.<br />

Satz 29: Seien a, b und c die Seiten eines Dreiecks, F seine Fläche und s = 1 2<br />

(a + b + c)<br />

sein halber Umfang. Ist ϱ der Inkreisradius, dann gilt ϱ = F s .<br />

Beweis: Sei I der Inkreismittelpunkt. Das Dreieck △ ABC lässt sich in die drei Dreiecke<br />

△ AIB, △ AIC und △ BIC zerlegen. Diese drei Dreiecke haben Höhe ϱ und ihre Flächen<br />

sind 1 2 cϱ, 1<br />

2 bϱ und 1 2 aϱ. Es gilt somit F = 1 2 aϱ + 1 2 bϱ + 1 2 cϱ = sϱ. Wir haben ϱ = F s<br />

gezeigt.<br />

Satz 30: Seien a, b und c die Seiten eines Dreiecks, F seine Fläche und s = 1 2<br />

(a + b + c)<br />

sein halber Umfang. Sind ϱ a , ϱ b und ϱ c die Radien der Ankreise an die drei Seiten, dann<br />

gilt ϱ a =<br />

F<br />

F<br />

F<br />

s−c .<br />

s−a , ϱ b =<br />

s−b und ϱ c =<br />

Beweis: Wir beweisen die erste der drei Formeln. Sei P der Mittelpunkt des Ankreises an<br />

die Seite BC. Die Flächen der drei Dreiecke △ AP B, △ AP C und △ BP C sind dann 1 2 cϱ a,<br />

1<br />

2 bϱ a und 1 2 aϱ a. Die beiden Dreiecke △ ABC und △ BP C überdecken dieselbe Fläche wie<br />

die beiden Dreiecke △ AP B und △ AP C. Daher gilt F + 1 2 aϱ a = 1 2 cϱ a + 1 2 bϱ a. Es folgt<br />

F = 1 2 (b + c − a)ϱ a = (s − a)ϱ a und daraus dann ϱ a =<br />

F<br />

s−a .<br />

Satz 31: Seien a, b und c die Seiten eines Dreiecks und sei F seine Fläche. Ist r der<br />

Umkreisradius, dann gilt r = abc<br />

4F .<br />

Beweis: Sei G der Schnittpunkt ≠ C des Umkreises<br />

C<br />

mit der Geraden durch den Eckpunkt C und den<br />

Umkreismittelpunkt U. Sei h die Länge der Höhe<br />

durch den Eckpunkt C und D der Höhenfußpunkt.<br />

Wir zeigen, dass die Dreiecke △ ADC und △ GBC<br />

ähnlich sind. Der Winkel bei A im Dreieck △ ADC<br />

und der Winkel bei G im Dreieck △ GBC sind Peripheriewinkel<br />

in einem Kreis über der Sehne BC und<br />

U<br />

somit nach dem Peripheriewinkelsatz gleich. Der<br />

Winkel bei D im △ ADC ist ein rechter, da CD<br />

A<br />

D<br />

B<br />

als Höhe auf AB senkrecht steht. Der Winkel bei B<br />

im Dreieck △ GBC ist ebenfalls ein rechter, da er<br />

ein Peripheriewinkel über dem Durchmesser CG des<br />

G<br />

Umkreises ist. Da somit die Ähnlichkeit der Dreiecke<br />

△ ADC und △ GBC gezeigt ist, folgt |CG|<br />

2r<br />

a<br />

= b h<br />

|CB| = |CA|<br />

. Weiters gilt 2F = ch. Multiplikation ergibt<br />

4rF<br />

a<br />

|CD|<br />

aus dem Strahlensatz, das heißt<br />

= cb, das heißt r = abc<br />

4F .


II. Trigonometrie<br />

1. Trigonometrische Funktionen<br />

Der Einheitskreis ist der Kreis mit Mittelpunkt (0, 0) und Radius 1. Um sin α und cos α<br />

zu definieren, zeichnen wir vom Punkt (0, 0) aus eine Halbgerade, die mit der x-Achse den<br />

Winkel α einschließt (für α > 0 im Gegenuhrzeigersinn, für α < 0 im Uhrzeigersinn). Die<br />

Koordinaten des Schnittpunktes dieser Halbgerade mit dem Einheitskreis sind dann cos α<br />

und sin α. Da man für die Winkel α und α + 360 0 den selben Punkt am Einheitskreis<br />

erhält, ergibt sich sin(α + 360 0 ) = sin α und cos(α + 360 0 ) = cos α.<br />

Weiters definiert man tan α = sin α<br />

cos α<br />

und cot α =<br />

1<br />

tan α = cos α<br />

sin α .<br />

Satz 32: Die Funktionen sin und cos haben folgende Eigenschaften<br />

(a) sin 2 α + cos 2 α = 1<br />

(b) sin 0 = sin 180 0 = 0, sin 90 0 = 1, cos 0 = 1, cos 180 0 = −1, cos 90 0 = 0<br />

(c) sin(−α) = − sin α, cos(−α) = cos α<br />

(d) sin(α + 90 0 ) = cos α, cos(α + 90 0 ) = − sin α<br />

(e) sin(α + 180 0 ) = − sin α, cos(α + 180 0 ) = − cos α<br />

Beweis: Wir erhalten (a), da der Punkt mit den Koordinaten cos α und sin α auf dem<br />

Einheitskreis liegt. Auch (b) folgt sofort aus der Definition, indem man die Koordinaten<br />

der Punkte abliest, die man für die Winkel 0, 90 0 und 180 0 erhält. Da die Punkte, die<br />

man für die Winkel α und −α erhält, symmetrisch zur x-Achse liegen, folgt (c). Den<br />

Vektor ( cos(α+900 )<br />

cos α<br />

sin(α+90 0 )<br />

) erhält man, indem man den Vektor ( sin α ) um 90 0 nach links verdreht.<br />

Daraus folgt (d). Den Vektor ( cos(α+1800 )<br />

sin(α+180 0 )<br />

den Koordinatenursprung spiegelt. Daraus folgt (e).<br />

) erhält man, indem man den Vektor (<br />

cos α<br />

sin α ) um<br />

Ist α ein Winkel in einem rechtwinkeligen Dreieck, der nicht der rechte ist, dann heißt<br />

die am Winkel α anliegende Kathete die Ankathete und die nicht anliegende Kathete heißt<br />

Gegenkathete. Aus dem Strahlensatz folgt dann<br />

sin α = |Gegenkathete|<br />

|Hypotenuse|<br />

cos α = |Ankathete|<br />

|Hypotenuse|<br />

und<br />

tan α = |Gegenkathete|<br />

|Ankathete|<br />

Satz 33 (Sinussatz) In einem beliebigen Dreieck mit Fläche F und den üblichen Bezeichnungen<br />

gilt 2F<br />

abc = sin α<br />

a<br />

= sin β<br />

b<br />

= sin γ<br />

c<br />

.<br />

Beweis: Sei h die Länge der Höhe auf c. Dann gilt 2F = ch. Weiters gilt sin α = h b<br />

(wegen sin(180 0 − α) = sin α gilt das auch, wenn die Höhe außerhalb des Dreiecks liegt).<br />

Daraus folgt dann 2F<br />

abc = h ab = b sin α<br />

ab<br />

= sin α<br />

2F<br />

a<br />

. Analog folgt<br />

abc = sin β<br />

b<br />

und 2F<br />

abc = sin γ<br />

c<br />

.<br />

Satz 34 (Cosinussatz) In einem Dreieck mit den üblichen Bezeichnungen gilt<br />

a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos α, b 2 = a 2 + c 2 − 2ac cos β und c 2 = a 2 + b 2 − 2ab cos γ.<br />

Beweis: Sei H der Fußpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C und h deren Länge. Sei p<br />

der Abstand von H zum Eckpunkt A, wenn H rechts von A liegt oder gleich A ist (spitzer<br />

Winkel α), und der mit negativem Vorzeichen versehene Abstand, wenn H links von A<br />

liegt (stumpfer Winkel α). In beiden Fällen gilt dann cos α = p b<br />

das heißt p = b cos α. Aus<br />

dem Satz von Pythagoras folgt b 2 = h 2 + p 2 und a 2 = h 2 + (c − p) 2 . Subtraktion ergibt<br />

b 2 − a 2 = p 2 − (c − p) 2 = 2pc − c 2 und für p eingesetzt b 2 − a 2 = 2bc cos α − c 2 , das heißt<br />

a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos α. Die anderen Gleichungen erhält man analog.


Franz Hofbauer 23<br />

Satz 35 (Dreiecksungleichung) Sind a, b und c die Längen der Seiten eines Dreiecks, dann<br />

gilt a ≤ b + c, b ≤ a + c und c ≤ a + b.<br />

Beweis: Da − cos γ ≤ 1 gilt erhalten wir c 2 ≤ a 2 +b 2 +2ab = (a+b) 2 aus dem Cosinussatz.<br />

Es folgt c ≤ a + b. Analog zeigt man die anderen Ungleichungen.<br />

Satz 36 (Summensätze) Für beliebige Winkel α und β gelten die beiden Formeln<br />

(a) sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β<br />

(b) cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β<br />

Beweis: Misst man von der x-Achse aus am Einheitskreis im Gegenuhrzeigersinn den<br />

Winkel α, so kommt man zum Punkt (cos α, sin α). Misst man von der x-Achse aus am<br />

Einheitskreis im Uhrzeigersinn den Winkel β, so kommt man zum Punkt (cos β, − sin β).<br />

Der Winkel zwischen den Halbgeraden zu diesen Punkten ist α + β. Der Winkel zwischen<br />

den Halbgeraden zu den Punkten (1, 0) und (cos(α + β), sin(α + β)) ist ebenfalls α + β.<br />

Daher ist auch der Abstand vom Punkt (cos α, sin α) zum Punkt (cos β, − sin β) gleich dem<br />

Abstand vom Punkt (1, 0) zum Punkt (cos(α + β), sin(α + β)). Das heißt<br />

√<br />

(cos α − cos β)2 + (sin α + sin β) 2 = √ (1 − cos(α + β)) 2 + (sin(α + β)) 2<br />

Man kann die Wurzeln auf beiden Seiten weglassen. Quadriert man aus, so erhält man<br />

cos 2 α − 2 cos α cos β + cos 2 β + sin 2 α + 2 sin α sin β + sin 2 β<br />

= 1 − 2 cos(α + β) + cos 2 (α + β) + sin 2 (α + β)<br />

An drei verschiedenen Stellen kann man die Formel sin 2 γ + cos 2 γ = 1 anwenden, und<br />

erhält 1 − 2 cos α cos β + 1 + 2 sin α sin β = 1 − 2 cos(α + β) + 1. Damit sind wir bei der<br />

Formel cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β angelangt und (b) ist gezeigt.<br />

Wir ersetzen in dieser soeben gezeigten Formel β durch β + 90 0 . Es gilt<br />

cos(α + β + 90 0 ) = − sin(α + β), cos(β + 90 0 ) = − sin β und sin(β + 90 0 ) = cos β<br />

Setzt man das ein, so hat man − sin(α + β) = cos α(− sin β) − sin α cos β. Das ist (a).<br />

Wir geben auch noch einen geometrischen Beweis der Summensätze. Wir nehmen zuerst<br />

an, dass die Winkel α und β zwischen 0 und 90 0 liegen. Wir messen die entsprechenden<br />

Bögen am Einheitskreis und erhalten den Punkt A, der dem Winkel α, und den Punkt B,<br />

der dem Winkel α + β entspricht. In der Zeichnung unten links ist der Fall dargestellt, wo<br />

α + β < 90 0 gilt, während die Zeichnung rechts unten den Fall zeigt, wo α + β > 90 0 gilt.<br />

B<br />

B<br />

A<br />

D<br />

C<br />

A<br />

D<br />

C<br />

M F E<br />

F<br />

M<br />

E<br />

Sei C auf der Strecke MA so gewählt, dass BC auf MA senkrecht steht. Daher gilt<br />

|MC| = cos β und |BC| = sin β. Sei E der Fußpunkt der Senkrechten durch C auf die


24 Trigonometrie<br />

x-Achse. Das Dreieck △ MEC hat bei M den Winkel α und bei E einen rechten Winkel.<br />

Daher gilt |CE| = |MC| sin α = cos β sin α und |ME| = |MC| cos α = cos β cos α. Sei<br />

F der Fußpunkt der Senkrechten durch B auf die x-Achse und D der Punkt auf dieser<br />

Senkrechten, sodass das Dreieck △ BDC einen rechten Winkel bei D hat. Dieses Dreieck<br />

hat den Winkel α bei B, da BD senkrecht auf ME und BC senkrecht auf MC steht.<br />

Daher gilt |CD| = |BC| sin α = sin β sin α und |BD| = |BC| cos α = sin β cos α. Nun folgt<br />

sin(α + β) = |CE| + |BD| = cos β sin α + sin β cos α<br />

cos(α + β) = |ME| − |CD| = cos β cos α − sin β sin α<br />

Damit sind die Summensätze für Winkel α und β zwischen 0 und 90 0 bewiesen. Mit Hilfe<br />

der Formeln aus Satz 32 (d) erhält man sie für alle Winkel.<br />

Mit Cosinus- und des Sinussatz beweisen wir eine Formel für die Dreiecksfläche.<br />

Satz 37 (Heronsche Flächenformel) Seien a, b und c die Seiten eines Dreiecks, F seine<br />

Fläche und s = 1 2 (a + b + c) sein halber Umfang. Dann gilt F = √ s(s − a)(s − b)(s − c).<br />

Beweis: Aus dem Cosinussatz folgt 2bc cos α = b 2 +c 2 −a 2 . Durch wiederholtes Anwenden<br />

der Formel u 2 − v 2 = (u + v)(u − v) erhält man<br />

4b 2 c 2 sin 2 α = 4b 2 c 2 (1 − cos 2 α) = 4b 2 c 2 − (b 2 + c 2 − a 2 ) 2<br />

= (2bc + b 2 + c 2 − a 2 )(2bc − b 2 − c 2 + a 2 ) = ((b + c) 2 − a 2 )(a 2 − (b − c) 2 )<br />

= (b + c + a)(b + c − a)(a + b − c)(a − b + c) = 2s(2s − 2a)(2s − 2c)(2s − 2b)<br />

Daraus und aus Satz 33 folgt dann F 2 = 1 4 b2 c 2 sin 2 α = s(s − a)(s − b)(s − c).<br />

2. Die besonderen Punkte des Dreiecks<br />

Abgesehen vom Schwerpunkt, kann man die besonderen Punkte des Dreiecks auch mit<br />

trigonometrischen Methoden behandeln.<br />

Satz 38: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Höhen einander in einem Punkt,<br />

dem Höhenschnittpunkt H.<br />

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig,<br />

dann wählen wir die Bezeichnungen so, dass<br />

C<br />

γ der Winkel ≥ 90 0 ist. Die Winkel α und<br />

β sind jedenfalls spitz. Sei D der Fußpunkt<br />

der Höhe durch den Eckpunkt C und H der<br />

Schnittpunkt der Höhen durch die Eckpunkte<br />

b H<br />

C und A. Da die Winkel α und β spitz sind,<br />

liegt H oberhalb von D und D rechts von A.<br />

β<br />

Sei x der Abstand der Punkte D und H. Sei<br />

x<br />

u der Abstand der Punkte A und D. Dann<br />

gilt u = b cos α. Da der Winkel zwischen den<br />

β<br />

Höhen durch C und durch A gleich β ist, erhalten<br />

wir tan β = u x<br />

A u<br />

D B<br />

. Es folgt x =<br />

u<br />

tan β = b cos α<br />

tan β .<br />

Sei jetzt G der Schnittpunkt der Höhen durch die Eckpunkte C und B und y der Abstand<br />

der Punkte D und G. Wie oben erhält man, dass y = a cos β<br />

tan α<br />

gilt. Aus dem Sinussatz<br />

folgt b sin α = a sin β, das heißt b cos α tan α = a cos β tan β. Damit ist x = y gezeigt. Das<br />

bedeutet aber, dass G = H gilt. Die drei Höhen schneiden einander im Punkt H.


Franz Hofbauer 25<br />

Satz 39: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Winkelsymmetralen einander in<br />

einem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I.<br />

C<br />

Beweis: Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale<br />

durch den Eckpunkt C mit der<br />

γ<br />

Seite AB und I der Schnittpunkt der Winkelsymmetralen<br />

durch die Eckpunkte C und<br />

2<br />

A. Sei x der Abstand der Punkte D und I<br />

und u der Abstand der Punkte A und D. Wir<br />

wenden den Sinussatz im Dreieck △ ADC an.<br />

Wegen ∠ ADC = 180 0 − α − γ 2 = β + γ 2 und<br />

b<br />

∠ ACD = γ 2 gilt u<br />

b<br />

=<br />

sin γ 2<br />

sin(β+ γ 2<br />

), woraus<br />

sin<br />

u = b<br />

γ 2<br />

I<br />

sin(β+ γ 2 ) folgt. Wir wenden noch einmal<br />

den Sinussatz an und zwar jetzt im Dreieck<br />

△ ADI. Wegen ∠ AID = 90 0 − β 2<br />

und<br />

∠ DAI = α x<br />

2 gilt u<br />

= x , woraus<br />

sin(90 0 − β 2 )<br />

x = u<br />

sin α 2<br />

sin α 2<br />

folgt. Setzt man<br />

α<br />

2<br />

β+ γ 2<br />

= u sin α sin(90 0 − β 2<br />

2 ) cos β 2<br />

sin A u<br />

für u ein, so hat man x = b<br />

α 2 sin γ 2<br />

D<br />

cos β 2 sin(β+ γ ). 2<br />

Sei jetzt J der Schnittpunkt der Winkelsymmetralen durch die Eckpunkte C und B und y<br />

der Abstand der Punkte D und J. Wie oben erhält man, dass y = a sin β 2 sin γ 2<br />

cos α 2 sin(α+ gilt. Aus<br />

γ<br />

2<br />

)<br />

dem Sinussatz folgt b sin α = a sin β, das heißt 2b sin α 2 cos α 2 = 2a sin β 2 cos β 2<br />

. Die Summe<br />

der beiden Winkel α + γ 2 und β + γ 2 ist 1800 . Daher gilt sin(α + γ 2 ) = sin(β + γ 2<br />

). Aus<br />

sin<br />

diesen beiden Gleichungen folgt b<br />

α 2<br />

= a sin β<br />

cos β 2 sin(β+ γ 2<br />

2 ) cos α 2 sin(α+ γ 2<br />

). Damit ist x = y gezeigt.<br />

Das bedeutet aber, dass J = I gilt. Die drei Winkelsymmetralen schneiden einander im<br />

Punkt I.<br />

Für den Satz, dass die Seitensymmetralen einander in einem Punkt schneiden, zeigen<br />

wir zuerst einen Hilfssatz.<br />

Hilfssatz C: In jedem Dreieck gilt sin 2 α − sin α cos β sin γ = sin 2 β − cos α sin β sin γ.<br />

Beweis: Es gilt sin γ = sin(180 0 − α − β) = sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β. Die<br />

zu beweisende Gleichung wird damit zu sin 2 α − sin 2 α cos 2 β = sin 2 β − cos 2 α sin 2 β. Das<br />

wieder lässt sich zu sin 2 α sin 2 β = sin 2 β sin 2 α umformen.<br />

Wir haben durch Äquivalenzumformungen die zu beweisende Gleichung in eine richtige<br />

Gleichung übergeführt, womit der Beweis erbracht ist.<br />

Satz 40: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Seitensymmetralen einander in<br />

einem Punkt, dem Umkreismittelpunkt U.<br />

Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann wählen wir die Bezeichnungen so, dass γ<br />

der Winkel ≥ 90 0 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz. Sei U der Schnittpunkt der<br />

Symmetralen der Seiten AB und AC. Sei D der Mittelpunkt der Seite AB und F der der<br />

Seite AC. Sei x der Abstand der Punkte D und U, wobei x negativ ist, wenn U unterhalb<br />

B


26 Trigonometrie<br />

der Seite AB liegt. Weiters sei G der Schnittpunkt<br />

der (Verlängerung der) Seite AB mit<br />

der Symmetralen der Seite AC und u der Abstand<br />

der Punkte D und G, wobei u negativ<br />

ist, wenn G links von D liegt. Da das Dreieck<br />

△ AGF bei F einen rechten und bei A Winkel<br />

α hat, erhalten wir cos α = b 2<br />

c<br />

2<br />

+u,<br />

woraus<br />

b<br />

u =<br />

b<br />

U<br />

2 cos α − c 2<br />

folgt. Da das Dreieck △ DGU<br />

2<br />

bei D einen rechten und bei U Winkel α hat,<br />

α<br />

gilt cot α = x b−c cos α<br />

x<br />

u<br />

. Es folgt x = u cot α =<br />

2 sin α . α<br />

(Ist γ > 90 0 , dann sind u und x negativ. Ist<br />

c<br />

A D u<br />

γ = 90 0 , dann gilt u = x = 0.)<br />

2<br />

G B<br />

Sei jetzt V der Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC. Sei y der Abstand<br />

der Punkte D und V , wobei y negativ ist, wenn V unterhalb der Seite AB liegt. Wie<br />

a−c cos β<br />

oben erhält man, dass y =<br />

2 sin β<br />

gilt. Nach Hilfssatz C gilt sin 2 β − cos α sin β sin γ =<br />

sin 2 a<br />

α − sin α cos β sin γ. Da aber<br />

b nach dem Sinussatz gilt, erhalten<br />

sin α =<br />

sin β = c<br />

sin γ<br />

F<br />

C<br />

b<br />

wir<br />

sin β sin2 β −<br />

c<br />

sin γ<br />

cos α sin β sin γ =<br />

a<br />

sin α sin2 α −<br />

c<br />

sin γ<br />

sin α cos β sin γ, das bedeutet<br />

b sin β − c cos α sin β = a sin α − c sin α cos β. Daraus folgt, dass x = y gilt. Damit ist<br />

V = U gezeigt. Die drei Seitensymmetralen schneiden einander im Punkt U.<br />

3. Die Sätze von Napoleon und Morley<br />

Das sind zwei Sätze, die man üblicherweise mit trigonometrischen Methoden beweist.<br />

Satz 41 (Satz von Napoleon) Setzt man auf die drei Seiten eines beliebigen Dreiecks<br />

gleichschenkelige Dreiecke mit Basiswinkel 30 0 , dann bilden die Spitzen dieser drei Dreiecke<br />

ein gleichseitiges Dreieck.<br />

Beweis: Sei D die Spitze des über der Seite AB als Basis errichteten gleichschenkeligen<br />

Dreiecks, sei E die Spitze des über der Seite BC als Basis errichteten gleichschenkeligen<br />

