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Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern

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3.5 Nivellierung des konfessionellen Bewusstseins<br />

Der permanente Wandel, der sich an Radikalität und Intensität noch steigern wird, erschüttert,<br />

problematisiert und relativiert auf Dauer angelegte Übereinkünfte, Bindungen und Verbindlichkeiten.<br />

Von der nachlassenden Bindungsfähigkeit hoch organisierter Gruppierungen gegenüber<br />

ihrer sozialen Basis sind heute auch die Kirchen betroffen. Je stärker eine soziale<br />

Gruppe den Charakter einer Organisation annimmt, desto ausgeprägter legen die Mitglieder<br />

eine berechnende Haltung ihr gegenüber an den Tag. Affektive Verarmung von Mitgliedschaftsverhältnissen<br />

über Organisation und als Folge davon verminderte institutionelle Bindungsfähigkeit,<br />

individualistisch definierte Mitgliedschaftsinteressen stehen in einer verstärkenden<br />

Wechselwirkung zueinander, in der eine Erosion des konfessionellen Bewusstseins<br />

sich für die Kirchen unausweichlich einstellt.<br />

Die Reichweite und Prägekraft der <strong>Institut</strong>ion Kirche erfährt ihre Begrenzung durch die privaten<br />

Optionen ihrer Mitglieder. Der fakultative Bezug auf die Kirche durch individuelle Entscheidung<br />

hat zur Folge, dass die Konfessionszugehörigkeit eine starke Relativierung erfährt.<br />

Durch die Vervielfältigung der Interpretations- und Lebensformen von Christentum innerhalb<br />

der Kirchen droht ihnen die Gefahr, ihre konfessionell unverwechselbare Gestalt zu verlieren.<br />

Mitgliederorganisationen wie die Kirchen müssen heute mit heterogen gewordenen Mitgliedschaften<br />

leben. Sie müssen ihre Ziele und Zwecke so weich, unbestimmt und vieldeutig formulieren,<br />

dass sie möglichst viele heterogen motivierte Mitglieder darunter sammeln können.<br />

Der Zuwachs an Heterogenität an der sozialen Basis der Kirchen untergräbt ihre spezifische<br />

Identität. Die durch sozialen Wandel gestiegene Vielfalt an persönlichen Interessen, Lebenslagen<br />

und Problemkonstellationen stellen für die Kirchen schwer lösbare lntegrations- und<br />

Repräsentationsaufgaben. Das Auseinandertreten der Lebenslagen und Lebenswege, die Einzigartigkeit<br />

der Biographien und die Verschiedenheit der Erfahrungsräume fuhren zu individuell<br />

und persönlich geprägter Religiosität. Gemeinsame Anliegen, Betroffenheiten, Problemlagen,<br />

die gleiche Auffassung dessen, was Christsein ausmacht, worin es verbindlich zum<br />

Ausdruck kommt, verbindet zunehmend einzelne Menschen über die Verschiedenheit ihrer<br />

angestammten Konfession hinweg. Von der familiären Herkunft her gehört man zwar noch<br />

einer Konfession an, aber in seinem Verhalten ist man immer weniger konfessionsorientiert.<br />

Die einst konfessionell homogene soziale Basis verflüchtigt sich.<br />

In den Augen der Mehrheit der Katholiken und Protestanten weisen die beiden Konfessionen<br />

kein scharfes Profil mehr auf. Unterschiede, wenn überhaupt werden von der Mehrheit der<br />

Kirchenmitglieder nur noch in Nebensächlichkeiten gesehen. Es ist davon auszugehen, dass<br />

sich christliche Glaubensorientierung zunehmend über die bestehenden Konfessionsgrenzen<br />

hinweg in eine Vielfalt von Entwürfen ausfaltet und sich dabei mit nichtchristlichen Orientierungen<br />

vermengt.<br />

Der Konfession kommt in der Vielfalt der Lebenswelten, in denen sich der einzelne tagtäglich<br />

bewegt, kaum mehr eine lebensprägende und lebensstrukturierende Kraft und Bedeutung zu.<br />

Die Mitglieder der beiden grossen Konfessionen unterscheiden sich kaum mehr in ihren Einstellungen,<br />

Werten und sozialen Attitüden voneinander. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist es<br />

zu einer weitgehenden Angleichung zwischen den Konfessionsgruppen gekommen. Nicht so<br />

sehr die Katholiken und Protestanten stellen sich als voneinander unterscheidbare Teilgruppen<br />

dar. Vielmehr sind es zum einen die Konfessionslosen, die sich als eine von den Kirchenmitgliedern<br />

insgesamt klar unterscheidbare soziale Gruppe beschreiben lassen. Zum andern las-<br />

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