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Jorinde Und Joringel - Kirche im Aufbruch

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Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Ausführlicher Gottesdienstablauf<br />

VORSPIEL<br />

PARABEL (CT): Das Märchen und die Wahrheit<br />

Eines Tages ging die Wahrheit wieder einmal<br />

in Gedanken versunken durch die Straßen.<br />

Es war ein grauer, windiger Tag.<br />

<strong>Und</strong> die Wahrheit ging ganz nackt, wie am Tag ihrer Geburt.<br />

Kein Mensch wollte sie in sein Haus einlassen.<br />

Jeder, der sie traf, flüchtete vor ihr.<br />

Darüber war sie sehr betrübt und verbittert.<br />

Da begegnete sie dem Märchen.<br />

Das Märchen war geschmückt<br />

mit herrlichen, prächtigen und vielfarbigen Kleidern,<br />

die jedes Auge und jedes Herz entzückten.<br />

Da fragte das Märchen die Wahrheit:<br />

„Sag mir doch, geehrte Freundin, warum bist du so bedrückt<br />

und drückst so betrübt dich auf den Straßen herum?"<br />

Da antwortete ihm die Wahrheit:<br />

„Es geht mir sehr schlecht;<br />

ich bin alt und betagt, und kein Mensch will mich kennen."<br />

Hierauf erwiderte ihr das Märchen:<br />

„Nicht, weil du alt bist, lieben dich die Menschen nicht.<br />

Auch ich bin sehr alt,<br />

und je älter ich werde, desto mehr lieben mich die Menschen.<br />

Siehe, ich will dir ein Gehe<strong>im</strong>nis enthüllen:<br />

Sie lieben es, dass jeder geschmückt ist und sich ein wenig verkleidet.<br />

Ich werde dir solche Kleider borgen, mit denen ich angezogen bin,<br />

und du wirst sehen, dass die Leute auch dich lieben werden."<br />

Die Wahrheit befolgte diesen Rat<br />

und schmückte sich mit den Kleidern des Märchens.<br />

Seit damals gehen Wahrheit und Märchen zusammen,<br />

und beide sind bei den Menschen beliebt.<br />

BEGRÜSSUNG - Monika


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Herzlich willkommen hier<br />

an der <strong>Kirche</strong>n- und Kulturscheune.<br />

Es ist alte Tradition der ev. <strong>Kirche</strong>ngemeinden an der Oberweser,<br />

einmal <strong>im</strong> Jahr hier <strong>im</strong> Tierpark Sababurg Gottesdienst zu feiern.<br />

<strong>Und</strong> wie das unterhalb eines Märchenschlosses naheliegt<br />

steht seit 10 Jahren dabei jeweils<br />

eines der Märchen der Brüder Gr<strong>im</strong>m <strong>im</strong> Zentrum der Betrachtung.<br />

Das heißt - wenn man genau rechnet -<br />

ist das heute der 11. Märchengottesdienst.<br />

<strong>Und</strong> die Zahl 11 hat nun seit alters her eine besondere Bedeutung:<br />

Es ist die Zahl der Narren.<br />

Wie wir in der kleinen Geschichte eben gehört haben,<br />

können auch so närrische Dinge wie die Märchen<br />

einen ganz eigenen Zugang zu Wahrheit besitzen.<br />

In diesem Jahr geht es um „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“.<br />

Aber bevor wir in diese Liebesgeschichte eintauchen,<br />

nehmen wir uns noch etwas Zeit zuum Singen<br />

und uns des Lebens zu freuen<br />

an diesem herrlichen (?) Sommersonntag.<br />

LIED: H<strong>im</strong>mel, Erde, Luft und Meer EG 504, 1-4.6<br />

PSALM - Monika:<br />

Worte des 126. Psalms<br />

Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,<br />

so werden wir sein wie die Träumenden.<br />

Dann wird unser Mund voll Lachens<br />

und unsre Zunge voll Rühmens sein.<br />

Dann wird man sagen unter den Völkern:<br />

Der HERR hat Großes an ihnen getan!<br />

Denn die mit Tränen säen,<br />

ernten werden sie mit Freuden.<br />

Sie gehen hin und weinen<br />

und streuen ihren Samen<br />

und kommen mit Freuden<br />

und bringen ihre Garben.