Dreiecks und sei F die Spitze des über der<br />

Seite CA als Basis errichteten gleichschenkeligen<br />

Dreiecks. Sei x = |DF |, y = |DE|<br />

und z = |EF |. Zu zeigen ist x = y = z.<br />

Wir zeigen nur x = y. Da die Winkel bei A<br />

und B im Dreieck △ ABD gleich 30 0 sind,<br />

folgt |BD| = |AD| =<br />

c<br />

√<br />

3<br />

. Ebenso hat man<br />

|BE| = |CE| = a √<br />

3<br />

und |CF | = |AF | =<br />

b √<br />

3<br />

.<br />

Wegen ∠ DAF = α+60 0 folgt aus dem Cosinussatz<br />

angewandt auf das Dreieck △ ADF ,<br />

dass x 2 = b2 3 + c2 3 − 2bc<br />

3 cos(α + 600 ) gilt.<br />

Wegen 2 cos(α + 60 0 ) = cos α − √ 3 sin α<br />

ergibt sich x 2 = b2 3 + c2 3 − bc bc<br />

3<br />

cos α+ √<br />

3<br />

sin α.<br />

(Ist α größer als 120 0 , dann muss man die<br />

Gleichung cos(360 0 − φ) = cos φ beachten.)<br />

b √<br />

3<br />

A<br />

F<br />

α<br />

b √<br />

3<br />

D<br />

C<br />

γ<br />

x y<br />

√c<br />

√3 c<br />

3<br />

z<br />

a√<br />

3<br />

β<br />

B<br />

E<br />

a√<br />

3


Franz Hofbauer 27<br />

Ganz analog berechnet man, dass y 2 = a2<br />

3 + c2 3 − ac<br />

ac<br />

3<br />

cos β + √<br />

3<br />

sin β<br />

noch zu überprüfen, dass y = x folgt.<br />

gilt. Es bleibt nur<br />

Wir haben die Gleichung sin 2 α − sin α cos β sin γ = sin 2 β − cos α sin β sin γ in Hilfssatz C<br />

a<br />

gezeigt. Da aber auch<br />

nach dem Sinussatz gilt, erhalten wir daraus<br />

a 2<br />

sin α =<br />

b<br />

sin β = c<br />

sin γ<br />

sin 2 α sin2 α −<br />

a c<br />

sin α sin γ<br />

sin α cos β sin γ =<br />

b2<br />

sin 2 β sin2 β −<br />

b c<br />

sin β sin γ<br />

cos α sin β sin γ, das heißt<br />

a 2 − ac cos β = b 2 − bc cos α. Weiters gilt √ 3ac sin β = √ 3bc sin α. Addiert man diese<br />

beiden Gleichungen, so hat man a 2 − ac cos β + √ 3ac sin β = b 2 − bc cos α + √ 3bc sin α.<br />

Daraus ergibt sich y 2 = x 2 und somit auch y = x.<br />

Für den nächsten Satz, den Satz von Morley, zeigen wir zwei Hilfssätze.<br />

Hilfssatz D: In jedem Dreieck gilt sin 2 γ = sin 2 α + sin 2 β − 2 sin α sin β cos γ.<br />

Beweis: Ist q = abc<br />

2F<br />

, so folgen a = q sin α, b = q sin β und c = q sin γ aus dem Sinussatz.<br />

Man setzt das in den Cosinussatz c 2 = a 2 + b 2 − 2ab cos γ ein und kürzt durch q 2 .<br />

Hilfssatz E: Es gilt sin 3ψ = 4 sin ψ sin(60 0 + ψ) sin(60 0 − ψ).<br />

Beweis: Wegen sin 60 0 = √ 3<br />

2<br />

und cos 60 0 = 1 2 gilt sin(600 + ψ) = √ 3<br />

2 cos ψ + 1 2<br />

sin ψ und<br />

sin(60 0 − ψ) = √ 3<br />

2 cos ψ − 1 2<br />

sin ψ nach dem Summensatz für den Sinus. Daraus ergibt sich<br />

dann 4 sin ψ sin(60 0 + ψ) sin(60 0 − ψ) = 3 sin ψ cos 2 ψ − sin 3 ψ.<br />

Ebenso aus den Summensätzen folgt sin 2ψ = 2 sin ψ cos ψ und cos 2ψ = cos 2 ψ − sin 2 ψ,<br />

und damit sin 3ψ = sin(2ψ + ψ) = sin 2ψ cos ψ + cos 2ψ sin ψ = 3 sin ψ cos 2 ψ − sin 3 ψ.<br />

Satz 42 (Satz von Morley) Sei △ ABC ein Dreieck, dessen Winkel mit α, β und γ bezeichnet<br />

werden. Ins Innere dieses Dreiecks werden folgende drei Dreiecke gezeichnet: Über der<br />

Seite AB als Basis wird ein Dreieck mit Winkel α 3 bei A und β 3<br />

bei B errichtet. Sei P die<br />

Spitze dieses Dreiecks. Über der Seite BC als Basis wird ein Dreieck mit Winkel β 3 bei B<br />

und γ 3<br />

bei C errichtet. Sei Q die Spitze dieses Dreiecks. Über der Seite CA als Basis wird<br />

ein Dreieck mit Winkel γ 3 bei C und α 3<br />

bei A errichtet. Sei R die Spitze dieses Dreiecks.<br />

Das Dreieck △ P QR ist dann gleichseitig.<br />

Beweis: Seien x = |P R|, u = |AP | und<br />

C<br />

v = |AR|. Insbesondere ist x die Länge<br />

der Seite P R des Dreiecks △ P QR, von dem<br />

gezeigt werden soll, dass es gleichseitig ist.<br />

Sei µ = α 3 , ν = β 3<br />

und ϱ = γ 3<br />

. Weiters sei<br />

φ = ∠ AP B. Da µ, ν und φ die Winkel im<br />

b<br />

Dreieck △ AP B sind, gilt µ + ν + φ = 180 0 .<br />

R Q<br />

a<br />

Wegen µ + ν + ϱ = α+β+γ<br />

3<br />

= 60 0 erhält<br />

man φ = 120 0 + ϱ. Daraus ergibt sich dann<br />

v<br />

x<br />

sin φ = sin(180 0 − φ) = sin(60 0 − ϱ). Der Sinussatz<br />

angewendet auf das Dreieck △ AP B<br />

P<br />

u<br />

u<br />

liefert<br />

sin ν = c<br />

sin φ oder u = c sin ν<br />

sin(60 0 −ϱ) . Setzt<br />

man q = abc<br />

2F<br />

, dann gilt c = q sin γ nach dem<br />

A<br />

c<br />

B<br />

sin γ sin ν<br />

Sinussatz. Es folgt u = q<br />

sin(60 0 −ϱ) und sin γ = sin 3ϱ = 4 sin ϱ sin(600 + ϱ) sin(60 0 − ϱ)<br />

erhält man aus Hilfssatz E. Setzt man das ein, so hat man u = 4q sin ϱ sin(60 0 + ϱ) sin ν.<br />

Ganz analog erhält man v = 4q sin ν sin(60 0 + ν) sin ϱ.


28 Trigonometrie<br />

Der Cosinussatz angewendet auf das Dreieck △ AP R ergibt x 2 = u 2 + v 2 − 2uv cos µ, also<br />

x 2 = 16q 2 sin 2 ν sin 2 ϱ ( sin 2 (60 0 + ϱ) + sin 2 (60 0 + ν) − 2 sin(60 0 + ϱ) sin(60 0 + ν) cos µ ) . Da<br />

sich 60 0 +ϱ, 60 0 +ν und µ zu 180 0 addieren und somit die Winkel eines Dreiecks sind, folgt<br />

sin 2 (60 0 +ϱ)+sin 2 (60 0 +ν)−2 sin(60 0 +ϱ) sin(60 0 +ν) cos µ = sin 2 µ aus Hilfssatz D. Damit<br />

ist x 2 = 16q 2 sin 2 ν sin 2 ϱ sin 2 µ gezeigt, das heißt x = 2abc<br />

F<br />

sin ν sin ϱ sin µ. Die Längen der<br />

anderen Seiten des Dreiecks △ P QR ergeben sich durch Vertauschen von a, b und c und<br />

von ν, ϱ und µ. Das zeigt, dass alle drei Seiten des Dreiecks △ P QR gleich x sind. Somit<br />

ist es ein gleichseitiges Dreieck.<br />

4. Komplexe Zahlen und Polarkoordinaten<br />

Rechnet man mit reellen Zahlen, dann hat man das Problem, dass nicht jedes Polynom<br />

eine Nullstelle hat. Das Polynom x 2 + 1 hat zum Beispiel keine. Um dieses Problem zu<br />

beseitigen, führt man die komplexen Zahlen C = {a + bi : a ∈ R, b ∈ R} ein. Bezeichnet<br />

man die komplexe Zahl a + bi mit z, dann nennt man a den Realteil von z und b den<br />

Imaginärteil von z.<br />

Die Addition komplexer Zahlen ist wie für Vektoren definiert<br />

(a + bi) + (c + di) = a + c + (b + d)i<br />

Die Multiplikation wird in naheliegender Weise definiert, wobei i 2 = −1 zu setzen ist<br />

(a + bi)(c + di) = ac + adi + bci + bdi 2 = ac − bd + (ad + bc)i<br />

Zu jeder komplexen Zahl a + bi ≠ 0 existiert die inverse Zahl<br />

1<br />

a+bi =<br />

a−bi<br />

(a+bi)(a−bi) =<br />

a<br />

a 2 +b<br />

+ −b<br />

2 a 2 +b<br />

i 2<br />

die man erhält, indem man den Bruch 1<br />

a+bi<br />

mit a − bi erweitert.<br />

Bezeichnet man die komplexe Zahl a+bi mit z, dann nennt man a−bi die zu z konjugiert<br />

komplexe Zahl, die man mit z bezeichnet. Den Betrag |z| der komplexen Zahl z definiert<br />

man durch √ a 2 + b 2 . Das entspricht der Länge des Vektors ( a b ). Man prüft leicht nach,<br />

dass |z| 2 = z · z gilt.<br />

Aus jeder komplexen Zahl p + qi lässt sich die Wurzel ziehen. Ist q = 0, dann hat man<br />

eine reelle Zahl p. Ist p ≥ 0, dann sind ± √ p Wurzeln von p. Ist p < 0, dann sind ± √ −p i<br />

die Wurzeln, da (± √ −p i) 2 = −p i 2 = p gilt.<br />

Wir nehmen jetzt q ≠ 0 an und berechnen die Wurzel aus p + qi, das heißt wir lösen<br />

die Gleichung (a + bi) 2 = p + qi. Es folgt a 2 − b 2 + 2abi = p + qi, also a 2 − b 2 = p und<br />

2ab = q. Wir multiplizieren die erste Gleichung mit a 2 und erhalten a 4 − a 2 b 2 − pa 2 = 0.<br />

Aus der zweiten Gleichung folgt a 2 b 2 = q2<br />

4<br />

. Setzt man in die vorherige Gleichung ein, so<br />

erhält man a 4 − pa 2 − q2<br />

4 = 0. Als Lösungen ergeben sich a2 = p 2 ± 2√ 1 p2 + q 2 . Da a<br />

eine reelle Zahl ist, muss a 2 ≥ 0 gelten. Es kommt also nur a 2 = p 2 + 2√ 1 p2 + q 2 in Frage,<br />

da p < √ √<br />

p 2 + q 2 p<br />

gilt. Wir erhalten die beiden Lösungen a = ±<br />

2 + 2√ 1 p2 + q 2 . Die<br />

zugehörigen Werte für b ergeben sich aus b = q<br />

2a<br />

. Damit ist gezeigt, dass man aus jeder<br />

komplexen Zahl die Wurzel ziehen kann. Man erhält zwei Wurzeln, die sich nur durch das<br />

Vorzeichen unterscheiden.<br />

Beispiel: Um die Wurzel aus 3 + 4i zu ziehen, können wir die Gleichung a 2 − b 2 + 2abi =<br />

3 + 4i, das heißt a 2 − b 2 = 3 und 2ab = 4, lösen oder in die oben berechneten Formeln für<br />

a und b einsetzen. Wir erhalten a 2 = 3 2 + 1 2√ 9 + 16 = 4, also a = ±2, und b =<br />

4<br />

2a = ±1.<br />

Die Wurzeln aus 3 + 4i sind daher 2 + i und −2 − i.


Franz Hofbauer 29<br />

Um die Multiplikation komplexer Zahlen geometrisch zu interpretieren, führen wir Polarkoordinaten<br />

ein. Im R 2 legt man einen Punkt P üblicherweise durch seine kartesischen<br />

Koordinaten x und y fest. Man kann den Punkt P aber auch dadurch festlegen, dass man<br />

seinen Abstand r vom Nullpunkt angibt und den Winkel φ, den man erhält, wenn man von<br />

der positiven x-Achse im Gegenuhrzeigersinn bis zum Ortsvektor des Punktes P wandert.<br />

Die Koordinaten des Punktes sind dann r und φ. Man nennt sie Polarkoordinaten. Da die<br />

Punkte (0, 0), (x, 0) und (x, y) die Ecken eines rechtwinkeligen Dreiecks bilden, erhalten<br />

wir x = r cos φ und y = r sin φ. Diese Formeln geben den Zusammenhang zwischen kartesischen<br />

Koordinaten und Polarkoordinaten an. Eine Ausnahme bildet der Punkt (0, 0).<br />

Für diesen kann man natürlich keinen Winkel φ festlegen.<br />

Man kann komplexe Zahlen x + iy graphisch<br />

als Punkte (x, y) im R 2 darstellen. Die Addition<br />

der komplexen Zahlen entspricht dann der<br />

Addition der zugehörigen Ortsvektoren. Um<br />

auch die Multiplikation geometrisch zu deuten,<br />

r<br />

führen wir die Polarkoordinatendarstellung komplexer<br />

Zahlen ein. Dazu sei r = √ x 2 + y 2 der<br />

y<br />

Abstand des Punktes (x, y) vom Nullpunkt (der<br />

Betrag der komplexen Zahl x + iy) und φ der<br />

φ<br />

Winkel zwischen der positiven x-Achse und dem<br />

x<br />

Ortsvektor zum Punkt (x, y). Es gilt dann<br />

x + iy = r(cos φ + i sin φ). Es ist nützlich, eine Kurzschreibweise für den Ausdruck in<br />

der Klammer einzuführen.<br />

Für einen Winkel α definieren wir die komplexe Zahl e iα durch<br />

e iα = cos α + i sin α<br />

(Eulersche Formel)<br />

Dann lässt sich die Polarkoordinatendarstellung schreiben als x + iy = re iφ . Warum man<br />

die komplexe Zahl cos α + i sin α mit e iα bezeichnet, wird aus dem nächsten Satz klar. Es<br />

gelten Rechenregeln wie für die Exponentialfunktion.<br />

Satz 43: Für Winkel α und β gilt e i(α+β) = e iα e iβ .<br />

Beweis: Das folgt aus den Summensätzen für die trigonometrischen Funktionen. Es gilt<br />

e i(α+β) = cos(α+β)+i sin(α+β) = cos α cos β −sin α sin β +i sin α cos β +i cos α sin β und<br />

e iα e iβ = (cos α+i sin α)(cos β+i sin β) = cos α cos β+i sin α cos β+i cos α sin β−sin α sin β.<br />

Daraus erkennt man die gesuchte Gleichung.<br />

Nun kann man auch die Multiplikation von zwei komplexen Zahlen geometrisch deuten.<br />

Wir schreiben sie in Polarkoordinatendarstellung als r 1 e iφ 1<br />

und r 2 e iφ 2<br />

. Mit Hilfe von<br />

Satz 43 folgt r 1 e iφ1 · r 2 e iφ 2<br />

= r 1 r 2 e i(φ 1+φ 2 ) . Das Produkt zweier komplexer Zahlen erhält<br />

man also, indem man die Beträge der beiden Zahlen multipliziert und die Winkel addiert.<br />

Daraus ergibt sich auch, dass √ re iφ/2 und − √ re iφ/2 die beiden Wurzeln der komplexen<br />

Zahl re iφ sind. Die Wurzel (abgesehen vom Vorzeichen) erhält man, indem man die Wurzel<br />

aus dem Betrag zieht und den Winkel halbiert.<br />

Mit dieser Methode kann man auch dritte und ganz allgemein n-te Wurzeln ziehen. Wir<br />

ziehen zuerst die dritte Wurzel aus der Zahl 1. Man kann 1 auch schreiben als e i3600 und<br />

e i2700 . Daher sind 1, e i1200 = − 1 2 + √ 3<br />

2 i und = − 1 ei2400 2 − √ 3<br />

2<br />

i dritte Wurzeln aus 1.<br />

Setzt man w 3 = e i1200 , dann sind das w3, 0 w 3 und w3. 2 Man nennt diese Zahlen die dritten<br />

Einheitswurzeln.


30 Trigonometrie<br />

Dritte Wurzeln der Zahl re iφ sind dann 3√ re iφ/3 ,<br />

3 √ re iφ/3 w 3 und 3√ re iφ/3 w 2 3. Es gibt<br />

also drei dritte Wurzeln.<br />

Analog erhält man die n-ten Wurzeln aus 1. Setzt man w n = e i3600 /n , dann gilt w n n = 1.<br />

Die n-ten Wurzeln aus 1 sind w k n für 0 ≤ k ≤ n − 1. Es gibt also n verschiedene n-te<br />

Einheitswurzeln. Die n-ten Wurzeln der Zahl re iφ sind dann n√ re iφ/n w k n für 0 ≤ k ≤ n−1.<br />

Man kann nun umgekehrt auch die trigonometrischen Funktionen durch die komplexe<br />

Exponentialfunktion darstellen. Wegen e −iα = cos(−α) + i sin(−α) = cos α − i sin α erhalten<br />

wir e iα + e −iα = 2 cos α und daraus<br />

cos α = 1 2 (eiα + e −iα )<br />

Ebenso erhalten wir e iα − e −iα = 2i sin α und daraus<br />

sin α = 1 2i (eiα − e −iα )<br />

Diese Darstellung von sin α und cos α durch die komplexe Exponentialfunktion kann man<br />

verwenden um Potenzen und Produkte von trigonometrischen Funktionen auszurechnen.<br />

Beispiel: Es soll sin 2 α sin 2α als Summe von trigonometrischen Funktionen geschrieben<br />

werden. Durch Einsetzen obiger Formeln erhält man sin 2 α sin 2α = e2iα −2+e −2iα e 2iα −e −2iα<br />

−4<br />

2i<br />

Multiplikation dieser beiden Brüche ergibt e4iα −2e 2iα +2e −2iα −e −4iα<br />

−8i<br />

. Diesen Bruch können<br />

wir zerteilen, sodass wir wieder trigonometrische Funktionen einsetzen können. Wir erhalten<br />

e4iα −e −4iα<br />

−8i<br />

+ 2e2iα −2e −2iα<br />

8i<br />

= − 1 4 sin 4α + 1 2<br />

sin 2α. Damit ist die gewünschte Summe<br />

gefunden.<br />

Beispiel: Wir zeigen, dass sin 2α + sin 2β + sin 2γ = 4 sin α sin β sin γ für die Winkel eines<br />

Dreiecks, also unter der Bedingung α+β+γ = 180 0 gilt. Wir beginnen mit 4 sin α sin β sin γ<br />

und setzen sin φ = 1 2i (eiφ − e −iφ ) ein. Durch Ausmultiplizieren ergibt sich<br />

− 1 2i (ei(α+β+γ) − e i(α+β−γ) − e i(α−β+γ) + e i(α−β−γ)<br />

− e i(−α+β+γ) + e i(−α+β−γ) + e i(−α−β+γ) − e i(−α−β−γ) )<br />

Fasst man diese Ausdrücke entsprechend zusammen, so erhält man<br />

− sin(α + β + γ) + sin(α + β − γ) + sin(α − β + γ) + sin(−α + β + γ)<br />

Das ist das Ergebnis, wenn man die Bedingung, dass es sich um die Winkel eines Dreiecks<br />

handelt, nicht verwendet. Beachtet man, dass α + β + γ = 180 0 und sin(180 0 − φ) = sin φ<br />

gilt, dann ergibt sich sin 2α + sin 2β + sin 2γ.


III. Koordinaten und Vektoren<br />

Wir betreiben Geometrie mit Hilfe der Vektorrechnung. Wir legen in der Ebene ein<br />

Koordinatensystem fest und identifizieren sie dadurch mit dem R 2 . Die Koordinaten eines<br />

Vektors a im R 2 werden immer mit a 1 , a 2 bezeichnet. Genauso identifizieren wir den<br />

dreidimensionalen Raum mit dem R 3 und bezeichnen die Koordinaten eines Vektors a im<br />

R 3 immer mit a 1 , a 2 , a 3 . Wir schreiben d für die Dimension, das heißt d = 2 oder d = 3.<br />

1. Inneres Produkt und Vektorprodukt<br />

Das innere Produkt zweier Vektoren a und b wird definiert durch ⟨a, b⟩ = ∑ d<br />

j=1 a jb j .<br />

Aus dem Satz von Pythagoras folgt, dass durch ∥a∥ := √ ⟨a, a⟩ die Länge des Vektors a<br />

gegeben ist. Das innere Produkt hat folgende Eigenschaften:<br />

Satz 44: Für a, b, c in R d und λ ∈ R gilt ⟨a, b⟩ = ⟨b, a⟩, ⟨a + b, c⟩ = ⟨a, c⟩ + ⟨b, c⟩ und<br />

⟨λa, b⟩ = λ⟨a, b⟩.<br />

Beweis: Diese drei Gleichungen folgen direkt aus der Definition des inneren Produkts.<br />

Satz 45: Seien a und b zwei Vektoren in R d \ {0} und γ der von ihnen eingeschlossene<br />

Winkel. Dann gilt ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ.<br />

Beweis: Bilden die beiden Vektoren a und b zwei Seiten eines Dreiecks, dann bildet<br />

a − b die dritte Seite des Dreiecks. Daher sind ∥a − b∥, ∥a∥ und ∥b∥ die Längen der<br />

Dreiecksseiten und γ ist der von a und b eingeschlossene Winkel. Aus dem Cosinussatz<br />

folgt ∥a − b∥ 2 = ∥a∥ 2 + ∥b∥ 2 − 2∥a∥ · ∥b∥ cos γ. Wegen ∥a − b∥ 2 = ⟨a − b, a − b⟩ =<br />

⟨a, a⟩ − 2⟨a, b⟩ + ⟨b, b⟩ = ∥a∥ 2 + ∥b∥ 2 − 2⟨a, b⟩ folgt daraus ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ.<br />

Bemerkung: Aus Satz 45 folgt, dass ⟨a, b⟩ = 0 genau dann gilt, wenn cos γ = 0 ist, das<br />

heißt wenn die Vektoren a und b senkrecht aufeinander stehen.<br />

Aus diesem Satz folgen zwei Ungleichungen, die in der Analysis mehrer Variabler eine<br />

wichtige Rolle spielen.<br />

Satz 46 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und Dreiecksungleichung) Für a und b in R d<br />

gilt ⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ und ∥a + b∥ ≤ ∥a∥ + ∥b∥. Gleichheit gilt nur dann, wenn ein Vektor<br />

der Nullvektor ist oder der von den Vektoren eingeschlossene Winkel null ist.<br />

Beweis: Ist einer der Vektoren der Nullvektor, dann haben wir ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ und<br />

∥a + b∥ = ∥a∥ + ∥b∥. Sei also keiner der beiden Vektoren der Nullvektor.<br />

Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Wegen cos γ ≤ 1 folgt<br />

⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ aus Satz 45. Um die andere Ungleichung zu beweisen, berechnen wir<br />

∥a + b∥ 2 = ⟨a + b, a + b⟩ = ⟨a, a⟩ + 2⟨a, b⟩ + ⟨b, b⟩ = ∥a∥ 2 + ∥b∥ 2 + 2⟨a, b⟩. Wegen<br />

⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ ergibt sich daraus ∥a + b∥ 2 ≤ ∥a∥ 2 + ∥b∥ 2 + 2∥a∥∥b∥ = (∥a∥ + ∥b∥) 2 .<br />

Damit ist ∥a + b∥ ≤ ∥a∥ + ∥b∥ gezeigt. In beiden Ungleichungen gilt Gleichheit nur dann,<br />

wenn cos γ = 1 ist. Das ist genau dann der Fall, wenn γ = 0 0 gilt.<br />

Das ist die Dreiecksungleichung im R d . Seien A, B und C die Ecken eines Dreiecks. Ist<br />

a = −→ AB und b = −→ BC, dann folgt a + b = −→ AC. Die Dreiecksungleichung besagt dann, dass<br />

|AC| ≤ |AB| + |BC| gilt. Die Länge einer Dreieckseite ist kleiner oder gleich der Summe<br />

der Längen der beiden anderen Seiten.


