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Max Beckmann, Und Gott wird abwischen alle Tränen - Kirche im ...

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<strong>Max</strong> <strong>Beckmann</strong>, <strong>Und</strong> <strong>Gott</strong> <strong>wird</strong> <strong>abwischen</strong> <strong>alle</strong> <strong>Tränen</strong><br />

Ganz am Ende der Bibel, <strong>im</strong> Buch der Offenbarung, steht eine ihrer schönsten Verheißung:<br />

„Siehe da, die Hütte <strong>Gott</strong>es bei den Menschen! <strong>Und</strong> er <strong>wird</strong> bei ihnen wohnen, und sie<br />

werden sein Volk sein, und er selbst, <strong>Gott</strong> mit ihnen, <strong>wird</strong> ihr <strong>Gott</strong> sein; und <strong>Gott</strong> <strong>wird</strong><br />

<strong>abwischen</strong> <strong>alle</strong> <strong>Tränen</strong> von ihren Augen und der Tod <strong>wird</strong> nicht mehr sein, noch Leid noch<br />

Geschrei noch Schmerz <strong>wird</strong> mehr sein; denn das Erste ist vergangen: ... Siehe, ich mache<br />

<strong>alle</strong>s neu!“ (Offb 21, 3-5). Der Maler und Graphiker <strong>Max</strong> <strong>Beckmann</strong> (1884-1950) hat diese<br />

Zusage künstlerisch in einer Lithographie umgesetzt, die zu dem Zyklus „Apokalypse“<br />

(1941/42) gehört. Im Vordergrund trocknet ein kniender Engel einer auf einem Tisch oder<br />

einem Bett liegenden Person mit einem Tuch die <strong>Tränen</strong> von den Augen; von der Person ist<br />

fast nur das sorgenvolle Gesicht (des Künstlers?) zu sehen. Die Zuwendung des feminin<br />

gestalteten, m<strong>im</strong>isch markanten Engels wirkt liebevoll, fürsorglich – Spiegel eigener<br />

Erfahrungen? Dahinter kann man durch einen Kreis den Horizont wahrnehmen mit einem<br />

Stern und einem großen, hellen Kreis darüber. Der Ausblick durch ein Fenster auf den neuen<br />

H<strong>im</strong>mel und die neue Erde? Oder gehört der Kreis als Kraftfeld zu dem pflegenden Engel, in<br />

dessen Zuwendung sich der neue H<strong>im</strong>mel und die neue Erde bereits ereignen? Individuelles<br />

Schicksal eines einzelnen Menschen und universale Verheißung, Gegenwart und Zukunft<br />

des Heils scheinen hier eng miteinander verwoben.<br />

.<br />

Der Engel mit dem Rad<br />

In einer alten Handschrift aus dem 11.Jh., der „Bamberger Apokalypse“, findet sich das Bild<br />

„Der Engel mit dem Rad“. Die Darstellung sieht auf den ersten Blick aus wie eine antike<br />

Pannenhilfe, wie ein h<strong>im</strong>mlisches Urbild für die „Gelben Engel“ vom ADAC: Ein Mann in<br />

langen, weißen Gewändern rollt eine Scheibe vor sich her – kreisrund wie der Heiligenschein<br />

auf seinem Kopf. Seine ganze Körperhaltung strahlt Bewegung aus. Die mächtigen, blauen<br />

Flügel sind ausgespannt; das um den Arm geschlungene dunkle Obergewand weht <strong>im</strong> Wind;<br />

die Füße stehen in Schrittstellung. Auffällig ist die farbliche Gestaltung des Hintergrundes.<br />

Unter der Figur leuchtet ein sattes Meeresblau, durchzogen von wellenförmigen Linien. Die<br />

Fläche darüber trägt braune, erdfarbene Töne. Der oberste Bildteil, der „H<strong>im</strong>mel“, <strong>wird</strong> von<br />

einem violetten und einem rosafarbenen Streifen durchzogen. Der Engel mit dem Rad<br />

befindet sich demnach mitten über dem Meer. Das Bild ist eine szenische Umsetzung der<br />

Bibelstelle Offb. 18,21: „<strong>Und</strong> ein starker Engel hob einen Stein auf, groß wie ein Mühlstein,<br />

warf ihn ins Meer und sprach: So <strong>wird</strong> in einem Sturm niedergeworfen die große Stadt<br />