MUSIK: Posaunen<br />

Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

GLAUBENSBEKENNTNIS - Monika<br />

Wir glauben an Gott,<br />

den Ursprung von allem,<br />

was geschaffen ist,<br />

die Quelle des Lebens,<br />

aus der alles fließt,<br />

das Ziel der Schöpfung,<br />

die auf Erlösung hofft.<br />

Wir glauben an Jesus Christus,<br />

den Gesandten der Liebe Gottes,<br />

von Maria geboren.<br />

Ein Mensch, der Kinder segnete,<br />

Frauen und Männer bewegte,<br />

Leben heilte und Grenzen überwand.<br />

Er wurde gekreuzigt.<br />

In seinem Tod<br />

hat Gott die Macht des Bösen gebrochen<br />

und uns zur Liebe befreit.<br />

Mitten unter uns ist er gegenwärtig<br />

und ruft uns auf seinen Weg.<br />

Wir glauben an Gottes Geist,<br />

Weisheit von Gott,<br />

die wirkt, wo sie will.<br />

Sie gibt Kraft zur Versöhnung<br />

und schenkt Hoffnung,<br />

die auch der Tod nicht zerstört.<br />

In der Gemeinschaft der Glaubenden<br />

werden wir zu Schwestern und Brüdern,<br />

die nach Gerechtigkeit suchen.<br />

Wir erwarten Gottes Reich.<br />

LIED: Komm, Heil´ger Geist mit deiner Kraft<br />

SPIEL mit DEUTUNG (CT u.a.); darin


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

I.<br />

Erzählerin:<br />

Es war einmal ein altes Schloss mitten in einem großen dicken Wald,<br />

darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin.<br />

Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule,<br />

des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet.<br />

Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken,<br />

und dann schlachtete sie, kochte und briet es.<br />

(xxx)<br />

(xxx)<br />

Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloss nahe kam, (xxx)<br />

so musste er stillestehen<br />

(xxx)<br />

und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach; (xxx)<br />

Wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, (xxx)<br />

so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel (xxx)<br />

und sperrte sie dann in einen Korb ein (xxx)<br />

und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. (xxx)<br />

Sie hatte wohl siebentausend solcher Körbe mit so raren Vögeln <strong>im</strong> Schlosse.<br />

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß <strong>Jorinde</strong>; (xxx)<br />

sie war schöner als alle andere Mädchen.<br />

Die und dann ein gar schöner Jüngling namens <strong>Joringel</strong> (xxx)<br />

hatten sich zusammen versprochen.<br />

Sie waren in den Brauttagen,<br />

und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern. (tanzen Ringelrein)<br />

Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten,<br />

gingen sie in den Wald spazieren.<br />

(xxx)<br />

MUSIK: heiter<br />

<strong>Jorinde</strong>:<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

<strong>Jorinde</strong>:<br />

Was für ein schöner Abend!<br />

Die Sonne scheint so hell ins Dunkle des Waldes. -<br />

Siehst du all das lichte Grün zwischen den Stämmen.<br />

Ja, es ist ganz und gar zauberhaft.<br />

(erschreckt etwas)<br />

Hüte dich nur, dass du dem Schloss nicht zu nahe kommst!<br />

Hörst du die Turteltaube, dort auf der alten Maibuche?<br />

Warum singt sie bloß so kläglich ihr Lied?<br />

(<strong>Jorinde</strong> wird von jäher Trauer erfasst, setzte sich hin und weint.)