32 Koordinaten und Vektoren<br />

Satz 47: Seien a und b zwei Vektoren im R d . Sei F die Fläche des von a und b aufgespannten<br />

Parallelogramms. Dann gilt F 2 = ∥a∥ 2 ∥b∥ 2 − ⟨a, b⟩ 2 . Im R 2 gilt F = |a 1 b 2 − a 2 b 1 |.<br />

Beweis: Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Da ∥b∥ sin γ<br />

die Höhe des Parallelogramms auf die Seite ∥a∥ ist, erhalten wir F = ∥a∥∥b∥ sin γ. Aus<br />

Satz 45 folgt sin 2 γ = 1 − cos 2 γ = 1 −<br />

⟨a,b⟩2<br />

∥a∥ 2 ∥b∥<br />

. 2<br />

Setzt man das ein, so erhält man<br />

F 2 = ∥a∥ 2 ∥b∥ 2 − ⟨a, b⟩ 2 .<br />

Im R 2 gilt ∥a∥ 2 = a 2 1 + a 2 2, ∥b∥ 2 = b 2 1 + b 2 2 und ⟨a, b⟩ = a 1 b 1 + a 2 b 2 . Damit ergibt sich<br />

F 2 = a 2 1b 2 2 + a 2 2b 2 1 − 2a 1 b 1 a 2 b 2 = (a 1 b 2 − a 2 b 1 ) 2 , das heißt F = |a 1 b 2 − a 2 b 1 |.<br />

Seien a und b Vektoren im R 3 . Das Vektorprodukt wird durch<br />

(<br />

a2<br />

)<br />

b 3 −a 3 b 2<br />

a × b = a 3 b 1 −a 1 b 3<br />

a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

definiert. Daraus ergibt sich sofort<br />

Satz 48: Für drei Vektoren a, b und c im R 3 gilt<br />

⟨a × b, c⟩ = a 2 b 3 c 1 − a 3 b 2 c 1 + a 3 b 1 c 2 − a 1 b 3 c 2 + a 1 b 2 c 3 − a 2 b 1 c 3 .<br />

Satz 49: Seien a, b und c Vektoren in R 3 \ {0}. Der Vektor a × b steht orthogonal auf<br />

die beiden Vektoren a und b. Die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten<br />

Parallelogramms ist ∥a×b∥. Das Volumen des von den Vektoren a, b und c aufgespannten<br />

Parallelepipeds ist |⟨a × b, c⟩|.<br />

Beweis: Aus Satz 48 folgt ⟨a × b, a⟩ = 0 und ⟨a × b, b⟩ = 0. Somit steht der Vektor a × b<br />

orthogonal auf die beiden Vektoren a und b.<br />

Sei F die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms. Nach<br />

Satz 47 gilt F 2 = ∥a∥ 2 ∥b∥ 2 − ⟨a, b⟩ 2 = (a 2 1 + a 2 2 + a 2 3)(b 2 1 + b 2 2 + b 2 3) − (a 1 b 1 + a 2 b 2 + a 3 b 3 ) 2 .<br />

Das ist gleich (a 2 b 3 − a 3 b 2 ) 2 + (a 3 b 1 − a 1 b 3 ) 2 + (a 1 b 2 − a 2 b 1 ) 2 = ∥a × b∥ 2 . Damit ist<br />

F = ∥a × b∥ gezeigt.<br />

Sei h die Höhe des Parallelepipeds auf die von den Vektoren a und b aufgespannte Grundfläche.<br />

Das Volumen V des Parallelepipeds ist dann F · h. Sei γ der Winkel zwischen dem<br />

Vektor c und dem Normalvektor a × b auf die Grundfläche. Dann gilt h = ∥c∥ · | cos γ|.<br />

Aus Satz 45 folgt cos γ =<br />

⟨a×b,c⟩<br />

∥a×b∥·∥c∥<br />

. Das ergibt h =<br />

|⟨a×b,c⟩|<br />

∥a×b∥<br />

und V = |⟨a × b, c⟩|.<br />

2. Determinante und Geraden<br />

Seien a = ( a 1<br />

a 2<br />

) und b = ( b 1<br />

b 2<br />

) zwei Vektoren im R 2 . Wir definieren det(a, b) = a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

als die Determinante dieser beiden Vektoren. Man bezeichnet sie auch mit | a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

|.<br />

Bemerkung: Nach Satz 47 ist | det(a, b)| die Fläche des von den Vektoren a und b<br />

aufgespannten Parallelogramms. Das gilt auch, wenn ein Vektor (oder beide) gleich 0 ist.<br />

Man kann die Determinante daher als orientierte Parallelogrammfläche interpretieren.<br />

Satz 50: Für a, b und c in R 2 und λ in R gilt<br />

(a) det(a + c, b) = det(a, b) + det(c, b) und det(a, b + c) = det(a, b) + det(a, c)<br />

(b) det(λa, b) = λ det(a, b) und det(a, λb) = λ det(a, b)<br />

(c) det(b, a) = − det(a, b)<br />

Beweis: Diese Rechenregeln folgen unmittelbar aus der Definition.


Franz Hofbauer 33<br />

Zwei Vektoren sind parallel, wenn sie gleiche Richtung haben. Der Nullvektor, der keine<br />

Richtung hat, ist zu allen Vektoren parallel.<br />

Satz 51: Seien a = ( a 1<br />

a 2<br />

) und b = ( b 1<br />

b 2<br />

) zwei Vektoren im R 2 . Dann sind äquivalent<br />

(a) det(a, b) = 0<br />

(b) Die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms ist null.<br />

(c) Die Vektoren a und b sind parallel.<br />

Beweis: Die Äquivalenz der ersten beiden Aussagen folgt aus obiger Bemerkung. Die<br />

zweite und dritte Aussage sind äquivalent, da die Fläche des von a und b aufgespannten<br />

Parallelogramms ja genau dann null ist, wenn die Vektoren a und b parallel sind.<br />

Jetzt kommen wir zu Geradengleichungen und zwar zur sogenannten Normalvektorform.<br />

Satz 52: Sei (p, q) ein Punkt auf einer Geraden und ( a b ) ein Normalvektor. Dann ist<br />

die Gleichung dieser Geraden.<br />

ax + by = c mit c = ap + bq<br />

Beweis: Ein Punkt (x, y) liegt genau dann auf der Gerade, wenn ( x y ) − ( p q ) senkrecht<br />

auf ( a b ) steht, das heißt genau dann, wenn ⟨( x y ) − ( p q ), ( a b )⟩ = 0 gilt. Das aber ergibt<br />

ax + by = ap + bq, womit die Gleichung der Gerade gefunden ist.<br />

Wir werden diese Gleichung oft in der Form (x − p)a + (y − q)b = 0 schreiben.<br />

Beispiel: Seien (3, 1) und (5, −2) zwei Punkte in der Ebene. Die Gerade g durch diese<br />

beiden Punkte hat Richtungsvektor ( −3 2 ) und Parameterdarstellung ( 3 1 ) + t( −3 2 ). Ein<br />

Normalvektor ist ( 3 2 ). Die Gleichung der Gerade g ist daher 3(x − 3) + 2(y − 1) = 0, oder<br />

3x + 2y = 11.<br />

Satz 53: Für zwei Gerade g : a 1 x + b 1 y = c 1 und h : a 2 x + b 2 y = c 2 sind äquivalent<br />

(a) Die Geraden g und h haben genau einen Schnittpunkt.<br />

(b) Ihre Normalvektoren ( a 1<br />

b 1<br />

) und ( a 2<br />

b 2<br />

) sind nicht parallel.<br />

(c) | a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

| ̸= 0.<br />

Der eindeutige Schnittpunkt der Geraden g und h ist dann gegeben durch<br />

x = | c 1<br />

c 2<br />

b 1<br />

b 2<br />

|/| a 1<br />

a 2<br />

b 1<br />

b 2<br />

| = c 1b 2 −c 2 b 1<br />

a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

y = | a 1<br />

a 2<br />

c 1<br />

c 2<br />

|/| a 1<br />

a 2<br />

b 1<br />

b 2<br />

| = a 1c 2 −a 2 c 1<br />

a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

Beweis: (a)⇒(b): Wenn die Geraden g und h genau einen Schnittpunkt haben, dann<br />

sind sie nicht parallel (da parallele Geraden entweder keinen Schnittpunkt haben oder<br />

zusammenfallen). Daher sind auch ihre Normalvektoren nicht parallel.<br />

(b)⇒(c): Da die Vektoren ( a 1<br />

b 1<br />

) und ( a 2<br />

b 2<br />

) nicht parallel sind, ist det(( a 1<br />

b 1<br />

), ( a 2<br />

b 2<br />

)) = | a 1 a 2<br />

b 1 b 2<br />

|<br />

ungleich null nach Satz 51. Wegen | a 1 a 2<br />

b 1 b 2<br />

| = a 1 b 2 − a 2 b 1 = | a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

| ist | a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

| ̸= 0 gezeigt.<br />

(c)⇒(a): Wir multiplizieren die Gleichung von g mit b 2 und die von h mit b 1 . Subtraktion<br />

der Gleichungen ergibt dann (a 1 b 2 − a 2 b 1 )x = c 1 b 2 − c 2 b 1 . Daraus folgt x = c 1b 2 −c 2 b 1<br />

a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

.<br />

Jetzt multiplizieren wir die Gleichung von h mit a 1 und die von g mit a 2 . Subtraktion<br />

der Gleichungen ergibt dann (a 1 b 2 − a 2 b 1 )y = a 1 c 2 − a 2 c 1 . Daraus folgt y = a 1c 2 −a 2 c 1<br />

a 1 b 2 −a 2 b 1<br />

.<br />

Man kann auch leicht nachprüfen, dass diese Zahlen beide Gleichungen erfüllen. Damit<br />

ist gezeigt, dass es genau eine Lösung gibt. Also haben die beiden Geraden genau einen<br />

Schnittpunkt. Wir haben auch bereits die Formeln für den Schnittpunkt gefunden.


34 Koordinaten und Vektoren<br />

Oft fasst man die beiden Gleichungen zu einem Gleichungssystem zusammen:<br />

a 1 x + b 1 y = c 1<br />

a 2 x + b 2 y = c 2<br />

Wenn | a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

| ̸= 0 ist, dann hat das Gleichungssystem genau eine Lösung, nämlich die in<br />

Satz 53 angegebene.<br />

Wir gehen noch kurz auf den R 3 ein. Seien a =<br />

( a1<br />

)<br />

a 2<br />

a 3<br />

, b =<br />

(<br />

b1<br />

)<br />

b 2<br />

b 3<br />

Vektoren im R 3 . Als Determinante dieser drei Vektoren definiert man<br />

und c =<br />

det(a, b, c) = a 1 b 2 c 3 + a 2 b 3 c 1 + a 3 b 1 c 2 − a 3 b 2 c 1 − a 1 b 3 c 2 − a 2 b 1 c 3<br />

∣ Man bezeichnet diese Determinante auch mit ∣ a 1 b 1 c 1<br />

a 2 b 2 c ∣∣.<br />

2<br />

a 3 b 3 c 3<br />

( c1<br />

)<br />

c 2<br />

c 3<br />

Bemerkung: Nach Satz 48 und 49 ist | det(a, b, c)| das Volumen des von den Vektoren<br />

a, b und c aufgespannten Parallelepipeds.<br />

Jetzt kommen wir zu Ebenengleichungen und zwar zur sogenannten Normalvektorform.<br />

( abc<br />

)<br />

Satz 54: Sei (p, q, r) ein Punkt in einer Ebene und ein Normalvektor. Dann ist<br />

ax + by + cz = d mit d = ap + bq + cr<br />

die Gleichung dieser Ebene.<br />

( xyz<br />

) ( pqr<br />

)<br />

Beweis: Ein Punkt (x, y, z) liegt genau dann in der Ebene, wenn − senkrecht<br />

( abc<br />

)<br />

auf steht, das heißt genau dann, wenn ⟨( ) (<br />

x pqr<br />

) ( abc<br />

) ⟩<br />

yz − , = 0 gilt. Das aber ergibt<br />

ax + by + cz = ap + bq + cr, womit die Gleichung der Ebene gefunden ist.<br />

Beispiel: Seien (−3, 1, 0), (1, 4, 2) und (−1,<br />

(<br />

2, 2) drei Punkte im Raum. Die Ebene durch<br />

142<br />

) ( −3<br />

) ( 432<br />

) ( −1<br />

) ( −3<br />

) ( 212<br />

)<br />

diese drei Punkte hat Richtungsvektoren − 1 = und 2 − 1 = .<br />

( 0<br />

2 0<br />

142<br />

) ( 432<br />

) ( 212<br />

) ( 432<br />

) ( 212<br />

) ( 4−4<br />

)<br />

Sie hat Parameterdarstellung + t + s und × = ist ein<br />

Normalvektor. Die Gleichung der Ebene ist daher 4(x + 1) − 4(y − 2) − 2(z − 2) = 0, oder<br />

4x − 4y − 2z = −16.<br />

Sucht man einen Schnittpunkt dreier Ebenen, so führt das zum Gleichungssystem<br />

a 1 x + b 1 y + c 1 z = d 1<br />

a 2 x + b 2 y + c 2 z = d 2<br />

a 3 x + b 3 y + c 3 z = d 3<br />

Es können folgende Fälle eintreten. Die drei Ebenen sind parallel. Dann haben sie keinen<br />

Schnittpunkt, ausser die drei Ebenen sind identisch, dann ist die ganze Ebene Schnittmenge<br />

und somit Lösungsmenge des Gleichungssystems.<br />

Zwei der drei Ebenen sind nicht parallel. Sie haben eine Gerade g als Schnittmenge. Ist<br />

die dritte Ebene parallel zu g, dann haben die drei Ebenen keinen gemeinsamen Schnittpunkt,<br />

ausser die Gerade g liegt auch in der dritten Ebene, dann ist die Gerade g die<br />

Schnittmenge und somit Lösungsmenge des Gleichungssystems. Ist die dritte Ebene nicht<br />

parallel zu g, dann hat sie genau einen Schnittpunkt mit g. Das ist dann auch der eindeutig<br />

bestimmte Schnittpunkt der drei Ebenen und die einzige Lösung des Gleichungssystems.<br />

−2<br />

drei


Franz Hofbauer 35<br />

Daraus erkennt man auch, dass das Gleichungssystem genau dann eindeutig lösbar ist,<br />

wenn die Normalvektoren der drei Ebenen nicht in einer Ebene liegen, das heißt, wenn<br />

das Volumen ∣ des von den∣ Normalvektoren ∣ ∣ aufgespannten ∣ Parellelepipeds ∣ ≠ ∣0 ist, also<br />

∣ a 1 a 2 a 3<br />

b 1 b 2 b ∣∣ ∣∣ a 1 b 1 c 1<br />

3 ≠ 0 gilt. Wegen a 2 b 2 c ∣∣ ∣∣ a 1 a 2 a 3<br />

2 = b 1 b 2 b ∣∣ ∣∣ a 1 b 1 c 1<br />

3 ist das äquivalent zu a 2 b 2 c ∣∣<br />

2 ≠ 0.<br />

c 1 c 2 c 3 a 3 b 3 c 3 c 1 c 2 c 3 a 3 b 3 c 3<br />

3. Die besonderen Punkte des Dreiecks<br />

Der besseren Übersicht halber verwenden wir auch die Schreibweise ( | ) anstelle von<br />

( , ) für Punkte im R 2 . Ein beliebiges Dreieck können wir so in ein Koordinatensystem<br />

legen, dass der Eckpunkt A die Koordinaten (u|0), der Eckpunkt B die Koordinaten (v|0)<br />

und der Eckpunkt C die Koordinaten (0|w) hat. Die Eckpunkte A und B liegen auf der<br />

x-Achse und der Eckpunkt C liegt auf der y-Achse. Damit A links von B liegt, nehmen<br />

wir immer u < v an. Außerdem können wir w > 0 (sogar w = 1) annehmen. Wir setzen<br />

a = √ v 2 + w 2 , b = √ u 2 + w 2 und c = v − u, das sind die Längen der drei Seiten des<br />

Dreiecks. Ausserdem sei t = a + b + c der Umfang des Dreiecks.<br />

Liegt ein Dreieck so wie oben beschrieben im Koordinatensystem, dann sagen wir, dass<br />

es Standardlage hat. Alles, was wir für ein Dreieck in Standardlage beweisen, gilt für jedes<br />

Dreieck, da wir ja jedes Dreieck in Standardlage bringen können.<br />

Satz 55: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Höhen einander im Punkt (0|− uv<br />

w ),<br />

dem Höhenschnittpunkt H.<br />

Beweis: Die Gleichung der Höhe durch den Eckpunkt A ist (x − u)v − yw = 0, da sie<br />

durch den Punkt (u|0) verläuft und senkrecht zu ( −w v ), dem Vektor entlang der Seite BC.<br />

Die Höhe durch den Eckpunkt C liegt auf der y-Achse und hat daher die Gleichung x = 0.<br />

Der Schnittpunkt ist (0| − uv<br />

w<br />

). Den Schnittpunkt der Höhen durch B und C erhält man<br />

dadurch, dass man in dieser Rechnung u und v vertauscht, also (0| − vu w<br />

). Es ist derselbe<br />

Punkt. Die drei Höhen schneiden einander in diesem Punkt, dem Höhenschnittpunkt H.<br />

Satz 56: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Seitensymmetralen einander im<br />

Punkt ( u+v<br />

2 | w 2 + uv<br />

ab<br />

2w<br />

), dem Umkreismittelpunkt U. Der Umkreisradius r ist<br />

2w .<br />

Beweis: Die Symmetrale der Seite AC hat die Gleichung (x − u 2 )u − (y − w 2<br />

)w = 0,<br />

da sie durch den Mittelpunkt ( u 2 | w u<br />

2<br />

) der Seite AC verläuft und sekrecht zu ( −w ), dem<br />

Vektor entlang der Seite AC. Die Symmetrale der Seite AB hat die Gleichung x = u+v<br />

2 ,<br />

da sie senkrecht zur x-Achse durch den Mittelpunkt ( u+v<br />

2<br />

|0) der Seite AB verläuft. Der<br />

Schnittpunkt ist ( u+v<br />

2 | w 2 + uv<br />

2w<br />

). Den Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC<br />

erhält man dadurch, dass man in dieser Rechnung u und v vertauscht, also ( v+u<br />

2 | w 2 + vu<br />

2w ).<br />

Es ist derselbe Punkt. Alle drei Seitensymmetralen schneiden einander in diesem Punkt,<br />

dem Umkreismittelpunkt U.<br />

Der quadrierte Abstand von U nach C ist ( u+v<br />

2 )2 +( w 2 − uv<br />

Die Wurzel daraus ist der Umkreisradius r.<br />

2w )2 = u2 w 2 +v 2 w 2 +w 4 +u 2 v 2<br />

4w<br />

= a2 b 2<br />

2 4w<br />

. 2<br />

Satz 57: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Schwerlinien einander im Punkt<br />

( u+v<br />

3 | w 3<br />

), dem Schwerpunkt S.<br />

Beweis: Die Gleichung der Schwerlinie durch den Eckpunkt A ist (x−u)w−y(v−2u) = 0,<br />

da sie durch die Punkte (u|0) und ( v 2 | w 2 ) verläuft und somit Richtungsvektor 1 2 ( v−2u<br />

w ) hat.<br />

Die Gleichung der Schwerlinie durch den Eckpunkt C ist 2xw + (y − w)(u + v) = 0, da sie


36 Koordinaten und Vektoren<br />

durch die Punkte (0|w) und ( u+v<br />

2 |0) verläuft und somit Richtungsvektor 1 2 ( u+v<br />

2ȷw ) hat. Der<br />

Schnittpunkt ist ( u+v<br />

3 | w 3<br />

). Den Schnittpunkt der Schwerlinien durch B und C erhält man<br />

durch Vertauschen von u und v in dieser Rechnung, also ( v+u<br />

3 | w 3<br />

). Es ist derselbe Punkt.<br />

Die drei Schwerlinien schneiden einander in diesem Punkt, dem Schwerpunkt S.<br />

Satz 58: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Winkelsymmetralen einander im<br />

