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Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern

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Für immer weniger Menschen lässt sich weder die Gesellschaft als Ganze noch das eigene<br />

Leben in einen überwölbenden Gesamtsinn einbinden. Sie sehen sich mit einer Vielfalt von<br />

Lebensanforderungen und –deutungen konfrontiert, die sich immer weniger in einen ganzheitlichen<br />

Lebensentwurf integrieren lassen. Es ist ihnen nicht mehr möglich, weder sich selbst<br />

noch die Welt als Ganzheit von einem Standpunkt aus zu begreifen.<br />

Der gesellschaftliche Modernisierungsprozess bedeutet für die meisten Menschen den Verlust<br />

einer umfassenden Sinnstiftung. Keine Weltanschauung kann mehr für sich in Anspruch<br />

nehmen, einen Gesamtsinn und eine Lebensordnung zu repräsentieren, die für alle Bereiche<br />

und alle Personen gleichermassen Gültigkeit besitzt. Es wird daher mehr und mehr zur Aufgabe<br />

jeder und jedes einzelnen, in Bezug auf sich selbst ein Deutungsmuster für das eigene<br />

Leben zu entwerfen. Für den einzelnen verschärft sich das Problem, wie er die Frage nach<br />

dem Sinn des Lebens beantworten soll.<br />

Wie sich die zerstückelte und zersplitterte Alltagswelt, die ein flexibles Verhalten und Reagieren<br />

auf unterschiedliche Herausforderungen erfordert, kaum mehr in einem umfassenden und<br />

in sich geschlossenen Identitätswurf integrieren lässt, neigen vor allem Jugendliche und junge<br />

Erwachsenen mehrheitlich zu einem experimentellen Umgang mit unterschiedlichen Lebensdeutungsmustern<br />

und pflegen eine offene, prozessuale, multiple, bewegliche, intuitive, stets<br />

modifizierbare und vorläufige, in Kommunikation mit andren ausgehandelte, ereignis- und<br />

erfahrungsbezogene Interpretationspraxis der Sinnsuche, die ständig um Anschlussfähigkeit<br />

in einer komplexen Sozialwelt ringen muss.<br />

Jugendliche und junge Erwachsene werden heute von früh auf mit einer Vielzahl von durchaus<br />

unsteten und vergänglichen Selbstdarstellungsmustern konfrontiert und übernehmen diese<br />

gleichsam zusammengesetzt als Arsenal in ihre eigene Lebensentwürfe. Wer sich nicht festlegen<br />

kann und beweglich bleiben will, verhält sich auch flexibel im Blick auf seine letzten<br />

Lebensrelevanzen.<br />

Die Freikirchen setzen dieser Art von Religiosität eine klar konturierte, verbindliche Religiosität<br />

gegenüber. Freikirchliche Religiosität präsentiert sich als kohärente und in sich geschlossene<br />

Orientierung und grenzt sich gegenüber allen anderen religiösen Orientierungen deutlich<br />

ab. Angehörige von Freikirchen bevorzugen klare, verbindliche und eindeutige Aussagen zur<br />

Gottesfrage, zur Deutung des Todes und zur Zukunft der Menschheit aus dem christlichen<br />

Glauben. Im Christentum erkennen sie das Fundament ihrer Lebensführung. An der Existenz<br />

Gottes hegen sie keinen Zweifel. Ungewissheit über ein Leben nach dem Tode plagt sie nicht.<br />

Dass Angehörige von Freikirchen ihre Weltanschauung zum Kernbestand ihrer Identität machen<br />

und aus ihr die Leitlinien für die Lebensführung ableiten, gründet unter anderem wesentlich<br />

in ihrer engen Gemeinschaftsbindung. Identitäten, die nicht der gesellschaftlichen Normalität<br />

entsprechen, sind in hohem Masse angewiesen auf stützende soziale Beziehung. Der<br />

Einzelne lernt sich als Gleichgesinnter im Spiegel seiner Mitchristen begreifen. Der Typ des<br />

evangelikalen Christen repräsentiert eine religiöse Orientierung, die sich eng an den institutionell<br />

verfassten Glauben und seine Ausdrucksformen anlehnt. Religiöses Erleben und Handeln<br />

bewegt sich in vorgezeichneten Bahnen. In der Kommunikation untereinander erfahren<br />

die evangelikalen Christen gegenseitige Bestätigung in ihrer Wirklichkeitsauffassung.<br />

Eine repräsentative Befragung von freikirchlichen Mitgliedern in der Schweiz (Favre 2006)<br />

zeigt auf, dass 87.2% mehrmals die Woche oder zumindest wöchentlich den Gottesdienst be-<br />

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