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

<strong>Jorinde</strong>:<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

<strong>Jorinde</strong>:<br />

(singt)<br />

<strong>Joringel</strong><br />

<strong>Jorinde</strong>, mein Lieb, was hast Du denn?<br />

Ist das der Vogel, der dich so traurig st<strong>im</strong>mt?<br />

Aber auch mir wird das Herz auf einmal schwer.<br />

Es ist gerad so, als wenn wir sterben sollen.<br />

(<strong>Joringel</strong> setzt sich zu <strong>Jorinde</strong>; sie schauen eine Weile vor sich hin.)<br />

(springt auf)<br />

<strong>Joringel</strong>, mein Liebster, schnell auf! Wir müssen fort von hier. (xxx)<br />

Aber wohin nur?<br />

Ich bin ganz irr - und weiß nicht mehr den Weg nach Haus.<br />

Ich glaube, dorthin.<br />

Oder da?<br />

Vielleicht hinter dem Gebüsch.<br />

O nein! Das ist die alte Mauer. Wir sind zu nah am Schloss!<br />

<strong>Jorinde</strong>! (umarmt sie)<br />

Mein Vöglein mit dem Ringlein rot<br />

Singt Leide, Leide, Leide.<br />

Es singt dem Täubelein seinen Tod,<br />

Singt Leide, Lei - zicküth, zicküth, zicküth.<br />

Was ist mit dir, <strong>Jorinde</strong>?<br />

Du klingst ja grad wie eine Nachtigall.<br />

<strong>Und</strong> - wie wird mir so bang?<br />

Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen.<br />

<strong>Und</strong> meine Hände, und mein …<br />

Erzählerin:<br />

Halb stand die Sonne noch über dem Berg, halb war sie unter, da flog eine<br />

Nachteule mit glühenden Augen herbei und umkreiste die beiden und schrie:<br />

Schu, hu, hu, hu!<br />

(Zauberin-Nachteule umkreist das Paar dre<strong>im</strong>al flügelschlagend,<br />

und ruft dre<strong>im</strong>al ihr „schu, hu, hu, hu“.)<br />

Als nun die Sonne unter war, flog die Eule in einen Strauch;<br />

(xxx)<br />

und gleich darauf kam eine alte,hässliche, krumme Frau aus diesem hervor.(xxx)<br />

Sie murmelte etwas, fing die Nachtigall und nahm sie mit sich fort. (xxx)<br />

(Zauberin brabbelt vor sich hin, wirft <strong>Jorinde</strong> einen Sack über, führt sie fort.)


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Nun war die Nachtigall fort.<br />

Aber <strong>Joringel</strong> konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen;<br />

Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer St<strong>im</strong>me:<br />

"Grüß dich, Zachiel,<br />

wenn's Möndel ins Körbel scheint,<br />

bind lose Zachiel, zu guter Stund."<br />

Da wurde <strong>Joringel</strong> los.<br />

Er fiel vor dem Weib auf die Knie<br />

und bat, sie möchte ihm seine <strong>Jorinde</strong> wiedergeben:<br />

(xxx)<br />

(xxx)<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

Ach, gute Frau!<br />

Gebt mir doch - bitte, bitte - meine <strong>Jorinde</strong> wieder. Bitte!!<br />

Zauberin:<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

Nein, das soll nicht geschehen.<br />

Gib dir keine Mühe.<br />

Du sollst dieses Mädchen nie wiedersehen!<br />

Nein! Das ist zu arg!<br />

Wie soll ich das ertragen?<br />

Wie wird es <strong>Jorinde</strong> ergehen?<br />

<strong>Und</strong> - was soll mir geschehen?<br />

(kniet weiter; legt Gesicht in die Hände)<br />

(ab)<br />

MUSIK: traurig<br />

(Bruchstelle, wo Monika die Kinder zum Malen einsammelt.)<br />

DEUTUNG I<br />

Als ich das Märchen zum ersten Mal las, dachte ich, ich hätte mich verguckt.<br />

<strong>Und</strong> habe die Stelle gleich noch mal gelesen. Aber es blieb so unst<strong>im</strong>mig.<br />