Punkt ( ua+vb<br />

t<br />

| wc<br />

wc<br />

t<br />

), dem Inkreismittelpunkt I. Der Inkreisradius ϱ ist<br />

t .<br />

Beweis: Die Einheitsvektoren in Richtung der Seiten BA und BC sind ( ) (<br />

−1<br />

0 und<br />

1 −v<br />

)<br />

a w .<br />

Ihre Summe ( ) (<br />

−1<br />

0 +<br />

1 −v<br />

)<br />

a w ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch B. Daher<br />

ist (x − v) w a + y(1 + v a<br />

) = 0 die Gleichung dieser Winkelsymmetrale. Ganz analog erhält<br />

man die Gleichung (x − u) w b − y(1 − u b<br />

) = 0 der Winkelsymmetrale durch B.<br />

Wir multiplizieren die erste Gleichung mit a, die zweite mit b, bilden die Differenz und<br />

erhalten y(v − u + a + b) = (v − u)w. Wegen v − u = c und c + a + b = t folgt y = wc<br />

t .<br />

Aus einer der obigen Gleichungen ergibt sich dann x = ua+vb<br />

t<br />

. Der Schnittpunkt der<br />

Winkelsymmetralen durch A und durch B ist daher ( ua+vb<br />

t<br />

| wc<br />

t<br />

( ).<br />

Die Einheitsvektoren in Richtung der Seiten CA und CB sind 1 u<br />

) (<br />

b −w und<br />

1 v<br />

a −w)<br />

. Ihre Summe<br />

1 u<br />

( ) (<br />

b −w +<br />

1 v<br />

a −w)<br />

ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C.<br />

Daher ist x( w a + w b )+(y −w)( u b + v a<br />

) = 0 die Gleichung dieser Winkelsymmetrale. Da diese<br />

Gleichung die Summe der beiden obigen Gleichungen ist, liegt der Punkt ( ua+vb<br />

t<br />

| wc<br />

t ) auch<br />

auf der Winkelsymmetrale durch C. Alle drei Winkelsymmetralen schneiden einander in<br />

diesem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I.<br />

Der Inkreisradius ϱ ist der Abstand des Punktes I zur Seite AB, also zur x-Achse. Dieser<br />

ist gleich der y-Koordinate wc<br />

t<br />

von I.<br />

Satz 59: In einem Dreieck liegen der Höhenschnittpunkt H, der Schwerpunkt S und der<br />

Umkreismittelpunkt U auf einer Geraden und S teilt die Strecke UH im Verhältnis 1 : 2.<br />

Die Gerade durch diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade.<br />

Beweis: Wir können annehmen, dass das Dreieck Standardlage hat. Wir berechnen<br />

−→ (<br />

SH = − 1 uw+vw<br />

) −→ (<br />

3w 3uv+w und SU =<br />

1 uw+vw<br />

) −→ −→<br />

2 6w 3uv+w . Daraus erkennt man, dass 2SU = −SH<br />

2<br />

gilt. Die drei Punkte U, S und H liegen auf einer Gerade und S teilt die Strecke UH im<br />

Verhältnis 1 : 2.<br />

Satz 60: Der Umkreis des Seitenmittendreiecks eines Dreiecks in Standardlage hat Mittelpunkt<br />

N( u+v<br />

4 | w 4 − uv<br />

ab<br />

4w<br />

) und Radius<br />

4w<br />

. Man nennt ihn den Feuerbachkreis.<br />

Beweis: Die Eckpunkte des Seitenmittendreiecks sind W ( u+v<br />

2 |0), U( v 2 | w 2 ) und V ( u 2 | w 2 ).<br />

Die Symmetrale der Seite UV hat die Gleichung x = u+v<br />

4<br />

, da sie durch den Mittelpunkt<br />

( u+v<br />

4 | w 2<br />

) der Seite UV verläuft und senkrecht zu dieser, also auch senkrecht zur x-Achse.<br />

Die Symmetrale der Seite W U hat die Gleichung (x− u 4 − v 2 )u−(y − w 4<br />

)w = 0, da sie durch<br />

den Mittelpunkt ( u 4 + v 2 | w 4 ) der Seite W U verläuft und senkrecht zu 1 2 ( u<br />

−w ), dem Vektor<br />

entlang der Seite W U. Der Schnittpunkt ist ( u+v<br />

4 | w 4 − uv<br />

4w<br />

). Das ist der Mittelpunkt N<br />

des Feuerbachkreises.<br />

Der quadrierte Abstand von N nach W ist ( u+v<br />

4 )2 + ( w 4 − uv<br />

4w )2 = u2 w 2 +v 2 w 2 +w 4 +u 2 v 2<br />

16w<br />

=<br />

2<br />

a 2 b 2<br />

16w<br />

. Die Wurzel daraus ist der Radius des Feuerbachkreises.<br />

2<br />

Satz 61: Der Feuerbachkreis verläuft durch die drei Höhenfußpunkte und die Mitten der<br />

Höhenabschnitte HA, HB und HC.


Franz Hofbauer 37<br />

Beweis: Es genügt, diesen Satz für ein Dreieck in Standardlage und für die Höhe durch C,<br />

die auf der y-Achse liegt, zu beweisen. Wir können ja in einem beliebigen Dreieck jede der<br />

drei Höhen auswählen und das Dreieck so in Standardlage ins Koordinatensystem legen,<br />

dass die ausgewählte Höhe auf der y-Achse liegt.<br />

Der Höhenfußpunkt der Höhe durch C ist (0|0). Sein quadrierter Abstand vom Mittelpunkt<br />

N des Feuerbachkreises ist ( u+v<br />

4 )2 + ( w 4 − uv<br />

4w )2 . Das ist der quadrierte Radius des Feuerbachkreises,<br />

wie im letzten Beweis gezeigt wurde. Also liegt (0|0) auf dem Feuerbachkreis.<br />

Der Höhenschnittpunkt H ist (0| − uv<br />

w<br />

). Der Mittelpunkt des Höhenabschnitts HC ist<br />

(0| w 2 − uv<br />

2w<br />

). Sein quadrierter Abstand vom Mittelpunkt N des Feuerbachkreises ist ebenfalls<br />

( u+v<br />

4 )2 + ( w 4 − uv<br />

4w )2 . Also liegt auch (0| w 2 − uv<br />

2w<br />

) auf dem Feuerbachkreis.<br />

4. Der Umkreis<br />

Satz 62: Spiegelt man den Höhenschnittpunkt an den Seiten des Dreiecks, dann liegen<br />

die gespiegelten Punkte auf dem Umkreis.<br />

Beweis: Es genügt, diesen Satz für ein Dreieck in Standardlage zu beweisen und nur für<br />

die Seite AB dieses Dreiecks, die auf der x-Achse liegt.<br />

Der Höhenschnittpunkt H ist (0| − uv<br />

w<br />

). Spiegelt man ihn um die Seite AB, das ist die,<br />

die auf der x-Achse liegt, dann erhält man (0| uv<br />

w<br />

). Der quadrierte Abstand dieses Punktes<br />

zum Umkreismittelpunkt U ist ( u+v<br />

2 )2 + ( w 2 − uv<br />

2w )2 . Die Wurzel daraus ist der Umkreisradius<br />

r, wie bereits im Beweis von Satz 56 gezeigt wurde. Somit liegt der gespiegelte<br />

Höhenschnittpunkt (0| uv<br />

w<br />

) auf dem Umkreis.<br />

Satz 63 (Südpolsatz) Sei P der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch einen Eckpunkt<br />

eines Dreiecks mit der Streckensymmetrale der diesem Eckpunkt gegenüberliegenden Seite.<br />

Dann liegt P auf dem Umkreis.<br />

Beweis: Wir können das Dreieck so in Standardlage ins Koordinatensystem legen, dass<br />

der Eckpunkt, durch den die Winkelsymmetrale verläuft, der Eckpunkt C ist. Die gegenüberliegende<br />

Seite ist dann die auf der x-Achse liegende Seite AB.<br />

Wie in Satz 58 gezeigt wurde, ist x( w b<br />

+ w a ) + (y − w)( u b + v a<br />

) = 0 die Gleichung der<br />

Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C. Die Streckensymmetrale der Seite AB hat die<br />

Gleichung x = u+v<br />

u+v u+v wa+wb<br />

2<br />

. Der Schnittpunkt P dieser beiden Geraden ist (<br />

2<br />

|w −<br />

2 ua+vb ).<br />

Der Umkreismittelpunkt U ist ( u+v<br />

2 | w 2 + uv<br />

2w<br />

), wie in Satz 56 gezeigt wurde. Da P und U<br />

dieselbe x-Koordinate haben, ist w 2 + uv<br />

2w − w + u+v wa+wb<br />

2 ua+vb<br />

der Abstand von P zu U. Um<br />

zu zeigen, dass er gleich dem Umkreisradius r ist, müssen wir ein wenig rechnen. Es gilt<br />

uv<br />

2w + u+v wa+wb<br />

2 ua+vb<br />

= u2 va+uv 2 b+uw 2 a+uw 2 b+vw 2 a+vw 2 b<br />

2w(ua+vb)<br />

= vab2 +ua 2 b+uw 2 a+vw 2 b<br />

2w(ua+vb)<br />

= ab+w2<br />

2w<br />

wobei bei der zweiten Gleichung b 2 = u 2 + w 2 uns a 2 = v 2 + w 2 verwendet wurde. Der<br />

Abstand von P zu U ist somit gleich − w 2 + ab+w2<br />

2w<br />

= ab<br />

2w<br />

, also gleich dem Umkreisradius r.<br />

Damit ist gezeigt, dass P auf dem Umkreis liegt.<br />

5. Die Steinerschen Geraden<br />

Wir beginnen mit einer Projektionsformel.<br />

Satz 64: Projiziert man den Punkt (p|q) auf die Gerade g mit der Gleichung mx+ny = h,<br />

dann erhält man ( n2 p−mnq+mh<br />

m 2 +n<br />

| m2 q−mnp+nh<br />

2 m 2 +n<br />

). Spiegelt man den Punkt (p|q) um diese<br />

2<br />

Gerade g, dann erhält man ( −2mnq+n2 p+2mh−m 2 p<br />

m 2 +n<br />

| m2 q−2mnp+2nh−n 2 q<br />

2<br />

m 2 +n<br />

).<br />

2


38 Koordinaten und Vektoren<br />

Beweis: Die Gerade durch (p|q) senkrecht auf g ist n(x − p) − m(y − q) = 0. Ihr Schnittpunkt<br />

mit g ist ( n2 p−mnq+mh<br />

m 2 +n<br />

| m2 q−mnp+nh<br />

2 m 2 +n<br />

), die Projektion von (p|q) auf g. Der Ortsvektor<br />

( 2<br />

2<br />

zum gespiegelten Punkt ist n<br />

( 2 p−mnq+mh<br />

m 2 +n 2 m q−mnp+nh)<br />

−<br />

p<br />

) ( 2 q =<br />

1 n<br />

) 2 p−2mnq+2mh−m 2 p<br />

m 2 +n 2 m 2 q−2mnp+2nh−n 2 q .<br />

Satz 65: Sei △ ABC ein Dreieck und H sein Höhenschnittpunkt. Sei P ein Punkt und<br />

P a , P b , P c die Punkte, die man erhält, wenn man P an den (Verlängerungen der) drei<br />

Seiten des Dreiecks spiegelt. Dann sind äquivalent<br />

(a) P liegt auf dem Umkreis eines Dreiecks<br />

(b) drei der vier Punkte P a , P b , P c und H liegen auf einer Gerade<br />

(c) alle vier Punkte P a , P b , P c und H liegen auf einer Gerade<br />

Diese Gerade heißt zweite Steinersche Gerade.<br />

Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Seien (x|y) die Koordinaten des Punktes P .<br />

Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, sind (x| − y) die Koordinaten des Punktes P c .<br />

Die Trägergerade der Seite BC hat Normalvektor ( (<br />

m<br />

n)<br />

=<br />

w<br />

v)<br />

und in ihrer Gleichung<br />

auf der rechten Seite die Konstante h = ⟨ ( (<br />

m<br />

n)<br />

,<br />

v<br />

0)<br />

⟩ = vw. Setzt man in die Formel aus<br />

Satz 64 ein, so ergibt sich ( v2 x−2vwy+2vw 2 −w 2 x<br />

v 2 +w<br />

| w2 y−2vwx+2v 2 w−v 2 y<br />

2<br />

v 2 +w<br />

) für den Punkt P 2<br />

a . Der<br />

Höhenschnittpunkt H ist (0| − uv<br />

w<br />

) nach Satz 55.<br />

Es folgt −−→ (<br />

HP c = 1 wx<br />

) −−→ (<br />

w uv−wy und P a P c =<br />

2w vy−vw+wx<br />

)<br />

v 2 +w 2 vx−wy−v . Die drei Punkte 2 Pc , P a und H<br />

liegen genau dann auf einer Gerade, wenn die Determinante mit den Vektoren −−→ HP c und<br />

−−→<br />

P a P c als Spalten gleich null ist, das heißt wenn<br />

∣ wx vy − vw + wx ∣∣∣<br />

∣ uv − wy vx − wy − v 2 = 0<br />

gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kürzt und dividiert durch v, so erhält man<br />

wx 2 − vwx − uvy + uvw − uwx + wy 2 − w 2 y = 0<br />

Dividiert man noch durch w und ergänzt zu vollständigen Quadraten, so ergibt sich<br />

x 2 − (u + v)x + (u+v)2<br />

4<br />

+ y 2 − ( uv<br />

uv<br />

w<br />

+ w)y + (<br />

2w + w 2 )2 = u2<br />

4 + uv<br />

2 + v2<br />

4 + u2 v 2<br />

4w<br />

+ uv<br />

2 2 + w2<br />

4 − uv<br />

Fasst man zusammen, dann hat man schließlich<br />

(x − u+v<br />

2 )2 + (y 2 − ( uv<br />

2w + w 2 ))2 = (u2 +w 2 )(v 2 +w 2 )<br />

4w<br />

= a2 b 2<br />

2 4w 2<br />

Nach Satz 56 ist das die Gleichung des Umkreises. Wir haben somit gezeigt, dass die drei<br />

Punkte P c , P a und H genau dann auf einer Gerade liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt.<br />

Dasselbe Resultat gilt natürlich auch für die drei Punkte P c , P b und H und für die Punkte<br />

P a , P b und H. Man muss ja nur jeweils eine andere Dreiecksseite auf die x-Achse legen.<br />

Es bleibt zu zeigen, dass die drei Punkte P a , P b und P c genau dann auf einer Geraden<br />

liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt. Oben wurde −−→ (<br />

P a P c =<br />

2w vy−vw+wx<br />

)<br />

v 2 +w 2 vx−wy−v gezeigt.<br />

2<br />

Wenn man dieselbe Rechnung wie oben mit der Dreiecksseite AC statt mit BC, das heißt<br />

mit u statt mit v, durchführt, dann erhält man −−→ (<br />

P b P c = 2w uy−uw+wx<br />

)<br />

u 2 +w 2 ux−wy−u . Die drei<br />

2<br />

Punkte P c , P a und P b liegen genau dann auf einer Geraden, wenn die Determinante mit<br />

den Vektoren −−→ P a P c und −−→ P b P c als Spalten gleich null ist, das heißt wenn<br />

∣ vy − vw + wx uy − uw + wx ∣∣∣<br />

∣ vx − wy − v 2 ux − wy − u 2 = 0<br />

gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kürzt und fasst zusammen, so erhält man<br />

(u − v)wx 2 − (u 2 − v 2 )wx + (u − v)wy 2 − (u − v)(w 2 + uv)y + (u − v)uvw = 0


Dividiert man durch u − v, so hat man<br />

Franz Hofbauer 39<br />

wx 2 − uwx − vwx + wy 2 − w 2 y − uvy + uvw = 0<br />

Wir haben bereits gesehen, dass das die Gleichung des Umkreises ist. Damit ist auch<br />

gezeigt, dass die drei Punkte P a , P b und P c genau dann auf einer Geraden liegen, wenn P<br />

auf dem Umkreis liegt. Damit ist die Äquivalenz von (a) und (b) vollständig bewiesen.<br />

Aus (c) folgt klarerweise (b). Es bleibt zu zeigen, dass (c) aus (a) folgt. Wenn (a) gilt,<br />

dann liegen die drei Punkte P c , P b und H auf einer Geraden g und die drei Punkte P a , P b<br />

und P c auf einer Geraden h, wie oben gezeigt wurde. Da P b und P c sowohl auf g als auch<br />

auf h liegen, müssen diese beiden Geraden übereinstimmen. Somit liegen alle vier Punkte<br />

P a , P b , P c und H auf einer Geraden.<br />

Die Gerade im folgenden Satz ist die erste Steinersche Gerade. Wir behandeln nur die<br />

erste Steinersche Gerade durch den Eckpunkt C. Es gibt jedoch auch je eine durch die<br />

Eckpunkte A und B.<br />

Satz 66: Sei P ein Punkt auf dem Umkreis eines Dreiecks. Sei Q c der Schnittpunkt ≠ P<br />

des Lots von P auf die Seite AB mit dem Umkreis. Dann liegt die Gerade durch Q c und<br />

den Eckpunkt C parallel zur zweiten Steinerschen Geraden.<br />

Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, liegt das<br />

Lot durch P auf die Seite AB parallel zur y-Achse. Der Punkt P hat Koordinaten (x|y)<br />

und der Umkreismittelpunkt U ist ( u+v<br />

2 | w 2 + uv<br />

2w ). Der Schnittpunkt Q c ≠ P des Lots mit<br />

dem Umkreis hat daher die Koordinaten (x|2( w 2 + uv<br />

−−→<br />

2w<br />

) − y). Der Vektor CQ c ist somit<br />

(<br />

1 wx<br />

) −−→<br />

w uv−wy . Er ist gleich dem Vektor HPc aus dem letzten Beweis. Die erste Steinergerade<br />

hat denselben Richtungsvektor wie die zweite Steinergerade. Sie sind daher parallel.<br />

6. Der Feuerbachkreis<br />

Wir beweisen folgenden Satz von Feuerbach. Der Feuerbachkreis wurde nach dem Entdecker<br />

dieses Satzes benannt.<br />

Satz 67: Der Feuerbachkreis berührt den Inkreis.<br />

Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Der Inkreismittelpunkt I ist ( ua+vb<br />

t<br />

| wc<br />

t ) und<br />

der Inkreisradius ϱ ist wc<br />

u+v<br />

t<br />

. Der Mittelpunkt N des Feuerbachkreises ist (<br />

4 | w 4 − uv<br />

4w ) und<br />

sein Radius σ ist ab<br />

4w<br />

. Wir müssen zeigen, dass der Abstand der Mittelpunkte I und N<br />

gleich der Differenz σ − ϱ ist.<br />

Der quadrierte Abstand der Mittelpunkte I und N ist<br />

( ua+vb<br />

t<br />

− u+v<br />

4 )2 +( wc<br />

t − w 4 + uv<br />

4w )2 = (ua+vb)2<br />

t<br />

+ w2 c 2<br />

2 t<br />

− (ua+vb)(u+v)+cw2 −cuv<br />

2<br />

2t<br />

+ u2 +v 2 +w 2<br />

16<br />

+ u2 v 2<br />

16w 2<br />

und die quadrierte Differenz der Radien ist<br />

(σ − ϱ) 2 = ( wc<br />

t<br />

− ab<br />

4w )2 = w2 c 2<br />

t 2<br />

− abc<br />

2t + a2 b 2<br />

16w<br />

= w2 c 2<br />

2 t 2<br />

− abc<br />

2t + u2 +v 2 +w 2<br />

16<br />

+ u2 v 2<br />

16w 2<br />

wobei für die letzte Gleichheit a 2 = v 2 + w 2 und b 2 = u 2 + w 2 verwendet wurde. Um zu<br />

zeigen, dass der Abstand der Mittelpunkte I und N und die Differenz σ − ϱ gleich sind,<br />

müssen wir die Gleichung<br />

2(ua + vb) 2 − t(ua + vb)(u + v) − tcw 2 + tcuv = −tabc


40 Koordinaten und Vektoren<br />

zeigen. Diese Gleichung ist die Summe der beiden Gleichungen<br />

(1)<br />

(2)<br />

(ua + vb) 2 − t(u 2 a + v 2 b + w 2 c) + w 2 c 2 = −tabc<br />

(ua + vb) 2 − tuv(a + b − c) − w 2 c 2 = 0<br />

Es genügt also, die Richtigkeit dieser beiden Gleichungen zu zeigen.<br />

Wir beginnen mit (1). Setzt man t = a + b + c ein und formt um, so erhält man<br />

(ua + vb) 2 − t(u 2 a + v 2 b + w 2 c) + w 2 c 2 = 2uvab − u 2 a(b + c) − v 2 b(a + c) − w 2 c(a + b)<br />

= −ab(u − v) 2 − ac(u 2 + w 2 ) − bc(v 2 + w 2 )<br />

Setzt man jetzt (u − v) 2 = c 2 , u 2 + w 2 = b 2 und v 2 + w 2 = a 2 ein, so ergibt sich<br />

(ua + vb) 2 − t(u 2 a + v 2 b + w 2 c) + w 2 c 2 = −abc 2 − acb 2 − bca 2 = −tabc<br />

Damit ist (1) bereits gezeigt.<br />

Wir zeigen (2) durch Äquivalenzumformungen. Es gilt (ua + vb)2 = u 2 a 2 + 2uvab + v 2 b 2<br />

und wegen t = a+b+c auch tuv(a+b−c) = uv(a+b) 2 −uvc 2 = uva 2 +2uvab+uvb 2 −uvc 2 .<br />

Setzt man das ein, dann wird die Gleichung (2) zu<br />

u 2 a 2 + v 2 b 2 − uva 2 − uvb 2 + uvc 2 − w 2 c 2 = 0<br />

Setzt man jetzt a 2 = v 2 + w 2 , b 2 = u 2 + w 2 und c 2 = (u − v) 2 ein, so ergibt sich<br />

u 2 (v 2 + w 2 ) + v 2 (u 2 + w 2 ) − uv(v 2 + w 2 ) − uv(u 2 + w 2 ) + uv(u − v) 2 − w 2 (u − v) 2 = 0<br />

Man prüft leicht nach, dass diese Gleichung richtig ist. Damit ist auch (2) gezeigt.<br />

Es gilt auch<br />

Satz 68: Der Feuerbachkreis berührt die drei Ankreise.<br />

Beweis: Es genügt, diesen Satz für den Ankreis zu beweisen, der die Seite AB, das ist<br />

die auf der x-Achse, berührt. Wir können ja jede der drei Dreiecksseiten auswählen und<br />

das Dreieck in Standardlage so ins Koordinatensystem legen, dass die ausgewählte Seite<br />

auf der x-Achse liegt.<br />

Die Winkelsymmetralen der beiden Außenwinkel bei A liegen auf der selben Geraden.<br />

Ihre Gleichung ist ist (x − u) w b + y( u b<br />

+ 1) = 0. Die Gleichung der Geraden, auf der die<br />

Winkelsymmetralen der beiden Außenwinkel bei B liegen, ist (x − v) w a + y( v a<br />

− 1) = 0. Die<br />

Gleichung der Winkelsymmetrale des Innenwinkels bei C ist x( w a + w b )+(y−w)( u b + v a ) = 0.<br />

Der Schnittpunkt dieser drei Geraden ist ( ua+vb<br />

a+b−c | −wc<br />

a+b−c ). Damit ist der Mittelpunkt M c<br />

des Ankreises gefunden. Der Radius ϱ c des Ankreises ist der Abstand des Mittelpunktes<br />

wc<br />

von der Seite AB, also von der x-Achse und somit gleich<br />

a+b−c .<br />

Im Beweis von Satz 67 wurde ( u+v<br />

4 − ua+vb<br />

a+b+c )2 +( w 4 − uv<br />

4w − wc<br />

a+b+c )2 = ( ab<br />

4w − wc<br />

a+b+c )2 gezeigt.<br />

Dabei wurden nur die Gleichungen a 2 = v 2 +w 2 , b 2 = u 2 +w 2 und c 2 = (u−v) 2 verwendet.<br />

Nun gilt für −c ebenfalls (−c) 2 = (u − v) 2 . Somit ist obige Gleichung auch für −c anstelle<br />

von c gültig. Wir haben daher ( u+v<br />

4 − ua+vb<br />

a+b−c )2 +( w 4 − uv<br />

4w − −wc<br />

a+b−c )2 = ( ab<br />

4w + wc<br />

a+b−c )2 . Diese<br />

Gleichung besagt aber, dass der Abstand der beiden Mittelpunkte N des Feuerbachkreises<br />

und M c des Ankreises gleich ist der Summe der Radien σ und ϱ c dieser beiden Kreise. Das<br />

beweist, dass die beiden Kreise einander von aussen berühren.