Babylon und nicht mehr gefunden werden.“ Die Vorstellung von einem letzten Gericht<br />

<strong>Gott</strong>es, die darin anklingt, war und ist noch <strong>im</strong>mer für viele Menschen belastend und<br />

angstbesetzt. An diesem Vers <strong>wird</strong> aber gerade die positive Zielsetzung des Gerichts<br />

deutlich. Es geht um die Befreiung von <strong>alle</strong>n Mächten, die den Menschen beherrschen, die<br />

ihn versklaven und unfrei machen – wie früher die Großmacht Babylon das in Exil geführte<br />

Israel. Der Mühlstein auf dem Bild versinnbildlicht die bedrückende Last, die von solchen<br />

Mächten ausgeht. Dass der Engel den Stein ins Meer wirft, zeigt das Ende ihrer Herrschaft<br />

an. Das Gericht <strong>Gott</strong>es ist so, recht verstanden, ein Aufrichten des Menschen.<br />

Dirk Bouts, Speisung des Elia<br />

Der niederländische Maler Dirk Bouts (ca.1410-1475) hat die „Speisung des Elia“ (1464-67)<br />

als Teil eines Abendmahlaltars für die <strong>Kirche</strong> St. Peter, Löwen, entworfen, auf dem<br />

verschiedene biblische Speisungs- bzw. Mahlgeschichten abgebildet sind. Elia, der große<br />

<strong>Gott</strong>esstreiter, der eben noch auf dem Berg Karmel durch ein <strong>Gott</strong>esurteil vierhundertfünfzig<br />

Propheten des kanaanäischen <strong>Gott</strong>es Baal getötet hat, liegt erschöpft und lebensmüde am<br />

Wegrand. Von der Königin Isebel, einer Anhängerin des Baalskultes, verfolgt, hat er sich in<br />

die Wüste geflüchtet – auf dem Bild dargestellt als öde, karge Felsenlandschaft. Sein Stock<br />

liegt achtlos hingeworfen mitten auf dem Weg. Er selbst hat sich in seinen Mantel gehüllt, will<br />

nur noch schlafen und sterben. Die Geschichte einer verzweifelten Flucht, einer Lebenskrise,


einer tiefen Depression, doch auch die Geschichte einer besonderen Hilfe. Ein weiß<br />

gekleideter Engel beugt sich über ihn, berührt sanft mit der Hand seine Schulter. „<strong>Und</strong><br />

siehe,“ so heißt es in 1.Kön 19, „ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!<br />

<strong>Und</strong> er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit<br />

Wasser. <strong>Und</strong> als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. <strong>Und</strong> der<br />

Engel des HERRN kam zu zweiten Mal wieder und rührte ich an und sprach: Steh auf und<br />

iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Zwei Anläufe braucht der Engel, bis er den<br />

Propheten wieder auf den Beinen har. Doch dann zieht Elia los – gestärkt durch die Kraft der<br />

Speise vierzig Tage und vierzig Nächte. Der Künstler hat seine Wanderung perspektivisch<br />

verkleinert <strong>im</strong> Hintergrund des Bildes gemalt. Elia, deutlich wieder zu erkennen am<br />

leuchtenden Rot seines Mantels, hält den Wanderstab jetzt in der Hand und schreitet<br />

energisch voran. Das Ziel seiner Wanderung, der <strong>Gott</strong>esberg Horeb, ist schon am Ende des<br />

Weges zu sehen. Dort <strong>wird</strong> Elia <strong>Gott</strong> selbst begegnen <strong>im</strong> leisen Sausen eines Windes.<br />

Rembrandt, Die Vision Daniels<br />

Zwei Personen sind auf dem Bild „Die Vision Daniels“ (1650) von Rembrandt dargestellt,<br />

zwei Personen vor dunklem Hintergrund in einer Szene tiefer menschlicher Bewegtheit. Ein<br />

junger Mensch, ein Kind, kniet und betet. Die Konturen der braun gekleideten Gestalt gehen<br />

fließend in die sie umgebende Nacht über. Nur den geneigten Kopf, die gefalteten Hände<br />

und einen angewinkelten Fuß kann man deutlich erkennen. Die Körperhaltung drückt<br />