Da ist das junge Paar miteinander <strong>im</strong> Wald<br />

und beide haben das größte Vergnügen aneinander.<br />

<strong>Und</strong> auf einmal – wie aus heiterem H<strong>im</strong>mel – setzt sich <strong>Jorinde</strong> hin<br />

und fängt bitterlich an zu weinen. <strong>Und</strong> <strong>Joringel</strong> muss auch weinen.<br />

Was für Zaubereien - was für Kräfte, sind da <strong>im</strong> Spiel?<br />

Der einzige Ansatzpunkt für den St<strong>im</strong>mungsumschwung<br />

ist der Gesang eines Vogels, der so kläglich erscheint.<br />

Die Turteltaube in der Maibuche - das strotzt vor Lebenslust <strong>im</strong> Frühling.<br />

Aber dahinein mischen sich Misstöne,


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

ein falscher Klang, der letztlich seinen Widerhall hat<br />

in einer inneren St<strong>im</strong>me tief in den beiden Liebenden selbst.<br />

<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong> sind wirklich ineinander verliebt<br />

und das Leben ist für sie schön, wenn sie beieinander sind.<br />

Aber sie müssen sich fortschleichen, um ungestört zusammenzusein.<br />

Noch sind sie nicht soweit, dass sie auch vor anderen zueinander stehen<br />

könnten. Dass sie miteinander bestehen können.<br />

Das Klagelied ist die St<strong>im</strong>me des Abschieds und der Trauer,<br />

weil das Glück der Liebe nicht ohne Verrat am Bisherigen möglich ist.<br />

<strong>Und</strong> es ist diese bisherige Welt, aus der sich beide noch nicht lösen können<br />

und die sich wie ein Zauberbann lähmend auf ihre Seelen legt.<br />

Die Alte – lassen wir mal die Erzzauberin weg –<br />

die Alte: Sie steht für die alte Welt, die die gefangen hält:<br />

- eine Mutter, die Witwe wurde oder sonstwie den Mann verloren hat,<br />

und nun neidisch ist und dem Mädchen ihr Liebesglück missgönnt.<br />

- Oder eine Großmutter, die die Jungen durch ihre Gebrechlichkeit an sich<br />

bindet.<br />

- Oder eine Lehrerin, die nie geheiratet hat und zur alten Jungfer wurde,<br />

und die nun die Jugend gefangen hält, um sich an ihr zu erfreuen.<br />

Es ist die Stärke eines Märchens, dass es sich nicht festlegen braucht.<br />

Klar ist nur: Die Alte ist mächtig. Sie ist Erzzauberin und sie hat ein Schloss.<br />

Aber das liegt in einem dicken Wald, was ihrer inneren Einsamkeit entspricht.<br />

<strong>Und</strong> die alte Frau ist verrückt: Sie kann sich zwar in eine Eule verwandeln,<br />

aber nur am Tage – in eine Nachteule. Bei der st<strong>im</strong>mt´s hinten und vorne nicht.<br />

LIED: Wechselnde Pfade<br />

II.<br />

Erzählerin:<br />

<strong>Joringel</strong> ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf;<br />

da hütete er die Schafe lange Zeit.<br />

Oft ging er rund um das Schloss herum, aber nicht zu nahe dabei.<br />

Endlich träumte er einmal des Nachts,<br />

er fände eine blutrote Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war.


