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Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern

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Seit den Attentaten vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten haben sich in der<br />

Schweiz die Beziehungen zum Islam verändert. Misstrauen, Verdächtigung, Furcht und Ablehnung<br />

sind zur Norm in der Wahrnehmung des Islams und der Muslime geworden. Spätestens<br />

seit der Abstimmung zur Initiative «Gegen den Bau von Minaretten» (2009) ist ein neuer<br />

Ton im Umgang mit der muslimischen Bevölkerung festzustellen. Muslime in der Schweiz<br />

wurden vermehrt mit Vorkommnissen in der islamischen Welt in Verbindung gebracht. Einwanderer<br />

aus Bosnien, Mazedonien, dem Kosovo oder der Türkei werden nicht mehr in erster<br />

Linie als Ausländer betrachtet, sondern werden als zum Islam Zugehörige gesehen, unabhängig<br />

davon, ob sie nun gläubig sind oder nicht, ob sie ihre Religion praktizieren oder nicht, ob<br />

sie ihre Religionszugehörigkeit gegen aussen sichtbar machen oder nicht. Menschen muslimischer<br />

Religionszugehörigkeit berichten, dass man ihnen mit Argwohn begegnet. Lm Mittelpunkt<br />

der Auseinandersetzung um die Präsenz von Muslimen steht die Frage nach der Verträglichkeit<br />

des Islam mit der demokratischen Rechtsordnung. Das Hauptproblem - so die<br />

allgemein verbreitete Ansicht - bilde dabei die Unfähigkeit oder mangelnde Fähigkeit des<br />

Islam zur klaren Trennung zwischen Staat und Religion.<br />

Musliminnen und Muslime in der Schweiz weisen, wie Angehörige anderer Religionsgemeinschaften<br />

ebenfalls, ein sehr heterogenes Profil auf. Wie der überwiegende Teil der Angehörigen<br />

christlicher Konfessionen und anderer Religionen ist auch die grosse Mehrheit der Angehörigen<br />

muslimischer Gemeinschaften laizistisch orientiert. Sie verstehen sich als Bürgerinnen<br />

und Bürger dieses Landes, arbeiten in unterschiedlichsten Berufen, haben verschiedenste<br />

nationale Hintergründe und kulturelle Traditionen, gehören unterschiedlichen sozialen<br />

Schichten an. Das Bekenntnis zum Islam nimmt verschiedene Formen an, und die damit verbundenen<br />

religiösen Praktiken weisen eine grosse Palette individuell gefärbter Ausprägungen<br />

auf.<br />

Forscher kommen zum Schluss, dass lediglich eine kleine Minderheit als streng Praktizierende<br />

zu beurteilen ist und über achtzig Prozent der Muslime ihre Religion sehr pragmatisch ausübt<br />

(Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen, Muslime in der Schweiz. Identitätsprofile,<br />

Erwartungen und Einstellungen. Eine Studie der Forschungsgruppe «Islam in der<br />

Schweiz» (GRIS), 2010). Aufgrund von Gesprächen mit Vertretern muslimischer Organisationen<br />

und verschiedener Forschungsarbeiten kann man davon ausgehen, dass tatsächlich 10<br />

bis 15 Prozent der in der Schweiz lebenden Muslime praktizierend sind.<br />

Die Muslime in der Schweiz haben ein relativ dichtes Vereinsnetz eingerichtet. Es gibt rund<br />

fünfzig muslimische Vereine (darunter auch Jugend- und Frauenzentren und karitative Vereine),<br />

ausserdem rund 130 Kulturzentren und Gebetsstätten (26 arabische, 49 albanische, 21<br />

bosnische und 31 türkische). Allein die Namen der verschiedenen islamischen Organisationen<br />

deuten darauf hin, dass die Vereine sich häufig eher an kulturellen und gesellschaftlichen<br />

(beispielsweise der nationalen Zugehörigkeit) als an rein religiösen Kriterien orientieren.<br />

Nicht alle muslimischen Vereine haben einen vorwiegend religiösen Zweck. Oft sind es Orte<br />

der Begegnung und der Kommunikation, wo man andere Menschen treffen kann, welche die<br />

gleiche Sprache sprechen. Die Kultur- und Sportvereine sind auch – und vor allem – ein Ort<br />

der Sozialisation für nicht praktizierende Muslime, eine Kategorie, die überraschenderweise<br />

mitunter vergessen wird, wenn man von Muslimen spricht, obwohl sie zahlenmässig am<br />

grössten ist.<br />

Parallel zu den eigenkulturellen Entwicklungen, die die ganze Vielfalt und Unterschiedlichkeit<br />

muslimischen Lebens in der Schweiz widerspiegeln, haben Muslime in der gesamten<br />

Schweiz begonnen, sich über ihre Sprach- und Kulturgrenzen hinaus in Dachvereinen zu or-<br />

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