Spannung aus. Hier ringt ein Mensch <strong>im</strong> Gebet unter Einsatz seiner ganzen Person; ein<br />

geistlicher Kampf. Hinter ihm steht eine Lichtgestalt, ein weiß gekleideter Engel. Von ihm<br />

geht die Helligkeit aus, die sich als Diagonale schräg durch das Dunkel des Bildes zieht. Die<br />

mächtig ausgespannten Flügel bilden einen eigenartigen Kontrast zu seinen sonst ebenfalls<br />

kindlichen Zügen. Mit behutsamer Zärtlichkeit beugt sich der kindliche Engel über den Betenden,<br />

legt ihm die eine Hand auf die Schulter, weist ihm mit der anderen den Weg nach vorne.<br />

Der Titel verweist auf den biblischen Bezug des Bildes. Daniel, ein ins babylonische Exil<br />

deportierter Jüngling, betet zu <strong>Gott</strong> um die Befreiung seines Volkes aus der Gefangenschaft:<br />

„Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern<br />

auf deine große Barmherzigkeit“. „Eben als ich noch so redete“, so erzählt es Dan 9 weiter,<br />

„da flog der Mann Gabriel, den ich zuvor <strong>im</strong> Gesicht gesehen hatte, um die Zeit des<br />

Abendopfers dicht an mich heran. <strong>Und</strong> er unterwies mich und redete mit mir und sprach:<br />

Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dir zum rechten Verständnis zu verhelfen. Denn als du<br />

anfingst zu beten, erging ein Wort, und ich komme, um dir´s kundzutun; denn du bist von<br />

<strong>Gott</strong> geliebt.“ Der Engel deutet die Zukunft des Volkes Israel, die Daniel in seinen Visionen<br />

gesehen hat. Die Hoffnung, wie Daniel eine stärkende Hand auf dem Rücken zu spüren und<br />

einen Richtung gebenden Fingerzeig zu erhalten, trägt auch heute das Gebet glaubender<br />

Menschen. Wie wichtig dabei gerade solche „politischen“ Daniel-Gebete für das Volk sind,<br />

können wir ja gerade täglich den Meldungen der Tageszeitung entnehmen.<br />

Hieronymus Bosch, Aufstieg der Seelen<br />

Menschen, die „todesnahe Erfahrungen“ gemacht haben, also schon klinisch tot gewesen<br />

sind, dann aber vor der definitiven Grenze des Todes zurückkehrten, berichten oft von<br />

ähnlichen Erlebnissen: Ihr Leben sei noch einmal an ihnen vorbeigezogen; sie hätten sich<br />

selbst <strong>im</strong> Sterbeprozess beobachtet; lichthafte Wesen oder früher Verstorbene seien ihnen<br />

begegnet und hätten ihnen geholfen; am Ende eines langen, dunklen Tunnels habe ein<br />

strahlendes anziehendes Licht geleuchtet; die Rückkehr von dem Licht und der Verlust des<br />

empfundenen Friedens seien schmerzhaft und bedrückend gewesen. Ein ähnliches Bild von<br />

Tod und Sterben findet sich als Detail auf einer Jenseitsdarstellung von Hieronymus Bosch<br />

(1450-1516). Bosch, eigentlich bekannt für seine bizarr-dämonischen Höllen- und<br />

Traumbilder, hat hier geradezu tröstlich den „Aufstieg der Seelen“ ins h<strong>im</strong>mlische Paradies in<br />

Szene gesetzt. Ein großer lichtdurchfluteter Schlauch reißt ein Loch in die Dunkelheit des<br />

Todes, führt heraus aus der Nacht des Sterbens. Wie ein unaufhaltsamer Sog zieht das


Kreisen des Lichts die schwebenden Paare empor: nackte, kniende Menschen mit betenden<br />

erhobenen Armen und ihre engelhaften Begleiter. Je näher sie dem Licht kommen, desto<br />

stärker werden sie in Haltung und Farbe selbst von dem Licht best<strong>im</strong>mt. Ganz <strong>im</strong> Licht sieht<br />

man eine Person – stehend und mit grüßender Hand. Einer, der angekommen ist, oder der<br />

eine, bei dem man ankommt? Das nunmehr 500 Jahre alte Bild vermag die<br />

Unanschaulichkeit des Jenseits nicht zu überwinden. Es kann aber gerade in der dunklen<br />

