Ausgabe 3-2013 - Gemeinde Laterns

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27.04.2014 Aufrufe

8 700 Jahre Laterns Walser innen 700 Jahre in Frauenhand 700 Jahre und immer noch Walser und Walser innen in Laterns, in Damüls, in… Welche Bedeutung haben die Walserinnen im Zusammenhang mit den Lebensweisen in diesen Walserregionen? Ein paar Gedanken, von in Laterns lebenden Frauen, mit walserischen Wurzeln, die über ihre Artgenossinnen vor 30, 40, 50, oder 100 oder 700 Jahren nachdenken, weil es spannend ist und weil es eben schon mindestens 700 Jahre Walser innen in diesen Gegenden gibt. Die Urkunde, datiert mit Ende Mai 1313, belegt, vor 700 Jahren haben Walser diese Gegend besiedelt. Sie haben ihre Heimat verlassen und siedelten an oft schwer zugänglichen Orten. Sie nahmen Alpen und Stallgüter in Besitz und bewältigten den oft harten Alltag mit Geschick, Ausdauer und Mut. Sie rodeten den Wald und schufen Wiesen für ihre Tiere. Sie lebten fast ausschließlich von der Landwirtschaft, teils auch von der Forstwirtschaft. Sie haben viele Hindernisse bewältigt, trotzten der Natur und führten dafür aber ein freies Leben, das den Walser und Walser innen immer wichtig war. Der Volkskundler Dr. Karl Ilg schrieb über die Walser: „Sie sind Individualisten reinsten Wassers, die sich nicht in die Karten schauen lassen. Sie sind sparsam, zäh, genügsam, stolz und fromm, wirklich freie Bauern.“ Und Bäuerinnen möchten wir noch anfügen. So viele positive Eigenschaften sind da aufgezählt, da wird man/frau gleich nochmals stolz, da die Wurzeln zu haben. In einer bäuerlichen Gesellschaft, und das waren die Walser ohne Zweifel, in einer unwirtlichen Umgebung, war der Lebens- und Arbeitsalltag geprägt von großen Herausforderungen. Jede Arbeitskraft zählte und war wichtig, um zu überleben. Das „Haushalten“ im besten Sinne in Zeiten der Not war mit entscheidend für den Fortbestand der Familie. In diesen Gesellschaften, die sicher sehr traditionell auch in der Rollenverteilung waren, hatte jeder und jede eine wichtige Aufgabe. Daraus erwächst auch, dass Frauen einen sicheren und wichtigen Platz in dieser bäuerlichen Welt hatten. Jede Arbeitskraft zählt auf dem Bauernhof. Waren die Rollen auch sehr traditionell verteilt, Frau eher Haus, Mann eher Hof, war es doch im Stall und auf dem Feld wichtig, Mitarbeiter zu haben. Das galt bei der Heuarbeit , wie beim Ausbringen des Mistes, das war in der Verarbeitung von Milch und Fleisch so und im Herrichten des Feuerholzes. Die Frauen packten mit an und halfen überall mit, denn wirklich jede Hand wurde benötigt. In Zeiten der Not und Armut, bei Kargheit ist das Haushalten von entscheidender Bedeutung. Nicht zuletzt durch das Geschick der Frauen war das Überleben gesichert. Von den Arbeiten der Frauen hing es auch ab, ob die Familie durch den Winter kam, ob die Vorräte reichten. Ohne Kühltruhe und ohne Waschmaschine leisteten die Frauen einen wesentlichen Beitrag zum Wohlbefinden der Familie. Das Backen des Brotes, das Sammeln der Beeren, das Versorgen der Kinder, der alten Menschen und der Kranken - alles auch vor allem in Frauenhand. Später beim Aufkommen des Fremdenverkehrs, wieder, entscheidend für die Entwicklung, das Bewirten und Umsorgen der Gäste - in Frauenhand. Walserinnen waren, sind ebenso zäh, so genügsam, so stolz und sparsam wie die Walser. Und heute, hat das überhaupt noch eine Bedeutung? Sind wir noch Walserinnen, ist das uns noch wichtig, oder ist es überholt? Typisch Walser, typisch Walserin, typisch Mann, typisch Frau, ist das noch gegeben? Lassen wir doch einige zu Wort kommen: Önschas Gmendsblättli 3/2013