IV. Isometrien und Kegelschnitte<br />

1. Lineare Abbildungen<br />

Wir behandeln linere Abbildungen auf dem R 2 .<br />

Definition: Eine Abbildung φ : R 2 → R 2 heißt linear, wenn sie folgende zwei Eigenschaften<br />

erfüllt<br />

(a) φ(x + y) = φ(x) + φ(y) für alle x und y in R 2<br />

(b) φ(λx) = λφ(x) für alle x ∈ R 2 und λ ∈ R<br />

Beispiel: Sei φ : R 2 → R 2 definiert durch φ(x) = x 1 ( 2 1 ) + x 2( 5 2 ) = ( 2x 1+5x 2<br />

x 1 +2x 2<br />

leicht nachzuprüfen, dass φ(x + y) = φ(x) + φ(y) und φ(λx) = λφ(x) gilt.<br />

). Es ist<br />

Wir zeigen, dass alle linearen Abbildungen von dieser Art sind. Dazu führen wir die<br />

Einheitsvektoren i = ( 1 0 ) und j = ( 0 1 ) ein.<br />

Satz 69: Sei φ : R 2 → R 2 eine lineare Abbildung. Seien ( a b ) und ( c d ) die Bilder der<br />

Einheitsvektoren i und j unter φ, das heißt φ(i) = ( a b ) und φ(j) = ( d c ). Für alle x = ( x 1<br />

x 2<br />

)<br />

in R 2 gilt dann φ(x) = x 1 ( a b ) + x 2 ( c d ) = ( ax 1+cx 2<br />

bx 1 +dx 2<br />

).<br />

Beweis: Sei x = ( x 1<br />

x 2<br />

) in R 2 . Es gilt x = x 1 ( 1 0 ) + x 2( 0 1 ) = x 1i + x 2 j . Aus der Definition<br />

der Linearität erhalten wir dann<br />

φ(x) = φ(x 1 i + x 2 j) = φ(x 1 i) + φ(x 2 j) = x 1 φ(i) + x 2 φ(j) = x 1 ( a b ) + x 2 ( c d )<br />

Aus den Rechenregeln für Vektoren folgt x 1 ( a b ) + x 2 ( c d ) = ( ax 1+cx 2<br />

bx 1 +dx 2<br />

).<br />

Dieser Satz zeigt, dass eine lineare Abbildung φ : R 2 → R 2 bereits durch die Bilder ( a b )<br />

und ( d c ) der Einheitsvektoren i und j bestimmt ist.<br />

Um dieses Ergebnis besser aufschreiben zu können, führen wir Matrizen und die Matrixmultiplikation<br />

ein. Eine m × n-Matrix ist eine rechteckige Anordnung von Zahlen, die<br />

aus m Zeilen und n Spalten besteht. Einen Vektor x ∈ R 2 kann man als 2 × 1-Matrix<br />

auffassen. Eine 2 × 2-Matrix hat zwei Vektoren des R 2 als Spalten, zum Beispiel ( 2 3 5 7 ).<br />

Eine 1 × 2-Matrix ist ein Zeilenvektor, zum Beispiel (3 7).<br />

Das Produkt C = AB zweier Matrizen A und B bestimmt man so: Man bildet das innere<br />

Produkt der ersten Zeile der Matrix A mit den Spalten der Matrix B. Die Ergebnisse,<br />

die man erhält, schreibt man in die erste Zeile der Matrix C. Dann bildet man das innere<br />

Produkt der zweiten Zeile der Matrix A mit den Spalten der Matrix B. Die Ergebnisse,<br />

die man erhält, schreibt man in die zweite Zeile der Matrix C.<br />

Ist zum Beispiel A = ( 2 5<br />

3 7 ) und B = ( p r q s ), dann erhalten wir<br />

AB = ( 2 5<br />

3 7 )( p r q s ) = ( 2p+5r 2q+5s<br />

3p+7r 3q+7s ) und BA = ( p r q s )( 2 5<br />

3 7 ) = ( 2p+3q 5p+7q<br />

2r+3s 5r+7s )<br />

Hier sieht man auch, dass die Multiplikation von zwei Matrizen nicht kommutativ ist. Man<br />

kann jedoch nachrechnen, dass (AB)C = A(BC) gilt. Die Multiplikation von Matrizen<br />

ist assoziativ. Man darf daher ABC schreiben, ohne Klammern zu setzen, da es keinen<br />

Unterschied macht, welche Matrixmultiplikation man zuerst ausführt. Man darf die Matrizen<br />

jedoch nicht vertauschen. Genauso funktioniert die Multiplikation einer Matrix mit<br />

einem Vektor. Man fasst den Vektor einfach als 2 × 1-Matrix auf. Ist A = ( 2 3<br />

B = x = ( x 1<br />

x 2<br />

), dann erhalten wir<br />

AB = Ax = ( 2 3<br />

5<br />

7 )( x 1<br />

x 2<br />

) = ( 2x 1+5x 2<br />

3x 1 +7x 2<br />

)<br />

5<br />

7 ) und


42 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Analog kann man auch die Multiplikation größerer Matrizen definieren.<br />

Wir kommen zu Satz 69 zurück. Seien ( a b ) und ( c d ) die Bilder der Einheitsvektoren i<br />

und j unter der linearen Abbildung φ. Sei M = ( a c<br />

b d ) die Matrix, die diese Bilder ( a b ) und<br />

( d c ) als Spalten hat. Aus der Definition der Matrixmultiplikation und aus Satz 69 folgt<br />

dann<br />

Mx = ( a b d c )( x 1<br />

x 2<br />

) = ( ax 1+cx 2<br />

bx 1 +dx 2<br />

) = ( a b )x 1 + ( d c )x 2 = φ(x)<br />

Es gilt also φ(x) = Mx. Man nennt M = ( a b d c ) die Matrix der linearen Abbildung φ.<br />

Man kann jede lineare Abbildung φ : R 2 → R 2 durch eine 2 × 2-Matrix ausdrücken.<br />

Man kann zwei Matrizen der gleichen Größe auch addieren. Das macht man so wie für<br />

Vektoren, die ja 2 × 1-Matrizen sind. Sind A = ( a b d c ) und B = ( r s u v ) zwei 2 × 2-Matrizen,<br />

dann definiert man A + B = ( a+r c+u<br />

b+s d+v ). Ist x ∈ R2 , dann gilt (A + B)x = Ax + Bx. (Das<br />

gilt auch für eine 2 × 2-Matrix C anstelle von x.)<br />

Auch die Skalarmultiplikation definiert man für Matrizen genauso wie für Vektoren. Ist<br />

A = ( a b d c ) und t ∈ R, dann definiert man tA = ( ta tc<br />

tb td ).<br />

Satz 70: Seien φ : R 2 → R 2 und ψ : R 2 → R 2 lineare Abbildungen. Dann ist ψ ◦ φ :<br />

R 2 → R 2 ebenfalls eine lineare Abbildung. Ist A die Matrix der linearen Abbildung φ und<br />

B die Matrix der linearen Abbildung ψ, dann ist das Matrixprodukt BA die Matrix der<br />

linearen Abbildung ψ ◦ φ.<br />

Beweis: Seien x und y in R 2 und λ ∈ R. Da ψ und φ linear sind, erhalten wir<br />

ψ(φ(x+y)) = ψ(φ(x)+φ(y)) = ψ(φ(x))+ψ(φ(y)) und ψ(φ(λx)) = ψ(λφ(x)) = λψ(φ(x))<br />

Das zeigt, dass auch ψ ◦ φ eine lineare Abbildung ist.<br />

Sei φ(i) = ( a b ) und φ(j) = ( c d ). Dann gilt A = ( a b c d ). Ist B = ( r s u v ), dann folgt<br />

ψ(φ(i)) = B( a b ) = ( r s u v )( a b ) = ( ra+ub<br />

sa+vb ) und ψ(φ(j)) = B( c d ) = ( r s u v )( c d ) = ( rc+ud<br />

sc+vd )<br />

Die Matrix der linearen Abbildung ψ ◦ φ ist daher ( ra+ub<br />

sa+vb<br />

Die Matrix I 2 = ( 1 0<br />

rc+ud<br />

sc+vd<br />

). Das ist BA.<br />

0<br />

1 ) heißt Einheitsmatrix. Es gilt ja I 2x = x für alle x in R 2 .<br />

Lineare Gleichungssysteme kann man ebenfalls mit Hilfe von Matrizen aufschreiben.<br />

Liegt das lineare Gleichungssystem<br />

a 1 x + b 1 y = c 1<br />

a 2 x + b 2 y = c 2<br />

vor, dann setzt man M = ( a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

) und c = ( c 1<br />

c 2<br />

). Das Gleichungssystem wird dann zu<br />

Mx = c, wobei x für den Vektor ( x y ) steht. Man schreibt dann auch det M anstelle von<br />

| a 1 b 1<br />

a 2 b 2<br />

|. Wenn det M ≠ 0 ist, dann hat das Gleichungssystem genau eine Lösung. Wenn<br />

det M = 0 ist, dann gibt es entweder keine Lösung oder alle Punkte auf einer Geraden<br />

sind Lösungen.<br />

2. Eigenwerte und Eigenvektoren<br />

Eigenwerte und Eigenvektoren treten bei der Hauptachsentransformation von Kegelschnitten<br />

auf. Sie spielen auch bei Systemen von linearen Differentialgleichungen eine<br />

Rolle. Wir beschränken uns wieder auf den R 2 . Analoge Resultate gelten aber auch in<br />

höheren Dimensionen.


Franz Hofbauer 43<br />

Definition: Sei A eine 2×2-Matrix. Ein Vektor v ∈ R 2 \{0} heißt Eigenvektor der Matrix<br />

A, wenn Av = λv für eine Zahl λ gilt. Die Zahl λ nennt man Eigenwert der Matrix A.<br />

Wie finden wir Eigenwerte und Eigenvektoren? Nach den Rechenregeln für Matrizen<br />

können wir Ax = λx auch schreiben als (A − λI 2 )x = 0. Das ist das lineares Gleichungssystem<br />

Mx = 0 mit M = A − λI 2 . Es hat jedenfalls die Lösung x = 0. Wenn det M ≠ 0<br />

gilt, dann ist das die einzige Lösung. Da Eigenvektoren ungleich 0 sind, erhalten wir<br />

keinen Eigenvektor und λ ist auch kein Eigenwert. Ist hingegen det M = 0, dann gibt<br />

es unendlich viele Lösungen (keine Lösung ist nicht möglich, da 0 eine Lösung ist). Es<br />

existiert ein v ∈ R 2 \ {0} mit Mv = 0, das heißt Av = λv. Somit ist v ein Eigenvektor<br />

und λ ein Eigenwert. Mit v erfüllt auch tv für alle t ∈ R die Gleichung Ax = λx. Daher<br />

sind auch alle Vielfachen von v Eigenvektoren.<br />

Wir haben damit gezeigt, dass die Eigenwerte einer Matrix A gerade diejenigen Zahlen<br />

λ sind, für die det(A − λI 2 ) = 0 gilt. Ist A = ( a b d c ), dann gilt A − λI 2 = ( a−λ c<br />

b d−λ ) und<br />

det(A − λI 2 ) = (a − λ)(d − λ) − bc = λ 2 − (a + d)λ + ad − bc<br />

Das ist ein Polynom in der Variablen λ. Man nennt es das charakteristische Polynom<br />

der Matrix A. Die Eigenwerte der Matrix A sind dann die Lösungen der quadratischen<br />

Gleichung λ 2 − (a + d)λ + ad − bc = 0. Die Eigenwerte sind also<br />

√ √<br />

( ∗ ) λ 1,2 = 1 2 (a + d) ± 1<br />

4 (a + d)2 − ad + bc = 1 2 (a + d) ± 1<br />

4 (a − d)2 + bc<br />

Es gibt drei mögliche Fälle, entweder zwei verschiedene reelle Eigenwerte, oder einen<br />

zweifachen reellen Eigenwert, oder zwei zueinander konjugiert komplexe Eigenwerte.<br />

Im ersten Fall findet man Eigenvektoren u und v zu den Eigenwerten λ 1 und λ 2 als<br />

Lösungen der linearen Gleichungssysteme Au − λ 1 u = 0 und Av − λ 2 v = 0. Das gilt auch<br />

im dritten Fall, allerdings sind dann auch die Eigenvektoren u und v in C 2 . Im zweiten<br />

Fall hat man nur einen reellen Eigenwert λ. Einen Eigenvektor v findet man als Lösung<br />

des linearen Gleichungssystems Av − λv = 0.<br />

1<br />

3<br />

Beispiel: Sei A = ( 5 3 ). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.<br />

Wir bilden A − λI 2 = ( 5−λ 1<br />

3 3−λ ) und berechnen die Determinante (5 − λ)(3 − λ) − 3 =<br />

λ 2 − 8λ + 12. Das ist das charakteristische Polynom von A. Die Nullstellen sind λ 1 = 6<br />

und λ 2 = 2. Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden.<br />

Wir berechnen A − λ 1 I 2 = ( −1 1<br />

3 −3 ). Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ 1 = 6 erhalten<br />

wir als Lösung von ( −1 1<br />

3 −3 )u = 0. Wir wählen u als Normalvektor der ersten Zeile der<br />

Matrix ( −1 1<br />

3 −3 ), also u = ( 1 1 ). Da das auch ein Normalvektor der zweiten Zeile ist,<br />

ist ( −1 1<br />

3 −3 )u = 0 erfüllt. Somit ist ( 1 1 ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ 1 = 6. Jedes<br />

Vielfache dieses Vektors, außer dem Nullvektor, ist ebenfalls Eigenvektor.<br />

Ebenso berechnen wir A − λ 2 I 2 = ( 3 3 1 1 ). Einen Eigenvektor v zum Eigenwert λ 2 = 2<br />

erhalten wir als Lösung von ( 3 3 1 1 )v = 0. Wir wählen v als Normalvektor der ersten Zeile<br />

der Matrix ( 3 1<br />

−1<br />

3 1 ), also v = ( 3 ). Da das auch ein Normalvektor der zweiten Zeile ist, ist<br />

( 3 1<br />

−1<br />

3 1 )v = 0 erfüllt. Somit ist ( 3 ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ 2 = 2.<br />

Beispiel: Sei A = ( 4 5 −2<br />

2<br />

Wir bilden A − λI 2 = ( 4−λ<br />

5<br />

). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.<br />

−2<br />

2−λ ) und berechnen die Determinante (4 − λ)(2 − λ) + 10 =<br />

λ 2 −6λ+18. Das ist das charakteristische Polynom von A. Die Nullstellen sind λ 1 = 3+3i<br />

und λ 2 = 3 − 3i. Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden.


44 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Wir berechnen A − λ 1 I 2 = ( 1−3i<br />

5<br />

erhalten wir als Lösung von ( 1−3i<br />

5<br />

Zeile der Matrix ( 1−3i −2<br />

Zeile ist, ist ( 1−3i<br />

5<br />

λ 1 = 3 + 3i.<br />

Wir berechnen A − λ 2 I 2 = ( 1+3i<br />

5<br />

−2<br />

−1−3i ). Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ 1 = 3 + 3i<br />

−2<br />

−1−3i )u = 0. Wir wählen u als Normalvektor der ersten<br />

5 −1−3i ), also u = ( 2<br />

1−3i ). Da das auch ein Normalvektor der zweiten<br />

−2<br />

−1−3i )u = 0 erfüllt. Somit ist ( 2<br />

1−3i ) ein Eigenvektor zum Eigenwert<br />

−2<br />

−1+3i ). Einen Eigenvektor v zum Eigenwert λ 2 = 3 − 3i<br />

erhalten wir als Lösung von ( 1+3i −2<br />

5 −1+3i )v = 0. Wie oben (man muss nur überall −3i<br />

2<br />

durch +3i ersetzen) erhalten wir, dass ( 1+3i ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ 2 = 3 − 3i<br />

ist. Man sieht, dass nicht nur die Eigenwerte, sondern auch die Eigenvektoren zueinander<br />

konjugiert komplex sind.<br />

4<br />

1<br />

Beispiel: Sei A = ( 5 −1 ). Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren.<br />

Wir bilden A − λI 2 = ( 5−λ 4<br />

−1 1−λ ) und berechnen die Determinante (5 − λ)(1 − λ) + 4 =<br />

λ 2 − 6λ + 9. Das ist das charakteristische Polynom von A. Dieses Polynom hat λ = 3 als<br />

zweifache Nullstelle. Das ist der einzige Eigenwert der Matrix A.<br />

Wir berechnen A − λI 2 = ( −1<br />

2 −2 4 ). Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ = 3 erhalten<br />

wir als Lösung von ( −1<br />

2<br />

−2 4 )u = 0. Wir wählen u als Normalvektor der ersten Zeile der<br />

Matrix ( −1<br />

2<br />

−2 4 ), also zum Beispiel u = ( −1 2 ). Da das auch ein Normalvektor der zweiten<br />

Zeile ist, ist ( −1 2<br />

−2 4 2<br />

)u = 0 erfüllt. Somit ist ( −1 ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ = 3.<br />

Bemerkung: Sei A = ( a b d c ) eine Matrix, die nicht gleich tI 2 für ein t ∈ R ist. Hat<br />

sie einen zweifachen reellen Eigenwert λ, dann findet man dazu einen Eigenvektor u, für<br />

den Au = λu gilt. Als Ersatz für einen Eigenvektor zum anderen Eigenwert, der ja nicht<br />

vorhanden ist, nimmt man dann einen Vektor v, für den Av = λv+u gilt. Solche Vektoren<br />

existieren. Da λ zweifacher Eigenwert ist, folgt aus ( ∗ ), dass λ = 1 2 (a + d) und r2 = −bc<br />

gilt, wobei r = 1 2 (a − d) ist. Das ergibt A − λI 2 = ( r c<br />

b −r ). Im Fall b ≠ 0 wählen wir<br />

u = ( r b ) und v = ( 1 0 ). Es gilt dann (A − λI 2)u = 0 und (A − λI 2 )v = u, das heißt<br />

Au = λu und Av = λv + u. Ist b = 0 dann gilt c ≠ 0, sonst wäre A = aI 2 . In diesem Fall<br />

wählen wir u = ( c<br />

−r ) und v = ( 0 1 ). Es gilt wieder Au = λu und Av = λv + u.<br />

3. Symmetrische Matrizen<br />

Ist w = ( w 1<br />

w 2<br />

) ein Spaltenvektor, dann ist der transponierte Vektor w t der entsprechende<br />

Zeilenvektor (w 1 w 2 ). Es gilt dann ⟨u, v⟩ = u 1 v 1 + u 2 v 2 = (u 1 u 2 )( v 1<br />

v 2<br />

) = u t v.<br />

Für eine Matrix A = ( a c<br />

b d ) definiert man die Transponierte A t durch A t = ( a c b d<br />

). Man<br />

rechnet nach (Aw) t = ( aw 1+cw 2<br />

bw 1 +dw 2<br />

) t = (aw 1 + cw 2 bw 1 + dw 2 ) = (w 1 w 2 )( a c d b ) = wt A t .<br />

Für 2 × 2-Matrizen A und B zeigt man analog, dass (AB) t = B t A t gilt.<br />

Definition: Eine Matrix A = ( a b c d ) nennt man symmetrisch, wenn A t = A gilt. Das ist<br />

gleichbedeutend damit, dass b = c gilt.<br />

Satz 71: Sei A = ( a b c d ) symmetrisch, aber nicht gleich tI 2 für ein t ∈ R. Dann hat A<br />

zwei verschiedene reelle Eigenwerte λ 1 und λ 2 . Ist u ein Eigenvektor zu λ 1 und v einer zu<br />

λ 2 , dann gilt ⟨u, v⟩ = 0, das heißt u und v sind orthogonal.<br />

Beweis: Aus ( ∗ ) folgt λ 1,2 = 1 2 (a + d) ± √<br />

1<br />

4 (a − d)2 + b 2 wegen c = b. Wegen A ≠ tI 2<br />

für alle t ∈ R gilt entweder a ≠ d oder b ≠ 0, also 1 4 (a − d)2 + b 2 > 0. Somit sind λ 1 und<br />

λ 2 reell und verschieden.


