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Integrationsjournal November 2013 - Lehrerweb

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I-JOURNAL<br />

Der Stadtschulrat für Wien informiert<br />

<strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

THEATER<br />

selber machen<br />

Projekt „2050-Alle Menschen sind gleich“<br />

Fotos Copyright: Andreas Langeder


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Alle Fotos des Titelblattes gehören zu dem Artikel von Seite 48:<br />

THEATER selber machen: Projekt „2050-Alle Menschen sind gleich“<br />

2


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Inhalt<br />

Eine kleine Geschichte............................................................................................................................4<br />

Eine Ära geht zu Ende ...........................................................................................................................6<br />

Zur Pensionierung von BSI RR Richard Felsleitner................................................................................8<br />

Richard Felsleitner - eine Fotogeschichte.............................................................................................10<br />

Supervision als Angebot für professionelle Weiterentwicklung.............................................................16<br />

MOKI-Wien in den Schulen – ein Rückblick – die Gegenwart – und eine Vision für die Zukunft..........19<br />

Spitalspädagogin/Spitalspädagoge – Portfolio Wilhelminenspital.........................................................21<br />

Mein Leben als autistische Frau............................................................................................................25<br />

Rezension „Überraschend anders: Mädchen und Frauen mit Asperger“..............................................27<br />

Roma-Schulmediation an Wiener Schulen............................................................................................28<br />

Integrative Lernwerkstatt Brigittenau - ILB............................................................................................33<br />

My Fair Lady: Theaterspiel – ein Inklusionsprojekt...............................................................................43<br />

Wir stellen vor: Neue LeiterInnen im 17. IB...........................................................................................47<br />

THEATER selber machen: Projekt „2050-Alle Menschen sind gleich“..................................................48<br />

Rhythmus in die Schule!........................................................................................................................50<br />

„Du fühlst, ich höre, wir musizieren – ein Dialog“..................................................................................54<br />

YES, WE CAN! – Wie Rechnen für Menschen mit Down Syndrom auch Spaß machen kann.............58<br />

Ein Comeniusprojekt zur Inklusion: „Experts Academy“........................................................................62<br />

Dank an das SPZ 20.............................................................................................................................70<br />

Caritas & Du - Kinderhotel <strong>2013</strong>/14.......................................................................................................72<br />

Liebe Leserin! Lieber Leser!..................................................................................................................74<br />

3


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Eine kleine Geschichte<br />

Es war noch gar nicht so lange her, als Kinder und Jugendliche einfach als unfertige Erwachsene betrachtet<br />

wurden, deren Heranwachsen Züchtigung und Disziplin erforderte. Sie konnten Erziehung zur Mündigkeit<br />

noch nicht erleben. Die Rituale der Disziplin kannten den Begriff der Selbstständigkeit und des freien Denkens<br />

in keiner Form. Der höchste ethische Anspruch an jede erzieherische Tätigkeit, den Menschen niemals<br />

als Mittel sondern als Zweck an sich selbst anzusehen, ist erst ein Produkt der Aufklärung.<br />

Am 6. Februar 1721 wird in der norddeutschen Hansestadt Lübeck der kleine Christian Heineken geboren.<br />

Schon in frühester Zeit, im zarten Alter von 10 Monaten, gelingt es ihm zu sprechen, Bilder zu erkennen und<br />

Begriffe eindeutig zu verwenden. „Dat is een Perd, dat is´n Katt un dat is een Kerkturm.“ Das Baby lernt in<br />

weiterer Folge in atemberaubenden Geschwindigkeit dazu. Laut historischen Berichten war sein Gedächtnis<br />

phänomenal. Einmal Gehörtes wurde nicht mehr vergessen. Bibelzitate wurden ihm dabei ebenso geläufig<br />

wie Genealogien von Königshäusern. Angeblich beherrschte er mit 14 Monaten das Alte Testament,<br />

konnte 80 Psalme rezitieren, und erlernte pro Woche rund 150 lateinische Vokabeln.<br />

Sehr bald zog Christian das hohe Interesse von Gelehrten und Monarchen auf sich. Er wurde in kürzester<br />

Zeit als Wunderkind angesehen, in einer Zeit, die in den Nachwehen des großen Nordischen Krieges in<br />

der Hochblüte des Barock stand. Sogar auf die Titelseite einer „moralischen Wochenschrift“, genannt „Der<br />

Patriot“ (Vorläufer der Zeitschrift „Die Zeit“), wurde die Geschichte des damals dreijährigen Kindes gesetzt.<br />

Der Wunderknabe interessierte das Publikum. Die ersten Wunderkindtouristen besuchten Lübeck, unter<br />

ihnen auch der Musiker Georg Philipp Telemann, der dem Kind mit folgenden Worten begegnete: „Wahrlich,<br />

wäre ich ein Heide, ich würde meine Knie beugen und dieses Kind anbeten.“ Intellektuell entwickelte<br />

sich Christian stetig. Sein Lieblingsbuch, Orbis sensalium pictus (Jan Amos Comenius), kannte er praktisch<br />

auswendig.<br />

Doch ein anfangs wenig beachteter Umstand erschwerte Christian zunehmend die Freude am Leben. Gegen<br />

seinen Willen sollte er von der Brust der Säugeamme im 2. Lebensjahr entwöhnt werden. Es stellte sich<br />

in weiterer Folge heraus, dass er jede andere Nahrungsform verweigerte, so dass es nahezu unmöglich<br />

war, auf Sophie, die Amme, zu verzichten. Zwar kannte er die Namen der unterschiedlichsten Nahrungsmittel,<br />

wusste über deren Herkunft Bescheid, doch eine innere Abwehr sorgte dafür, dass er zeit seines<br />

Lebens niemals eine Gabel oder einen Löffel nutzen würde, niemals seine Zähne verwenden würde um<br />

zu kauen oder zu beißen. Die Ratlosigkeit der Erwachsenen war umfassend. Wie konnte es sein, dass ein<br />

Kind, das Kenntnis von der Heiligkeit des Brotes durch das Neue Testament gewonnen hatte, sich diesem<br />

und auch allen anderen Speisen verweigerte? Immer wieder wurden dem Kind Nahrungsmittel eingeflößt,<br />

doch mit jeder Nahrung traten verstärkte Durchfälle und Schwächeanfälle auf. So stark, dass es ihm nicht<br />

einmal möglich war, einen Stift zu halten oder Buchseiten umzublättern. Doch sein Geist blieb phänomenal.<br />

Sein Gedächtnis, jedenfalls ein lexikalisches, schien nichts zu vergessen.<br />

Am 9. September 1724 erhielt Christian eine Audienz beim König Friedrich in Kopenhagen. Einige Tage<br />

zuvor war er mit Familie und Amme bereits angereist. Wiederum plagten ihn Schwächezustände und Fieberkrämpfe.<br />

Am Tag der Audienz war Christian völlig geschwächt und gestand dem König: „Rebus adversis<br />

melius sperare memento.“ (In Notzeiten bleibt nur die Hoffnung auf Besserung.) Dennoch setzte er<br />

nach kurzem Schlaf zu einer sehr langen Ansprache an, zitierte die Abstammung des Königshauses mit<br />

untertänigsten Phrasen, erzählte biblische Stellen und schilderte geographische Kenntnisse. Als das Kind<br />

erschöpft zurücksank, erhielt die Amme die Erlaubnis, Christian die Brust zu reichen. Ein Umstand, der<br />

Spekulationen antrieb, dass die schweren Darmstörungen durch die aus den Brüsten der Amme gesogene<br />

Milch hervorgerufen wurden. An Stelle der Milch wurde Christian Heineken oftmals Brotbrei vorgesetzt,<br />

denn Brot, als von Gott gesegnete Speise, sollte als Heilung dienen.<br />

4


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Am 27. Juni 1725 verstarb der vierjährige Christian an völliger Schwäche. Jahrhunderte später gelang es,<br />

an Hand der überlieferten Dokumente, den ersten Fall von Zöliakie zu diagnostizieren. Das zur Würdelosigkeit<br />

hochgefeierte und domestizierte Kind wurde in seinen wichtigsten und persönlichsten Belangen nicht<br />

ernst genommen, es verstarb qualvoll an seinen Leiden. Die Welt der Erwachsenen hatte einige Jahre ihr<br />

Spielzeug. (vgl. Die Zeit: 22.12.1999)<br />

Wenn in diesem Jahr Bezirksschulinspektor Richard Felsleitner in den Ruhestand tritt, dann ist es noch<br />

mehr unsere Aufgabe, seine vorbildliche Haltung - den unbedingten Respekt vor jeder Persönlichkeit, ganz<br />

gleich was ihre Biographie war und ist, welches körperliche Leiden sie hat - zu bewahren. Als Freund und<br />

Kollege darf ich stolz sagen, Richard hat diese Einstellung authentisch vorgelebt: Haltung hat auch immer<br />

mit Wahrhaftigkeit zu tun. Es liegt an uns Pädagoginnen und Pädagogen, dass Kinder niemals wieder das<br />

Spielzeug einer Welt der Erwachsenen sein dürfen.<br />

Rupert Corazza<br />

Landesschulinspektor für Inklusion<br />

5


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Eine Ära geht zu Ende ...<br />

Regierungsrat Richard Felsleitner hat sich entschieden mit Ende <strong>November</strong> <strong>2013</strong> seine berufliche Tätigkeit<br />

im Stadtschulrat für Wien zu beenden.<br />

Mit ihm geht eine langjährige erfolgreiche Ära im sonderpädagogischen Bereich des Wiener Schulwesens<br />

zu Ende. Ich bin überzeugt, dass neben der Darstellung des beruflichen Werdeganges des scheidenden<br />

Inspektors auch zahlreiche Interpretationen zur pädagogischen Bedeutung seines Wirkens zu hören und<br />

zu lesen sein werden.<br />

Nahezu zwanzig Jahre hatte ich das Vergnügen Seite an Seite mit Richard Felsleitner zu arbeiten und ich<br />

möchte in diesem Artikel die menschlichen Aspekte, die sich in all den Jahren für mich immer wieder ganz<br />

deutlich abzeichneten, aus meiner Sicht darstellen.<br />

Bei allen Fällen, die mein lieber Kollege und Freund Richard Felsleitner behandelte und die wir erfreulicherweise<br />

häufig auch gemeinsam lösten, brachte er immer wieder differenzierte Sichtweisen ein. Zu aller erst<br />

stand für ihn immer die Frage im Zentrum, was die angedachte Lösung für das betroffene Kind bzw. die<br />

betroffenen Kinder und ihre Eltern an Auswirkung bringen würde, aber auch die Folgen für die LehrerInnen<br />

wurden von ihm immer mitbedacht.<br />

Umfassenden Überlegungen wurden von ihm sowohl in Einzelfällen als auch hinsichtlich grundlegender<br />

gesetzlicher Bestimmungen angestellt.<br />

Dieser primär kindzentrierte Ansatz zeichnete Kollegen Felsleitner aus und führte immer wieder zu Kontrapositionen<br />

zu anderen sogenannten Fachleuten, die deutlich organisatorische, finanzielle und andere<br />

formale Argumente in den Vordergrund schoben.<br />

Hier ist der Punkt, wo unbedingt erwähnt werden muss, dass Richard in zahlreichen Fällen ungemein fantasievolle,<br />

aber stets kindzentrierte Lösungen kreierte, die häufig nur mehr dem Schlagwort „sich in Rufweite<br />

des Gesetzes zu befinden” entsprachen. Dass solche Lösungen immer wieder zu sorgenerfüllten Zwischenrufen<br />

der Rechtsabteilung, der Personalabteilung und Abteilungen des Stadtschulrates bzw. diverser<br />

Ministerien führten, muss hier nicht mehr besonders festgehalten werden.<br />

Wer, so wie ich, das Vergnügen hatte, ihn in konkreten Begegnungen mit Kindern und Eltern zu erleben, der<br />

weiß, wie gut und diplomatisch er einerseits auf Kinder eingehen konnte andererseits bei Bedarf aber auch<br />

sehr klar und kompromisslos mit Eltern umging. Er zeigte sowohl Kindern als auch Eltern und Erziehungsberechtigten<br />

sehr deutlich, wo Grenzen gesetzt und eingehalten werden müssen.<br />

In vielen Fällen vereinbarten wir eine „Doppelconference”, wobei vorher festgelegt wurde, wer die Rolle<br />

des „guten” und wer die Rolle des „bösen” Inspektors übernehmen würde und wir erzielten mit dieser Vorgangsweise<br />

immer wieder frappante Erfolge. Das Modell der Doppelconference wurde von uns auch in den<br />

Bereich von Referaten zu (sonder-)pädagogischen Themen erfolgreich übernommen und wir „tingelten” mit<br />

unserer pädagogischen Show zum Wiener Modell der Integration durch viele österreichische und deutsche<br />

Bundesländer, aber auch durch die Schweiz.<br />

Ich muss aber im Zusammenhang mit dieser hohen persönlichen Qualität Richards hier auch eine Besonderheit<br />

in seiner Art zu arbeiten anmerken, die mir immer wieder Sorge bereitete. Er war in Konfliktsituationen<br />

eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar und dann auch bereit, sich wirklich lange und ausführlich<br />

mit dem jeweiligen Fall und den involvierten Menschen zu beschäftigen. Dieser außerordentliche<br />

klientenzentrierte Ansatz brachte ihn in den vielen Jahren seiner beruflichen Tätigkeit immer wieder an die<br />

Grenzen seiner sowieso weit über dem Durchschnitt liegenden Leistungsfähigkeit.<br />

Er verstand es sehr gut, in Bereichen außerhalb seines Berufs neue Kräfte zu tanken. Jeder, der ihn auf<br />

einem seiner exquisiten Fahrräder anbrausen sah, konnte erleben, dass Richard eine, für einen Regierungsrat<br />

sichtlich außergewöhnliche Art der Fortbewegung liebt.<br />

Sein hohes Fachwissen auf künstlerischem Gebiet beeindruckte immer wieder Insider, sowohl im Bereich<br />

der Oper und der klassischen Musik als auch beim Jazz, ganz zu schweigen von Theater und Film bis hin<br />

zum Kabarett.<br />

6


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Und ganz offen stand er zu seiner Fußballleidenschaft, wobei ihm seine Rapidler sicher das eine oder andere<br />

graue Haar beschert haben.<br />

Wenn ich spontane Assoziationen zu Richard bilden sollte, so würde mir der Begriff „Humanist” wohl sehr<br />

schnell einfallen.<br />

Diese Menschlichkeit spiegelt sich nicht nur in universellen Bereichen wie in den von ihm begleiteten großen<br />

Gesetzesvorhaben zur Integration, im Bereich der Kinder mit dissozialem Verhalten, der Heilstättenschule,<br />

etc. wider, sondern lässt sich für mich noch viel besser in der Form ablesen, wie er seine täglichen<br />

Begegnungen mit Menschen abwickelte. Wie respektvoll er mit den Lehrmädchen in seiner Kanzlei umging,<br />

wie er empathisch vom Schicksal betroffener Eltern sprach, deren Kind nach einem Unfall schwer<br />

beeinträchtigt blieb, wie fachgerecht er ratsuchende Lehrerinnen und Lehrer beriet und ermutigte, ihre<br />

verantwortungsvolle und schwere Arbeit weiterzuführen.<br />

Ein weiterer Aspekt in der Form, wie mein geschätzter Kollege seine wirklich an die Grenzen der Leistbarkeit<br />

gehende Arbeit bewältigten konnte, war sein Humor. Eine Eigenschaft, die nicht jeder gleich auf den<br />

ersten Blick wahrnehmen konnte, aber jene Menschen, die ihn näher und besser kennenlernen durften,<br />

werden jetzt sofort wissen, was ich meine. Seine Form des Humors war feinsinnig, nie verletzend und damit<br />

für ihn ein ganz wichtiges „Überlebensmittel”.<br />

Ich bin sehr zuversichtlich, dass Richard den neuen Freiraum wirklich genießen wird, seinen zahlreichen<br />

Hobbys endlich entspannt und selbstbestimmt nachgehen kann.<br />

Dieser Artikel muss aber unbedingt auch dazu dienen, Richard persönlich zu danken. Zu danken für seine<br />

Freundschaft und hohe Menschlichkeit in der jahrzehntelangen Zusammenarbeit zum Wohle unserer „Sorgenkinder”<br />

und ihrer Eltern, aber auch zum Ansehen Wiens im Bereich einer außergewöhnlichen integrativen<br />

Sonderpädagogik.<br />

Gerhard Tuschel<br />

7


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Zur Pensionierung von BSI RR Richard Felsleitner<br />

BSI RR Richard Felsleitner geht mit 1. Dezember <strong>2013</strong> in seiner Funktion als Bezirksschulinspektor,<br />

zuständig für den 18. Inspektionsbezirk, in den wohlverdienten Ruhestand.<br />

Er war in der Funktion des BSI für den 18. IB sowohl für die Spartenschulen der<br />

sehbehinderten, schwerhörigen und körperbehinderten Kinder und für die Heilstättenschule<br />

als auch für die Sonderpädagogischen Zentren für verhaltensauffällige Kinder<br />

zuständig, wo auch seine Wurzeln im Einsatz für sozial-emotional benachteiligte Kinder<br />

zu finden sind.<br />

Foto: Eva Kunz<br />

Richard Felsleitner hat bereits bei seinem Einstieg in den Lehrberuf als vertraglicher Volksschullehrer an<br />

der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder in der Schwarzingergasse 4 in seinem ersten Schuljahr<br />

Erfahrungen im Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen gesammelt.<br />

Nach diesem Jahr wechselte er an den Standort der Hauptschule Leipziger Platz 2, wo er sein Engagement<br />

für Schüler und Schülerinnen als Lehrer der Fächer Deutsch sowie Geschichte und Sozialkunde fortsetzte.<br />

Bereits zu dieser Zeit war ihm die soziale Integration ein wichtiges Anliegen und er ging mit seinem persönlichen<br />

Einsatz weit über die reine Lehrtätigkeit hinaus. Er arbeitete schon damals daran, Eltern davon zu<br />

überzeugen, dass ein Schulabschluss für die Zukunft ihrer Kinder wichtig ist und tat dies, wenn notwendig,<br />

auch außerhalb der Schule, um auch weniger schulinteressierte Erziehungsberechtigte zu erreichen.<br />

Um auch andere junge Lehrer und Lehrerinnen für seine Anliegen zu gewinnen, engagierte er sich als<br />

Junglehrervertreter.<br />

Folgerichtig vollzog er 1984 als nächsten logischen Schritt den Sprung in den verhaltenspädagogischen<br />

Bereich und wurde der Sondererziehungsschule Galileigasse 3 im 9. Bezirk zugeteilt. Dort setzte er sein<br />

Engagement für sozial deprivierte Kinder in den unterschiedlichsten Bereichen fort. So arbeitete er als Beratungslehrer,<br />

als Förderklassenlehrer und im damaligen Jugendgerichtshof Rüdengasse als Klassenlehrer<br />

für inhaftierte schulpflichtige Jugendliche und wurde dadurch mit allen Tätigkeitsbereichen des Standortes<br />

vertraut.<br />

Zwischenzeitlich wurde er Mitarbeiter in der damals noch sehr neuen Integrationsberatungsstelle zur Betreuung<br />

und Koordination des Schulversuchs „Integrationsklassen“.<br />

1991 wurde Richard Felsleitner zum Leiter der Sondererziehungsschule Galileigasse 3 ernannt, wo er<br />

durch seine genaue Kenntnis aller zu diesem Standort gehörigen Bereiche seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

sehr spezifisch unterstützen konnte.<br />

Drei Jahre später übernahm er die Agenden des Bezirksschulinspektors für den 20. Bezirk mit der zusätzlichen<br />

Aufgabe, den für die Beschulung bzw. Betreuung verhaltensauffälliger Kinder zuständigen Bereich<br />

zu koordinieren.<br />

1995 erfolgte die Neugründung des 18. Inspektionsbezirks mit den Sonderpädagogischen Zentren für sozial-emotional<br />

benachteiligte Kinder sowie den Spartenschulen und der Heilstättenschule. Richard Felsleitner<br />

wurde zum Leiter dieses neuen Inspektionsbezirks ernannt. Dabei zeigte er sich immer sehr offen<br />

für Ideen, die versuchten, den besonderen Gegebenheiten sowohl der Standorte als auch der Schüler und<br />

8


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Schülerinnen zu entsprechen. So entstanden Modelle wie z.B. die Nestklasse (Beschulung introvertiertneurotischer<br />

Kinder), Schlangenfuß (niederschwellige Beschulung von Schulverweigerern), Mosaikklassen<br />

(verhaltensauffällige Kinder in der Schuleingangsphase) sowie die Einbeziehung tiergestützter Pädagogik<br />

in die Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen.<br />

Richard Felsleitner gelang es, durch seinen persönlichen und sehr zeitintensiven Einsatz über seine Funktion<br />

hinaus, sich ein sehr weites berufliches Netzwerk aufzubauen, welches er stets für die Anliegen der<br />

Kinder und der sie betreuenden Lehrer und Lehrerinnen zur Verfügung stellte.<br />

Ein wesentliches Anliegen war für ihn immer die Rückführung der vorübergehend in den Förderklassen beschulten<br />

Kinder in die Regelklassen. Auch hier waren ihm seine guten Kontakte zu den unterschiedlichsten<br />

Institutionen, Einrichtungen sowie Personen von hohem Nutzen. Aber auch die Ressourcen des eigenen<br />

Inspektionsbezirks ermöglichten ihm immer wieder neue, oft ungewöhnliche Lösungswege für schwierige<br />

Kinder in schwierigen Lebenssituationen zu finden. Trotz der großen Fülle an Aufgaben in seinem Bereich<br />

zeichnete ihn sein Arbeitsansatz aus, alle Beteiligten persönlich kennen zu lernen und sich von ihnen und<br />

der Situation ein Bild zu machen, bevor individuelle Angebote erarbeitet wurden.<br />

In diese Richtung zielte auch sein Anliegen, in den Sparteneschulen Integrationsklassen einzurichten, so<br />

dass auch an diesen Standorten eine Durchmischung von Kindern mit unterschiedlichsten Bedürfnissen<br />

ermöglicht wurde.<br />

Als jüngste Aufgabe wurde Richard Felsleitner die Fachaufsicht für den neu implementierten Bereich der<br />

Schulsozialarbeit übertragen, wo er als Vermittler in der Phase der Aufgabenklärung von beiden Seiten<br />

(LehrerInnen / SchulsozialarbeiterInnen) sehr gefordert war.<br />

Neben all diesen schulischen Tätigkeiten engagierte sich Richard Felsleitner in der außerschulischen Jugendarbeit<br />

im Verein „back bone“, wo er 1996 den Vorsitz dieses neugegründeten Vereins übernahm.<br />

Seine vielfältigen Beziehungen (zu Bewohnerinnen/Bewohnern, Lehrerinnen/Lehrern, BSI, …) zum 20.<br />

Bezirk waren ausschlaggebend dafür, die Vernetzung von Schule und Jugendarbeit zu unterstützen und<br />

zum Gelingen dieses Projekts beizutragen, um für Jugendliche der Brigittenau Angebote stellen zu können.<br />

Weiters zeigt sich seine Verbundenheit mit dem 20. Bezirk auch in der Übernahme der Funktion des Vorsitzenden<br />

des Vereins „Internat Brigittenau“ in der Stromstraße 34. Dort wird für 6 bis 15-jährige Kinder und<br />

Jugendliche sowohl Hort- als auch Internatsbetrieb angeboten, um auch in dieser Form Hilfestellungen für<br />

Familien zu schaffen.<br />

Richard Felsleitner war in einer Zeit der geringer werdenden Ressourcen und der damit einhergehenden<br />

Zunahme der Komplexität in der Kooperation mit anderen Institutionen DER Lobbyist für die Anliegen der<br />

sozial-emotional benachteiligten Kinder. Alle Kolleginnen und Kollegen, die sich wie er für diese Kinder engagieren,<br />

unabhängig davon, ob sie in der Schule oder in anderen Institutionen arbeiten, werden ihn und<br />

seinen hohen persönlichen Einsatz vermissen.<br />

Gabriele Schestauber<br />

Leiterin des Sonderpädagogischen Zentrums Galileigasse<br />

9


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Richard Felsleitner - eine Fotogeschichte<br />

Manchmal war es nicht so klar,<br />

was ihm durch den Kopf ging, ...<br />

Aber wenn es um Kinder und deren<br />

Wohlergehen ging, kannte er<br />

„keinen Spaß“, suchte und fand<br />

immer kreative, auf das Kind<br />

zugeschnittene Lösungen.<br />

Wie groß wohl die Schaltruhe von<br />

Richard zu Hause ist?<br />

Markenzeichen Schals: Diese gab es in<br />

unglaublich vielen Varianten, was das<br />

Design, die Stoffart und Farbe betrifft,<br />

und immer passend und perfekt auf die<br />

übrige Garderobe abgestimmt.<br />

„Nicht selten blitzte ihm der<br />

Schalk aus den Augen…“<br />

Bei den „unangekündigten<br />

Kontrollgängen“ in unser Büro<br />

(immer dann, wenn der Herr LSI<br />

auf Dienstreise war) betrat er mit<br />

ähnlicher Miene das Zimmer …<br />

10


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

„Guter Bulle, böser Bulle“ ...<br />

... die sind doch beide sehr lieb.<br />

Richard Felsleitner und Gerhard<br />

Tuschel haben in den<br />

unterschiedlichsten Situationen<br />

legendäre Doppelconferencen<br />

„performed“: vor Kindern und bei<br />

Elterngesprächen, Seminaren,<br />

Auslandsbesuchen, ...<br />

„Was früher das<br />

Gasthaus Schöfbeck“<br />

in Rudolfsheim-Fünfhaus<br />

war, wurde dann<br />

„Kern´s Beisl“ in der<br />

Inneren Stadt ...<br />

Ein Ort zum Entspannen,<br />

Plaudern, gut<br />

Essen, Schmäh führen<br />

oder Freunde treffen.<br />

„Ein „Schulausflug“ der<br />

„sonderpädagogischen Truppe“ –<br />

Hauptsache EINER hat den Plan …“<br />

Die Betriebsausflüge hatten besondere<br />

Qualität, da wir bei diesen sowohl im<br />

Arbeitskontext (Schulbesuche, Gespräche<br />

mit ExpertInnen) als auch in vielen<br />

anderen Lebenslagen gut harmonierten.<br />

11


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Ein kreativer Gedankenblitz,<br />

der auf der Stelle notiert<br />

werden muss?<br />

In der Realität hat sich Richard<br />

unglaublich viel gemerkt und nur<br />

selten etwas notieren müssen.<br />

Angesprochen auf ein Kind,<br />

wusste er beinahe immer sofort<br />

viele Details zum Fall.<br />

Der Traum jeder Frau: Ein Mann<br />

der gerne einkaufen geht …<br />

Schuhe sind eine Leidenschaft des<br />

Herrn Inspektors und ausschließlich<br />

aus edelsten Materialen und bester<br />

Werkstatt, sogar bei Sportschuhen<br />

(z.B. Yamamoto).<br />

12


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Diese Situation soll nicht<br />

näher ausgeführt werden;<br />

die dabei gewesen sind,<br />

wissen worum es ging.<br />

Großartig, wie sich Richard<br />

auf die unterschiedlichsten<br />

Menschen empathisch,<br />

sensibel, wertschätzend, …<br />

einstellen kann.<br />

„War das eine China Reise,<br />

oder was?“<br />

Jedenfalls war die Truppe gut<br />

gelaunt unterwegs.<br />

13


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

„Nicht immer alles tierisch ernst<br />

nehmen“ und „in Rufweite des<br />

Gesetzes agieren“ war ein nicht<br />

unwichtiges Motto der beiden<br />

kongenialen Partner.<br />

„Designerbrille,<br />

wallendes Haar,<br />

„gestylte“ Garderobe –<br />

Bobo oder Bohemien??“<br />

Wichtig war ihm immer, mit<br />

MENSCHEN ins Gespräch zu<br />

kommen, egal wo er sich<br />

befand – im „Citybezirk<br />

Brigittenau“, im Burgenland,<br />

oder sonst wo auf der Welt …<br />

14


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Integrationsberatungsstelle informiert<br />

