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Katrin Marfurt-Russenberger

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Schmerzbewältigung von Kindern und Jugendlichen<br />

<strong>Katrin</strong> <strong>Marfurt</strong>‐<strong>Russenberger</strong> RN, BSN, Diasan GmbH<br />

Ketsia Schwab, RN, MAS applied ethics, Universitätsklinik tsklinik für f<br />

Kinderheilkunde, Inselspital Bern


Alte Zöpfe und Modetrends von der<br />

Frühgeburt bis zum Jugendlichen<br />

• Haben Frühgeborene Schmerzen ‐<br />

und wollen Eltern in der Schmerzbewältigung<br />

mitarbeiten?<br />

• Smiley oder Bieri –das ist hier<br />

die Frage!<br />

• Jugendliche und Schmerzen<br />

2


Alte Zöpfe ‐ Mythen<br />

• Frühgeborene haben keine Schmerzen<br />

• Kinder haben weniger Schmerzen als Erwachsene<br />

• Kinder vergessen die erlittenen Schmerzen<br />

• Kinder haben vor allem Angst und nicht Schmerzen<br />

• Kinder werden durch Opiate für f r späteres<br />

Suchtverhalten prädisponiert<br />

• Kinder, die lachen und auf dem<br />

Bett herumspringen, können k<br />

keinen Schmerzindex von 10 haben!<br />

3


Frühgeborene haben keine Schmerzen<br />

Wie es zum Berner Schmerzscore kam<br />

• Chefwechsel<br />

• Engagierte Personen<br />

• Systematik<br />

• 1996: Bericht „Schmerzen auf der Neonatologischen<br />

Intensivstation (Stoffel, Dyla)<br />

4


Geschichte Berner Schmerzscore<br />

• Literatursuche<br />

• Systematische Beobachtung von Kindern<br />

• Entwicklung von Beurteilungskriterien: Ziel<br />

Objektivierung von Schmerz<br />

• Testphase : 10 Kinder, zwischen 570 und 1510 g bei<br />

Geburt. 27 Beurteilungen durch je zwei unabhängige<br />

Beobachterinnen<br />

5


Score für Testphase, Grenzwert 7 Punkte (Stoffel, Dyla 1996)<br />

Kriterium 0 1 2<br />

Schlafsituation während den<br />

letzten 30 Minuten<br />

Ruhiger Schlaf ≥ 10 Min Kurze Periode ≥ 5 Min Kein Schlaf<br />

Weinen normal vermehrt vermehrt , schrill<br />

Beruhigen, Trösten < 1 Min. beruhigen < 2 Min. beruhigen > 2 Minuten<br />

Apathie, Erschöpfung Normale Reaktion bei Reiz Wenig Reaktion bei Reiz Keine Reaktion bei Reiz<br />

Saugreflex Rhythmisch, friedlich Start, unterbrochen durch weinen keinen<br />

Hautfarbe rosig Leicht blass, ev. marmoriert Blass, marmoriert, zyanotisch<br />

Schmerzhafte Mimik (Stirnrunzeln,<br />

verkniffenes Gesicht)<br />

Verkrampfen von Händen,<br />

Füssen, Armen und Beinen<br />

Gesicht entspannt Wenig vorhanden Stark vorhanden<br />

entspannt wechselnd verkrampft<br />

Reizbarkeit ruhig Angespannt bei Berührung Angespannt und Weinen bei<br />

Berührung<br />

Zwischentotal<br />

Herzfrequenz Normal (Ausgangs‐/Normwert) Höher als normal ≥ 20 Deutlich höher als normal ≥ 35<br />

Blutdruck Normal (Ausgangs‐/Normwert) Höher als ≥ 10 Deutlich höher als ≥ 20<br />

Sauerstoffbedarf Kein Anstieg Leichter Anstieg ≤ 10 Deutlicher Anstieg > 10<br />

Kohlendioxid Kein CO2 ‐ Anstieg Leichter CO2 –Anstieg ≥ 5 Deutlicher CO2 –Anstieg ≥ 10<br />