Franz Hofbauer 45<br />

Es gilt Au = λ 1 u, Av = λ 2 v und A t = A. Mit Hilfe der Rechenregeln für das innere<br />

Produkt und für die Transponierte erhalten wir<br />

λ 1 ⟨u, v⟩ = ⟨λ 1 u, v⟩ = ⟨Au, v⟩ = (Au) t v = u t A t v = u t Av = ⟨u, Av⟩ = ⟨u, λ 2 v⟩ = λ 2 ⟨u, v⟩<br />

Wegen λ 1 ≠ λ 2 muss ⟨u, v⟩ = 0 gelten.<br />

4. Isometrien der Ebene<br />

Wir untersuchen Isometrien der Ebene, die wir als R 2 auffassen.<br />

Definition: Eine Abbildung f : R 2 → R 2 heißt Isometrie, wenn ∥f(x) − f(y)∥ = ∥x − y∥<br />

für alle x und y in R 2 gilt.<br />

Beispiel: Sei a ∈ R 2 fest. Die Abbildung x ↦→ x+a ist eine Isometrie. Solche Abbildungen<br />

heißen Translationen.<br />

Gilt g(p) = p, dann heißt p Fixpunkt der Abbildung g. Ist f : R 2 → R 2 eine Isometrie,<br />

dann ist g : R 2 → R 2 definiert durch g(x) = f(x)−f(0) eine Isometrie mit 0 als Fixpunkt.<br />

Satz 72: Eine Isometrie g mit 0 als Fixpunkt ist eine lineare Abbildung.<br />

Beweis: Seien x und y in R 2 . Die Punkte 0, x, y und x + y bilden ein Parallelogramm.<br />

Die Punkte g(0) = 0, g(x), g(y) und g(x + y) bilden ein kongruentes Parallelogramm, da<br />

die Abstände zwischen den vier Punkten bei der Abbildung unverändert bleiben. Es gilt<br />

also g(x + y) = g(x) + g(y).<br />

Sei x ∈ R 2 und λ ∈ R. Sei y = λx. Dann liegen 0, x und y auf einer Geraden. Da<br />

g(0) = 0, g(x) und g(y) dieselben Abstände zueinander haben wie 0, x und y, liegen sie<br />

ebenfalls auf einer Geraden und es gilt g(y) = λg(x). Damit ist g(λx) = λg(x) gezeigt.<br />

Somit ist g eine lineare Abbildung, da die Eigenschaften aus der Definition einer linearen<br />

Abbildung erfüllt sind.<br />

Satz 73: Sei g eine Isometrie mit Fixpunkt 0. Dann existiert ein α ∈ [0, 2π), sodass die<br />

Matrix der linearen Abbildung g entweder R α = ( cos sin α α − sin α<br />

cos α ) oder S α = ( cos sin α<br />

α sin α<br />

− cos α ) ist.<br />

Beweis: Sei M = ( a b c d ) die Matrix der linearen Abbildung g. Es gilt ∥g(x)∥ 2 = ∥x∥ 2 , das<br />

heißt (ax 1 + cx 2 ) 2 + (bx 1 + dx 2 ) 2 = x 2 1 + x 2 2. Das gilt für alle x 1 und x 2 in R. Es folgt<br />

a 2 + b 2 = 1, c 2 + d 2 = 1 und 2ac + 2bd = 0<br />

Der Vektor ( a b ) hat Länge 1. Es existiert ein α ∈ [0, 2π) mit a = cos α und b = sin α.<br />

Weiters gilt ⟨( a b ), ( d c )⟩ = ac + bd = 0 und ∥( d c )∥ = √ c 2 + d 2 = 1. Daraus folgt, dass<br />

entweder ( c d ) = ( − cos sin α α ) oder ( c d ) = (<br />

− sin cos α<br />

α ) gilt.<br />

Satz 74: Die Abbildung mit Matrix R α ist eine Drehung (Rotation) um den Koordinatenursprung<br />

im Winkel α (im Gegenuhrzeigersinn).<br />

Beweis: Es gilt R α x = ( cos sin α α )x 1 +( − cos sin α α )x 2. Die<br />

Vektoren ( cos α<br />

sin α ) und ( − cos sin α α ) sind die Einheitsvektoren<br />

für ein um den Winkel α verdrehtes Koordinatensystem.<br />

Daher erhält man R α x, wenn man<br />

den Vektor x = ( x 1<br />

x 2<br />

) ins gedrehte Koordinatensystem<br />

zeichnet. Das beweist, dass R α x der um den<br />

Winkel α gedrehte Vektor x ist.<br />

α<br />

R α x<br />

x


46 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Satz 75: Die Abbildung mit Matrix S α ist eine Spiegelung um die Gerade durch den<br />

Koordinatenursprung mit Richtungsvektor ( cos<br />

) α<br />

2<br />

sin . α<br />

2<br />

x<br />

Beweis: Sei a = ( cos<br />

) ( α<br />

2<br />

sin und b = − sin<br />

α) α 2<br />

2<br />

cos . Der<br />

α<br />

2<br />

Vektor b ist Normalvektor zu a. Matrixmultiplikation<br />

und die Summensätze für sin und cos zeigen,<br />

S α x<br />

dass S α a = a und S α b = −b gilt. Da a und b<br />

orthogonal aufeinander stehen, existieren für jedes<br />

b a<br />

x ∈ R 2 Zahlen p und q in R mit x = pa + qb. Es<br />

α<br />

2<br />

folgt S α x = pS α a + qS α b = pa − qb. Das zeigt,<br />

dass S α x der um die Gerade durch den Koordinatenursprung<br />

mit Richtungsvektor a gespiegelte<br />

−b<br />

Punkt x ist.<br />

Die durch die Matrizen R α und S α gegebenen linearen Abbildungen sind alle Isometrien,<br />

die 0 als Fixpunkt haben. Ist f irgendeine Isometrie und u = f(0), dann ist g(x) = f(x)−u<br />

eine Isometrie mit 0 als Fixpunkt. Es gilt also f(x) = R α (x) + u oder f(x) = S α (x) + u.<br />

Für α ∈ [0, 2π) und u ∈ R 2 definieren wir R α,u : R 2 → R 2 und S α,u : R 2 → R 2 durch<br />

R α,u (x) = R α x + u und S α,u (x) = S α x + u<br />

Das sind dann alle möglichen Isometrien des R 2 .<br />

Satz 76: Ist α = 0 dann ist R α,u die Translation um den Vektor u. Ist α ∈ (0, 2π), dann<br />

ist R α,u die Drehung um den Punkt w im Winkel α, wobei w Lösung von (I 2 −R α )w = u.<br />

Beweis: Für α = 0 ist R α = I 2 und R α,u (x) = x + u.<br />

Für α ∈ (0, 2π) gilt det( 1−cos α<br />

− sin α<br />

sin α<br />

1−cos α ) = (1 − cos α)2 + sin 2 α = 2 − 2 cos α ≠ 0, das heißt<br />

det(I 2 −R α ) ≠ 0. Daher hat (I 2 −R α )w = u eine eindeutige Lösung. Es folgt u = w−R α w<br />

und R α,u (x) = R α (x − w) + w. Die Abbildung R α,u ist die Hintereinanderausführung<br />

folgender drei Abbildungen:<br />

(a) Translation mit Vektor −w: Punkt w wird in den Punkt 0 verschoben<br />

(b) Drehung um den Punkt 0 im Winkel α<br />

(c) Translation mit Vektor w: Punkt 0 wird zurück in den Punkt w verschoben<br />

Die Zusammensetzung ergibt die Drehung um den Punkt w im Winkel α.<br />

Satz 77: Die Abbildung S α,u ist eine Schubspiegelung, und zwar die Hintereinanderausführung<br />

einer Spiegelung um die Gerade durch den Punkt 1 2u mit Richtungsvektor<br />

( cos<br />

α) und einer Translation mit Vektor w =<br />

1<br />

2 (u + S αu). Der Vektor w hat die Richtung<br />

2<br />

sin α 2<br />

der Spiegelungsgeraden.<br />

Beweis: Es gilt S α,u (x) = S α (x − 1 2 u) + 1 2 u + w. Die Abbildung x ↦→ S α(x − 1 2 u) + 1 2 u<br />

ist die Hintereinanderausführung folgender drei Abbildungen:<br />

(a) Translation mit Vektor − 1 2 u: Punkt 1 2u wird in den Punkt 0 verschoben<br />

(b) Spiegelung um die Gerade durch den Punkt 0 mit Richtungsvektor ( cos<br />

) α<br />

2<br />

sin α 2<br />

(c) Translation mit Vektor 1 2 u: Punkt 0 wird zurück in den Punkt 1 2 u verschoben<br />

Die Zusammensetzung ergibt die Spiegelung um die Gerade durch den Punkt 1 2 u mit<br />

Richtungsvektor ( cos<br />

) α<br />

2<br />

sin . Dazu kommt noch die Translation um den Vektor w. Das ist<br />

α<br />

2<br />

dann die Abbildung S α,u .<br />

Wir bestimmen noch die Richtung von w. Da S α u der um die Gerade durch den Punkt 0


Franz Hofbauer 47<br />

mit Richtungsvektor ( cos<br />

) α<br />

2<br />

sin gespiegelte Punkt u ist, hat w =<br />

1<br />

α 2 (u+S αu) dieselbe Richtung<br />

2<br />

wie die Spiegelungsgerade.<br />

Die Isometrien der Ebene sind also: Translationen, Drehungen und Schubspiegelungen.<br />

5. Kegelschnitte<br />

Wir berechnen die Gleichungen der Kegelschnitte in Hauptlage. Damit ist gemeint, dass<br />

die Koordinatenachsen auch die Achsen der Kegelschnitte sind.<br />

Ellipse: Wir suchen die Gleichung der Ellipse mit Brennpunkten<br />

F 1 (−e, 0) und F 2 (e, 0) und mit großer Halbachse<br />

der Länge a, wobei e < a gilt. Sie ist die Menge aller Punkte<br />

(x, y), deren Abstandssumme von den beiden Brennpunkten<br />

gleich 2a ist. Die Gleichung dieser Ellipse ist also<br />

√<br />

(1) (x + e)2 + y 2 + √ (x − e) 2 + y 2 = 2a<br />

F 1 F 2<br />

Quadriert man diese Gleichung, kürzt, fasst zusammen und dividiert durch 2, so hat man<br />

(2) x 2 + e 2 + y 2 + √ (x + e) 2 + y 2√ (x − e) 2 + y 2 = 2a 2<br />

Unter der ersten Wurzel steht e 2 + x 2 + y 2 + 2ex und e 2 + x 2 + y 2 − 2ex unter der zweiten.<br />

Das Produkt ist (e 2 + x 2 + y 2 ) 2 − 4e 2 x 2 . Setzt man das ein und formt um, so erhält man<br />

√<br />

(3)<br />

(e2 + x 2 + y 2 ) 2 − 4e 2 x 2 = 2a 2 − (e 2 + x 2 + y 2 )<br />

Quadriert man, so fällt (e 2 + x 2 + y 2 ) 2 weg. Man kann durch 4 dividieren und es bleibt<br />

(4) −e 2 x 2 = a 4 − a 2 (e 2 + x 2 + y 2 )<br />

Durch Ausmultiplizieren und Umformen ergibt sich jetzt<br />

x<br />

(5) 2<br />

a<br />

+ y2<br />

x 2 a 2 −e<br />

= 1 oder 2<br />

2 a 2<br />

+ y2<br />

b 2 = 1 wenn man b 2 = a 2 − e 2 setzt.<br />

Damit ist die Gleichung der Ellipse mit Brennpunkten F 1 (−e, 0) und F 2 (e, 0) und mit<br />

großer Halbachse der Länge a gefunden.<br />

Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfüllen die Ellipsengleichung und liegen daher<br />

auf der Ellipse. Sie heißen Hauptscheitel. Die Strecke dazwischen heißt Hauptachse der<br />

Ellipse. Auf ihr liegen die beiden Brennpunkte. Sie wird durch den Mittelpunkt der Ellipse<br />

in die beiden großen Halbachsen der Länge a unterteilt. Die beiden Punkte (0, −b) und<br />

(0, b), die ebenfalls auf der Ellipse liegen, heißen Nebenscheitel. Die Strecke dazwischen<br />

heißt Nebenachse der Ellipse. Sie wird durch den Mittelpunkt der Ellipse in die beiden<br />

kleinen Halbachsen der Länge b unterteilt.<br />

Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte<br />

Ellipse mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat daher die Gleichung x2<br />

b 2<br />

+ y2<br />

a 2 = 1.<br />

Hyperbel: Analog lässt sich die Gleichung der Hyperbel<br />

mit Brennpunkten F 1 (−e, 0) und F 2 (e, 0) und mit Halbachse<br />

der Länge a finden, wobei aber jetzt e > a gilt. Sie<br />

ist die Menge aller Punkte (x, y), deren Abstandsdifferenz<br />

von den beiden Brennpunkten gleich 2a ist. Diese Hyperbel<br />

hat daher ebenfalls die Gleichung (1), wobei aber eine<br />

der Wurzeln als die negative Wurzel aufzufassen ist. Ist<br />

die erste Wurzel negativ, dann stellt (1) den linken Ast<br />

F 1 F 2<br />

der Hyperbel dar; ist die zweite Wurzel negativ, dann den rechten. Führt man dieselbe


48 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Rechnung durch wie oben, so verschwinden die Vorzeichen der Wurzeln beim Quadrieren<br />

und man erhält wieder die Gleichung<br />

x<br />

(5) 2<br />

a<br />

+ y2<br />

x 2 a 2 −e<br />

= 1 oder 2<br />

2 a 2<br />

− y2<br />

b 2 = 1 wenn man b 2 = e 2 − a 2 setzt.<br />

Damit ist die Gleichung der Hyperbel mit Brennpunkten F 1 (−e, 0) und F 2 (e, 0) und mit<br />

Halbachse der Länge a gefunden.<br />

Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfüllen die Hyperbelgleichung. Es sind die Scheitel<br />

der Hyperbel. Die Strecke dazwischen wird durch den Mittelpunkt der Hyperbel in die<br />

beiden Halbachsen der Länge a unterteilt.<br />

Die Hyperbel besitzt zwei Asymptoten. Eine Asymptote ist eine Gerade, der sich eine<br />

Kurve, in diesem Fall die Hyperbel, im Unendlichen √ immer mehr annähert. Die Gleichung<br />

der Hyperbel lässt sich schreiben als y = ± b a x 1 − a2<br />

x<br />

. Wenn x gegen +∞ oder −∞ geht,<br />

2<br />

dann geht a2<br />

x<br />

gegen 0 und die Hyperbel nähert sich immer mehr der Gerade y = b 2<br />

a x oder<br />

der Gerade y = − b ax. Somit sind diese beiden Geraden Asymptoten der Hyperbel.<br />

Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte<br />

Hyperbel mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat daher die Gleichung − x2<br />

b<br />

+ y2<br />

2 a<br />

= 1.<br />

2<br />

Bemerkung: Oben wurde (1) ⇒ (5) gezeigt, das heißt jeder Punkt, der auf der Ellipse<br />

bzw. Hyperbel liegt, erfüllt die Gleichung (5). Es gilt auch die Umkehrung. Dazu müssen<br />

wir (5) ⇒ (1) zeigen. Wir zeigen das durch einen indirekten Beweis.<br />

Wir nehmen an, dass (1) nicht gilt, das heißt √ (x + e) 2 + y 2 + √ (x − e) 2 + y 2 = 2ã für<br />

ein ã ≠ a. (Im Fall der Ellipse gilt jedoch ã > e und im Fall der Hyperbel ã < e wegen<br />

der Dreiecksungleichung.) Dann würde nach obiger Rechnung auch x2<br />

y 2<br />

ã 2 +<br />

y2<br />

ã 2 −e 2<br />

= 1 gelten.<br />

Für ã < a gelten x2<br />

ã<br />

> x2<br />

2 a<br />

und<br />

2 ã 2 −e<br />

> y2<br />

2 a 2 −e<br />

, also folgt x2<br />

2 a<br />

+ y2<br />

2 a 2 −e<br />

< x2<br />

2 ã<br />

+ y2<br />

2 ã 2 −e<br />

= 1.<br />

2<br />

Für ã > a gelten x2<br />

ã<br />

< x2<br />

y 2 a<br />

und<br />

2<br />

2 ã 2 −e<br />

< y2<br />

2 a 2 −e<br />

, also folgt x2<br />

2 a<br />

+ y2<br />

2 a 2 −e<br />

> x2<br />

2 ã<br />

+ y2<br />

2 ã 2 −e<br />

= 1.<br />

2<br />

Dabei ist zu beachten, dass ã 2 − e 2 und a 2 − e 2 entweder beide positiv (Ellipse) oder beide<br />

negativ (Hyperbel) sind. In jedem Fall ergibt sich x2<br />

a<br />

+<br />

y2<br />

2 a 2 −e<br />

≠ 1, ein Widerspruch zu (5).<br />

2<br />

Damit ist (5) ⇒ (1) bewiesen.<br />

Parabel: Schließlich bestimmen wir die Gleichung der Parabel mit<br />

Brennpunkt F ( p 2 , 0) und Leitlinie l, die die Gleichung x = − p 2 hat.<br />

Die Parabel ist die Menge aller Punkte (x, y), die von Brennpunkt F<br />

und Leitlinie l gleichen Abstand haben. Ihre Gleichung ist daher<br />

√<br />

(x − p 2 )2 + y 2 = x + p 2<br />

Quadriert man diese Gleichung und kürzt, so erhält man y 2 = 2px.<br />

Das ist die Gleichung der Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l.<br />

Ist p > 0, dann können nur Punkte rechts von l gleichen Abstand von l<br />

F und l haben. Die Parabel liegt rechts von der Leitlinie l und ist<br />

nach rechts offen, wie in der Zeichnung. Ist p < 0, dann hat man eine Parabel, die links<br />

von der leitlinie l liegt und nach links offen ist (an der y-Achse gespiegelt). Vertauscht<br />

man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte Parabel mit<br />

der Gleichung x 2 = 2py. Sie ist entweder nach oben oder nach unten offen.<br />

Der Punkt (0, 0) erfüllt die Parabelgleichung. Man nennt ihn den Scheitel der Parabel.<br />

F


6. Tangentenkonstruktion<br />

Franz Hofbauer 49<br />

Zwei Gerade, die einander in einem Punkt S schneiden, bilden vier Winkel. Man<br />

erhält zwei Paare von einander gegenüberliegenden Winkeln, die gleich groß sind und eine<br />

gemeinsame Winkelsymmetrale haben, wenn man die Winkelsymmetrale als eine durch den<br />

Schnittpunkt S hindurchgehende Gerade auffasst. Jedes Winkelpaar hat also eine Winkelsymmetrale<br />

und diese beiden Winkelsymmetralen stehen senkrecht aufeinander. Wir<br />

nennen sie einfach die Winkelsymmetralen der einander schneidenden Geraden.<br />

Gegeben ist ein Punkt P auf einem Kegelschnitt. Gesucht ist die Tangente im Punkt<br />

P an den Kegelschnitt. Die folgenden Sätze geben eine Methode zur Konstruktion dieser<br />

Tangente.<br />

Satz 78: Sei P ein Punkt auf einer Ellipse mit Brennpunkten F 1 und F 2 . Sei g die<br />

Winkelsymmetrale der Geraden l(F 1 , P ) und l(F 2 , P ), die die Strecke F 1 F 2 nicht schneidet.<br />

Dann ist g die Tangente an die Ellipse im Punkt P .<br />

Beweis: Sei a die Länge der großen Halbachse. Sei F ∗ 1 der<br />

an g gespiegelte Punkt F 1 . Da P auf g liegt, erhalten wir<br />

|F ∗ 1 P | = |F 1 P |. Da g die Winkelsymmetrale der Geraden<br />

l(F 1 , P ) und l(F 2 , P ) ist, liegt F ∗ 1 auf l(F 2 , P ). Da F ∗ 1 auf<br />

der anderen Seite von g liegt als F 2 , liegen die Punkte F ∗ 1 ,<br />

P und F 2 in dieser Reihenfolge auf l(F 2 , P ). Da weiters P<br />

auf der Ellipse liegt, erhalten wir<br />

|F ∗ 1 F 2 | = |F ∗ 1 P | + |P F 2 | = |F 1 P | + |P F 2 | = 2a<br />

Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Aus<br />

der Dreiecksungleichung folgt |F1 ∗ Q| + |QF 2 | > |F1 ∗ F 2 | = 2a, da Q nicht auf der Geraden<br />

durch F1<br />

∗ und F 2 liegt. Da Q auf der Winkelsymmetrale g liegt, gilt auch |F 1 Q| = |F1 ∗ Q|.<br />

Es folgt |F 1 Q| + |QF 2 | > 2a, das heißt Q liegt außerhalb der Ellipse. Somit liegen alle<br />

Punkte der Gerade g außer P außerhalb der Ellipse. Das beweist, dass g Tangente ist.<br />

Der Satz für die Hyperbel ist sehr ähnlich.<br />

Satz 79: Sei P ein Punkt auf einer Hyperbel mit Brennpunkten F 1 und F 2 . Sei g die<br />

Winkelsymmetrale der Geraden l(F 1 , P ) und l(F 2 , P ), die die Strecke F 1 F 2 schneidet.<br />

Dann ist g die Tangente an die Hyperbel im Punkt P .<br />

Beweis: Wir nehmen an, dass P auf dem rechten Hyperbelast<br />

liegt. Dann gilt |F 1 P | − |P F 2 | = 2a, wobei a die<br />

Länge der Halbachse ist. Sei F<br />

P<br />

1 ∗ der an g gespiegelte Punkt<br />

F 1 . Da P auf g liegt, erhalten wir |F 1 P | = |F1 ∗ P |. Da g<br />

die Winkelsymmetrale der Geraden l(F 1 , P ) und l(F 2 , P )<br />

F<br />

F 2<br />

1<br />

ist, liegt F1<br />

∗ auf l(F 2 , P ), und zwar auf der anderen Seite<br />

von g als F 1 und somit auf derselben Seite von g wie F 2 .<br />

Wegen |F 1 P | − |P F 2 | = 2a gilt auch |F g<br />

1 ∗ P | − |P F 2 | = 2a.<br />

F1<br />

∗<br />

Damit erhalten wir schließlich |F1 ∗ F 2 | = 2a.<br />

Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Aus der Dreiecksungleichung folgt<br />

|F1 ∗ F 2 | + |QF 2 | > |F1 ∗ Q|, da Q nicht auf der Geraden durch F1 ∗ und F 2 liegt. Da Q auf der<br />

Winkelsymmetrale g liegt, gilt auch |F 1 Q| = |F1 ∗ Q|. Es folgt |F 1 Q|−|QF 2 | < |F1 ∗ F 2 | = 2a.<br />

Somit liegt Q auf der Seite des rechten Hyperbelasts, auf der F 1 liegt. Alle Punkte der<br />

Gerade g außer P liegen links vom rechten Hyperbelast. Das zeigt, dass g Tangente ist.<br />

F ∗ 1<br />

F 1<br />

P<br />

F 2<br />

g


50 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Schließlich kommen wir zur Parabel.<br />

Satz 80: Sei P ein Punkt auf einer Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l. Sei h<br />

die Senkrechte auf l durch P und E ihr Schnittpunkt mit l. Sei g die Winkelsymmetrale<br />

der Geraden l(F, P ) und h, die die Strecke F E schneidet. Dann ist g die Tangente an die<br />

Parabel im Punkt P .<br />

Beweis: Es gilt |F P | = |EP |, da P auf der Parabel liegt.<br />

Da weiters g die Symmetrale des Winkels ∠ F P E ist, ist E<br />

der an g gespiegelte Punkt F . Sei jetzt Q irgendein Punkt<br />

auf der Gerade g, der ungleich P ist. Sei D der Fußpunkt<br />

des Lotes von Q auf die Leitlinie l. Wegen Q ≠ P gilt<br />

D ≠ E und daher auch |DQ| < |EQ|. Da E der an der<br />

Gerade g gespiegelte Punkt F ist und Q auf g liegt, gilt<br />

auch |F Q| = |EQ|. Wir erhalten daher |DQ| < |F Q|. Das<br />

zeigt, dass der Abstand von Q zur Leitlinie l kleiner ist als<br />

der zum Brennpunkt F . Somit liegt Q auf der Seite der<br />

Parabel, auf der die Leitlinie l liegt. Da alle Punkte der Gerade g außer P auf dieser Seite<br />

der Parabel liegen, ist g Tangente.<br />

Diese Tangentenkonstruktion hat praktische Anwendungen. Ein Lichtstrahl, der vom<br />

