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Landinfo<strong>Ausgabe</strong> 4 | 2013<br />
Informationen für die <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung<br />
Schwerpunktthema: Fleisch
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Landesanstalt für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und<br />
der ländlichen Räume (LEL)<br />
Oberbettringer Str. 162<br />
73525 Schwäbisch Gmünd<br />
Telefon: 07171/ 917-100<br />
Telefax: 07171/ 917-101<br />
Schriftleitung<br />
Susanne Mezger<br />
Telefon: 07171/ 917-114<br />
E-Mail: susanne.mezger@lel.bwl.de<br />
Redaktionsbeirat<br />
Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall<br />
Gottfried Bleyer, WBI Freiburg<br />
Martina Burkhardt, RP Stuttgart<br />
Anne Spelzberg, LRA Schwäbisch Hall<br />
Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Robert Koch, LVG Heidelberg<br />
Andreas Maier, RP Karlsruhe<br />
Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis<br />
Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg<br />
Michael Asse, LSZ Boxberg<br />
Daniela Schweikhart, LRA Biberach<br />
Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg<br />
Layout und Text<br />
Ramona Maier<br />
E-Mail: ramona.maier@lel.bwl.de<br />
Hinweis<br />
Alle Artikel werden im Intranet der <strong>Landwirtschaft</strong>s verwaltung bei:<br />
online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene<br />
Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig.<br />
Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:<br />
http://landinfo.landwirtschaft-bw.de<br />
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.<br />
Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.<br />
Druck<br />
e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh<br />
Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart<br />
Erscheinungsdatum<br />
Oktober 2013<br />
ISSN 0947-9392<br />
Titelbild:<br />
MLR Stuttgart
Editorial<br />
Landinfo 4/2013<br />
Fleisch hat in der Ernährung von Menschen seit Jahrtausenden eine Schlüsselrolle eingenommen. Die<br />
Entwicklung von Jäger und Sammler zu sesshaften Ackerbauern erfolgte zeitgleich mit der Domestizierung<br />
von Rind und Schwein zu Haustieren. Über die Haltung von Wiederkäuern konnte das für die<br />
Menschen unverdauliche Grünland genutzt werden, das global immerhin etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen<br />
Fläche einnimmt. Gleichzeitig mit der Fleischerzeugung lieferten die Haustiere Milch,<br />
Häute, Hörner, Mist <strong>als</strong> Dünger und Brennstoff, Zugkraft und, in den alten Bauernhöfen mit der Wohnung<br />
über dem Stall, auch Wärme.<br />
Fleischerzeugung und Veredlungswirtschaft haben auch heute eine große Bedeutung für die landwirtschaftlichen<br />
Betriebe in Baden-Württemberg. Denn 48 % der landwirtschaftlichen Einkommen entfallen<br />
auf diesen Bereich. In den Augen der Verbraucher und Verbraucherinnen wird jedoch die Erzeugung<br />
und der Konsum von Fleisch zunehmend kritisch gesehen. Schlagworte wie die „Kuh <strong>als</strong> Klimakiller“,<br />
„CO 2<br />
-„ und „Methanemissionen“ aus der Tierhaltung, „Gülleüberschüsse“ und „Rückstände in Fleisch“<br />
sind Anlass über die eigenen Ernährungsgewohnheiten nachzudenken und sich kritisch mit den Erzeugungsbedingungen<br />
auseinander zu setzen. Neue Tierschutzlabels für Haltungsformen, die Zunahme des<br />
Ökologischen Landbaus, aber auch eine wachsende Zahl von Vegetariern sind Resultate dieser Diskussionen.<br />
Tierhaltung und Fleischerzeugung in Baden-Württemberg haben sich in den letzten fünfzig Jahren stark<br />
gewandelt. Einem stetigen Rückgang der Rinderzahlen stehen kräftige Zunahmen im Schweinebereich<br />
gegenüber, der sich Mitte der achtziger Jahre verdoppelt hatte und heute aber wieder auf dem Ausgangsniveau<br />
liegt. Ungebremst scheint der Geflügelbereich zu wachsen, da Geflügelfleisch gegenüber Schweine-<br />
und Rindfleisch den Ruf eines gesunden, mageren Lebensmittels genießt, der in die moderne Ernährung<br />
passt.<br />
Eine aktuelle Herausforderung besteht nun darin, ein neues Gleichgewicht zu finden zwischen Tierwohl,<br />
Ökonomie, gesunder Ernährung, Klimaschutz und der Notwendigkeit Grünland und Landschaftspflegeflächen<br />
durch Tierhaltung zu nutzen und zu erhalten. •<br />
Susanne Mezger<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Tel. 07171/ 917114<br />
susanne.mezger@lel.bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhalt<br />
Editorial Mezger 1<br />
Aktuelles<br />
Kurz mitgeteilt 3<br />
Schwerpunktthema Fleisch<br />
Tierhaltung in Baden-Württemberg Riester 5<br />
Fleischrinder im Spannungsfeld von tiergerechter Haltung, Grünlandnutzung, Ressourceneffizienz und Emissionen Flachowsky 11<br />
Betriebscheck „Schweinemast 2013“ zeigt Probleme und hilft bei der Lösung Wolf 14<br />
Fleischqualität beim Schwein Asse 17<br />
Fleisch in der Ernährung Radke 21<br />
Orientierung beim Fleischeinkauf Schweikhard 24<br />
Mitten im Leben<br />
Ernährungsinformation Eier / Rezept Semmelmehlklößchen Czolbe 26<br />
Rezensionen 28<br />
Ländlicher Raum<br />
Runder Tisch - Gemeinsam aktiv für die Artenvielfalt Hauk 31<br />
LEL- Maps - Weit mehr <strong>als</strong> eine Karte Beck 33<br />
Betrieb und Markt<br />
Arbeitswirtschaft und Kosten automatischer Melksysteme: Untersuchung in Praxisbetrieben Mogg 35<br />
Aufgaben und Funktionsweise von Warenterminbörsen für Agrargüter am Beispiel der MATIF (Teil 3) - Terminkurse Schmid 41<br />
Agrarholz und Miscanthus - ein Standbein für Betriebe? (Teil 1) Seidl 45<br />
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Einsatz von „Biokohle“ in der <strong>Landwirtschaft</strong> Mokry 49<br />
Neue Schädlinge in Baden-Württemberg (Teil 1) Dr. Albert 57<br />
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Mit Bacchus gegen Rebkrankheiten und für nachhaltigen Weinbau Kassemeyer 62<br />
Neue Blattfallkrankheit Marssonina coronaria an Äpfeln aufgetreten Hinrichs-Berger 63<br />
Orientierungsdaten Gartenbau in Baden-Württemberg Hintze 68<br />
Sommerexkursion der Vereine Netzwerk Kräuter und Hortus officinarum Paeslack 72<br />
Hauswirtschaft und Ernährung<br />
Erlebnistag Brot <strong>als</strong> Auftaktfür die Aktion Blickpunkt Ernährung Janz 74<br />
Nachhaltige Ernährungs in der Praxis - neue Bildungsangebote Radke 75<br />
Bildung und Beratung<br />
Lehrgang „Zusatzqualifikation ökologischer Landbau“ am LRA Rems-Murr-Kreis Schmitt 78<br />
Kongress Europäische Innovationspartnerschaften in der <strong>Landwirtschaft</strong> Beutel 80<br />
Enderle 82<br />
Umweltbildung stärker im Lehrplan berücksichtigen Denninger 83<br />
Zu Gast im Ländle - Als Referendar aus Niedersachsen zur Ausbildung an der LEL Küwen 84<br />
Ausbildertagung zum Thema „Drei Jahre Verordnung Milchtechnologe/in“ Schleifer 86<br />
Verwaltung aktuell<br />
140 Jahre Saatgutprüfung in Augustenberg, Karlsruhe Jonitz, Leist<br />
LVG-Praxiskurse „Sanierung von Weinbergstrockenmauern“<br />
Heck<br />
Redaktionsschluss der <strong>Ausgabe</strong> 5/2013: 28.10.2013<br />
2 Landinfo 4 | 2013
Aktuelles<br />
Kurzmitteilungen<br />
Vieh und Fleisch 2012<br />
Neueste Zahlen zur Fleischerzeugung und zur<br />
Verarbeitung enthält der aktuell in der Reihe „Material<br />
aus der Ernährungswirtschaft des Landes<br />
Baden-Württemberg“ erschienene Band „Vieh<br />
und Fleisch 21012“. Er ist erhältlich bei der Landesanstalt<br />
für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong><br />
und der ländlichen Räume und kann im Internet<br />
unter https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/<br />
MLR.LEL,Lde/ Startseite/Markt und Ernährung<br />
/Vieh und Fleisch 2012 abgerufen werden. •<br />
Session „Dairy farming after 2015“ bei der<br />
Jahrestagung der Europäischen Vereinigung<br />
für Tierwissenschaften (EAAP) in Nantes (F)<br />
mit Aulendorfer Beteiligung<br />
Eine besondere Ehre wurde Prof. Dr. Elsäßer<br />
vom LAZBW mit der Einladung zu einem Vortrag<br />
über „Environmental aspects of dairy farming“<br />
bei der EAAP Conference 2013 in Nantes (Frankreich)<br />
zuteil. Er berichtete dort über die gemeinsam<br />
mit Dr. Jilg (LAZBW) und Jouke Oenema<br />
von der University Wageningen erarbeiteten Ergebnisse<br />
des EU-Dairyman-projektes, das in enger<br />
Zusammenarbeit mit 13 weiteren Partnern aus<br />
Nordwesteuropa entstanden ist. Positive Entwicklungen<br />
bei N- und P-Bilanzen und der Verbesserung<br />
der Effizienz bei der Nutzung von Stickstoff<br />
und Phosphor in den 127 Pilotbetrieben während<br />
der Projektlaufzeit konnten berichtet werden. Dabei<br />
gibt es charakteristische Unterschiede zwischen<br />
den beteiligten Regionen sowohl hinsichtlich<br />
der Nährstoffsalden <strong>als</strong> auch hinsichtlich der<br />
Klimagase. Dort scheint es so zu sein, dass bei<br />
einer individuellen Milchleistung von etwa 8.000<br />
kg Milch die Treibhausgasbelastung insgesamt am<br />
geringsten ist. Im Focus stand auch die Bewertung<br />
nachhaltiger Entwicklung mit dem Dairyman-<br />
Nachhaltigkeitsindex, mit dem unter anderem<br />
Entwicklungen in landwirtschaftlichen Betrieben<br />
ganzheitlich sichtbar gemacht werden können.<br />
Weitere Infos zu Dairyman und dem Nachhaltigkeitsindex<br />
sind in Aulendorf und auf www.interregdairyman.eu<br />
erhältlich. •<br />
Fleisch Weiß oder rot?<br />
(aid) - Weißes Fleisch, das von Geflügel stammt,<br />
besitzt allgemein einen besseren Ruf <strong>als</strong> rotes. Unter<br />
rotem Fleisch versteht man in der Regel Rindund<br />
Kalbfleisch, Schweinefleisch, Schaf- und<br />
Lammfleisch, Ziegenfleisch sowie Wildbret. Zahlreiche<br />
Studien legen auch den Verdacht nahe, dass<br />
der Verzehr von rotem Fleisch „ sowie daraus verarbeiteten<br />
Erzeugnissen „ das Risiko erhöht, an<br />
Krebs zu erkranken. Nach Meinung des Bundesinstituts<br />
für Risikobewertung (BfR) kann aus den<br />
vorhandenen Daten dennoch nicht eindeutig abgeleitet<br />
werden, dass ein kausaler Zusammenhang<br />
zwischen Fleischkonsum und Krebserkrankungen<br />
oder anderen Todesursachen besteht. Höchstwahrscheinlich<br />
gebe es mehrere Ursachen. Dazu<br />
zählten neben genetischen Faktoren auch chemische<br />
Verbindungen, die beispielsweise bei der Zubereitung<br />
von Fleisch entstehen. Zu bedenken ist<br />
ferner, dass bei einer sehr fleischlastigen Ernährung<br />
Obst und Gemüse meist zu kurz kommen.<br />
Dadurch verringert sich die Aufnahme an Vitaminen,<br />
Miner<strong>als</strong>toffen und sekundären Pflanzenstoffen.<br />
aid-Newsletter Nr. 35/2013 •<br />
Weidehaltung von Milchkühen<br />
(aid) - In Europa kommen immer weniger Kühe<br />
auf die Weide. So lautet das Fazit einer Studie der<br />
Universität Wageningen im Auftrag der Weltgesellschaft<br />
für Tierschutz, kurz WSPA. Die Wissenschaftler<br />
untersuchten den aktuellen Zustand der<br />
Weidehaltung von Milchkühen und deren voraussichtliche<br />
Entwicklung bis 2025 in sechs nordwesteuropäischen<br />
Ländern. Danach lag der Anteil<br />
der Kühe mit Weidegang im Jahr 2012 zwischen<br />
30 Prozent in Dänemark und 100 Prozent in Irland.<br />
In Nordwest-Deutschland waren es etwa 50<br />
Prozent. Bis zum Jahr 2025 wird aber ein Rückgang<br />
auf zwei Prozent erwartet. Der zunehmende<br />
Trend zur ganzjährigen Stallhaltung sei vor allem<br />
auf die Intensivierung der <strong>Landwirtschaft</strong> zurückzuführen.<br />
Die Betriebe stehen unter Druck, ihre<br />
Leistungsfähigkeit zu steigern und höhere Erträge<br />
pro Kuh zu erzielen, so die Wissenschaftler. Doch<br />
nach den Ergebnissen der Studie ist auch die Weidehaltung<br />
finanziell lohnend. Zum einen haben<br />
die Erzeuger geringere Fütterungs- und Stallhaltungskosten<br />
und können daher mehr Gewinn pro<br />
Liter Milch erzielen. Ein weiterer Vorteil sind Gesundheit<br />
und Wohlbefinden der Tiere. Auf der<br />
Weide können die Rinder eher ihren natürlichen<br />
Verhaltensweisen nachgehen. Sie produzieren<br />
zwar weniger Milch, sind aber auch gesünder und<br />
leben länger. Nach einer <strong>Landwirtschaft</strong>szählung<br />
des Deutschen Bauernverbands aus dem Jahr<br />
2010 werden in ganz Deutschland 42 Prozent der<br />
Milchkühe mit Weidegang gehalten. Regional gibt<br />
es allerdings Unterschiede.<br />
aid-Newsletter Nr. 36/2013 •<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
3
Aktuelles<br />
Fleischproduktion in Deutschland marginal<br />
gestiegen<br />
Im. ersten Halbjahr 2013 sind in Deutschland insgesamt<br />
annähernd 4,0 Mio t Fleisch gewerblich<br />
erzeugt worden; gegenüber dem vergleichbaren<br />
Vorjahreszeitraum war das eine nur noch geringfügige<br />
Steigerung um 4.500 t oder 0,1 %. Das<br />
zweite Quartal bescherte dabei ein leichtes Plus,<br />
nachdem die Fleischerzeugung in den ersten drei<br />
Monaten im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode<br />
um 0,1 % zurückgegangen war. Die<br />
Stagnation der gewerblichen Fleischerzeugung in<br />
Deutschland ist laut den Angaben des Statistischen<br />
Bundesamtes (Destatis) im Wesentlichen<br />
auf den starken Rückgang bei den Rinderschlachtungen<br />
zurückzuführen. Die Rindfleischerzeugung<br />
machte im Berichtshalbjahr nur noch 13,1 %<br />
des <strong>gesamte</strong>n gewerblichen Fleischaufkommens<br />
aus, verglichen mit noch 13,9 % in den ersten<br />
sechs Monaten des vergangenen Jahres; vor vier<br />
Jahren waren es noch mehr <strong>als</strong> 15 % gewesen. Der<br />
Anteil der Schweinefleischerzeugung erhöhte sich<br />
im Berichtshalbjahr entsprechend dem Minus<br />
beim Rindfleisch, nämlich um 0,75 Prozentpunkte<br />
auf 68,7 %, während sich die relative Bedeutung<br />
der gewerblichen Geflügelfleischproduktion bei<br />
einem Anteil von zuletzt 17,9 % kaum veränderte.<br />
Der Anteil an Schaf-, Ziegen- und Pferdefleisch<br />
betrug zusammen weniger <strong>als</strong> 0,3 %.<br />
Agrargewerbliche Wirtschaft Nr. 8/2013 •<br />
„Weideochse vom Limpurger Rind“ erhält<br />
„Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)<br />
Die Europäische Kommission schützt ein Fleischerzeugnis<br />
aus Baden-Württemberg: der „Weideochse<br />
vom Limpurger Rind“ wurde mit der<br />
Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am 24.09.2013<br />
in die Liste der geschützten Ursprungsbezeichnungen(g.U.)<br />
aufgenommen und europaweit<br />
geschützt. Damit darf dieses Fleisch nur<br />
noch unter diesem Namen und mit dem höchsten<br />
EU-Siegel verkauft werden, wenn es die hohen<br />
Anforderungen erfüllt: Das Fleisch muss von<br />
reinrassigen, von der Abstammung her herdbuchfähigen<br />
Limpurger Ochsen mit einem Schlachtalter<br />
von über 30 Monaten stammen. Sie müssen im<br />
Schutzgebiet – das sind die Landkreise Ostalb,<br />
Schwäbisch Hall, Rems-Murr, Hohenlohe und<br />
Main-Tauber sowie die angrenzenden Gemeinden<br />
Wüstenrot, Löwenstein und Hardheim – geboren,<br />
aufgewachsen, geschlachtet und zerlegt werden.<br />
Weidehaltung in der Vegetationsperiode und<br />
Laufstallhaltung mit Einstreu im Winter sind<br />
ebenso Pflicht wie Fütterung ausschließlich mit<br />
Weidefutter, Gras, Heu, Grassilage und Getreide<br />
aus dem Schutzgebiet. Mais und Soja sind nicht<br />
zugelassen. Durch eine kurze Endmast von 1 – 2<br />
Monaten mit etwas zusätzlichem Getreide wird<br />
eine gute Marmorierung des Fleisches erreicht.<br />
Der Weideochse vom Limpurger Rind ist in<br />
Deutschland erst das achte Lebensmittel (ohne die<br />
Mineralwässer), das das Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“<br />
tragen darf. •<br />
Alles rund um Fleisch und<br />
Fleischerzeugnisse<br />
Neues aid-Heft informiert von Stall bis Teller<br />
Das grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte<br />
aid-Heft „Fleisch und Fleischerzeugnisse“<br />
zeigt, worauf es ankommt. Die unterschiedlichen<br />
Produktionsmethoden - konventionell und<br />
bio - werden ausführlich beschrieben. Das Heft<br />
bietet eine umfassende und neutrale Übersicht,<br />
wie Fleisch hergestellt wird beziehungsweise Tiere<br />
gehalten werden. Im Mittelpunkt steht die detaillierte<br />
warenkundliche Beschreibung der verschiedenen<br />
Fleischarten und Teilstücke. Ferner erläutert<br />
das Heft, was es mit dem Dry Aging bei der<br />
Fleischreifung auf sich hat und geht der Frage<br />
nach, ob weißes Fleisch wirklich gesünder ist <strong>als</strong><br />
rotes Fleisch. Schließlich gibt es noch Hinweise<br />
auf nährstoffschonendes Zubereiten.<br />
aid-Heft „Fleisch und Fleischerzeugnisse“, 100<br />
Seiten, 16. Auflage 2013 Bestell-Nr. 1005, ISBN<br />
978-3-8308-1096-4 Preis: 4,00 Euro<br />
aid-Newsletter Nr 32 •<br />
In vitro veritas?<br />
(aid) - Vielleicht wird der 5. August 2013 bei unseren<br />
Enkeln in den Biologie-Büchern stehen. Der<br />
Tag <strong>als</strong> Beginn einer besseren Welt. Ein sommerlicher<br />
Montag, an dem der erste geklonte Burger<br />
auf den Tisch kam - ganz ohne Rind. Die Geschichte<br />
beginnt mit der Entnahme von Myosatellitenzellen<br />
mittels Spritze aus dem Nacken eines<br />
Rindes. Das sind Stammzellen, die sich sehr einfach<br />
und schnell zu Muskelzellen entwickeln. Diese<br />
Stammzellen wurden von einer Gruppe von<br />
Forschern von der Universität Maastricht mittels<br />
Nährlösungen und elektrischer Stimulation vermehrt.<br />
So wurden aus ein paar Zellen so um die<br />
20.000 Muskelstränge generiert. Das reichte - für<br />
einen Burger. Wird es <strong>als</strong>o in 20 bis 30 Jahren so<br />
sein, dass Kühe nur noch für die Idylle in ländlichen<br />
Gebieten sorgen oder gar seltene Rinderrassen<br />
im Zoo zu bestaunen sein werden? Wird es so<br />
sein, dass ganze Ställe Laboreinrichtungen weichen?<br />
Das Thema wird die <strong>gesamte</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>s-<br />
und Ernährungsbranche (inklusive Ethikdiskussion)<br />
noch sehr lange begleiten.<br />
aid-Newsletter Nr 32 •<br />
4<br />
Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Moderner Boxenlaufstall<br />
Bild: S. Mezger<br />
Richard Riester<br />
Tierhaltung in Baden-Württemberg<br />
Im Folgenden soll zum Einstieg in das Schwerpunktthema Fleisch ein Überblick über die langfristige<br />
Entwicklung von Tierbeständen, Strukturen und die Erzeugung tierischer Produkte in Baden-<br />
Württemberg gegeben werden.<br />
Die Tierhaltung in Baden-Württemberg war in<br />
den letzten Jahrzehnten enormen Veränderungen<br />
unterworfen (Abb. 1, Tab. 1). Der Umfang<br />
der Rindviehhaltung im Lande blieb von 1960 bis<br />
Mitte der 80er-Jahre bei attraktiven Rindfleischpreisen<br />
weitgehend konstant. Trotz abnehmender<br />
Kuhbestände wurden bis zur Einführung der<br />
Quotenregelung verhältnismäßig große Jungviehbestände<br />
gehalten. Mit dem Verfall der Rindfleischpreise<br />
im Zuge der geänderten EU-<br />
Agrar(preis)politik ging der Anteil der Mastrinder<br />
ab 1983 stark zurück. Insgesamt hat sich der Rinderbestand<br />
im Land von einem Niveau von 1,8 -<br />
1,9 Mio. Rindern auf nunmehr weniger <strong>als</strong> 1 Mio.<br />
Rinder fast halbiert.<br />
Die Milchkuhhaltung war in den 1950er und 60er<br />
Jahren weitgehend stabil. Eine erste Zäsur ergab<br />
sich auf Grund der Vollversorgung der EU und<br />
ersten Korrekturen in der EU-Agrarpolitik. In<br />
den 70er Jahren gingen die Milchkuhbestände bei<br />
attraktiven (gestützten) Erzeugerpreisen für Milch<br />
nur wenig zurück. Ab der Einführung der Milchquotenregelung<br />
1984 haben sich die Bestände entsprechend<br />
dem Milchleistungszuwachs deutlich<br />
rückläufig entwickelt. 2013 werden nur noch 39 %<br />
der Milchkühe von 1951 gehalten. Die Tendenz in<br />
Baden-Württemberg zeigt weiter nach unten, wie<br />
auch die Quotenabwanderungen nach Nordwestdeutschland<br />
der letzten Jahre zeigen.<br />
Dank zunehmendem Wohlstand und dadurch bedingter<br />
wachsender Fleischnachfrage und attraktiven<br />
Schweinepreisen verdoppelte sich der Schweinebestand<br />
im Land von 1950 bis Mitte der 80er<br />
Jahre. Die Zuchtsauenhaltung wurde sogar auf<br />
Rinder insgesamt 1)<br />
- Milchkühe<br />
- sonstige Kühe<br />
1) 4)<br />
Schweine insgesamt<br />
- Mastschweine (> 50 kg)<br />
- Zuchtsauen<br />
Schafe 2)<br />
Ziegen 3)<br />
Halter<br />
18.393<br />
9.362<br />
.<br />
2.900<br />
.<br />
1.400<br />
1.400<br />
.<br />
Pferde 3) .<br />
Legehennen (> 3.000 Plätze) 1)<br />
143<br />
Masthühner 3)<br />
362<br />
Truthühner 3) 298<br />
Tabelle 1<br />
Nutztierhaltung in<br />
Baden-Württemberg<br />
Quelle: StaLa<br />
Tiere<br />
996.583<br />
343.235<br />
63.099<br />
1.878.500<br />
696.500<br />
181.200<br />
221.700<br />
25.206<br />
59.741<br />
1.675.275<br />
1.016.592<br />
927.671<br />
1) Mai 2013 2) November 2012<br />
3) März 2010 4) Nur Schweinehalter mit mind. 10 Zuchtsauen oder mind. 50 anderen Schweinen<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
5
Schwerpunktthema<br />
Mio. Tiere<br />
2,0<br />
1,8<br />
Rinder<br />
Mio. Tiere<br />
2,4<br />
2,2<br />
Schweine<br />
Die Putenhaltung spielt seit Ende der 70er Jahre<br />
mit Einführung spezialisierter Haltungsformen<br />
eine zunehmende Rolle und erreichte 2010 fast 1<br />
Mio. Tiere.<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
1.000 Tiere<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Rinder<br />
Milchkühe<br />