BSI RR Richard Felsleitner geht mit 1.12. <strong>2013</strong> in Pension.<br />

Er wird uns fehlen und es wird uns abgehen,<br />

• dass unsere Bürotür aufgeht und Richard auf ein „Tratscherl“, eine „Kontrolle“ oder zur „spontanen<br />

Fallbesprechung“ kommt.<br />

• dass wir uns mit jemand über aktuelle Filme, neue CDs, Oper, Theater, Kabarett … austauschen<br />

können.<br />

• dass wir eine „lebendige Klagemauer“ mit viel Empathie und Verständnis haben können.<br />

• dass wir „liebevoll“ andere ausrichten können (mit Richard immer wertschätzend).<br />

• dass wir die neuesten Schuh– und Taschenmodelle besprechen können.<br />

• dass wir einen wunderbaren Freund und Kollegen nicht mehr im Haus haben werden.<br />

Wir wünschen dir, lieber Richard,<br />

• Gesundheit<br />

• Freude daran, dass du dein Leben selbstbestimmt gestalten kannst<br />

• dass es dir nicht abgeht, in manchen Bereichen nicht mehr „so“ wichtig zu sein<br />

• dass du wieder Lust zum Kochen bekommst (und uns einlädst …)<br />

• dass sich Freundschaften weiter erhalten<br />

• dass du ganz einfach wundervolle Pensionsjahre genießen kannst<br />

Danke für ALLES<br />

Brigitte und Judith<br />

15


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Supervision als Angebot für<br />

professionelle Weiterentwicklung<br />

Ein praktisches Beispiel gibt am besten Einblick in supervisorische Arbeit:<br />

Klassenlehrerin Lena S. und Integrationslehrer Klaus L. arbeiten beide in der 3. Klasse einer Wiener Volksschule.<br />

Klaus L. erzählt folgende Fallgeschichte:<br />

Denis, ein von ihm betreuter Bub, ist ein I-Kind mit großen sozialen Auffälligkeiten, zeigt deutliche Rückzugstendenzen<br />

und mangelnde Impulskontrolle. Seine Aggression richtet sich manchmal gegen sich selbst,<br />

manchmal gegen seine Umgebung, manchmal führt sie zu impulsivem Verlassen des Klassenraums und<br />

auch des Schulhauses. Da Klaus L. seine Integrationskinder aus gegebenen Anlass manchmal in einem<br />

anderen Raum unterrichtet und betreut, hat Klaus L. dann keine Handlungsspielräume, um in Situationen,<br />

in denen Denis aus dem Klassenraum stürmt, adäquat zu reagieren. Er kann weder die I-Kinder alleine<br />

zurücklassen und Denis folgen, noch ist es für ihn angebracht, bei den Kindern zu bleiben und Denis sich<br />

selbst unbeaufsichtigt zu überlassen. Sehr oft wünscht sich Klaus L. genau in solchen Situationen mehr<br />

Unterstützung von seiner Teamkollegin Lena S. Er kann diese Situation nicht alleine bewältigen.<br />

Integrationslehrer Klaus L. hat somit mit folgender Problemlage zu kämpfen:<br />

Er fühlt sich durch Denis zusehends in der Arbeit gemeinsam mit den sechs anderen I-Kindern überfordert,<br />

er hätte gerne in diesen fordernden Situationen mehr Unterstützung von Lena S., er sieht keine Handlungsoptionen<br />

mehr für sich. Wäre doch die Kompetenzaufteilung zwischen Klassenlehrerin und Integrationslehrer<br />

genauer festgelegt! Die Verantwortung für seine Schützlinge und speziell für Denis wird ihm allmählich<br />

zu schwer zu tragen.<br />

Nach einem Gespräch mit seiner Teamkollegin Lena S. haben beide das Gefühl, dass sich ihnen die Lage<br />

nur noch komplexer darstellt. Sie entschließen sich beide Supervision in Anspruch zu nehmen. Ihr Wunsch<br />

ist es, mehr gegenseitige Unterstützung zu erfahren und so die gemeinsame Verantwortung für die I-Klasse<br />

zu leben.<br />

In der Supervision führt sie die Supervisorin nach gemeinsamer Beschreibung ihrer unterschiedlichen Sicht<br />

auf die Problemlage zu einer klaren Formulierung von Zielen, für deren Erreichung die Lösungswege gefunden<br />

werden müssen.<br />

Die beiden arbeiten an folgenden Zielen:<br />

• Die Kooperation zwischen Klassenlehrerin und Integrationslehrer ist eine gelungene.<br />

• Die Handlungsmöglichkeiten in besonderen Situationen mit Denis sind erweitert.<br />

• Eine optimierte Zusammenarbeit bringt sowohl der Klassenlehrerin als auch dem Integrationslehrer<br />

Entlastung.<br />

Im Zuge des Supervisionsprozesses kommen die beiden zu folgenden Erkenntnissen: „Wir müssen unsere<br />

Arbeitsbereiche besser im Sinne gegenseitiger Entlastung in der Arbeit mit den Kindern definieren, damit<br />

wir wissen, wofür wer zuständig ist. Wir entwickeln ein funktionierendes Kooperationsmodell, damit wir<br />

auch in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben. Wir müssen unser Rollenverständnis professionell<br />

weiterentwickeln. Wir werden die Schulleitung besser einbinden.“<br />

Mit weiterer Begleitung der Supervisorin gelingt Lena S. und Klaus L. ihre Ziele zu erreichen. Sie sprechen<br />

sich regelmäßig über die Zusammenarbeit in der Klasse ab und reflektieren ihre Erfahrungen. Sie erleben<br />

eine vertiefte Kooperation, was ihren Handlungsspielraum in besonderen Situationen vergrößert. Die<br />

Einbindung der Schulleiterin bedeutet für die beiden Entlastung und den Gewinn neuer Perspektiven im<br />

Umgang mit Denis.<br />

16


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Supervision und Coaching sind neben der fachlichen und methodischen Fortbildung wichtige Säulen der<br />

professionellen Weiterentwicklung von Pädagog/inn/en. Supervision bezeichnet eine Beratungsform die<br />

darauf abzielt, die Handlungskompetenzen von Supervisand/inn/en in ihrem Berufsfeld auf anstehende<br />

Entscheidungen, neu zu entwickelnde Perspektiven, mögliche Entlastungen, bestehende Konflikte, neue<br />

Handlungsweisen u.v.m. zu erweitern. Supervisor/inn/en gehen auf die individuellen Bedürfnisse von Pädagog/inn/en<br />

unter Berücksichtigung unterschiedlicher Rahmenbedingungen ein und geben der Reflexion<br />

von Berufserfahrungen breiten Raum.<br />

Supervision für Pädagog/inn/en – ein Angebot der PH Wien<br />

Seit 19 Jahren besteht im Bundesland Wien das Wiener Modell – systemische Supervision für Pädagogen/<br />

innen aller Schularten zuerst als Angebot des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien, seit 2007 der Pädagogischen<br />

Hochschule der Stadt Wien. Im Kontext professioneller Weiterentwicklung von Pädagog/inn/en<br />

ergänzt sie Formen der kollegialen Kooperation und Beratung durch externe Begleitung.<br />

In einem bestimmten supervisorischen Setting werden häufig folgende Themen angesprochen:<br />

• Reflexion von Bedingungen für gelingenden Unterricht,<br />

• Fallarbeit (Klärungsarbeit betreffend Schüler/innen, deren Weiterentwicklung, Förderung; die Einbeziehung<br />

von Unterstützungssystemen, …),<br />

• Vermittlung von Wissen und Erfahrungsaustausch über Gruppenprozesse, Interaktionen und<br />

Kommunikationsstrategien,<br />

• Erfahrungsaustausch und Möglichkeiten des Erkennens von Handlungsoptionen,<br />

• Bearbeitung und Entwickeln von Lösungsstrategien<br />

von Problem- und Konfliktsituationen,<br />

• Klärungshilfen in schwierigen Berufssituationen<br />

und bei unklaren beruflichen<br />

Beziehungen,<br />

• Reflexion von Schulentwicklungsvorhaben<br />

und Schulentwicklungsmaßnahmen,<br />

• Möglichkeiten zur Rollen-, Funktionsund<br />

Aufgabenklärung,<br />

• Unterstützung und Stärkung bei Veränderungsprozessen<br />

und bei Neuorientierungen,<br />

• Begleitung bei der Entwicklung und<br />

Durchsetzung von Lösungsstrategien,<br />

Gruppensupervision bei Aufstellungsarbeit<br />

• Ermutigung zur Entdeckung eigener Ressourcen und Stärkung der persönlichen Kompetenzen in der<br />

Bewältigung des Berufsalltages.<br />

In der Supervision wird das berufliche Handeln im Rahmen des persönlichen, institutionellen und gesellschaftlichen<br />

Kontextes durchleuchtet, wodurch eine Weiterentwicklung professioneller Kompetenzen sowie<br />

ein bewussteres Aktivieren der Eigenressourcen ermöglicht werden. Neue Sichtweisen können so entdeckt<br />

und flexiblere Handlungsweisen gefunden werden, was zu größerer Klarheit und mehr Zufriedenheit im<br />

Berufsleben führen kann.<br />

17


Die folgende Graphik gibt einen Überblick I-JOURNAL über <strong>November</strong> das Angebot <strong>2013</strong> der „Supervision – das<br />

Wiener Modell“:<br />

Die folgende Graphik gibt einen Überblick über das Angebot der „Supervision – das Wiener Modell“:<br />

3<br />

Systemische Supervision – das Wiener Modell<br />

davon für Krisenintervention am LBZ reserviert.<br />

Professionalisierung von Pädagog/inn/en<br />

für Pädagog/inn/en aller Schularten<br />

Gruppensupervision<br />

Supervisand/inn/en sind<br />

Lehrer/innen einer Schule<br />

ORT:<br />

Gemischte Gruppen<br />

Supervisand/inn/en sind<br />

Lehrer/innen aus verschiedenen<br />

Schulen<br />

Räume von<br />

Schulen /<br />

Institutionen<br />

Teamsupervision<br />

Supervisand/inn/en sind<br />

Lehrer/innen, die in einem<br />

Team arbeiten.<br />

Coachinggruppen<br />

Supervisand/inn/en sind<br />

Direktor/inn/en und<br />

Berufseinsteiger/innen aus<br />

verschiedenen Schulen<br />

bzw. disloziert<br />

Beratung und<br />

Krisenintervention im<br />

supervisorischen<br />

Kontext<br />

Einzelsupervision für Lehrer/innen<br />

und Direktor/inn/en in<br />

Krisensituationen (derzeit LBZ)<br />

Mag a . Elisabeth Leska<br />

Mag a . Lisa Kümmel, M.Ed.<br />

Mag a . Elisabeth Leska und Mag a . Lisa Kümmel, M.Ed.<br />

ORT:<br />

Beide Lehrerinnen arbeiten bereits seit vielen Jahren<br />

als systemische Supervisorinnen im Rahmen Räume von Schulen / Institutionen<br />

„Systemische Supervision – das Wiener Modell“ an der PH Wien.<br />

bzw. disloziert<br />

Interessierte wenden sich bitte an:<br />

Mag a . Elisabeth Leska (Koordinatorin)<br />

Mobil: 0676 626 81 04<br />

Email: elisabeth.leska@phwien.ac.at<br />

18


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

MOKI-Wien in den Schulen – ein Rückblick – die Gegenwart<br />

– und eine Vision für die Zukunft<br />

Von Anfang an war bei MOKI-Wien die Betreuung der Kinder<br />

und Jugendlichen in Kindergärten, Schulen und Horten ein<br />

Thema, viele Eltern wenden sich an uns. Hier möchte ich einen<br />

Überblick geben, was war – und ist – und wo der Weg hinführen<br />

sollte.<br />

… ein Rückblick<br />

MOKI-Wien betreut seit 14 Jahren<br />

Kinder und Jugendliche mit<br />

chronischen Erkrankungen oder<br />

Behinderungen. In diesen Jahren<br />

haben wir auch einen starken<br />

Anstieg bei der Betreuung<br />

in den Kindergärten und Schulen<br />

bemerkt.<br />

Immer mehr Kinder erkranken an<br />

Diabetes Mellitus oder einer anderen<br />

chronischen Erkrankung.<br />

Für diese Kinder ändert sich von<br />

einem Tag auf den anderen sehr<br />

viel, daher benötigen sie Sicherheit<br />

in ihrem schulischen Umfeld<br />

umso mehr. Aber auch bei den<br />

Kindern und Jugendlichen mit<br />

Behinderungen und ihren Familien<br />

ist die soziale Integration ein<br />

zentraler – und auch verständlicher<br />

- Wunsch.<br />

Doch dazu sind Blutzuckerkontrollen, Insulinverabreichungen, Medikamentengaben, Katheterisieren, Verbandwechsel,<br />

Nahrungsverabreichungen über eine Sonde, Sauerstoffgaben, absaugen und manchmal sogar<br />

Beatmungsmaschinen notwendig.<br />

Die PädagogInnen sind in vielen dieser Bereiche nicht ausgebildet und können diese Tätigkeiten nicht<br />

übernehmen. Auch Ängste etwas falsch zu machen oder zu übersehen, spielen hier mit.<br />

Ich denke, man muss unterscheiden, um welche Maßnahmen es sich handelt. So haben wir in den letzten<br />

Jahren sehr viele PädagogInnen begleitet und unterstützt, wenn es um Diabetes ging. Vor allem in den<br />

Schulen konnten diese PädagogInnen nach einer anfänglich unterstützenden Begleitung tätig werden.<br />

In anderen Bereichen, vor allem wenn es um medizinische Tätigkeiten geht, oder es sogar zu lebensbedrohlichen<br />

Situationen kommen kann, übernimmt eine/ein diplomierte Kinderkrankenschwester/-pfleger<br />

(DKKS/P) diese Betreuung. Wir kommen punktuell zur Durchführung der Maßnahmen, wie z.B. Katheterisieren,<br />

oder sind während des ganzen Schulbetriebs Vorort.<br />

Diese Form der Zusammenarbeit hat sich – aus meiner Sicht – gut etabliert. Hier ist es wichtig gleichwertige<br />

Partner zu sein, und gemeinsam einen Weg zu finden.<br />

19


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

… die Gegenwart<br />

Aber noch immer gibt es viel zu tun. So haben wir immer wieder Anfragen von Eltern, deren Kinder bei Ausflügen<br />

nicht mitfahren können. Dies betrifft sowohl Tagesausflüge als auch mehrtägige Fahrten in andere<br />

Bundesländer. Bei ersterem begleitet die MOKI-DKKS/P den Ausflug und übernimmt in dieser Zeit die Tätigkeiten.<br />

Bei Fahrten in andere Bundesländer ist es um vieles schwieriger. Die DKKS/P muss eine ganze<br />

Woche in ein anderes Bundesland fahren, dies ist derzeit kaum finanzier- und organisierbar. Die Pflege in<br />

Österreich ist Landessache, die Finanzierung gilt in den meisten Bundesländern nur für das eigene Bundesland<br />

– die Kinder müssen in Wien gemeldet sein und in Wien betreut werden. Das heißt in diesem<br />

Fall müssen die Eltern die kompletten Kosten übernehmen, oder das Kind kann nicht mitfahren. Diese<br />

Kinder erleben dann wieder Ausgrenzung und Isolierung. Heuer haben wir für zwei dieser Kinder einen<br />

Sponsor gesucht und die Teilnahme an dem/der Schulausflug/-landwoche somit ermöglicht, zum Teil unter<br />

erheblichen finanziellen Einbußen. Aber dies ist keine zufriedenstellende Lösung, daher hoffen wir auf eine<br />

Finanzierung für alle betroffenen Kinder und Jugendlichen.<br />

… eine Vision für die Zukunft<br />

Aus unserer Sicht ist ein zusätzliches Konzept einer „School Nurse“ in Zukunft absolut notwendig. Es gibt<br />

immer mehr Kinder mit einem medizinisch/pflegerischen Bedarf. Andererseits kann gesundheitspräventiv<br />

auch bei „gesunden“ Kindern sehr viel angeboten, und umgesetzt werden.<br />

Vorstellbar ist eine Präsenz der DKKP von Montag bis Freitag von 09.00 bis spätestens 15.00 Uhr (je nach<br />

Schuldauer und notwendiger Tätigkeiten).<br />

In dieser Zeit ist die DKKP sowohl für die oben beschriebenen Tätigkeiten bei Kindern/Jugendlichen als<br />

auch für andere Bereiche zuständig. Ein wichtiger Schwerpunkt ist hier die Gesundheitsprävention. Bei<br />

den täglich betreuten Kindern erleben wir immer wieder, dass gesundheitsfördernde Maßnahmen notwendig<br />

wären, diese aber aus pädagogischer Sicht nicht erkannt werden, oder keine Lösungen überlegt bzw.<br />

umgesetzt werden können.<br />

Auch bei den vermeintlich gesunden Kindern/Jugendlichen ist Prävention in Form von – den Kindern angepassten<br />

– Vorträgen oder Rollenspielen notwendig und kann zukunftsentscheidend sein. Dies würde<br />

der Kinder- und Jugendstrategie, Ziel 6, Maßnahme 6.1. und 6.2.1 entsprechen. (Bundesministerium für<br />

Gesundheit, Kinder- und Jugendstrategie 2012)<br />

Zusammenfassend glaube ich, dass wir die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht haben, aber<br />

noch einen weiten Weg vor uns haben. Ich hoffe, dass in 15 Jahren viele Bereiche selbstverständlich sind,<br />

und wir neue Visionen haben können....<br />

Hintermayer Gabriele<br />

Akademische Pflegemanagerin<br />

Geschäftsführende Vorsitzende<br />

MOKI-Wien<br />

0699/166 777 00<br />

g.hintermayer@wien.moki.at<br />

www.wien.moki.at<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Spitalspädagogin/Spitalspädagoge<br />

Portfolio Wilhelminenspital<br />

PAVILLON 18 – STATION FÜR KINDERPSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE<br />

ABTEILUNG FÜR KINDER- UND JUGENDHEILKUNDE – KINDERKLINIK GLANZING, SCHULPAVILLON 11<br />

http://www.wien.kav.at<br />

Der Mensch ist ein Wesen mit Geist und Vernunft. Er kann abstrakt denken,<br />

Gedanken formulieren, diese in Sprache fassen, Gegenstände benennen,<br />

Objekten einen Sinn verleihen, die Welt gestalten, Gegebenes in Frage stellen<br />

und durch geplantes Handeln ändern, usw. [RENE DESCARTES (1596<br />

– 1650) sagte schon: „COGITO ERGO SUM“. ICH DENKE, ALSO BIN ICH.]<br />

Diese Ausstattung ermöglicht ihm eine enorme Lern- und Erziehungsfähigkeit,<br />

geprägt von der kulturellen Lebensführung. Dabei kommt es in der Erziehung<br />

und Bildung vor allem auf den Erwerb von Kulturtechniken an, die die<br />

Erhaltung und Weitergabe der jeweiligen Kultur ermöglichen. Dazu gehören<br />

die Sprache, die Interaktion und Kommunikation, das Denken, das Lesen,<br />

Schreiben und Rechnen, Wertebewusstsein, Moralvorstellung und andere.<br />

Die Fähigkeit zur produktiven Neuschaffung, beispielsweise die Handhabung<br />

der Technik, Kritikfähigkeit, Engagement, Verantwortungsbewusstsein, Kooperation,<br />

Konfliktfähigkeit, Individualität und Gemeinschaftlichkeit, … muss gelernt werden, nicht nur bei<br />

Gesundheit sondern auch bei Beeinträchtigung bzw. Krankheit [„HOMO DISCENS“ = DER LERNENDE<br />

MENSCH]. Der Mensch lernt meist nicht alleine. Er ist ein soziokulturelles Wesen und braucht soziale<br />

Beziehungen, Gruppen, Schulen, Institutionen, Betriebe …. Das kranke Kind oder der Jugendliche wird im<br />

Spital beim Lernen von Spitalspädagoginnen/ Spitalspädagogen unterstützt.<br />

Die Soziologie hat die Gesamtgesellschaft zum Gegenstand, und die Psychologie (die Wissenschaft vom<br />

menschlichen Erleben, Verhalten, Bewerten und Interpretieren) ist auf das Individuum ausgerichtet. Die<br />

Pädagogik beschäftigt sich überwiegend mit intentionalem (zielgerichtetem), geplantem, normativ orientiertem,<br />

überaus komplexem und auf Interaktion ausgerichtetem Handeln. Jede dieser Fachwissenschaften<br />

hat unterschiedliche Sichtweisen, diese überlappen einander aber auch bei zahlreichen Inhalten.<br />

PSYCHOSOMATIK = PSYCHE (SEELE) UND SOMA (KÖRPER)<br />

Veränderungen des bewussten Erlebens und Verhaltens führen im Körper zu Veränderungen und umgekehrt.<br />

Daher ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass zwischen Körper und Psyche eine enge Verbindung<br />

besteht. Jede emotionale Erregung wird von körperlichen Vorgängen begleitet, so wie körperliche Vorgänge<br />

meist seelische Begleiterscheinungen zeigen. So kommt es bei Wut, Panikattacken oder Angst zu Veränderungen<br />

der Herz-Kreislauf-Frequenz, zu Veränderungen der Magen-Darm-Funktion, zu weißen oder roten<br />

Flecken auf der Haut oder Erhöhung der Muskelspannung. Normalerweise klingen diese Erregungen nach<br />

kurzer Zeit wieder ab. Wird das autonome Nervensystem jedoch auf einem solchen erhöhten Erregungsniveau<br />

gehalten, kommt es zu einer Dauerbelastung des Organismus und damit zu vorübergehenden oder<br />

dauernden Schäden bestimmter Körperorgane (vgl. LAHMER, S. 271). Psychosomatische Krankheiten,<br />

körperliche Krankheiten, von denen angenommen wird, dass psychische oder psychosoziale Faktoren bei<br />

ihrer Entstehung oder Aufrechterhaltung einen maßgebenden Einfluss ausüben, entstehen. Hierzu zählen<br />

laut dem weltweit anerkannten Diagnoseklassifikationssystem ICD 10 (Internationale statistische Klassifikation<br />

der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - International Statistical Classification of Diseases<br />

and Related Health Problems, ein von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenes Manual<br />

aller anerkannten Krankheiten und Diagnosen) Dissoziale Persönlichkeitsstörungen (Schulverweigerung,<br />

21


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Leistungsverweigerung), Verhaltensauffälligkeiten, Anpassungsschwierigkeiten, Belastungsstörungen,<br />

Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Adipositas), Enuresis, Enkopresis, rezidivierendes Erbrechen,<br />

Störungen der Darmfunktion, Dauerkopfschmerz, Asthma bronchiales, … (http://www.medaustria.<br />

at/medaustria/f_icd10.html).<br />

Körperliche Leiden („die Organsprache“ - ein stummer Hilfeschrei) stehen für verwundete Seelen. In diesem<br />

Sinne schreien Patientinnen/ Patienten mit jeder psychosomatischen Erkrankung auf indirektem Weg<br />

um Hilfe, um Beseitigung einer unerträglichen Situation.<br />

„DER KÖRPER IST DER ÜBERSETZER DER SEELE INS SICHTBARE“. (MORGENSTERN)<br />

PÄDAGOGIK BEI KRANKHEIT „SCHULE IM SPITAL“<br />

Pädagogik bei Krankheit bedeutet, Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 16 Jahren, die in schwierigen<br />

Lebensumständen verharren und einen langen stationären Aufenthalt im Spital (drei bis zwölf Monate) benötigen,<br />

im Lernen und Verhalten zu unterstützen. Ziel ist es, die Patientinnen/ Patienten unabhängig ihrer<br />

Herkunft, ihres Geschlechtes, ihres sozialen Status, ihrer Religion und ihres Alters in ihrer persönlichen<br />

Entwicklung, ihrer Lebensführung zu fördern und Chancengleichheit sowie Gleichberechtigung anzustreben.<br />

Der tägliche Unterricht für die 12 stationären Patientinnen/<br />

Patienten der Station für Psychosomatik und Psychotherapie<br />

findet von 8:15 Uhr bis 11:45 Uhr im Schulpavillon 11 statt.<br />

Er stellt einen integralen Bestandteil des Betreuungs- und Behandlungskonzeptes<br />

dar, mit dem Ziel, eine Atmosphäre des<br />

Vertrauens und der Geborgenheit zu schaffen, um die Beziehungsfähigkeit<br />

zu fördern. Bereits vorhandene Kompetenzen<br />

und dem Alter angemessene Fähigkeiten werden weiterentwickelt<br />

sowie Aha-Erlebnisse und Einsichten vermittelt. Dies<br />

erfolgt unter ständiger Berücksichtigung der körperlichen (Müdigkeit,<br />

Übelkeit, Schwindel, …) und der seelischen (Angst,<br />

Trauer, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, …) Belastbarkeit sowie<br />

der erforderlichen medizinischen Untersuchungen (Blutabnahme,<br />

Röntgen, MRI, EKG, EEG, …) und therapeutischen<br />

Maßnahmen (Diagnostik, Beratungsgespräche, Psycho-, Physiotherapie,<br />

Helferkonferenzen, …).<br />

Das Feststellen des erreichten Bildungsniveaus, das Nachholen<br />

versäumter Lehrinhalte, das Erarbeiten des neuen<br />

Lehrstoffes anhand mitgebrachter Schulbücher und die<br />

nahtlose Rückführung in den Klassenverband der Patientinnen/<br />

Patienten oder die Integration in eine neue Schule<br />

bilden eine wichtige Seite des pädagogischen Berufsfeldes.<br />

Neben der fächerübergreifenden kognitiven (die<br />

Erkenntnis betreffend), affektiven (gefühlsbetonten) und<br />

psychomotorischen (Verknüpfung von Geist und Bewegung)<br />

Wissensvermittlung versuchen die Spitalspädagogin<br />

(Volksschullehrerin mit einem Magisterium und Doktorat in<br />

22


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

der Fächerkombination Pädagogik/ Sonder- und Heilpädagogik/ Psychologie sowie Lebens- und Sozialberaterin)<br />

und der Spitalspädagoge (Bachelor für das Hauptschullehramt mit einer Krankenpflegeausbildung)<br />