Brennpunkt F 1 einer Ellipse ausgeht, die Ellipse im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt<br />

wird, verläuft dann durch den Brennpunkt F 2 . Der einfallende Lichtstrahl schließt ja mit<br />

der Tangente im Punkt P denselben Winkel ein wie der ausfallende. Da die Tangente<br />

die Winkelsymmetrale der Gerade durch F 1 und P , das ist die Bahn des einfallenden<br />

Lichtstrahls, und der Gerade durch F 2 und P ist, muss der ausfallende Lichtstrahl entlang<br />

dieser zweiten Geraden verlaufen und somit auch durch F 2 . Lichtstrahlen einer Lampe im<br />

Brennpunkt F 1 werden im Brennpunkt F 2 gebündelt.<br />

Ähnliches gilt für die Hyperbel. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F 1 einer Hyperbel<br />

ausgeht, die Hyperbel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verläuft dann so als<br />

ob er aus dem Brennpunkt F 2 kommen würde. Lichtstrahlen einer Lampe im Brennpunkt<br />

F 1 werden gestreut.<br />

Eine Parabel erzeugt parallele Lichtstrahlen. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F<br />

einer Parabel ausgeht, die Parabel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verläuft<br />

dann senkrecht zur Leitlinie l. Die Tangente ist ja die Winkelsymmetrale der Gerade durch<br />

F und P und der Senkrechten auf die Leitlinie l durch P . Lichtstrahlen einer Lampe im<br />

Brennpunkt F werden an der Parabel so reflektiert, dass sie dann senkrecht zur Leitlinie,<br />

also parallel zueinander verlaufen.<br />

E<br />

l<br />

g<br />

F<br />

P<br />

h


7. Tangentengleichung<br />

Franz Hofbauer 51<br />

Wir suchen die Gleichung der Tangente im Punkt (x 0 , y 0 ) an einen Kegelschnitt in<br />

Hauptlage.<br />

Satz 81: Sei (x 0 , y 0 ) ein Punkt auf der Ellipse x2<br />

a 2<br />

in diesem Punkt ist dann xx 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= 1.<br />

2<br />

+ y2<br />

b 2<br />

= 1. Die Gleichung der Tangente<br />

Beweis: Sei u der Vektor vom Brennpunkt (−e, 0) zum Punkt (x 0 , y 0 ) und v der Vektor<br />

vom Brennpunkt (e, 0) zum Punkt (x 0 , y 0 ). Die Tangente ist die Winkelsymmetrale der<br />

beiden Geraden durch den Punkt (x 0 , y 0 ) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwar<br />

1<br />

die, die nicht in dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist<br />

∥u∥ u + 1<br />

∥v∥ v<br />

ein Normalvektor der Tangente.<br />

Es gilt u = ( x 0+e<br />

y 0<br />

) und v = ( x 0−e<br />

y 0<br />

). Da das die Vektoren von den beiden Brennpunkten<br />

zu einem Punkt auf der Ellipse sind, muss ∥u∥ + ∥v∥ = 2a gelten. Um ∥u∥ − ∥v∥ zu<br />

berechnen, berechnen wir zuerst ∥u∥ 2 − ∥v∥ 2 = (x 0 + e) 2 + y0 2 − (x 0 − e) 2 − y0 2 = 4x 0 e.<br />

Dividiert man links durch ∥u∥ + ∥v∥ und rechts durch 2a, was ja das gleiche ist, dann<br />

erhält man ∥u∥ − ∥v∥ = 2x 0e<br />

a .<br />

1<br />

Wir haben uns überlegt, dass<br />

∥u∥ u + 1<br />

∥v∥v ein Normalvektor der Tangente im Punkt<br />

(x 0 , y 0 ) ist. Unter Verwendung obiger Resultate ist dieser gleich<br />

(<br />

1 (x0 +e)∥v∥+(x 0 −e)∥u∥<br />

) (<br />

∥u∥·∥v∥ y 0 ∥v∥+y 0 ∥u∥ =<br />

1 x0 (∥u∥+∥v∥)−e(∥u∥−∥v∥)<br />

) (<br />

∥u∥·∥v∥ y 0 (∥u∥+∥v∥) =<br />

2 a 2 x 0 −e 2 x 0<br />

)<br />

a∥u∥·∥v∥ a 2 y 0<br />

Berücksichtigt man noch, dass a 2 − e 2 = b 2 gilt, dann erhält man, dass auch ( b2 x 0<br />

a 2 y 0<br />

) ein<br />

Normalvektor der Tangente ist. Da die Tangente durch den Punkt (x 0 , y 0 ) verläuft, ist<br />

(x − x 0 )b 2 x 0 + (y − y 0 )a 2 y 0 = 0 ihre Gleichung. Umformen ergibt xx 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= x2 2 0<br />

a<br />

+ y2 2 0<br />

b<br />

. Da<br />

2<br />

(x 0 , y 0 ) ein Punkt auf der Ellipse ist, gilt auch x2 0<br />

a<br />

+ y2 2 0<br />

b<br />

= 1. Damit erhält man xx 2 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= 1<br />

2<br />

als Gleichung der Tangente.<br />

Ein analoges Resultat gilt für die Hyperbel.<br />

Satz 82: Sei (x 0 , y 0 ) ein Punkt auf der Hyperbel x2<br />

in diesem Punkt ist dann xx 0<br />

a<br />

− yy 2 0<br />

b<br />

= 1.<br />

2<br />

a<br />

− y2<br />

2 b 2<br />

= 1. Die Gleichung der Tangente<br />

1<br />

Beweis: Der Beweis verläuft so wie beim vorigen Satz. Nur ist jetzt<br />

∥u∥ u − 1<br />

∥v∥ v ein<br />

Normalvektor der Tangente und es gilt ∥u∥ − ∥v∥ = 2a und ∥u∥ + ∥v∥ = 2x 0e<br />

a . (Am<br />

anderen Ast der Hyperbel muss man a durch −a ersetzen.)<br />

Bei der Parabel ist es einfacher.<br />

Satz 83: Sei (x 0 , y 0 ) ein Punkt auf der Parabel y 2 = 2px. Die Gleichung der Tangente in<br />

diesem Punkt ist dann yy 0 = px + px 0 .<br />

Beweis: Sei u der Vektor vom Brennpunkt ( p 2 , 0) zum Punkt (x 0, y 0 ) und v der Vektor<br />

vom Punkt (x 0 , y 0 ) normal zur Leitlinie und bis zu dieser. Da (x 0 , y 0 ) auf der Parabel liegt,<br />

sind diese beiden Vektoren gleich lang. Die Tangente ist die Winkelsymmetrale der beiden<br />

Geraden durch den Punkt (x 0 , y 0 ) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwar die, die<br />

nicht in dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist u+v ein Normalvektor<br />

der Tangente. Wegen u = 1 2 ( 2x 0−p<br />

2y 0<br />

) und v = 1 2 ( −p−2x 0<br />

0 ) erhalten wir u+v = ( −p<br />

y 0<br />

). Da die<br />

Tangente durch den Punkt (x 0 , y 0 ) verläuft, ist −p(x−x 0 )+y 0 (y −y 0 ) = 0 ihre Gleichung.<br />

Wegen y0 2 = 2px 0 wird das zu yy 0 = px + px 0 .


52 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Wir behandeln noch die Berührbedingungen. Gegeben ist ein Kegelschnitt und eine<br />

Gerade. Gesucht ist eine Bedingung dafür, dass die Gerade Tangente an den Kegelschnitt<br />

ist. Die Geradengleichung schreiben wir in der Form ux + vy = w mit u, v, w ∈ R. Eine<br />

Gerade, die durch den Nullpunkt geht, kann nicht Tangente einer Ellipse oder Hyperbel in<br />

Hauptlage sein, da xx 0<br />

a<br />

± yy 2 0<br />

b<br />

= 1 die Tangentengleichung ist. Daher können wir in diesen<br />

2<br />

Fällen w ≠ 0 annehmen und die Geradengleichung in der Form ux + vy = 1 schreiben.<br />

Satz 84: Die Gerade ux + vy = 1 ist Tangente an die Ellipse x2<br />

a 2<br />

wenn u 2 a 2 + v 2 b 2 = 1 gilt.<br />

+ y2<br />

b 2<br />

= 1 genau dann,<br />

Beweis: Wir nehmen an, dass ux+vy = 1 Tangente ist. Sei (x 0 , y 0 ) der Berührpunkt. Da<br />

er auf der Ellipse liegt, gilt x2 0<br />

a<br />

+ y2 2 0<br />

b<br />

= 1. Die Tangentengleichung ist dann xx 2 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= 1.<br />

2<br />

Das ist dieselbe Gerade wie ux+vy = 1. Es gilt daher u = x 0<br />

a<br />

und v = y 2 0<br />

b<br />

. Es folgt x 2 0 = a 2 u<br />

und y 0 = b 2 v. Setzt man das in die Ellipsengleichung ein, so hat man a4 u 2<br />

a<br />

+ b4 v 2<br />

2 b<br />

= 1.<br />

2<br />

Durch Umformen erhält man u 2 a 2 + v 2 b 2 = 1.<br />

Wir nehmen an, dass u 2 a 2 + v 2 b 2 = 1 gilt. Sei x 0 = a 2 u und y 0 = b 2 v. Dann liegt der<br />

Punkt (x 0 , y 0 ) auf der Ellipse, da ja u 2 a 2 + v 2 b 2 = 1 gilt. Die Gleichung der Tangente in<br />

diesem Punkt ist xx 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= 1. Einsetzen von x 2 0 und y 0 und Kürzen ergibt ux + vy = 1.<br />

Damit ist gezeigt, dass diese Gerade Tangente ist.<br />

Satz 85: Die Gerade ux + vy = 1 ist Tangente an die Hyperbel x2<br />

a 2<br />

wenn u 2 a 2 − v 2 b 2 = 1 gilt.<br />

− y2<br />

b 2<br />

Beweis: Man muss im vorhergehenden Beweis nur b 2 durch −b 2 ersetzen.<br />

= 1 genau dann,<br />

Satz 86: Die Gerade ux + vy = w ist Tangente an die Parabel y 2 = 2px genau dann,<br />

wenn v 2 p = 2uw gilt.<br />

Beweis: Wir nehmen an, dass ux + vy = w Tangente ist. Sei (x 0 , y 0 ) der Berührpunkt.<br />

Da er auf der Parabel liegt, gilt y0 2 = 2px 0 . Die Tangentengleichung ist yy 0 = px + px 0 .<br />

Das ist die Gerade ux + vy = w. Es gilt daher u = λp, v = −λy 0 und w = λpx 0 für ein<br />

λ ∈ R \ {0}. Es folgt u ≠ 0 und λ = u p und daraus x 0 = w u und y 0 = − pv u<br />

. Setzt man das<br />

in die Parabelgleichung ein, so hat man p2 v 2<br />

u<br />

= 2pw<br />

2 u<br />

. Umformen ergibt v2 p = 2uw.<br />

Wir nehmen an, dass v 2 p = 2uw gilt. Es muss u ≠ 0 gelten, sonst wäre auch v null<br />

und wir hätten keine Geradengleichung mehr. Sei x 0 = w u<br />

und y 0 = − pv u<br />

. Dann liegt<br />

der Punkt (x 0 , y 0 ) auf der Parabel, da ja v 2 p = 2uw gilt. Die Gleichung der Tangente in<br />

diesem Punkt ist yy 0 = px + px 0 . Setzt man x 0 und y 0 ein und formt um, dann erhält<br />

man ux + vy = w. Damit ist gezeigt, dass diese Gerade Tangente ist.<br />

Beispiel: Gesucht ist eine Ellipse in Hauptlage, die durch den Punkt (4, 6 5<br />

) geht und die<br />

Gerade 3x + 10y = 25 als Tangente hat.<br />

Die Gleichung der Ellipse ist x2<br />

a<br />

+ y2<br />

2 b<br />

= 1. Es gilt also 16<br />

2 a<br />

+ 36<br />

2 25b<br />

= 1. Die Berührbedingung<br />

2<br />

ist u 2 a 2 + v 2 b 2 = 1. Da die Gerade 3<br />

25 x + 2 9<br />

5y = 1 Tangente ist, gilt auch<br />

625 a2 + 4 25 b2 = 1,<br />

das heißt 25b 2 = 625<br />

4 − 9 4 a2 . Setzt man das in die Gleichung 16<br />

a<br />

+ 36<br />

2 25b<br />

= 1 ein und formt<br />

2<br />

um, so ergibt sich 9a 4 − 625a 2 + 10000 = 0. Löst man diese quadratische Gleichung, so<br />

erhält man a 2 = 25 und a 2 = 400<br />

9<br />

als Lösungen. Aus der Gleichung 25b 2 = 625<br />

4 − 9 4 a2 folgt<br />

dann b 2 = 4 im ersten und b 2 = 9 4<br />

im zweiten Fall.<br />

Wir erhalten die Ellipsen mit Gleichungen x2<br />

25 + y2<br />

9x2<br />

4<br />

= 1 und<br />

400 + 4y2<br />

9<br />

= 1 als Lösungen.<br />

Beide gehen durch den Punkt (4, 6 5<br />

) und haben die Gerade 3x + 10y = 25 als Tangente.


8. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt<br />

Franz Hofbauer 53<br />

Gegeben ist eine Ellipse mit Brennpunkten F 1 und F 2 und großer Halbachse a. Sei P<br />

ein Punkt außerhalb der Ellipse. Die Tangenten von P an die Ellipse sind zu konstruieren.<br />

Wir nehmen die im Beweis von Satz 78 verwendete<br />

Methode zu Hilfe. Wir konstruieren<br />

H<br />

zuerst den Punkt F1 ∗ . Er hat Abstand 2a<br />

von F 2 und von jedem Punkt der Tangente<br />

denselben Abstand wie F 1 , da die Tangente ja P<br />

die Symmetrale der Strecke F 1 F1<br />

∗ ist. Somit<br />

liegt F1 ∗ auf dem Kreis mit Mittelpunkt F 2<br />

und Radius 2a und auf dem Kreis mit Mittelpunkt<br />

P durch F 1 . Diese beiden Kreise<br />

haben zwei Schnittpunkte G und H. Sie spielen<br />

die Rolle des Punktes F1 ∗ . Die Symme-<br />

G<br />

tralen der Strecken F 1 G und F 1 H sind dann<br />

die beiden Tangenten durch P an die Ellipse.<br />

F 1<br />

F 2<br />

Ihre Berührpunkte sind die Schnittpunkte der Geraden l(F 2 , G) und l(F 2 , H) mit der<br />

Ellipse.<br />

Für die Hyperbel funktioniert dieselbe Konstruktion, da auch in diesem Fall der Punkt<br />

F1 ∗ Abstand 2a von F 2 hat und von jedem Punkt der Tangente denselben Abstand wie F 1 .<br />

Im Fall der Parabel ist es ein wenig anders.<br />

Spiegelt man den Brennpunkt F an einer Tangente,<br />

dann erhält man einen Punkt E, der<br />

auf der Leitlinie l liegt. Das wird im Beweis<br />

von Satz 80 gezeigt. Insbesondere hat E<br />

von jedem Punkt der Tangente denselben Abstand<br />

wie F . Wir zeichnen den Kreis mit Mittelpunkt<br />

P durch F . Dann muss E auf diesem<br />

Kreis und auf der Leitlinie liegen. Es gibt<br />

zwei Schnittpunkte G und H dieses Kreises<br />

mit der Leitlinie l. Sie spielen die Rolle des<br />

Punktes E. Daher sind die Symmetralen der<br />

Strecken F G und F H die beiden Tangenten<br />

durch P an die Parabel. Ihre Berührpunkte sind die Schnittpunkte der Senkrechten auf l<br />

durch G und H mit der Parabel.<br />

Polare: Um die Gleichungen der Tangenten von einem Punkt (r, s) an einen Kegelschnitt<br />

zu bestimmen, verwendet man eine Gerade, die Polare zum Punkt (r, s) heißt. Ihre Gleichung<br />

ist dieselbe wie die der Tangente, nur setzt man anstelle des Berührpunktes (x 0 , y 0 )<br />

den Punkt (r, s) ein: Für die Ellipse x2<br />

a<br />

+ y2<br />

2 b<br />

= 1 ist xr<br />

2<br />

a<br />

+ ys<br />

2 b<br />

= 1 die Gleichung der Polare<br />

2<br />

zum Punkt (r, s). Für die Hyperbel x2<br />

a<br />

− y2<br />

2 b<br />

= 1 ist xr<br />

2<br />

a<br />

− ys<br />

2 b<br />

= 1 die Gleichung der Polare<br />

2<br />

zum Punkt (r, s). Für die Parabel y 2 = 2px ist ys = px + pr die Gleichung der Polare zum<br />

Punkt (r, s). Es gilt dann<br />

Satz 87: Sei (r, s) ein Punkt, der nicht auf dem Kegelschnitt liegt. Die Schnittpunkte der<br />

Polare zum Punkt (r, s) mit dem Kegelschnitt sind dann die Berührpunkte der Tangenten<br />

vom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt. Hat die Polare keinen Schnittpunkt mit dem<br />

P<br />

H<br />

G<br />

l<br />

F


54 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Kegelschnitt, dann existieren keine Tangenten vom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt.<br />

Beweis: Wir führen den Beweis nur für die Ellipse x2<br />

a<br />

+ y2<br />

2 b<br />

= 1. Ist (x 2<br />

0 , y 0 ) ein Schnittpunkt<br />

der Polare xr<br />

a<br />

+ ys<br />

2 b<br />

= 1 mit der Ellipse, dann gilt x 0r<br />

2<br />

a<br />

+ y 0s<br />

2 b<br />

= 1. Das heißt, der<br />

2<br />

Punkt (r, s) liegt auf der Tangente der Ellipse, die Berührpunkt (x 0 , y 0 ) hat.<br />

Es existiere eine Tangente vom Punkt (r, s) aus an die Ellipse. Ist (x 0 , y 0 ) ihr Berührpunkt,<br />

dann hat sie die Gleichung xx 0<br />

a<br />

+ yy 2 0<br />

b<br />

= 1. Da (r, s) auf der Tangente liegt, gilt rx 2 0<br />

a<br />

+ sy 2 0<br />

b<br />

= 1.<br />

2<br />

Das aber heißt, dass (x 0 , y 0 ) ein Schnittpunkt der Polare mit der Ellipse ist.<br />

Beispiel: Gesucht sind die Tangenten vom Punkt (1, 2) aus an die Ellipse x2<br />

3 + 2y2<br />

3<br />

= 1. Die<br />

Gleichung der Polaren zum Punkt (r, s) (und auch die der Tangente) ist xr<br />

3 + 2ys<br />

3<br />

= 1. Für<br />

den Punkt (1, 2) ist sie x 3 + 4y 3<br />

= 1 oder x = 3 − 4y. Setzt man das in die Ellipsengleichung<br />

ein, so hat man (3 − 4y) 2 + 2y 2 = 3 oder y 2 − 4 3 y + 1 3 = 0. Die Lösungen sind y 1 = 1<br />

und y 2 = 1 3 , woraus x 1 = −1 und x 2 = 5 3<br />

aus der Gleichung der Polaren folgt. Die<br />

Schnittpunkte der Polaren mit der Ellipse sind daher (−1, 1) und ( 5 3 , 1 3<br />

). Als Gleichungen<br />

der Tangenten in diesen Punkten erhalten wir − x 3 + 2y 3 = 1 und 5x 9 + 2y 9<br />

= 1. Sie gehen<br />

durch den Punkt (1, 2).<br />

9. Hauptachsentransformation<br />

Wir wollen Kegelschnitte untersuchen, die nicht in Hauptlage liegen. Sie sollen durch<br />

Drehungen und Translationen in Hauptlage gebracht werden.<br />

Um die Vektorschreibweise verwenden zu können, schreiben wir jetzt x 1 und x 2 anstelle<br />

von x und y und bezeichnen den Vektor ( x 1<br />

x 2<br />

) mit x.<br />

Kurven in der Ebene stellt man allgemein durch Gleichungen g(x) = 0 dar, wobei g eine<br />

Funktion von R 2 nach R ist. Für g(x 1 , x 2 ) = x2 1<br />

a<br />

+ x2 2 2<br />

b<br />

− 1 ist die Kurve zum Beispiel eine<br />

2<br />

Ellipse und für g(x 1 , x 2 ) = x 2 2 −px 1 ist sie eine Parabel. Wir überlegen uns zuerst, wie sich<br />

die Gleichung einer Kurve verändert, wenn wir auf die Kurve eine Isometrie L anwenden.<br />

Satz 88: Die Menge K = {x ∈ R 2 : g(x) = 0} sei eine Kurve im R 2 , wobei g : R 2 → R<br />

eine Funktion ist. Sei L : R 2 → R 2 eine Isometrie und h = g ◦ L. Für die Kurve<br />

˜K = {x ∈ R 2 : h(x) = 0} gilt dann L( ˜K) = K. Die Isometrie L führt die neue Kurve ˜K<br />

in die alte Kurve K zurück.<br />

Beweis: Es gilt x ∈ ˜K ⇔ h(x) = 0 ⇔ g(L(x)) = 0 ⇔ L(x) ∈ K. Damit ist x ∈ ˜K ⇔<br />

L(x) ∈ K gezeigt, das heißt L( ˜K) = K.<br />

Wir untersuchen Kurven g(x) = 0, wobei g(x) ein Polynom in zwei Variablen vom Grad 2<br />

ist, das heißt g(x 1 , x 2 ) = a 1 x 2 1 +a 2 x 2 2 +2a 3 x 1 x 2 +b 1 x 1 +b 2 x 2 +c mit rellen Koeffizienten a 1 ,<br />

a 2 , a 3 , b 1 , b 2 und c. Der Faktor 2 beim Koeffizienten a 3 dient der bequemeren Darstellung.<br />

Wir wollen herausfinden, welche Kurven das sind. Wir suchen Isometrien, die diese Kurven<br />

in eine bekannte Form bringen.<br />

Zuvor bringen wir dieses Polynom mit Hilfe von Matrizen in eine bequemere Form.<br />