0,0<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
Pferde/Schafe/Ziegen<br />
Pferde<br />
Schafe<br />
Ziegen<br />
0<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
Abbildung 1<br />
Entwicklung der Tierbestände<br />
in Baden-Württemberg seit<br />
1950<br />
Quelle: StaLa<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0,0<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
Mio. Tiere<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Hühner<br />
Geflügel<br />
Gänse, Enten, Puten<br />
Schweine<br />
Zuchtsauen<br />
0<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
das 3-fache ausgedehnt. Letztere hatte bis zur<br />
Jahrtausendwende eine fast 50 Jahre andauernde<br />
Blütezeit, wo durch den florierenden Ferkelexport<br />
eine bedeutende Wertschöpfung in die hohenlohischen<br />
und oberschwäbischen Dörfer geflossen ist.<br />
Mit der Veränderung der Strukturen in der Mast<br />
- und damit der zunehmenden Bedeutung der Partiegröße<br />
<strong>als</strong> wertbestimmendem Merkmal bei Ferkeln<br />
- ist die heimische Ferkelerzeugung auf<br />
Grund ihrer geringen Bestandsgrößen seit der<br />
Jahrtausendwende im Niedergang. Beschleunigt<br />
wird die Entwicklung noch durch verschärfte Haltungsvorgaben,<br />
die viele Zuchtsauenhalter zur<br />
Aufgabe zwingen. Aktuell liegen die Sauenbestände<br />
nur noch auf dem Niveau Mitte der 60er Jahre.<br />
Die Hühnerbestände (Legehennen und Masthühner)<br />
expandierten in den 50er und 60er Jahren<br />
stark, 1966 lag die Zahl der Hühner bei fast 10<br />
Mio. Tieren. Mit der Aufgabe der Kleinhaltungen<br />
und in Folge der enormen Spezialisierung und<br />
Leistungssteigerung im Hühnerbereich (1955: 118<br />
Eier/Jahr, 2012: 298 Eier/Jahr) wurden auch hier<br />
die Bestände laufend abgebaut.<br />
In den 1950er und 60er Jahren verschwanden im<br />
Zuge des zunehmenden Wohlstandes und der<br />
Veränderung der Städte und Dörfer die Ziegen <strong>als</strong><br />
Kuh des kleinen Mannes ebenso fast vollständig<br />
wie auch das in den Dörfern traditionelle Wassergeflügel.<br />
Auch die Pferdebestände brachen in Folge<br />
der Mechanisierung der <strong>Landwirtschaft</strong> stark<br />
ein. Die Schafhaltung erlebte mit der Aufgabe der<br />
Wanderschafhaltung bis 1965 einen Einbruch, der<br />
durch Koppelschafhaltung und größere Einzelherden<br />
wieder ausgeglichen wurde.<br />
Regionale Entwicklung<br />
Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist aus klimatischen,<br />
topografischen und strukturellen Gründen<br />
schwerpunktmäßig auf bestimmte Regionen<br />
konzentriert. Klassische Viehhaltungsgebiete sind<br />
die niederschlagsreichen, grünlandbetonten Teile<br />
des Landes (Oberschwaben, Ostalb, Hohenlohe)<br />
und der Schwarzwald.<br />
Der Rückgang der Rinder- und Schweinehaltung<br />
in den letzten Jahrzehnten fand allerdings nicht<br />
gleichmäßig im Land statt. Aufgegeben wurde die<br />
Viehhaltung besonders in dicht besiedelten Regionen,<br />
wo außerlandwirtschaftliche Erwerbsalternativen<br />
gegeben waren. Auch in Ackerbauregionen<br />
und Gebieten mit Sonderkulturen wurde die<br />
Viehhaltung überproportional abgebaut. Meist<br />
korreliert dies auch mit der Besitzstruktur, besonders<br />
in Realteilungsgebieten mit hoher Siedlungsdichte<br />
und geringen Betriebsgrößen wurde die<br />
Viehhaltung weitestgehend aufgegeben.<br />
Eine Gegenüberstellung der letzten 20 Jahre zeigt,<br />
welche Spuren dieser Prozess im Land hinterlassen<br />
hat (Abb. 2). Das Rheintal, der Kraichgau, die<br />
Main-Tauber-Region, die Gäulandschaften des<br />
mittleren Neckarraums und das Bodenseegebiet<br />
haben massiv an Viehhaltung verloren. Auch die<br />
Randbereiche (Nordschwarzwald, Südschwarzwald,<br />
Odenwald, Schwäbischer Wald, Schwäbische<br />
Alb und westliches Oberschwaben) der klassischen<br />
Tierhaltungsregionen wurden vom Bestandsabbau<br />
nicht verschont. Inzwischen bilden<br />
sich die drei verbleibenden Schwerpunktregionen<br />
Oberschwaben/Allgäu, Hohenlohe/Schwäbischer<br />
Wald und Mittlerer Südschwarzwald immer<br />
stärker heraus.<br />
6<br />
Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
1991 2010<br />
Abbildung 2<br />
Veränderung der Viehdichte<br />
(GV/ha LF) 1991 bis 2010<br />
Rinder<br />
Schweine<br />
Abbildung 3<br />
Rinder- und Schweinedichte<br />
2010<br />
Differenziert nach Tierarten zeigt sich bei Rindern<br />
noch eine gleichmäßigere Verteilung, da die<br />
Rinderhaltung stärker an das Grünland gebunden<br />
ist (Abb. 3).<br />
Bei den Schweinen sind die Schwerpunktregionen<br />
in Hohenlohe und Oberschwaben wesentlich<br />
deutlicher auszumachen. Auch die Ulmer und<br />
Heidenheimer Alb stechen hervor. Die ehem<strong>als</strong><br />
stärkere Schweinehaltung am Osthang des<br />
Schwarzwaldes und im Ludwigsburger Raum ist<br />
kaum mehr erkennbar.<br />
Strukturen<br />
Die Zahl der Halter ist in den letzten Jahrzehnten<br />
in Baden-Württemberg wesentlich stärker zurückgegangen<br />
<strong>als</strong> die Zahl der Tiere (Abb. 4).<br />
So hat sich die Zahl der Rinderhalter seit 1975 um<br />
83 % auf 18.393 Halter verringert. Besonders die<br />
Kleinbetriebe bis 20 Rinder verschwanden zu 90<br />
% (Abb. 5). Gab es 1975 gerade einmal 300 Rinderhalter<br />
mit über 100 Rindern, so waren dies<br />
2012 3.227 Halter, die 54 % der Rinder hielten.<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
7
Schwerpunktthema<br />
Abbildung 4<br />
Entwicklung der Zahl der<br />
Rinder- und Schweinehalter<br />
Quelle: StaLa<br />
1.000 Halter<br />
140<br />
120<br />
100<br />
Rinderhalter<br />
Milchkuhhalter<br />
Schweinehalter<br />
Zuchtsauenhalter<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1975 1985 1995 2005<br />
Abbildung 5<br />
Entwicklung der Strukturen<br />
in der Rinder- und<br />
Schweinehaltung<br />
Quelle: StaLa<br />
Im Milchkuhbereich war der Strukturwandel noch<br />
drastischer. Hier gaben in den 37 Jahren seit 1975<br />
90 % der Milchkuhhalter das Melken auf, wobei<br />
die Kleinstbestände bis 9 Kühe mit -97 % praktisch<br />
vollständig verschwunden sind. In der heute<br />
dominierenden Klasse ab 50 Kühen waren 1975<br />
gerade einmal 92 Halter mit 0,8 % der Tiere zu<br />
finden, gegenüber 2.471 Haltern und 58 % der<br />
Kühe in 2012. Entsprechend haben sich auch die<br />
Haltungssysteme geändert. Inzwischen dürften<br />
knapp 70 % der Milchkühe im Land in Laufställen<br />
stehen, gegenüber 1975, <strong>als</strong> noch über 95 % der<br />
Kühe angebunden waren.<br />
Im Schweinebereich war der Strukturwandel am<br />
stärksten. 93 % der Halter gaben seit 1975 die<br />
Schweinehaltung auf, 2010 wurden noch 8.700<br />
Halter gezählt, gegenüber 132.500 im Jahr 1975.<br />
Im Mai 2013 waren nach geänderten Zählmodalitäten<br />
noch 2.900 Halter mit mindestens 10<br />
Zuchtsauen oder 50 anderen Schweinen übrig.<br />
Die Bestandsgrößenklasse 1.000 Schweine und<br />
mehr, die 1975 gerade von 4 Betrieben erreicht<br />
wurde, stellte 2010 mit 699 Haltern (8 % der Halter)<br />
48 % des Bestandes.<br />
Bei den Zuchtsauen verblieben bis Mai 2013 noch<br />
1.400 Halter mit 10 und mehr Zuchtsauen. Gegenüber<br />
1975, <strong>als</strong> noch 35.500 Halter gezählt worden<br />
waren, ist dies ein Minus von 96 %.<br />
Aktuelle Entwicklungen<br />
Eine Analyse der Daten des gemeinsamen Antrags<br />
zeigt eindrucksvoll den jüngsten, weiterhin<br />
drastisch verlaufenden Strukturwandel in der Tierhaltung<br />
(Abb. 6).<br />
Bei den Milchkühen hat von 2010 bis 2013 ein<br />
erheblicher Bestandsumbau stattgefunden. So<br />
nahm die Kuhzahl in den Beständen bis 70 Kühen<br />
1.000 Kühe<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
Milchkühe<br />
50 und mehr<br />
30–49<br />
20–29<br />
10–19<br />
1–9<br />
Millionen<br />
Mio. Rinder<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
Rinder<br />
100 und mehr<br />
50–99<br />
20–49<br />
10–19<br />
1–9<br />
Millionen<br />
Mio. Schweine<br />
2,4<br />
2,2<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
Schweine<br />
1.000 und mehr<br />
400–999<br />
100–399<br />
20–99<br />
1–19<br />
0<br />
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />
0,0<br />
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />
0,0<br />
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />
8 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Tiere<br />
100000<br />
90000<br />
80000<br />
70000<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
4.722 Halter 1.799 Halter 1.142 Halter 865 Halter 410 Halter 30 Halter<br />
74.193<br />
-23%<br />
72.340<br />
-14%<br />
2010 2013<br />
69.041<br />
-13%<br />
71.870<br />
+18%<br />
Halter: 8.968 (-16%)<br />
Milchkühe: 348.506 (-2%)<br />
53.246<br />
+62%<br />
1 - 30 31 - 50 51 - 70 71 - 100 101 - 200 > 200<br />
+225%<br />
7.816<br />
Abbildung 6<br />
Entwicklung der Milchkuhund<br />
Zuchtsauenhaltung<br />
2010 - 2013<br />
Quelle: Gemeinsamer Antrag<br />
2010 und 2013<br />
Tiere<br />
90000<br />
959 Halter 342 Halter 408 Halter 191 Halter 25 Halter<br />
80000<br />
70000<br />
2010 2013<br />
Halter: 1.925 (-32%)<br />
Zuchtsauen: 157.981 (-21%)<br />
60000<br />
50000<br />
40000<br />
30000<br />
61.013<br />
-23%<br />
50.204<br />
+2%<br />
20000<br />
10000<br />
0<br />
24.603<br />
-45%<br />
10.184<br />
11.977<br />
+40%<br />
-40%<br />
1 - 40 41 - 100 101 - 200 201 - 400 > 400<br />
um 17 % ab, während die Betriebe oberhalb der<br />
aktuellen Wachstumsschwelle von 70 Kühen um<br />
38 % aufstockten. Besonders die Bestände über<br />
200 Kühe haben sich sowohl bei der Zahl der<br />
Halter, <strong>als</strong> auch der Kühe in der kurzen Zeit mehr<br />
<strong>als</strong> verdoppelt. Auch zwischen 100 und 200 Kühen<br />
findet enormes Wachstum statt. 2013 halten<br />
1.305 Halter über 70 Kühe.<br />
Bei den Zuchtsauen ist die jüngste Entwicklung<br />
noch dramatischer. Die starke Preisdifferenzierung<br />
von bis zu 15 €/Ferkel zwischen Kleingruppen<br />
und 250er Gruppen, die unbefriedigende<br />
Wirtschaftlichkeit in 2010 und 2011 und die Vorgaben<br />
der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung<br />
zur Gruppenhaltung tragender Sauen haben<br />
eine massive Aufgabewelle bewirkt. Am stärksten<br />
getroffen wurden die Bestände zwischen 41 und<br />
60 Zuchtsauen, die um 51 % eingebrochen sind.<br />
Insgesamt ist die Sauenzahl in Beständen unter<br />
100 Sauen um 44 % zurückgangen. Ein bescheidenes<br />
Wachstum von nur 8 % fand in Betrieben<br />
über 200 Sauen statt. 2013 halten noch 966<br />
Zuchtsauenhalter über 40 Sauen.<br />
Versorgung<br />
Die zunehmende Bevölkerung, Verschiebungen<br />
in den Ernährungsgewohnheiten und die abnehmenden<br />
Bestände haben bei vielen tierischen Produkten<br />
zu einer rückläufigen Selbstversorgung in<br />
Baden-Württemberg geführt (Tab. 2).<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
9
Schwerpunktthema<br />
Tabelle 2<br />
Geschätzte<br />
Selbstversorgungsgrade<br />
tierischer Erzeugnisse in<br />
Baden-Württemberg<br />
Quelle: LEL<br />
in Prozent 1987 2012<br />
Rind- und Kalbfleisch<br />
86<br />
66<br />
Schweinefleisch<br />
44<br />
55<br />
Geflügelfleisch<br />
Milch und Milcherzeugnisse<br />
Eier und Eierprodukte<br />
29<br />
73<br />
49<br />
26<br />
56<br />
33<br />
Schätzung aus Bruttoeigenerzeugung und über die Bevölkerung abgeleitetem Bundesverbrauch<br />
1.000 t<br />
600<br />
Bruttoeigenerzeugung<br />
1.000 t<br />
600<br />
Verbrauch<br />
%<br />
120<br />
Selbstversorgungsgrad<br />
500<br />
Schweinefleisch<br />
500<br />
100<br />
400<br />
Rindfleisch<br />
400<br />
Schweinefleisch<br />
Rindfleisch<br />
80<br />
Geflügelfleisch<br />
300<br />
300<br />
Sonst. Fleisch<br />
60<br />
200<br />
200<br />
40<br />
100<br />
100<br />
20<br />
Rindfleisch<br />
Schweinefleisch<br />
0<br />
87 92 97 02 07 12<br />
0<br />
87 92 97 02 07 12<br />
0<br />
87 92 97 02 07 12<br />
Abbildung 7<br />
Versorgung mit Fleisch in<br />
Baden-Württemberg<br />
Quelle: LEL<br />
Richard Riester<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Tel. 07171/ 917205<br />
richard.riester@lel.bwl.de<br />
Durch Leistungssteigerungen konnte der Bestandsrückgang<br />
teilweise kompensiert werden. Als<br />
Beispiel sei die Milcherzeugung genannt, die von<br />
1975 bis 2012 trotz halbierter Milchkuhbestände<br />
wegen der gleichzeitig von 3.598 auf 6.557 kg gestiegenen<br />
Milchleistung nur um 9 % auf 2,23 Mio.<br />
t zurückging. Im Schweinebereich konnte die Produktion<br />
sogar ausgedehnt und der Selbstversorgungsgrad<br />
erhöht werden (Abb. 7). Auch bei Geflügelfleisch<br />
wurde der insgesamt geringe Anteil<br />
der Eigenerzeugung trotz starker Verbrauchszunahmen<br />
einigermaßen gehalten. Bei Rindfleisch<br />
geht die Eigenversorgung bei sich stabilisierendem<br />
Verbrauch und rückläufigen Beständen seit<br />
dem BSE-Einbruch kontinuierlich zurück.<br />
Im Zuchtsauenbereich wird zwar ein Teil des Bestandsabbaus<br />
durch höhere Tierleistungen in den<br />
verbleibenden Betrieben kompensiert, dennoch<br />
dürfte 2013 die rechnerische 100 %-Marke der<br />
Eigenversorgung nach unten durchschritten worden<br />
sein, während vor 20 Jahren jährlich noch 1,5<br />
Mio. Ferkel exportiert werden konnten. Baden-<br />
Württemberg ist daher künftig auf Ferkelimporte<br />
angewiesen. Größere Partien werden ohnehin<br />
schon seit Jahren aus Ostdeutschland und Dänemark<br />
ins Land geliefert, da sie hierzulande nicht<br />
verfügbar sind.<br />
Zusammenfassung<br />
Insgesamt entwickelt sich die landwirtschaftliche<br />
Tierhaltung in Baden-Württemberg auf Grund<br />
der kleinteiligen Agrarstruktur, der dichten Besiedelung<br />
und der guten außerlandwirtschaftlichen<br />
Erwerbsmöglichkeiten weiter rückläufig. Mit<br />
Nord- und Ostdeutschland vergleichbare wettbewerbsfähige<br />
Strukturen entwickeln sich nur in wenigen<br />
Bereichen wie der Michviehhaltung. Ansonsten<br />
wandern Produktionskapazitäten weiter<br />
in andere deutsche und europäische Produktionszentren<br />
ab. Auch im Bereich der Rindvieh-,<br />
Zuchtsauen- und Mastschweinehaltung konzentriert<br />
sich - wie bereits seit einigen Jahrzehnten in<br />
der Geflügelhaltung - die Produktion immer stärker<br />
auf einige hundert, bei Rindern wenige tausend<br />
Betriebe. •<br />
10 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Fleischrinder auf dem<br />
Schwegelhof bei Essingen<br />
Foto: R. Maier<br />
Prof. Gerhard Flachowsky, Dr. Ulrich Meyer<br />
Fleischrinder im Spannungsfeld von tiergerechter Haltung,<br />
Grünlandnutzung, Ressourceneffizienz und Emissionen<br />
Rindfleisch stellt ein wertvolles Lebensmittel tierischer Herkunft dar. Global entfallen etwa 22 % des<br />
Fleischaufkommens auf Rindfleisch (FAO, 2012), in Deutschland sind es 1,1 Millionen t (gewerbliche<br />
Erzeugung, Statistisches Bundesamt 2013) bzw. 14 % des <strong>gesamte</strong>n Fleischaufkommens.<br />
Global werden mehr <strong>als</strong> eine Milliarde Rinder<br />
auf Weiden und anderen Dauerkulturen<br />
(weltweit etwa 3,5 Mrd. ha), weitgehend von sogenannten<br />
Subsistenz-Farmern (Selbstversorgung),<br />
gehalten. Weltweit leben etwa 500 Mio. Farmer<br />
unter solchen Bedingungen, zu deren Familien etwa<br />
2 Mrd. Menschen gehören. Die Welt-Ernährungsorganisation<br />
(FAO) schätzt ein, dass der<br />
Fleischverzehr (insgesamt) bis 2050 um etwa 70%<br />
ansteigen wird, wobei die größte Steigerung bei<br />
Geflügelfleisch zu erwarten ist.<br />
Die Weidenutzung der Rinder spielt in Deutschland<br />
vor allem bei den 0,7 Millionen Mutterkühen<br />
(Statistisches Bundesamt 2011) und deren Nachkommen<br />
eine bedeutende Rolle.<br />
Die Weidehaltung von Wiederkäuern (Rinder,<br />
Schafe und Ziegen), dabei vor allem die von Mutterkühen<br />
mit wachsenden Rindern, ist in den zurückliegenden<br />
Jahren wegen der geringen Ressourceneffizienz<br />
infolge der „doppelten Veredlung“<br />
(Futter – Milch – Fleisch) und der hohen<br />
Methanemissionen, aber auch der möglichen<br />
Lachgasbildung bei pferchähnlicher Haltung in<br />
den Wintermonaten verstärkt in die öffentliche<br />
Kritik geraten. Im Beitrag soll versucht werden,<br />
die Pros und Kontras dieser Haltungsform etwas<br />
näher zu betrachten.<br />
Emissionen bei der Erzeugung<br />
verschiedener Lebensmittel tierischer<br />
Herkunft<br />
Bei näherer Betrachtung sind die geringe Ressourceneffizienz<br />
und die hohen Ausscheidungen von<br />
Gasen mit Klimarelevanz bei Mastrindern nicht<br />
zu widerlegen, wie Tabelle 1 für ausgewählte Lebensmittel<br />
tierischer Herkunft zeigt.<br />
Dabei wurden die sogenannten Carbon Footprints<br />
(CF) unter Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />
Treibhausgaspotentiale der wichtigsten<br />
klimarelevanten Gase (CO 2<br />
x 1; CH 4<br />
x 23; N 2<br />
O<br />
x 300) je kg essbares Eiweiß für Milch, Eier und<br />
verschiedene Fleischherkünfte kalkuliert. Tabelle<br />
1 zeigt deutlich, dass in Abhängigkeit von der<br />
Fleischquelle und der Leistungshöhe der Tiere<br />
erhebliche Unterschiede in der Höhe der Emissionen<br />
bestehen. Für essbares Eiweiß aus Rindfleisch<br />
wurden die höchsten Werte ermittelt, Ge-<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
11
Schwerpunktthema<br />
Milchkuh<br />
(650 kg)<br />
Mastrind<br />
(350 kg)<br />
Mastschwein<br />
(80 kg)<br />
Broiler<br />
(1,5 kg)<br />
Legehenne<br />
(1,8 kg)<br />
Leistung je<br />
Tag<br />
10 kg Milch<br />
20 kg Milch<br />
40 kg Milch<br />
Eiweißquelle<br />
(Körpermasse)<br />
Trockensubstanzaufnahme<br />
(kg je Tag)<br />
12<br />
16<br />
25<br />
6,5<br />
500 g LMZ 1)<br />
1.500 g LMZ 1) 7,5<br />
1.000 g LMZ 1) 7,0<br />
700 g LMZ 1) 2,0<br />
1.000 g LMZ 1) 2,2<br />
40 g LMZ 1)<br />
0,07<br />
60 g LMZ 1) 0,08<br />
70% LP 2)<br />
0,11<br />
90% LP 2) 0,12<br />
Grundfutter<br />
zu Kraftfutterverhältnis<br />
(auf Trockensubstanzbasis,<br />
in %)<br />
90/10<br />
75/25<br />
50/50<br />
95/5<br />
85/15<br />
70/30<br />
10/90<br />
0/100<br />
10/90<br />
0/100<br />
10/90<br />
0/100<br />
Essbares<br />
Eiweiß<br />
(g je Tag)<br />
323<br />
646<br />
1.292<br />
48<br />
95<br />
143<br />
Essbares<br />
Protein (g je<br />
kg Lebendmasse<br />
und<br />
Tag)<br />
0,5<br />
1,0<br />
2,0<br />
0,14<br />
0,27<br />
0,41<br />
1) Lebendmassezunahme 2) Legeleistung<br />
3) Ertragsniveau Pflanzenbau: 10 t Trockensubstanz Grundfutter/ha; 5 t Trockensubstanz Getreide/ha<br />
63<br />
90<br />
1,8<br />
7,2<br />
4,8<br />
6,2<br />
0,8<br />
1,1<br />
3,2<br />
4,8<br />
2,7<br />
3,4<br />
Emissionen<br />
(Carbon Footprints;<br />
CO 2Äq<br />
kg/kg essbares<br />
Eiweiß)<br />
30<br />
16<br />
12<br />
110<br />
55<br />
35<br />
12<br />
10<br />
4<br />
3<br />
5<br />
3<br />
Bedarf Ackerland<br />
(m 2 /<br />
kg essbares<br />
Eiweiß) 3)<br />
8<br />
12<br />
20<br />
15<br />
22<br />
30<br />
55<br />
50<br />
25<br />
25<br />
40<br />
40<br />
Tabelle 1<br />
Einfluss von Tierart,<br />
-kategorie und Leistungshöhe<br />
auf die Höhe der Emissionen<br />
und den Ackerflächenbedarf<br />
je kg essbares Eiweiß<br />
flügelfleisch und Eier weisen die niedrigsten CF je<br />
kg essbares Eiweiß auf. In Abhängigkeit von der<br />
Eiweißquelle (Milch oder Fleisch) und der Leistungshöhe<br />
entfallen bei Wiederkäuerprodukten<br />
50 bis 80% der CF auf das Treibhausgas Methan.<br />
Woher kommt das Methan?<br />
Methan entsteht <strong>als</strong> unvermeidbares Nebenprodukt<br />
der mikrobiellen Umsetzungen im Vormagensystem,<br />
vor allem im Pansen der Wiederkäuer.<br />
Andererseits sind Wiederkäuer in der Lage mit<br />
Hilfe dieser Mikroorganismen Grund- bzw. Rauhfutter<br />
(einschl. Gras, Heu und Stroh) zu nutzen<br />
und daraus – auch ohne Getreide und andere vom<br />
Menschen direkt verwertbare Stoffe – wertvolles<br />
Eiweiß herzustellen. Wie Tabelle 1 zeigt, sind Wiederkäuer<br />
in der Lage essbares Eiweiß mit weniger<br />
Ackerfläche zu erzeugen <strong>als</strong> Nichtwiederkäuer.<br />
Allerdings steigt der Ackerflächenbedarf bei höheren<br />
Leistungen an, da gewisse Kraftfuttermengen<br />
dann erforderlich werden können. Durch hohe<br />
Grundfutterqualität und Nebenprodukte der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> sowie der Lebensmittel- und der<br />
Bioenergieerzeugung (z.B. Getreideschlempe,<br />
Rapsnebenprodukte) kann der evtl. erforderliche<br />
Getreideeinsatz reduziert werden. Wo Licht ist<br />
(Verwertung zellwandreicher Substanzen und<br />
Nicht-Eiweiss-Quellen), ist allerdings auch Schatten<br />
(z.B. Methanbildung; s. Tab. 2). Je höher der<br />
Rohfaser- bzw. Zellwandanteil im Futter der Rinder<br />
ist, umso mehr Methan fällt an. Demnach ist<br />
die Beweidung von jungem, rohfaserarmen Auf-<br />
wuchs, aus dieser Sicht günstiger zu beurteilen <strong>als</strong><br />
die Nutzung von überständigem Weidefutter.<br />
Können wir die Methanemission<br />
reduzieren?<br />
Für die Praxis bedeutet das oben Gesagte, dass ein<br />
gezieltes Weidemanagement weniger Methan zur<br />
Folge haben kann. Andererseits ist in bestimmten<br />
Gebieten eine Graslandnutzung aus Gründen des<br />
Naturschutzes oder der Erhaltung der Artenvielfalt<br />
(Biodiversität) erst nach der Blüte bzw. der<br />
Samenreife möglich, was höhere Methan-Emissionen<br />
