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Bericht (pdf) - Liechtenstein-Institut, Bendern

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ien des Reiches fanden in Kursachsen statt. Hier hatte sich bereits 1531 Philipp Melanchthon<br />

in einem Gutachten für die Todesstrafe für aufrührerische Täufer ausgesprochen. Auch in den<br />

Niederlanden wurden viele Täufer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.<br />

Im österreichischen Weinviertel wurden 1538 in den Verliesen der Burg Falkenstein zahlreiche,<br />

aus Mähren vertriebene Täufer inhaftiert. Die Frauen und Kinder wurden bald wieder<br />

freigelassen, während die Männer in Triest auf habsburgische Galeeren kamen. Der Täuferforscher<br />

Wolfgang Krauss spricht im Blick auf das Ausmaß des Martyriums, das die Täufer<br />

durchlitten haben, von einem „Ekklesiozid“.<br />

Der Hauptgrund der Verfolgung der Täufer war ihre grundsätzliche Haltung zur weltlichen<br />

Obrigkeit. Da die Täufer mit Verweis auf die Bergpredigt (Mt 5,33-37) den Eid ablehnten,<br />

weigerten sich die meisten Täufer, die damals üblichen Lehens- bzw. Gehorsamseide gegenüber<br />

der Obrigkeit abzulegen. Auch die weitverbreitete Haltung der Täufer, dass wahre Christen<br />

wegen des christlichen Gewaltverzichts (Mt 5,38-52) weder als Richter, Soldaten noch<br />

Scharfrichter tätig sein dürften, ja nicht einmal irgendein öffentliches Amt ausüben dürften,<br />

weil letztlich jedes öffentliche, weltliche Amt mit der Androhung oder dem Vollzug irgendeiner<br />

Art von Gewalt (z.B. gerichtliche und polizeiliche Strafen) zusammenhänge, machte sie in<br />

den Augen sowohl der Altgläubigen (katholischen) als auch der lutherischen und reformierten<br />

Obrigkeiten und Theologen verdächtig, zumindest prinzipiell den Umsturz der herrschenden<br />

Verhältnisse anzustreben - auch wenn die meisten Täufer nachweislich ein völlig passives und<br />

zurückgezogenes Leben führten. Die Verwicklung einzelner täuferischer Theologen in den<br />

Bauernkrieg und das Täuferreich von Münster brachte so die ganze, sehr uneinheitliche<br />

Täuferbewegung unter Generalverdacht.<br />

Aus der Täuferbewegung entwickelten sich die täuferischen Gruppen der Mennoniten, Amish<br />

und Hutterer. Keine dieser religiösen Gemeinschaften ist heute im Alpenrheintal vertreten.<br />

Der Pietismus (17./18. Jahrhundert)<br />

Als identifizierbares Phänomen trat der Pietismus, der als Sammelbegriff für zahlreiche und<br />

unterschiedliche Strömungen innerhalb des Protestantismus steht. erstmals l670 im deutschen<br />

Luthertum auf. In den Epochen des Barock und der Aufklärung. als der reformatorische<br />

Schwung erlahmt war, entstand der Pietismus als Gegenbewegung zu den Erscheinungsformen<br />

der alten Kirchlichkeit mit ihrem Gewohnheits- und Jedermannschristentum, dem Formalismus<br />

ihrer orthodoxen Theologie und der eingebürgerten Pastorenherrschaft in den Gemeinden.<br />

Der universale Erkenntnisanspruch der Naturwissenschaften sowie die Verwissenschaftlichung<br />

der zunehmend durch die aufklärerische Philosophie geprägten Theologie, die<br />

sich dem Verständnis der normalen Bürger immer mehr entzog, waren ebenfalls Gegenstand<br />

der Kritik dieser neuen Strömung. Ihre Vertreter missbilligten weiter die Haltung des absolutistischen<br />

Staats, der das Bekenntnis zum offiziellen Dogma gegenüber dem Ausdruck einer<br />

persönlichen Frömmigkeit bevorzugte. Den Konventionen und Idealen von Kirche und Staat<br />

stellte der Pietismus sein Ideal einer persönlichen und gefühlsbetonten Frömmigkeit entgegen.<br />

Nicht der Katechismus sollte mehr im Zentrum stehen, sondern der Herzensglauben und die<br />

Glaubenserfahrung des einzelnen Individuums.<br />

Philip Jakob Spener (1615-1705), der Mann, auf den der Pietismus üblicherweise zurückgeführt<br />

wird, konzipierte mit seinen Reformforderungen von 1675 ein Programm, das den Pietismus<br />

zu einer Bibel-, Laien- und Heiligungsbewegung machte. Seiner Meinung nach galt es,<br />

das Bibelstudium bei Laien und Theologen zu vertiefen, die Laien zur Gemeinschaft und zur<br />

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