Lernblockaden, Leistungsschwierigkeiten zu erkennen, Fördermaßnahmen zu erstellen, Misserfolgsängsten<br />

entgegenzuwirken und ein negatives Selbstbild durch Schaffung von Erfolgserlebnissen und dem Entdecken<br />

eigener Stärken und Ressourcen abzubauen. Im einmal wöchentlich stattfindenden Bewegungsunterricht<br />

im Turnsaal der Krankenpflegeschule werden Bewegungsversäumnisse aufgearbeitet, ein Ausgleich<br />

zur aktuellen physischen und psychischen Belastung angestrebt und selbständige Bewegung sowie Fang-,<br />

Ball- und Laufspiele angeboten. Der Unterricht gibt neben der Wissensvermittlung den Kindern und Jugendlichen<br />

ein Stück Normalität zurück. Lernen erzeugt Glücksgefühle, lenkt von der Krankheit ab, unterstützt<br />

das kranke Kind und den kranken Jugendlichen beim Verarbeitungsprozess seiner Krankheit und<br />

sichert die Schullaufbahn. Die Förderung des gesunden Anteils hilft oftmals die Krankheit zu überwinden.<br />

Die Spitalspädagogin und der Spitalspädagoge bemühen sich stets die Schülerin/ den Schüler zu einem<br />

partnerschaftlichen, verantwortungsvollen, respektvollen Umgang miteinander anzuhalten, um sie/ ihn zu<br />

einem ebensolchen Umgang mit anderen Menschen zu befähigen. Zudem leiten sie sie/ ihn dahin, den<br />

eigenen Platz zwischen notwendiger Einfühlung einerseits und Abgrenzung andererseits zu finden. Dies<br />

fordert von der Spitalspädagogin und dem Spitalspädagogen eine ausgeprägte spezifische Fach- und Sozialkompetenz,<br />

Nervenstärke, Dynamik, viel Zeit, Teamfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Optimismus, Objektivität,<br />

Kreativität, Fröhlichkeit, Kompromissbereitschaft, Geduld, Warmherzigkeit und Humor, denn dieser<br />

nimmt nicht nur auf den Arm sondern auch in den Arm.<br />

Die ziel- und lösungsorientierte Betreuung, Beratung und Aufklärung mit konkreten Vorschlägen (manchmal<br />

auch mit beschwichtigenden Floskeln) aller Familienmitglieder der Patientin/ des Patienten und eine<br />

kontinuierliche intensive Kooperation mit den Pädagoginnen/ Pädagogen der Stammschulen und dem interdisziplinärem<br />

Stationsteam, den Ärztinnen/ Ärzten, Pflegepersonen, Therapeutinnen/ Therapeuten, der<br />

Psychologin, der Sozialarbeiterin und den Abteilungshelferinnen gehören ebenso zu den täglichen Anforderungen.<br />

Fortschritte, aber auch Rückschläge sowie Behandlungsmaßnahmen und Wochenziele werden<br />

in den Teambesprechungen, die zweimal wöchentlich stattfinden, gemeinsam besprochen bzw. festgesetzt.<br />

Eine zusätzliche wöchentliche Besprechung des Pflegepersonals mit der Spitalspädagogin und dem Spitalspädagogen<br />

dienen der Klärung gruppendynamischer Abläufe, Vorgänge und Wechselwirkungen.<br />

PÄDAGOGISCH-DIDAKTISCHE METHODE<br />

Die Lehr- und Unterrichtsgestaltung reicht vom darbietenden Unterricht (Frontalunterricht) über den aufgebenden<br />

Unterricht (Referate), das entdeckende Lernen (Interviews zu vorgegebenen Themen, Exkursionen)<br />

bis zum selbständigen Bearbeiten von Hausübungsbeispielen, welche die optimale Festigung ermöglichen.<br />

Dabei werden unterschiedliche Lernarrangements wie Einzel- und Partnerarbeit oder arbeitsgleicher bzw.<br />

arbeitsteiliger Gruppenunterricht eingesetzt. Der Wiederholung dienen Arbeitsblätter, Rätsel und kurze Videopräsentationen.<br />

Schriftliche und mündliche Leistungsüberprüfungen wie Tests und Schularbeiten bilden<br />

neben einer allgemeinen Leistungsbeobachtung die Basis für den Notenvorschlag, den die Pädagoginnen/<br />

Pädagogen der Stammschulen nach dem Spitalsaufenthalt über den Dienstweg bekommen.<br />

Der veraltete Begriff „Heilstättenschule“ wurde bewusst nicht verwendet, da er nicht mehr zeitgerecht ist.<br />

In Österreich gibt es keine Heilstätten sondern Spitäler und Krankenhäuser. Zudem ist eine Übersetzung<br />

ins Englische nicht möglich. In den europäischen Ländern sind die Bezeichnungen Spitalspädagogin/ Spitalspädagoge<br />

und Klinikschule oder Spitalsschule vorherrschend. Ein Namensvorschlag wäre „Zentrum für<br />

Pädagogik bei Krankheit (ZPK)“. Da hätten auch die Hauslehrerinnen und Hauslehrer ihren Platz.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

LITERATUR<br />

AIGNER, I.: Die Wiener Heilstättenschule stellt sich vor – sonderpädagogische<br />

Aufgaben eines Unterrichts im Krankenhaus. Heilpädagogik 1990 (33)<br />

AIGNER, I.: Heilstättenschule – gestern, heute, morgen: Unterricht im Krankenhaus.<br />

APS – Zeitschrift des BMUKS, Wien 1990 (21/3)<br />

BURIAN-LANGEGGER, B. / ZIMPRICH, H.: Kinderpsychosomatik im Rahmen eines<br />

Schwerpunktkrankenhauses: Das Wiener Kinderpsychosomatische Modell.<br />

Verhaltensmodifikation und Verhaltensmedizin 1990 (2) 177-182<br />

DUTTER, F.; GRUBER, B.: Lernen durch Begegnung IN: Braucht die Schule<br />

Psychotherapie / Unterweger, E.; Zimprich, V.: (Hrsg.) Wien: Orac, 2001<br />

GRUBER, B.: Dissertation: Verhaltensauffälligkeiten eine Folgeerscheinung<br />

frühkindlicher Bewegungsstörung, 2000<br />

KLUßMANN, R: Psychosomatische Medizin, 2. Auflage, Springer Verlag Berlin<br />

Heidelberg, 1992<br />

LAHMER, K.: Kernbereiche Psychologie, 3. Auflage, 2009 Verlag E. Dorner GmbH<br />

SCHWENDENWEIN, W.: Theorie des Unterrichtens und Prüfens, 6., überarb. u. erw.<br />

Auflage, Wien: WUV-Univ.-Verlag, 1998<br />

STEINDORF, G.: Grundbegriffe des Lehrens und Lernens, 5. Aufl. Bad Heilbrunn / Obb.:<br />

Klinkhardt, 2000<br />

ZIMPRICH, H.: Kinderpsychosomatik, 1995 Georg Thieme Verlag<br />

DIPL. PÄD. MAG. DR. BRIGITTE GRUBER, BEd<br />

NEBENBERUFLICH LEHRBEAUFTRAGTE AN DER<br />

KRANKENPFLEGESCHULE UND FORTBILDUNGS-<br />

AKADEMIE AKH-WIEN<br />

LANDESVERTRETERIN IN ÖSTERREICH<br />

FÜR HOPE (WWW.HOSPITALTEACHERS.EU)<br />

LEHRWARTIN FÜR TURNEN, ÖSTA-PRÜFERIN<br />

ÖSD- UND ÖIF-SPRACHPRÜFERIN<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Mein Leben als autistische Frau<br />

Natürlich habe ich schon als Kind bemerkt, dass ich mich von den anderen Kindern unterschied, aber damals<br />

war ich als stille, aufmerksame Schülerin, die schüchtern wirkte, mit dem Alleinsein aber ganz gut zurechtzukommen<br />

schien, für meine Umgebung nicht sehr auffällig. Inzwischen habe ich bemerkt, dass das bei<br />

vielen autistischen Mädchen der Fall ist. Ihr ruhiges, zurückhaltendes Auftreten entspricht oft den typischen<br />

Vorstellungen von einem Mädchen. Dadurch ist es natürlich auch in vielen Fällen nicht möglich, frühzeitige<br />

Unterstützung zu erhalten, die auch mir sehr geholfen hätte. Besonders gelitten habe ich in den Pausen<br />

zwischen den Unterrichtsstunden, die auf mich chaotisch und unstrukturiert wirkten und ohne jede Regel<br />

abzulaufen schienen, was mich überforderte. Oft saß ich lange auf der Schultoilette, wo ich ein bisschen<br />

Ruhe fand. Auch Veränderungen aller Art waren und sind noch immer eine große Herausforderung.<br />

Im Jugendalter wurde mein „Anderssein“ auffälliger. Während sich meine Klassenkameradinnen für<br />

Mode, Kosmetika, angesagte Musik oder das andere Geschlecht interessierten, lief ich am liebsten in<br />

bequemer Trainingskleidung herum und beschäftigte mich nach wie vor mit meinen Interessen aus der<br />

Kindheit, also dem Weihnachtsfest, großen Flughäfen und Plänen aller Art. Die anderen tauschten sich<br />

darüber aus, welche Jungs sie „süß“ fanden, ich aber fand die Frage, welche Flugziele die Lufthansa<br />

wohl nach dem nächsten Flugplanwechsel zu welcher Uhrzeit ansteuern würde, viel spannender. Das<br />

alles passte nicht wirklich zusammen, und natürlich bemerkten das beide Seiten, die anderen Mädchen<br />

genauso wie ich selbst. In jüngeren Jahren halfen sie mir ein bisschen, aber nun machten sie<br />

sich über mich lustig, fanden mich „uncool“, plump und naiv und schämten sich nicht selten in meiner<br />

Gegenwart, was mir doch ein bisschen wehtat, da ich mir Mühe gab, dazugehören zu können.<br />

Gegen Ende meines Studiums wurde die Tatsache, dass andere Menschen Freunde und Partner hatten,<br />

ich dagegen nicht, für mich immer mehr zum Problem. Ich entwickelte eine schwere depressive Phase und<br />

begann mit der Arbeit mit einer Psychotherapeutin. Im Alter von 27 Jahren kam es so zur Diagnose einer<br />

Autismus-Spektrum-Störung (Asperger-Syndrom), die für mich eine große Erleichterung bedeutete. Endlich<br />

gab es einen Namen für meine Auffälligkeiten; bis dahin bekam ich immer gesagt, ich wäre „so komisch“ und<br />

vor allem faul, solle mich „nicht so anstellen“, mir mehr Mühe geben etc. Es war wichtig für mich zu erfahren,<br />

dass mich selbst keine Schuld traf an meinem Anderssein. Und auch für das Umfeld bedeutete es eine<br />

Erleichterung, dass es nicht Erziehungsfehler waren, die für meine Auffälligkeiten verantwortlich waren.<br />

Seither ist vieles für mich einfacher geworden. Ich richte jetzt mein Leben so ein, dass es nicht<br />

nur erträglich, sondern erfüllt ist. Partys und Discobesuche etwa bedeuten nur Stress und überfordern<br />

mich völlig. Und ohne feste Strukturen könnte ich auch heute meinen Alltag kaum bewältigen.<br />

Autistische Störungen lassen sich nicht heilen, aber es ist möglich, durch gezielte Hilfe vieles zu verbessern.<br />

Vor allem durch die Arbeit mit meiner Psycho- und meiner Ergotherapeutin habe ich eine Menge<br />

gelernt. Wichtig sind dabei das Aufklären von Missverständnissen bei zwischenmenschlichen Kontakten,<br />

das Erkennen und Einordnen von Gefühlen, die ganz lebenspraktische Unterstützung und vor allem die<br />

Aufklärung und Hilfestellung im Hinblick auf das Leben mit Autismus. Dazu ist es wichtig, die eigenen<br />

Schwierigkeiten anzugehen, aber auch die bestehenden Ressourcen gut zu kennen und gezielt für alle<br />

Lebensbereiche zu nutzen. So sind wir Menschen mit Autismus in der Regel ausgesprochen liebe, loyale,<br />

offene und ehrliche Menschen, böswillige Absichten sind uns fern. Wir sind zuverlässig, lieben ein ausgeprägtes<br />

Regelwerk und feste Strukturen als alltägliche Hilfen. Besonders gut können wir uns nicht selten<br />

25


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

große Mengen an Details merken, das kam auch mir in meinem Studium sehr zugute, wo das Lernen vieler<br />

Fakten entscheidend war. Schwierig zu erkennen sind für uns jedoch meist übergeordnete Zusammenhänge.<br />

Das machte sich bei mir in der Schule beim Lesen von Literatur oder beim Schreiben von Aufsätzen<br />

bemerkbar. Auch der Handlung von Filmen kann ich nicht folgen, aber heute finde ich das nicht mehr so<br />

schlimm. Ich lese gern Sachbücher und Nachrichtenmagazine und schaue mir Dokumentationen an.<br />

Auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe war für mich wichtig. Hier lernte ich andere Menschen mit<br />

ähnlichen Auffälligkeiten kennen, von deren Lösungsstrategien ich profitieren konnte und mit denen ich<br />

mich über alltägliche Schwierigkeiten austauschen konnte.<br />

Mit der Zeit wurde also vieles in meinem Leben leichter. Der strukturierte Tagesablauf auf meiner Station<br />

kommt mir sehr entgegen. Außerdem halte ich Vorträge und schreibe Texte, um den Autismus in all seinen<br />

Facetten bekannter zu machen und zu einem besseren Verständnis für die betroffenen Menschen beizutragen.<br />

Vieles in meinem Leben war schwer und mühsam, und ich wünsche mir, dass es die Betroffenen<br />

künftig leichter haben können. Wichtig ist mir vor allem ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, unverständliche<br />

und unangemessen erscheinende Verhaltensweisen zuerst zu hinterfragen, statt sie gleich als offene<br />

Provokation anzusehen, was sie in der Regel nicht sind. Dann kann man auch uns Menschen mit Autismus<br />

als fröhliche und liebenswerte Menschen wahrnehmen, die ihren Platz in dieser Welt suchen. Wir sind in<br />

vielen Fällen anders als andere Menschen, aber anders ist nicht schlechter, und erst das bunte Miteinander<br />

unterschiedlicher Menschen bereichert diese Welt.<br />

Dr. Christine Preißmann<br />

Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie<br />

Asperger-Autistin<br />

Öffentlichkeitsarbeit mit Vorträgen und Publikationen<br />

Kontakt: Ch.Preissmann@gmx.de<br />

Publikationen von Dr. Christine Preißmann (Auswahl)<br />

Asperger – Leben in zwei Welten. Betroffene berichten: Das hilft mir in Schule, Beruf, Partnerschaft und<br />

Alltag. 2. Auflage, Trias <strong>2013</strong>.<br />

Überraschend anders: Mädchen und Frauen mit Asperger. Trias <strong>2013</strong>.<br />

Psychotherapie und Beratung bei Menschen mit Asperger-Syndrom. 3. Auflage, W. Kohlhammer <strong>2013</strong>.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Rezension „Überraschend anders: Mädchen und Frauen mit<br />

Asperger“<br />

Neuerscheinung <strong>2013</strong><br />

Mädchen und Frauen mit autistischen Störungen sind die<br />

„Minderheit einer Minderheit“ in der Gesellschaft, bislang<br />

wurde dieses Thema vernachlässigt. Zugleich aber wird<br />

die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung auch<br />

beim weiblichen Geschlecht immer häufiger gestellt, sodass<br />

es sinnvoll ist, zu überlegen, welche spezifischen<br />

Schwierigkeiten bei Frauen bestehen und wie die diagnostischen<br />

Überlegungen und therapeutischen Möglichkeiten<br />

noch besser an ihre speziellen Bedürfnisse angepasst<br />

werden können.<br />

Dieses Buch stellt die erste Publikation dar, die sich ausführlich<br />

mit der Situation autistischer Mädchen und Frauen<br />

in den deutschsprachigen Ländern beschäftigt. Eine Besonderheit<br />

ist auch der Perspektivenwechsel. So kommen<br />

in diesem Buch alle Beteiligten zu Wort: Fünf Frauen, die<br />

ihr Leben mit dem Autismus schildern und dabei auch so<br />

sensible und schwierige Themen wie Partnerschaft, Kinderwunsch,<br />

Einsamkeit, gesellschaftliche Erwartungen an<br />

eine Frau, den Bereich der Frauengesundheit oder psychisches<br />

und körperliches Wohlbefinden nicht ausklammern.<br />

Zwei Mütter berichten, wie sie das Aufwachsen ihrer autistischen<br />

Töchter erlebt haben. Was war für sie schwierig,<br />

auch im Vergleich zu den nicht autistischen Geschwistern,<br />

was haben sie als besondere Bereicherung erlebt? Eine Psychotherapeutin, die eine Therapiegruppe speziell<br />

für autistische Frauen leitet, beschreibt, warum solche Gruppen wichtig sind, was sie leisten können<br />

und was sich als besonders hilfreich herausgestellt hat. Eine Ergotherapeutin gibt Einblicke in ihre Arbeit<br />

und zeigt auf, in welchen Bereichen autistische Mädchen und Frauen davon profitieren können. Daneben<br />

enthält das Buch ausführliche Hintergrundinformationen zu allen angesprochenen Themen.<br />

Das Buch richtet sich gleichermaßen an autistische Menschen selbst, ihre Eltern, Geschwister und andere<br />

Familienmitglieder, ihre Freunde, Schulkameraden, Arbeitskollegen oder Bekannte, aber auch an alle<br />

Fachleute, die mit autistischen Mädchen und Frauen zu tun haben, also Ärzte, Therapeuten, Pädagogen<br />

oder Sozialarbeiter, Ausbilder, Arbeitgeber usw. Es soll das Verständnis verbessern für die Betroffenen, die<br />

sich in der Regel große Mühe geben, die an sie gestellten Anforderungen zu bewältigen, die aber gesellschaftlich<br />

und auch im familiären Umfeld oft viel Unverständnis ausgesetzt sind, weil niemand mit ihren<br />

Eigenheiten und Auffälligkeiten wirklich umzugehen vermag. Sie sind eben überraschend anders.<br />

Ursula Rief-Cerny<br />

Mentorin für Schüler/innen mit ASS<br />

www.integration-autismus.at<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Roma-Schulmediation an Wiener Schulen<br />

Ein Projekt von Romano Centro – Verein für Roma<br />

Der Verein Romano Centro wurde 1991 als eine der ersten Selbstvertretungsorganisationen für Roma<br />

gegründet. Von Beginn an engagierten sich sowohl Roma aus unterschiedlichen Gruppen (Lovara, Burgenland-Roma,<br />

Kalderaš, Gurbet, Arlije,...) als auch Nicht-Roma für eine Verbesserung der Lebenssituation der<br />

Roma in Wien. Standen anfangs kulturelle Aktivitäten und der Kampf um die Anerkennung als Volksgruppe<br />

im Vordergrund, fand der Verein sehr schnell einen weiteren Tätigkeitsbereich: Bildung. Bereits 1995 startete<br />

das Lernhilfe-Projekt, welches bis in die Gegenwart fortgeführt wird und im Rahmen dessen im vergangenen<br />

Schuljahr 130 Kinder in ganz Wien individuell betreut wurden. Seit dem Jahr 2000 wird auch die<br />

Roma-Schulassistenz durchgeführt, welche seit dem Schuljahr 2012/<strong>2013</strong> erweitert und unter dem Namen<br />

Roma-Schulmediation weiter geführt wird.<br />

Zielgruppe<br />

In Wien leben viele verschiedene Roma-Gruppen. Es gibt die sogenannten autochthonen Roma (Burgenland-Roma,<br />

Lovara und Sinti), die in Österreich als Volksgruppe anerkannt sind und Angehörige verschiedener<br />

Gruppen, die seit den 1960er Jahren eingewandert sind und in Wien die überwiegende Mehrheit<br />

bilden. Die Roma-SchulmediatorInnen haben in den letzten Jahren v.a. mit Roma verschiedener Gruppen<br />

aus dem ehemaligen Jugoslawien gearbeitet. Der EU-Beitritt osteuropäischer Staaten in den letzten Jahren<br />

macht sich aber auch in den Schulen bemerkbar. Es kommen vermehrt Roma aus Bulgarien oder Rumänien<br />

nach Wien. Wie viele Roma es in Wien gibt ist nicht bekannt. Die Schätzungen variieren sehr stark.<br />

Klar ist, dass es nicht um ein paar hundert, sondern um mehrere Zehntausend Menschen geht, die v.a. aus<br />

Serbien kommen. Die Migration nach Österreich hat bereits mit der „Gastarbeiter“-Migration in den 1960er-<br />

Jahren begonnen und dauert bis heute an, wenn es auch aktuell sehr schwierig ist, sich als serbischer<br />

Staatsbürger in Österreich niederzulassen.<br />

Bildungssituation von Roma/Romnja in Wien<br />

Zuallererst muss betont werden, dass es viele Roma-Kinder gibt, die in der Schule keine Probleme haben<br />

und ihre Schullaufbahn ohne Unterstützung von außen erfolgreich beenden, Berufe erlernen und später<br />

studieren. Doch aus der Erfahrung in der Arbeit mit Roma-Kindern ist dem Verein Romano Centro auch<br />

bekannt, dass viele Roma-Kinder in der Schule massive Probleme haben und die Bildungssituation der<br />

Roma/Romnja mit Migrationshintergrund allgemein sehr schlecht ist. Freilich konnte diese Erfahrung nicht<br />

in verlässliche Zahlen gegossen werden.<br />

Seit 2011 gibt es erstmals Zahlen zur Bildungssituation von Roma/Romnja mit Migrationshintergrund in<br />

Wien: Die Arbeiterkammer Wien erhob in einer Studie zur Beschäftigungssituation von MigrantInnen in Wien<br />

die Situation von Roma/Romnja und KurdInnen und in diesem Zusammenhang auch deren Bildungssituation.<br />

Das Ergebnis ist eindeutig: Roma/Romnja mit Migrationshintergrund haben ein signifikant schlechteres<br />

Bildungsniveau als der Durchschnitt der MigrantInnen. 52 % der Roma/Romnja haben maximal einen<br />

Pflichtschulabschluss, bei der Gesamtgruppe der MigrantInnen liegt dieser Wert im Schnitt unter der Hälfte,<br />

nämlich bei 24 %, bei den Nicht-MigrantInnen nur bei 9 %. Nur 4 % der Befragten haben ein Studium abgeschlossen,<br />

bei allen MigrantInnen liegt dieser Wert bei 20 %. Zu beachten ist bei diesen Zahlen, dass<br />

nur Mitglieder der Arbeiterkammer befragt wurden, d.h. unselbstständig Beschäftigte oder Menschen, die<br />

seit weniger als sechs Monaten arbeitslos waren. Es ist zu vermuten, dass die Situation noch wesentlich<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

schlechter ist, da viele Roma/Romnja von längerer Arbeitslosigkeit betroffen sind, informeller Arbeit nachgehen<br />

oder selbstständig sind.<br />

Die Gründe für die schlechte Bildungssituation sind nicht in einer „Kultur der Roma“ zu suchen, sondern in<br />

ihrer Situation als diskriminierte Minderheit in Vergangenheit und Gegenwart. Sowohl in Serbien als auch in<br />

anderen Ländern und bis vor nicht allzu langer Zeit in Österreich, waren und sind Roma im Bildungssystem<br />

massiv diskriminiert und benachteiligt. Dies erfolgt(e) durch direkte Diskriminierung, wie beispielsweise der<br />

Zuweisung in Sonderschulen oder in eigene Roma-Klassen oder der schlichten Verweigerung eines Schulplatzes.<br />

Aber auch durch Desinteresse an den Roma- SchülerInnen und Diskriminierung durch LehrerInnen<br />

und MitschülerInnen.<br />

Ein weiterer Faktor ist der physische Zugang zu Schulen: Oft gibt es zu Roma-Siedlungen keine oder unzureichende<br />

Busverbindungen, die Schulwege sind lang, die ökonomische Situation der Familien oft äußerst<br />

prekär. Kommen Familien nach Österreich, wirkt sich diese Benachteiligung auch auf die Bildungschancen<br />

der Kinder aus, die hier in die Schule gehen. Die Eltern haben aufgrund eigener Unerfahrenheit mit Bildung<br />

und Schule oft nur begrenzte Möglichkeiten,<br />

ihre Kinder zu unterstützen,<br />

oft fehlt ihnen auch notwendiges Wissen<br />

zum Schulsystem. Auch die teils<br />

massiven Diskriminierungserfahrungen<br />

dürfen nicht unterschätzt werden:<br />

Viele Eltern versuchen zu verstecken,<br />

dass sie Roma sind, haben Angst vor<br />

Diskriminierung und schlechter Behandlung<br />

durch LehrerInnen und haben<br />

durch ihre eigenen Erfahrungen<br />

ein schlechtes Bild von Schulen.<br />

Hinzu kommt in vielen Familien der<br />

Kompetenzverlust in der Muttersprache<br />

Romanes, die in manchen Familien<br />

nicht mehr an die Kinder weitergegeben<br />

wird, da geglaubt wird, es wäre<br />

besser, wenn die Kinder Serbisch<br />

könnten. Doch die Serbisch-Kenntnisse<br />

der Eltern sind in vielen Fällen nicht<br />

so gut, wodurch es insgesamt zu einem Kompetenzverlust in der Sprache kommen dürfte (es gibt dazu<br />

leider keine Untersuchungen). Für den Bildungserfolg der Kinder sind dies keine guten Voraussetzungen.<br />

Die Unterstützung durch Muttersprachen-LehrerInnen ist in Wien leider kaum vorhanden (derzeit gibt es<br />

drei für Romanes). Dies hat zwei Gründe: Einerseits geben die Eltern nur in Ausnahmefällen Romanes als<br />

Muttersprache an, da sie Angst vor Diskriminierung haben und nicht gewohnt sind, dass diese Sprache in<br />

einem offiziellen Setting eine Relevanz hat. Dadurch gibt es offiziell nur einen geringen Bedarf an muttersprachlichem<br />