bei den weidenden Rindern bewirkt (je Tier,<br />
vor allem jedoch je kg Lebendmassezunahme oder<br />
je kg Fleisch bzw. essbares Eiweiß). Ansonsten ist<br />
durch die Fütterung oder den Einsatz von Futterzusatzstoffen,<br />
denen von den Herstellern ein<br />
Methan-Reduzierungs-Potential nachgesagt wird,<br />
bei Fleischrindern nur eine minimale Reduzierung<br />
der Methanbildung zu erwarten. Gegenwärtig<br />
werden zu dieser Thematik in verschiedenen Ländern<br />
umfangreiche Untersuchungen durchgeführt,<br />
die jedoch noch keinen nachhaltigen Effekt<br />
erkennen lassen.<br />
Warum halten wir Mutterkühe/<br />
Fleischrinder?<br />
Die Gründe für die Mutterkuhhaltung können unter<br />
verschiedenen Bedingungen unterschiedlich<br />
sein, wie z.B.<br />
12 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Licht/ Potentiale<br />
Nutzung von Ligno-Zellulose und Nebenprodukten der <strong>Landwirtschaft</strong><br />
sowie der Lebensmittel- und der Bioenergie-<br />
Industrie<br />
Mikrobielle Synthese von Eiweiß aus Nicht-Eiweiß-Verbindungen<br />
(NPN) im Pansen<br />
Mikrobielle Synthese von B-Vitaminen im Pansen<br />
Keine oder nur geringe Nahrungskonkurrenz zum Menschen<br />
und zu Nicht-Wiederkäuern (s. Tab. 1)<br />
Schatten/ Grenzen<br />
Methan-Emission im Ergebnis der mikrobiellen Fermentation<br />
im Pansen (4 bis 10% Verlust an Bruttoenergie)<br />
Geringes Wachstumspotential (< 1% des Körpergewichtes je<br />
Tag) und niedriger Zuwachs an essbarem Eiweiß je Tag bei<br />
wachsenden Wiederkäuern (< 0,1% des Körpergewichtes je Tag)<br />
Geringe Verwertung der Energie und der Nährstoffe bei<br />
wachsenden Wiederkäuern<br />
„Doppelte Nährstoffveredlung“ bei Mutterkuhhaltung<br />
(Futter – Milch – Fleisch)<br />
Nutzung und Pflege von Grünland und anderen Dauerkulturen<br />
Die Leistungssteigerung der Milchkühe führte<br />
in den zurückliegenden Jahren zu weniger Kühen/Kälbern<br />
in der Milchkuhhaltung und damit<br />
zur Bereitstellung geringerer Mengen Rindfleisch<br />
Nutzung des Grünlandaufwuchses <strong>als</strong> Futtermittel<br />
(Ressourceneffizienz)<br />
Pflege des Dauergrünlandes<br />
Artgerechte Haltung<br />
Das „fehlende“ Rindfleisch könnte importiert<br />
werden, wobei die Treibhausgas-Emissionen in<br />
den Herkunftsländern des Fleisches dann meist<br />
nicht geringer sind <strong>als</strong> in Deutschland.<br />
Spannungsfeld<br />
Licht und Schatten bzw. das Spannungsfeld in der<br />
Mutterkuh-/Fleischrinderhaltung resultieren vor<br />
allem aus den Vorteilen der Wiederkäuerernährung<br />
im Allgemeinen und der Nutzung und Pflege<br />
von absolutem Weideland auf der einen Seite und<br />
den relativ hohen Treibhausgas-Emissionen auf<br />
der anderen Seite (s. Tab. 2).<br />
Wer Weidepflege und die Erhaltung offener Landschaften<br />
mit Wiederkäuern wünscht, hat die<br />
Emissionen aus dem Pansen zu akzeptieren. Nur<br />
im Ergebnis dieser Emissionen können die Wiederkäuer<br />
aus sonst nicht für den Menschen nutzbaren<br />
Stoffen hochwertige Lebensmittel erzeugen.<br />
Das besagt nicht, dass noch verschiedene<br />
Fragen offen sind und seitens der Wissenschaft<br />
Handlungsbedarf besteht.<br />
Andere Nutzungsformen des Aufwuchses auf<br />
Weideflächen, wie die Gewinnung von Futter für<br />
die Stallhaltung (z.B. Heu, Silage) bzw. ein Verrotten<br />
oder Verbrennen des Aufwuchses sind meist<br />
nicht möglich oder verursachen sogar höhere<br />
Emissionen treibhauswirksamer Gase.<br />
Offene Fragen<br />
Neben der Weidepflege und der Verbesserung der<br />
Weidenutzung sind auch weitere Potentiale zur<br />
Senkung der Methanemission zu prüfen bzw. um<br />
zu setzen. Der Tiergesundheit sollte ebenfalls erhöhte<br />
Aufmerksamkeit gewidmet werden. Unter<br />
bestimmten Bedingungen kann eine Beifütterung<br />
zweckmäßig sein, um geringe Leistungen und<br />
demnach hohe Methanemissionen je erzeugtes<br />
Produkt zu vermeiden. Forschungsbedarf besteht<br />
auch bezüglich der Einschätzung der Emission bei<br />
ganzjähriger Freilandhaltung, vor allem bezüglich<br />
von „Hot Spots“ in Sammelplätzen (Pferch; N 2<br />
O<br />
hat etwa ein 300 x so hohes Treibhauspotential<br />
wie CO 2<br />
).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Mehr (Lebensmittel) für mehr (Menschen) mit<br />
weniger (Ressourcen und Emissionen) ist eine globale<br />
Forderung unserer Zeit. Obwohl bei der Mutterkuhhaltung<br />
eine „doppelte Nährstoffveredlung“<br />
(Futter – Milch – Kalb) erfolgt und beachtliche<br />
Mengen klimarelevanter Gase entstehen,<br />
können Rinder auf der Weide zur Realisierung der<br />
Forderung „mehr für mehr mit weniger“ einen<br />
Beitrag leisten, da sie Futtermittel nutzen, die von<br />
anderen Lebensmitteln liefernden Tieren oder anderen<br />
Verwertungsformen nicht effektiv genutzt<br />
werden können. •<br />
Tabelle 2<br />
Licht/Potentiale und Schatten/<br />
Grenzen von Wiederkäuern in<br />
der Nahrungskette des<br />
Menschen<br />
Dr. Ulrich Meyer<br />
Prof. Gerhard Flachowsky<br />
Friedrich-Loeffler-Institut<br />
Braunschweig<br />
Tel. 0531/ 5963137<br />
ulrich.meyer@fli.bund.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
13
Schwerpunktthema<br />
Elisa Wolf<br />
Projekt Betriebscheck „Schweinemast 2013“<br />
Beratung hilft Schweinemästern ihre Ställe an die neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen<br />
Ziel des Projektes war die Unterstützung der Betriebe bei der Umsetzung der Tierschutz-<br />
Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV), deren Übergangsfristen zum 01.01.2013 ausgelaufen<br />
sind. Finanziell wurde das Projekt durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />
Baden-Württemberg, getragen und organisatorisch durch das Regierungspräsidium Tübingen<br />
unterstützt.<br />
Bild: LSZ Boxberg<br />
Muster einer Checkliste<br />
vom BD Schweinehaltung<br />
/-zucht Ba-Wü<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Vorgehensweise<br />
Das Regierungspräsidium Tübingen hat etwa<br />
600 Betriebe angeschrieben, mit dem Hinweis<br />
sich beim Beratungsdienst Schweinehaltung<br />
Sigmaringen zu melden, wenn sie eine kostenlose<br />
Beratung in Anspruch nehmen wollen. Außerdem<br />
fanden vier Informationsveranstaltungen statt, die<br />
von 114 Personen besucht wurden. Insgesamt haben<br />
94 Betriebe Beratungsbedarf angemeldet.<br />
Davon wurden 87 Betriebe vor Ort besucht, die<br />
anderen 7 konnten telefonisch beraten werden.<br />
Hierbei waren die Teilnehmer der Informationsveranstaltungen<br />
nicht deckungsgleich mit den tatsächlich<br />
beratenen Betrieben.<br />
Die Betriebsbesuche liefen wie folgt ab: Der/die<br />
Betriebsleiter/in und der/die Berater/in gingen<br />
gemeinsam durch den Stall. Anhand einer Checkliste,<br />
die in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt<br />
für die Entwicklung der Ländlichen Räume (LEL)<br />
und dem Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />
-Schweinehaltung, Schweinezucht – (LSZ) entwickelt<br />
wurde, ist besprochen worden, was die Verordnung<br />
vorschreibt und wie man dies in den jeweils<br />
vorgefundenen Ställen umsetzen kann. Vorrangig<br />
waren die Spaltenweiten der Böden nicht<br />
verordnungskonform, da die meisten der besuchten<br />
Betriebe in Altgebäuden Mastschweine produzieren.<br />
Ein Austausch der Spaltenböden zieht in<br />
den meisten Fällen einen Ausbau der Futtersysteme<br />
und der Aufstallung nach sich, da sie auf den<br />
Spaltenböden befestigt sind. Da diese zum Teil<br />
schon sehr alt sind (ca. 15-20 Jahre), muss auch das<br />
Befestigungsmaterial, wie zum Beispiel Schrauben,<br />
erneuert werden.<br />
Insgesamt ist auch oft eine weitgehende Erneuerung<br />
der Stalleinrichtung notwendig. Außerdem<br />
musste festgestellt werden, dass die Veterinärämter<br />
die Ausführungen des vorgeschriebenen Be-<br />
14 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
− Seit dem 4. August 2006 gilt die Tierschutz-<br />
Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV).<br />
Sie setzt die EU-Richtlinien zur Schweinehaltung<br />
in nationales Recht um.<br />
− Die gesetzlichen Übergangsfristen zur Anpassung<br />
der Haltungsbedingungen enden<br />
am 31.12.2012.<br />
− Die baulichen Vorgaben sind ab 01.01.2013<br />
für alle Betriebe bindend.<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
<br />
<br />
<br />
mind. Platzangebot/nutzbare Bodenfläche<br />
max. Spaltenweite<br />
mind. Auftrittsbreite zwischen den Spalten<br />
max. Perforationsgrad<br />
Lichtverhältnisse/Fensterfläche<br />
Beschäftigungsmaterial<br />
Luftverhältnisse<br />
<br />
<br />
<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
<br />
<br />
Betriebs-Check mit intensiver Analyse der<br />
Stärken und Schwächen<br />
Analyse der IST-Situation<br />
Kennwertvergleich Produktionstechnik<br />
Erfülle ich die baulichen Anforderungen gemäß<br />
CC bzw. Fachrecht?<br />
Sind QS und QZ für mich interessant, weil ich<br />
die Vorgaben einhalte oder nur geringen Aufwand<br />
habe, sie einzuhalten?<br />
Unser Angebot:<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
<br />
Kurzfristige Umbaulösungen finden und langfristig<br />
planen<br />
Begleitung der Umsetzung im Einzelfall<br />
Einbindung weiterer Spezialisten (z.B. LSZ,<br />
LEL, Schweinegesundheitsdienst, u.a.)<br />
Bauliche Anforderungen von CC, Fachrecht,<br />
QS und QZ<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
−<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
» Individueller Masterplan<br />
<br />
Betriebliche und persönliche Ziele formulieren<br />
Entwicklungsalternativen definieren und entwickeln<br />
Individuelle Umbaulösungen<br />
Zukunftsfähige Standort- und Stallbauplanung<br />
Umsetzung begleiten<br />
<br />
schäftigungsmateri<strong>als</strong> zum Teil in unterschiedlicher<br />
Art und Weise anerkannten. Dies konnte aber<br />
im Gespräch mit dem zuständigen Veterinär geklärt<br />
werden. Auf vielen Betrieben zeigten sich<br />
zudem noch andere Probleme, die nicht direkt mit<br />
dem Stall zu tun hatten. Viele der besuchten Betriebsleiter<br />
waren schon älter und haben keine<br />
Nachfolger. Wenn diese nun in den Stall investieren,<br />
sollten sie noch einige Jahre lang darin arbeiten<br />
können, damit sich die Investition auch auszahlt.<br />
Da sie aber keine Nachfolger für den Betriebszweig<br />
Schweinehaltung haben, werden dies zum<br />
großen Teil auslaufende Betriebe werden. Nachdem<br />
man alle Möglichkeiten, die unter den gege-<br />
oben:<br />
Flyer BD Schweinemast<br />
links<br />
Spaltenmaß<br />
Bild: www.topagrar.com<br />
rechts<br />
BD Schweinehaltung<br />
Sigmaringen<br />
Bild: E. Wolf<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
15
Schwerpunktthema<br />
Organisationsstruktur<br />
Beratungsdienst<br />
Schweinehaltung/<br />
Schweinezucht Baden-<br />
Württemberg<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
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<br />
<br />
Schweinelogo<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Elisa Wolf<br />
LRA Sigmaringen<br />
Tel: 07571/ 102-8613<br />
elisa.wolf@lrasig.de<br />
benen Umständen machbar sind, besprochen hatte,<br />
bekam der Betrieb eine Auswertung vom Beratungsdienst<br />
Schweinehaltung Sigmaringen. Mit<br />
Hinweisen zu bereits erfüllten Vorgaben und den<br />
noch verbleibenden Änderungen laut Tier-<br />
SchNutztV.<br />
Fazit des Betriebschecks 2013<br />
Es mussten noch viele Betriebe an Ihren Ställen<br />
Änderungen vornehmen, auch wenn es nur Kleinigkeiten<br />
waren, wie zum Beispiel ein Orientierungslicht<br />
anbringen oder einen zusätzlichen<br />
Tränkenippel installieren. Im <strong>Landwirtschaft</strong>lichen<br />
Wochenblatt/ BW Agrar wurden mehrere<br />
Artikel zum Projekt veröffentlicht, in der Sonderbeilage<br />
zur Beratung in Baden-Württemberg wurde<br />
das Projekt auf 2 Seiten beschrieben. Es zeigte<br />
sich, dass Betriebe mit angeschlossener Ferkelerzeugung<br />
große Probleme mit der Umstellung haben,<br />
da sie zum großen Teil sehr viel Geld investieren<br />
müssen, damit die Haltungsvorschriften<br />
eingehalten werden können.<br />
Insgesamt war aber das Interesse an dem Projekt<br />
groß. Für den Beratungsdienst Schweinehaltung<br />
war es eine gute Möglichkeit, auch potentielle Mitglieder<br />
zu werben. Bis jetzt sind allerdings nur 4<br />
Betriebe aufgrund des Projektes beigetreten. Ein<br />
weiteres Ziel des Projektes war es, im Hinblick auf<br />
die neue Förderperiode die Annahme von Beratungsthemen/<br />
Modulen durch die Landwirte auszuprobieren.<br />
Wir stellten fest, dass wie in den bisher<br />
üblichen Arbeitskreisen die Gruppenberatung<br />
im „Paket“ zum Spezialthema gut angenommen<br />
wurde. Aus den Infoveranstaltungen ergaben sich<br />
dann Einzelberatungen, die betriebsindividuell<br />
ausgestaltet wurden. Hilfreich waren die Checklisten<br />
zum Betrieb und zur betriebswirtschaftlichen<br />
Lage, sowie der Auszug aus GQSBW- „Bauliche<br />
Anforderungen an Schweineställe“ , der im Rahmen<br />
des Projektes entstand. Mit den Checklisten<br />
hatten die Berater ein tolles Instrument in der<br />
Hand, was auch für den Landwirt übersichtlich<br />
und transparent die Situation auf dem Betrieb darstellte.<br />
Hier die Aufllistung der Artikel:<br />
BWagrar 36/2012 „ Betriebscheck Schweinemast“<br />
BWagrar KW 40/2012 „Schweineställe unter<br />
der Lupe“<br />
BWagrar KW 40/2012 „Nachgefragt bei ... Beratung<br />
ist gefragt“<br />
BWagrar KW 47/2012 „Gewappnet für die<br />
neuen Auflagen“, Sonderbeilage Ratgeber Beratung<br />
•<br />
16 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Michael Asse<br />
Fleischqualität beim Schwein<br />
- nicht nur das Genießerland fordert Geschmack, Gesundheit und Appetitlichkeit<br />
Im Genießerland Baden-Württemberg sind die Verbraucherwünsche nach regional erzeugtem, frischem<br />
Schweinefleisch bester Qualität und hoher Lebensmittelsicherheit aus tierfreundlicher Haltung von<br />
besonderer Bedeutung. Der geringe Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch ist eine Chance zur<br />
Ausweitung der marktnahen, ressourcenschonenden nachhaltigen Produktion.<br />
Nur jedes zweite in Baden-Württemberg verzehrte<br />
Schwein wird bisher auch im Südwesten<br />
produziert, was ein immenses Potenzial für<br />
aufstockungswillige schweinehaltende Betriebe<br />
darstellt. Zwei große überregionale Schwerpunktschlachthöfe<br />
sowie ein flächen-deckendes Netz<br />
mittelständischer Betriebe können die schlachtreifen<br />
Schweine verbrauchernah schlachten und weiterverarbeiten.<br />
Bei weiter steigenden Kosten für<br />
Energie und Transporte kann sich der Ausbau<br />
regionaler Kreisläufe zum wichtigen Wettbewerbsvorteil<br />
entwickeln.<br />
Die Erzeugung von Schweinefleisch in Baden-<br />
Württemberg wird von weltweitem Wettbewerb<br />
beeinflusst. Regional erzeugtes Fleisch kann sich<br />
nur durch höhere Qualitäten von der übrigen Ware<br />
absetzen. Die Verbraucher fordern hohe Qualität,<br />
Frische, hohe Lebensmittelsicherheit, Regionalität<br />
sowie weitere Besonderheiten, die im Rahmen<br />
von Qualitätsfleischprogrammen berücksichtigt<br />
werden. Um die hohen<br />
Verbraucheransprüche mit baden-württembergischen<br />
Zuchtprodukten weiter erfüllen zu können,<br />
ist eine Qualitätsprüfung der Mastendprodukte<br />
und hierauf aufbauend u.a. eine züchterische Weiterentwicklung<br />
erforderlich. Die Verbesserung des<br />
Qualitätsniveaus des süddeutschen Schweinefleisches<br />
ist ein Ziel der Aktivitäten des Bildungs- und<br />
Wissenszentrum Boxberg (LSZ).<br />
Ist Fleischqualität messbar?<br />
Fleischqualität definiert sich <strong>als</strong> die Summe aller<br />
sensorischen, ernährungsphysiologischen, hygienisch-toxikologischen<br />
und verarbeitungstechnologischen<br />
Eigenschaften. Wichtig ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass sämtliche Eigenschaften<br />
messbar und damit quantifizierbar sind. Abbildung<br />
1 verdeutlicht, welche Eigenschaften sich<br />
hinter den Oberbegriffen verbergen.<br />
Am Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />
(LSZ) stehen hierbei vor allem die sensorischen<br />
Parameter (Genusswert) und die Verarbeitungspa-<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
17
Schwerpunktthema<br />
Abbildung 1<br />
Qualitätsparameter beim<br />
(Schweine)-Fleisch<br />
Abbildung 2<br />
pH-Wert-Messung am<br />
Schlachtkörper<br />
rameter (Gebrauchswert) im Vordergrund. Für<br />
die Bestimmung des Nähr- und des Gesundheitswertes<br />
sind spezielle Laboreinrichtungen notwendig,<br />
die an der LSZ nicht vorhanden sind. Bei<br />
Bedarf können diese jedoch extern bei Kooperationspartnern<br />
bestimmt werden. Im Rahmen der<br />
Zuchtwertschätzung sind aus Sicht der Fleischqualität<br />
besonders die Bestimmung des Muskelfleischanteils<br />
(MFA), die Tropfsaftverluste, der<br />
pH-Wert, die Leitfähigkeit und der intramuskuläre<br />
Fettgehalt (IMF) zu erwähnen.<br />
Am Beispiel des pH-Wertes lässt sich die Fleischqualität<br />
gut bewerten. Als günstiger Messwert<br />
beim pH1 (45 min post mortem) wird ein Wert<br />
-<br />
<br />
6,0 angestrebt. Liegt der<br />
<br />
für sog. PSE-Fleisch (Pale<br />
Soft Exedutive), welches<br />
blass, weich und wässrig<br />
ist. Rein gesundheitlich hat<br />
dies keine Auswirkungen,<br />
jedoch auf den Gebrauchsund<br />
Genusswert. Liegt der<br />
pH2 > 6,0 ist dies ein Indiz<br />
für sog. DFD-Fleisch<br />
(Dark Firm Dry), welches<br />
dunkel, fest und trocken<br />
erscheint. Dieses Fleisch<br />
ist nur noch zur Verarbeitung<br />
bestimmter Produkte<br />
geeignet.<br />
Auch die Farbhelligkeit ist ein wichtiges Indiz für<br />
Fleischqualität. Mittels eines Fotometers wird der<br />
Reflexionswert (OP) erfasst, dieser sollte 20 Stun-<br />
<br />
weis<br />
auf PSE-Fleisch, > 85 verweisen auf DFD-<br />
Fleisch. Allgemein ist festzuhalten, dass dunkleres<br />
Fleisch tendenziell geschmacklich intensiver ist.<br />
Die Fähigkeit des Safthaltevermögens von Fleisch<br />
wird über die Tropfsaftverluste gemessen, wobei<br />
der Austritt des Fleischsaft ohne Anwendung äußerer<br />
Zwänge verstanden wird. Diese Tropfsaftverluste<br />
sollten unter 4 % betragen. Weist Fleisch<br />
ein zu hohes Tropfsaftverlustvermögen auf, führt<br />
dies vor allem bei der Zubereitung zu Einschränkungen.<br />
Ein typisches Bild ist das starke Spritzen<br />
in der Pfanne und ein geschrumpftes und vor allem<br />
hartes und zähes Schnitzel bzw. Stück Fleisch.<br />
Der Genusswert des Fleisches wird bedeutend<br />
vom Intramuskulären Fettgehalt (IMF) bestimmt.<br />
Hiermit ist die Marmorierung im Fleisch gemeint.<br />
Im Geschmackstest wird Fleisch mit einem IMF<br />
von ca. 2% oft besser bewertet, sodass auch ein<br />
Wert von > 2% angestrebt wird.<br />
Die Verbesserung des Qualitätsniveaus<br />
des süddeutschen Schweinefleischs <strong>als</strong><br />
Ziel der LSZ<br />
Leistungsprüfung<br />
18<br />
Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Das Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />
(LSZ) ist vom Land Baden-Württemberg mit der<br />
Durchführung der Leistungsprüfung auf Station<br />
und der Zuchtwertschätzung beauftragt. Die Prüfung<br />
erfolgt entsprechend den Richtlinien der Stationsprüfung<br />
auf Mastleistung, Schlachtkörperwert<br />
und Fleischbeschaffenheit beim Schwein.<br />
Zusätzlich werden Warentests verschiedener<br />
Kreuzungsherkünfte durchgeführt. Die erhobenen<br />
Daten aus der Leistungsprüfung fließen in die<br />
Zuchtwertschätzung ein. Die wirtschaftlich wichtigsten<br />
Merkmale werden entsprechend ihrem<br />
wirtschaftlichen Gewicht zum Gesamtzuchtwert<br />
zusammengefasst. Im Jahr 2012 wurden auf diesem<br />
Weg über 1.800 Tiere auf verschiedene Parameter<br />
der Mast- und Schlachtleitung hin untersucht.<br />
Untersuchungen der Fleischqualität beim Schwein<br />
stellen einen wichtigen Teil der Leistungsprüfung<br />
dar. Vor allem der Gebrauchs- und Genusswert<br />
steht im Mittelpunkt der Untersuchungen, wobei<br />
der Fokus stets darauf gerichtet ist, die hohe Qualität<br />
des Süddeutschen Schweinefleischs im Bereich<br />
Geschmack, Zartheit und Saftigkeit zu verbessern.<br />
Routinemäßig werden in diesem Zusammenhang<br />
u.a. erfasst:<br />
pH-Wert<br />
Leitfähigkeit<br />
Helligkeitswert<br />
Tropfsaftverluste<br />
Intramuskulärer Fettanteil<br />
relativer Anteil wertvoller Teilstücke.<br />
Süddeutsche Schweinefleischqualität<br />
Eine dieser Untersuchungen war das Projekt<br />
„Süddeutsche Schweinefleischqualität“ in Zusammenarbeit<br />
u.a. mit der Universität Hohenheim,<br />
Ulmer Fleisch, Edeka Südwest und dem Schweinezuchtverband<br />
Baden-Württemberg. Hierzu<br />
wurden verschiedene genetische Anpaarungen<br />
verglichen, genauer unterschiedliche Hybridsauenlinien<br />
die jeweils mit BW Top-Genetik Piétrain-<br />
Eber-Sperma belegt wurden. Als Datengrundlage<br />
standen 1.359 geschlachtete Tiere aus fünf Anpaarungen<br />
zur Verfügung. Die einzelnen Hybridsauenlinien<br />
sind der Tabelle zu entnehmen.<br />
Beim Vergleich der fünf Hybridsauenlinien gab es<br />
große Unterschiede, sowohl bei den Mast- <strong>als</strong><br />
auch bei den Schlachtleistungen und damit den<br />
Fleischqualitätsparametern. So wurden z. Bsp. am<br />
