2013-22 - beim LSO

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28.04.2014 Aufrufe

Portrait Wirtschaftskunde mit Fruchtsalat Portrait. Seit elf Jahren unterrichtet Patricia Kleiner hauswirtschaft an der Aargauer Oberstufe. Mit dem Lehrplan 21 steht ihrem unterrichtsfach eine grundlegende Neustrukturierung bevor. Zeit zum Backen und neue Rezepte ausprobieren hat Patricia Kleiner im Moment viel zu wenig – etwas, das die hauswirtschaftslehrerin aus Egliswil sonst nicht nur beruflich, sondern auch in ihrer Freizeit mit Leidenschaft macht. Aber vor wenigen Monaten hat sie ein naturwissenschaftliches Erweiterungsstudium an der Pädagogischen hochschule Luzern begonnen und so büffelt sie jetzt neben ihrem unterrichtspensum von 65 Prozent an der Real- und Sekundarstufe in Seon und ihrem Amt als Präsidentin des Vereins Aargauischer hauswirtschaftslehrpersonen (VAh) vor allem Physik, Biologie und chemie. «Das hat mich schon immer interessiert, nicht zuletzt deshalb, weil alle drei Fächer im Grund ja sehr viel mit Kochen zu tun haben.» Denn hauswirtschaft, stellt die 32-Jährige klar, sei für sie «eine herzenssache und ein traumberuf, den ich auf keinen Fall aufgeben will.» Besonders schätze sie die Kombination aus praktischer Arbeit, pädagogischer herausforderung und einem grossen Wissensfeld, das in den unterricht eingebettet, vermittelt werden könne. umstrukturierung geplant Aber: Als hauswirtschaftslehrerin unterrichtet Patricia Kleiner ein Fach, das es Schulblatt AG/SO · 22/2013 Kein anderes Fach ist einem so grossen Wandel unterworfen wie die hauswirtschaft. 22