Unterricht. Andererseits ist es auch nicht einfach, Personen zu finden, die Romanes unterrichten<br />

können und die notwendigen formalen Qualifikationen erfüllen.<br />

Roma-SchulmediatorInnen als Ansprechperson und Bindeglied<br />

Der Einsatz von Roma-SchulmediatorInnen ist kein Allheilmittel, jedoch können sie Eltern, LehrerInnen und<br />

SchülerInnen wertvolle Unterstützung bieten. Sie arbeiten in Schulen, die an einer Zusammenarbeit interessiert<br />

sind und die von vielen Roma-Kindern besucht werden. Für Eltern und Kinder ist es wichtig, dass<br />

jemand, der/die selbst Rom/Romni ist, in der Schule arbeitet und als Ansprechperson zur Verfügung steht.<br />

Auch für die LehrerInnen ist dies eine neue, wertvolle Erfahrung, die dazu führt, dass Vorurteile abgebaut<br />

werden können und mehr Verständnis für die Situation der Familien aufgebaut werden kann.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Aufgaben der Roma-SchulmediatorInnen sind:<br />

• Unterstützung der Beziehungen zwischen Schule und Elternhaus und der Kommunikation zwischen<br />

LehrerInnen und Roma-Eltern<br />

• Information, Beratung und Begleitung der Eltern in schulischen und erzieherischen Belangen<br />

• Ansprechperson (in mehreren Sprachen) für Roma-SchülerInnen und –Eltern und für LehrerInnen bei<br />

Problemen von/mit Roma-SchülerInnen<br />

• Begleitung von Lehrausgängen zur Sicherung der Teilnahme von Roma-SchülerInnen<br />

• Unterstützung der Roma-SchülerInnen in der Klasse während des Unterrichts, vor allem auch durch<br />

Kommunikation in der Muttersprache<br />

• Vermittlung von zusätzlichen Lernangeboten bzw. Fördermöglichkeiten für Roma-Kinder<br />

• Bereitstellung von Wissen über Roma-Kultur und -Geschichte für SchülerInnen und LehrerInnen, um<br />

das gegenseitige Verständnis und das Selbstbewusstsein der Roma-SchülerInnen zu fördern<br />

• Unterstützung der Familien in sozialen Krisen (gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin), um Schulbesuch/<br />

Schulerfolg zu sichern/zu ermöglichen<br />

Im Schuljahr 2012/<strong>2013</strong> wurden acht Schulen von vier Roma-Schulmediatorinnen betreut. Der Anteil der<br />

Roma-Kinder in diesen Schulen liegt zwischen 15 und 30 %. Die Rückmeldungen aus den Schulen sind<br />

sehr positiv, ein paar Zitate von Direktorinnen sollen dies verdeutlichen:<br />

„Ich bin, wir sind alle - mit der Arbeit von Fr. Vesna Dimic so sehr zufrieden, dass wir ohne sie gar nicht mehr<br />

auskommen könnten. Sie hat mit viel Verständnis, aber auch mit konsequenten Aussagen viele unserer<br />

Elternprobleme lösen geholfen (...) Unsere Lehrer kontaktieren sie gerne, Eltern reden gerne mit ihr und sie<br />

sind für Gespräche viel offener als wir es gewohnt sind.“<br />

Im Bereich der Kommunikation zwischen Schule und Eltern berichten alle Schulen von großen Fortschritten:<br />

Die Eltern nehmen Gesprächstermine öfter wahr und besuchen deutlich häufiger Veranstaltungen in<br />

der Schule. Dadurch haben sie einen verbesserten Zugang zu wichtigen Informationen und die LehrerInnen<br />

und die Schulleitung können sie leichter erreichen, um sie in schulischen oder erzieherischen Belangen zu<br />

beraten. Eine konkrete Auswirkung dieser verbesserten Kommunikation zeigte sich in einer Volksschule,<br />

die neu betreut wurde und wo nach kurzer Zeit die häufigen Verspätungen der Kinder deutlich abgenommen<br />

haben.<br />

Die Roma-Schulmediatorinnen führen mit den Eltern sehr viele Gespräche, jede von ihnen mehrere Stunden<br />

pro Woche. In den Gesprächen geht es häufig um Anforderungen der Schule an die Eltern, deren Pflichten,<br />

Möglichkeiten zum Schulerfolg ihrer Kinder beizutragen, erzieherische Belange, hier insbesondere die<br />

Wichtigkeit, den Kindern klare Grenzen zu setzen und sie nicht zu sehr zu verwöhnen. Bei den Gesprächen<br />

werden auch wichtige Fragen zum österreichischen Bildungssystem, sinnvollen Freizeitangeboten, sozialen<br />

Dienstleistungen u.v.m. beantwortet. Für viele Eltern werden die Roma-Schulmediatorinnen schon in<br />

kurzer Zeit zu wichtigen Vertrauenspersonen, die sie in sehr vielen Belangen um Rat fragen. Vielen Eltern<br />

fällt es leichter, mit einer Vertrauensperson über ihre Probleme zu sprechen. Gibt es in der Schule eine<br />

Vertrauensperson, dann vermindert sich auch ihre Scheu vor dieser Institution oder die Angst, diskriminiert<br />

zu werden. Sie erkennen, dass auch ihre Kultur in dieser Schule wichtig ist und dadurch verbessert sich ihr<br />

Verhältnis zur Schule.<br />

In allen Schulen arbeiten die Roma-Schulmediatorinnen integrativ in den Klassen mit und unterstützen Kinder,<br />

die etwas mehr Zeit brauchen bzw. dem Unterricht aufgrund sprachlicher oder anderer Gründe nicht<br />

entsprechend folgen können. Einige LehrerInnen sind über die positiven Ergebnisse dieser Unterstützung<br />

sehr erstaunt, da Kinder auf einmal in kurzer Zeit Dinge lernen, die sie zuvor lange nicht geschafft haben<br />

und sich in der Klasse mehr zutrauen und öfter zu Wort melden. Die Roma-Mediatorinnen können in der<br />

Klasse auch intensiv mit einzelnen Kindern arbeiten, die besonders viel Unterstützung brauchen, etwa weil<br />

sie gerade erst eingeschult wurden oder durch lange Abwesenheit viel versäumt haben.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Viele Kinder benötigen aufgrund der fehlenden Möglichkeiten der Eltern zusätzliche, außerschulische Unterstützung.<br />

Die Roma-Schulmediatorinnen haben vielen Familien zusätzliche Angebote vermittelt, etwa<br />

Lernhilfe-Gruppen oder das Lernhilfe-Projekt des Romano Centro. Für einige Kinder wurden auch sinnvolle<br />

Freizeitaktivitäten gefunden, z.B. für Danijel, Schüler einer 4. Klasse Volksschule, der in der Schule oft aggressiv<br />

aufgefallen ist. Seit für ihn ein Fußballverein gefunden wurde, hat sich sein Verhalten in der Schule<br />

verbessert.<br />

Die Roma-Schulmediatorinnen haben am 8. April (Internationaler Roma-Tag) in einigen Schulen Projekte<br />

zur Kultur der Roma durchgeführt, was in den Schulen sehr gut angekommen ist. Auch für die LehrerInnen<br />

ist es eine Bereicherung, eine Kollegin aus der Volksgruppe der Roma zu haben. In einigen Schulen waren<br />

die Vorurteile gegenüber Roma anfangs auch für die Roma-Mediatorinnen deutlich zu spüren, was sich<br />

durch den täglichen Kontakt und konstruktive Zusammenarbeit aber deutlich verbessert (bis auf wenige<br />

Einzelpersonen). Auch für die Kinder ist es wichtig, in der Schule ein Vorbild aus dem eigenen Kulturkreis<br />

zu haben:<br />

„Ich habe das Gefühl, dass es für das Selbstwertgefühl der Kinder sehr wichtig ist, dass es jemanden gibt,<br />

der aus ihrem kulturellem Umfeld kommt und es geschafft hat, in einer Schule zu arbeiten. Für einige SchülerInnen<br />

ist das sicher ein Antrieb, selbst etwas schaffen zu können.“ (VS Rötzergasse)<br />

Die Roma-Schulmediatorinnen besuchen<br />

die Familien in ihren Wohnungen<br />

und werden für sie in vielen Fällen<br />

zu Vertrauenspersonen. Oft stoßen<br />

sie dabei auf familiäre Umstände und<br />

Rahmenbedingen, die der schulischen<br />

Entwicklung der Kinder hinderlich sind.<br />

Deshalb arbeiten sie eng mit der Sozialarbeiterin<br />

des Romano Centro zusammen,<br />

um Probleme zu lösen bzw.<br />

an andere Unterstützungsangebote<br />

zu vermitteln. Die Roma-Schulmediatorinnen<br />

haben auch einige Familien<br />

bei der Anmeldung in der Schule unterstützt<br />

und begleitet. Eltern, die nicht<br />

gut genug Deutsch sprechen, haben<br />

sie häufig auf Ämter und Behörden begleitet,<br />

um ihnen zu Unterstützungen<br />

zu verhelfen:<br />

„Sie (die Roma-Schulmediatorin, Anm.) hat in Zusammenarbeit mit den Klassenlehrerinnen und der Sozialarbeiterin<br />

des Romano-Centro einigen SchülerInnen zu einem geregelten Schulbesuch und zu besseren<br />

Lebensbedingungen verholfen.“ (SPZ Quellenstraße)<br />

Es gibt immer wieder Kinder und Jugendliche, die die Schule unregelmäßig oder gar sehr selten besuchen,<br />

und deren Schul- und späterer Berufserfolg dadurch massiv gefährdet sind. Die Roma-Schulmediatorinnen<br />

können diesem Prozess, der oft im Schulabbruch endet, durch ihre Beziehung zu den Eltern oft etwas entgegen<br />

setzen.<br />

„Manche Eltern fühlen sich allein durch ein Gespräch in ihrer Muttersprache schon besser in der Schule<br />

angenommen und verstanden (auf allen Ebenen). Konkret wurde z.B. die Mutter eines Schülers durch die<br />

Intervention der Mediatorin motiviert ihren Sohn, der bis jetzt eine sehr lückenhafte Schulkarriere aufweist,<br />

wieder jeden Tag in die Schule zu bringen und auch die Schule verlässlich zu verständigen, wenn ihr Sohn<br />

krank ist.“ (SPZ Quellenstraße)<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Ungewisse Zukunft<br />

Das Projekt Roma-Schulmediation an Wiener Schulen wird aktuell vom BMUKK, dem BMI (seit 2012/<strong>2013</strong>)<br />

und aus Mitteln der Volksgruppenförderung (Bundeskanzleramt) gefördert. Gegenüber dem Vorjahr sind<br />

die Fördermittel zurückgegangen, dennoch können im laufenden Schuljahr sieben Schulen ab September<br />

und zusätzliche zwei Schulen ab Ende <strong>November</strong> betreut werden. Die Roma-Schulmediatorinnen werden<br />

immer wieder von Schulen angefragt, die sie nicht betreuen und versuchen nach ihren zeitlichen Möglichkeiten<br />

auch dort zu unterstützen, was in vielen Fällen gelingt. Im vergangenen Schuljahr ist insbesondere<br />

aus den Sonderpädagogischen Zentren der Wunsch nach einer Roma-Schulmediatorin geäußert worden,<br />

allerdings konnten nicht alle Schulen betreut werden, an denen es Bedarf gegeben hätte. Daraus wird<br />

ersichtlich, dass der Bedarf an Roma-Schulmediation deutlich höher ist als er derzeit abgedeckt werden<br />

kann. Das große Interesse aus den Sonderschulen hat auch gezeigt, dass dort besonders viele Roma-<br />

Kinder sind. Ein Umstand, der dringend einer genaueren Betrachtung und geeigneter Gegenmaßnahmen<br />

bedarf. Eine Weiterentwicklung des Projektes in quantitativer Hinsicht (ca. 10 bis 15 Personen) und in qualitativer<br />

Hinsicht (Ausbildungslehrgang für die Roma-SchulmediatorInnen, wie etwa in Berlin) ist aus Sicht<br />

des Romano Centro und vieler Schulen dringend notwendig. Ein Konzept dafür liegt bereits vor. Jedoch<br />

ist es bisher nicht gelungen, die zuständigen Ministerien von einer Finanzierung zu überzeugen. Wie alle<br />

anderen EU-Staaten ist auch Österreich verpflichtet, die Situation der Roma bis 2020 in den Bereichen Bildung,<br />

Gesundheit, Arbeitsmarkt und Wohnen zu verbessern. Nicht nur deshalb wäre es dringend geboten,<br />

die Problematik der schlechten Bildungschancen von Roma-Kindern anzugehen und dabei auf international<br />

bewährte Maßnahmen wie die Roma-Schulmediation zu setzen.<br />

Mag. Ferdinand Koller<br />

ist seit zwei Jahren Projektleiter der Roma-Schulmediation<br />

und der Lernhilfe im Romano Centro.<br />

ferdinand.koller@romano-centro.org<br />

www.romano-centro.org<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Integrative Lernwerkstatt Brigittenau - ILB<br />

15 Jahre Inklu-tegra-lern-ion<br />

Zu jahrelanger Knochenarbeit gehört auch das gebührende Innehalten und Feiern.<br />

So geschehen in der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau beim ersten großen Straßenfest nach 10 Jahren<br />

ILB 2008, und nun im Juni <strong>2013</strong> zum zweiten Mal seit dem Start 1998, also nach 15 Jahren.<br />

Was ist zwischen den beiden Festen gleich geblieben – was hat sich verändert? Gleich geblieben sind die<br />

Grundpfeiler unserer Arbeit: Mehrstufig, integrativ, ganztägig, notenfrei.<br />

Was hat sich in den letzten 5 Jahren verändert?<br />

Enorm viel:<br />

• Uns sind ab 2009/10 Hauptschul- bzw. Neue Mittelschul-Flügel dazu gewachsen – d.h. wir sind eine<br />

Volksschule mit angeschlossenen HS- bzw. NMS-Klassen geworden<br />

• Wir sind seit kurzem eine Ganztagsschule der Stadt Wien – für Kinder und Jugendliche durchgängig<br />

von 6 – 15 Jahren<br />

• Unter unseren aktuell 366 Volks- und MittelschülerInnen sind knapp 100 mit Sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf<br />

• An unserem Standort sind in unterschiedlichsten Teamkonstellationen fünf Kategorien von PädagogInnen<br />

in alltäglicher enger Kooperation tätig (in der Reihenfolge des historischen Auftretens an der ILB):<br />

VolksschullehrerInnen, FreizeitbetreuerInnen, SonderpädagogInnen, HauptschullehrerInnen, AHS-<br />

LehrerInnen<br />

• Im Zuge des Mittelschulausbaus und -schulversuchs sind wir auch strukturell in neue Sphären vorgestoßen,<br />

insbesondere ist zu den schon länger davor eingeläuteten Tandems von Stammgruppen (also<br />

zwei Klassen, die nebeneinander liegen und deren Teams und SchülerInnen mehr oder weniger gemeinsam<br />

arbeiten) nun auch im Ausgangs-Bereich (der 13 bis 15-Jährigen, 7. und 8. Stufe) und teilweise<br />

im Übergangs-Bereich (der 9/10 bis 12/13-Jährigen, 4., 5. und 6. Stufe) das sog. Coachinggruppen-<br />

System in Erprobung und Entwicklung<br />

Am 14. Juni <strong>2013</strong> machten wir den Brigittenauer Vorgarten bei herrlichem Wetter zur öffentlichen Schul-<br />

Bühne! Schon ein paar Tage zuvor haben ca. 350 individuell gestaltete Wimpel das Doppelhaus in der<br />

Vorgartenstraße 50 / Allerheiligenplatz 7 wunderbar umrahmt.<br />

Foto: Josef Reichmayr<br />

Am 14. Juni <strong>2013</strong> haben wir nicht nur erstmals einen großen Schippel 14-/15-jähriger SchülerInnen, die<br />

von ihrem Schuleintritt an die ILB während ihrer ganzen Pflichtschulzeit durchlaufen haben, „entlassen“ und<br />

feierlich verabschiedet, sondern auch anlässlich des Festes viele Gäste begrüßen und teilweise auf die<br />

Bühne bitten dürfen: SSRW-Präsidentin Susanne Brandsteidl, NR-Abgeordneten Harald Walser, Bezirksvorsteher<br />

Hannes Derfler, GR-in Tanja Wehsely, LSI Rupert Corazza, BSI Walter Gusterer, BSI Richard<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Felsleitner, Integrationsberatungsstellen-Mitarbeiterin Brigitte Mörwald, SPZ-Leiterin Andrea Bossler, RepräsentantInnen<br />

der MA 56, der Wr. Kinder- und Jugendbetreuung, viele ehemalige SchülerInnen, Eltern,<br />

unterschiedlichste WegbegleiterInnen und DaumenhalterInnen der ILB seit 1998, dem Geburtsjahr dieses<br />

Schulprojekts.<br />

O-Ton und bewegte Bilder zum Fest (kleine Ausschnitte) sind abrufbar unter http://youtu.be/RAQksbMS0zs<br />

Bei den folgenden Kurzbeiträgen rund ums Fest kommen dort oder da SchülerInnen, die unter der landläufigen<br />

Kategorie Integrationskind laufen, ausdrücklich vor. Meistens aber sind sie bei uns SchülerInnen<br />

wie alle anderen auch und nicht extra erwähnt. Da wir von Anfang an die SchülerInnen mit SPF auf alle<br />

Klassen aufgeteilt haben und dies nach wie vor tun, sind diese Kinder und Jugendlichen allgegenwärtig<br />

und stellen (bei aller Heterogenität von ASO-Kindern über SchülerInnen mit Down-Syndrom, autistischer<br />

Wahrnehmung bis zu körperlich / geistig Gehandicapten) ca. 27% der gesamten SchülerInnenschaft dar.<br />

Und eines habe ich (nicht auf der PädAk im Rahmen meiner Sonderschulausbildung Ende der 90er Jahre,<br />

sondern in der Praxis vor Ort, seit wir auch ältere I-Jugendliche begleiten dürfen) dazu gelernt: Es stimmt<br />

nicht, dass es mit der Integration in der Sekundarstufe I, in der Zeit der pubertären Anwandlungen dieser<br />

Altersgruppe, mit der Integration ganz besonderer SchülerInnen vorbei ist: Am Beispiel Lorenz, einem<br />

Schüler mit Down-Syndrom und grad mal 3 Jahre bei uns gewesen. Er war in seiner ganz besonderen Art<br />

und gefühlsmäßigen Intensität bei der Verabschiedung der „VerlässlerInnen“ sichtbar, spürbar integraler<br />

Teil, ja geradezu Sensor aller anderen seiner „Kohorte“.<br />

Ist das nun Integration oder Inklusion, oder<br />

differenzierte Lernunion – viele Begriffe,<br />

die auch in meinem Kopf manchmal zu Irritation<br />

und Konfusion führen (darum die<br />

merkwürdige Überschrift zu diesem Beitrag).<br />

Ich weiß nur und sehe tagtäglich,<br />

dass wir auch im Lichte des sehr nützlichen<br />

„Index für Inklusion“ auf einem (für<br />

uns und unsere SchülerInnen) guten Weg<br />

sind. 15 Jahre bisher und hoffentlich noch<br />

einige Jährchen mehr!<br />

Josef Reichmayr<br />

Gründer und Leiter der Integrativen<br />

Lernwerkstatt Brigittenau<br />

Ganztagsschule der Stadt Wien<br />

Volksschule mit angeschlossenen<br />

Hauptschul- / Neuen Mittelschul-Klassen<br />

1200 Wien<br />

Vorgartenstraße 50 / Allerheiligenplatz 7<br />

www.lernwerkstatt.or.at<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

15 Jahresfest der ILB<br />

Am 14. Juni <strong>2013</strong> feierte die ILB ihr 15 Jahres Fest. Es war ein sehr buntes Straßenfest mit vielfältigem<br />

Programm, das von einem engagierten Festvorbereitungskomitee bestehend aus Eltern und LernbegleiterInnen<br />

geplant und organisiert wurde. Seit Herbst 2012 trafen sie regelmäßig zusammen. Herzlichen Dank<br />

an dieser Stelle den Eltern, die sich mit ihrem know - how und ihrem tatkräftigen Einsatz vor allem für einen<br />

reibungslosen organisatorischen Ablauf des Festes gekümmert haben. Auch die behördlichen Hürden, die<br />

zur Genehmigung eines solchen Straßenfestes notwendig sind, haben sie bravourös gemeistert!<br />

Das Fest startete bereits um 10:00 Uhr Vormittag mit der Verabschiedung der VerlässlerInnen auf der<br />

Straßenbühne.<br />

Um 13:00 Uhr zogen alle Gruppen zur Bühne hinaus, den Festauftakt am Nachmittag bildeten Trommelpräsentationen.<br />

Danach gab es einige Festansprachen, u. a. von Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl<br />

und von unserem Herrn Direktor Josef Reichmayr. Dieser wurde für seine unermüdliche, kreative,<br />

engagierte pädagogische Arbeit herzlich von den Clustern mit bunten Pflanzen bedankt.<br />

Um 14:30 Uhr startete ein fulminantes, abwechslungsreiches dreistündiges<br />

Bühnenprogramm, bei dem Kinder stolz in einer Modeschau<br />

ihre selbst entworfenen und selbst genähten Designerstücke<br />

präsentierten. Weiters stellten unsere Kids ihr musikalisches,<br />

tänzerisches und schauspielerisches Talent unter Beweis. Auch<br />

unsere Schulband war mit einigen coolen Nummern stark vertreten.<br />

Den Abschluss unseres bunten Programms bildete ein begeisterter<br />

und begeisternder SchülerInnen-Chor mit Jonny Pinter, der drei<br />

Tage lang an der ILB ein Chorworkshop geleitet hatte.<br />

Parallel zum Bühnenprogramm gab es Spiel- und Bastelstationen<br />

im Hof und am Spielplatz. Im Schulgebäude konnte man interessante<br />

Ausstellungen über unsere Schulentwicklung, über verschiedene<br />

laufende Projekte, wie z. B. unsere neue grüne Außenstelle<br />

in Stockerau und Medienprojekte von verschiedenen Stammgruppen<br />

bestaunen. Es gab auch eine Ausstellung mit technischen und<br />

textilen Werkstücken der Kinder zu sehen. Eine engagierte Mutter<br />

organisierte einen Flohmarkt, dessen Einnahmen der ILB zugute<br />

kommen.<br />

Für das leibliche Wohl war bestens durch den Elternverein mit<br />

Würstelgrillen, Schnitzelsemmeln und guten Kuchen gesorgt.<br />

Sehr schön war auch, dass viele ehemalige SchülerInnen und<br />

Eltern zu unserem Fest kamen, mit uns feierten und gemeinsam<br />

auf 15 Jahre ILB anstießen.<br />

Waltraud Pröstler<br />

Volksschullehrerin<br />

und eine der Hauptorganisatorinnen des ILB Festes,<br />

seit über 14 Jahren schon Lehrerin an der ILB<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

„Ich habe den Raum als viel größer in Erinnerung …“<br />

Der 14. Juni <strong>2013</strong>, der 15-Jahre-ILB-Festtag, war auch für mich ein ganz besonderer Tag aus mehreren<br />

Gründen:<br />

• Ich bin Lernbegleiterin an der ILB seit 1998<br />

– und ich liebe es, Kinder, die ich in der<br />

Schule begleiten durfte, wieder zu treffen<br />

und zu sehen, wie sie sich verändert haben.<br />

Drei Schüler aus der allerersten Stammgruppe<br />

A, in der ich damals Lernbegleiterin war, kamen<br />

auch zum Fest: Berni, Matthias und Max.<br />

Max war vor zwei Jahren auch in unserer Schule<br />

als Zivildiener und hat sich danach entschieden,<br />

die Pädagogische Hochschule zu besuchen und<br />

Volksschullehrer zu werden. Nun studiert er doch<br />

noch weiter. Berni ist in die Firma seines Vaters<br />

eingestiegen. Er war mit seiner Freundin da, und<br />

er denkt an Hausbau. Matthias, damals schon ein<br />

Computerkenner ersten Grades, ist ein begnadeter<br />

Computerfachmann geworden. Ich habe den<br />

dreien „unsere“ Fotobände von damals gezeigt und<br />

auch die Klasse, in der der sie einige Jahre ihres<br />

Lebens verbracht haben. Da fiel der Titelsatz: „Ich<br />

habe den Raum als viel größer in Erinnerung ...“<br />

Eine junge Frau trat vor mich, schaute mich an<br />

und fragte, ob ich sie noch kenne. Ich erkannte Katharina<br />

– eine Schülerin, die im 3. ILB-Jahr zu uns in<br />

die Stammgruppe kam und nun eine Studentin ist.<br />

Ich habe David, einen Schüler, den ich 6 Jahre<br />

lang in der ILB begleitet habe, und der nun in<br />

ein Gymnasium geht, wiedergesehen und war erstaunt,<br />

welch „anderer Mensch“ nach nur einem<br />

Jahr da vor mir stand.<br />

• Die Schülerinnen und Schüler aus den beiden Stammgruppen<br />

H und P und wir Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter haben immer wieder mit viel Energie und<br />

Aufwand die diversen Auftritte auf der Bühne einstudiert und geübt. Sie sie sind alle gut gelungen.<br />

Dass „unser“ Daniel (ein autistischer Bub) dann bevor wir als Gruppe mit dem Lied „beetles everywhere“<br />

begonnen haben, den Refrain als Solo ins Mikrofon gesungen hat, war für mich (und ich denke nicht<br />

nur für mich) ein uneingeplantes Highlight des Tages.<br />

• Ich freue mich immer, wenn ich Menschen begegne, mit denen ich gute Beziehungserfahrungen hatte.<br />

Und am 14.Juni <strong>2013</strong> gab es deren sehr viele! Dafür bin ich dankbar!<br />

MITEINANDER LEBEN - VONEINANDER LERNEN<br />

steht beim Eingang unserer Schule – erweitert könnte es werden um<br />

AUFEINANDER ACHTEN - FÜREINANDER SORGEN - ANEINANDER INTERESSIERT SEIN<br />

Christiana Pock-Rosei<br />

VS-Lehrerin an der ILB<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

15 Jahre ILB, 15 Jahre vermehrtes Angebot im Textilen und Technischen Werken<br />

„Inklusiver Werkunterricht für alle Kinder“, ist bei uns nicht nur ein Schlagwort.<br />

Zahlreiche Projekte bei denen unsere Integrationskinder voll eingebunden sind, zeigen uns wie wichtig es<br />

ist, sie in allen Bereichen zu fördern.<br />

Sie fertigen wie jedes andere Kind mit Begeisterung ihre Werkstücke und zeigen diese bei der jährlichen<br />

Ausstellung und Modeschau.<br />

Karla, ein hörbehindertes Mädchen, hat ihr Kleidungsstück selbst entworfen und angefertigt. 3 Jahre Werkclub<br />