Zeit zwischen Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag Trost und Hoffnung vermitteln.<br />

Engel zur Rechten Christi<br />

Das Bild gehört zu einem alten Mosaik in der <strong>Kirche</strong> S.Appolinaire Nuovo in Ravenna aus<br />

dem 6.Jh. Aus vielen kleinen Steinen zusammengesetzt, zeigt es einen Engel mit<br />

„klassischer Ausrüstung“: weißes Gewand, Flügel, goldgelocktes Haar, Heiligenschein, in der<br />

Hand einen Hirtenstab. Auffälliger und wichtiger als diese äußeren Insignien aber ist der<br />

Eindruck, den die dargestellte Figur vermittelt: Ihre erhobene Hand macht eine Einhalt<br />

gebietende, ja geradezu abwehrende Geste; die großen Augen schauen eindringlich, ernst,<br />

fast ein bisschen traurig; Oberkörper und Flügel nehmen die ganze Bildbreite ein, stehen<br />

frontal zum Betrachter, stellen sich ihm gleichsam in den Weg. Die Aufmerksamkeit <strong>wird</strong> so<br />

von der Figur des Engels auf seine Aufgabe, seine Funktion gelenkt. Der Engel ist selbst<br />

ganz Botschaft <strong>Gott</strong>es an uns. Warum blickt er so melancholisch? Wovon will er abhalten?<br />

Wie lautet sein Auftrag? Fragen, die das Bild aufwirft, auf die es aber selbst keine Antwort<br />

gibt. Die ebenso schlichte wie feierliche Darstellung lädt zum Nachdenken ein.<br />

Marc Chagall, Der schützende Engel<br />

Die Bilder von Marc Chagall (1887-1985) sprechen an durch ihre farbenfrohe Gestaltung,<br />

ihre starke Symbolik und ihre tiefe Leidenschaft für den Menschen. In ihrer Themenwahl<br />

spiegeln sie die unterschiedlichen Erfahrungen, die Chagall in seinem Leben geprägt haben:<br />

das russische Dorfleben aus seiner Kindheit, die religiöse Prägung durch das chassidische<br />

Judentum Osteuropas, seine Liebe zu seiner Frau Bella, die Schrecken der Judenverfolgung<br />

in der NS-Zeit. Bekannt geworden ist Chagall vor <strong>alle</strong>m auch durch seine Bibelillustration und<br />

die Gestaltung der <strong>Kirche</strong>nfenster in Metz und Zürich. Auch das Bild „Der schützende Engel“<br />

ist best<strong>im</strong>mt von biblisch-religiösen Motiven. Das Bildzentrum bilden ein Paar weißer Flügel<br />

und eine blaue Gestalt darunter – beide in der für Chagall typischen Losgelöstheit von jeder<br />

räumlichen Perspektive. Die blaue Figur mit Krone und Schwert liegt danieder: Trauert sie,<br />

schläft sie, ist sie tot? Im Hintergrund tauchen einzelne Köpfe einer aufgeregt wirkenden<br />

Volksmenge auf: Sie leiden mit der Person, wollen sie wecken oder trauern um sie. Die<br />

Sonne auf dem düsteren H<strong>im</strong>mel ist Unheil verkünden schwarz und rot gefärbt. Die weißen<br />

Flügel dagegen wirken wie ein schützender Baldachin über der Person, ein Kontrapunkt zur<br />

sonst bedrückenden Bildst<strong>im</strong>mung. Oben auf ihnen erkennt man eine zweite Krone, eine<br />

dritte in der Hand eines kleinen, blauen Engels, der noch über den Flügeln schwebt. Die gekrönte<br />

Person könnte König David sein, der König Israels schlechthin, Identifikationsfigur des<br />

jüdischen Volkes. In seinem Geschick spiegelt sich das Schicksal seines Volkes, wie es der<br />

Künstler mit erlebte: Trauernd, verletzt, sterbend liegt es danieder; doch zugleich bleibt es<br />

behütet von guten Mächten, von Flügen und Engeln, von <strong>Gott</strong> selbst. Getragen <strong>wird</strong> das Volk<br />

von der Hoffnung auf den erwarteten Messias, den verheißenen Friedefürst..

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