Portrait so bald nicht mehr geben wird. Kernkompetenzen für die Bereiche Kochen, haushaltführung und zentrale Gesellschaftsthemen wie Konsumverhalten, Ökologie, Gesundheit oder Wirtschaft werden im Lehrplan 21 künftig im neuen Fachbereich «Natur – Mensch – Gesellschaft» vermittelt. Das unterrichtsfach hauswirtschaft soll «Wirtschaft, Arbeit, haushalt» heissen und auch das Lernfeld Wirtschaft abdecken. Diese Neuerung stösst bei vielen hauswirtschaftsfachleuten auf Kritik. Sie befürchten vor allem eine Abwertung des praktischen Lernstoffs zugunsten der wirtschaftlichen themen. Patricia Kleiner dagegen sieht in der Neuorientierung auch viele chancen: «Kein anderes Fach ist einem so grossen Wandel unterworfen wie die hauswirtschaft», betont sie. «Die Neuorientierung bietet uns gute Möglichkeiten, das Fach besser zu verankern. Denn hauswirtschaft umfasst nicht ausschliesslich Kochen, sondern vermittelt Basiskompetenzen, die für Kinder und Jugendliche wichtig sind.» Präventionsarbeit in der Schulküche Damit meint Patricia Kleiner nicht nur Fachkenntnisse in Ökonomie oder haushaltsführung. «Für viele Jugendliche ist es nicht mehr selbstverständlich, mit der Familie an einem tisch zu sitzen und zu essen.» Schon beim gemeinsamen Einkaufen und Kochen im unterricht würde so nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch moralische Werte und praktische Kenntnisse weitergegeben, ist die Fachfrau überzeugt. «Über die Fähigkeit, sich richtig zu ernähren, stärken wir die Lebenskompetenz und legen den Grundstein für Bildung und Gesundheit», sagt sie. Gerne sähe Patricia Kleiner, wenn sich die vielseitigen Auswirkungen ihres oft unterschätzten und hartnäckig als «Kochschule» belächelten unterrichtsfachs besser im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern liesse: «Viele jammern über ständig steigende Krankenkassenprämien und merken nicht, dass es mit dem hauswirtschaftsunterricht an den Schulen ein Fach gibt, in dem wichtige Präventionsarbeit geleistet wird.» Pizza, Gnocchi, Ökologie In der Praxis bettet Patricia Kleiner all diese Grundlagen in den unterricht ein. «Beim Zubereiten eines Fruchtsalates lassen sich unzählige Parallelen ziehen», zeigt sie auf. Die Schüler lernen zu Beispiel: woher kommen eigentlich die Früchte? Ist es ökologisch und wirtschaftlich, sie mit dem Flugzeug zu uns zu bringen? Was verdient der Bauer, der sie auf der anderen Seite der Erde produziert? Gibt es saisonale und lokale Alternativen? Welchen Nährwert hat eine Banane im Vergleich zu einem Energy-Drink? Das Interesse der Oberstufenschüler an solchen themen sei in der Regel sehr gut, sagt sie. Spannend und anspruchsvoll werde das unterrichten nicht nur durch die grosse Bandbreite der themen, sondern auch durch die unterschiedlichen Fähigkeitsniveaus: «In jeder Klasse gibt es Schüler, die schon recht gut kochen können und solche, die nicht wissen, wie man ein Rüebli schälen soll.» Die geduldige hauswirtschaftslehrerin stellt der «Generation Fastfood» aber kein schlechtes Zeugnis aus. Sie schafft es, auch Kochmuffel oder Anfänger am Rüstmesser zu motivieren: «Alle essen gern und sind begeistert wenn sie merken, dass sie leckere Sachen auch ganz einfach selber machen können.» Gleichzeitig will Patricia Kleiner das Bewusstsein für gesunde Ernährung wecken – und macht dafür auch Kompromisse. «Darauf zu bestehen, dass alles komplett handgemacht sein soll, finde ich nicht realistisch. Die Gesellschaft verändert sich und damit auch das Kochverhalten. Dem müssen auch wir Rechnung tragen.» und so kommt als Einstiegsmenü etwa eine Baguette-Pizza auf den teller – belegt mit frischen Zutaten statt frisch aus dem tiefkühler. Die selbstgemachten Gnocchi gibts dann – je nach Klassenlevel – vielleicht am Schluss des Semesters. Esther ugolini Schulblatt AG/SO · 22/2013 23