(im Rahmen der Interessens- und Begabungsförderung) geben ihr Sicherheit an der Nähmaschine.<br />

Nenad, wollte unbedingt einen Mantel nähen. Er hat es tatsächlich geschafft. Wenn er Mathematik und<br />

Deutsch erledigt hatte, durfte er oft den ganzen Tag zum Textilen Werken. Die Motivation seine Arbeit in<br />

der Stammgruppe zu erledigen, war auf einmal unglaublich groß. Manche LernbegleiterInnen trauten ihren<br />

Augen kaum. Nenad wuchs über seine Verhältnisse hinaus. Bei der Modeschau war er der Star, was er<br />

sichtlich genoss. Er durfte einmal der sein, den man bewunderte.<br />

Wir durften im Laufe der 15 Jahre erkennen, dass die Grundlage für „freies, selbstbestimmtes<br />

Werken“, Vertrauen und Risikobereitschaft der LernbegleiterInnen ist.<br />

Die Kinder wissen meist genau an welchem Werkstück sie arbeiten wollen. Freude<br />

am Tun zeigen alle Kinder.<br />

Gabriele Reithofer<br />

Textiles Werken<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

alle Fotos zu diesem Artikel:<br />

Gabi Reithofer<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Ich mag die ILB … nicht immer<br />

Die ILB ist halt eine Schule. Eine integrative Lernwerkstatt in der Brigittenau, eine Volksschule und Hauptschule,<br />

eine Ganztagsschule, eine Schule, in der es nur Integrationsklassen und Mehrstufenklassen gibt.<br />

Eine Schule, in der der Unterricht erst um 8:30 beginnt, eine Schule, in der die Klassen „Stammgruppen“<br />

heißen und die Schülerinnen und Schüler ihre Lernbegleiter und Lernbegleiterinnen mit Vornamen ansprechen.<br />

Eine Schule, die etwa 360 Schülerinnen und Schüler besuchen, davon über 90 mit Sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf. Eine Schule, in der viel in Teams gearbeitet wird, in Eingangsgruppen und in<br />

Übergansgruppen und in Ausgangsgruppen, in Coachinggruppen und Tandem-Coachinggruppen und hin<br />

und wieder abends dann noch in Arbeitsgruppen. Eine Schule, in der es dauernd was Neues gibt, so oft,<br />

dass man manchmal das Alte noch nicht richtig kennt.<br />

Für mich ist sie an den meisten Tagen<br />

nicht mehr und nicht weniger als<br />

mein Arbeitsplatz. 19 Schülerinnen und<br />

Schüler, davon 6 mit Sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf, Kollegen und Kolleginnen<br />

- und Eltern auch.<br />

Und an den meisten Tagen mach<br />

ich einfach - und doch mit einigem<br />

Schwung - meine Arbeit, so wie viele<br />

andere Lehrerinnen auch. Guten Morgen,<br />

allen zuhören, Wörter nach dem<br />

ABC ordnen, vielen was erklären, mit<br />

manchen im Zahlenraum 5 rechnen,<br />

einem die Socken wieder anziehen,<br />

Wortarten bestimmen, jemanden trösten,<br />

mit einem die Siebenermalreihe<br />

erarbeiten, einige ermahnen, immer jemanden<br />

loben, direkte Rede einführen,<br />

mit manchen dividieren, mich bei einer<br />

Schülerin bedanken, alle motivieren, mit einem Schüler das Schreiben von Einsern und Zweiern üben,<br />

Mittagessen, ab in den Hof, im Turnsaal dann „alles wackelt“ spielen – und zwar so, dass für alle was Interessantes<br />

dabei ist und alle davon profitieren, Lernstunde heute am Schluss und … Mitteilungsmappe<br />

mitnehmen, bevor ihr nachhause geht!<br />

Das alles mach ich nicht alleine, immer im Team. Meistens gerne und mit der Überzeugung, dass es sich<br />

auszahlt. Und trotzdem ist es an manchen Tagen zu viel. Zu viele Bedürfnisse, zu viele Schulstufen, zu viel<br />

Lärm, zu viele Schwierigkeiten, zu viel Druck, zu viele Erwartungen, zu viele Kinder in diesem Haus, zu<br />

viele Projekte, zu viele Ideen, zu viele Vorgaben, zu viel Vorbereitungsarbeit, zu viel individuelles Arbeiten,<br />

zu viel Verschiedenheit, zu viele Lernziele zu erreichen, und dann noch ein Schulfest am Freitag Nachmittag<br />

… ich mag die ILB nicht immer!<br />

Und - jessas naa - die Bastelstation für das Fest müssen wir auch noch vorbereiten.<br />

Und dann ist er da, der Tag, an dem die ILB feiert, dass es sie seit 15 Jahren gibt. Da ist tatsächlich die<br />

Straße vor der Schule gesperrt und die Bühne ist ziemlich groß sogar. Reden werden gehalten. Schönes<br />

und Berührendes wird gesagt über die Schule, in der ich arbeite. Da kann man sich schon freuen und auch<br />

ein bissl stolz sein, dass man da dabei ist. Aber so richtig versöhnt mich das noch nicht mit den Tagen, an<br />

denen mir alles zu viel vorkommt und ich nicht weiß, ob sich der Einsatz lohnt…<br />

Das, was kleine, mittlere und große Kinder auf der Bühne zeigen, wirkt da doch besser. Schon cool, was<br />

es da zu sehen und zu hören gibt, was die alles können und wie sie es präsentieren. Erst recht, wenn man<br />

viele schon kennt, seit sie 6 Jahre alt waren. Wahnsinn, was sich da alles getan hat. Vielleicht lohnt sich<br />

der Einsatz ja doch…<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Und dann treff´ ich Mara. Mara ist ein Mädl – eigentlich schon eine junge Frau – mit Downsyndrom. Sie ist<br />

nicht mehr an der Schule, aber das Fest lässt sie sich nicht entgehen. Sie ist alleine mit dem Bus hergekommen,<br />

und außerdem hat sie heute Geburtstag. Als der kleine Max aus meiner Stammgruppe das hört,<br />

schenkt er Mara seinen Essensgutschein. Sie holt sich Pommes und er kauft sich auch welche – ganz<br />

alleine - und dann sitzen sie nebeneinander auf der Bank, sehr zufrieden mit diesem Tag, und essen die<br />

Pommes. Max sagt strahlend und mit ziemlich viel Ketchup im Gesicht: „Ist das ein schönes Fest heute,<br />

ja?!“ Und da ist es auch für mich einer von den Tagen, an denen ich weiß, dass sich der Einsatz lohnt.<br />

Martina Englbrecht<br />

Sonderpädagogin und<br />

Lernbegleiterin in einer Übergangs-Gruppe der ILB<br />

(Schulstufe 4, 5, 6)<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Von der Sinnhaftigkeit des Nachdenkens über den Wortlaut in Zeugnissen<br />

Ständige Veränderung. Ein Zeichen unserer schnelllebigen Zeit. Etwas beim Alten zu belassen verliert sich<br />

im unablässigen Reformergeist der Gegenwart.<br />

Ein sich Anpassen oder sich Gewöhnen an das Veränderte muss schnell gehen, bevor der Zeitgeist erneut<br />

zuschlägt.<br />

Beides hat wohl seinen Wert, die Beständigkeit ebenso wie die Veränderung, die Herausforderung besteht<br />

darin, zu erkennen, warum Veränderung passieren soll.<br />

In diesem Beitrag soll es darum gehen, die Macht von Wörtern, von Sprache – in gesprochener oder geschriebener<br />

Form – zu reflektieren um zeitgemäße Veränderung zu veranlassen, die Bestand hat.<br />

Wenn Inklusion in aller Munde ist, geht es wohl auch um die vielen zunächst als Kleinigkeit erscheinenden<br />

Einzelheiten rundherum, die miteinbezogen werden dürfen, um das Gemeinsame den Unterschieden<br />

vorzuziehen. Mit dem sehr systemlastigen Begriff der Inklusion fängt eine Mutter nichts an, deren Kind ein<br />

Zeugnis in Händen hält mit dem sehr eindeutigen Hinweis, dass es einem Unterricht nach dem Lehrplan<br />

für Schwerstbehinderte beiwohnen darf. Oder eben auch einem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule<br />

unterliegt, was die natürliche Besonderheit eines jeden einzelnen Kindes hier wohl doch unter ein etwas<br />

scheinheiliges Licht stellt.<br />

Und wenn laut vorhandenem Gesetzesentwurf<br />

in der Ausbildung das Sonderschullehramt<br />

abgeschafft werden soll – ein für<br />

die meisten LehrerInnen dieser Spezies<br />

wohl sehr zweifelhafter (Rück)schritt – ist es<br />

noch schwerer nachzuvollziehen, warum der<br />

Stempel der Unterschiedlichkeit im Lehrplan<br />

in Zeugnissen und sonstigen formellen Dokumenten<br />

aufscheinen soll.<br />

Ja, es handelt sich um das geschriebene<br />

Wort und ja, Papier ist geduldig. Trotzdem<br />

darf nicht unterschätzt werden, dass das,<br />

was hier vermittelt wird, ausstrahlt und verinnerlicht<br />

wird.<br />

Sprache manipuliert unser Denken und es<br />

erfordert viel Bewusstheit, diese Einflüsse<br />

aus einer bestimmten Distanz zu betrachten.<br />

Es gibt die offensichtliche Wirkung der Worte: Wer einen Roman aufschlägt, eine Liebeserklärung bekommt<br />

oder in einen heftigen Streit gerät, der spürt, wie Sprache berührt. Worte können trösten oder tief verletzen,<br />

manche hängen einem tage- oder gar jahrelang nach. Auch unsere eigenen Worte wirken auf uns. Wenn<br />

wir etwa ein Tabuwort aussprechen, kann das bei uns selbst körperlich messbare Stresssymptome hervorrufen.<br />

Sprache vermittelt Identität, diese wird gerade vor dem Hintergrund der allgemeinen Globalisierung und der<br />

nationalen Schulentwicklung immer wesentlicher. Wer bin ich und was kann ich auf dieser Welt dazu beitragen,<br />

dass sie lebenswerter wird. Denn darum geht es doch im Endeffekt, dass alle zum frühest möglichen<br />

41


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Zeitpunkt vermittelt bekommen, was für ein innewohnendes Potential eingebracht werden kann. Wenn wir<br />

den Ansatz verfolgen, dass Schule die Aufgabe hat, genau dieses Potential zu erkennen und zu fördern,<br />

dann sollten unsere Gedanken wohl weiter gehen als immer andere Definitionen für ein doch starres und<br />

unbewegliches System zu kreieren.<br />

Veränderung ist hier sicher angebracht. Veränderung hin zu einem System, das fördert und unterstützt und<br />

jede Bedürftigkeit und jedes Bedürfnis als ebenbürtig ansieht und das auch verbalisiert. Ja, wir brauchen<br />

Begriffe wie Inklusion, weil es heutzutage noch notwendig ist, das Bewusstsein in diese Richtung zu vergrößern<br />

und zu schärfen. Nicht mehr notwendig sind Begrifflichkeiten und Maßnahmen, die die Ausgrenzung<br />

immer noch plakativ vorzeigen. Deshalb plädiere ich in einem ersten Schritt dafür, dass der Begriff der<br />

„Schwerstbehinderung“ aus den Zeugnissen verbannt wird und – damit der Schulbürokratie genüge getan<br />

wird – eine Formulierung zu verwenden, wie sie beispielsweise in Vorarlberg schon Alltag ist.<br />

Anstatt „unterrichtet nach dem Lehrplan der allgemeinen Sonderschule“ wird hier die Formulierung „sonderpädagogischer<br />

Förderbedarf“ verwendet bzw. für „unterrichtet nach dem Lehrplan für Schwerstbehinderte“<br />

steht dort „erhöhter sonderpädagogischer Förderbedarf“.<br />

Weiterführend erlaube ich mir den Gedanken, dass wohl auch das „sonder“…wegformuliert werden darf.<br />

Erhöhter Bedarf heißt hohes Bewusstsein für Bedürfnisse. Für besondere, im Hinblick auf die breite Masse,<br />

nicht sonderbare Bedürfnisse.<br />

Karin Abriel<br />

Lehrerin an der ILB<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

My Fair Lady<br />

Theaterspiel – ein Inklusionsprojekt<br />

Mit diesem Theaterstück wurde ein wesentliches Ziel der Karl Schubert Schule, nämlich mit dem angebotenen<br />

Unterricht zur Persönlichkeitsentfaltung der SchülerInnen beizutragen, auf neue und kreative Weise<br />

eindrucksvoll umgesetzt. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die „Besetzungsliste“: Schüler, Lehrer,<br />

Helfer, Zivildiener, Eltern – eine bunte Vielfalt an Mitwirkenden mit unterschiedlichstem Hintergrund, geeint<br />

durch ein gemeinsames Vorhaben.<br />

Am künstlerischen Prozess einer Theaterproduktion mitzuarbeiten, bei der zuallererst eine grobe Idee besteht,<br />

dann die einzelnen Szenen entwickelt werden, die sich nach und nach zu einem Ganzen fügen, ist<br />

ein außerordentlich spannendes und lehrreiches Geschehen für alle Beteiligten, die bei der gemeinsamen<br />

Arbeit sowohl eine Entwicklung der eigenen Fähigkeiten als auch des gemeinsamen Projektes miterleben<br />

können. Im kreativen (und manchmal mühsamen) Ringen um eine überzeugende Darstellung der Charaktere<br />

und der Inhalte begegnen sich alle Mitwirkenden auf gleicher Ebene. In unserem Falle forderte die<br />

Regisseurin Frau Mag. Lechner (ehemalige Klassenlehrerin an unserer Schule) von allen Schauspielern<br />

konsequent, sich ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend einzubringen – sie verlangte uns allen<br />

das Allerbeste ab und behielt gleichzeitig das gesamte Stück im Auge. Diese Anforderung war nicht immer<br />

leicht zu erfüllen, sie führte aber zu einer besseren Selbsteinschätzung und vor allem zu der Einsicht, dass<br />

durch ernsthafte Arbeit Vieles zu erreichen ist.<br />

Foto: Gerhard Müller<br />

Ein ganz besonderes Erlebnis war für mich, wie wir alle gleichermaßen unsere Fähigkeiten wie Unfähigkeiten<br />

bearbeiteten und uns dabei in unserem Entwicklungsweg in keiner Weise voneinander unterschieden,<br />

auch wenn unsere persönlichen Grenzen unterschiedlich sein mögen: Weiterentwicklung bedingt Schwierigkeiten<br />

zu überwinden, und die Vielfalt einer Gemeinschaft ist dafür ungeheuer erfrischend und unterstützend.<br />

43


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

In diesem Prozess des künstlerischen Schaffens wurde damit erlebbar, was Inklusion meint: Wir alle waren<br />

Mitglieder einer Gemeinschaft, bei der die Vielfalt und Potentiale aller von gleicher Wichtigkeit und Wertigkeit<br />

waren, und wo gegenseitige Unterstützung und wohlwollende Kritik unabhängig von individuellen<br />

Besonderheiten selbstverständlicher Bestandteil der Zusammenarbeit waren.<br />

Das Projekt war sowohl große Freude als auch unvergessliches Erlebnis, das ich nicht missen möchte!<br />

Wolfgang Füreder<br />

Schülervater<br />

My Fair Lady – Die Kritik<br />

Ende Juni bereitete das Werkstufenteam<br />

uns ein besonderes Vergnügen: Sie zeigten<br />

„My Fair Laidy“ in der Wiener Fassung,<br />

etwas gekürzt, aber vollwertig in jeder Hinsicht.<br />

Es war eine eindrucksvolle Zusammenarbeit<br />

von Schülern und Schülerinnen<br />

mit LehrerInnen, MitarbeiterInnen und Eltern,<br />

ein gelungenes Beispiel, wie Inklusion<br />

verwirklichbar ist.<br />

Die Hauptrollen, Eliza und Professor Higgins,<br />

verkörperten Tamara Pointner und<br />

Raffael Kölbel aus der 11. Klasse sowohl<br />

sprachlich und gesanglich, als auch darstellerisch<br />

unglaublich perfekt. Ich habe eine<br />

Besucherin sagen hören, sie habe noch nie<br />

eine bessere Eliza gesehen! Und wie Raffael<br />

den Higgins hingekriegt hat – bewundernswert!<br />

Ergänzt wurde das Protagonisten<br />

Team einfühlsam durch den Gentleman<br />

Oberst Pickering des Zivildienstleistenden<br />

Elias Wandl.<br />

Foto: Gerhard Müller<br />

Das Besondere an dieser Aufführung war aber die großartige Zusammenarbeit des gesamten Ensembles.<br />

Jede Nebenrolle war perfekt gegriffen und die „Massenszenen“, anfangs am Markt, dann in Ascot und beim<br />

Diplomatenball regiemäßig und choreographisch großartig. Viel Probenarbeit war das sicherlich – für die<br />

Zuschauer jedenfalls die reinste Freude! Ein spezielles Vergnügen der Doolittle von Bernhard Hager, aber<br />

auch der verliebte Freddy vor dem Haus der Eliza! Wie gut sich die mitwirkenden Erwachsenen in das Ensemble<br />

einfügten! Wie die SchülerInnen neben der besonderen Rolle, die sie im Spiel hatten, auch in den<br />

Massenszenen mitwirkten und so einmal Marktvolk und einmal High Society waren! Das alles war schon<br />

eine besondere Regieleistung von Brigitte Lechner, der man große Bewunderung aussprechen muss.<br />

Alle Melodien des Musicals erklangen begleitet am Klavier von Ivan Kovac. Auch die Zeiten der Umbauarbeiten<br />

hinter dem Vorhang zwischen den Szenen verschönerte er durch sein Spiel. Wir alle hatten ja keine<br />

Ahnung, was da alles umzubauen, umzuziehen und umzuordnen war. Die Dekorationen waren übrigens<br />

großteils im Kunstunterricht der Werkstufe entstanden.<br />

44


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Für diesen Theatergenuss möchte ich allen Beteiligten gratulieren und mich bei jedem Einzelnen herzlich<br />

bedanken, und das sicherlich auch im Namen von den vielen begeisterten Zuschauern!<br />

Uta Kriegleder<br />

ehemalige Kollegin im Ruhestand<br />

My Fair Lady – aus der Sicht eines Schauspielers<br />

Im Sommersemester <strong>2013</strong> haben wir mit dem Theaterprojekt "My Fair Lady" begonnen. Alle SchülerInnen<br />

und LehrerInnen der 11. Klasse trafen sich einmal in der Woche, um die Texte durchzulesen und die Rollen<br />

zu personalisieren. Im Laufe der Zeit holten wir uns weitere Mitspieler zum Theaterstück dazu, SchülerInnen<br />

aus anderen Klassen, Schülereltern und andere LehrerInnen. Mit der Zeit hatten wir an die 15 Personen,<br />

die an dem Theaterprojekt beteiligt waren (SchauspielerInnen, Choreographen, StatistInnen und die<br />

Regie). In den ersten Wochen fanden die Theaterproben in der Klasse statt. Ich war froh, dass die Osterferien<br />

dann endlich kamen. Nach den Ferien konnten wir dann frisch gestärkt weiter proben, und zwar während<br />

des Hauptunterrichtes im großen Festsaal. In dieser Zeit begannen wir aber auch in den Fachstunden<br />

Requisiten und Bühnenbilder in der Holzwerkstatt herzustellen oder zu reparieren (falls vorhanden und nötig).<br />

Wir kamen gut voran, sowohl wir SchülerInnen und gleichermaßen LehrerInnen und unser Zivildiener.<br />

Doch leider sagte uns Fr. Lechner immer wieder, wenn wir dachten, dass wir hervorragend seien, dass es<br />

immer noch besser gehen könnte. Da waren unser Selbstbewusstsein und unsere Gelassenheit hin und<br />

wieder im Keller. So angetrieben und motiviert verflogen die Tage im Nu. Doch leider gab es auch Tage, an<br />

denen die Zeit zu stehen schien. Als dann die Generalprobe kam, waren wir sehr nervös und angespannt.<br />

Nach dem Auftritt waren wir alle erleichtert, denn die Aufführung war gut verlaufen und es war nicht halb so<br />

anstrengend wie bei den Proben (fanden Elias & Raffael). Alles in allem war es eine schöne Zeit und ein<br />

kooperatives Zusammensein von SchülernInnen, LehrernInnen, einem Zivildiener, Schülereltern und einer<br />

pensionierten Lehrerin.<br />

Ein Aufsatz von Raffael Kölbel<br />

Schüler der 12. Klasse<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Hochwasserhilfe Kössen – Dank den Zuschauern<br />

Im Frühsommer dieses Jahres, also kurz vor den Aufführungsterminen unseres Klassenspieles „My Fair<br />

Lady“ wurden viele Teile Österreichs und auch unserer Nachbarländer von schrecklichen Hochwassern<br />

zerstört. Die Mitwirkenden an unserem Theaterspiel kamen überein, dass wir einen eventuellen Erlös aus<br />

den Aufführungen den Hochwasseropfern zur Verfügung stellen wollen.<br />

Tatsächlich gelang es uns, bei den 4 Aufführungen das Publikum so sehr zu beeindrucken, dass die stolze<br />

Summe von € 2.200,-- zustande kam, die wir an die stark in Mitleidenschaft gezogene Gemeinde Kössen/<br />

Tirol überwiesen!<br />

Den Dank des Bürgermeisters wollen wir auf diesem Wege an jene Zuschauer weiterleiten, die uns geholfen<br />

haben, einen Beitrag zu leisten, damit das Leben wieder lebenswert wird in der schönen Gemeinde<br />

Kössen!<br />

Die Mitwirkenden am Projekt „My Fair Lady“<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Wir stellen vor: Neue LeiterInnen im 17. IB<br />

SDn Marcella Feichtinger<br />

Jahrgang 1964, verheiratet, 2 Kinder<br />

Lehramtsprüfung 1986 für Sonderschulen<br />

Schwerstbehindertenpädagogik<br />

Sprachheilpädagogik<br />

Dienstantritt 1986 - SPZ 12, Rosasgasse<br />

Dienstantritt 1987 - SPR 3, Wiener Sprachheilschule<br />

Ab 2001 – Leiterstellvertretung , ab April 2012 – interimistische Leitung<br />

Stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik<br />

- ÖGS<br />

Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Logopädie, Phoniatrie<br />

und Pädaudiologie – ÖGLPP<br />

Seit 1. September <strong>2013</strong> Schulleiterin der Wiener Sprachheilschule, 1030<br />

Wien, Landstraßer Hauptstraße 146.<br />

SDn Karin Stepanek<br />

50a, verheiratet, 2 Kinder (17a, 14a)<br />

Ca. 20 Dienstjahre am SPZ 14, Kienmayergasse als Lehrerin in<br />

S-Klassen, danach 2 Jahre I-Lehrerin an der NMS-Steinbauergasse<br />

Zwischendurch außerschulische Erfahrungen (zwei Jahre Leitung einer<br />

WG für Menschen mit geistiger Behinderung, sechs Jahre Karenz, davon<br />

vier Jahre als Tagesmutter tätig)<br />

Ausbildung zur systemischen Supervisorin, als solche auch für PH tätig<br />

In den letzten 13 Jahren Aufbau der SMG (SchülerInnenmitgestaltung) für<br />

den sonderpädagogischen Bereich (Schulungen für SchulsprecherInnen<br />

und VertrauenslehrerInnen)<br />

Seit 1. September <strong>2013</strong> Schulleiterin der Allgemeinen Sonderschule 1140<br />

Wien, Linzer Straße 232.<br />

SD Dipl. Päd. Elmar Keimel-Waldmann<br />

Jahrgang 1974, verheiratet, 2 Kinder<br />

Diplomabschluss zum Diplomierten Behindertenpädagogen 1998, berufsbegleitendes<br />

Lehramtsstudium ab 2002<br />

Lehramtsprüfung 2005 für ASO und Integration, anschließend<br />

Dipl. Päd. für SSO geistig Behindertenpädagogik und Diplom für Sprachheilpädagogik<br />

Seit 1. Mai <strong>2013</strong> Schulleiter der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder<br />

1140 Wien, Kienmayergasse 41.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

THEATER selber machen<br />

Projekt „2050-Alle Menschen sind gleich“<br />

„Theater selber machen“ entwickelte im Rahmen der vom bm:ukk und „Weiße Feder“ ins Leben gerufenen<br />

Theaterinitiative „MachtIschuleItheater“ zusammen mit dem SPZ Quellenstraße, der KMS Leibnizgasse<br />

und der NMS Hainburger Straße das Stück „2050 – Alle Menschen sind gleich“.<br />

Die insgesamt 45 Schülerinnen und Schüler haben das Theaterstück zusammen mit dem Autor und Regisseur<br />

Raphael Protiwensky-Schenk und der Dramapädagogin und Sprachtrainerin Birgit Maria Langeder<br />

entworfen, verfasst, geprobt und schließlich auf die Bühne gebracht. Das Bühnenbild entstand in Zusammenarbeit<br />

mit den Bühnen- und Kostümbildnern Karl Fehringer und Judith Leikauf. Die Schirmherrschaft<br />

über das Projekt wurde von der beliebten Schauspielerin Ursula Strauß (bekannt u.a. aus der TV Serie<br />

„Schnell ermittelt“) übernommen.<br />

Zur Sensibilisierung der Körpersprache im Hinblick auf Gewaltprävention wurden unsere Theaterkurse<br />

jeweils durch einen Selbstverteidigungskurs der Sektion „Krav Maga Allround“ der Polizeisportvereinigung<br />

Wien und Vorträgen einer Präventionsbeamtin der Wiener Polizei ergänzt. Dadurch lernten die SchülerInnen<br />

einerseits die Wirkung ihrer Körpersprache kennen und andererseits konnten sie Erfahrungen sammeln,<br />

welche gesellschaftlichen Auswirkungen Gewalthandlungen haben können.<br />

Foto Copyright: Andreas Langeder<br />

Unser Stück „2050 – Alle Menschen<br />

sind gleich“ gliedert sich in<br />

zwei Teile: In einem kurzen Prolog<br />

werden fünf Szenen gezeigt,<br />

die aufkeimende Gewalt im Alltag<br />

der SchülerInnen vorführen. Für<br />

die Entwicklung dieser Szenen<br />

wurde mit der literarischen Vorlage<br />

„Die Farm der Tiere“ von George<br />

Orwell gearbeitet. Neben der<br />

Heranführung an Literatur wurden<br />

damit die Gefühle spürbar<br />

gemacht, die Aggressionen hervorrufen.<br />

Die SchülerInnen spürten<br />

diese Gefühle in ihrem Alltag<br />

auf und schufen Szenen, die ihnen<br />

vertraut sind, stoppten aber<br />

jeweils die dadurch provozierte<br />

Gewalthandlung.<br />

Der Hauptteil unseres Stückes wurde in die Zukunft verlegt, ins Jahr 2050, ein Datum, das die SchülerInnen<br />

noch erleben werden und bis zu dem sie viele wichtige Lebensentscheidungen getroffen haben werden.<br />