Total<br />

6


Aus dem Bericht:<br />

„Der Schmerzscore wird uns in Zukunft als Instrument<br />

zur Schmerzbeurteilung der Kinder dienen sowie als<br />

Diskussionsgrundlage zwischen Pflegenden und<br />

Ärzten/innen zur Abklärung einer möglichen<br />

Schmerzmittelgabe. (...) Er unterstützt uns in unserer<br />

Argumentation und fördert die Kommunikation<br />

zwischen Pflegenden und anderen Fachbereichen.“<br />

(Stoffel/Dyla, 1996)<br />

7


Erleben der Eltern (Franck et al., 2005, 2012)<br />

Kindlicher Schmerz löst Stress aus<br />

Eltern sind nicht vorbereitet auf den<br />

Schmerz und auf dessen<br />

Auswirkungen<br />

Eltern erlebten negative<br />

Interaktionen mit einzelnen<br />

Fachpersonen, wenn sie ihre<br />

Bedenken im Zusammenhang mit<br />

dem kindlichem Schmerz äusserten<br />

Eltern spürten Barrieren, wenn sie<br />

ihre Beschützerrolle für das Kind<br />

wahrnehmen wollten<br />

Eltern fühlten sich unsicher/unfähig,<br />

ihrem Kind Schutz oder Linderung zu<br />

bieten<br />

Massnahmen zur Stressreduktion<br />

Eltern erhalten Informationen zu<br />

Schmerz und Schmerzbewältigung<br />

Eltern werden aktiv unterstützt in<br />

der Ausübung der Elternrolle und<br />

ihrer Schutzfunktion und wie sie das<br />

Kind trösten können<br />

Eltern werden aktiv unterstützt und<br />

ermutigt das Kind während<br />

schmerzhaften Prozeduren zu<br />

betreuen


Eltern möchten wissen (Franck et al., 2004/2005/2012, Gale et al., 2004)<br />

• Wie spüren Frühgeborene Schmerzen?<br />

• Was verursacht Schmerzen? (spezifisch welche Prozeduren)<br />

• Wie können Schmerzzeichen erkannt werden und wie können<br />

Schmerzen gelindert werden? (Pro und contra)<br />

• Was können Eltern tun für die Schmerzlinderung?<br />

• Was können Schmerzen für Auswirkungen haben (Langzeit)?<br />

• Einige Eltern<br />

• Warum werden schmerzlindernde Massnahmen nicht immer<br />

angewendet und wie wird darüber entschieden, dass ein<br />

Schmerzmedikament gestoppt wird?<br />

• Weiterführend<br />

• Schmerzmanagement zu Hause<br />

Achtung Individualität


Schmerzerfassung deutschsprachige CH: Validierung<br />

0 –1 Jahr 1 –5 Jahre 6 –12 Jahre Ab 12 Jahren<br />

• NIPS: 0 –1 • KUSS: 0 –5<br />

• Gesichter • VAS<br />

Skalen<br />

• BSN: ab<br />

Geburt –4 Wo<br />

n. errechnetem<br />

Geburtstermin<br />

• KUSS: 0 ‐ 5<br />

• Hester Poker<br />

Chips: ab 4<br />

• Gesichter Skalen<br />

Bieri: 4 –12<br />

Smiley: nicht<br />

validiert<br />

• CHEOPS: 1 –5<br />

• VAS: unterschiedliche<br />

Angaben<br />

ca. ab 12 Jahren<br />

3 –18 Jahre<br />

NCCPC‐R/PV: Kinder mit kognitiver Einschränkung<br />

10


Smiley oder Bieri –das ist hier die Frage!<br />

(Behrens &<br />

Langer, 2010)<br />

11


Bieri – Gesichterskala<br />

0 1 2 3 4 5 6<br />

• Selbsteinschätzungsskala, = / > 4 Jahre<br />

• Kinderzeichnungen<br />

• Validierung: Bieri D. et al (1990)<br />

• The faces pain scale –revised: toward a common metric in<br />

pediatric pain measurement : Hicks C.L. et. al. (2001)<br />

12


• Selbsteinschätzungsskala, 3 –18 Jahre<br />

• 6 gezeichnete Gesichter<br />

• Validierung: Wong & Baker, 1988<br />

www.wongbakerfaces.org<br />

13


Vergleiche verschiedener Instrumente<br />

• Chambers, Ch.T., Giesbrecht, K., Craig, K.D., Bennett,<br />

S.M., & Huntsman, E. (1999). A comparison of faces<br />

scales for the measurement of pediatric pain:<br />

children‘s and parents ratings. Pain, 83, 25 –35.<br />

• Stinson, J.N., Kavanagh, T., Yamada, J., Gill, N., &<br />

Stevens, B. (2006). Systematic review of the<br />

psychometric properties, interpretability and<br />

feasibility of self‐report pain intensity measures for<br />