700 Jahre Laterns 9 Interviews mit Laternser Frauen „Es erfüllt mich mit Stolz zur großen „Walserfamilie“ zu gehören!“ „Unsere Vorfahren haben in ärmlichen Verhältnissen begonnen und sind weit gekommen.“ „Laternserin, Walserin, zu sein bedeutet für mich, bestimmt Eigenschaften „gelernt“ zu haben: fleißig und ausdauernd zu arbeiten, sparsam zu sein, nicht alles gleich zu erzählen, aus wenig auch noch etwas her bekommen,…!“ „Ich fühle mich als Walserin und bin das gerne. Es bedeutet für mich auch besonders heimatverbunden zu sein und eine eigene Sprache zu haben!“ In einigen Interviews mit Frauen unterschiedlichen Alters, die in Laterns wohnen oder von dort stammen, haben wir uns erkundigt, was es für sie bedeutet, Laternserin zu sein. Weiters haben wir gefragt, ob und welche Bedeutung für sie, die „Walser Wurzeln“ haben. Viele der angefragten Frauen leben gerne in Laterns und fühlen sich als „Laternserin“. Sie nennen die gute Wohnqualität, die Nähe zum „Land“, wenn man es braucht, und das „Nicht-anonym-Sein“ als wichtige Punkte. Das Bewusstsein „Walser Wurzeln“ zu haben, ist bei vielen gegeben. Diese Wurzeln prägen die Art und Weise, wie man arbeitet und wie man lebt und denkt. Als prägend wird der Dialekt gesehen, der sich zunehmend, auch mit den Veränderungen der Zeit allgemein, wandelt. „Sit mir an Schlepr hend, bruchand mir d´Heukappa nomma!“ Viele verbinden mit den Laternser/Innen die Eigenschaft, nicht alles gleich zu erzählen, vorsichtig, ja, je nach Ausprägung sogar verschlagen zu sein. Diese gewisse Reserviertheit kommt möglicherweise von der ursprünglichen Abgeschiedenheit in einem schwer zugänglichen Bergtal und von der dadurch gegebenen Unmöglichkeit vieler Kontakte. Das Leben und das Überleben forderte sicher sehr viel Arbeitseinsatz, da gab es wenig Zeit für „Smalltalk“ und eine gewisse Vorsicht Fremden gegenüber, war nicht von Nachteil. Durch den Bau der Straße, durch den vermehrten Zuzug ist das in Veränderung begriffen. Ähnlich wie beim Dialekt, kommt es auch hier zu einer moderneren Anpassung, ohne dass die Vorsicht ganz außer Acht gelassen wird. Zum Beispiel hat sich das Parzellendenken gewandelt. Früher gab es große Unterschiede ob jemand in der Hauptstadt „Thal“ oder im „Hintertobel“ daheim war. Bonacker als Verbindungsortschaft schaffte manchmal den Ausgleich. In einer immer näher zusammenrückenden Welt, in der wir ganz schnell, ganz viel von allen Enden der Welt wissen, scheint es wieder bedeutsamer zu werden, zu wissen, woher wir selber kommen und wer ursprünglich unsere Gegend besiedelt hat. Wie sie damals gelebt und gearbeitet haben, prägt auch unser Tun in vielen Punkten. Es ermöglicht auch ein Verständnis für manche Traditionen und für manche Ansichten. Eine Besinnung auf die „Walser Wurzeln“ eine Prüfung der alten Eigenschaften gewinnt wieder an Bedeutung und kann mit einem aktuellen Anstrich eine gute, seit Jahrhunderten bewährte Lebensweise fördern, auch wenn sie den neuen Möglichkeiten und Erfordernissen angepasst wird. Es schafft Identität und Sicherheit. Zwar wandeln sich Sprache und Lebensweise laufend, vielleicht heute noch schneller wie früher. Aber das Wissen um diese Wurzeln und dieser Lebensweise kann gerade in dieser schnelllebenden Zeit uns etwas an Ruhe und Gelassenheit vermitteln. Jedenfalls kann ich für mich und für viele Laternserinnen, möglicherweise auch für einige Laternser, sagen: „I bin froh, dass i uf dera Sita vom Walserkam dahem bin und zur großa Walserfamilie kör!“ Für die Zusammenfassung: Amanda Nesensohn Önschas Gmendsblättli 3/2013

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700 Jahre <strong>Laterns</strong><br />

Walser innen<br />

700 Jahre in Frauenhand<br />

700 Jahre und immer noch Walser und Walser innen in <strong>Laterns</strong>, in Damüls, in…<br />

Welche Bedeutung haben die Walserinnen im Zusammenhang mit den Lebensweisen<br />

in diesen Walserregionen?<br />

Ein paar Gedanken, von in <strong>Laterns</strong> lebenden Frauen, mit walserischen Wurzeln, die<br />