Dieser längere, aufwendigere und dramaturgisch durch eindrucksvolle Massenszenen gestaltete Hauptteil<br />

zeigt eine Diktatur, deren Herrscher eine gewaltfreie Gesellschaft durch das Diktat der Gleichheit schaffen<br />

möchten. Nachdem es, wie die Realität zeigt, immer wieder zu Ausschreitungen kommt, liegt der vermeintlich<br />

einfache Schluss nahe, dass die Unterschiede zwischen den Menschen diese Auseinandersetzungen<br />

begünstigen. Also wird kurzerhand beschlossen, dass alle Menschen gleich sein müssen, damit sollten<br />

die Probleme gelöst werden. Von den Diktatoren werden daraufhin entsprechende Befehle ausgegeben:<br />

Alle müssen weiße Overalls und weiße Masken tragen Alle müssen die gleiche Sprache sprechen und alle<br />

müssen die gleiche Meinung haben. Alle?<br />

Nein, die Diktatoren, die diese Gesetze verlautbaren, nehmen sich selbst und ihre Vollstrecker, die Soldaten,<br />

davon aus. Frei nach George Orwells „Animal Farm“ sind alle gleich, aber manche sind gleicher …<br />

Und so ist es kaum verwunderlich, dass sich erste Aufstände gegen diese Gleichmacherei formieren …<br />

48


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Rebellen beginnen zunächst im Untergrund einen Widerstand zu formieren, überzeugen aber bald<br />

auch das Volk und schließlich auch die Soldaten, dass diese „ungleiche Gleichmacherei“ seitens der Diktatoren<br />

ungerecht ist und nicht länger geduldet werden kann.<br />

Aufstände und Demonstrationen werden organisiert und schließlich sehen sogar die Diktatoren ihr Fehlverhalten<br />

ein und entschuldigen sich dafür. Das ist das Wunder des Theaters: Echte Einsicht kann innerhalb<br />

kürzester Zeit passieren und so wendet sich alles zum Guten.<br />

Am Schluss des Stückes wenden sich die SchülerInnen direkt an das Publikum: „Was brauchen wir für ein<br />

friedliches, gewaltfreies und vor allem erfülltes Miteinander?“<br />

Die Antworten kommen ebenfalls von den SchülerInnen: Toleranz, Respekt, Freundschaft, Liebe, Rücksicht,<br />

Individualität, Bildung … und auch ein Eis!<br />

Die Premiere fand am 17. April im Festsaal der VS Jagdgasse statt. Besonders gefreut hat uns, dass sich<br />

BM Dr. Claudia Schmied, SchulinspektorInnen, DirektorInnen, LehrerInnen und natürlich die stolzen Eltern<br />

der DarstellerInnen für unser Erstaufführung interessiert haben. Weitere Vorstellungen folgten am 18. April<br />

unter Beisein der Wiener Stadtschulratspräsidentin Dr. Susanne Brandsteidl und am 25. April im Jugendzentrum<br />

c2g in Erdberg.<br />

Wir hoffen, dass allen Beteiligten, besonders den Schülerinnen/Schülern, das Stück in bereichernder, lustvoller<br />

Erinnerung bleiben wird und wir bedanken uns für die engagierte Unterstützung!<br />

Für weiterführende Informationen, mehr Bilder und Beiträge zum Gesamtprojekt sowie ein Video vom Stück<br />

und Presseberichte empfehlen wir die Homepage http://www.machtschuletheater.at/projekt/2050-alle-menschen-sind-gleich/<br />

Weiterführende Informationen über THEATER selber machen: www.nudelburg.at<br />

Mag. Birgit Langeder<br />

ist Theaterwissenschaftlerin und Sprachtrainerin Sie arbeitet am szenischen Zugang<br />

zum Spracherwerb und am Rollenbewusstsein in verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Kontexten mit SchülerInnen, um deren Handlungsfeld bewusster zu gestalten. Dabei<br />

sind biographische Zugänge und Körpersprache zur Reflexion und Erweiterung von<br />

Ausdruck und Darstellung besonders wichtig. Denn Worte formen Wirklichkeit und auf<br />

der Bühne sind Experimente möglich, die auch den Aktionsraum im Alltag positiv und<br />

kreativ bereichern.<br />

Mag. Raphael Protiwensky-Schenk<br />

ist Autor, Regisseur und Theaterpädagoge. Er hat Theaterworkshops in Kindergärten,<br />

Kinderdörfern, Volks- und Hauptschulen, Gymnasien, Sonderschulen, Volkshochschulen<br />

im In-und Ausland (u.a. in Deutschland, Ungarn und Bosnien) geleitet.<br />

Veröffentlichungen: „Das erste Weihnachtsfest der Elfen, Feen und Trolle“, zusammen<br />

mit Kindern und Jugendlichen des Kinderdorfes Pöttsching, Ed. Lex Liszt 12. Theaterstücke<br />

verlegt bei Hartmann und Stauffacher, Whalesongs/ u.a. „Der Froschkönig“,<br />

„Franz und Karl - Die Räuberkinder“, „Hänsel und Gretel“, „Armer böser Wolf“, „König<br />

Drosselbart“, „Dornröschen“, „Rumpelstilzchen“, das Musical „Die zertanzten Schuhe“<br />

und das Kinderstück „Rufin im Schrank.<br />

Raphael Protiwensky-Schenk ist Mitglied des<br />

„Bundesverband Theaterpädagogik e.V.“ (BUT)<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Rhythmus in die Schule!<br />

Die Suche nach neuen Wegen um Kindern in der Stärkung ihrer Persönlichkeit, ihres<br />

Selbstwertes beizustehen, ist die eigentliche Herausforderung der heutigen Zeit an<br />

die Pädagogik. Um dies und auch das soziale Verhalten von Jugendlichen zu schulen,<br />

bieten sich seit jeher die Musik und die Bewegung in der Gruppe an.<br />

Im Zuge meiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer an Wiener Pflichtschulen habe ich<br />

erkannt, dass die Jugendlichen, speziell wenn sie in die Pubertät eintreten, über den<br />

Weg des aktiven Handelns besser angesprochen und ihre Ressourcen mobilisiert werden können, als<br />

durch das Vortragen und Abprüfen rein kognitiven Wissens. Die Wichtigkeit der Kreativität kann in diesem<br />

Zusammenhang nicht oft genug betont werden. Musik und Tanz, Rhythmus und Bewegung sind probate<br />

Mittel zur Persönlichkeitsbildung. Diese in den Unterricht zu integrieren, bzw. jenen danach auch auszurichten<br />

ist deshalb gefragt. Die Entwicklung der Persönlichkeit und Stärkung des Selbstwertes der Jugendlichen<br />

sollte absoluten Vorrang vor rein kognitiver Wissensvermittlung haben.<br />

Die Untersuchung<br />

Im Rahmen eines Forschungsprojektes über einen Zeitraum von insgesamt 16 Monaten wollte ich nun untersuchen,<br />

ob und inwieweit der Rhythmus für die Entwicklung der Persönlichkeit der Jugendlichen förderlich<br />

ist, indem deren Selbstwert dadurch wächst und in Folge davon ihr soziales Interagieren dem Gemeinwohl<br />

als zuträglich beschrieben werden kann. Durchgeführt wurde die Studie an einer Wiener Mittelschule<br />

in Wien - Hernals. Dieser Schulstandort hat einen integrativen Schwerpunkt. Zur Beobachtung standen<br />

zwei Klassen in aufeinanderfolgenden Schulstufen zur Verfügung. Der ältere Jahrgang hat 20 Kinder, davon<br />

sind sechs Mädchen, der jüngere 19 Kinder, wovon acht Mädchen sind. Bei der Arbeit mit den beiden<br />

untersuchten Gruppen wurden die Erkenntnisse mittels Aktionsforschung durch die Methoden der teilnehmenden<br />

freien und strukturierten Beobachtung gewonnen.<br />

Das Projekt „Rhythmus in die Schule!“ lief in diesen beiden Klassen vom Oktober 2011 bis zum März <strong>2013</strong>.<br />

Es fand u.a. in den Musik- und Lerncoachstunden eine geeignete Plattform, sodass mir daher pro Schulstufe<br />

zumindest jeweils drei Wochenstunden dafür zur Verfügung standen. Die Beobachtung der Schülerinnen<br />

und Schüler beschränkte sich klarerweise nicht nur lediglich auf diese Stunden, sondern bezog auch<br />

„herkömmliche“ Unterrichtsfächer, wie zum Beispiel Mathematik und Physik, sowie selbstverständlich die<br />

Pausen mit ein. Der Fokus richtete sich dabei einerseits auf das Verhalten der Kinder Anderen gegenüber,<br />

andererseits auf ihr Auftreten, das durch ihre Sicherheit und ihre Körperhaltung widergespiegelt wurde.<br />

Den Selbstwert der Schülerinnen und Schüler zu erahnen, bzw. durch gezieltes, sanftes Nachgehen und<br />

Hinspüren zu erfragen, stand im Mittelpunkt meiner Untersuchung. Wie könnte es denn nun möglich sein,<br />

durch die Arbeit mit dem Rhythmus Kinder in ihrem Selbstwert zu stärken?<br />

Versuch einer Erklärung<br />

Ein verbessertes Körpergefühl, das die Kinder durch das Trommeln - beispielsweise durch Bodypercussion<br />

am eigenen Körper - erfahren, lässt sie im Wachsen ihres Selbstwertes Unterstützung finden. Wer<br />

sich selbst gut spürt und, wie beim Trommeln üblich, mit beiden Beinen fest am Boden steht, nimmt sich<br />

selbst besser wahr und wächst daher in seiner Selbstwahrnehmung. In weiterer Folge sind dadurch ein<br />

verbessertes soziales Verhalten und mehr Aufmerksamkeit im Unterricht zu erwarten, was wiederum die<br />

Lernerfolge des einzelnen Schülers, der einzelnen Schülerin erhöht.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Meine Theorie<br />

Man kann bei der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern immer wieder beobachten, wie sie beim Erlernen<br />

von Rhythmen an ihre Grenzen kommen, wie sie anstehen und sich rhythmische, vordergründig durch<br />

motorische Probleme ergebende „Knoten“ zeigen, die gelöst werden müssen. Hemmungen treten auf,<br />

Schranken, die sie am Erfolg hindern. Manche SchülerInnen gehen in die Selbstbeobachtung, verkrampfen,<br />

schämen sich vor den anderen. Gelingt es mir, diese Blockaden, meist durch Umwege über andere<br />

Übungen zu lösen, steht dem Kind der Weg zum Erfolg frei. Wenn sie es dann schaffen, den Rhythmus zu<br />

spielen, steigert dieses Erfolgserlebnis ihren Selbstwert.<br />

Hilft dieses „Locker-Werden“ beim Trommeln an sich und in der Interaktion in der Percussion-Gruppe auch<br />

ihre persönlichen Grenzen auf anderen Gebieten zu überwinden? Gibt es einen Transfer zu ihrem sonstigen<br />

sozialen Verhalten, so dass sie in den Beziehungen zu den Mitgliedern ihrer Klassengemeinschaft<br />

ehrlicher, offener und freier werden können?<br />

Das Lernen in der Rhythmusgruppe<br />

Jedes Kind findet hier seinen eigenen Platz. Wesentlich ist es, beim Agieren und Interagieren entspannt zu<br />

sein. Grundlage ist es, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln: „Du bist in Ordnung, so wie du bist“,<br />

und sie vor allem immer spüren lässt, dass man sie bei aller gebotenen professionellen Zurückhaltung,<br />

einfach gern hat. Der Spaß und Humor sollte dabei nie fehlen. Bei Verfehlungen im disziplinären Bereich ist<br />

es angebracht, klar zu sein, wenn ein Verhalten andere verletzend oder den Betrieb störend ist und dabei<br />

genau auszudrücken: „Dein Verhalten ist nicht in Ordnung, ich will das so nicht, höre auf damit!“ „Defizite<br />

im Sozialverhalten gehen nicht selten mit geringen Selbstwerten einher. Dies gilt für beide Extreme sozialer<br />

Inkompetenz, für den sozialen Rückzug ebenso wie für aggressive Versuche der Problembewältigung.“ 1<br />

An diesem Punkt wird angesetzt, wenn der Selbstwert durch Ausdrücken von Zuneigung und Verständnis<br />

eine Stärkung erfährt und „aggressive Versuche der Problembewältigung“ damit reduziert werden können.<br />

Beobachtet wurde das im Speziellen bei Mädchen und Burschen, die zuvor häufig mit einem aggressiven<br />

und unsicheren Verhalten aufgefallen sind.<br />

Wandlung im Handeln geschieht mit dem ersten Schritt. Diesen zu tun erfahren die Schülerinnen und Schüler,<br />

wenn sie es wagen, über den Tellerrand zu blicken, sich aus dem Fenster zu lehnen. Gelegenheit dazu<br />

haben sie in der rhythmischen Praxis mehr als genug: Solieren vor der Gruppe, ob durch Bewegungen, Bodypercussion<br />

oder Spiel auf den Trommeln – es kostet Überwindung, sich zu zeigen, aus sich herauszugehen.<br />

Ist das einmal geschafft, bleibt Zufriedenheit und Stolz. Der Anfang zu weiterer Entwicklung ist getan.<br />

Das Besondere am Gruppenmusizieren ist:<br />

• Das Gemeinschaftsgefühl und das Erlebnis, von den anderen „getragen“ zu werden, erleben zu dürfen.<br />

• Im Solieren den Ausdruck der eigenen Individualität zu erfahren und im Background das Kollektiv, das<br />

trägt und Verantwortung hat, spüren zu können.<br />

Der Grundgedanke meines Tuns ist es, den Selbstwert des Kindes durch mannigfache Erfolgserlebnisse<br />

sukzessive zu steigern, Vollbrachtes und Erlerntes als motivierende Basis für neue Aufbrüche in die Welt<br />

des Lernens und Lebens zu schaffen. In der Rhythmusgruppe wird daher viel miteinander gespielt. Mit<br />

wechselnden Rollen soliert einmal der eine, dann die andere. Das Kollektiv übt, wenn es spielt, eine eigene,<br />

faszinierende Kraft aus. Für manche/n war das die Gelegenheit, sich langsam anderen gegenüber zu öffnen,<br />

sich verletzlich zu zeigen, aber auch positive Zuwendung zu erfahren, wenn sie/er sich recht geschickt<br />

anstellte. „Was Bewegung und Sport für seine körperliche Entwicklung sind, ist das Spielen (von Musik,<br />

Anm.) für die Einübung seiner zwischenmenschlichen Handlungsstile,” schreibt Joachim Bauer. 2<br />

1 Kanning, Uwe P.: Selbstwertmanagement. Die Psychologie des selbstwertdienlichen Verhaltens, Göttingen u.a., Hofgrefe, 2000, S. 61.<br />

2 Bauer, Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst, München, Heyne, 2005, S. 71.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Kinder lernen in diesem Kontext Sicherheit kennen. Für viele ist das eine dringend nötige, weil zuvor noch<br />

selten erlebte Erfahrung. Der Flow des Rhythmus lässt sie in eine Welt der Zufriedenheit eintauchen und<br />

bringt, obwohl heftig und lautstark gewerkt wird, körperliche Entspannung.<br />

Die Ergebnisse<br />

Als wesentliche Resultate der durchgeführten Studie können folgende Aussagen in Bezug auf die beobachteten<br />

Kinder gemacht werden:<br />

• Das gemeinsame Musizieren trägt zu einer wesentlichen Verbesserung des friedlichen Miteinanders<br />

bei.<br />

• Das intensive Trommeln hilft den Jugendlichen, die sich oft in einer emotionalen Dysbalance befinden,<br />

sich zu spüren und zu zentrieren.<br />

• Bietet man der Rhythmik und Bewegung im Schulalltag ausreichend Raum, erlebt man, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler dadurch in ihrer seelisch-körperlichen Entwicklung Unterstützung finden und sich<br />

ausdrücken und entfalten können.<br />

• Der Selbstwert der Kinder erfährt durch die Erfolgserlebnisse auf der Bühne, die ehrliche Auseinandersetzung<br />

untereinander beim Erarbeiten von Musikstücken sowie durch das Bewältigen rhythmischer<br />

Aufgaben (Probleme) eine Stärkung.<br />

Bei etlichen Schülerinnen und Schülern konnte sowohl eine Beruhigung ihrer Rastlosigkeit, als auch eine<br />

Steigerung ihrer Konzentrationsfähigkeit sowie eine bessere Einbindung in die Klassengemeinschaft festgestellt<br />

werden. Die Gemeinschaft der beiden untersuchten Jahrgänge wurde nach dem Versuchszeitraum<br />

von den Lehr- und Erziehungspersonen als homogener und ruhiger wahrgenommen. Es erfolgten weniger<br />

Übergriffe auf und Ausgrenzungen von einzelnen Kindern als zuvor. In Folge der erhöhten Fokussierungsfähigkeit<br />

ergab sich zudem bei mehreren Jugendlichen auch eine Verbesserung ihrer schulischen Leistungen.<br />

Was in einem konkreten Fall, wo es galt, sieben „Nicht genügend“ auszubessern, sicher mit einem<br />

Hand-in-Hand-Gehen mit dem Verbleiben-Wollen im (in seiner Qualität verbesserten) Klassenverband zu<br />

tun hat.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Als generelle Folgen dieser Untersuchung ergeben sich für mich eine Bestätigung der bisherigen Arbeitsweise,<br />

d.h. ein ständiges Anbieten von musikalisch/rhythmischen Auftrittsmöglichkeiten bei Schulfesten,<br />

Gottesdiensten, Weihnachtsfeiern, etc. sowie eine rhythmische Grundschulung der Kinder und Jugendlichen,<br />

die im Musikunterricht ständiger Bestandteil des Lehrstoffes ist, und ein Beibehalten von rhythmischbewegungsorientierter<br />

Auflockerung und Ergänzung des Regelunterrichtes (beispielsweise in Physik- und<br />

Mathematikstunden).<br />

Die Arbeit mit dem Rhythmus kann Jugendliche<br />

in ihrem Körpergefühl und Teamgeist wachsen lassen!<br />

Ich würde mir wünschen, dass diese (bestimmt nicht neuen) Erkenntnisse auch in der LehrerInnenausbildung<br />

Berücksichtigung finden und sowohl in die Persönlichkeitsbildung der LehraspirantInnen, als auch in<br />

die Schuldidaktik im Allgemeinen einfließen.<br />

HObL Dipl. Päd. Gerhard Zeilinger, MA<br />

Jg. 1963, Vater von 4 Kindern.<br />

Hauptschullehrer in Wien, Referent an KPH in Wien und Krems.<br />

Ausbildung: Schlagzeug/Percussion an der Musikuniversität und dem<br />

Privatkonservatorium in Wien, Lehramt an der PH-Wien,<br />

Provokativpädagogik an der Donau-Universität in Krems.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

„Du fühlst, ich höre, wir musizieren – ein Dialog“<br />

Ein Forschungsprojekt mit Fokus Inklusion im Rahmen von Sparkling Science<br />

Beteiligte Institutionen:<br />

Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien<br />

Bundesinstitut für Gehörlosenbildung (BIG)<br />

BRG/ORG 23 Anton-Krieger-Gasse<br />

Entstehung und Zielsetzung<br />

Das Forschungsprojekt „Du fühlst, ich höre, wir musizieren - ein Dialog“ wurde im Rahmen der Ausschreibung<br />

Sparkling Science 2012 konzipiert und auf Basis der Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Musikvermittlungsprojekt<br />

„Samba for BIG Kids“, dem Projekt „Musik zum Anfassen“ sowie dem uni:vision2 Projekt<br />

„Das andere Podium – Konzerte an gewöhnlichen und ungewöhnlichen Aufführungsorten“ entwickelt.<br />

Das Projekt „Du fühlst, ich höre, wir musizieren – ein Dialog“ hat zum Ziel, adäquate Unterrichtsmodelle für<br />

inklusive und integrative Kontexte mit heterogenen Gruppen (hörende, hörbeeinträchtigte und gehörlose<br />

Schüler/innen) zu entwickeln.<br />

Konzeption<br />

Im Rahmen eines in das Gesamtprojekt integrierten<br />

interaktiven Musikprojektes sollen mittels<br />

gemeinsamen Erfindens, Musizierens (Probens,<br />

Präsentierens) und Handelns sowie im<br />

gemeinsamen Dialog zwischen allen hörenden,<br />

hörbeeinträchtigen und nichthörenden Teilnehmer/innen<br />

jene Erfahrungen und Erkenntnisse<br />

gewonnen werden, die zur Erreichung der Projektziele<br />

dienlich sind.<br />

Die SchülerInnen des BIG und des BRG/ORG<br />

23 Anton-Krieger-Gasse tragen in wesentlicher<br />

Weise zur Erreichung der genannten Forschungsziele<br />

bei, indem sie aktiv in die Gestaltung<br />

und Realisation des in das Gesamtprojekt<br />

integrierten, interaktiven Musikprojektes eingebunden<br />

sind.<br />

In Rahmen des interaktiven und in das Gesamtprojekt integrierten kreativen Musikprojektes wird von allen<br />

Beteiligten eine gemeinsame „Komposition“ geschaffen und am Ende der Laufzeit im Rahmen einer Gesamtveranstaltung<br />

präsentiert. Alle Beteiligten entwickeln auf dem Weg zur Realisation dieses Zieles eine<br />

gemeinsame (musikalische, …) Sprache und funktionierende Formen gemeinsamen Handelns und erarbeiten<br />

auf diese Weise zugleich notwendige Voraussetzungen für das erfolgreiche Gelingen des geplanten<br />

Musikprojektes sowie in der Praxis erprobte Formen funktionierender Zusammenarbeit in heterogenen<br />

Gruppen.<br />

Berücksichtigung finden damit von Beginn an wichtige Parameter inklusiver Lernumgebungen: Gemeinschaft<br />

bilden – Gewaltfreie Kommunikation (Marshall B. Rosenberg), eine Schule für alle Schüler/innen<br />

entwickeln – Unterstützung für Vielfalt organisieren, Lernarrangements organisieren – Kooperatives Lernen<br />

(Norm & Kathy Green); Quelle: http://www.inklusionspaedagogik.de/.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Forschungszugang<br />

Zielvorgabe: Verbindung wissenschaftlicher<br />

und praktischer Maßnahmen<br />

Methodenwahl: Design-Based Research<br />

Ziel von DBR ist es, wissenschaftliche und praktische<br />

Maßnahmen miteinander zu verbinden,<br />

also z.B. Lernumgebungen zu entwickeln und<br />

dabei gleichzeitig einen Fortschritt in der Theoriebildung<br />

zu erzielen.<br />

Kernmerkmale von DBR<br />

Das Design-Based Research Collective (2003)1<br />

nennt folgende zentralen Merkmale von DBR<br />

(siehe auch Wang & Hannafin, 2004)2:<br />

• Die beiden Ziele „Gestaltung von Lernarrangements” und „Entwicklung von Theorien” sind eng miteinander<br />

verknüpft.<br />

• Entwicklung und Forschung finden zusammen in einem kontinuierlichen Kreislauf von Gestaltung,<br />

Umsetzung/Durchführung, Überprüfung und Überarbeitung statt.<br />

• DBR führt zu Theorien, die Praktikern relevante Folgerungen ermöglichen. Das heißt: Die Ergebnisse<br />

der Forschung sollen daran gemessen werden, inwieweit sie für die Praxis von Interesse sind und<br />

inwieweit sie die Praxis verbessern können.<br />

• DBR darf nicht nur Erfolg/Misserfolg einer Maßnahme dokumentieren. Sie muss auch klären, wie ein<br />

Design in der Praxis wirkt und dabei Interaktionen zwischen Elementen der Maßnahme und des Kontexts<br />

berücksichtigen.<br />

• DBR sieht einen engen Zusammenhang zwischen Kontext und Maßnahme. Deshalb sollen die Prozesse<br />

der Durchführung dokumentiert und mit den Ergebnissen verknüpft werden.<br />

DBR fördert die Zusammenarbeit über disziplinäre Grenzen hinweg und betont die Zusammenarbeit von<br />

Forschern und Praktikern. Diese Partnerschaften, zusammen mit dem Anspruch, Maßnahmen umfassend<br />

zu untersuchen und zu gestalten, führen zu einer Vielfalt an Lösungen.<br />

Die wissenschaftlichen das Projekt begleitenden Werkzeuge sind einerseits die bekannten wie Tagebuch,<br />

Protokolle, Supervision und mediale Dokumentation (Film und Foto), andererseits aber auch, dem<br />

im künstlerischen angesiedelten Forschungsgegenstand<br />

entsprechend, Zeichnungen, Aufsätze,<br />

Gedichte, Aphorismen, stimmliche und<br />

instrumentale Klangimprovisationen und natürlich<br />

qualitative Tiefeninterviews - eben subjektive<br />

Outputs der am Projekt Beteiligten als<br />

Spiegel der künstlerischen Erlebnisse und Erfahrungen<br />

des Einzelnen und der Gruppe. Outputs,<br />

um die persönlichen zwischenmenschlichen<br />

aus der Begegnung resultierenden<br />

Erfahrungen und inneren Veränderungsprozesse<br />

zu reflektieren und überhaupt dokumentieren<br />

zu können. Beide Zugänge unterstreichen<br />

somit den ganzheitlichen Gesamtansatz des<br />

Projektes und spiegeln diesen wider.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Erste Realisierungsphase<br />

Im SS <strong>2013</strong> fand die erste Realisierungsphase<br />

des Projektes statt. Die Eröffnung mit einer<br />

„Samba Bateria“, ein mehrtägiges Modul Instrumentenbau,<br />

weitere Module mit den Inhalten:<br />

Graphische Notation – Bewegung – Klang, Bewegung<br />

– Improvisation – Musizieren und Musikalische<br />

Entdeckungsreise – räumliche und<br />

bildnerische Umsetzung waren anfängliche<br />

Schwerpunkte. Nach der Vermittlung musikalischer<br />

Grundparameter und Ausdrucksformen<br />

wurde ein Rap erfunden und vertont sowie weitere<br />

musikalische Programmpunkte für das Abschlussprogramm<br />

des Sommersemesters <strong>2013</strong><br />

entwickelt, gestaltet und geprobt. Die Arbeit in<br />

der Gesamtgruppe widmete sich dem Samba<br />

und der individuellen Ausgestaltung von Soloteilen<br />

durch die einzelnen SchülerInnen. Wissenschaftskonferenzen mit allen Beteiligten dienten der Reflexion.<br />

Die gewonnen Erfahrungen flossen in die inhaltliche und konzeptuelle Weiterentwicklung des Projektes<br />

ein und werden im Rahmen einer Gesamtanalyse am Ende des Projektes Ausgangspunkt für die<br />