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse:<br />

alles, was er mit der Blume berührte, ward von der Zauberei frei;<br />

auch träumte er, er hätte seine <strong>Jorinde</strong> dadurch wiederbekommen.<br />

DEUTUNG II<br />

Was so einfach schien - ist so einfach nicht.<br />

Das Liebesglück, das einen so leicht anfliegt, wird auf eine Probe gestellt.<br />

<strong>Jorinde</strong> kommt nicht los, von den alten Banden, in die sie verstrickt ist.<br />

<strong>Und</strong> <strong>Joringel</strong> muss erkennen, das sie wohl beide noch nicht wirklich frei sind,<br />

um miteinander eine neue Bindung einzugehen.<br />

<strong>Joringel</strong> sucht eine Lösung.<br />

<strong>Und</strong> der Weg, den er dabei einschlägt, ist interessant.<br />

Er läuft nämlich nicht empört Sturm gegen die Mauern des Schlosses,<br />

was völlig sinnlos wäre und ihm nur einen blutigen Schädel einbringen würde.<br />

<strong>Joringel</strong> geht auch nicht zu sich nach Hause zurück,<br />

sondern er geht fort „und kam endlich in ein fremdes Dorf“.<br />

Dort in der Fremde muss er ein eigenständiges Leben führen.<br />

<strong>Und</strong> das heißt: Tut, was zu tun ist: Er n<strong>im</strong>mt eine Arbeit an.<br />

Aber die Arbeit die er ann<strong>im</strong>mt (Hirte), ist eine achtsame Arbeit (!).<br />

Sie passt zu seinem sonstigen Wesen:<br />

<strong>Joringel</strong> verliert bei alledem sein Ziel nicht aus den Augen<br />

oder besser: seine Liebe nicht aus dem Herzen<br />

Er sagt sich nicht leichthin und achselzuckend:<br />

„Andere Mütter haben auch schöne Töchter.– Neues Spiel, neues Glück.“<br />

Er vergisst seine <strong>Jorinde</strong> nicht, sondern hält die Erinnerung wach;<br />

Ganz bewusst geht <strong>im</strong>mer wieder in die Nähe des Schlosses.<br />

<strong>Und</strong> weil er den Mut zu Demut hat,<br />

und seine wunden Punkte offenhält,<br />

findet er am Ende auch die Lösung.<br />

Bzw.: Den Seinen gibt´s der Herr <strong>im</strong> Schlaf.<br />

Wie so oft auch in Biblischen Geschichten,<br />

bringt ein Traum die Offenbarung.<br />

LIED: Halte deine Träume fest (MKL 74)


Halte deine Träume fest,<br />

lerne sie zu leben.<br />

Gegen zu viel Sicherheit,<br />

gegen Ausweglosigkeit:<br />

halte deine Träume fest. ...<br />

Halte deine Freiheit fest,<br />

lerne sie zu leben.<br />

Fürchte dich vor keinem Streit<br />

f<strong>im</strong>de zur Versöhnung Zeit:<br />

halte deine Freiheit fest. ...<br />

Halte deine Liebe fest,<br />

lerne sie zu lieben.<br />

Brich mit ihr die Einsamkeit,<br />

übe Menschenfreundlichkeit:<br />

halte deine Liebe fest.<br />

Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

III.<br />

Erzählerin:<br />

Als <strong>Joringel</strong> des Morgens erwachte,<br />

fing er an, durch Berg und Tal zu suchen, ob er eine solche Blume fände;<br />

(xxx)<br />

er suchte bis an den neunten Tag,<br />

da fand er die blutrote Blume am Morgen früh. (xxx)<br />

In der Mitte war ein großer Tautropfe, so groß wie die schönste Perle.<br />

Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloss.<br />

(xxx)<br />

Wie er auf hundert Schritt nahe bis zum Schloss kam,<br />

da ward er nicht fest, sondern ging fort bis ans Tor.<br />

(xxx)<br />

<strong>Joringel</strong> freute sich hoch, berührte die Pforte mit der Blume,<br />

(xxx) und sie sprang auf.<br />

Er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vielen Vögel vernähme; (xxx)<br />

endlich hörte er's. (xxx)<br />

Er ging und fand den Saal,<br />

darauf war die Zauberin und fütterte die Vögel in den siebentausend Körben.<br />