über ihre Artgenossinnen vor 30, 40, 50, oder 100 oder 700 Jahren nachdenken, weil<br />

es spannend ist und weil es eben schon mindestens 700 Jahre Walser innen in diesen<br />

Gegenden gibt.<br />

Die Urkunde, datiert mit Ende Mai 1313, belegt, vor 700 Jahren haben Walser diese<br />

Gegend besiedelt. Sie haben ihre Heimat verlassen und siedelten an oft schwer zugänglichen<br />

Orten. Sie nahmen Alpen und Stallgüter in Besitz und bewältigten den oft<br />

harten Alltag mit Geschick, Ausdauer und Mut. Sie rodeten den Wald und schufen<br />

Wiesen für ihre Tiere. Sie lebten fast ausschließlich von der Landwirtschaft, teils<br />

auch von der Forstwirtschaft.<br />

Sie haben viele Hindernisse bewältigt, trotzten der Natur und führten dafür aber ein<br />

freies Leben, das den Walser und Walser innen immer wichtig war.<br />

Der Volkskundler Dr. Karl Ilg schrieb über die Walser: „Sie sind Individualisten reinsten<br />

Wassers, die sich nicht in die Karten schauen lassen. Sie sind sparsam, zäh, genügsam,<br />

stolz und fromm, wirklich freie Bauern.“ Und Bäuerinnen möchten wir noch<br />

anfügen. So viele positive Eigenschaften sind da aufgezählt, da wird man/frau gleich<br />

nochmals stolz, da die Wurzeln zu haben.<br />

In einer bäuerlichen Gesellschaft, und das waren die Walser ohne Zweifel, in einer<br />

unwirtlichen Umgebung, war der Lebens- und Arbeitsalltag geprägt von großen Herausforderungen.<br />

Jede Arbeitskraft zählte und war wichtig, um zu überleben.<br />

Das „Haushalten“ im besten Sinne in Zeiten der Not war mit entscheidend für den<br />

Fortbestand der Familie. In diesen Gesellschaften, die sicher sehr traditionell auch in<br />

der Rollenverteilung waren, hatte jeder und jede eine wichtige Aufgabe. Daraus erwächst<br />

auch, dass Frauen einen sicheren und wichtigen Platz in dieser bäuerlichen<br />

Welt hatten.<br />

Jede Arbeitskraft zählt auf dem Bauernhof. Waren die Rollen auch sehr traditionell<br />

verteilt, Frau eher Haus, Mann eher Hof, war es doch im Stall und auf dem Feld<br />

wichtig, Mitarbeiter zu haben. Das galt bei der Heuarbeit , wie beim Ausbringen des<br />

Mistes, das war in der Verarbeitung von Milch und Fleisch so und im Herrichten des<br />

Feuerholzes. Die Frauen packten mit an und halfen überall mit, denn wirklich jede<br />

Hand wurde benötigt.<br />

In Zeiten der Not und Armut, bei Kargheit ist das Haushalten von entscheidender<br />

Bedeutung. Nicht zuletzt durch das Geschick der Frauen war das Überleben gesichert.<br />

Von den Arbeiten der Frauen hing es auch ab, ob die Familie durch den Winter<br />

kam, ob die Vorräte reichten. Ohne Kühltruhe und ohne Waschmaschine leisteten die<br />

Frauen einen wesentlichen Beitrag zum Wohlbefinden der Familie. Das Backen des<br />

Brotes, das Sammeln der Beeren, das Versorgen der Kinder, der alten Menschen und<br />

der Kranken - alles auch vor allem in Frauenhand.<br />

Später beim Aufkommen des Fremdenverkehrs, wieder, entscheidend für die Entwicklung,<br />

das Bewirten und Umsorgen der Gäste - in Frauenhand.<br />

Walserinnen waren, sind ebenso zäh, so genügsam, so stolz und sparsam wie die<br />

Walser.<br />

Und heute, hat das überhaupt noch eine Bedeutung? Sind wir noch Walserinnen, ist<br />

das uns noch wichtig, oder ist es überholt?<br />

Typisch Walser, typisch Walserin, typisch Mann, typisch Frau, ist das noch gegeben?<br />

Lassen wir doch einige zu Wort kommen:<br />

Önschas Gmendsblättli 3/<strong>2013</strong>

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