Entwicklung von adäquaten Unterrichtsmodellen für inklusive und integrative Kontexte mit heterogenen<br />

Gruppen darstellen.<br />

Erste erkennbare Tendenzen und Konsequenzen<br />

Auf Basis der Feedbacks aus den Wissenschaftskonferenzen lassen sich folgende Tendenzen erkennen:<br />

• Kommunikation und Interaktion sind Schlüsselfaktoren der Forschungsfragen<br />

• Individuelle Interessen bzw. Begabungen und Fähigkeiten sind wichtige zu berücksichtigende Aspekte<br />

• Gute Rahmenbedingungen (Raum, Zeit, Gruppengröße) sind entscheidende Voraussetzungen für gelingende<br />

Kommunikation und Interaktion.<br />

Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden in der Folge Anpassungen und Änderungen für den zweiten Teil der<br />

praktischen Projektrealisation vorgenommen. Diese beziehen sich auf Adaptierungen der Methodik, Adaptierungen<br />

der zeitlichen Struktur und Adaptierungen der didaktischen Strukturen.<br />

Beispielsweise beabsichtigt eine veränderte<br />

Zusammensetzung der Kleingruppen in Form<br />

von Neigungsgruppen eine bessere Förderung<br />

der persönlichen Bedürfnisse, Interessen, Begabungen<br />

und Fähigkeiten der SchülerInnen.<br />

Gruppendynamische Effekte (z.B. die gegenseitige<br />

Unterstützung innerhalb von Neigungsgruppen)<br />

sollen auf diese Weise für die inhaltliche<br />

Weiterentwicklung der einzelnen kreativen<br />

Programmschwerpunkte genutzt werden und<br />

durch deren geeignete Integration in die Aktivitäten<br />

der Gesamtgruppe zu weiteren Synergien<br />

in der Gestaltung des Musikprojektes und seiner<br />

Inhalte führen.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit und die im Rahmen von Wissenschaftskonferenzen sichtbar<br />

gewordenen Tendenzen (siehe oben) sind unverzichtbarer Ausgangspunkt für den permanenten Kreislauf<br />

von Gestaltung, Umsetzung/Durchführung, Überprüfung und Überarbeitung während der Projektlaufzeit.<br />

Aufgrund der prozessorientierten Charakteristik des Forschungsprojektes „Du fühlst, ich höre, wir musizieren<br />

– ein Dialog“ dürfen optionale Endergebnisse aber nicht aus Zwischenerkenntnissen hochgerechnet<br />

werden. Erst die Gesamtanalyse aller zu erwartenden Erfahrungen, Erkenntnisse und Daten nach Ende der<br />

zweiten Praxisphase wird jene wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern, auf deren Grundlage die Entwicklung<br />

von adäquaten Unterrichtsmodellen für inklusive und integrative Kontexte mit heterogenen Gruppen<br />

erfolgen soll.<br />

Wolfgang Aichinger<br />

Weitere Informationen:<br />

www.mdw.ac.at/musizierenimdialog, http://www.musikzumanfassen.at/sambaForBIGkids/<br />

Optionale Angaben zum Kontakt:<br />

ao. Univ.-Prof. Wolfgang Aichinger<br />

Vorstand Hellmesberger-Institut<br />

Koordinator für „Die Begabtenförderung der mdw“<br />

mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien<br />

Rennweg 8<br />

1030 Wien, Austria<br />

Tel. +43 1 71155 4501<br />

Fax. +43 1 71155 4599<br />

Mobil: +43 664 52 35 740<br />

E-Mail: aichinger@mdw.ac.at<br />

www.mdw.ac.at/hbi; www.mdw.ac.at/musizierenimdialog<br />

www.mdw.ac.at/bfmdw; www.mdw.ac.at/das-andere-podium<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

YES, WE CAN! – Wie Rechnen für Menschen mit<br />

Down Syndrom auch Spaß machen kann<br />

Start als EU-Projekt<br />

„Yes, we can!“ startete als EU-Projekt unter der Projektleitung von<br />

Österreich in Zusammenarbeit mit den Ländern Deutschland, Rumänien,<br />

Tschechien, Italien und Dänemark.<br />

Multinationale Netzwerke im Rahmen des Grundtvig-Programms<br />

„Lifelong learning“ sind auf die effiziente Verknüpfung verschiedener,<br />

an der Erwachsenenbildung beteiligter Einrichtungen ausgelegt.<br />

Anfang März 2011 schickte jede Teilnehmernation zwei Personen<br />

nach Österreich, die dort in der Rechenmethode „Yes, we can!“<br />

ausgebildet wurden. Heimgekehrt bildeten sie als Multiplikatoren<br />

in ihrem jeweiligen Heimatland selbst 15-20 Trainer aus, die dann<br />

in der Zeit von April bis Oktober 100 junge Menschen mit Down<br />

Syndrom mit diesem Rechensystem trainierten.<br />

So lernten europaweit etwa 600 Menschen mit Down Syndrom<br />

dieses Rechensystem kennen, damit arbeiten und so ihre mathematische<br />

Kompetenz verbessern um damit zu einem besseren<br />

Verständnis von Geld, Maßen, Mengen und der Uhr befähigt zu<br />

werden.<br />

Die Schulung umfasste jeweils 20 Einheiten, entweder in Einzelförderung oder in der Gruppe. Viele erlernten<br />

erstmals das Zählen und Rechnen im Zahlenraum 10, andere bauten ihre schon vorhandenen Fähigkeiten<br />

aus und erwarben Praxis in der Anwendung von Alltagsmathematik. Es wurde gezahlt, gemessen,<br />

gewogen und die Uhrzeit abgelesen.<br />

Alle in dem Projekt gesammelten Erfahrungen wurden in einem Handbuch zusammengefasst und bestimmten<br />

die Gestaltung und Entwicklung einer Materialbox zu dieser Rechenmethode.<br />

Was ist „Yes, we can!“?<br />

„Yes, we can!“ ist eine Methode des „kybernetischen Fingerrechnens“, entwickelt von Mag. Bernadette<br />

Wieser, vom päd. Institut „Leben Lachen Lernen“ in Leoben.<br />

Die Rechenfähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom liegen vielfach weit hinter ihrem allgemeinen<br />

Leistungsniveau zurück. Infolge wird Kindern mit Down-Syndrom (DS) während ihrer schulischen Laufbahn<br />

häufig die Fähigkeit, mathematische Strukturen zu entwickeln, abgesprochen und nur sehr wenige von ihnen<br />

erlernen die Grundrechnungsarten.<br />

Rechnen erfordert das Zusammenspiel bestimmter Teilfunktionen des Gehirns, wie Behalten, Verstehen,<br />

Konzentration, Motorik und Koordination. Wahrscheinlich sind jene Bereiche des Gehirns, die für das Aufnehmen,<br />

Verarbeiten, Speichern und Wiedergeben von Rechenprozessen zuständig sind, bei Menschen<br />

mit DS weniger funktionstüchtig als andere Bereiche. Und deshalb ist es entscheidend, Fördermaßnahmen<br />

einzusetzen, um die zwar eingeschränkten, aber doch vorhandenen Ressourcen zu nützen.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Für alle Altersstufen<br />

Das „Yes, we can!” Programm ermöglicht den Einsatz für Lernende vom Kleinkind- bis zum Erwachsenenalter<br />

durch den ansteigenden Schwierigkeitsgrad der Übungen. Somit ist eine effiziente Differenzierung<br />

gegeben.<br />

Das Alter der im „Yes, we can!“-Projekt geschulten Menschen mit Down Syndrom weist eine große Streubreite<br />

auf: Vom einjährigen Kleinkind bis zum 59-jährigen Menschen.<br />

Breites Einsatzgebiet<br />

Das „Yes, we can!“ Programm ist für die Umsetzung in Kindergärten, Schulen, Therapie- und Erwachsenenbildungseinrichtungen<br />

gleichermaßen geeignet wie für das Training des Menschen mit Down Syndrom<br />

zuhause.<br />

Nicht nur für Menschen mit Down Syndrom geeignet<br />

Die Anwendung des „Yes, we can!“ Programms wird durch differenzierte Adaptionen auch für Lernende<br />

ohne Down Syndrom nutzbar, dies vor allem für SchülerInnen mit unterschiedlichen Entwicklungsverzögerungen,<br />

Rechenschwächen und Schwierigkeiten in der Teilleistungsentwicklung.<br />

Erfahrungsberichte von Trainern<br />

1. Eltern, Therapeuten, Lehrer und Schüler können so viel Spaß damit haben!<br />

Wie wird ein Mathematik-Professor üblicherweise empfangen, wenn er eine Klasse zu Beginn der<br />

Stunde betritt? „Hurra, Mathe!“ schreien die Schüler und man kann ihre ungebremste Begeisterung<br />

über den ganzen Gang hören! Wunschvorstellung? Nicht so bei den Kindern mit dem Extra-Chromosom,<br />

die freuten sich immer tierisch, wenn ich zum Lernen kam!<br />

Am schönsten an der „Yes, we can!“ Rechenlernmethode ist, dass es nicht nur dem „Rechnen<br />

lernen“ dient, sondern eine Ganzkörpererfahrung an sich ist. Jedes noch so kleine Training in dem<br />

einen oder anderen Bereich fördert so viel Notwendiges für den Alltag!<br />

Am erstaunlichsten fand ich die Tatsache, dass alle SchülerInnen, egal auf welcher Entwicklungsstufe<br />

sie waren oder welches Alter sie hatten, am meisten von Geometrie fasziniert waren. Wir<br />

suchten geometrische Formen in Bildern und bei Spaziergängen auf der Straße, aber auch in diversen<br />

Spielen und Arbeitsblättern.<br />

Für’s Leben lernen<br />

Es ist so wunderschön zu sehen, wenn sich Kindern die Magie der Zahlen erschließt. Nach mehreren Stunden<br />

und unzähligen Spielen aus dem „Yes, we can!“ Konzept erkennen die Kinder, dass die Ziffer „4“ für vier<br />

Eier steht, die in den Kuchenteig gerührt werden; oder für vier Marillen, die man in Rekordzeit verputzen<br />

kann. Seit mich eine Schülerin mit übervollem Mund und Hamsterbäckchen anblickte, weiß ich, dass vier<br />

Marillen ohne Probleme auf einmal in einem Kindermund verschwinden können.<br />

Durch die Fülle an Material aus dem Mathematik-Set, das uns zur Verfügung gestellt wurde, war es aber<br />

möglich, für jedes Setting die passenden Übungen ausfindig zu machen und das Interesse der Schüler zu<br />

wecken.<br />

So konnte ich die einzelnen Trainingseinheiten recht gut und auch abwechslungsreich gestalten. Dabei<br />

habe ich versucht, jede Einheit individuell auf meine Schüler abzustimmen und ihnen den Spaß an der Mathematik<br />

zu vermitteln. Da bei meiner Tätigkeit die Freude am Lernen im Vordergrund stand, konnte ich bei<br />

meinen Schülerinnen/Schülern die Freude am Rechnen bzw. das Interesse an den Zahlen wecken.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

2. Erfahrungsbericht einer Sonderschullehrerin<br />

Auch für mich persönlich war die Mathematik in der Schule stets ein „Rotes Tuch“, doch durch all<br />

diesen Spaß beim Rechnen wurde und wird auch bei mir die Angst davor immer kleiner. So bin ich<br />

überzeugt davon, dass es die „Yes, we can!“ Methode „voll bringt“.<br />

Ich bin Sonderschullehrerin und von der „Yes, we can!“- Methode restlos überzeugt. Für mich ist sie<br />

eine wertvolle Hilfestellung beim Unterrichten meiner Schüler mit Down Syndrom. Die Fingerknöchel<br />

als Zehner mit einzubeziehen, finde ich genial und sehr hilfreich für das Rechnen im ZR 100,<br />

um dadurch nicht auf weitere Hilfsmittel angewiesen zu sein. Daran werde ich mit meinen Schülern<br />

sicher über das Projektende hinaus noch weiter arbeiten und freue mich schon auf den ZR 1000.<br />

Das wirklich tolle Buch „Yes, we can“ ist zu 100 % praxistauglich. Alle Übungen und Beispiele kann<br />

man einfach übernehmen und man hat einen roten Faden zum Entwickeln von Alltagsmathematik<br />

bei Menschen mit Down Syndrom.<br />

Resümierend möchte ich feststellen, dass meine drei Schüler vom Projekt „Yes, we can“ sicher<br />

sehr profitiert haben und es ihnen auch Spaß gemacht hat. Für mich war es eine sehr spannende<br />

Zeit, da ich ein Teilleistungstraining in dieser intensiven Form mit meinen Schülern noch nicht<br />

durchgeführt hatte.<br />

Wo und wie kann man die Methode kennen lernen?<br />

In einem zweitägigen Workshop gibt es die Methodik das Fingerrechnen zu erlernen und andererseits sind<br />

verschiedene Materialien erhältlich.<br />

Dazu zählen eine Holzbox mit Spielen, das Handbuch mit zahlreichen Übungs- und Spielvorschlägen sowie<br />

die Lehr-DVD.<br />

Materialien<br />

Die Holzbox enthält vielfältige Fördermaterialien zum Aufbau der Basisfertigkeiten für numerisches Denken,<br />

wie Spiele zur Entwicklung der Raumorientierung, der Serialität, des Kategorisierens und der Formwahrnehmung.<br />

Die Stäbe und Platten zum Addieren und Multiplizieren sowie die Ziffern begleiten den<br />

Rechenprozess auf anschauliche Weise. Alle Materialien sind aus Holz gefertigt und für das gemeinsame<br />

Spiel mit Menschen mit Down Syndrom von 3-99 Jahren geeignet.<br />

Das Handbuch „Yes, we can!“ lässt Mathematik<br />

zum Spielerlebnis werden. Neben zahlreichen<br />

Übungsvorschlägen aus dem Bereich der Basisfertigkeiten<br />

sind alle Schritte zur Erlangung von<br />

Rechenkompetenzen genau erklärt. Die Kapitel<br />

„Lebenspraxis, Geld, Uhrzeit, Wiegen und Messen“<br />

schaffen einen intensiven Alltagsbezug. Das<br />

Buch ist für Eltern und Fachleute verfasst. Es hat<br />

einen Umfang von 145 Seiten, alle Übungs- und<br />

Spielanregungen sind durch Fotos veranschaulicht.<br />

Das Lehrvideo „Yes, we can!“ zeigt Ausschnitte<br />

aus dem mathematischen Alltag von Menschen<br />

mit Down Syndrom und regt zum Mitmachen an.<br />

Vom Zählen über das Addieren, Subtrahieren und<br />

60


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Multiplizieren sind die einzelnen Rechenschritte exakt nachvollziehbar und sowohl für Fachleute als auch<br />

für Eltern leicht erlernbar. Menschen mit Down Syndrom zeigen vor, wie es geht und verblüffen mit ihren<br />

mathematischen Kompetenzen! Das Video hat eine Gesamtlänge von 85 Minuten.<br />

Aktuelle Seminare<br />

04. und 05.11.2014 (jeweils von 9-17 Uhr)<br />

Kosten: € 150.- incl. Mittagessen und Kaffeepausen im Haus<br />

Ort: Down Syndrom Zentrum Leben Lachen Lernen, Kärntner Str. 395, 8700 Leoben<br />

Anmeldung unter: 03842-26852 oder institut@down-syndrom.at<br />

Falls Sie ausgebildete „Yes, we can!“ TrainerInnen in Österreich suchen, die Ihr Kind (vom Kleinkind bis<br />

zum Erwachsenen) mit dem gewissen Extra mathematisch fördern, kontaktieren Sie uns bitte. Österreichweit<br />

gibt es derzeit rund 30 TrainerInnen, wir können gerne einen Kontakt für Sie herstellen.<br />

Train the Trainer - Multiplikatoren<br />

Eine zweitägige Supervisions-Schulung am Projektende befähigt ausgebildete MultiplikatorInnen und<br />

TrainerInnen zur Weitergabe der Methodik an Erwachsene.Diese Schulung stützt sich auf Videoanalyse<br />

von Einzelpräsentationen.<br />

Mag. Maria Grossauer<br />

Marketing/PR/Fundraising<br />

Down-Syndrom Österreich - Büro Wien<br />

0676 411 88 88<br />

maria.grossauer@down-syndrom.at<br />

www.down-syndrom.at<br />

61


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Ein Comeniusprojekt zur Inklusion: „Experts Academy“<br />

Beim Vorbereitungstreffen für zukünftige Comeniusprojekte 2011 in Belgien fanden sich vier Schulen aus<br />

Belgien, Spanien, Polen und Österreich zusammen, um in den nächsten zwei Jahren gemeinsam ein Projekt<br />

zu planen und durchzuführen, das als seinen wichtigsten Schwerpunkt anführte, dass auch Schüler<br />

und Schülerinnen „with special needs“ gleichberechtigt daran teilnehmen sollten. Um dieses Anliegen besser<br />

verstehen zu können, sollen die teilnehmenden Schulen kurz vorgestellt werden.<br />

1. Die teilnehmenden Schulen<br />

VZW De Ranken – Sint Janshof, Mechelen, Belgien<br />

Im Laufe ihres Bestehens hat<br />

diese Schule immer hauptsächlich<br />

Bildung für Kinder und Jugendliche<br />

mit besonderen Förderbedürfnissen<br />

angeboten. Die<br />

Schülerinnen und Schüler im<br />

Alter von 12 bis 21 Jahren können<br />

auf verschiedenen Stufen<br />

gefördert werden. Derzeit werden<br />

drei Niveauformen angeboten.<br />

Die höchste ist der Level 3.<br />

Von diesen Jugendlichen wird<br />

angenommen, dass sie in eine<br />

normale Arbeitswelt integriert<br />

werden können. Folgende Lehrabschlüsse<br />

werden angeboten:<br />

VerkäuferIn, logistische Hilfskraft<br />

in Spitälern, MalerIn, SchweißerIn<br />

und HolzarbeiterIn. Diese<br />

Ausbildungskurse stehen sowohl den Burschen als auch den Mädchen offen. Neben der Berufsausbildung<br />

werden auch allgemein bildende Gegenstände angeboten.<br />

Von den Schülerinnen und Schülern des Levels 2 soll erreicht werden, dass sie ihre Tätigkeit in einer geschützten<br />

Einrichtung ausüben können. Sie werden daher in den verschiedenen Fähigkeiten geschult, die<br />

man von Personen erwartet, die in solchen Werkstätten arbeiten. Die Burschen und Mädchen des Levels<br />

1 werden auf das Leben in einem Tagesbetreuungszentrum vorbereitet, wo ihnen spezielle Unterstützung<br />

zur Seite stehen werden wird. Die Lehrerinnen und Lehrer versuchen, ihnen jene Strukturen und Abläufe<br />

beizubringen, denen sie später begegnen werden, wenn sie die Schule verlassen haben.<br />

In letzter Zeit wurden in steigendem Maße Jugendliche mit verschiedenen Formen von Autismus aufgenommen.<br />

Das vor allem, weil Schülerinnen/Schülern mit ASS (Autismus-Spektrum-Störung) an dieser Schule<br />

eine durchgehende Struktur angeboten wird, die sie in den öffentlichen Schulen nicht finden, sie aber dringend<br />

benötigen. Anstatt den Autisten ein separates Bildungsprogramm in einem separaten Klassenraum<br />

anzubieten wird versucht, sie soweit wie möglich in Rahmen der Schulstruktur und der angegebenen Berufsangebote<br />

zu integrieren. Zusätzlich wurde für diese Gruppe in Zusammenarbeit mit Experten und Eltern<br />

ein zusätzliches Training erarbeit.<br />

62


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Neue Mittelschule Ensleinplatz, Wien 10, Österreich<br />

Die Schule liegt im Süden Wiens. Wie in den anderen Pflichtschulen für 10 bis 14-Jährige im 10. Wiener<br />

Gemeindebezirk besuchen auch die Ensleinschule zahlreiche Kinder mit Migrationshintergrund. Es hat hier<br />

eine lange Tradition, dass jeweils eine Klasse auf jeder Stufe als Integrationsklasse geführt wird. Auch die<br />

Klasse, die hauptsächlich die Arbeit an dem vorliegenden Projekt trägt, ist eine Integrationsklasse, die auch<br />

von Kindern mit Lernschwächen, Erziehungsschwierigkeiten und Autismus besucht wird.<br />

Der Schulstandort ist einer der ersten in Wien, der ganztägige Betreuung anbietet (seit 1984). Die Schülerinnen<br />

und Schüler können die Tage wählen, an denen sie den ganzen Tag in der Schule verbringen wollen.<br />

Der Unterricht findet Montag bis Donnerstag von 8 – 17 Uhr 30 und an Freitagen von 8 bis 15 Uhr 30<br />

statt. Zu Mittag unterbrechen die Mahlzeit, die Freizeit und die Lernstunde den Unterrichtsablauf. Für den<br />

Nachmittag – neben eventuell geplanten Unterrichtseinheiten – können die Schülerinnen und Schüler zu<br />

Beginn des Schuljahrs aus einem breit gefächerten Angebot wählen. Eine Besonderheit ist, dass seit dem<br />

Schuljahr 2008/2009 die Möglichkeit besteht, sich zum „Ensleinpeacepeer“ ausbilden zu lassen. In einem<br />

Mediationskurs lernen Schülerinnen und Schüler, wie sie auf friedliche Weise Probleme und Streitereien<br />

der Jugendlichen untereinander lösen können.<br />

INS Montgros, Sant Pere de Ribes bei Barcelona, Katalonien, Spanien<br />

Die Schule ist eine öffentliche Sekundarschule, die<br />

Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 16 Jahren<br />

betreut. Rund 250 Jugendliche absolvieren hier<br />

den zweiten Teil ihrer Schulpflicht, darunter sind auch<br />

SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen, auch einige<br />

RollstuhlfahrerInnen. Als eine inklusive Schule versucht<br />

man, die SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen<br />

in den Klassen mitzubetreuen. Sie verbringen<br />

die meiste Zeit dort und arbeiten auch an der Projekten<br />

in kleinen, mit ihnen kooperierenden Gruppen.<br />

In diesem Lerninstitut wird nach einem neuen Organisationsmodell<br />

unterrichtet. Auf Lehrbücher wird verzichtet,<br />

und der Laptop rückt in den Mittelpunkt des Geschehens.<br />

Die Unterrichtseinheit wird aufgehoben und<br />

durch individuelle, dem Bedarf des zu bewältigenden<br />

Arbeitsgebietes angepasste Zeiteinheiten – meist ca.<br />

zwei Stunden – ersetzt. Das zu erarbeitende Lerngut<br />

wird auf drei Bereiche aufgeteilt: das soziolinguistische<br />

Feld (schließt auch die Sprachen Katalanisch, Spanisch<br />

und Englisch mit ein), das Feld der technischen<br />

Wissenschaften (Mathematik, Technologie, Physik,<br />

Sport) und das Feld der sozialen Sphäre (Sozialkunde,<br />

Geschichte, Geographie, Musik, visuelle Erziehung).<br />

Die zu erarbeitenden Projekte werden zumeist in kooperativen<br />

Kleingruppen gelöst.<br />

63


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Liceum Ogolnoksztalcace nr XXX z Oddzialami Integracyjnymi, Wroclaw (Breslau), Polen<br />

Diese Schule besuchen Schülerinnen<br />

und Schüler im Alter von<br />

16 bis 19 Jahren. Es gibt hier auch<br />

Integrationsklassen für körperbehinderte,<br />

gehörlose und hörgeschädigte<br />

Jugendliche. Auch<br />

andere spezielle Förderbedürfnisse<br />

finden sich bei den Schülerinnen/Schülern<br />

dieser Klassen,<br />

z. B. verschiedene Formen des<br />

Autismus, Erziehungsschwierigkeiten<br />

oder erlittene psychische<br />

Verletzungen verschiedener Art<br />

und Schwere. Das Schulgebäude<br />

liegt in einem Arbeiterviertel<br />

von Breslau. Eine große Anzahl<br />

der Schülerinnen und Schüler<br />

kommt aus bescheidenen oder<br />

ärmlichen Verhältnissen. Fast in<br />

jeder Klasse gibt es Kinder aus zerrütteten Familien, die große emotionale Probleme mit sich tragen. Diese<br />

werden von den Psychologen der Schule intensiv betreut.<br />

Für die Jugendlichen mit körperlichen Behinderungen ist das Schulgebäude baulich (Lift, Vermeidung von<br />

Stufen, genug breite Türen, behinderten gerechte Einrichtung von WC-Anlagen) gerüstet. Außerdem steht<br />

ihnen unter fachlicher Betreuung ein Raum zum körperlichen Training oder zur Rehabilitation zur Verfügung.<br />

Seit 2009 wird an der Schule das Projekt „Drücke dein Talent aus!“ durchgeführt. Der Hauptzweck<br />

dieses Projektes liegt darin, alle SchülerInnen durch die Mittel der Kunst (Bildnerische Erziehung, Theaterstücke,<br />

Choreotherapie) zusammen zu bringen. Ab 2012 wurde auch der Tanz diesem Projekt hinzugefügt.<br />

2. Der Inhalt des Projekts<br />

Jede Schule sollte ein „Spezialgebiet“ übernehmen und die Anleitung zur Durchführung an die anderen<br />

Schulen übermitteln. Danach sollte ein Treffen von LehrerInnen und SchülerInnen an der Schule stattfinden,<br />

die die Durchführung des Spezialgebietes geleitet hatte. Dieses Treffen sollte außer dem Kennenlernen der<br />

Partnerschule auch zur Präsentation der erzielten Ergebnisse, zur Vertiefung der Arbeit auf dem angebotenen<br />

Spezialgebiet durch Workshops, zum kulturellen Erfahren der Stadt der Partnerschule und vor allem<br />

zum Anknüpfen persönlicher Bekanntschaften und Freundschaften unter den teilnehmenden SchülerInnen<br />

dienen. Da die Sprache des Projekts Englisch ist, ist auch die praktische Anwendung dieser Sprache ein<br />

wichtiger Punkt. Von Haus aus war geplant, dass bei allen Treffen auch Jugendliche mit speziellen Förderbedürfnissen<br />

teilnehmen würden. Für die teilnehmenden LehrerInnen sollte jeweils durch einen Experten<br />

Einblick in den Stand der Inklusion im jeweiligen Land geboten werden.<br />

64


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Spezialgebiete<br />

Polnische Schule aus Wroclaw/Breslau: Künstlerisches Handwerk – Puppenspiel<br />

Den teilnehmenden Schulen wurden verschiedene Wege angeboten, wie man Handpuppen herstellen<br />

kann. Es sollte auch darauf Wert gelegt werden, dass diese Puppen als typisch für das jeweilige Land<br />

gelten sollten. Mit den fertigen Puppen wurde ein kleines Theaterstück einstudiert, welches dann in der<br />