use in clinical trials in children and adolescents. Pain,<br />

125, 143 – 157.<br />

14


Smiley oder Bieri –das ist hier die Frage!<br />

(Behrens &<br />

Langer, 2010)<br />

15


Interventionen bei Schmerzen<br />

Medikamentös Physikalisch/kutan Psychologisch<br />

Glucose<br />

Nichtopioide<br />

Analgetika NSAID<br />

Opiate<br />

Palliativsituation:<br />

Schlaflosigkeit:<br />

Benzodiazepine,<br />

Neuroleptika,<br />

sedierende<br />

Antidepressiva<br />

Beeinflussung<br />

Schmerzen in Ruhe<br />

und Bewegung<br />

Wärme und Kälte<br />

Bewusstes Atmen<br />

Verändern von<br />

Bewertungen und<br />

Emotionen<br />

Ablenkung<br />

Soziales Umfeld<br />

einbeziehen<br />

Depression/Angst:<br />

Antidepressiva<br />

16


Vorstellungen eines Knaben: was hilft gegen<br />

Schmerzen?<br />

• Hinhören, den Kindern eine Stimme geben<br />

17


Psychologische Interventionen<br />

Wirkungsvolle psychologische Interventionen bei<br />

prozeduralem Schmerz: Resultate einer Review<br />

(Uman L.S. et al 2008)<br />

• Selbsteinschätzung: Umlenkung der Aufmerksamkeit<br />

– Entspannung (DVD schauen, Spiele,<br />

Alltagsgespräche)<br />

• Einschätzung durch Beobachter und Wirkung auf die<br />

physiologischen Parameter: Information und<br />

Vorbereitung<br />

18


Gibt es Schmerzen im Alltag bei Kindern?<br />

Niederlande Deutschland Litauen Schweiz<br />

n 5,424 14,959 5,632 39<br />

Alter 0‐18 11‐17 12‐14 13‐15<br />

letzte 3 Monate 54% 78% Kopfschmerzen<br />

42%<br />

länger als 3<br />

Monate<br />

Schmerzwert<br />

NRS<br />

69%<br />

25% 45% 24% 22% mehrmals pro Wo.<br />

15% mehrmals im Mt.<br />

Lokalisation Kopf 34%,<br />

Bauch 12%<br />

Rücken 13%<br />

4,7<br />

Kopf Kopf 37%, Rücken 37%,<br />

Bauch 25%<br />

Medikamente 39% 47% 56% einmalig<br />

48% mehrmals<br />

Arztbesuch 57% 36%<br />

Literatur<br />

Perquin et al<br />

2000<br />

Ellert et al 2007<br />

Robert‐Koch‐<br />

Institut<br />

Januskeviciene<br />

et al 2011<br />

Wilhelm et al,<br />

unpublished<br />

19


Chronische Schmerzen bei Kindern<br />

• Die Prävalenz von chronischen Schmerzen bei Kindern<br />

steigt in den letzten Jahrzehnten (Wamsler et al., 2006)<br />

• Chronische Schmerzen bei Kindern wachsen sich nicht<br />

aus, sondern aus chronisch schmerzkranken Kindern<br />

werden schmerzkranke Erwachsene (Zernikow, 2006)<br />

• Die häufigsten chronischen Schmerzen bei Kindern sind<br />

Kopf‐ und Bauchschmerzen (Ellert et al.: Bundesgesundheitsblatt<br />

2007)<br />

• Kinder über 11 Jahre berichten über eine<br />

höhere schmerzbezogene<br />

Beeinträchtigung als jüngere Kinder<br />

(Dobe et al., 2011)<br />

20


Die Stimme einer Jugendlichen<br />

21


Jugendliche mit chronischen Schmerzen<br />

• Auswirkungen auf den Alltag<br />

• Schule: Schreiben<br />

• Bewegungseinschränkung: Hand‐ / Fussgelenke<br />

• Freizeit: nicht abmachen können, allein sein<br />

• Psyche: enttäuscht und traurig sein<br />

• Interventionen<br />

• Alltag<br />

• Medikamentös: p.os, Spray, Olfenpflaster<br />

• Abwarten<br />

• Bewegung<br />

• Ablenkung<br />

• Krise<br />

• Gelenk‐Infiltration im Spital<br />

22


Pflegeforschungsagenda für die Pädiatrie<br />

2007 – 2017 (Cignacco, 2008)<br />

Befragung Expertinnen (Rang 1 –10)<br />

Rang 2 und 5 Rang 4<br />

Evaluation von<br />

Interventionen (Rang 5)<br />

zur Schmerzlinderung<br />

und deren der<br />

Effektivität (Rang 2)<br />

Implementierung<br />

eines Schmerzmanagements<br />

in der<br />

Pädiatrie<br />

23


Weg mit<br />

den<br />

alten<br />

Zöpfen<br />

24

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