Fleisch aus dem Rückenmuskel<br />
große Unterschiede<br />
bei den Parametern<br />
Fetthaltevermögen, Bratverluste<br />
und Tropfsaftverluste<br />
beobachtet. Im direkten<br />
Vergleich stellte sich<br />
die Hybridsauenlinie 241<br />
durchaus in den Vordergrund.<br />
Zusätzlich wurde im Rahmen<br />
dieses Projektes die<br />
Hybridsauenlinie 241 mit<br />
BW-Piétrain oder BW-Duroc<br />
Besamungsebern belegt.<br />
Als Ergebnis war festzustellen,<br />
dass die Mastendprodukte<br />
aus den Piétrain-Besamungen<br />
mittlere<br />
biologische Leistungen<br />
(tgl. Zunahmen), aber<br />
deutlich bessere Parameter<br />
in den Schlachtleistungen<br />
aufwiesen (u.a. Muskelfleischanteile).<br />
Dem gegenüber standen<br />
die Ergebnisse Tropfsaftverlustmessung<br />
und der<br />
Sensorik. In beiden Merkmalen<br />
erreichte das Fleisch<br />
der Mastendprodukte aus den Duroc-Besamungen<br />
bessere Ergebnisse.<br />
Edeka Südwest –<br />
Gutfleischprogramm<br />
Die Edeka Südwest verfolgt das Ziel, qualitativ<br />
überdurchschnittliches Schweinefleisch an zu bieten<br />
und dementsprechend erzeugen zu lassen. Vor<br />
diesem Hintergrund müssen Landwirte, die<br />
Fleisch für das sogenannte „Gutfleisch-Programm“<br />
erzeugen wollen, bestimmte Eber bzw.<br />
deren Sperma verwenden. Die eingesetzten Eber<br />
werden vor dem Einsatz entsprechend genotypisiert<br />
und mittels Markertechnologie, vor allem<br />
hinsichtlich Tropfsaftverluste, untersucht. Auch<br />
hierbei fließen Ergebnisse der Leistungsprüfung<br />
in die Qualitätssicherung ein.<br />
Die Mast nichtkastrierter männlicher<br />
Mastschweine (Ebermast)<br />
Abbildung 3<br />
Der Fettgehalt im<br />
Schlachtkörper ist u.a. auch<br />
genetisch veranlagt.<br />
Unterschiede sind oft mit<br />
dem Auge erkennbar<br />
Abbildung 4<br />
Nicht nur die Fettauflage ist<br />
von Bedeutung, auch der<br />
intramuskuläre Fettgehalt<br />
spielt vor allem<br />
geschmacklich eine große<br />
Rolle.<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
19
Schwerpunktthema<br />
Variante Bemerkung Vaterlinie Mutterlinie<br />
21<br />
Bisheriges Hybridzuchtprogramm SZV<br />
BW<br />
42 Versuchsvariante LC LW<br />
241 Neues Hybridzuchtprogramm SZV BW LW LC + DL<br />
261 Versuchsvariante LW SH + DL<br />
LW<br />
DL<br />
1 = Deutsche Landrasse (DL)<br />
2 = Large White (LW)<br />
4 = Leicoma (LC)<br />
6 = Schwäbisch Hällisches<br />
Schwein (SH)<br />
142 Versuchsvariante DL LC + LW<br />
Tabelle 1:<br />
Im Versuch eingesetzte<br />
Hybridsauenlinien<br />
Michael Asse<br />
Bildungs- und<br />
Wissenszentrum Boxberg<br />
Tel. 07930/ 9928120<br />
Michael.Asse@lsz.bwl.de<br />
Im Rahmen der tierschutzrechtlichen Diskussion<br />
um das Thema Kastration bei männlichen Schweinen<br />
ergeben sich ebenfalls Fragestellungen zum<br />
Thema Fleischqualität, denen die LSZ nachgeht.<br />
Es steht zur Diskussion, auf die umstrittene Kastration<br />
zu verzichten und die männlichen Ferkel<br />
folglich unkastriert zu mästen. Die in Eberfleisch<br />
vorkommenden Verbindungen Skatol und Androstenon<br />
können allerdings zu unangenehmen<br />
Geschmackseigenschaften führen, was in der<br />
Konsequenz sogar die Genussuntauglichkeit der<br />
Schlachtkörper zur Folge haben kann. Die Reduzierung<br />
des sog. Ebergeruchs mittels züchterischen<br />
Ansätzen war ein Ziel des EN-Z-EMA-<br />
Projektes (Elektronische Nase, Zucht, Ebermast),<br />
welches u.a. in Zusammenarbeit mit dem Schweinezuchtverband<br />
Baden-Württemberg durchgeführt<br />
wurde. Als ein Ergebnis dieses Projektes<br />
bietet German Piétrain (Schweinezuchtverband<br />
Baden-Württemberg) seinen Kunden einen zertifizierten<br />
Ebertyp (Sperma) an, welcher sich in der<br />
Vererbung von Ebergeruch an seine Söhne gesichert<br />
positiv von Durchschnitt der Population<br />
abhebt. Um diese Ansätze weiter zu verfolgen<br />
wurde 2013 das Strat-E-Ger-Projekt gestartet<br />
(Strategien zur Vermeidung von Geruchsabweichungen<br />
bei der Mast unkastrierter männlicher<br />
Tiere). Ziel ist es, eine genomische Zuchtwertschätzung<br />
für Ebergeruchsmerkmale zu entwickeln.<br />
Im Rahmen der Schlachtungen im Schlachthaus<br />
der LSZ werden alle Schlachtkörper routinemäßig<br />
einer Genusstauglichkeitsprüfung durch den zuständigen<br />
Veterinär unterzogen. Auf Grundlage<br />
aktueller Auswertungen wurden an der LSZ hierbei<br />
lediglich 2,4% aller geschlachteten Eber <strong>als</strong><br />
genussuntauglich eingestuft.<br />
Qualität wird von vielen Parametern<br />
bestimmt<br />
Wie die Abbildung 1 verdeutlicht, gibt es eine<br />
Vielzahl von Qualitätsparametern, aus deren Gesamtheit<br />
sich die Fleischqualität definiert. Dementsprechend<br />
gibt es eine Vielzahl Faktoren, die<br />
wiederum diese Parameter beeinflussen. Neben<br />
der Genetik der Elterntiere untersucht die LSZ<br />
auch die Einflüsse verschiedener Futterrationen<br />
auf die Mast- und Schlachtleistung der Tiere. So<br />
wird der Einfluss einheimischer Eiweißfuttermittel<br />
oder die Optimierung der Aminosäureversorgung<br />
in den Rationen untersucht und bewertet.<br />
... festzuhalten bleibt -<br />
Qualitätssicherung von<br />
Schweinefleisch ist ein ständiger<br />
Verbesserungsprozess<br />
Nicht nur Baden-Württemberg <strong>als</strong> sogenanntes<br />
Genießerland fordert ein hohes Maß an Fleischqualität<br />
beim Schwein. Ein internationaler Wettbewerb<br />
in der Schweinefleischerzeugung verlangt<br />
nach stetiger Qualitätsoptimierung, wobei die<br />
Nachhaltigkeit im Fokus stehen muss. Gerade die<br />
aktuelle Diskussion um das Thema Ebermast und<br />
deren mögliche Auswirkungen auf die Fleischqualität<br />
verlangt nach Weiterentwicklungen. Denn nur<br />
ein hohes bzw. höheres Maß an Fleischqualität<br />
und Produktsicherheit überzeugt den Verbraucher<br />
zum Kauf der Produkte aus Baden-Württemberg.<br />
Und genau dieses Potential hat die baden-württembergische<br />
Schweinefleischerzeugung.<br />
Am Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />
(LSZ) werden nicht nur vor diesem Hintergrund<br />
weiterhin zahlreiche Fragestellungen rund um<br />
das Thema Fleischqualität aufgegriffen und bearbeitet.<br />
Mehr Informationen rund um das<br />
Thema Fleischqualität finden Sie auf unserer<br />
Homepage unter www.lsz-bw.de oder per direktem<br />
Kontakt. •<br />
20 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
Monika Radke<br />
Fleisch wieder auf dem Weg zum Sonntagsbraten?<br />
Fleisch war über Jahrhunderte ein Gradmesser für den Wohlstand. Auch heute noch beurteilen viele<br />
die Güte eines Restaurants an der Größe der Schnitzel. Doch ganz langsam gibt es eine Trendwende.<br />
Gerade Menschen, die es sich leisten könnten, essen weniger Fleisch. Mehr Qualität statt Quantität ist<br />
ihre Devise. Damit kommen sie den Empfehlungen der Ernährungswissenschaftler und Klimaforscher<br />
entgegen, ohne auf Genuss zu verzichten.<br />
In der Menschheitsgeschichte war Fleisch immer<br />
ein knappes, teures Gut und mit hohem Prestige<br />
verbunden. Bei unseren Großeltern gab es frisches<br />
Fleisch nur beim Schlachtfest und noch in<br />
den 50er Jahren war der Sonntagsbraten und viele<br />
fleischfreie Mittagessen eher die Regel <strong>als</strong> die Ausnahme.<br />
Erst mit dem Wirtschaftswunder boomte<br />
der Fleischkonsum und täglich Fleisch zu niedrigen<br />
Preisen wurde selbstverständlich. Heute gibt<br />
es einen neuen Fachbegriff für die Vertreter der<br />
früher altbekannten Ernährungsweise: Flexitarier.<br />
Diese „Halbvegetarier“ sind meist sehr maßvolle,<br />
auf Tierschutz bedachte und sehr qualitätsbewusste<br />
Fleischesser.<br />
Fleisch unter der Lupe<br />
Fleisch ist ein Lebensmittel von hoher ernährungsphysiologischer<br />
Qualität und bei unseren<br />
Kostgewohnheiten ein Grundnahrungsmittel. Es<br />
liefert einen wichtigen Beitrag zur Deckung des<br />
Bedarfs an zahlreichen Nährstoffen, die eine hohe<br />
Bioverfügbarkeit haben. Kein Nährstoff ist jedoch<br />
„exklusiv“ im Fleisch enthalten.<br />
Bild: MLR<br />
Neben Wasser ist Eiweiß mit ca. 20 Prozent der<br />
Hauptbestandteil des Fleisches. Doch es reichen<br />
kleine Mengen aus, denn die Eiweißzufuhr in<br />
Deutschland liegt ohnehin über dem Bedarf und<br />
auch andere tierische und in großem Umfang auch<br />
pflanzliche Lebensmittel wie Brot sind Eiweißlieferanten.<br />
Der Fettgehalt im Fleisch ist bei allen<br />
Tierarten in den letzten Jahren gesunken und anhaftendes<br />
Fett wird oft beim Kauf zusätzlich noch<br />
entfernt. Die Fettgehalte der mageren Teile von<br />
Rind, Schwein und Geflügel sind sehr ähnlich und<br />
liegen bei unter 5 Gramm je 100 Gramm. Entgegen<br />
der Verbrauchermeinung ist zum Beispiel<br />
auch Schweinefleisch nicht generell fettreich. Die<br />
Zubereitung ist deshalb deutlich wichtiger <strong>als</strong> die<br />
Art des Fleisches. Panade und fette Soßen machen<br />
ein mageres Stück Fleisch zu einer „Kalorinebombe“.<br />
Marmoriertes oder mit leichten Fettadern<br />
durchzogenes Fleisch hat mehr Aroma und<br />
braucht bei der Zubereitung nur wenig Fett. Umgekehrt<br />
lässt sich auch durch die Zugabe von viel<br />
Bratfett bei ganz magerem Fleisch kein Aroma<br />
„erzeugen“.<br />
Mit einem hohen Vitamingehalt werden zu Unrecht<br />
meist ausschließlich Obst und Gemüse assoziiert.<br />
Das ist richtig für Vitamin C. Fleisch ist jedoch<br />
ein wichtiger Lieferant für die wasserlöslichen<br />
Vitamine der B-Gruppe. Eine 125 g-Portion<br />
mageres Schweinefleisch liefert zum Beispiel 80 %<br />
des täglichen Vitamin B 1<br />
- und etwa 30 % des Vitamin<br />
B 6<br />
-Bedarfs. Eine Portion Rindfleisch deckt<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
21
Schwerpunktthema<br />
bereits den Tagesbedarf an Vitamin B 12<br />
. Aus der<br />
Gruppe der Miner<strong>als</strong>toffe ist Fleisch ein guter Lieferant<br />
für Zink, Selen und vor allem Eisen. Letzteres<br />
ist aus Fleisch besonders gut bioverfügbar.<br />
Für Kleinkinder empfehlen Experten für Kinderernährung<br />
deshalb fünfmal die Woche eine kleine<br />
Menge Fleisch (20-30 g), um den hohen Eisenbedarf<br />
beim Wachstum zu decken. Als potentiell<br />
negative Inhaltsstoffe sind vor allem Cholesterin<br />
und Purine zu nennen. Cholesterin ist lebensnotwendiger<br />
Baustein der Zellwände und wird im<br />
Körper in ausreichenden Mengen selbst produziert.<br />
Bei viel Cholesterin im Essen sinkt diese<br />
Eigenproduktion. Zu viel Cholesterin kann je<br />
nach individueller Veranlagung und der Zusammensetzung<br />
der übrigen Kost zu einem Anstieg<br />
des Blutspiegels beitragen und gilt <strong>als</strong> Risikofaktor<br />
für Herz-Kreislauferkrankungen. Für die Praxis<br />
wichtig: Cholesterin kommt nicht nur in fetten<br />
Produkten vor. Es ist besonders reichlich in den<br />
stoffwechselaktiven Innereien enthalten. Auch<br />
Purine kommen <strong>als</strong> Bestandteile der Zellkerne in<br />
allen Fleischteilen vor. Gesunde haben damit keine<br />
Probleme, Menschen mit hohen Harnsäurewerten<br />
im Blut oder mit Gicht sollten Fleisch nur<br />
in kleinen Mengen essen.<br />
Empfehlenswerte Mengen<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt<br />
300-600 Gramm Fleisch und Wurst in der<br />
Woche. Das entspricht z.B. 3 Portionen Fleisch (à<br />
150 g) und 3 Portionen fettarmer Wurst (à 30 g) in<br />
der Woche. Natürlich kann man diese Menge auch<br />
anders verteilen. Wer diese Menge einhält, profitiert<br />
von den wertvollen Nährstoffen im Fleisch<br />
wie Eiweiß, B-Vitaminen, Eisen und Zink, ohne<br />
sich mit zu vielen Begleitstoffen wie Fett, Cholesterin<br />
und Purinen zu belasten.<br />
Der tatsächliche durchschnittliche Verbrauch in<br />
Deutschland liegt laut Agrarstatistik im Durchschnitt<br />
seit Jahren auf einem ziemlich konstanten<br />
hohen Niveau: Rind- und Kalbfleisch zusammen<br />
bei ca. 8,5 kg, Schweinefleisch bei knapp 40 kg und<br />
Geflügelfleisch bei etwa 11 kg pro Kopf und Jahr.<br />
(DGE, Ernährungsbericht 2012). Genaue Zahlen<br />
ermittelte die Nationale Verzehrsstudie (NVS) in<br />
den Jahren 2005 bis 2007 bei fast 20.000 Menschen.<br />
Eine Unterstichprobe führte sogar ein genaues<br />
Wiegeprotokoll des Essens. Danach verzehren<br />
Männer mit 103 g täglich doppelt so viel<br />
Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnisse wie<br />
Frauen mit nur 53 g. Bei den Männern sinkt der<br />
Verzehr von Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnissen<br />
ab der Altersgruppe von 19 bis 24 Jah-<br />
ren. Bei Frauen ist<br />
der Anteil an Personen,<br />
die in den letzten<br />
vier Wochen vor<br />
der Befragung kein<br />
Fleisch verzehrt haben<br />
mit 3,4 % mehr <strong>als</strong><br />
doppelt so hoch wie bei<br />
den Männern (NVS 2010).<br />
Das Bild von grillenden Männern<br />
und Salat knabbernden Frauen scheint<br />
sich damit zu bestätigen.<br />
Groß ist auch der Unterschied im Fleischverbrauch<br />
zwischen den sozialen Schichten. Sowohl<br />
die Nationale Verzehrsstudie <strong>als</strong> auch die Ernährungsstudie<br />
der Techniker Krankenkasse „Iss was<br />
Deutschland“ (2013) stellen fest: Je geringer der<br />
Bildungsstand und das Einkommen, desto mehr<br />
Wurst kommt aufs Brot und desto mehr Fleisch<br />
wird gegessen. Männer der Oberschicht essen 20<br />
Prozent weniger Fleisch <strong>als</strong> die männlichen Befragten<br />
der Unterschicht. Im Schnitt isst die Hälfte<br />
der Bevölkerung jeden Tag Wurst oder Fleisch.<br />
Vor allem in Haushalten mit einem Monatseinkommen<br />
von maximal 1.500 Euro gehört das tägliche<br />
Stück Fleisch zum Essen dazu. Diese Entwicklung<br />
zeigt sich auch schon bei den Kindern.<br />
Das Forschungsinstitut für Kinderernährung ermittelte,<br />
dass bereits Kleinkinder insgesamt zu<br />
viel Fleisch essen und Kinder aus der unteren<br />
sozialen Schicht am meisten davon bekommen.<br />
Weniger Fleisch - mehr Klimaschutz<br />
Essen und Trinken ist, neben der Energievergeudung,<br />
der Luftverschmutzung, der Belastung<br />
durch den Autoverkehr, für etwa 20 Prozent der<br />
Klimabelastung verantwortlich. Etwa die Hälfte<br />
der <strong>gesamte</strong>n ernährungsbedingten Emissionen<br />
stammt aus der <strong>Landwirtschaft</strong>, das meiste davon<br />
aus der Produktion Lebensmittel tierischer Herkunft.<br />
Nur 8 % entfallen auf die Erzeugung<br />
pflanzlicher Lebensmittel. Einer der Grundsätze<br />
für nachhaltige Ernährung ist deshalb die Bevorzugung<br />
pflanzlicher Lebensmittel und die Einschränkung<br />
von Fleisch und anderen tierischen<br />
Lebensmitteln. Denn diese Produkte haben über<br />
die <strong>gesamte</strong> Nahrungskette gemessen durch die<br />
Veredelungsverluste den größten CO 2<br />
-Fußabdruck.<br />
Andererseits können nur Wiederkäuer<br />
Gras der Grünlandflächen zur Produktion hochwertiger<br />
Lebensmittel wie Fleisch und Milch nutzen.<br />
Es geht deshalb auch bei der Frage Klimaschutz<br />
und Fleischverzehr nicht um entwederoder<br />
sondern um einen bewussten Konsum in<br />
22<br />
Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
geringeren Mengen<br />
und die Wertschätzung<br />
einer hohen<br />
Qualität. Dazu gehört<br />
auch der bewusste<br />
Einkauf und<br />
die Vermeidung von<br />
Verlusten im Haushalt.<br />
Denn alles was weggeworfen<br />
wird, ist mit viel Energieaufwand<br />
erzeugt worden.<br />
Der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft<br />
für Ernährung meint zum künftigen Trend:<br />
„Zukünftig ist in Deutschland von einem Rückgang<br />
des Fleischkonsums auszugehen. Bei Prognosen<br />
für den zukünftigen Verbrauch spielen verschiedene<br />
Faktoren eine Rolle. Beispielhaft erwähnt<br />
seien die schrumpfende und alternde Bevölkerung<br />
in Deutschland, geänderte<br />
Verbrauchereinstellungen hinsichtlich einer bewussteren<br />
Ernährung und mögliche Maßnahmen<br />
in der Klimapolitik, die den Fleischpreis verteuern<br />
könnten. Durch den steigenden Anteil von<br />
Migranten in Deutschland wird davon ausgegangen,<br />
dass insbesondere durch die zunehmende<br />
Zahl der Muslime eine Reduzierung des Verzehrs<br />
von Schweinefleisch zugunsten von Schaf- und<br />
Rindfleisch zu erwarten ist.“<br />
Veggie-Day und Sonntagsbraten<br />
Die aktuelle, sehr emotionsgeladene Diskussion<br />
über einen Veggie-Day in der Außer-Haus-Verpflegung<br />
zeigt, dass Essen sehr viel mit Gefühlen<br />
und Einstellungen und sehr wenig mit der Vernunft<br />
zu tun hat. Früher war mindestens ein<br />
fleischfreier Tag pro Woche eine Selbstverständlichkeit<br />
und niemand sah darin einen Eingriff in<br />
die persönliche Freiheit. Laut einer aktuellen Studie<br />
der Universitäten Hohenheim und Göttingen<br />
wären 60 % der Deutschen zu einer Einschränkung<br />
ihres Fleischkonsums bereit, hauptsächlich,<br />
um ihre Gesundheit und den Tierschutz zu fördern.<br />
Tatsächlich wäre der reduzierte Fleischkonsum<br />
in Industrieländern auch für Ressourcenschutz,<br />
Klimawandel und die Sicherung der Welternährung<br />
vorteilhaft. Bereits 20 % weniger<br />
Fleischkonsum in den Industrieländern hätte<br />
spürbare Auswirkungen auf Agrarpreise und die<br />
Ernährungssicherung armer Menschen in Entwicklungsländern.<br />
Menschen, die sich für eine<br />
fleischarme Lebensweise entscheiden, ernähren<br />
sich oftm<strong>als</strong> insgesamt kalorienärmer, stellten die<br />
Wissenschaftler fest. Beispielsweise geht eine Verringerung<br />
der Fleischnachfrage um 20 % gleichzeitig<br />
mit einem Rückgang der Milchnachfrage um<br />
6 % und einem Rückgang der Kartoffel- und Weizennachfrage<br />
um 2 % einher. Eine Reduzierung<br />
des Fleischkonsums in den Industrieländern würde<br />
nach dem derzeitigen Stand der Ernährungsforschung<br />
per se positive Gesundheitseffekte bewirken.<br />
Hinzu kommen die günstigen Einkommenseffekte<br />
für die Konsumenten in Deutschland,<br />
eine Schonung der natürlichen Ressourcen<br />
und eine beachtliche Verminderung des CO 2<br />
-Ausstoßes.<br />
Die Zusammenstellung des eigenen Speisezettels<br />
ist eine sehr persönliche Angelegenheit und sollte<br />
das auch bleiben. Essen soll zu allererst gut schmecken,<br />
darüber sind sich alle einig. Fleischlose Gerichte<br />
können hervorragend schmecken und sind<br />
weit mehr <strong>als</strong> das Weglassen von Fleisch und der<br />
ausschließliche Verzehr von Nudeln mit Soße und<br />
etwas Gemüse. In vielen Haushalten fehlt oft das<br />
Wissen um abwechslungsreiche Rezepte für vegetarische<br />
Speisen, die Genuss und nicht Verzicht<br />
bieten. Die Außer-Haus-Verpflegung und die<br />
Gastronomie mit ihren Fachkräften könnten hier<br />
noch mehr <strong>als</strong> bisher eine Vorbildfunktion einnehmen<br />
und Anregungen liefern. Eine attraktive<br />
fleischfreie Alternative an jedem Tag der Woche<br />
wird auf Dauer viele Tischgäste gewinnen, ganz<br />
ohne Vorschriften und Ideologie. Make the<br />
healthier choice the easier choice - das könnte<br />
auch für einen mäßigen Fleischkonsum gelten.<br />
Quellen (u.a.)<br />
DGE, Ernährungsbericht 2012, Umschau-Verlag<br />
M. MÜLLER-LINDENLAUF, Was hat die Ernährung<br />
mit dem Klima zu tun? Vortrag bei der BNE-Tagung<br />
„Unsere Zukunft auf den Tellern“,<br />
29.12.2012<br />
K. v. KOERBER, Ernährung <strong>als</strong> Schlüssel für einen<br />
Konsum mit Zukunft, Vortrag bei der BNE-Tagung<br />
„Unsere Zukunft auf den Tellern“,<br />
29.12.2012<br />
A. PLÖGER, G. HIRSCHFELDER, G. SCHÖNFELDER<br />
(Hrsg.), Die Zukunft auf dem Tisch, Wiesbaden<br />
2011<br />
A. CORDTS, N. DUMAN, Prof. Dr. H. GRETHE, Dr.<br />
S. NITZKO, Prof. Dr. A. SPILLER, Auswirkungen<br />
eines verminderten Konsums von tierischen Produkten<br />
in Industrieländern auf globale Marktbilanzen<br />
und Preise für Nahrungsmittel, Institut für<br />
Agrarpolitik und <strong>Landwirtschaft</strong>liche Marktlehre,<br />
Universität Hohenheim, 2013 •<br />
Monika Radke<br />
MLR Stuttgart<br />
Tel. 0711/ 1262105<br />
monika.radke@mlr.bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
23
Schwerpunktthema<br />
Daniela Schweikhart<br />
Orientierung beim Fleischeinkauf<br />
Ein Fleischskandal löst den nächsten ab, von den Medien meist effektvoll aufgearbeitet. Mit<br />
entsprechender Wirkung: die Verunsicherung des Verbrauchers beim Fleischeinkauf ist groß. Da<br />
häufig der Bezug zur <strong>Landwirtschaft</strong> und zur Lebensmittelherstellung fehlt, kann er die „Skandal“-<br />
Informationen nicht richtig einordnen. Außerdem mangelt es bisweilen an küchen-technischen<br />
Fertigkeiten. Nicht jeder weiß, welches Fleischteil für welches Gericht geeignet ist und wie es so<br />
zubereitet wird, dass es am Ende auch so lecker schmeckt wie erhofft.<br />
„Der Mensch beurteilt<br />
die Dinge lange nicht<br />
so sehr nach dem,<br />
was sie wirklich sind,<br />
<strong>als</strong> nach der Art,<br />
wie er sie sich denkt<br />
und sie in seinen<br />
Ideengang einpasst“.<br />
Alexander Freiherr<br />
von Humboldt<br />
(1769 - 1859)<br />
Was ist nun „gutes Fleisch“ und wie erkennt<br />
man es? Kriterien sind zunächst die mit unseren<br />
fünf Sinnen wahrnehmbare Zeichen der<br />
Fleischqualität:<br />
Fein marmoriertes Fleisch ist zarter und saftiger<br />