Wir setzen A = ( a 1 a 3<br />

a 3 a 2<br />

) und b = ( b 1<br />

b 2<br />

). Dann gilt b t x = (b 1 b 2 )( x 1<br />

x 2<br />

) = b 1 x 1 + b 2 x 2 und<br />

x t Ax = (x 1 x 2 )( a 1 a 3<br />

a 3 a 2<br />

)( x 1<br />

x 2<br />

) = (x 1 x 2 )( a 1x 1 +a 3 x 2<br />

a 3 x 1 +a 2 x 2<br />

) = a 1 x 2 1 + a 3 x 1 x 2 + a 3 x 2 x 1 + a 2 x 2 2 =<br />

a 1 x 2 1 + a 2 x 2 2 + 2a 3 x 1 x 2 . Damit erhalten wir<br />

g(x) = x t Ax + b t x + c


Franz Hofbauer 55<br />

Durch Anwenden einer entsprechenden Drehung auf die Kurve mit der Gleichung g(x) = 0<br />

versuchen wir, den Koeffizienten von x 1 x 2 zum Verschwinden zu bringen. Wir nehmen<br />

daher an, dass a 3 ≠ 0 gilt, sonst ist ja nichts zu tun. Eine Drehung um den Koordinatenursprung<br />

hat die Matrix R = ( u 1 v 1<br />

u 2 v 2<br />

), wobei u und v Vektoren der Länge 1 mit<br />

⟨u, v⟩ = 0 sind. Nach Satz 88 ist g(Rx) = 0 die Kurve, die durch die Drehung mit Matrix<br />

R in die vorliegende Kurve g(x) = 0 übergeht. Wegen (Rx) t = x t R t erhalten wir<br />

( ∗ ) g(Rx) = x t R t ARx + b t Rx + c<br />

Wir bestimmen R so, dass R t AR = ( λ 1 0<br />

0 λ2<br />

) gilt mit λ 1 und λ 2 in R. Dann gilt nämlich<br />

x t R t ARx = λ 1 x 2 1 + λ 2 x 2 2, das heißt x 1 x 2 kommt nicht mehr vor.<br />

Die Matrix R t AR hat Eintragung u t Av rechts oben und v t Au links unten. Es muss also<br />

u t Av = 0 und v t Au = 0 gelten, das heißt ⟨u, Av⟩ = 0 und ⟨v, Au⟩ = 0. Wegen ⟨u, v⟩ = 0<br />

stehen Au und u senkrecht auf v, das heißt Au = λ 1 u für ein λ 1 ∈ R. Ebenso stehen<br />

Av und v senkrecht auf u, das heißt Av = λ 2 v für ein λ 2 ∈ R. Somit sind λ 1 und λ 2<br />

Eigenwerte der Matrix A und u und v sind zugehörige Eigenvektoren.<br />

Wegen Satz 71 sind λ 1 und λ 2 reell und verschieden. Weiters sind die Eigenvektoren<br />

u und v zueinander orthogonal. Da jedes Vielfache von u ebenfalls Eigenvektor zum<br />

Eigenwert λ 1 ist, können wir den Vektor u so wählen, dass er Länge 1 hat. Es existiert<br />

ein Winkel α mit u = ( cos α<br />

sin α ). Da v senkrecht auf den Vektor u steht, ist der Vektor<br />

w = ( − sin α<br />

cos α<br />

) ein Vielfaches von v. Da aber jedes Vielfache von v ebenfalls Eigenvektor<br />

zum Eigenwert λ 2 ist, können wir v = w wählen. Somit ist R = ( cos sin α α − cos sin α α ) die gesuchte<br />

Matrix, die den Koeffizienten von x 1 x 2 zum Verschwinden bringt.<br />

Sei h(x) = g(Rx). Um herauszufinden, welche Kurve durch g(x) = 0 gegeben ist, genügt<br />

es die neue Kurve h(x) = 0 zu untersuchen. Nach ( ∗ ) gilt h(x) = x t R t ARx + b t Rx + c.<br />

Nun ist b t R ein Zeilenvektor, den wir mit d t bezeichnen. Da u t Au = u t λ 1 u = λ 1 u t u = λ 1<br />

und v t Av = v t λ 2 v = λ 2 v t v = λ 2 gilt, ergibt sich R t AR = D = ( λ 1 0<br />

0 λ2<br />

). Es folgt<br />

h(x) = x t Dx + d t x + c = λ 1 x 2 1 + λ 2 x 2 2 + d 1 x 1 + d 2 x 2 + c<br />

Jetzt kommt x 1 x 2 nicht mehr vor.<br />

Um die Gleichung h(x) = 0 in eine bekannte Form zu bringen, müssen wir noch eine<br />

Translation durchführen. Wir behandeln zuerst den Fall, dass λ 1 und λ 2 beide ungleich 0<br />

sind. In diesem Fall können wir auf vollständige Quadrate ergänzen. Wir erhalten<br />

h(x) = λ 1 x 2 1 + d 1 x 1 + d2 1<br />

4λ 1<br />

+ λ 2 x 2 2 + d 2 x 2 + d2 2<br />

4λ 2<br />

− e = λ 1 (x 1 + d 1<br />

2λ 1<br />

) 2 + λ 2 (x 2 + d 2<br />

2λ 2<br />

) 2 − e<br />

mit e = d2 1<br />

4λ 1<br />

+ d2 2<br />

4λ 2<br />

− c Setzt man r = d 1<br />

2λ 1<br />

und s = d 2<br />

2λ 2<br />

, dann führt die Translation<br />

T (x) = x − ( r s ) die Kurve h(x) = 0 über in<br />

λ 1 x 2 1 + λ 2 x 2 λ<br />

2 = e oder 1<br />

e<br />

x 2 1 + λ 2<br />

e<br />

x 2 2 = 1<br />

Sind λ 1<br />

e<br />

und λ 2<br />

e<br />

beide > 0, dann hat man eine Ellipse. Ist eine dieser Zahlen positiv,<br />

die andere negativ, dann hat man eine Hyperbel. Sind beide negativ, dann ist die Kurve<br />

die leere Menge. Ist e = 0, dann kann man gar nicht durch e dividieren. Haben in<br />

diesem Fall λ 1 und λ 2 gleiches Vorzeichen, dann besteht die Kurve nur aus einem Punkt.<br />

Haben sie verschiedenes Vorzeichen, dann besteht die Kurve aus einem sich schneidenden<br />

Geradenpaar.<br />

Wir behandeln noch den Fall, dass λ 1 oder λ 2 gleich 0 ist, sagen wir es sei λ 2 . Es sei<br />

aber λ 1 ≠ 0, sonst ist h(x) = 0 ja nur eine Geradengleichung, und d 2 ≠ 0, sonst kommt ja


56 Isometrien und Kegelschnitte<br />

x 2 gar nicht mehr vor, was senkrechte Geraden oder die leere Menge ergibt. Es gilt also<br />

h(x) = λ 1 x 2 1 + d 1 x 1 + d 2 x 2 + c<br />

In diesem Fall erhalten wir durch Ergänzen auf ein vollständiges Quadrat<br />

h(x) = λ 1 x 2 1 + d 1 x 1 + d2 1<br />

4λ 1<br />

+ d 2 x 2 + e = λ 1 (x 1 + d 1<br />

2λ 1<br />

) 2 + d 2 (x 2 + e<br />

d 2<br />

)<br />

mit e = c− d2 1<br />

4λ 1<br />

. Setzt man r = d 1<br />

2λ 1<br />

und s = e<br />

d 2<br />

, dann führt die Translation T (x) = x−( r s )<br />

die Kurve h(x) = 0 über in x 2 1 = −d 2<br />

λ 1<br />

x 2 . Das ist die Gleichung einer Parabel.<br />

Es folgen Beispiele für Hauptachsentransformationen. Ein Kegelschnitt in allgemeiner<br />

Lage ist durch eine Drehung und eine Translation in Hauptlage zu bringen. Wir kehren<br />

wieder zur gewohnten Schreibweise zurück und schreiben x und y anstelle von x 1 und x 2 .<br />

Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die Gleichung<br />

6xy + 8y 2 − 24x − 52y + 71 = 0<br />

dargestellt? Er soll durch eine Drehung und eine Translation in Hauptlage gebracht werden.<br />

Wir haben A = ( 0 3 3 8 ) und bt = (−24 − 52). Das charakteristische Polynom der Matrix<br />

A ist | −λ 3<br />

3 8−λ | = −λ(8 − λ) − 9 = λ2 − 8λ − 9. Die Eigenwerte sind λ 1,2 = 4 ± √ 25,<br />

das heißt λ 1 = 9 und λ 2 = −1. Die Eigenvektoren sind Lösungen der Gleichungssysteme<br />

( −9 3<br />

3 −1 )u = 0 und ( 1 3<br />

3 9 )v = 0. Wir erhalten u = ( 1 −3<br />

3 ) und v = ( 1 ). Es sind dann<br />

√1<br />

10<br />

( 1 3 ) und √ 1<br />

10<br />

( −3 ) Eigenvektoren der Länge 1. Diese beiden Vektoren sind die Spalten<br />

1<br />

der Rotationsmatrix R. Wir erhalten also R = 1 √<br />

10<br />

( 1 3<br />

−3<br />

1 ). Schließlich berechnen wir<br />

d t = b t R = (−24 − 52) 1 √<br />

10<br />

( 1 3 −3<br />

1 ) = (−18√ 10 2 √ 10). Wir erhalten den Kegelschnitt<br />

9x 2 − y 2 − 18 √ 10x + 2 √ 10y + 71 = 0<br />

der durch eine Rotation mit Matrix R in den gegebenen Kegelschnitt übergeführt wird.<br />

In dieser Gleichung müssen wir auf vollständige Quadrate ergänzen. Das führt zu<br />

9(x 2 −2 √ 10x+10)−(y 2 −2 √ 10y +10)−80+71 = 0 oder 9(x− √ 10) 2 −(y − √ 10) 2 = 9<br />

Eine entsprechende Translation führt schließlich zu der Gleichung x 2 − 1 9 y2 = 1. Das ist<br />

eine Hyperbel in Hauptlage mit a = 1 und b = 3.<br />

Beispiel: Wir ändern im letzten Beispiel nur die Konstante 71 auf 80. Das ergibt die<br />

Gleichung 6xy + 8y 2 − 24x − 52y + 80 = 0. Dieselbe Rechnung wie oben führt dann zu<br />

9(x 2 −2 √ 10x+10)−(y 2 −2 √ 10y +10)−80+80 = 0 oder 9(x− √ 10) 2 −(y − √ 10) 2 = 0<br />

Führen wir noch eine entsprechende Translation durch, dann erhalten wir 9x 2 − y 2 = 0,<br />

das ist (3x − y)(3x + y) = 0. Die Kurve besteht aus den beiden Geraden 3x − y = 0 und<br />

3x + y = 0. Die ursprüngliche Kurve erhält man durch eine Translation und eine Drehung.<br />

Daher besteht sie ebenfalls aus zwei Geraden, die einander schneiden.<br />

Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die Gleichung<br />

x 2 + 2xy + y 2 + 6x + 2y = 0<br />

dargestellt? Er soll durch eine Drehung und eine Translation in Hauptlage gebracht werden.<br />

Wir haben A = ( 1 1 1 1 ) und bt = (6 2). Das charakteristische Polynom der Matrix A ist<br />

| 1−λ 1<br />

1 1−λ | = (1 − λ)2 − 1 = λ 2 − 2λ. Die Eigenwerte sind λ 1 = 0 und λ 2 = 2. Die<br />

Eigenvektoren sind Lösungen der Gleichungssysteme ( 1 1 1 −1 1<br />

1 )u = 0 und ( 1 −1 )v = 0. Wir<br />

erhalten u = ( −1 1 ) und v = ( 1 1 ). Es sind dann √ 1 2<br />

( −1 1 ) und √ 1<br />

2<br />

( 1 1 ) Eigenvektoren der


Franz Hofbauer 57<br />

Länge 1. Sie sind die Spalten der Rotationsmatrix R, also R = √ 1 2<br />

( 1 1<br />

−1 1 ). Schließlich<br />

berechnen wir d t = b t R = (6 2) √ 1 2<br />

( −1 1 1 1 ) = (2√ 2 4 √ 2). Wir erhalten den Kegelschnitt<br />

2y 2 + 2 √ 2x + 4 √ 2y = 0 oder y 2 + √ 2x + 2 √ 2y = 0<br />

der durch eine Rotation mit Matrix R in den gegebenen Kegelschnitt übergeführt wird.<br />

In dieser Gleichung müssen wir auf ein vollständiges Quadrat ergänzen. Das führt zu<br />

(y 2 + 2 √ 2y + 2) + √ 2x − 2 = 0 oder (y + √ 2) 2 + √ 2(x − √ 2) = 0<br />

Eine entsprechende Translation führt schließlich zu der Gleichung y 2 = − √ 2x. Das ist<br />

eine Parabel in Hauptlage mit p = − 1 √<br />

2<br />

.<br />

10. Leitlinie und Polarkoordinaten<br />

Üblicherweise werden die Kegelschnitte unterschiedlich definiert. Während Ellipse und<br />

Hyperbel mit Hilfe von zwei Brennpunkten definiert werden, wird bei der Parabel ein<br />

Brennpunkt und eine Leitlinie verwendet. Man kann jedoch die Kegelschnitte auch einheitlich<br />

mit Hilfe eines Brennpunktes und einer Leitlinie definieren.<br />

Seien c und d reelle Zahlen. Sei (c, 0) der Brennpunkt F und die Senkrechte zur x-Achse<br />

durch d sei die Leitlinie l. Sei weiters q > 0. Wir suchen die Menge aller Punkte (x, y),<br />

deren Abstand zum Brennpunkt F das q-fache des Normalabstandes zur Leitlinie l ist.<br />

Der Abstand von (x, y) zum Brennpunkt (c, 0) ist √ (x − c) 2 + y 2 . Der Normalabstand<br />

von (x, y) zur Leitlinie ist |x − d|. Wir erhalten daher die Gleichung<br />

√<br />

(x − c)2 + y 2 = q|x − d| oder (x − c) 2 + y 2 = q 2 (x − d) 2<br />

Ausquadrieren und Zusammenfassen ergibt<br />

( ∗ ) x 2 (1 − q 2 ) + 2x(q 2 d − c) + c 2 − q 2 d 2 + y 2 = 0<br />

Wir unterscheiden die Fälle q = 1 und q ≠ 1.<br />

Parabel: Im Fall q = 1 ist der Abstand des Punktes (x, y) zum Brennpunkt und zur<br />

Leitlinie gleich groß. Das ist die Definition der Parabel, die wir schon früher hatten. Setzt<br />

man q = 1 in die Gleichung ( ∗ ) ein, so ergibt sich<br />

2x(d − c) + c 2 − d 2 + y 2 = 0 oder y 2 = 2(c − d)(x − c+d<br />

2 )<br />

Hier sieht man ebenfalls, dass eine Parabel vorliegt, die durch eine Translation in Hauptlage<br />

mit Gleichung y 2 = 2(c − d)x übergeführt werden kann.<br />

Ellipse und Hyperbel: Sei jetzt q ≠ 1. In diesem Fall kann man die Gleichung ( ∗ )<br />

weiter umformen. Ergänzen auf vollständige Quadrate ergibt<br />

(1 − q 2 )(x 2 + 2x q2 d−c<br />

1−q<br />

+ ( q2 d−c<br />

2 1−q<br />

) 2 ) + y 2 = q 2 d 2 − c 2 + (q2 d−c) 2<br />

2 1−q 2<br />

Rechnet man die rechte Seite aus, kürzt und fasst zusammen, so erhält man<br />

(1 − q 2 )(x + q2 d−c<br />

1−q<br />

) 2 + y 2 = q2 (d−c) 2<br />

2 1−q 2<br />

Dividiert man noch durch die rechte Seite, so hat man<br />

(1−q 2 ) 2<br />

q 2 (d−c)<br />

(x + q2 d−c<br />

2 1−q<br />

) 2 +<br />

1−q2<br />

2 q 2 (d−c)<br />

y 2 = 1<br />

2<br />

Durch eine entsprechende Translation kann man den Kegelschnitt in Hauptlage bringen<br />

(1−q 2 ) 2<br />

q 2 (d−c) 2 x 2 +<br />

1−q2<br />

q 2 (d−c)<br />

y 2 = 1<br />

2<br />

Man sieht, dass der Koeffizient von x 2 immer > 0 ist, der Koeffizient von y 2 kann beide<br />

Vorzeichen haben.


58 Isometrien und Kegelschnitte<br />

Gilt 0 < q < 1, dann ist auch der Koeffizient von y 2 positiv. Es liegt eine Ellipse vor<br />

mit a 2 = q2 (d−c) 2<br />

(1−q 2 )<br />

und b 2 = q2 (d−c) 2<br />

2 1−q<br />

. Es folgt b2<br />

2<br />

a<br />

= 1 − q 2 und daraus q 2 = a2 −b 2<br />

2 a<br />

= e2<br />

2 a<br />

, 2<br />

also q = e a . Weiters folgt (d − c)2 = b 2 1−q2<br />

q<br />

= b4<br />

2 e<br />

, das heißt |d − c| = b2 2 e<br />

. Bei der Ellipse ist<br />

der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich b2 e und der Quotient q gleich e a .<br />

Gilt q > 1, dann ist der Koeffizient von y 2 negativ. Es liegt eine Hyperbel vor mit<br />

a 2 = q2 (d−c) 2<br />

(1−q 2 )<br />

und b 2 = q2 (d−c) 2<br />

2 q 2 −1<br />

. Es folgt b2<br />

a<br />

= q 2 − 1 und daraus q 2 = a2 +b 2<br />

2 a<br />

= e2<br />

2 a<br />

, also<br />

2<br />

wieder q = e a . Weiters folgt (d − c)2 = b 2 q2 −1<br />

q<br />

= b4<br />

2 e<br />

, das heißt |d − c| = b2 2 e<br />

. Auch bei<br />

der Hyperbel ist der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich b2 e<br />

und der Quotient q<br />

gleich e a . Nur ist e a<br />

im Gegensatz zur Ellipse jetzt > 1.<br />

Bei einer Ellipse zeichnet man links vom linken Brennpunkt F 1 und rechts vom rechten<br />

Brennpunkt F 2 jeweils im Abstand b2 e<br />

senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Ellipse<br />

ist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F 1 das e a-fache des<br />

Abstandes zur Leitlinie l 1 ist. Genau dieselbe Aussage gilt auch für F 2 und l 2 .<br />

F 1<br />

F 1 F 2<br />

l 1<br />

F 2<br />

l 2<br />

l 1<br />

l 2<br />

Bei einer Hyperbel zeichnet man rechts vom linken Brennpunkt F 1 und links vom rechten<br />

Brennpunkt F 2 jeweils im Abstand b2 e<br />

senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Hyperbel<br />

ist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F 1 das e a -fache<br />

des Abstandes zur Leitlinie l 1 ist. Genau dieselbe Aussage gilt auch für F 2 und l 2 .<br />

Polarkoordinaten: Anstatt durch die Koordinaten x und y wird ein Punkt P durch<br />

seinen Abstand r vom Nullpunkt O und durch den Winkel φ, den der Vektor −→ OP mit<br />

der positiven x-Achse einschließt, dargestellt. Die Umrechnung erfolgt durch die Formeln<br />

x = r cos φ und y = r sin φ. Es soll eine Polarkoordinatendarstellung der Kegelschnitte<br />

gefunden werden, bei der ein Brennpunkt im Nullpunkt O liegt.<br />

Wir nehmen an, dass d > 0 gilt und die Leitlinie senkrecht zur x-Achse durch d verläuft.<br />

Der Brennpunkt liegt dann links von der Leitlinie. Wir wissen bereits, dass dann im Fall<br />

einer Ellipse oder Parabel die gesamte Kurve, im Fall einer Hyperbel jedoch nur der linke<br />

Ast links von der Leitlinie liegt. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat und links<br />

von der Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt, der ja im Nullpunkt liegt, und<br />

Abstand d − r cos φ von der Leitlinie. Ein Punkt liegt auf dem Kegelschnitt, wenn diese<br />

Abstände Verhältnis q haben. Die Kegelschnittgleichung ist daher<br />

r = q(d − r cos φ) oder r =<br />

qd<br />

1+q cos φ<br />

Für 0 < q < 1 stellt diese Gleichung eine Ellipse dar, für q = 1 eine Parabel und für q > 1


Franz Hofbauer 59<br />

den linken Ast einer Hyperbel. (Bei der Hyperbel läuft φ nur in dem Intervall für das<br />

cos φ > − 1 q gilt, das ist das Intervall (− arccos(− 1 q ), arccos(− 1 q<br />

)), sonst ist r negativ.)<br />

Will man den rechten Ast der Hyperbel erhalten, dann muss man Punkte rechts von der<br />

Leitlinie betrachten. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat und rechts von der<br />

Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt und Abstand r cos φ − d von der Leitlinie.<br />

Die Kegelschnittgleichung ist daher<br />

r = q(r cos φ − d) oder r =<br />

qd<br />

q cos φ−1<br />

Für q ≤ 1 gibt es keinen Punkt, der diese Gleichung erfüllt, da r ja > 0 sein muss. (Ellipse<br />

und Parabel liegen zur Gänze links von der Leitlinie.) Für q > 1 stellt diese Gleichung<br />

den rechten Ast einer Hyperbel dar. (Dabei läuft φ nur in dem Intervall für das cos φ > 1 q<br />

gilt, das ist das Intervall (− arccos 1 q , arccos 1 q<br />

), sonst ist r negativ.)


Inhaltsverzeichnis<br />

I. <strong>Elementargeometrie</strong> 1<br />

1. Einleitung 1<br />

2. Der Strahlensatz 3<br />

3. Das Dreieck 8<br />

4. Beweisen mit Hilfe von Abbildungen 12<br />

5. Der Satz von Pythagoras 15<br />

6. Der Kreis 17<br />

7. Sehnen- und Sekantensatz 20<br />

8. Inkreis, Ankreise und Umkreis 21<br />

II. Trigonometrie 22<br />

1. Trigonometrische Funktionen 22<br />

2. Die besonderen Punkte des Dreiecks 24<br />

3. Die Sätze von Napoleon und Morley 26<br />

4. Komplexe Zahlen und Polarkoordinaten 28<br />

III. Koordinaten und Vektoren 31<br />

1. Inneres Produkt und Vektorprodukt 31<br />

2. Determinante und Geraden 32<br />

3. Die besonderen Punkte des Dreiecks 35<br />

4. Der Umkreis 37<br />

5. Die Steinerschen Geraden 37<br />

6. Der Feuerbachkreis 39<br />

IV. Isometrien und Kegelschnitte 41<br />

1. Lineare Abbildungen 41<br />

2. Eigenwerte und Eigenvektoren 42<br />

3. Symmetrische Matrizen 44<br />

4. Isometrien der Ebene 45<br />

5. Kegelschnitte 47<br />

6. Tangentenkonstruktion 49<br />

7. Tangentengleichung 51<br />

8. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt 53<br />

9. Hauptachsentransformation 54<br />

10. Leitlinie und Polarkoordinaten 57

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