Portrait<br />

so bald nicht mehr geben wird. Kernkompetenzen<br />

für die Bereiche Kochen, haushaltführung<br />

und zentrale Gesellschaftsthemen<br />

wie Konsumverhalten, Ökologie,<br />

Gesundheit oder Wirtschaft werden im<br />

Lehrplan 21 künftig im neuen Fachbereich<br />

«Natur – Mensch – Gesellschaft»<br />

vermittelt. Das unterrichtsfach hauswirtschaft<br />

soll «Wirtschaft, Arbeit, haushalt»<br />

heissen und auch das Lernfeld Wirtschaft<br />

abdecken. Diese Neuerung stösst bei vielen<br />

hauswirtschaftsfachleuten auf Kritik.<br />

Sie befürchten vor allem eine Abwertung<br />

des praktischen Lernstoffs zugunsten der<br />

wirtschaftlichen themen. Patricia Kleiner<br />

dagegen sieht in der Neuorientierung<br />

auch viele chancen: «Kein anderes Fach<br />

ist einem so grossen Wandel unterworfen<br />

wie die hauswirtschaft», betont sie. «Die<br />

Neuorientierung bietet uns gute Möglichkeiten,<br />

das Fach besser zu verankern.<br />

Denn hauswirtschaft umfasst nicht ausschliesslich<br />

Kochen, sondern vermittelt<br />

Basiskompetenzen, die für Kinder und<br />

Jugendliche wichtig sind.»<br />

Präventionsarbeit in der Schulküche<br />

Damit meint Patricia Kleiner nicht nur<br />

Fachkenntnisse in Ökonomie oder haushaltsführung.<br />

«Für viele Jugendliche ist<br />

es nicht mehr selbstverständlich, mit der<br />

Familie an einem tisch zu sitzen und zu<br />

essen.» Schon <strong>beim</strong> gemeinsamen Einkaufen<br />

und Kochen im unterricht würde<br />

so nicht nur Wissen vermittelt, sondern<br />

auch moralische Werte und praktische<br />

Kenntnisse weitergegeben, ist die Fachfrau<br />

überzeugt. «Über die Fähigkeit,<br />

sich richtig zu ernähren, stärken wir die<br />

Lebenskompetenz und legen den Grundstein<br />

für Bildung und Gesundheit», sagt<br />

sie. Gerne sähe Patricia Kleiner, wenn<br />

sich die vielseitigen Auswirkungen ihres<br />

oft unterschätzten und hartnäckig als<br />

«Kochschule» belächelten unterrichtsfachs<br />

besser im Bewusstsein der Öffentlichkeit<br />

verankern liesse: «Viele jammern<br />

über ständig steigende Krankenkassenprämien<br />

und merken nicht, dass es mit<br />

dem hauswirtschaftsunterricht an den<br />

Schulen ein Fach gibt, in dem wichtige<br />

Präventionsarbeit geleistet wird.»<br />

Pizza, Gnocchi, Ökologie<br />

In der Praxis bettet Patricia Kleiner all<br />

diese Grundlagen in den unterricht ein.<br />

«Beim Zubereiten eines Fruchtsalates<br />

lassen sich unzählige Parallelen ziehen»,<br />

zeigt sie auf. Die Schüler lernen zu Beispiel:<br />

woher kommen eigentlich die<br />

Früchte? Ist es ökologisch und wirtschaftlich,<br />

sie mit dem Flugzeug zu uns zu bringen?<br />

Was verdient der Bauer, der sie auf<br />

der anderen Seite der Erde produziert?<br />

Gibt es saisonale und lokale Alternativen?<br />

Welchen Nährwert hat eine Banane im<br />

Vergleich zu einem Energy-Drink? Das<br />

Interesse der Oberstufenschüler an solchen<br />

themen sei in der Regel sehr gut, sagt sie.<br />

Spannend und anspruchsvoll werde das<br />

unterrichten nicht nur durch die grosse<br />

Bandbreite der themen, sondern auch<br />

durch die unterschiedlichen Fähigkeitsniveaus:<br />

«In jeder Klasse gibt es Schüler,<br />

die schon recht gut kochen können und<br />

solche, die nicht wissen, wie man ein<br />

Rüebli schälen soll.» Die geduldige hauswirtschaftslehrerin<br />

stellt der «Generation<br />

Fastfood» aber kein schlechtes Zeugnis<br />

aus. Sie schafft es, auch Kochmuffel oder<br />

Anfänger am Rüstmesser zu motivieren:<br />

«Alle essen gern und sind begeistert wenn<br />

sie merken, dass sie leckere Sachen auch<br />

ganz einfach selber machen können.»<br />

Gleichzeitig will Patricia Kleiner das Bewusstsein<br />

für gesunde Ernährung wecken<br />

– und macht dafür auch Kompromisse.<br />

«Darauf zu bestehen, dass alles komplett<br />

handgemacht sein soll, finde ich nicht realistisch.<br />

Die Gesellschaft verändert sich<br />

und damit auch das Kochverhalten. Dem<br />

müssen auch wir Rechnung tragen.» und<br />

so kommt als Einstiegsmenü etwa eine<br />

Baguette-Pizza auf den teller – belegt<br />

mit frischen Zutaten statt frisch aus dem<br />

tiefkühler. Die selbstgemachten Gnocchi<br />

gibts dann – je nach Klassenlevel – vielleicht<br />

am Schluss des Semesters.<br />

Esther ugolini<br />

Schulblatt AG/SO · <strong>22</strong>/<strong>2013</strong><br />

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