<strong>als</strong> ganz mageres.<br />
Liegt das Fleisch im eigenen Saft, dann hat es<br />
ein schlechteres Safthaltevermögen und wird<br />
bei der Zubereitung leicht zäh und trocken.<br />
Ist der Saft beispielsweise in einer SB-Packung<br />
auch noch trüb, dann lieber Finger weg.<br />
Schnittflächen sollten frisch sein. Angetrocknete<br />
Ränder sind ein Zeichen dafür, dass ein<br />
Fleischstück bereits länger liegt.<br />
Frisches Fleisch ist elastisch: Eine mit dem Finger<br />
in das rohe Fleisch gedrückte Vertiefung<br />
sollte schnell wieder verschwinden.<br />
Die Farbe variiert nach Fleischart und Alter des<br />
Tieres. Rindfleisch sollte nicht tief dunkelrot<br />
sein, Schweinefleisch nicht zu blass (Fleischfehler).<br />
Unter Schutzatmosphäre verpacktes Rindfleisch<br />
kann mit einem hochgradig angereicherten<br />
O 2<br />
-Gasgemisch behandelt sein, so dass es<br />
auch kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums<br />
(MHD) noch schön rot erscheint<br />
und so Frische vortäuscht.<br />
Gefrorenes Fleisch darf keine Anzeichen von<br />
Gefrierbrand haben. Häufig ist dies z.B. bei<br />
Tiefkühl-Hähnchen zu beobachten.<br />
Fleisch wird zart beim Abreifen. Daher sollte<br />
Schweinefleisch 5 Tage, Rindfleisch bestenfalls<br />
2 Wochen abgehangen sein.<br />
Typische Fleischfehler sind bei Rindfleisch das<br />
tiefrot bis braune „DFD“ -Fleisch (dark = dunkel,<br />
firm = fest, dry = trocken). Haben die Tiere vor<br />
der Schlachtung zu viel Stress, sinkt der pH-Wert<br />
im Fleisch nicht tief genug und die Fleischreifung<br />
ist gestört.<br />
Die früher gängigen Fleischfehler beim Schwein,<br />
das sog. PSE-Fleisch (pale=blass, soft=weich,<br />
exsudative=wässrig) sind heute durch Zuchterfolg<br />
deutlich zurückgegangen. Kompetente Beratung<br />
und gute Hygienestandards in den Schlacht- und<br />
Verkaufsräumen sowie beim Personal können<br />
Hinweise für einen vertrauenswürdigen Einkaufsort<br />
sein.<br />
Augen auf beim Fleischeinkauf -<br />
Lebensmittelrecht<br />
Nach dem Rindfleisch-Etikettierungs-Gesetz<br />
müssen Geburts-, Schlacht- und Zerlegeland angegeben<br />
sein. Aufgetautes TK-Fleisch muss zwar<br />
<strong>als</strong> solches gekennzeichnet sein, wird es jedoch in<br />
irgendeiner Weise weiter bearbeitet, beispielsweise<br />
mariniert, zu Hackfleisch verarbeitet oder mit Salz<br />
oder Flüssigwürzen behandelt, entfällt die Deklarationspflicht.<br />
Besonders Geflügel ist häufig mit<br />
bis zu 10 Prozent Flüssigwürze aufgespritzt<br />
(„Hühnerbrust küchenfertig zubereitet“). Paniertes<br />
und gleichmäßig geformtes Fleisch ist häufig<br />
aus Fleischteilen zusammengesetztes Formfleisch.<br />
Das trifft besonders häufig auf Chicken Nuggets<br />
zu.<br />
Güte- und Herkunftssiegel<br />
Wer auf die Herkunft seines Steaks achtet, kann<br />
sich an einer Reihe von regionalen und anderen<br />
Zeichen und Siegeln orientieren. Hier werden einige<br />
ausgewählte vorgestellt:<br />
Gütesiegel wie das QS-Zeichen „Qualität<br />
und Sicherheit“ geben Qualitätsstandards<br />
vor, die durch den <strong>gesamte</strong>n<br />
Produktionsablauf von der Erzeugung<br />
bis zur Schlachtung hindurch zu dokumentieren<br />
24 Landinfo 4 | 2013
Schwerpunktthema<br />
sind. Für den Verbraucher soll durch maximale<br />
Transparenz und Rückverfolgbarkeit ein maximal<br />
sicheres Produkt zur Verfügung stehen. Inzwischen<br />
gehört das QS-Zeichen für alle LEH-Ketten<br />
zum Grundstandart. www.q-s.de.<br />
Das Qualitätszeichen Baden-Württemberg<br />
bezeichnet beispielsweise<br />
Fleisch von Tieren, die im Land aufgewachsen<br />
sein müssen. Umfangreiche<br />
Rückstands- und Qualitätskontrollen<br />
gehören auch dazu. Infos und Kriterien<br />
unter www.gemeinschaftsmarketing-bw.de.<br />
Im Südschwarzwald<br />
erzeugt<br />
die<br />
Erzeugergemeinschaft<br />
„Junges Weiderind“ nach EU-Bio-<br />
Richtlinien und liefert ausschließlich an Edeka<br />
Südwest in Offenburg. Damit ist das Kriterium<br />
der kurzen Transportwege erfüllt (www.jungesweiderind.de).<br />
Die europäischen<br />
Herkunftszeichen<br />
bezeichnen rechtlich<br />
geschützte<br />
Produktionsweisen.<br />
„Geschützte geografische Angabe“ bezeichnet<br />
beispielsweise Schwarzwälder Schinken, der<br />
zwar mit ausländischem Schweinefleisch aber nur<br />
in der definierten Region Schwarzwald hergestellt<br />
werden darf, dasselbe gilt für die schwäbischen<br />
Maultaschen. Kriterien zum Nachlesen unter:<br />
www.bmelv.de /<strong>Landwirtschaft</strong> /EU-Agrarpolitik/EU-Marktregelungen<br />
/Schutz von Herkunftsbezeichnungen<br />
und traditionellen Spezialitäten.<br />
Seit Januar 2013 gibt es das Regionalfenster,<br />
getragen vom Verein<br />
Regionalfenster e.V.. Dieser setzt<br />
sich zusammen aus Verbänden<br />
und Unternehmen der Agrarund<br />
Ernährungswirtschaft und wird unterstützt<br />
vom BMELV in Berlin (www.regionalfenster.de).<br />
Das neue „Tierschutzlabel“<br />
des deutschen Tierschutzbundes<br />
e.V. hat in<br />
den letzten Monaten für<br />
kontroverse Diskussionen<br />
gesorgt. Es differenziert zwischen der Einstiegsstufe<br />
mit einem und der Premiumstufe mit zwei<br />
Sternen. Grob gesagt liegen die Anforderungen<br />
für die Einstiegsstufe knapp über dem Level der<br />
gesetzlichen Grundlagen, die der Premiumstufe<br />
etwa auf Bio-Niveau. (www.tierschutzlabel.info).<br />
Bio-Verbände wie Bioland, Demeter,<br />
Naturland haben jeweils<br />
ihre eigenen Kriterien zu Haltung<br />
und Fütterung von Nutztieren.<br />
Ein guter Vergleich dieser<br />
Kriterien findet sich unter www.<br />
wwf.de/fileadmin/fm-wwf/<br />
Publikationen-PDF/Vergleich_<br />
Kriterien_13102011.pdf.<br />
Weitere Labels und Initiativen: www.vier-pfoten.<br />
de/service/tierschutzlabel und www.aktion-tierwohl.de<br />
Weitere ethische Kriterien beim<br />
Fleischeinkauf<br />
Ethische Gründe können weitere Orientierung<br />
beim Einkauf sein. Artgerechte Tierhaltung, Weidegang,<br />
Fütterung mit regionalen Futtermitteln<br />
ohne gentechnisch veränderte (GVO)-Futterpflanzen<br />
haben für den Verbraucher einen hohen<br />
Stellenwert. Hat er den Eindruck, das Tier war<br />
„glücklich“, kann er es mit vermeintlich besserem<br />
Gewissen essen. Hier liegt die Nische für die Direktvermarktung,<br />
wo der Verbraucher dem Erzeuger<br />
persönlich vertraut. Mediale Berichte, wie die<br />
um die Anwendung von Betäubungsmitteln zum<br />
Kastrieren von Schweinen oder die Verwendung<br />
von Antibiotika in der Geflügelmast, wirken beim<br />
Verbraucher stark abschreckend. Neben Nachhaltigkeitskriterien<br />
wie dem ’ökologischen Fußabdruck’<br />
oder dem ‚virtuellen Wasser’ ist es sinnvoll,<br />
durch die Auswahl von regionalen Produkten die<br />
Wertschöpfung in der Region zu lassen, kurze<br />
Transportwege und die Pflege der Landschaft im<br />
der eigenen Wohnumfeld zu fördern.<br />
Schlussfolgerung<br />
Unser Anliegen in <strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucheraufklärung<br />
muss sein, Informations- und<br />
Imagearbeit zu leisten und den Menschen die<br />
Möglichkeit zu geben, einen Bezug zu regionalen<br />
Lebensmitteln aufzubauen.<br />
Heimische <strong>Landwirtschaft</strong> muss ein sympathisches<br />
Gesicht haben und schon von Otto Normalverbraucher<br />
mit positiven Aussagen assoziiert<br />
werden, sonst gibt es für ihn keinen Grund, beim<br />
Einkauf auf die Regionalität der Produkte zu<br />
achten. •<br />
Daniela Schweikhart<br />
Landratsamt Biberach<br />
Tel. 07351/ 526731<br />
daniela.schweikhart@<br />
biberach.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
25
Mitten im Leben<br />
Das Ei - Multitalent in der Küche<br />
Ob Kuchen, Suppen, Teig – häufig werden Eier mit verarbeitet. Der Grund liegt<br />
in ihren vielfältigen küchentechnischen Eigenschaften.<br />
Eier binden<br />
Ein Ei kann die zweifache Flüssigkeitsmenge seines Eigengewichtes aufnehmen. Deshalb wird es zum<br />
Binden von Semmel-, Kartoffel- und Fleischteigen eingesetzt. Eine leichte Bindung und Verfeinerung<br />
von Suppen und Soßen erhält man durchs Legieren. Für diesen Vorgang wird nur das Eigelb verwendet.<br />
Eigelb emulgiert<br />
Eigelb enthält Lecithin, das <strong>als</strong> Emulgator wirkt. Emulgatoren haben die Fähigkeit, zwei nicht mischbare<br />
Stoffe (Fett, Wasser) miteinander zu verbinden. Mayonnaise oder Sauce hollandaise sind Beispiel dafür.<br />
Eigelb färbt<br />
Der Eidotter erhält seine gelbe Farbe aus Carotinen, die aus dem Hühnerfutter stammen.. Diese Farbe<br />
macht man sich zunutze beim Bestreichen von Gebäck mit einem Eigelb-Milch-Gemisch. Auch<br />
Cremespeisen z.B. Flammerie erhalte dadurch eine schöne Färbung.<br />
Eiklar lockert<br />
Durch das Schlagen nimmt das Eiklar Luft auf. Die Masse vervielfacht das Volumen und wird zu<br />
Eischnee. Die eingeschlagene Luft dient zur Lockerung der Speisen. Der Schaum ist jedoch nicht sehr<br />
stabil, so dass er schnell erhitzt werden muss, damit die Struktur erhalten bleibt. Bisquitteig und Baisers<br />
sind typische Beispiele für die Verwendung von Eiklar. Auch Kaiserschmarrn erhält durch Eischnee eine<br />
luftige Struktur.<br />
Eiweiß klärt<br />
Brühen aus Knochen und Fleisch werden beim Kochvorgang trübe. Aufgeschlagenes Eiweiß, das in der<br />
Brühe aufgekocht wird, bindet die Trübstoffe. Die Brühe wird klar.<br />
REZEPT<br />
Semmelmehlklößchen (4-5 Personen)<br />
50 g trockenes Brot 25 g Butter<br />
1 Ei 1 Prise Salz<br />
1 Essl. gehackte Petersilie<br />
Trockenes Brot in einen Gefrierbeutel geben und mit einem Wellholz<br />
zu Semmelmehl zerstampfen.<br />
Semmelmehl mit Butter, Ei, Salz und gehackte Petersilie zu einem<br />
Teig verarbeiten. Aus dem Teig Haselnussgroße Klößchen formen.<br />
Die Klößchen in leicht siedender Brühe ziehen lassen. Sie sind gar<br />
wenn sie alle oben schwimmen (5-10 Minuten).<br />
Die Klößchen sind eine Suppeneinlage die besonders bei Kindern<br />
beliebt ist. Sie dient der Resteverwertung.<br />
Ernährungsinformation<br />
Gesa Czolbe<br />
Ernährungszentrum Karlsruhe<br />
Tel. 07251/ 74-1741<br />
gesa.czolbe@landratsamt-karlsruhe.de<br />
26 Landinfo 4 | 2013
Mitten im Leben<br />
Personalnachrichten (Februar bis Juli 2013)<br />
Neueinstellungen<br />
Patricia Bauderer<br />
Jessica Schmidt<br />
Ute Killgus<br />
Matthäus Ströbele<br />
Ramona Reinke<br />
Julika Schaupp<br />
Susanne Gnoyke<br />
LRA Alb-Donau-Kreis<br />
LRA Alb-Donau-Kreis<br />
LRA Esslingen<br />
LRA Hohenlohekreis<br />
LRA Schwäbisch Hall (DO Kupferzell)<br />
LRA Freudenstadt<br />
LRA Calw<br />
Stefan Kury<br />
Marie Martin<br />
Sebastian Weisenburger<br />
Alexandra Niedrist<br />
Tobias Schweizer<br />
Josefine Gutte<br />
Frank Hemrich<br />
Birte Krüttgen<br />
LRA Rottweil<br />
LRA Tuttlingen<br />
LRA Karlsruhe<br />
LRA Tübingen<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
LVG Heidelberg<br />
LVG Heidelberg<br />
Versetzungen<br />
Reinhard Dingler<br />
David Endreß<br />
Kim Bürger<br />
Caroline Fischer<br />
LSZ Boxberg<br />
LRA Heilbronn<br />
LRA Waldshut<br />
LRA Neckar-Odenwald-Kreis<br />
Susanne Berger<br />
Anne Spelsberg<br />
Tomma Bieling<br />
LRA Bodenseekreis<br />
LRA Schwäbisch Hall<br />
LRA Ostalbkreis<br />
Eintritt in den Ruhestand<br />
Dr. Gottfried Göggel<br />
Anton Schoch<br />
Matthias Braun<br />
Gerhard Kohler<br />
Hans Haberkorn<br />
Karl Johann van Eeck<br />
LRA Reutlingen<br />
LRA Freudenstadt<br />
LRA Bodenseekreis<br />
LRA Neckar-Odenwald-Kreis<br />
LRA Ravensburg<br />
LRA Ostalbkreis<br />
Dr. Reinhold Buchsteiner<br />
Dr. Peter-Caspar Hagemann<br />
Gisela Kankel-Dörr<br />
Dr. Robert Merz<br />
Joachim Hentze<br />
Bernhard Dangelmaier<br />
LRA Ludwigsburg<br />
LRA Sigmaringen<br />
LRA Calw<br />
MLR<br />
MLR<br />
MLR<br />
Karl-Johann van Eeck verabschiedet<br />
Mit der Verabschiedung in den Ruhestand von Karl-Johann van<br />
Eeck hat wieder ein Mitglied des Landinfo-Redaktionsbeirates<br />
(heute Beirat für Bildungs- und Beratungsunterlagen) der ersten Stunde<br />
die Arbeitsgruppe verlassen. Karl-Johann van Eeck wurde am<br />
14.11.1947 in Kleve-Kellen, NRW <strong>als</strong> Bauernsohn geboren. Nach einer<br />
landwirtschaftlichen Lehre und Besuch der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen<br />
Ingenieurschulen in Brühl und Soest vollendete er seine Studien mit<br />
dem Abschluss der Agrarökonomie in Hohenheim. Dem Referendariat<br />
in Niedersachsen folgten Tätigkeiten am <strong>Landwirtschaft</strong>samt Horb, Aalen und am RP Stuttgart, bevor<br />
er seit 1993 Stellvertretender Amtsleiter am <strong>Landwirtschaft</strong>samt Ellwangen/Ostalbkreis wurde.<br />
Karl-Johann van Eeck hat die Landinfo seit der ersten Sitzung 1994 begleitet. Sein Ideenreichtum, sein<br />
Engagement und seine Nähe zur landwirtschaftlichen Praxis haben dazu beigetragen die landinfo interessant<br />
und praxisnah zu gestalten. Seine Erfahrung und seine Offenheit gegenüber neuen Themen<br />
wurden im Redaktionsbeirat hoch geschätzt. Mit Anne Spelsberg (<strong>Landwirtschaft</strong>samt SHA in Ilshofen)<br />
übergibt er sein Amt an eine junge, engagierte Kollegin, die im Beirat die Wünsche und Interessen der<br />
Unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörden vertreten wird. •<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
27
Mitten im Leben<br />
Rezensionen<br />
Diagnostik und Gesundheitsmanagement<br />
im Schweinebestand<br />
UTB - Veterinärmedizin, ISBN 978-3-8252-8502-<br />
9, Preis: 59,- €<br />
Das Buch wurde von einem internationalen Autorenteam<br />
aus Spezialisten der klinischen Diagnostik,<br />
Pathologie, Virologie, Bakteriologie, Parasitologie,<br />
Tierernährung, Tierhaltung, Hygiene und<br />
Pharmakologie verfasst. Es ist allerdings für Veterinärmediziner<br />
eher geeignet <strong>als</strong> für Mitarbeiter<br />
der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung. Im Rahmen von<br />
Betriebsberatungen auf Schweinebetrieben, in denen<br />
es um Tiergesundheit geht, kann es allerdings<br />
<strong>als</strong> Nachschlagewerk für speziellere Fragen verwendet<br />
werden.<br />
Das Buch geht auf verschiedene Methoden der<br />
Diagnostik von Krankheiten ein. Der erste Band<br />
behandelt insbesondere infektiös und nicht infektiös<br />
bedingte Bestandserkrankungen, während<br />
Reproduktionsstörungen in einem weiteren Band<br />
abgehandelt werden. •<br />
„Aus der Serie „Die <strong>Landwirtschaft</strong>“ wurden zwei<br />
Grundlagenwerke für den Unterricht an den<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>lichen Fachschulen überabeitet<br />
und neu aufgelegt:<br />
Berufsausbildung und Mitarbeiterführung<br />
In diesem Lehr- und Arbeitsbuch werden die neuesten<br />
rechtlichen Bestimmungen für die Berufsausbildung<br />
im Agrarbereich berücksichtigt. Veränderungen<br />
im <strong>gesamte</strong>n Bildungsbereich innerhalb<br />
Deutschlands sind aufgenommen, Tabellen<br />
und Statistiken sowie Handlungsbeispiele erweitert<br />
und aktualisiert. Die acht Kapitel folgen mit<br />
dieser kompletten Neugestaltung der Ausbilder-<br />
Eignungsverordnung, ergänzt um den zentralen<br />
Themenbereich „Mitarbeiterführung“. Bedeutende<br />
Themen der modernen Betriebsführung wie<br />
das Image des Agrarberufes, Teamarbeit, Beurteilungsgespräche<br />
und Führungsverhalten vernetzen<br />
alle Kapitel miteinander.<br />
Für das Eigenstudium werden die jeweiligen Abschnitte<br />
mit Lernzielen eröffnet und mit Zusammenfassungen<br />
und Verständnisfragen abgeschlossen.<br />
Auch in diesem Band unterstützt nun der<br />
Einsatz einer Farbe ebenso wie die strukturierte<br />
Gliederung der Inhalte das bewährte didaktische<br />
Konzept dieser Lehrbuch-Reihe.<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>liche Tierhaltung<br />
28 nord- und süddeutsche Autoren trugen hier<br />
den aktuellen Wissensstand der landwirtschaftlichen<br />
Tierproduktion zusammen. Die 11 Kapitel<br />
sind nach dem bewährten didaktischen Konzept<br />
dieser Lehrbuch-Reihe übersichtlich gegliedert,<br />
die <strong>gesamte</strong> Verfahrenstechnik („Landtechnik“)<br />
der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist in die einzelnen<br />
Kapitel integriert, sodass der Leser ganzheitliche<br />
Darstellungen der Produktionssysteme<br />
erhält. Der Aufbau dieses Bandes ist komplett neu<br />
gestaltet: In einem ersten Teil werden ausschließlich<br />
die Grundlagen der Zucht, Fütterung, Futtermittelkunde<br />
und Haltung behandelt, in einem<br />
zweiten werden diese Bereiche auf die Tierart bezogen<br />
vertieft. Die Neuauflage ist dadurch übersichtlicher<br />
und anwenderfreundlicher. Neue wissenschaftliche<br />
Fachkenntnisse wurden eingearbeitet.<br />
Breiten Raum nehmen die sons tigen Nutztierarten<br />
sowie der <strong>gesamte</strong> Komplex der<br />
Tiergesundheit und des Tierschutzes ein. Die<br />
speziellen Anforderungen der Tierhaltung im<br />
ökologischen Landbau sind bei den jeweiligen<br />
Tierarten direkt mit eingearbeitet.<br />
Für Herbst 2013 wird auch eine Neuauflage<br />
„<strong>Landwirtschaft</strong>licher Pflanzenbau“ angekündigt.<br />
•<br />
Getreidelagerung - Sauber – sicher –<br />
wirtschaftlich<br />
Das Thema „Getreidelagerung“ hat nicht nur in<br />
Europa, sondern auch weltweit eine besondere<br />
wirtschaftliche Dimension. Getreide ist ein sehr<br />
sensibles Lebensmittel und laut FAO-Schätzungen<br />
betragen die globalen Verluste durch unsachgemäße<br />
Lagerung zwischen 10 und 30 Prozent.<br />
Verantwortlich dafür sind insbesondere Schadinsekten,<br />
aber auch Schadnagetiere, Vögel und Pilze.<br />
Daher sind Lagerhygiene und -stabilisierung wesentliche<br />
Faktoren, um die Qualität des Getreides<br />
nach der Ernte sicher zu erhalten. Durch relativ<br />
hohe Getreidepreise in den letzten Jahren wird es<br />
für Landwirte außerdem attraktiver, die Ernte<br />
nicht mehr sofort vom Feld weg zu verkaufen.<br />
Wer einlagert und Vermarktungstermine erfolgreich<br />
steuert, kann zu einem späteren Zeitpunkt<br />
einen deutlich höheren Gewinn erreichen.<br />
Der Praxisratgeber informiert umfassend, welche<br />
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Getreidelagerung<br />
geschaffen werden müssen. Anschaulich<br />
und mit zahlreichen Abbildungen wird das nötige<br />
Know-how vermittelt.<br />
28 Landinfo 4 | 2013
Mitten im Leben<br />
Der Leser bekommt kurz, übersichtlich und einfach<br />
verständlich insbesondere Antworten auf<br />
folgende Fragen:<br />
Warum bzw. wann sollte Getreide überhaupt<br />
gelagert werden ?<br />
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind<br />
zu beachten (BGB und Produkthaftungsgesetz,<br />
Rückstellproben, Lebens- und Futtermittelhygienerecht,<br />
Zertifizierungssysteme, Pflanzenschutzgesetz)<br />
?<br />
Welche Verfahren zur Lagerung von Getreide<br />
stehen zur Auswahl (Hochsilo, Flachla-ger/Hallenlagerung)<br />
und mit welchen Kosten muss jeweils<br />
gerechnet werden ?<br />
Welche samen- und bodenbürtigen Krankheiten<br />
gibt es und wie werden sie bekämpft ?<br />
Wie werden Lagerstätte, Geräte und Einrichtungen<br />
richtig gereinigt ?<br />
Wie wird Getreide sicher transportiert ?<br />
Welche Konservierungsverfahren kommen<br />
nach der Ernte in Betracht (Kühlen, Trocknen<br />
u. Belüften, Feuchtkonservierung mit Säuren) ?<br />
Wie wird die Lagerstabilität überwacht (Feuchte,<br />
Temperatur) ?<br />
Welche Schäden entstehen durch Feld- und Lagerpilze<br />
sowie tierische Schädlinge und wie können<br />
sie vermieden werden ?<br />
Der Band erscheint in der neuen Ratgeber-Reihe<br />
des DLG-Verlags „AgrarPraxis kompakt“. •<br />
Schweinemast<br />
Steffen Hoy, Ulmer, 2012, ISBN 978-3-8001-<br />
5378-7, Preis: 24,90 €<br />
Neben Hauptautor Prof. Hoy, wirkten verschiedene<br />
namhafte Autoren aus verschiedenen Bereichen<br />
der Schweinehaltung an dem Buch mit. Entstanden<br />
ist ein in Anbetracht der Themenvielfalt<br />
relativ kompaktes Buch. Es enthält vor allem<br />
wichtige Kennzahlen und eignet sich zum einen<br />
für die Beratung von Schweinemastbetrieben,<br />
aber auch <strong>als</strong> Literatur für baurechtliche Stellungnahmen.<br />
Abgehandelt werden insbesondere folgende Bereiche:<br />
Marktgerechte Schweinemast<br />
Alle wichtigen Haltungsverfahren<br />
Planung und Genehmigung von Stallbauten<br />
Hygiene und Gesunderhaltung<br />
Managementmaßnahmen •<br />
1000 Fragen für den jungen Landwirt<br />
Alsing/ Ertl/ Birnbeck, Ulmer, 17., aktualisierte<br />
Auflage 2012, ISBN 978-3-8001-7552-9, Preis:<br />
19,90 €<br />
Wie der Titel schon ahnen lässt, handelt es sich<br />
nicht um ein typisches Fachbuch. Dennoch behandelt<br />
das Werk die wichtigsten Themenfelder,<br />
die den praktischen Landwirt unmittelbar betreffen.<br />
Auf die Fragen gibt es 1000 relativ kurze aber<br />
präzise Antworten. Das Buch eignet sich durchaus<br />
für den Einsatz im praktischen Unterricht, z.B. an<br />
den Fachschulen. So kann es – wie es oft Agrarstudenten<br />
gewohnt sind – z.B. <strong>als</strong> Fragenkatalog<br />
in einem bestimmten Fachgebiet verwendet werden,<br />
anhand dessen die Schüler ihr eigenes Fachwissen<br />
überprüfen können. Gleichzeitig kann es<br />
im Unterricht sozusagen im Rahmen eines Methodenwechsels<br />
eingesetzt werden. •<br />
Kochen mit Brotresten<br />