Als sie den <strong>Joringel</strong> erblickt, ward sie bös, sehr bös…


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Zauberin:<br />

<strong>Joringel</strong>:<br />

Was hast Du hier in meinem Haus zu suchen?<br />

Hab ich dir nicht gesagt,<br />

dass du dein Mädchen niemals wiedersehen sollst?<br />

Sie gehört mir. Alle gehören sie mir.<br />

Fort mit dir, du – du, du, Einbrecher, du Terrorist!<br />

Was soll das Geschrei, Alte?<br />

Was nützt es, dass du Gift und Galle gegen mich ausspeist.<br />

Hast Du nicht Zauberkraft, mir anzutun, was du willst?<br />

Wenn du aber nichts gegen mich auszurichten vermagst,<br />

dann lass dein Gezeter und schweig still!<br />

Erzählerin:<br />

Nur zu gern hätte die Zauberin ihn wieder mit Lähmung geschlagen,<br />

aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen.<br />

(xxx)<br />

Er kehrte sich nicht an sie und ging, besah die Körbe mit den Vögeln.<br />

Da waren aber viele hundert Nachtigallen,<br />

wie sollte er nun seine <strong>Jorinde</strong> wiederfinden?<br />

Indem er so zusah,<br />

merkte er, daß die Alte he<strong>im</strong>lich<br />

ein Körbchen mit einem Vogel wegnahm<br />

und damit nach der Türe wollte.<br />

Flugs sprang er hinzu, (xxx)<br />

berührte das Körbchen mit der Blume<br />

und auch das alte Weib (xxx)<br />

- nun konnte sie nichts mehr zaubern.<br />

(xxx)<br />

(xxx)<br />

(xxx)<br />

(xxx)<br />

<strong>Jorinde</strong> aber stand da<br />

und fiel ihm um den Hals,<br />

so schön, wie sie ehemals war.<br />

(xxx)<br />

Da machte er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen,<br />

und da ging er mit seiner <strong>Jorinde</strong> nach Hause, (xxx)<br />

und sie lebten lange vergnügt zusammen.<br />

(xxx)


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

DEUTUNG III<br />

Es ist nicht die Blume, das magische Ding an sich, das den Bann bricht.<br />

Viel wichtiger ist die Kraft, mit der <strong>Joringel</strong> der Blume nachgeht,<br />

die er in Traum gesehen hat – so lange, bis sie ihm in der Realität erscheint.<br />

Von diesem Vertrauen, an etwas zu glauben, was man (noch) nicht sieht,<br />

hat Jesus gesagt, dass es eine Kraft ist, die Berg versetzen kann.<br />

In vielen Gleichnisgeschichten spricht er davon (Mt 13,44-46):<br />

Das H<strong>im</strong>melreich gleicht einem Schatz, verborgen <strong>im</strong> Acker,<br />

den ein Mensch fand und verbarg;<br />

und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte,<br />

und kaufte den Acker.<br />

Wiederum gleicht das H<strong>im</strong>melreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,<br />

und als er eine kostbare Perle fand,<br />

ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.<br />

War <strong>Joringel</strong> zuvor durch die Zweispältigkeit seiner Gefühle gelähmt,<br />

so ist es jetzt die Entschiedenheit, die ihn zum Handeln befähigt:<br />

Jetzt vermag er alles auf eine Karte zu setzen. - Bzw. auf eine Blume.<br />

Natürlich hat die Blume auch eine Bedeutung:<br />

Es ist ein Symbol, das zwei Bestandteilen zusammengesetzt ist:<br />

Die rote, aus der Erde emporwachsende, entfaltend sich öffnende Blüte -<br />

und dem H<strong>im</strong>mel entstammende Tautropfen wie eine Perle, hart und klar -<br />