Schule, in welchem Rahmen konnte man selbst wählen, aufgeführt wurde.<br />

Da dieser Teil des Projekts bereits durchgeführt wurde, kann ich über seinen Ablauf an meiner Schule<br />

berichten. Das Projekt wird hauptsächlich durch die Kinder des Europaclubs getragen. Der Europaklub ist<br />

eine Unverbindliche Übung, in der die Europaangelegenheiten unserer Schule (z.B. eTwinning-Kontakte<br />

mit befreundeten Schulen, Durchführung von Projekten) erledigt werden. Wir hatten uns darauf geeinigt,<br />

Mozart in den Mittelpunkt unseres kleinen Theaterstückes zu stellen. Er sollte kurz über sein Leben berichten<br />

und das Paar Papagena und Papageno aus der Oper „Die Zauberflöte“ vorstellen. Diese beiden<br />

Figuren sollten dann zu dem bekannten Duett, das wir von der CD abspielen wollten, agieren. Gemeinsam<br />

wurden von den Fingerpuppen mehrere Exemplare angefertigt, bei der Aufführung des Theaterstücks konnten<br />

aber nur jene Kinder tätig werden, die sich für die Reise nach Breslau entschieden hatten, denn dort<br />

wollten wir unser kleines „Kunstwerk“ präsentieren.<br />

Besonders aktiv an der Gestaltung des Rollenspiels betätigte sich ein Schüler mit autistischer Wahrnehmung,<br />

der sich phänomenal in die Rolle des Mozarts hineinsteigerte. Mit gemischten Gefühlen kamen wir in<br />

Polen an. Würden wir gegen die anderen Schulen bestehen können? Damit die anderen TeilnehmerInnen<br />

an dem Treffen den Inhalt unseres Stückes verstehen konnten, hatten wir eine Übersetzung des Textes in<br />

Englisch mitgebracht, die den LehrerInnen der anderen Schulen übergeben wurde, damit diese wieder Ihre<br />

SchülerInnen über den Inhalt unseres Stückes informieren konnten. Zu unserem großen Erstaunen zeigten<br />

die anderen Schulen nur filmisch, was sie mit ihren Puppen erarbeitet und dargestellt hatten. Erklärt<br />

wurde diese damit, dass an den jeweiligen Stücken viel mehr Kinder teilnahmen, als die Reise nach Polen<br />

mitmachen konnten. So waren wir Österreicher nicht nur die jüngsten, sondern auch die einzigen TeilnehmerInnen,<br />

die sich live den anderen stellten. Ich darf mit etwas Stolz feststellen, dass die Kinder ihre Sache<br />

mit viel Engagement wirklich gut über die Bühne brachten.<br />

Österreichische Schule aus Wien 10: „Garteln“<br />

Die teilnehmenden Schulen sollten im Schulgarten Beete anlegen. In diesen sollten zunächst Frühblüher<br />

und später Gemüse und Sommerblumen gepflanzt werden. Schon beim Meeting der Koordinatoren im<br />

Herbst 2012 in Belgien hatten wir gemeinsam Samen eingekauft. Über das Anlegen der Beete im Schulhof<br />

und das Einpflanzen der Zwiebel der Frühblüher wurden von mir Fotos mit Textanleitungen in Englisch angefertigt,<br />

die über die Plattform moodle an die anderen Schulen weitergegeben wurden. Im Frühjahr berichteten<br />

wir einander über die Ergebnisse unserer Pflanztätigkeit. Leider hatte niemand mit einem so strengen<br />

Winter gerechnet, wie der heurige war. So zeigte es sich, dass die Blumen der spanischen und auch der<br />

belgischen Schule schon längst verblüht waren, als in Polen und zuletzt auch in Österreich die Frühblüher<br />

zaghaft aus der Erde lugten. Es mussten daher die Anleitungen für die Sommerblumen und das Gemüse<br />

bereits zu einer Zeit übermittelt werden, als bei uns die Frühblüher erst einigermaßen in Blüte standen. Da<br />

ich über das Wiener Treffen noch eingehender berichten möchte, soll nur vorweg genommen werden, dass<br />

an allen Schulen die Gartenarbeit sehr gut durchgeführt wurde. Es soll festgehalten werden, dass sich bei<br />

der Durchführung an allen vier Schulen besonders SchülerInnen mit Behinderungen und verschiedenen<br />

Förderbedürfnissen eifrigst beteiligt haben. Gerade sie hatten Spaß an der körperlichen Arbeit im Freien<br />

und freuten sich dann besonders über die Ergebnissen ihrer Tätigkeit.<br />

65


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Belgische Schule aus Mechelen: Kochen<br />

Die belgische Schule wird Rezepte und erklärende Bilder an die anderen Schulen übersenden. Diese werden<br />

die Speisen nachkochen und ihre Ergebnisse über das Internet austauschen. Jede Schule soll dann<br />

eine landestypische Spezialität vorstellen, diese wird von den anderen Schulen nachgekocht. Über den<br />

Erfolg und wie diese Speise den anderen gemundet hat, erfolgt ein Austausch ebenfalls über das Internet.<br />

Diese Aktion wird im Winter 2014 stattfinden und im Frühjahr erfolgt das Treffen aller Schulen in Mechelen.<br />

Spanische Schule aus Sant Pere de Ribes bei Barcelona: Arbeit mit dem Internet (moodle) – SchülerInnen<br />

mit besonderen Förderbedürfnissen und Therapietiere<br />

Die spanische Schule ist prädestiniert, die Arbeit mit dem Computer und hier vor allem mit dem Internet<br />

anzubieten. Es werden Kurse sowohl für die teilnehmenden LehrerInnen als auch für die SchülerInnen angeboten.<br />

Außerdem werden alle Aktivitäten des Projekts durch diese Schule präsentiert und über Internet<br />

allen Interessenten zugänglich gemacht. Beim Besuch an der spanischen Schule sollen die Ergebnisse an<br />

den jeweiligen Schulen dokumentiert und evaluiert werden. Außerdem wird auf einem speziellen Bauernhof<br />

gezeigt werden, wie man Haustiere für die Therapie bei Jugendlichen mit speziellen Förderbedürfnissen<br />

erfolgreich einsetzen kann.<br />

3. Das Treffen in Wien, 3. – 7. Juni <strong>2013</strong><br />

Große TeilnehmerInnenzahl<br />

Bereits lange vorher wurde den Partnerschulen ein vorläufiges Programm mit einem Finanzplan übermittelt,<br />

um die Planung der Schulen zu unterstützen. Ungewöhnlich waren bereits die Zahlen der zu erwartenden<br />

TeilnehmerInnen. Aus Polen waren vier SchülerInnen und vier LehrerInnen, aus Belgien vier SchülerInnen<br />

und drei LehrerInnen und aus Spanien 17 SchülerInnen und fünf LehrerInnen und Betreuerinnen gemeldet.<br />

Die große Zahl an TeilnehmerInnen zeigt den hohen Stellenwert, den Wien in Europa genießt.<br />

Probleme im Vorfeld<br />

Es war äußerst schwierig, während der Wiener Festwochenzeit für 37 Personen ein günstiges, gut gelegenes<br />

und allen Anforderungen gerecht werdendes Quartier zu finden. Unter den spanischen Teilnehmerinnen<br />

war auch eine Rollstuhlfahrerin gemeldet. Man wollte es gar nicht begreifen, wie schwer es wirklich ist,<br />

in einer Weltstadt wie Wien jugend- und behindertengerechte Zimmer zu finden. Jugendhostels, die über<br />

geeignete Räumlichkeiten verfügen, sind leider noch sehr selten und sie liegen auch nicht in unmittelbarer<br />

Nähe der Ensleinschule, die im Mittelpunkt des Treffens stand. Endlich konnte ein kürzlich eröffnetes Hostel<br />

im 10. Bezirk gefunden werden, das einen günstigen Preis anbietet und auch behindertengerecht ist. Die<br />

Türen der Zimmer und der Badezimmer weisen eine Breite auf, die ein gefahrloses Durchfahren mit dem<br />

Rollstuhl ermöglichen. Ein behindertengerechtes WC befindet sich im Untergeschoß.<br />

Die nächste Schwierigkeit bildete die Tatsache, dass die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für eine<br />

Rollstuhlfahrerin in Wien noch immer nicht ganz leicht ist. Nicht alle Züge der Linien, die im Rahmen des<br />

Aufenthaltes benutzt werden sollten, sind ausschließlich Niederflurzüge. Es würde also Wartezeiten für alle<br />

TeilnehmerInnen geben, da wir immer auf Niederflurzüge warten müssten, weil ein Benutzen einer älteren<br />

Straßenbahn mit ihren Eingängen und steilen Stufen nicht möglich ist, auch wenn man Helfer zum Hineinheben<br />

des Rollstuhls hat. Die Eingänge dieser Straßenbahnzüge sind ganz einfach zu schmal.<br />

66


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Um das vorhergesehene Programm wirklich durchziehen zu können, musste nach einer anderen Lösung<br />

gesucht werden. Die öffentlichen Autobusse besitzen größtenteils schon eine Absenkvorrichtung, die in<br />

Verbindung mit einer integrierten Rampe, die leicht hervorgeholt werden kann, einer Rollstuhlfahrerin den<br />

Einstieg leichter ermöglicht.<br />

Es gibt in Wien mehrere Unternehmen, die öffentliche Busse stellen. Das Hindernis war meist die Teilnehmerzahl.<br />

Während im öffentlichen Betrieb Stehplätze benutzt werden dürfen, ist dies bei privater Vermietung<br />

verboten. Daher erreichten wir in fast keinem der zur Verfügung stehenden Busse die erforderliche<br />

Sitzplatzanzahl. Gelenkbusse bieten zwar die benötigte Sitzplatzanzahl, kosten aber sehr viel. Außerdem<br />

gab es das zusätzliche Problem, dass alle diese Busse über keine Lautsprecheranlage verfügten. Unsere<br />

Wienbesucher sollten aber doch über die Schönheiten unserer Stadt informiert werden. Diese Informationen<br />

sollten in Englisch gegeben werden, für diejenigen, die noch nicht so gut Englisch konnten, sollten die<br />

LehrerInnen Übersetzungen anbieten.<br />

Die Lösung des Problems boten Firmen an, die über so genannte „Rollis“ verfügen. „Rollis“ sind Busse, aus<br />

denen man Sitze herausnehmen kann, um Stellplätze für die Rollstuhlfahrer zu schaffen. Außerdem verfügen<br />

diese Busse auch über Rampen, über die man die Rollstühle in das Businnere und heraus hieven kann.<br />

Das Angebot des Busunternehmers für drei Tage „Rollibus“ lautete auf € 1.800.- Woher nehmen? Die Mittel,<br />

die für das Projekt aus EU-Geldern zur Verfügung stehen, sind für den Schüler- und Lehreraustausch zu<br />

verwenden. Sie waren außerdem zu diesem Zeitpunkt für unsere Besuche bei den Partnerschulen verplant.<br />

In die Bresche sprang der Kulturausschuss der Favoritner Bezirksvertretung, der die Kosten im Rahmen<br />

des internationalen Austausches als Subvention übernahm. Ich möchte mich dafür nochmals herzlich bedanken.<br />

Dafür zeigten wir auch allen TeilnehmerInnen die schönsten Seiten von Favoriten, damit sie eine<br />

nette Erinnerung an diesen Bezirk haben.<br />

67


Das Programm<br />

I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

8:00 Frühstück im Hostel<br />

Dienstag, 4. Juni <strong>2013</strong><br />

9:00 Abholung von Hostel – Transfer mit dem Bus in die Ensleinschule<br />

10:00 - 12:00 • Willkommensadresse in der Ensleinschule.<br />

• Überreichung der Gastgeschenke.<br />

• Besichtigung der Schule und des Schulgartens.<br />

• Power-Point-Präsentation (jeweils 10 Minuten): Jede Schule zeigte das Einsetzen der Samen, Zwiebel<br />

und Pflänzchen, das Wachsen der Pflanzen und die Blütezeit.<br />

12:00 gemeinsames Mittagessen in der Schule<br />

12:30 -17:00 Stadtrundfahrt durch den 10. Bezirk: Therme Wien und Kurpark – Laaer Berg – Bezirkszentrum –<br />

Hauptbahnhof Wien. Weiterfahrt: Ringstraße (Staatsoper – Hofburg – Museen – Parlament – Rathaus<br />

– Burgtheater – Universität – Votivkirche) – Franz-Josefs-Kai – Hundertwasserhaus (Pause von 40<br />

Minuten) – Weiterfahrt durch die Praterauen – Happel Stadion – Reichsbrücke – UN–City – Prater – entlang<br />

der Donau – Grinzing – Kahlenberg (Pause von einer Stunde) – über die Höhenstraße und durch<br />

den Wiener Wald nach Hütteldorf – Wiental – Schloss Schönbrunn – Ende beim Hostel.<br />

Abend<br />

Individuelle Gestaltung<br />

Mittwoch, 5. Juni <strong>2013</strong><br />

8:00 Frühstück<br />

9:00 Abholung von Hostel – Transfer mit dem Bus in die Ensleinschule<br />

10:00 – 12:30 • Workshops für die SchülerInnen. Gebastelt und bemalt wurden Blumengestecke aus Holz- und Filzteilen<br />

unter Anleitung der Kinder des Europaclubs und unter Mithilfe der anwesenden LehrerInnen.<br />

Anschließend Präsentation der Ergebnisse und filmische sowie fotografische Dokumentation.<br />

• Die Projektkoordinatoren und weitere LehrerInnen nahmen an einem Vortrag von Frau Brigitte Mörwald<br />

über den Stand der Integration und Inklusion in Österreich in englischer Sprache teil.<br />

12:30 gemeinsames Mittagessen in der Schule<br />

13:30 – 18:00 • Besuch des Schlosses mit Audioguide.<br />

• Anschließend Spaziergang durch den Schlosspark zum Eingang in den Zoo. Erklärung: Unterschied<br />

zwischen französischem und englischem Park. Besuch des Zoos.<br />

• Während des Spazierganges durch den Park und dem Besuch des Tiergartens trafen sich die Koordinatoren<br />

im Kaffeehaus, um den weiteren Ablauf des Projektes zu besprechen und festzulegen.<br />

• Rückfahrt ins Hostel.<br />

Abend<br />

Individuelle Gestaltung<br />

Donnerstag, 6. Juni <strong>2013</strong><br />

8:00 Frühstück<br />

9:00 Abholung von Hostel – Transfer mit dem Bus zum Belvedere.<br />

9:30 – 12:00 • 1.Teil des Stadtrundganges: Belvedere (Erklärung eines typischen Barockgartens) – Hochstrahlbrunnen<br />

am Schwarzenbergplatz – Karlskirche mit Auffahrt in die Kuppel und Aufstieg in die Laterne.<br />

• Der Bus brachte uns vom Karlsplatz zum Schwedenplatz.<br />

12:00 – 13:00 Individuelle Mittagspause in den Lokalen am Schwedenplatz.<br />

13:00 – 16:00 • 2. Teil des Stadtrundganges: Stephansdom – Graben – Dreifaltigkeitssäule. Pause in einem der Kaffeehäuser<br />

am Graben, um die weltberühmte Sachertorte zu testen. Weiterwanderung über Graben<br />

und Kohlmarkt zur Hofburg. Besichtigung des Josefsplatzes und der Augustinerkirche, dann weiter<br />

durch die Hofburg auf den Heldenplatz.<br />

• Rückfahrt mit dem Bus ins Hostel.<br />

17:30 – 21:00 Abschiedsdinner in dem Vereinshaus eines Kleingartenvereins auf dem Laaer Berg. Wie es sich für ein<br />

Gartenprojekt gehört, wurde der Abschied in einem Kleingartenverein bei einem Buffet, bestehend aus<br />

typischen österreichischen Speisen, gefeiert. Den TeilnehmerInnen wurde zuerst die Art des Wiener<br />

Kleingartenwesens mit seiner Möglichkeit der ganzjährigen Benützung erklärt und am vorhandenen Beispiel<br />

gezeigt. Von den Delegationen wurden dankende Worte an die Wiener Veranstalterin gerichtet.<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

4. Bisherige Erkenntnisse aus dem Ablauf des Projekts<br />

Im Rahmen des Projektes lernte ich belgische, polnische und spanische SchülerInnen, LehrerInnen und<br />

Schulen kennen. Ich konnte die SchülerInnen und ihren sorgfältigen Umgang mit Kindern mit speziellen<br />

Förderbedürfnissen beobachten. Ich bemerkte, dass die LehrerInnen ganz selbstverständlich von Inklusion<br />

und niemals von Integration sprachen. Die Beobachtungen beim Besuch der Partnerschulen haben<br />

gezeigt, dass diese auf dem Gebiet der Integration und Inklusion von Kindern mit speziellen Förderbedürfnissen<br />

entschieden weiter sind als wir in Österreich. Es ist dort für SchülerInnen und LehrerInnen ganz<br />

selbstverständlich, dass Kinder mit Behinderungen oder Defiziten verschiedenster Art zur Gesellschaft dazugehören<br />

und auch so zu behandeln sind.<br />

Es wäre wünschenswert, dass sich diese Art des Umgangs mit behinderten Menschen überall durchsetzt.<br />

Sabrina Piros<br />

Lehrerin an der NMS 10, Ensleinplatz<br />

69


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Dank an das SPZ 20<br />

In der Folge lesen Sie den Brief eines Vaters an Frau Dir. Bossler und ihr Lehrer/innen Team.<br />

Frau Dir. Bossler ist seit vielen Jahren Leiterin des SPZ 20, Treustraße 9. Sie war 1990 die erste Sonderschullehrerin<br />

in Wien, die an einer Hauptschule mit einer ersten Integrationsklasse begonnen hat.<br />

Brigitte Mörwald, Integrationsberatungsstelle des SSR für Wien<br />

Liebes SPZ-20 Team,<br />

allzu schnell ist der Übergang meiner Tochter Elisabeth von Ihrer Schule in eine nette Tagesstruktur bei<br />

JAW (Jugend am Werk) über die Bühne gegangen. „Zu schnell“, nicht, weil irgendetwas schlecht oder<br />

schief gelaufen wäre, sondern einfach zu schnell, weil mir kaum Zeit blieb, mich ordentlich zu verabschieden<br />

und zu bedanken.<br />

Das möchte ich hiermit nachholen:<br />

Elisabeth ist nach einer sehr positiv verlaufenen „Integrationskarriere“ (vom Kindergarten über die Volksschule<br />

und KMS) in Ihrem Haus gelandet – nachdem sich, wie bei allen I-Kindern die Frage nach dem<br />

70


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

neunten Schuljahr stellte. Ich war zuerst zögerlich, weil mich der Bruch in der inklusiven Laufbahn von<br />

Elisabeth irgendwie störte – eine bekannte Lücke in unserem System, die halt aus dem Umstand resultiert,<br />

dass das einjährige Polytechnikum für Kinder wie Elisabeth nur eine Übergangslösung ist. Die Lehrerin<br />

Daniela Staudinger hat mir damals diesen Weg – BVL – für Elisabeth empfohlen und so wurde er auch<br />

ergriffen.<br />

Abseits aller prinzipiellen Überlegungen (wie eben ausgeführt), haben die 3 Jahre in Ihrem Haus bei Elisabeth<br />

und mir ausschließlich Begeisterung hervorgerufen. Das Lehrerinnen Team hat eine schöne, wertschätzende<br />

und förderliche Arbeit geleistet und es gab keinen einzigen Tag, an dem sich Elisabeth nicht<br />

auf die Schule gefreut hätte. Schließlich wurde oft in Werkstätten „geschnuppert“, was letztlich immer durch<br />

das Engagement des Lehrerinnen Teams möglich war. Es war stets ein sicheres Gefühl, dass Elisabeth in<br />

guten Händen ist, was besonders aus meiner Alleinerziehersituation heraus naturgemäß eine große Rolle<br />

spielte. Schließlich eben die „Landung“ auf einem, wie ich bisher sehe, sehr guten Platz.<br />

Ich möchte mich daher für die<br />

jahrelange umsichtige, engagierte<br />

und liebevolle Betreuung<br />

bedanken, die Elisabeth<br />

bei Ihnen erfahren hat. Sie<br />

hat von diesen Jahren definitiv<br />

profitiert, große Fortschritte gemacht<br />

und sich eben jederzeit<br />

wohl gefühlt.<br />

Bitte geben Sie diesen Dank<br />

an die involvierten Lehrkräfte<br />

weiter – es ist mir ein Anliegen.<br />

Liebe Grüße,<br />

Ernst Lieber<br />

(Vater von Elisabeth)<br />

71


I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Caritas & Du - Kinderhotel <strong>2013</strong>/14<br />

Kinderhotel <strong>2013</strong>/14<br />

Kurzzeitunterbringung macht Urlaub<br />

Wochenenden:<br />

• Fr. 20.09.– So. 22.09.<strong>2013</strong><br />

• Fr. 18.10.– So. 20.10.<strong>2013</strong><br />

• Do. 31.10.– So. 03.11.<strong>2013</strong> (Allerheiligen)<br />

• Fr. 06.12.– So. 08.12.<strong>2013</strong><br />

• Fr. 10.01.– So. 12.01.2014<br />

• Fr. 24.01.– So. 26.01 2014<br />

• Fr. 21.02.– So. 23.02.2014<br />

• Fr. 07.03.– So. 09.03.2014<br />

• Fr. 28.03.– So. 30.03.2014<br />

• Do. 01.05.– So. 04.05.2014 (Tag der Arbeit)<br />

• Fr. 23.05.– So. 25.05.2014<br />

• Sa. 07.06.– Di. 10.06.2014 (Pfingsten)<br />

• Fr. 20.06.– So. 23.06.2014<br />

Ferienwochen:<br />

• Sa. 01.02.–Sa. 08.02 2014 (Semesterferien)<br />

• Sa. 12.04.–Sa. 19.04.2014 (Osterferien)<br />

• Sa. 19.07.–Sa. 02.08.2014 (4.+5. Ferienwoche)<br />

• Sa. 02.08.–Sa. 16.08.2014 (6.+7. Ferienwoche)<br />

• Sa. 16.08.–Sa. 30.08.2014 (8.+9. Ferienwoche)<br />

Kinder und Jugendliche<br />

mit Behinderung<br />

Caritas Erzdiözese Wien<br />

www.caritas-wien.at<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Die Caritas bietet Kindern<br />

unbeschwerte Tage mitten in der<br />

Natur – Wochenenden und<br />

Ferienwochen im Burgenland.<br />

Zielgruppe<br />

Kinder mit (schwerer) intellektueller oder mehrfacher Behinderung<br />

Angebot<br />

• spannende und interessante Freizeitangebote,<br />

zum Beispiel Baden im Schwimmteich oder im Neusiedlersee,<br />

Märchenpark, Tierpark, Thermenbesuch, Pferdekutschenfahrten,<br />

Spielzimmer, Streichelzoo im Garten<br />

• Betreuung, Pflege und Assistenz in Kleingruppe (5-9 Kinder)<br />

• barrierefreie Unterkünfte in Wallern/Burgenland bzw.<br />

Deutsch Kaltenbrunn/Burgenland<br />

• An- und Abreise<br />

• Kennenlernen und Abklären des Unterstützungsbedarfs<br />

Kosten<br />

Kostenübernahme im Rahmen des sozialen Dienstes<br />

Kurzzeitunterbringung über MAG11 – Fachbereich<br />

Integration möglich;<br />

Eltern leisten verdienstabhängigen Kostenbeitrag.<br />

Kontakt: Ruth Scheiterbauer, MSc<br />

Tel 01-4000-90889<br />

ruth.scheiterbauer@wien.gv.at<br />

Information<br />

freie Plätze, Anmeldungen bzw. Anmeldungszusagen<br />

Kontakt: Martin Rieder<br />

Tel 01-369 76 80-70<br />

martin.rieder@caritas-wien.at<br />

Caritas Kinder- und Jugendeinrichtung Am Himmel<br />

Gspöttgraben 5<br />

1190 Wien<br />

Tel 01-369 76 80<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

Liebe Leserin! Lieber Leser!<br />

Wir freuen uns, Ihnen die neueste Ausgabe des I-Journals präsentieren zu dürfen.<br />

Unser herzlicher Dank gilt auch diesmal wieder allen Autorinnen und Autoren, ohne deren Beiträge es uns<br />

nicht möglich wäre, dieses Journal herauszugeben. Die Qualität und die Vielfalt der Artikel sind immer<br />

wieder beeindruckend und bringen sehr deutlich auch die Vielfältigkeit der Arbeit mit den uns anvertrauten<br />

Kindern zum Ausdruck.<br />

Wir planen, die nächste Ausgabe im Frühjahr 2014 erscheinen zu lassen und freuen uns über Ihre Beiträge.<br />

Die Auswahl der Artikel, die publiziert werden, trifft das Redaktionsteam.<br />

Vorgaben zum Verfassen von Beiträgen:<br />

• Jeder Artikel enthält eine Überschrift und<br />

• den Namen (eventuell ein Foto) der Autorin/des Autors mit kurzer biographischer Angabe<br />

• Fotos, die im Beitrag verwendet werden, müssen auch im jpg-Format extra mitgeschickt und eindeutig<br />

benannt werden. Unbedingt das Einverständnis der Erziehungsberechtigten, sowie der darauf<br />

abgebildeten Personen zur Veröffentlichung der Fotos einholen und auch den Namen des Fotografen<br />

angeben.<br />

• Artikel als Word-Dokument (Standard, 11pt, Arial) schicken.<br />

• Geschlechtergerechte Formulierungen verwenden, wie es in der Broschüre des bm:ukk<br />

(vormals bm:bwk) erläutert wird: www.bmukk.gv.at/medienpool/15104/2002_22_beilage.pdf<br />

Jede Autorin/Jeder Autor ist dafür eigenverantwortlich.<br />

Die Beiträge senden Sie bitte per Email an:<br />

Brigitte Mörwald: brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at<br />

Abgabeschluss für Beiträge:<br />

11.04.2014 ... gerne auch früher :-)<br />

Online finden Sie unser Journal unter der Internetadresse:<br />

www.lehrerweb.at<br />

Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit!<br />

Das Redaktionsteam:<br />

Brigitte Mörwald Mag. Judith Stender Gerda Kargl Renate Dirnberger, MA<br />

(Redaktion) (Redaktion) (Redaktion, Layout) (Lektorat)<br />

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I-JOURNAL <strong>November</strong> <strong>2013</strong><br />

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Herausgegeben von der Integrationsberatungsstelle<br />

im Stadtschulrat für Wien<br />

Verantwortliche Herausgeberinnen:<br />

Brigitte Mörwald, Mag. Judith Stender, Renate Dirnberger, MA, Gerda Kargl<br />

Für den Inhalt verantwortlich:<br />

Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel und die Genderformulierung.<br />

Layout: Gerda Kargl<br />

Druck: Eigendruck

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