Altes Brot und Gebäck schmackhaft<br />
verwerten<br />
Helene Brandstätter, 144 Seiten, ISBN: 978-3-<br />
7020-1411-0, Leopold Stocker Verlag, Graz 2013,<br />
18,99 €<br />
Rund 8 kg Brot wirft jeder Deutsche im Jahr weg.<br />
Für die Autorin, auf einem Bauernhof aufgewachsen,<br />
ist Brot ein wertvolles Grundnahrungsmittel<br />
und wird daher auf gar keinen Fall weggeworfen.<br />
Sie hat über 130 Rezepte zusammengetragen,<br />
vom mediterranen Ciabatta-Salat, Brotsuppen-Varianten,<br />
Semmelknödel, kalte Brotlasagne<br />
bis hin zu leckeren Süßspeisen. Altbackenes Brot<br />
wird dabei mit frischen Zutaten zu leckeren Speisen<br />
verarbeitet. Ein anregendes, praktisches Buch<br />
für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln. •<br />
Natürlich kochen!<br />
Annabel Langbein, 320 Seiten, ISBN: 978-3-8338-<br />
2822-5, Gräfe und Unzer Verlag, München 2012,<br />
24,99 €<br />
Die Autorin Annabel Langbein vermittelt in ihrem<br />
Buch „Natürlich kochen!“ eindrucksvoll die<br />
Leichtigkeit des natürlichen Kochens. Ihre bodenständige<br />
Einstellung zum Kochen ist sowohl praktisch<br />
<strong>als</strong> auch inspirierend. Sie verwendet frische<br />
Produkte aus der nächsten Umgebung und in der<br />
Saison geerntet. Der Spaß am Kochen mit leicht<br />
zu beherrschenden Rezepten, die jedem gelingen<br />
und nicht stressen, steht im Vordergrund. Oft<br />
werden bekannte Lebensmittel ungewöhnlich<br />
kombiniert oder gewürzt.<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
29
Mitten im Leben<br />
Die Zubereitung der Gerichte ist ausführlich in<br />
Teilschritten erklärt. Am Ende des Buches befinden<br />
sich ein übersichtliches Glossar und ein Register.<br />
•<br />
Duftküche - 80 Vitalrezepte mit ätherischen<br />
Ölen<br />
Maria M. Kettenring, 144 Seiten, ISBN: 978-3-<br />
7088-0561-0, Kneipp Verlag, Wien 2012, 19,99 €<br />
Das Buch „Duftküche“ von Maria M. Kettenring<br />
weiht den Leser in die Welt der Aromaküche ein.<br />
Im Mittelpunkt des Buches steht der Einsatz von<br />
ätherischen Ölen beim Parfümieren, Experimentieren<br />
und Aromatisieren der Speisen. Nach einer<br />
allgemeinen Einführung in die Aromaküche stellt<br />
sie Rezepturen für aromatische Würzsalze, -pesto,<br />
-öle und mehr vor. Den größten Teil des Buches<br />
nehmen die Rezepte ein, die mit ätherischen Ölen<br />
zubereitet werden. Aromaportraits, in denen die<br />
Eigenschaften und Besonderheiten der Würzessenzen<br />
vorgestellt werden, runden das Buch ab.<br />
Dieses Buch spricht alle Experimentierfreudige<br />
an, die neue Geschmacks- und Dufterlebnisse suchen.<br />
•<br />
Alles wird schwerer Ich nicht -<br />
Das Kochbuch für Frauen ab 40<br />
Dr. Antonie Danz, 134 Seiten, ISBN: 978-3-8304-<br />
6158-6, Trias Verlag, Stuttgart 2012, 14,99 €<br />
Das Kochbuch „Alles wird schwerer – Ich nicht!“<br />
basiert auf einem gleichnamigen Ratgeber mit einem<br />
ungewöhnlichen Ansatz zur Gewichtsreduktion.<br />
Lebensmittel werden gemäß der Diätetik der<br />
Chinesischen Medizin durch wärmende Garverfahren<br />
und Gewürze bekömmlich zubereitet und<br />
achtsam in angenehmer Atmosphäre verzehrt.<br />
Wer spürt, dass größere Mengen Rohkost, häufige<br />
Brotmahlzeiten oder eintöniges Würzen zu Unwohlsein<br />
führen, findet hier viele praktische Anregungen.<br />
In den ersten Kapiteln des Buches werden knappe<br />
Hintergrundinformationen und Tipps zum erfolgreichen<br />
Abnehmen gegeben. Die darauffolgenden<br />
Kapitel enthalten Rezepte zur Zubereitung<br />
wohlschmeckender und bekömmlicher Speisen.<br />
Auf Kalorienzählen, Tages- oder Wochenpläne<br />
und Angaben zu Nährstoffgehalten verzichtet<br />
die Autorin. Stattdessen legt sie großen Wert auf<br />
Wohlbefinden durch bewusstes Zubereiten der<br />
Speisen, Genießen der Mahlzeiten und die Beachtung<br />
der eigenen seelischen und körperlichen Signale.<br />
•<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>liche Betriebslehre –<br />
Grundwissen Bachelor<br />
Stephan Dabbert, Jürgen Braun, UTB – Ulmer, 3.<br />
Auflage 2012, ISBN 978-3-8252-3819-3, Preis:<br />
24,90 €<br />
Das Buch umfasst die wichtigsten Themengebiete<br />
der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre.<br />
Es kann durchaus auch für Fortgeschrittene <strong>als</strong><br />
Nachschlagewerk verwendet werden, bietet sich<br />
aber auch für Referendare oder Inspektorenanwärter<br />
<strong>als</strong> Basislektüre an, wenn fundierte betriebswirtschaftliche<br />
Kenntnisse fehlen. Viele<br />
Ausführungen, wie das Kapitel 2 (Entscheiden<br />
und Planen) sind zwar relativ theoretischer Natur,<br />
im Kapitel 3 werden dann praxisrelevantere Themenfelder,<br />
wie Kosten-Leistungsrechnung,<br />
Grundsätze der Buchführung und Grundbegriffe<br />
des Rechnungswesen abgehandelt und mit praktischen<br />
Beispielen belegt. Die Zwischenüberschriften<br />
an den Seitenrändern machen das Buch sehr<br />
übersichtlich. •<br />
Gut Brot will Weile haben<br />
Der Bäcker vom Lorettohof und seine<br />
besten Rezepte<br />
Günther Weber, Dieter Ott, 168 Seiten, ISBN:<br />
978-3-7750-0653-8, Walter Hädecke Verlag, Weil<br />
der Stadt 2013, 22,80 €<br />
Brot ist ein besonderes<br />
Produkt.<br />
Es<br />
braucht Zeit<br />
und keine Zusatzstoffe.<br />
Der<br />
Holzofenbäcker<br />
Günther<br />
Weber vom<br />
Lorettohof<br />
auf der schwäbischen<br />
Alb<br />
gibt in diesem<br />
Buch Rezepte<br />
für traditionelle<br />
Sauerteig- und Landbrote, Klein- und jahreszeitliches<br />
Gebäck preis. Die nach alter Handwerkskunst<br />
hergestellten Brotteige brauchen Zeit<br />
und Ruhe, damit sich die Aromen richtig entfalten<br />
können. Ausführlich wird im Textteil beschrieben,<br />
was das Bäckerhandwerk ausmacht. Das ist auch<br />
für Hobbybäcker spannend und regt zum Nachmachen<br />
an. Das Buch ist ein ansprechendes Bilderbuch,<br />
eine interessante Biographie und ein<br />
verführerisches Backbuch zugleich. •<br />
30 Landinfo 4 | 2013
Ländlicher Raum, Landschaft<br />
Michael Hauk<br />
Runder Tisch - Gemeinsam aktiv für die Artenvielfalt<br />
Landwirte setzten sich mit Naturschützern, Imkern, Jägern und Vertretern der Gemeinden an einen<br />
Tisch und entwickeln ein Konzept, wie sie gemeinsam etwas für die Vielfalt an Tieren, Pflanzen und<br />
Lebensräumen in ihrer Gemarkung tun können. Das ist kein Traum, keine Vision sondern mit dem<br />
Runden Tisch Artenvielfalt Realität geworden.<br />
In den Jahren 2011 und 2012 lief im Hohenlohekreis<br />
und im Rhein-Neckar-Kreis das Teilprojekt<br />
„Mehr Biodiversität auf landwirtschaftlichen Betrieben“<br />
im Rahmen des Modellvorhabens „Gesamtbetriebliche<br />
Biodiversitätsberatung“ (vgl.<br />
Landinfo 4/2011 und 5/2012). Die beteiligten<br />
Landwirte regten an, auch weitere Landnutzer, wie<br />
Jäger und Imker, sowie ehrenamtliche Naturschützer<br />
und Kommunen an lokalen Initiativen zur<br />
Förderung der Biodiversität zu beteiligen und das<br />
Verfahren zu vereinfachen. So entstand die Idee,<br />
unter dem Titel „Runder Tisch Artenvielfalt“ ein<br />
Gemarkungskonzept<br />
auf freiwilliger Basis ohne Nutzungsentschädigungen<br />
mit möglichst vielen Beteiligten bzw. Landnutzern<br />
einer Gemarkung<br />
mit möglichst vielen und kurzfristig umsetzbaren<br />
Maßnahmen<br />
mit möglichst geringen bürokratische Hürden<br />
zu entwickeln.<br />
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />
(MLR) beauftragte die Landesanstalt<br />
für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der<br />
ländlichen Räume (LEL) mit der Erarbeitung und<br />
Erprobung eines solchen Konzeptes in Zusammenarbeit<br />
mit den schon am Modellvorhaben beteiligten<br />
unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörden (ULB)<br />
des Rhein-Neckar-Kreises und des Hohenlohekreises.<br />
Im Hohenlohekreis stieß das Projekt auf wenig<br />
Interesse; insbesondere lehnten die Landwirte eine<br />
Umsetzung von Maßnahmen ohne Ausgleichsleistungen<br />
vor dem Hintergrund hoher Pachtpreise<br />
ab. Die ULB des Rhein-Neckar-Kreises führte<br />
das Projekt in der Gemeinde Neidenstein und in<br />
Waibstadt mit dem Ortsteil Daisbach durch und<br />
erzielte dabei eine positive Resonanz. Nach zum<br />
Teil hitzigen Gesprächsrunden sind nun die ersten<br />
Erfolge in der Kraichgaulandschaft zu beobachten.<br />
Vorgehensweise<br />
Im ersten Schritt warb der Berater der ULB bei<br />
den jeweiligen Bürgermeistern und Ortsobleuten<br />
der Landwirte für das vorgesehene Projekt und<br />
bat um ihre Mitwirkung bzw. Unterstützung. Anschließend<br />
führte er in den beiden Gemeinden<br />
eine Informationsveranstaltung mit Landwirten,<br />
Jägern, Imkern, Obst- und Gartenbauverein, örtliche<br />
Naturschutzorganisationen und Bürgermeister<br />
durch. Beim ersten Treffen am „Runden Tisch“<br />
haben diese Akteure intensiv, teilweise kontrovers<br />
und sehr emotional über die „richtige“ Landnutzung<br />
diskutiert. Dank der neutralen Moderation<br />
durch die ULB gelang es aber, Missverständnisse<br />
auszuräumen und das gegenseitige Verständnis zu<br />
fördern.<br />
Letztendlich konnten verschiedene Beteiligte zur<br />
Mitarbeit gewonnen werden:<br />
Die Landwirte stellten Maßnahmenflächen bereit,<br />
säten sie ein und pflegen sie.<br />
Die Gemeinden unterstützen das Vorhaben und<br />
übernehmen die Saatgutkosten.<br />
Die Ortsgruppe des BUND hilft mit bei Pflegearbeiten<br />
von Hand und übernimmt Beobachtungen<br />
und Auswertungen.<br />
Mit den Imkern wurden Flächenauswahl und<br />
Aufstellung der Bienenkästen abgestimmt und<br />
sie stellten einen Saatgutbeitrag in Aussicht.<br />
Bei zwei weiteren „Runden Tischen“ unter Leitung<br />
der ULB haben die Landwirte Flächen ausgewählt<br />
und dazugehörigen Maßnahmen abgestimmt.<br />
ULB und Saatgutlieferant haben die<br />
Landwirte zu Saatgutauswahl, Anbau und Pflege<br />
informiert und beraten. Die Auswahl und Bestellung<br />
des Saatguts erfolgte ebenso gemeinsam wie<br />
auch eine gemeinsame Aussaat organisiert wurde.<br />
Die gegenseitigen Informationen, den Kontakt<br />
zur Presse, die Beschilderung der Flächen und die<br />
sonstige Öffentlichkeitsarbeit hat das <strong>Landwirtschaft</strong>samt<br />
übernommen<br />
Blüten im Sommer<br />
Bilder: M. Hauk<br />
Hinweistafeln informieren<br />
Berufskollegen und<br />
Bevölkerung<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
31
Ländlicher Raum, Landschaft<br />
Blühstreifen - Artenvielfalt auf<br />
landwirtschaftlich genutzten<br />
Flächen<br />
Michael Hauk<br />
LRA Rhein-Neckar-Kreis<br />
Tel. 07261/ 9466-5375<br />
Michael.Hauk@Rhein-<br />
Neckar-Kreis.de<br />
Erste Ergebnisse und Erkenntnisse<br />
In den beiden Projektgemeinden im Rhein-Neckar-Kreis<br />
stellten die Landwirte insgesamt über<br />
11 ha ihrer Betriebsflächen zur Verbesserung der<br />
Artenvielfalt in diesem intensiven Ackerbaugebiet<br />
zur Verfügung. Sie legten darauf Blühstreifen,<br />
-flächen und Wildäcker an.<br />
Die Landwirte in den beteiligten Gemarkungen<br />
stehen den Maßnahmen zur Artenvielfalt aufgeschlossen<br />
gegenüber und setzen sie nun um. Der<br />
„Runde Tisch Artenvielfalt“ kann offenbar eine<br />
geeignete Möglichkeit sein, praxisorientiert, kostengünstig<br />
und unter aktiver Mitwirkung vieler<br />
Landwirte und sonstiger Beteiligter sinnvolle<br />
Maßnahmen zur Artenvielfalt in Ackerbaugebieten<br />
zu initiieren und umzusetzen.<br />
Die Bereitschaft der Landwirte am Projekt mitzuwirken,<br />
beruhten nach den Aussagen des Beraters<br />
und der Teilnehmer vor allem auf folgenden<br />
Gründen:<br />
Freiwilligkeitsprinzip<br />
Keine vorgeschriebene, starre Vertragserfüllung,<br />
d.h. die Verfügbarkeit über die Flächen<br />
und Gestaltungsmöglichkeiten auf den Flächen<br />
werden nicht wesentlich bzw. über einen längeren<br />
Zeitraum eingeschränkt<br />
Möglichkeit, für den jeweiligen Betrieb und dessen<br />
Anbau, Betriebs- und Arbeitswirtschaft passende<br />
Maßnahmen auszuwählen<br />
Betreuung und Beratung durch die ULB<br />
Als wesentlicher Schlüsselfaktor für den Erfolg<br />
des „Runden Tisches Artenvielfalt“ werden auch<br />
kompetente, mit den lokalen Verhältnisse vertraute<br />
Ansprechpartner vor Ort, möglichst aus der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> angesehen. Sie sollten im Ort bekannt<br />
und aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen<br />
Kompetenz <strong>als</strong> Multiplikatoren von ihren<br />
Berufskollegen und den übrigen Beteiligten akzeptiert<br />
sein.<br />
Die Erfahrungen zeigen, dass Landwirte eine zunehmende<br />
Sensibilität für das Thema Kulturlandschaft<br />
und Biodiversität entwickeln. Ihre anfängliche<br />
Skepsis und Zurückhaltung gegenüber Biodiversitätsmaßnahmen<br />
weicht, sobald sie selbst<br />
erste positive Erfahrungen mit Biodiversitätsmaßnahmen<br />
gesammelt haben. Sie nehmen das nahezu<br />
ganzjährige Blühen auf ihren Flächen wahr und<br />
erleben vor allem deren Nutzung durch Insekten,<br />
Schmetterlinge, Vögel und Kleintiere <strong>als</strong> Bereicherung.<br />
Die Landwirte identifizieren sich mit „ihren“<br />
Maßnahmen und entwickeln ein vertieftes<br />
Interesse an Arten und Artenvielfalt. Als zusätzliche<br />
Bestätigung erfahren sie eine positive Resonanz<br />
aus der Bevölkerung.<br />
Übertragbarkeit und Verbreitung<br />
des Ansatzes<br />
Dieser Bewusstseinswandel durch eigene, positive<br />
Erfahrungen ist Voraussetzung dafür, dass Landwirte<br />
auch längerfristig interessiert und bereit<br />
sind, Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung<br />
der Artenvielfalt durchzuführen. Um einen solchen<br />
Zugang zur Biodiversität zu schaffen,<br />
braucht es einen möglichst einfachen Einstieg<br />
(niederschwellige Maßnahmen) und vor allem Unterstützung<br />
und Begleitung. Die im Projekt erarbeiteten<br />
Materialien und der entwickelte methodische<br />
Ansatz tragen dazu bei, diesen Anforderungen<br />
gerecht zu werden. Daher gehen die gewonnen<br />
Erkenntnisse in die Biodiversitätsberatung<br />
ein.<br />
Der Maßnahmenkatalog Artenvielfalt, der ebenfalls<br />
im Rahmen des Projektes erarbeitet wurde, ist<br />
im <strong>Infodienst</strong> zur Herunterladen bereitgestellt<br />
(www.gbb.lel-bw.de).<br />
Das Konzept „Runder Tisch Artenvielfalt“ wurde<br />
inzwischen bei der internationalen Beratertagung<br />
der IALB im Juni 2013 in Karlsruhe, in fachlichen<br />
Fortbildungen und bei einer Dienstbesprechung<br />
der Leiter/innen von ULBen präsentiert und diskutiert.<br />
Darüber hinaus soll es in Vorträgen im<br />
Rahmen der berufsbezogenen Erwachsenenbildung<br />
von ULBen im Winter 2013/2014 vorgestellt<br />
werden. Die Erfahrungen aus dem Projekt<br />
wurden auch in den Entwurf eines eigenen Beratungsmoduls<br />
„Biodiversität“ zum MLR-Projekt<br />
„Beratung 2020“ eingebracht.<br />
Entscheidend für den Erfolg der Biodiversitätsberatung<br />
im Allgemeinen und des Konzepts „Runder<br />
Tisch Artenvielfalt“ im Besonderen und somit<br />
auch für die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt<br />
auf landwirtschaftlichen Flächen wird aber<br />
sein, diese gut mit entsprechenden Bildungs- und<br />
Argrumweltmaßnahmen abzustimmen und zu ergänzen.<br />
Dazu braucht es ebenso begeisterte und<br />
engagierte Menschen wie bei der Vor-Ort-Umsetzung,<br />
die sich aufeinander und auf neue Ideen<br />
einlassen. Dann können wir blühende (Agrar)<br />
Landschaften nicht mehr nur im Frühjahr<br />
erleben. •<br />
32 Landinfo 4 | 2013
Ländlicher Raum, Landschaft<br />
Harald Beck<br />
LEL Maps – weit mehr <strong>als</strong> eine Karte<br />
Die LEL hat ihr <strong>Infodienst</strong>angebot um den Kartendienst „LEL Maps“ erweitert. Damit ist jetzt ein<br />
Informationsangebot verfügbar, das interaktive Fachkarten im <strong>Infodienst</strong> bereitstellt.<br />
<strong>Infodienst</strong>-Startseite des<br />
Kartendienstes<br />
LEL-Maps“ ist nach Rubriken geordnet und<br />
übersichtlich gegliedert, so dass ein strukturierter<br />
und einfacher Zugriff auf die Fachkarten<br />
möglich ist. Je nach Inhalt sind die Karten für alle<br />
Interessierten (Zugang über Internet) oder nur für<br />
die Bediensteten der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung<br />
(Intranet-Login erforderlich) abrufbar.<br />
Die Darstellung der Fachkarten geschieht direkt<br />
im Webbrowser und bedarf keiner zusätzlichen<br />
Software (siehe Abb. 1).<br />
Karten in LEL Maps sind flexibel darstellen<br />
und auswertbar<br />
Durch Zoom und Pan (Verschieben des Darstellungsbereichs)<br />
kann gezielt auf Kartendetails zugegriffen<br />
werden. Datenebenen können nach Bedarf<br />
aktiviert oder deaktiviert werden, um Sachverhalte<br />
entsprechend dem gewählten Maßstab<br />
gut sichtbar darzustellen. Sachdaten der dargestellten<br />
Kartenobjekte sind per Mausklick abrufbar.<br />
Über ein Abfragetool können frei definierbare<br />
Abfragen auf die Kartenobjekte durchgeführt<br />
LEL-Maps stellt Karten zur<br />
Agrarstruktur auf<br />
Gemarktungs- oder<br />
Gemeindeebene zur<br />
Verfügung<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
33
Ländlicher Raum<br />
Abbildung 1<br />
Beispiel einer Kartendarstellung in „LEL Maps“<br />
Abbildung 2<br />
Karte mit aktivem Abfragetool, Resultat der Abfrage in der Karte sichtbar (gelb, cyan) –Abfrageergebnis <strong>als</strong> Tabellenfenster eingeblendet<br />
34 Landinfo 4 | 2013
Ländlicher Raum<br />
und eigene Auswertungen erstellt werden, deren<br />
Ergebnisse dann in der Karte sichtbar sind (siehe<br />
Abb. 2).<br />
Bei Bedarf sind auch Hyperlinks in die Karten<br />
integrierbar. So kann der Nutzer direkt aus der<br />
Karte heraus auf weitergehende Informationen<br />
zum Thema zugreifen. Über die integrierte Druckoption<br />
kann schließlich eine Druckausgabe der<br />
Karten erzeugt werden, entweder <strong>als</strong> vollständige<br />
Karte oder <strong>als</strong> Abbild des sichtbaren Kartenausschnitts.<br />
Eine umfassende Beschreibung der Möglichkeiten<br />
bietet das Handbuch zum Kartendienst, das auf<br />
der Startseite der LEL-Maps über die „Hilfe“-<br />
Schaltfläche erreichbar ist.<br />
Der Kartenpool des Dienstes ist gerade in der<br />
Entstehung und wird in den kommenden Monaten<br />
stetig erweitert werden. Die aufgeführten Themenbereiche<br />
werden so nach und nach vollständig<br />
abgedeckt. Es sind bereits (Stand 08/2013) mehr<br />
<strong>als</strong> 30 Fachkarten in den verschiedenen Rubriken<br />
abrufbar.<br />
Hinweis<br />
Zugang zu diesem Dienst erhalten Sie auf den<br />
<strong>Infodienst</strong>-Seiten über:<br />
Dienststellen - Landesanstalten - LEL - Ländlicher<br />
Raum – LEL Maps<br />
oder<br />
<strong>Infodienst</strong>-Startseite - Ländlicher Raum – LEL<br />
Maps oder direkt über www.lel-maps.de •<br />
Harald Beck<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Tel. 07171/ 917-432<br />
harald.beck@lel.bwl.de<br />
Robert Mogg, Prof. Leonhard Durst und Dr. Ralf Over<br />
Arbeitswirtschaft und Kosten automatischer<br />
Melksysteme<br />
Untersuchung in Praxisbetrieben<br />
Bei Investitionen im Milchviehbereich eröffnen sich mit der Automatisierung verschiedener<br />
Arbeitsgänge neue Möglichkeiten vor allem für den Familienbetrieb. Besonders durch den Einbau<br />
eines Melkroboters wird die Melkarbeit von den täglich festgelegten Melkzeiten entkoppelt und gibt<br />
den Familien mehr Freiheiten. Wie sich Arbeitswirtschaft und Kosten bei Melkroboterbetrieben<br />
darstellen wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Leonhard Durst, HS<br />
Weihenstephan-Triesdorf und Dr. Ralf Over vom MLR Baden-Württemberg untersucht.<br />
Die Erhebung der arbeitswirtschaftlichen Daten<br />
erfolgte auf 20 Betrieben in Baden-Württemberg<br />
mit der Excel-Anwendung „Arbeitszeiterfassung<br />
Rinderhaltung“ (Arb_Rind) der LEL<br />
Schwäbisch Gmünd. Mit Ausnahme der Wasserund<br />
Stromkosten, für die aktuelle Literaturwerte<br />
herangezogen wurden (R. Pommer, LA Sachsen,<br />
2013), wurden die weiteren Kosten aus Abrechnungen<br />
und der Buchführung detailliert erfasst.<br />
Alle Kosten werden in dieser Auswertung in brutto<br />
inkl. Mwst. angegeben.<br />
Die ausgewerteten Betriebe halten im Schnitt 89<br />
Kühe bei einer durchschnittlichen Milchleistung<br />
von 8.588 kg Milch und 202.800 Zellen/ml, weitere<br />
Kennwerte der Betriebe sind in Tabelle 1 zusammen<br />
gestellt.<br />
Bei der Betrachtung der Melkarbeitszeit liegt der<br />
Schwerpunkt eines Betriebes mit automatischem<br />
Melksystem nicht mehr auf der manuellen Melktätigkeit,<br />
sondern viel mehr in der Betreuung der<br />
Technik und der Tiere am Roboter. Beim gelenk-<br />
Die Erhebungen wurden<br />
bei 20 Betrieben mit<br />
durchschnittlich 89 Kühen<br />
in Baden-Württemberg<br />
durchgeführt<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
35
Betrieb und Markt<br />
Automatische Melksysteme<br />
ermöglichen dem<br />
landwirtschaftlichen<br />
Familienbetrieb mehr<br />
Freiräume. Sie verursachen<br />
aber auch hohe Kosten<br />
Bild: R. Over<br />
Tabelle 1<br />
Kennwerte der Betriebe<br />
Kennwerte der Roboter<br />
(20 Betriebe, Ø 79 Kühe/Roboter an Ein- und Doppelboxanlagen)<br />
Einheit<br />
Ø<br />
Schwankungen<br />
80 % der Betriebe<br />
Milchleistung Betriebe kg Milch/Kuh 8.588 7.024 - 10.244<br />