beide zusammen versinnbildlichen die Vereinigung von Mann und Frau.<br />

Es ist die elementare Kraft der Sexualität,<br />

die in <strong>Joringel</strong> jetzt in reifer Klarheit erwacht ist<br />

und die ihm letztlich die Macht gibt,<br />

die eifersüchtige Alte beiseite zu drängen.<br />

Wie heißt es in der Bibel (1.Mose 2,24):<br />

„Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen<br />

und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch.“<br />

Aber das ist in Wahrheit oft - ein langer Weg.<br />

MUSIK-EINSPIELUNG: Wir sind Helden „Darf ich das behalten“


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

LIED nach der Predigt: Wir strecken uns nach dir EG 625, 1-3<br />

FÜRBITTEN (Monika) mit: Herr, erbarme dich, 178.11<br />

Laßt uns beten für die Menschen aller Lebensalter,<br />

für alle, die jung oder alt, zueinander gehören<br />

und zusammen durchs Leben gehen:<br />

um Sorge und Achtung füreinander;<br />

Laßt uns rufen:<br />

*<br />

Laßt uns beten für die Kinder,<br />

für sie, die in unserer Mitte klein und wehrlos sind:<br />

um eine glückliche Kindheit,<br />

daß ihnen nichts Böses zustoße<br />

und sie sich frei entwickeln können.<br />

*<br />

Laßt uns beten für die Jungen,<br />

die das Leben noch vor sich haben<br />

und das Abenteuer der Liebe entdecken:<br />

daß sie offen und empfänglich miteinander umgehen;<br />

daß sie mit Unsicherheiten zu leben wagen<br />

und Enttäuschungen gewachsen seien;<br />

*<br />

Laßt uns beten für alle, die in der Mitte des Lebens stehen,<br />

daß sie nicht verschlossen sind und allein für sich selbst sorgen,<br />

sondern ihre Gaben einsetzen zum Wohle anderer<br />

und fruchtbar seien für andere.<br />

*<br />

Laßt uns beten für die betagten Menschen,<br />

daß ihr Herz jung bleibe,<br />

daß sie nicht neidisch sind auf die Jugend,<br />

sondern mit ihrer Lebenserfahrung vielen dienen;<br />

daß sie nicht trostlos zurückbleiben,<br />

sondern Achtung und Zuneigung erfahren.<br />

*


Märchengottesdienst zu „<strong>Jorinde</strong> und <strong>Joringel</strong>“<br />

Pfarrer Christian Trappe, Kosterkirchengemeinde Lippoldsberg<br />

Laßt uns beten für uns selbst,<br />

daß wir, jung oder alt,<br />

durch Gottes Gnade neue Menschen werden,<br />

<strong>im</strong>mer von neuem …<br />

Vater unser <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel.<br />

Geheiligt werde dein Name.<br />

Dein Reich komme.<br />

Dein Wille geschehe,<br />

wie <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel, so auf Erden.<br />

Unser tägliches Brot gib uns heute.<br />

<strong>Und</strong> vergib uns unsere Schuld,<br />

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.<br />

<strong>Und</strong> führe uns nicht in Versuchung,<br />

sondern erlöse uns von dem Bösen.<br />

Denn dein ist das Reich<br />

und die Kraft<br />

und die Herrlichkeit<br />

in Ewigkeit.<br />

BEKANNTMACHUNGEN (CT)<br />

- Dank<br />

- den Konfirmanden und Konfirmandinnen,<br />

- der Märchenerzählerin Hilde Matalla<br />

- und dem Posaunenchor Lippoldsberg.<br />

- Essen: kl. Imbiss (Brote und Schorle) bei uns; gut essen <strong>im</strong> Restaurant.<br />

- Kollekte: Arbeit mit Kindern <strong>im</strong> <strong>Kirche</strong>nbezirk<br />

LIED: Schlusslied: Komm, Herr, segne uns EG 170,1-3<br />

SEGEN - Monika<br />

Geht hin <strong>im</strong> Glauben:<br />

Euer Weg ist in Gottes Händen.<br />

Möge der Wind des Geistes frei wehen,<br />

der Mut Christi tief in euch sein<br />

und der große Schöpfer euch neues Leben schenken.<br />

Es segne und behüte Euch …

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