Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern
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Einleitung<br />
Der Modernisierungsschub der letzten Jahrzehnte hat das Leben der Menschen radikal umgekrempelt.<br />
Noch nie hat sich so Vieles in so kurzer Zeit so sehr verändert. Fundamental geändert<br />
haben sich die Art und Weise der Lebensführung, das soziale Verhalten, die Lebenseinstellungen<br />
und Werte der Menschen, die Lebensziele und Lebensgewohnheiten. Die moderne<br />
Gesellschaft löste die Menschen aus überkommenen Lebenszusammenhängen. Hand in Hand<br />
mit dieser Entwicklung geht eine Enttraditionalisierung des Lebens einher. Hergebrachte Lebensformen,<br />
Zugehörigkeiten und soziale Einbettungen verlieren an Prägekraft in der Lebensführung<br />
der Menschen.<br />
Die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse prägen auf sehr nachhaltige Weise die Art, wie<br />
die Menschen ihre Religiosität leben und pflegen. In zahlreichen Bevölkerungsumfragen<br />
spiegelt sich der Wandel im religiösen Selbstverständnis der Menschen. Die religiöse Landschaft<br />
ist charakterisiert durch eine unaufhaltsame Bewegung zur Subjektivierung der Glaubensvorstellungen<br />
und Religionspraktiken. Die explosionsartige Ausdehnung des Spielraumes<br />
für Geschmack und Stil, für Ansichten und Lebensphilosophien, für Moral und Lebensführung<br />
begründet Subjektivität als zentrales Orientierungsprinzip in der Gegenwartsgesellschaft.<br />
Subjektivierung bezeichnet die Tendenz einer wachsenden Zahl von Gesellschaftsmitgliedern,<br />
die persönliche Entwicklung als Evidenz- und Gütekriterium ihrer Religion anzusehen. Subjektive<br />
Erfahrungen, Präferenzen und Interessen werden zum Massstab, Leitfaden und zur<br />
Quelle für Weltauffassungen. Mit dem Begriff der Subjektivierung der Religion bezeichnet<br />
der Religionssoziologe Hubert Knoblauch „die zunehmende Verlagerung der religiösen Themen<br />
in das Subjekt und damit die zunehmende Relevanz des Selbst und seiner subjektiven<br />
Erfahrungen. Subjektivierung bezieht sich also darauf, dass sich Religion für einen grösser<br />
werdenden Teil der Gesellschaft in der jeweils eigenen, subjektiven Erfahrung bewähren<br />
muss“ (Knoblauch 1997, 180).<br />
Was sich in jüngster Zeit vor allem ereignet hat ist die Emanzipation von der umfassenden<br />
Regelung des Lebenszusammenhanges durch die <strong>Institut</strong>ion Kirche. Beobachten lässt sich<br />
nicht so sehr ein Verfall von Religion, sondern ein Wandlungs- und Veränderungsprozess in<br />
den Ausdrucksformen von Religion. Verändert haben die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse<br />
das Gesicht der Religion.<br />
Vor dem Hintergrund des sozialen, kulturellen und religiösen Wandels stellt sich die Frage,<br />
welche Auswirkungen diese Veränderungsprozesse auf die Ausgestaltung des religiösen Lebens<br />
im Alpenrheintal haben. Welche Konstitutionsmerkmale kennzeichnen die im Alpenrheintal<br />
aktiven Religionsgemeinschaften? Wie gestalten sie ihr Gemeinschaftsleben? Von<br />
welchen religiösen und organisatorischen Vorstellungen lassen sie sich dabei leiten? Dargestellt<br />
werden soll, welche gemeinschaftlichen Formen religiösen Erlebens und Handelns wir<br />
heute im Alpenrheintal antreffen.<br />
Im Alpenrheintal begegnet uns ein breites und buntes Spektrum von Glaubensgemeinschaften.<br />
Sie sind sehr unterschiedlich hinsichtlich ihrer Entstehung und Entwicklung, ihren charakteristischen<br />
Merkmalen, ihren religiösen Akzentsetzungen, ihren Frömmigkeitsstilen, ihrer<br />
Führungs- und Ämterstruktur, bezüglich ihrer Mitgliederzahl, in ihren Erwartungen und Anforderungen<br />
an die Mitglieder, in den Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitglieder, in ihrer<br />
nationalen und internationalen Einbindung, in ihrer Verbreitung auf nationaler und internationaler<br />
Ebene, hinsichtlich der Finanzierung ihrer Gemeindearbeit, speziellen Wirkungs- bzw.<br />
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