Zellzahl Betriebe Zellen/ml 202.800 127.000 - 300.000<br />
Kühe (inkl. Trockensteher) je Melkplatz Anzahl 67 46 - 85<br />
Milchmenge je Melkplatz pro Jahr kg 554.873 291.088 - 770.150<br />
pro Tag kg 1.520 797 - 2.110<br />
je Melkung kg 10,15 9,15 - 11,61<br />
Melkungen je Roboterarm Tag 174 130 - 208<br />
je Kuh Tag 2,5 2,26 - 2,90<br />
misslungene Melkungen je Melkbox Anz./Tag 4,4 1 - 10,2<br />
Kraftfutter minimal kg/Tag 1,14 0,5 - 1,6<br />
maximal kg/Tag 5,6 3 - 8<br />
Glycerin/ Propylenglycol je Kuh ml/Tag 177 0 - 400<br />
Nachtreibeaufwand freier KV Anz./Tag 4,9 1,8 - 8,7<br />
gelenkter KV Anz./Tag 0,7 0,3 - 1<br />
Fehlbelegungen freier KV Anz./Tag 122 7 - 170<br />
gelenkter KV Anz./Tag 0,83 0 - 2,5<br />
*) Schwankungsbreite in der 80% der Werte liegen, 10 % Minimal- und Maximalwerte sind gekappt<br />
36 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 1<br />
Vergleich des<br />
Arbeitsaufwandes bei freiem<br />
oder geregeltem Kuhverkehr<br />
ten Kuhverkehr ist die Arbeitsbelastung mit weniger<br />
Nachtreibeaufwand für melkunwillige Tiere<br />
noch etwas geringer <strong>als</strong> bei freiem Kuhverkehr.<br />
Weitere Arbeitsbereiche am Melkroboter sind die<br />
manuelle Reinigung, das Beseitigen von Störungen,<br />
administrative Arbeiten und die Unterstützung<br />
des Melkprozesses, hier vor allem das Anlernen<br />
von Jungkühen. Bei beiden Systemen verbringt<br />
der Betriebsleiter über 2 Akh/Kuh und Jahr<br />
am Roboter-PC.<br />
Bei der Datenerhebung wurden alle anteiligen Arbeiten<br />
in der Innenwirtschaft berücksichtigt (Tab.<br />
2). Im Vergleich zu einer früheren Auswertung aus<br />
dem Jahr 2010 über konventionelle Melkssysteme<br />
(D. Laur, 2010), welche ebenfalls mit der Excel-<br />
Anwendung „Arb_Rind“ ausgewertet wurde,<br />
kann trotz der kleineren Herden der Roboterbetriebe<br />
im Bereich Milchvieh Arbeitszeit eingespart<br />
werden. Im Bereich des Melkens wurden in den<br />
Tabelle 2<br />
Vergleich der<br />
Arbeitsbelastung zwischen<br />
AMS und konventioneller<br />
Melktechnik<br />
Jährlicher Arbeitszeitbedarf<br />
Innenwirtschaft<br />
(in Akh je Kuh)<br />
Melken<br />
davon Rüstzeiten und Reinigungszeit<br />
AMS<br />
(R. Mogg 2012,<br />
20 Betriebe, Ø 89 Kühe)<br />
Ø<br />
Median<br />
7,0<br />
0,9<br />
80 %<br />
der Betriebe *)<br />
4,2 - 11,2<br />
0,5 - 1,7<br />
konv. Melktechnik<br />
(D.Laur 2010,<br />
19 Betriebe, Ø 135 Kühe)<br />
Ø<br />
Median<br />
11,3<br />
2,3<br />
80 %<br />
der Betriebe *)<br />
7,7 - 16,8<br />
1,0 - 3,4<br />
Füttern Kühe<br />
4,2<br />
2,2 - 6,1<br />
3,6<br />
1,0 - 6,4<br />
Boxenpflege, Einstreuen, Entmisten<br />
Sonstiges (u.a. Tierkontrolle, Behandlung, Besamung,<br />
Umstallen, Klauenpflege)<br />
3,0<br />
5,5<br />
1,7 - 4,9<br />
4,0 - 8,1<br />
2,1<br />
2,6<br />
0,9 - 5,9<br />
2,3 - 5,4<br />
Summe Arten Kühe 20,2 15,8 - 24,8 21,4 15,4 - 28,3<br />
Kälberaufzucht 6,2 3,8 - 8,1 4,2 2,8 - 7,8<br />
Jungviehaufzucht<br />
davon Füttern<br />
Allgemeine Arbeiten (u.a. Dungausbringung, Silopflege,<br />
Büro) Kühe incl. Kälber und weiblicher JV<br />
3,8<br />
2,0<br />
2,0 - 7,9<br />
1,1 - 4,0<br />
2,8<br />
1,5<br />
1,3 - 5,9<br />
0,7 - 3,8<br />
4,1 2,7 - 5,9 3,0 1,7 - 4,9<br />
Kühe, Kälber, Jungviehaufzucht 34,2 24,6 - 43,0 31,4 21,9 - 50,7<br />
*) Schwankungsbreite in der 80% der Werte liegen, 10 % Minimal- und Maximalwerte sind gekappt<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
37
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 2<br />
Verteilung der variablen<br />
Kosten (Ø 20 Betriebe)<br />
Für eine Bewertung der<br />
Melktechnik sind<br />
Arbeitsbelastung und<br />
Kosten entscheidend<br />
Tabelle 3<br />
Investitionskosten Gebäude<br />
und Technik<br />
Melkroboterbetrieben mit 7,0 Akh/Kuh im<br />
Schnitt 4,3 Akh pro Kuh und Jahr im Vergleich zu<br />
modernen konventionellen Melksystemen (11,3<br />
Akh/Kuh) eingespart.<br />
Neben der Arbeitsbelastung ist für die Bewertung<br />
und den Vergleich der Melktechnik auch die Berücksichtigung<br />
der Kosten entscheidend. Grundsätzlich<br />
werden dabei variable Betriebskosten und<br />
feste Kosten der Investition unterschieden.<br />
Die variablen Kosten eines automatischen Melksystems<br />
untergliedern sich in<br />
Betriebsmittel (Reinigungsmittel, Dippmittel,<br />
Peressigsäure, …)<br />
Verschleißteile (Zitzengummis, Milchschläuche,<br />
Reinigungsbürsten, ...)<br />
Reparaturkosten<br />
Servicevertag<br />
Strom und Wasser<br />
Unter Annahme aktueller Literaturwerte (R. Pommer,<br />
LA Sachsen 2013) ergeben sich bei einem<br />
Stromverbrauch von 0,33 kWh/Melkung und einer<br />
unterstellten Wassermenge von ca. 5 l/Melkung<br />
Kosten von durchschnittlich 7,27 Cent je<br />
Melkung. Bei unterstellten 63.500 Melkungen<br />
(d.h. 174 Melkungen/Tag) je Roboter entspricht<br />
dies einer Kostenbelastung von 4.616 € pro Jahr.<br />
Vergleich der Investitionskosten der Melksysteme<br />
(Kuhzahl incl. trockenstehende Kühe)<br />
Gebäude und Technik Mogg (2012) Laur (2010)<br />
Roboter FGM SbS Swing Over Karussell<br />
Betriebe 20 5 4 5 5<br />
Melkplätze 1 bis 2 18 19 34 23<br />
Gesamt 304.077 Eur 2) 155.511 Eur 219.648 Eur 194.662 Eur 297.390 Eur<br />
je Melkplatz 152.038 Eur 8.640 Eur 11.560 Eur 5.725 Eur 12.930 Eur<br />
je Kuhplatz bei 70 2.585 Eur 1) 2.222 Eur 3.138 Eur 2.781 Eur 4.248 Eur<br />
Anzahl Kühe:<br />
140 2.172 Eur 2) 1.111 Eur 1.569 Eur 1.390 Eur 2.124 Eur<br />
200 2.136 Eur 3) 778 Eur 1.098 Eur 973 Eur 1.487 Eur<br />
1), 2), 3) = Anzahl der Melkroboter (Einboxenanlagen)<br />
38 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 3<br />
Investitionskosten in<br />
Abhängigkeit der Anzahl<br />
Kühe<br />
Weitere Kosten sind: Betriebsmittelkosten in Höhe<br />
von 1.217 €, Kosten für Verschleißteile in Höhe<br />
von 782 €, Reparaturkosten in Höhe von 2.299 €<br />
und Kosten für den Servicevertrag von 2.462 €<br />
pro Jahr.<br />
Durch den geringen Platzbedarf eines Melkroboters<br />
entfallen bei der Investition in ein automatisches<br />
Melksystem lediglich 13% der Investitionskosten<br />
auf das Gebäude. Insgesamt fallen Investitionskosten<br />
von durchschnittlich 180.949 € für<br />
den ersten Roboter an. Bei der Investition in zwei<br />
Roboter kommt es zu Investitionskosten 304.077<br />
€ (s. Tab. 3 und Abb. 3). Hier zeigt sich, dass Roboterbetriebe<br />
sprunghafte Kostenverläufe zeigen.<br />
Gerade in Bestandsgrößen von etwa 70 bzw. 140<br />
Kühen sind sie von den Investitionskosten jedoch<br />
nicht extrem viel teurer wie moderne konventionelle<br />
Melksysteme. Bei der Betrachtung der Vollkosten<br />
je kg Milch in Abbildung 4 wird ersichtlich,<br />
wie wichtig eine gute Auslastung des Roboters<br />
kombiniert mit einer hohen Einzeltierleistung ist.<br />
So haben Betriebe, die weniger <strong>als</strong> 600.000 kg<br />
Milch je Melkplatz melken, um 25 % höhere Vollkosten<br />
<strong>als</strong> Betriebe mit einem Milchertrag von<br />
über 700.000 kg Milch je Melkplatz.<br />
Fazit<br />
mit ca. 7 Akh/Kuh und Jahr für den Bereich<br />
Melken sind AMS eine sehr arbeitseffiziente<br />
Melktechnik<br />
Abbildung 4<br />
Vollkosten Cent/kg Milch in<br />
Abhängigkeit von der<br />
Auslastung je Melkplatz<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
39
Betrieb und Markt<br />
Gut geplante Selektionsmöglichkeiten sparen<br />
Arbeit und erleichterm das Management<br />
Bild: R. Over<br />
Dr. Ralf Over<br />
MLR Stuttgart<br />
Tel. 0711/ 126-2272<br />
ralf.over@mlr.bwl.de<br />
Prof. Leonhard Durst<br />
Hochschule Weihenstephan<br />
Tel. 09826/ 654101<br />
leonhard.durst@hswt.de<br />
Roman Mogg<br />
Hochschule Weihenstephan<br />
Tel. 0171/ 627665<br />
roman-moog@web.de<br />
Betriebe mit selektiv gelenktem Kuhverkehr haben<br />
einen Arbeitszeitvorteil von ca. 2 Akh/Kuh<br />
u. J. gegenüber freiem Kuhverkehr<br />
der Investitionsaufwand pro Kuhplatz ist, insbesondere<br />
bei steigenden Bestandsgrößen,<br />
deutlich höher wie bei konventioneller Melktechnik<br />
der Platzbedarf und die anteiligen Gebäudekosten<br />
sind deutlich geringer<br />
die Vollkosten schwanken stark in Abhängigkeit<br />
von der Milchleistung (4,6 bis 11 ct pro kg<br />
Milch)<br />
Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist eine<br />
möglichst gute Auslastung des Roboters<br />
für die Auslastung entscheidende Faktoren sind:<br />
- hohe Milchleistungen je Kuh<br />
- eine optimale (nicht maximale) Anzahl<br />
melkender Kühe je Station<br />
- geringe Standzeiten und eine möglichst<br />
gleichmäßige Auslastung der Station über<br />
den Tag (und die Nacht)<br />
- bei auf etwa 170-200 Melkungen limitierter<br />
Anzahl Melkungen/Box und Tag sind hohe<br />
Milchmengen je Melkung (>11 kg) enorm<br />
wichtig<br />
- da jede einzelne Melkung entsprechende<br />
variable Kosten verursacht, senken hohe<br />
Milchmengen/Melkung auch die Kosten/kg<br />
Milch<br />
Literatur<br />
R. POMMER et al. 2011: persönliche Information<br />
R. POMMER et al. LA Sachsen 2013: Automatische<br />
Melksysteme in Sachsen, Schriftenreihe Heft<br />
10/2013<br />
D. LAUR, 2010: Arbeitswirtschaft und Kosten unterschiedlicher<br />
Melksysteme - Untersuchung auf<br />
Praxisbetrieben, Bachelorthesis HfWU Nürtingen-Geislingen<br />
und LEL Schwäbisch Gmünd•<br />
40 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
Werner Schmid<br />
Warenterminbörsen für Agrargüter am Beispiel der MATIF<br />
Teil 3: Terminkurse – wie bildet sich der Preis an der Warenterminbörse ?<br />
Der Kurs eines Futures verändert sich, so wie sich die Einschätzungen der Marktteilnehmer verändern,<br />
während eines Handelstages laufend dadurch, dass an der Börse ein Käufer Ware von einem<br />
Verkäufer kauft. Jeweils der Preis der letzten Transaktion (last trade) stellt in dem Moment, in welchem<br />
die beiden das Geschäft abschließen, die aktuelle Markteinschätzung und damit auch den aktuellen<br />
Preis/Kurs zu dem Produkt und dem gehandelten Termin dar. Bei einer Preisänderung gegenüber<br />
dem vorherigen Handel ändert sich dann der Kurs für diesen Future auf den neuen Wert. Das heißt an<br />
der Warenterminbörse werden echte Warengeschäfte auf Termin gemacht, der jeweils letzte<br />
„Vertragsabschluss“ bildet den aktuellen Kurs. Und wer zu einem bestimmten Preis verkauft hat, ist<br />
entsprechend die Verpflichtung eingegangen, zum Beispiel den Weizen zu dem Termin, welcher dem<br />
gehandelten Terminkontrakt zugrunde liegt, in Rouen anzuliefern.<br />
Dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen gilt für<br />
den Käufer. Ausnahmen von dieser Regel in<br />
Sachen Kursbildung gibt es nur dann, wenn Terminkontrakte<br />
nicht liquide sind, d.h. wenn ein bestimmter<br />
Terminkontrakt nur sehr wenig gehandelt<br />
wird und daher während eines Handelstages<br />
nur sehr geringe oder überhaupt keine Umsätze zu<br />
verzeichnen sind. Gründe hierfür können sein,<br />
dass bestimmte Termine für die Handelsteilnehmer<br />
nicht attraktiv sind. Dies galt beispielsweise<br />
für Weizenfutures mit Liefertermin im August an<br />
der MATIF, weshalb dieser Termin seit März 2012<br />
von der Börse nicht mehr angeboten wird. Der<br />
Augusttermin wurde oft tage- oder wochenlang<br />
gar nicht gehandelt, da sich Käufer und Verkäufer<br />
lieber auf liquide Futures wie den Novemberweizen<br />
konzentrieren. Das lag nicht zuletzt auch daran,<br />
dass der Liefertermin des Augustfutures für<br />
Absicherer zu nahe am Erntetermin des Weizens<br />
lag, weshalb Absicherungsgeschäfte für Weizen,<br />
aber auch für Raps oder Mais, vorzugsweise mit<br />
späteren Terminen abgeschlossen werden.<br />
Daneben gibt es auch Produkte, die in der Handelspraxis<br />
noch nicht richtig Fuß gefasst haben. So<br />
z.B. die Schlachtschweine- oder die Ferkelkontrakte<br />
an der EUREX, aber auch die Magermilchpulver-<br />
und Butterkontrakte. Oftm<strong>als</strong> werden hier<br />
einzelne Futures an einem Handelstag nur mit<br />
geringen Umsätzen oder über lange Strecken gar<br />
nicht gehandelt. Dennoch muss die Börse auch bei<br />
diesen nicht liquiden Futures am Tagesende einen<br />
Verrechnungskurs (Settlement) ausweisen. Dieser<br />
wird in solchen Fällen ggf. aus dem letzten getätigten<br />
Geschäft an diesem Tag, oder bei völligem<br />
Fehlen von Handelstätigkeit für einen Future <strong>als</strong><br />
arithmetisches Mittel zwischen dem/den am engsten<br />
beieinander liegenden Verkaufsangeboten<br />
(Briefkurs; ask, offer) und Kaufangeboten (Geldkurs,<br />
bid) ermittelt.<br />
Abbildung 1 zeigt den Kontraktkurs für den Mahlweizen-<br />
Future mit Liefertermin November 2011<br />
(NOV11) an der MATIF bis Mitte Mai 2011. Nach<br />
einem Preishoch bei rund 250, €/t im Februar<br />
2011 waren die Kurse im März auf unter 200,- €/t<br />
gefallen. Auch die Katastrophe in Fukushima ging<br />
am Weizen nicht spurlos vorüber, wie der kurzfristige<br />
Einbruch des Weizenkurses Mitte März 2011<br />
von rund 210, €/t auf unter 190, €/t zeigt. Aber<br />
nach diesem Ereignis gewannen die fundamentalen<br />
Daten wieder Oberhand. Die Trockenheit in<br />
Europa und die Ungewissheit, ob ausreichend<br />
Weizen in der Ernte 2011 auf der Nordhalbkugel<br />
geerntet werden kann, ließ die Kurse bis Mitte Mai<br />
wieder steigen. Am 18.05.11 notierte Mahlweizen<br />
an der MATIF bei rund 242,- €/t.<br />
Unser Landwirt im vorliegenden Beispiel, der gut<br />
50 ha Weizen angebaut hat (entspricht einer Ernte<br />
von ca. 350-450 t in einem normalen Jahr), denkt<br />
zu diesem Zeitpunkt darüber nach, 100 t schon<br />
vor der Ernte zu verkaufen. Nur 100 t deshalb,<br />
weil er nicht weiß, wie viel er, z.B. auf Grund von<br />
Witterungseinflüssen, ernten wird. Aber mit<br />
242,- €/t an der MATIF, was ungefähr einem Er-<br />
Während eines<br />
Handelstages verändert<br />
sich der aktuelle Preis mit<br />
jeder Transaktion.<br />
Ausnahmen sind lediglich<br />
unattrkative Termine ohne<br />
Handelsabschlüsse oder<br />
Produkte, die in der<br />
Handelspraxis noch nicht<br />
Fuß gefasst haben<br />
Bisher erschienen<br />
Teil 1: Landinfo 1/2013<br />
Teil 2: Landinfo 2/2013<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
41
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 1<br />
Terminkontraktkurs<br />
Mahlweizen- NOV11 (MATIF),<br />
Stand Mai 2011<br />
Preisabsicherung - wie<br />
funktioniert das ?<br />
Mit einem „short hedge“<br />
kann sich der Landwirt<br />
gegen fallende Preise<br />
absichern<br />
zeugerpreis frei Erfasserlager von ca. 222, €/t in<br />
seinem Fall entspricht (Annahme: Basis = minus<br />
20, €/t; Def.: Basis = Orts-Kassapreis minus Terminmarktpreis),<br />
läge er mit einem solchen Abschluss<br />
preislich rund 50, €/t über den kalkulierten<br />
Vollkosten für seinen Weizen, welche er mit<br />
rund 170-180,- €/t für seinen Betrieb kalkuliert<br />
hat. Da die Preise im Handel darunter liegen (Annahme<br />
für dieses Beispiel), sichert er sich für 100<br />
t das Preisniveau durch Handel von 2 Verkaufskontrakten<br />
(2 x 50 t; Termin NOV11), einem so<br />
genannten „short hedge“, gegen fallende Preise<br />
ab. Anmerkung: Im Gegensatz dazu handelt man<br />
bei einem „long hedge“ Kaufkontrakte, man sichert<br />
sich damit gegen steigende Preise ab.<br />
Abbildung 2 zeigt, dass die Weizenpreise in den<br />
nachfolgenden Monaten aufgrund der sehr guten<br />
Ernte 2011 in der Schwarzmeerregion, einer guten<br />
Ernte in den USA und einer doch nicht so schwachen<br />
Ernte wie befürchtet in Europa deutlich eingebrochen<br />
sind. Unser Landwirt will seinen Weizen<br />
Mitte Oktober vermarkten. Da er nicht die<br />
Absicht hat die Ware nach Rouen in Nordfrankreich<br />
zu fahren beendet er das Termingeschäft auf<br />
folgende Weise in zwei Teilschritten:<br />
A) Er stellt die beiden Terminkontrakte am<br />
12.10.2011 glatt. Beim so genannten „Glattstellen“<br />
handelt er zwei Kaufkontrakte, mit denen er<br />
die Lieferverpflichtung der Verkaufskontrakte<br />
Abbildung 2<br />
Terminkontraktkurs<br />
Mahlweizen - NOV11 (MATIF),<br />
Stand Oktober 2011<br />
42 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
auflöst. Da er die Kaufkontrakte zum aktuellen<br />
Kurs von 185,75 €/t handeln kann, befinden sich<br />
nach Abschluss der Transaktion rechnerisch<br />
+ 5.625 € auf dem Terminmarktkonto unseres<br />
Landwirts. Der Betrag ergibt sich aus folgendem<br />
Saldo: Verkauf von 100 t November-Weizen in<br />
Rouen zu 242, €/t am 18.05.11, Kauf von 100 t<br />
November-Weizen in Rouen zu 185,75 €/t am<br />
12.10.11 ergibt eine Differenz von + 5.625 €.<br />
Für den Handel an der Warenterminbörse fallen<br />
aber Gebühren und sonstige Kosten wie Zinsen<br />
für Sicherheitsleistungen an, weshalb der Kontostand<br />
sich in der Realität ungefähr bei 5.400 € bewegen<br />
dürfte. Pro Kontrakt (50 t) fallen etwa 100,<br />
€ an Kosten, davon rund 75, € pro Kontrakt (50 t)<br />
für Gebühren für die Dienstleistung der Börse,<br />
der Clearingbank und des Brokers an, bei zwei<br />
Kontrakten <strong>als</strong>o rund 200, € für die 100 t Weizen.<br />
Deutlich niedrigere Kosten sind bei hohen Handelsumsätzen<br />
(sehr hohe Anzahl gehandelter<br />
Kontrakte) und elektronischem Handel realisierbar.<br />
Allerdings ist zu empfehlen, dass unerfahrene<br />
Marktteilnehmer sich bei den ersten Geschäften<br />
eines Brokerbüros bedienen sollten, um Fehler im<br />
Handel auszuschließen.<br />
B) Im quasi gleichen Augenblick, in dem der<br />
Landwirt die Verkaufskontrakte glatt stellt, verkauft<br />
er auch seinen Weizen an z.B. einen Erfasser<br />
zum aktuellen Marktpreis von ca. 165, €/t (MA-<br />
TIF-Kurs + Basis = 185,75 + ca. minus 20,-).<br />
Wichtig: Nur wenn Termingeschäft und physischer<br />
Verkauf zeitgleich erfolgen, betreibt man<br />
eine Absicherung. Beachtet man diese Regel nicht,<br />
sondern führt nur einen Teil, entweder das physische<br />
Verkaufsgeschäft oder das Glattstellen durch,<br />
befindet man sich mit dem nicht durchgeführten<br />
Teil in der Spekulation. Im Handel spricht man<br />
dann von ungedeckten oder offenen Positionen.<br />
Verlaufen in solchen Fällen Preise oder Kurs zu<br />
Ungunsten des Betroffenen, können dadurch erhebliche<br />
echte Verluste entstehen. Denn es gibt<br />
durchaus Situationen, an denen Kurssprünge von<br />
über 20,- €/t an einem Tag zu beobachten sind.<br />
Das Ergebnis des Absicherungsgeschäftes unseres<br />
Landwirts ist in Abbildung 4 festgehalten. Ziel<br />
des Geschäfts war unter Berücksichtigung einer<br />
Basis von minus 20, €/t ein Erzeugerpreis bei<br />
rund 222,-/t. Durch den Verkauf des Weizen zum<br />
aktuellen Marktpreis am 12.10.11 an ein Landhandelsunternehmen<br />
kann er im Beispiel 165,75 €/t<br />
vereinnahmen. Gleichzeitig befinden sich auf<br />
dem Absicherungskonto nach zeitgleicher Glattstellung<br />
durch das Warentermingeschäft an der<br />
MATIF rund 5.625 € abzgl. 200 € Gebühren und<br />
Kosten, umgerechnet 54,25 €/t (56,25 – 2,00). In<br />
Summe hat unser Landwirt damit sein Ziel prinzipiell<br />
erreicht, in seiner Kasse befinden sich durch<br />
diese Absicherung tatsächlich 22.000 € durch den<br />
Verkauf von 100 t Weizen.<br />
Fragt sich, was wäre gewesen, wenn Weizen teurer<br />
geworden wäre, die Weizenkurse <strong>als</strong>o wegen einer<br />
schlechten Ernte noch gestiegen wären? Es hätten<br />
sich der gleiche Ablauf und das gleiche Ergebnis<br />
für den Landwirt mit einem Erlös von 22.000 €<br />
ergeben. Denn wäre Weizen z.B. auf 280, €/t gestiegen,<br />
hätte er das Glattstellen nur zu diesem<br />
Kurs erledigen können. Zwar hätte ihm in diesem<br />
Fall der Getreidehändler rund 260, /t für seinen<br />
Weizen im Herbst bezahlt, von diesem Geld hätte<br />
unser Landwirt aber knapp 40 €/t auf das Terminmarktkonto<br />
zum Ausgleich des dortigen negativen<br />
Kontostands (aufgrund gestiegener Preise) einzahlen<br />
müssen. Absichern heißt festlegen!<br />
Ob nun die Preise in Folge steigen oder fallen. Das<br />
heißt im Klartext: Ein Absicherungsgeschäft<br />
schafft Kalkulationssicherheit und kann ggf. „gute“<br />
Preise mit in die Zukunft nehmen. Man könnte<br />
insofern das „Absichern an einer Warenterminbörse“<br />
auch mit dem Begriff „Versichern eines<br />
Preises“ umschreiben.<br />
Das möglicherweise vorhandene Basisrisiko kann<br />
ggf. bei Entscheidungen im Markt auch dazu führen,<br />
dass z.B. eine Mühle einen physischen Kontrakt<br />
mit einem Landhandelsunternehmen selbst<br />
bei leicht ungünstigeren Konditionen gegenüber<br />
einer Absicherung an der MATIF bevorzugt, da<br />
mit diesem Kontrakt das Basisrisiko ausgeschlos-<br />
Abbildung 3<br />
Ergebnisse des<br />
Absicherungsgeschäfts<br />
Eine Absicherung erfolgt<br />
nur, wenn Termingeschäft<br />
und physischer Verkauf<br />
zeitgleich erfolgen<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
43
Betrieb und Markt<br />
Die Basis, welche im Beispiel mit minus 20,- €/t angenommen wurde, ist kein feststehender Betrag ist. Sie errechnet sich aus<br />
folgende Positionen: Der Landwirt kann seine echte Ware i.d.R. beim räumlich nicht allzu weit entfernten Erfasser abliefern,<br />
er muss sie nicht Hunderte von Kilometern transportieren. Hinzu kommen noch Funktionen wie Ein- und Auslagerung Lagergebühren,<br />
