Stadtfeld, Tobias (2013) - Sprachwissenschaftliches Institut - Ruhr ...
Stadtfeld, Tobias (2013) - Sprachwissenschaftliches Institut - Ruhr ...
Stadtfeld, Tobias (2013) - Sprachwissenschaftliches Institut - Ruhr ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2.2: Ein Überblick über die Sichtweisen zur Zählbarkeit 17<br />
der Referent weist eine homogene Struktur auf. Beispielhaft bedeutet dies, dass eine<br />
kleine Portion Wein dieselben Charakteristika aufweist wie eine größere Menge<br />
dergleichen Substanz, während hingegen ein Auto heterogener Gestalt ist. 11<br />
Die im Kontext relevante und zu beschreibende Umwelt ist somit Ausgangspunkt<br />
zur Bestimmung der Zählbarkeit einzelner Substantive, wobei genau diese<br />
Bestimmung die große Schwachstelle dieser Sichtweise ist.<br />
Wie bereits erörtert, werden viele Substantive in unterschiedlichen Sprachen mit<br />
Unterschieden in der Zählbarkeit realisiert. Dies dürfte bei dieser Sichtweise<br />
aufgrund der Abbildung der Realität auf eine sprachliche Äußerung aber nicht<br />
passieren. Chierchia (1998a) bemerkt hierzu:<br />
„Pavarotti’s hair is Pavarotti’s hair, whether we talk about it in Italian or in English, i.e.<br />
whether we get at it through a mass noun or through a count noun. If we don’t want semantics<br />
to start looking like magic, we have to say that in the real world “hair” and “capello”<br />
obviously denote the same stuff.“<br />
(Chierchia, 1998a, S. 88)<br />
Dieser Argumentation folgend, müssten praktisch alle Substantive in allen Sprachen<br />
dieser Welt jeweils dieselbe Zählbarkeit aufweisen, was nachweislich aber nicht der<br />
Fall ist. So ist davon auszugehen, dass es keine nennenswerten biologischen<br />
Unterschiede in der Haarpracht deutsch- und englischsprachiger Menschen gibt.<br />
Trotzdem wird hair im Englischen als nicht-zählbares Substantiv realisiert, d. h., es<br />
existiert u. a. keine zulässige Pluralform ( * two hairs), während die Pluralisierung im<br />
deutschen Sprachraum kein Problem darstellt (zwei Haare).<br />
Zwar gibt es eine starke Korrelation in der Zählbarkeit von Substantiven beider<br />
Sprachen, jedoch auch zahlreiche weitere Abweichungen:<br />
(36) Two flashes of lightning hit the poor man.<br />
(37) Zwei Blitze trafen den unglückseligen Mann.<br />
(38) For further information, please call us.<br />
(39) Für weitere Informationen rufen Sie uns bitte an.<br />
(40) Die Möbel sind aber teuer!<br />
(41) The furniture is expensive!<br />
In (36) wird ein Klassifikator (flashes) benötigt, um das mutmaßliche nicht-zählbare<br />
Substantiv in den Kontext einer Kardinalzahl einzubetten. In der deutschen<br />
Übersetzung in (37) ist dies hingegen nicht notwendig. In (38) und (39) wird dieselbe<br />
Aussage getätigt, dennoch steht das Substantiv im Englischen im Singular, während<br />
es im Deutschen im Plural realisiert wird. Sätze (40) und (41) sind dergleichen<br />
Gestalt, nur dass sich hier der Numerus entgegengesetzt verhält.<br />
Ein weiteres Problem ergibt sich bei dem Versuch, die genannten Kriterien der<br />
Kumulativität, Distributivität und Homogenität auf Abstrakta anzuwenden. Abstrakta,<br />
11 Die Eigenschaft der Homogenität wird in Kapitel 4 erneut aufgegriffen und ausführlich behandelt.