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Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern

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3. Wörtliches Bibelverständnis. Freikirchen sind von der göttlichen Inspiration der Bibel<br />

überzeugt und sind der Meinung, dass man den Sinn der Bibeltexte ohne grossen Interpretationsaufwand,<br />

d.h. vergleichsweise direkt verstehen kann. Sie sehen daher beispielsweise die in<br />

der Bibel erzählten Wundergeschichten (z.B. die Speisung der 5.000, Mt 14, 13-20) als reale,<br />

historische Tatsachen an. Durch diese Ansichten unterscheiden sich die Angehörigen von<br />

Freikirchen von vielen anderen Christen, welche biblische Texte ihres mythologischen Gewands<br />

entkleiden und in übertragenem Sinne, sei es symbolisch, psychologisch oder moralisch,<br />

verstehen.<br />

4. Betonung von Mission. Freikirchliche sind davon überzeugt, dass der Weg zum Heil nur<br />

über Jesus Christus führt. Aus diesem Grund legen sie viel Wert auf Mission und Evangelisierung.<br />

Bekehrte Christen sollten nichtbekehrten Christen, Anhängern anderer Religionen und<br />

Religionslosen den Weg zu dieser Art von Glauben zeigen. Dies wird meist auf den Missionsbefehl(<br />

(Mt 28, 18) zurückgeführt. Hierin unterscheiden sich die Freikirchen von vielen<br />

anderen christlichen Kirchen, welche statt auf Mission auf interreligiösen Dialog setzen.<br />

6.5 Evangelikalismus als soziales Milieu<br />

Jürg Stolz hat in einer empirischen Studie nachgewiesen, dass die Evangelikalen, sei es als<br />

Teil der protestantischen Kirche oder in Freikirchen, tatsächlich ein von anderen unterscheidbares<br />

soziales Milieu bilden (Evangelikalismus als Milieu, in: Schweizerische Zeitschrift für<br />

Soziologie 1999, 89-119). Ein soziales Milieu zeichnet sich durch eine erhöhte Binnenkommunikation<br />

aus, durch gemeinsam geteilte Werte, Einstellungen und Lebensphilosophie,<br />

durch gemeinsame Merkmale wie Einkommen, Beschäftigung, Bildung, Alter, Geschlecht,<br />

Haushaltstruktur und leicht erkennbaren Milieuzeichen, an den erkennbar ist, ob jemand einem<br />

Milieu angehört oder nicht.<br />

Evangelikale weisen tatsächlich eine erhöhte Beziehung unter Ihresgleichen aus. Das zeigt<br />

sich zunächst an der Tatsache, dass 87% der Ehepartner/innen von Evangelikalen ebenfalls<br />

evangelikal sind, dass ,,gemischte" Ehen (einer evangelikal, der andere nicht) somit die Ausnahme<br />

sind. Erklärbar ist das einerseits durch die Tatsache, dass Evangelikale engere Kontakte<br />

vorzugsweise mit anderen Evangelikalen pflegen und dass sie daher hier auch ihre Heiratspartner<br />

finden. Andererseits ist klar, dass ,,gemischte Ehen" recht schwierig zu führen sind. Es<br />

liegt ein grosses Spannungspotential vor, welches aus gegenseitigem Nichtverstehen, aus abgewehrten<br />

Missionsversuchen usw. besteht. Diese Spannungen werden zumeist vermieden,<br />

indem gleich ein ebenfalls evangelikaler Heiratspartner gewählt wird. Es ist natürlich auch<br />

möglich, dass der hohe Anteil evangelikaler Ehepaare darauf zurückzuführen ist, dass der eine<br />

Partner in der Ehe vom anderen bekehrt worden ist. Dies trifft bei den in der Untersuchung<br />

Befragten jedoch nur auf 7% der Fälle zu, ist also recht selten. Auch was die Freunde betrifft,<br />

zeigt sich eine grosse Präferenz der Evangelikalen, ihre wichtigsten Beziehungen unter ihresgleichen<br />

zu knüpfen: Der allergrösste Teil der ,,drei besten Freunde" von Evangelikalen ist<br />

ebenfalls evangelikal. Schliesslich ist bemerkenswert, dass in 63% der Fälle ein oder beide<br />

Elternteile bekehrt sind. Der Evangelikalismus ist demnach auch in der Familie sehr stark<br />

verankert.<br />

Das evangelikale Milieu zeichnet sich allerdings nicht durch eine einheitliche soziale Lage<br />

bezüglich Einkommen, soziale Stellung, Bildung und Art der Tätigkeit aus. Vielmehr handelt<br />

es sich um eine Gruppe, die sich um Werte herum kristallisiert und Personen aus den verschiedensten<br />

Lebenslagen zu rekrutieren weiss.<br />

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