Handelsspanne usw.. Selbst einzelbetriebliche Situationen wie die Möglichkeit der Verladung auf dem Hof, was sich<br />
in den Standzeiten der LKWs widerspiegelt und damit einen weiteren Kostenblock in der Erfassung verursachen, beeinflussen<br />
die betriebsspezifische Basis. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Basis auch noch in Abhängigkeit der Marktsituation auf<br />
dem physischen Markt verändert. Ist Ware knapp, ist die Basis meist geringer, bei hohem Angebot im Markt hingegen höher.<br />
Insofern kann man mit Absicherungsgeschäften immer nur einen „ungefähren“ Preis fixieren.<br />
In über 95 % der Fälle wird<br />
ein Terminkontrakt durch<br />
„Glattstellen“ beendet<br />
Bei EUREX ist bei Ferkeloder<br />
Schlachtschweinkontrakten<br />
eine Lieferung<br />
ausgeschlossen. Wird<br />
nicht „Glatt“ gestellt, so<br />
wird mittels eines<br />
Verrechnungswertes<br />
abgerechnet<br />
Werner Schmid<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Tel. 07171/917-207<br />
werner.schmid@lel.bwl.de<br />
sen wird und die Mühle auch auf die Lieferung der<br />
Ware vertrauen kann.<br />
In der Praxis werden die meisten Terminkontrakte<br />
durch „Glattstellen“ beendet. Grundsätzlich<br />
besteht bei Weizen auch die Möglichkeit, die Ware<br />
tatsächlich zu liefern und das Geschäft durch „Erfüllung“<br />
zu beenden. Ein Landwirt in Nordfrankreich<br />
kann sich durchaus überlegen, einen Kontrakt<br />
auslaufen zu lassen, <strong>als</strong>o nicht glatt zu stellen<br />
und den Weizen nach Rouen zu liefern. Ähnliches<br />
gilt beispielsweise auch für Landwirte aus dem<br />
Raum Würzburg bei Raps. Die Entscheidung, ob<br />
„Glattstellen“ oder „Erfüllung“ der günstigere<br />
Weg ist, muss individuell getroffen werden. Sie<br />
fällt aber in der Praxis zu weit über 95 % für das<br />
„Glattstellen“ aus, verbunden mit einer Lieferung<br />
der echten Ware vor Ort an einen angestammten<br />
Vermarktungspartner.<br />
An der Stelle ist aber ein weiterer wichtiger Hinweis<br />
erforderlich. Mit dem Glattstellen sollte man<br />
nicht bis zum letzten Handelstag warten. Denn<br />
der Vertragsbestand, d.h. die Anzahl von Kaufund<br />
Verkaufskontrakten (das so genannte Open<br />
Interest, OI), welche auch noch „glatt gestellt“<br />
werden sollen, sinkt in Richtung letzter Handelstag<br />
unaufhaltsam. Wenn nun beispielsweise ein<br />
paar Käufer die Ware gerne geliefert hätten, was<br />
in der Realität durchaus vorkommt, stellen diese<br />
ihre Kaufkontrakte aber nicht glatt. Einer entsprechend<br />
großen Anzahl von Verkaufskontrakten<br />
wird es dann am Ende nicht gelingen „glatt gestellt“<br />
zu werden. D.h. in übertragenem Sinne:<br />
„Wer zu spät kommt hat sich eine Reise nach Rouen<br />
gebucht“. In der Realität wird man zwar nicht<br />
nach Rouen fahren. Die Kosten der Deckungskäufe<br />
für Ware franko Rouen bleiben aber an den<br />
jeweils Betroffenen hängen. Bei Rapskontrakten<br />
mit Erfüllungsort z.B. in Würzburg gilt gleiches,<br />
allerdings mit dem Vorteil, dass Landwirte aus der<br />
Region Würzburg kein Problem mit einer „Erfüllung“<br />
haben dürften, da sie ihre Ware vielleicht<br />
sowieso dorthin fahren.<br />
An der EUREX ist beim Handeln z.B. von Ferkeloder<br />
Schlachtschweinekontrakten eine Besonderheit<br />
zu beachten. Zwar kann man dort ebenfalls<br />
jeden Kontrakt durch „Glattstellen“ beenden.<br />
Eine „Erfüllung“, d.h. beispielsweise Lieferung<br />
von Schweinen, ist jedoch an dieser Börse für alle<br />
aufgelegten Kontrakte ausgeschlossen. Lässt man<br />
hier Kontrakte auslaufen, d.h. stellt sie vor Ablauf<br />
des letzten Handelstages nicht glatt, so werden<br />
diese im Verfahren „Cash Settlement“ gegen einen<br />
Index, d.h. einen definierten, aus mehreren im<br />
Markt notierten oder festgestellten Preisen ermittelten<br />
Verrechnungswert, dem Cash Settlement<br />
abgerechnet. Da sich der Cash Settlement durch<br />
die Art der Ermittlung sehr eng am aktuellen<br />
Marktpreis orientiert, werden derartige Kontrakte<br />
von den Marktteilnehmern häufig nicht glatt gestellt,<br />
sondern statt dessen im Cash Settlement-<br />
Verfahren beendet.<br />
Die Absicherung an der Warenterminbörse gewinnt<br />
auch in Europa zunehmend an Bedeutung.<br />
Denn immer dann, wenn kein Geschäft auf dem<br />
physischen Markt abzuschließen ist, weil der jeweilige<br />
Gegenpart z.B. beim vorherrschenden<br />
Preisniveau zurückhaltend ist, kann man an der<br />
Warenterminbörse einen Handelspartner finden<br />
und zumindest ein ungefähres Preisniveau absichern.<br />
In den USA hingegen laufen schon seit<br />
Jahrzehnten, vorrangig bei Getreide und Soja, nahezu<br />
alle Kauf- und Verkaufsgeschäfte im Agrarbereich<br />
mit Bindung an die Warenterminbörse.<br />
Terminkäufe und -verkäufe sind dort übrigens für<br />
viele Produkte für 3-4 Jahre im Voraus möglich!<br />
Auch der Erfasser sichert den Einkauf physischer<br />
Ware dadurch ab, dass er gleichzeitig den Einkauf<br />
(Kaufposition) durch ein Gegengeschäft an der<br />
Warenterminbörse deckt. Gleiches macht der<br />
Großhändler, der Exporteur, der Verarbeiter, etc.<br />
Das erklärt zumindest zu einem Teil, weshalb in<br />
den USA die Weltgetreideernte mehrfach pro Jahr<br />
gehandelt wird. •<br />
44 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
Versuchsernte von Pappeln<br />
in Gomadingen-Marbach<br />
Bild: F. Seidl<br />
Frieder Seidl<br />
Agrarholz und Miscanthus - ein Standbein für die<br />
Betriebe in Baden-Württemberg? (Teil 1)<br />
Der Anbau von schnellwachsenden Gehölzen in kurzen Umtriebszeiten, sog. Kurzumtriebsplantagen<br />
(KUP) und von Miscanthus (Chinaschilf) bietet die Möglichkeit, extensiv und umweltfreundlich Energie<br />
in Form von Festbrennstoffen auf landwirtschaftlichen Flächen zu produzieren. Das im Jahr 2008<br />
gestartete Forschungsprojekt „Biomasse aus Kurzumtrieb“ beschäftigt sich mit dem Versuchs- und<br />
Praxisanbau dieser Kulturen, deren Flächenumfang aktuell in Baden-Württemberg rund 600 ha (Stand<br />
2012) beträgt. Das vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geförderte Projekt<br />
wird vom <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) und der Forstlichen Versuchsund<br />
Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) durchgeführt. Die vom LTZ durchgeführten<br />
Feldversuche wurden nun erstmalig beerntet.<br />
Baumarten und Versuchsaufbau<br />
Um standortsbezogene Empfehlungen zur<br />
Wahl von Arten- und Sorten schnellwachsender<br />
und stockausschlagsfähiger Gehölze ableiten<br />
zu können, wurden im Jahr 2009 umfangreiche<br />
Feldversuche mit bis zu 36 verschiedenen Arten<br />
und Sorten an vier Standorten in Baden-Württemberg<br />
angelegt. Neben den zu dieser Zeit auf dem<br />
Markt verfügbaren Sorten von Pappeln und Weiden<br />
wurden auch alternative Baumarten wie etwa<br />
Erle oder Aspe (Zitterpappel) in die Versuche auf-<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
45
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 1<br />
Jährliche<br />
Trockenmasseerträge der<br />
Pappelsorten im Mittel von<br />
vier Jahren in Marbach<br />
(Schw. Alb), Rheinstetten<br />
(Oberrheinebene) und<br />
Aulendorf (Oberschwaben)<br />
(Pflanzzahl: 7.150 Stück/ha)<br />
Die Versuchsstandorte<br />
erstrecken sich von der<br />
Rheinebene bis zu den<br />
Höhenlagen der<br />
Schwäbischen Alb<br />
In den höheren Lagen<br />
konnte die fehlende<br />
Wärme zum Teil durch die<br />
höheren Niederschläge<br />
kompensiert werden<br />
genommen, um das Artenspektrum, welches in<br />
der Praxis nahezu ausschließlich auf Pappel und<br />
Weide beruht, zu erweitern und mögliche Alternativen<br />
zu identifizieren. Der Versuch wurde in jeweils<br />
zwei Wiederholungen an den Standorten<br />
Rheinstetten, Kupferzell, Gomadingen-Marbach<br />
und Aulendorf im Jahr 2009 etabliert. Die Pappelund<br />
Weidensorten wurden <strong>als</strong> Steckhölzer mit<br />
7.150 bzw. 10.000 Stück pro Hektar gepflanzt, die<br />
alternativen Baumarten <strong>als</strong> bewurzelte Jungpflanzen<br />
mit einer Pflanzzahl von 5.000 Stück je<br />
Hektar.<br />
Insbesondere in der Höhenlage in Marbach zeigte<br />
sich bei den Weiden bereits im ersten Jahr ein<br />
überdurchschnittliches Wachstum. Die Pappeln,<br />
generell wärmebedürftiger und trockenheitsresistenter<br />
<strong>als</strong> die Weiden, zeigten auf den Standorten<br />
Rheinstetten und Aulendorf gute Wachstumsraten<br />
im ersten Jahr. Nach vier Jahren wurden nun<br />
Pappeln, Weiden und Robinien auf den Standorten<br />
Rheinstetten, Marbach und Aulendorf erstmalig<br />
beerntet und die Erträge ermittelt. Die Bäume<br />
wurden hierzu motormanuell gefällt, mit einem<br />
Parzellenernter mit angebautem Holzhacker zu<br />
Hackschnitzeln verarbeitet und gewogen (siehe<br />
Titelbild).<br />
Realisierbare Agrarholzerträge in der<br />
ersten Umtriebszeit<br />
Die Erträge bei den wuchsstärksten Pappelsorten<br />
lagen in Rheinstetten und Marbach bei 6 bis 8 t<br />
Trockenmasse (TM) ha-1 a-1 (siehe Abb. 1). Die<br />
fehlende Wärme in Marbach wurde offensichtlich<br />
durch die reichlichen Niederschläge im Versuchszeitraum<br />
von durchschnittlich 1000 mm pro Jahr<br />
kompensiert. Auf dem Standort Aulendorf, der<br />
gemäßigte Temperaturen und eine hohe Wasserverfügbarkeit<br />
(Anmoor) aufweist, erreichte die<br />
Sorte Max4 mit 9 t TM ha-1 a-1 den höchsten<br />
Wert bei Pappeln auf den drei Versuchsflächen.<br />
Die Wurzelh<strong>als</strong>durchmesser der Pappeln lagen im<br />
Mittel bei rund 6 cm (Kupferzell: 4 cm) und maximal<br />
bei 12 cm. Eine vollmechanisierte Ernte, die<br />
bis zu einem Durchmesser von 15 cm möglich ist,<br />
wäre <strong>als</strong>o problemlos durchführbar und auch eine<br />
Verlängerung der Umtriebszeit aus dieser Sicht<br />
eine mögliche Option gewesen.<br />
Die Erträge der Weiden lagen in Rheinstetten bei<br />
nur 4 bis 6 t TM ha-1 a-1 (Abb. 2). Auf diesem<br />
Standort litten diese unter den häufigeren Hitzeund<br />
Trockenperioden. In Marbach wurden hingegen<br />
bereits bei den jährlichen Wachstumsbonituren<br />
während der Vegetationsruhe sehr hohe Zuwachsraten<br />
gemessen. Nach vier Jahren erreichten<br />
die wuchsstärksten Sorten mittlere Höhen von<br />
9 m, einzelne Exemplare bis zu 12 m. Das überragende<br />
Wachstum auf diesem Standort bestätigte<br />
sich letztendlich auch in den erzielten Erträgen<br />
von bis zu 13 t TM ha-1 a-1 (Sorte Tordis). Auf<br />
diesem Standort können die frostharten Weidensorten<br />
die reichlichen Niederschläge offenbar<br />
deutlich besser <strong>als</strong> die Pappeln nutzen. Der Gesamtertrag<br />
liegt damit nach vier Jahren im Maximum<br />
bei 52 t TM ha-1, was bei einem Brennwert<br />
46 Landinfo 4 | 2013
Betrieb und Markt<br />
Abbildung 2<br />
Jährliche<br />
Trockenmasseerträge der<br />
Weidensorten im Mittel von<br />
vier Jahren in Marbach<br />
(Schw. Alb) und Rheinstetten<br />
(Oberrheinebene) (Pflanzzahl:<br />
10.000 Stück/ha)<br />
von 19,7 MJ/kg TM dem Energiegehalt von rund<br />
26.000 l Heizöl entspricht.<br />
In Aulendorf wurden die Weiden durch Wühlmäuse<br />
so stark geschädigt, dass keine Auswertung<br />
erfolgen konnte. Der Standort Kupferzell, ein sowohl<br />
zu Staunässe <strong>als</strong> auch zu starker Austrocknung<br />
neigender Lehmboden, zeigte so geringe<br />
Zuwächse, dass entschieden wurde, den Versuch<br />
an diesem Standort erst nach fünf Jahren erstmalig<br />
zu beernten.<br />
Die Robinie (Sorte: Nyírségi) erzielte auf dem<br />
Standort Rheinstetten einen Ertrag von rund 6 t<br />
TM ha-1 a-1 in der ersten Umtriebszeit. In Marbach<br />
hingegen erreichte die wärmebedürftige<br />
Baumart nur die Hälfte dieses Wertes. Das Holz<br />
der Robinie weist zum Erntezeitpunkt einen vergleichsweise<br />
niedrigen Wassergehalt von 35 bis 45<br />
% und eine höhere Holz- und damit auch Energiedichte<br />
auf, was einen deutlichen Vorteil gegenüber<br />
den Baumarten Pappel und Weide darstellt<br />
(ENGEL & KNOCHE 2011). Nachteilig wirkt sich die<br />
Eigenart der Robinie aus, nach der Ernte verstärkt<br />
Wurzelbrut zu bilden, deren flächige Aufwüchse<br />
Probleme bei der nächsten Ernte bereiten können.<br />
Des Weiteren sollte der Anbau aufgrund des invasiven<br />
Potenzi<strong>als</strong> dieser Baumart nur in solchen<br />
Regionen erfolgen, wo sie sich bereits etabliert hat.<br />
Der Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa) zeigte<br />
wegen der geringen Winterhärte auf keinem der<br />
Standorte ein befriedigendes Wachstum und kann<br />
daher nicht für einen Anbau empfohlen werden.<br />
Sortenempfehlungen<br />
In Rheinstetten zeigten insbesondere die Pappelklone<br />
Max (1/3/4), Hybride 275, Rochester und<br />
Androscoggin die besten Ertragsleistungen (siehe<br />
Abb. 1) und scheinen daher für warm-trockene<br />
Standorte geeignet zu sein. In Hochlagen ist aufgrund<br />
ihrer Frosthärte generell der Anbau von<br />
Weiden vorzuziehen. Hier erzielten die Sorten<br />
Tordis, Olof 1 und Tora mit Erträgen zwischen 10<br />
und 13 t TM ha-1 a-1 die höchsten Werte. Auf<br />
nassen Standorten mit gemäßigten Temperaturen<br />
können mit den Pappelsorten der Max-Klone hohe<br />
Erträge erzielt werden.<br />
Beim Anbau von Weiden sind hohe Erträge nur<br />
bei sehr guter Wasserversorgung realisierbar. Die<br />
Sorten Tora, Olof, sowie die heimische, züchterisch<br />
nicht bearbeitete Sal-Weide (Salix caprea) haben<br />
sich zwar <strong>als</strong> relativ trockenheitsresistent erwiesen.<br />
Im Vergleich mit Pappeln ist jedoch mit<br />
deutlichen Mindererträgen bei häufiger auftretendem<br />
Trockenstress zu rechnen.<br />
Die seit 2010 zugelassenen Pappelsorten der Matrix-Klone<br />
wurden in den Jahren 2012 und 2013<br />
erstm<strong>als</strong> durch das LTZ versuchsweise angepflanzt,<br />
und es liegen noch keine Ertragsdaten<br />
vor. Aus anderen Versuchsanbauten lässt sich offenbar<br />
ein Züchtungsforstschritt hinsichtlich der<br />
_______________________<br />
1) Sorte nicht mehr im Handel<br />
Der Anbau von Robinien<br />
sollte nur in Regionen<br />
erfolgen, wo diese<br />
invasive Art bereits<br />
etabliert ist<br />
Der Blauglockenbaum<br />
(Paulowma tomentosa)<br />
kann aufgrund seines<br />
geringen Zuwachses nicht<br />
empfohlen werden<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
47
Betrieb und Markt<br />
Klon-Name<br />
mittlerer<br />
Wassergehalt<br />
(%)<br />
Eigenschaften<br />
Tabelle 1<br />
Für KUP verfügbare und<br />
geeignete Pappel- und<br />
Weidensorten mit den<br />
mittleren Wassergehalten<br />
zur Ernte sowie deren<br />
Eigenschaften, die sich<br />
nach den derzeitigen<br />
Anbauerfahrungen in<br />
Baden-Württemberg ableiten<br />
lassen<br />
Pappeln<br />
Androscoggin 53 für wärmere Lagen, mittlere Ertragsleistungen<br />
Hybride 275 55<br />
Max 1 58<br />
Max 3 58<br />
Max 4 60<br />
Matrix 11<br />
Matrix 24<br />
Matrix 49<br />
hohe Ertragsleistungen, nicht auf anmoorige<br />
Standorte<br />
für alle Lagen geeignet, hohe Ertragsleistung<br />
vielversprechend, erste Anbauversuche des<br />
LTZ seit 2012<br />
Muhle Larsen 57<br />
geringe bis mittlere Ertragsleistung, für<br />
kühleres Klima geeignet<br />
Rochester 54 für wärmere Lagen, mittlere Ertragsleistung<br />
Gudrun 51 langsame Jugendentwicklung, frosthart<br />
Inger 52 mittlere Ertragsleistung<br />
Weiden<br />
Sven 53 mittlere Ertragsleistung<br />
Tora 54 hohe Ertragsleistung, auch in kühlerem Klima<br />
Tordis 51 hohe Ertragsleistung, auch in kühlerem Klima<br />
Torhild 53 mittlere Ertragsleistung<br />
Bei der Wahl der<br />
Pappelsorten ist auf hohe<br />
Toleranzen gegenüber<br />
Krankheiten zu achten<br />
Frieder Seidl<br />
LTZ Augustenberg -<br />
Tel.: 0721/ 9518-216<br />
frieder.seidl@ltz.bwl.de<br />
Ertragsleistung gegenüber den etablierten Sorten<br />
ableiten (HOFMANN 2013). In Tabelle 1 sind die<br />
derzeit zugelassenen und empfehlenswerten Sorten<br />
und ihre besonderen Eigenschaften aufgeführt.<br />
Insbesondere Pappeln sind jedoch gefährdet, was<br />
die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen<br />
betrifft. Die zugelassenen Sorten sollten zwar<br />
i.d.R. eine hohe Toleranz gegenüber dem am häufigsten<br />
auftretenden Pilz, dem Blattrost (Melampsora<br />
spec.), aufweisen. Eine Zunahme der Befallssituation<br />
ist jedoch aufgrund des geringen Umfangs<br />
des Sortenspektrums möglich. Der sehr späte<br />
Austriebsbeginn der italienischen Klone AF2,<br />
AF8 und Monviso kann das Beikrautaufkommen<br />
im Frühjahr begünstigen, was u.U. zu einer Beeinträchtigung<br />
des Wiederaustriebs nach der Ernte<br />
führen kann. Von den Sorten AF2 und Monviso<br />
wird des Weiteren von einem Befall mit dem Erreger<br />
des Rindenbrands (Cryptodiaporthe populea,<br />
syn. Dothichiza populea) berichtet (MURACH 2013,<br />
FVA 2012). Dieser Pilz, der vorwiegend an<br />
Schwarzpappelhybriden auftritt, kann insbesondere<br />
junge Bestände zum Absterben bringen. Ein<br />
Anbau dieser Klone kann daher zurzeit nicht<br />
empfohlen werden.<br />
Bei der Wahl der Sorten sollte nicht nur die Ertragsleistung<br />
im Vordergrund stehen, und der Anbau<br />
sich nicht auf einzelne ertragsstarke Klone<br />
beschränken. Aus phytosanitärer Sicht sollte ein<br />
Anbau nach Möglichkeit immer <strong>als</strong> (blockweise)<br />
Sortenmischung erfolgen.<br />
Bei den alternativen Baumarten zeigte sich insbesondere<br />
die Grauerle <strong>als</strong> besonders wüchsig. In<br />
Rheinstetten erreichte sie in vier Jahren eine<br />
durchschnittliche Wuchshöhe von knapp 6 Metern<br />
und einen Brusthöhendurchmesser (BHD,<br />
Durchmesser in 1,30 m Höhe) von 5 cm.<br />
Ein ebenfalls gutes Wachstum zeigten die Schwarzerlen<br />
und die Aspen. Nach einer Umtriebszeit<br />
von insgesamt acht Jahren werden auch bei diesen<br />
und den weiteren Baumarten die ersten Erträge<br />
ermittelt. •<br />
48 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Dr. Markus Mokry, Th. Aichele, J. Beyer<br />
Einsatz von „Biokohle“ in der <strong>Landwirtschaft</strong><br />
Zwischenergebnisse eines BLE-Drittmittelprojektes<br />
Die Ertragsleistung eines Bodens wird maßgeblich durch seine Bodenfruchtbarkeit definiert. Durch<br />
die Wechselwirkungen von Klima, Bodeneigenschaften und Bewirtschaftung werden die<br />
Voraussetzungen hierfür und somit für das Wachstum einer Pflanze bestimmt.<br />
Die Bodenbewirtschaftung, wie sie heute häufig<br />
Anwendung findet, ist nicht immer vorteilhaft<br />
für die physikalischen, chemischen und biologischen<br />
Eigenschaften eines Bodens. Zudem werden<br />
durch die ständig wachsende Weltbevölkerung<br />
immer mehr Nahrungs- und Futtermittel<br />
gebraucht, während gleichzeitig die landwirtschaftlich<br />
nutzbare Fläche kontinuierlich abnimmt.<br />
Somit müssen die Bewirtschaftungsmethoden<br />
optimiert werden, um die Bodenfruchtbarkeit<br />
möglichst nachhaltig zu sichern oder –<br />
wenn nötig - zu verbessern.<br />
So weckte beispielsweise die Wiederentdeckung<br />
der „Terra Preta“ im Amazonasbecken Brasiliens<br />
in den letzten Jahrzehnten ein enormes wissenschaftliches<br />
Interesse für die Nutzung von Biokohle<br />
zur Bodenverbesserung. Forscher entdeckten<br />
dort tiefgründige, sehr fruchtbare schwarzerdeartige<br />
Böden durchsetzt mit Tonscherben aus<br />
der vorkolumbianischen Zeit. Schätzungen zufolge<br />
beläuft sich die Ausdehnung der sogenannten<br />
„Terra Preta“ auf 10 % des Amazonasbeckens<br />
(MANN, 2002). „Terra Preta“- Böden haben sich<br />
anthropogen aus anorganischen und organischen<br />
Komponenten entwickelt. Man fand heraus, dass<br />
sich diese tiefgründige Humusschicht aus der Vermischung<br />
von Feuerstellenresten wie Asche und<br />
Kohle mit Essensresten wie Knochen und Fischgräten<br />
sowie Exkrementen, Urin und Biomasseabfällen<br />
entwickelt hat. Diese Bestandteile wurden<br />
mikrobiell metabolisiert und durch Humifikation<br />
im Boden stabilisiert. Noch ist unklar, ob die Bildung<br />
der „Terra Preta“ beabsichtigt oder unbeabsichtigt<br />
war. Die Landwirte vor Ort berichten von<br />
höheren Erträgen, bei denen sich die Kohleanteile<br />
<strong>als</strong> Schlüsselfaktor erweisen, die sie aufgrund<br />
ihrer Stabilität und der Fähigkeit, Nährstoffe sowie<br />
Wasser zu speichern, einnehmen (GLASER et<br />
al., 2012).<br />
Dieses Wissen möchte sich die Wissenschaft zunutze<br />
machen. Durch die Zufuhr von auf technischem<br />
Wege hergestellter Biokohle in landwirtschaftlich<br />
genutzten Böden könnte einerseits<br />
Kohlenstoff langfristig gespeichert (= C-Sequestrierung),<br />
andererseits könnten nährstoffarme<br />
oder mit Schadstoffen belastete Böden nachhaltig<br />
aufgewertet werden (BLACKWELL et al., 2009).<br />
Zur bioenergetischen Nutzung von Restbiomasse<br />
werden derzeit zwei Verkohlungsverfahren - das<br />
Pyrolyse- und das HTC-Verfahren (= hydrothermale<br />
Karbonisierung) - <strong>als</strong> sehr effiziente und<br />
emissionsarme Verwertungsschienen genutzt. Die<br />
Option, das Umsetzungsprodukt „Biokohle“ <strong>als</strong><br />
Wertstoff für landwirtschaftliche Böden anzuwenden,<br />
könnte vor dem Hintergrund der effizienten<br />
Verarbeitung schlecht verwertbarer, unbedenklicher<br />
Restbiomassen zu neuen Wertschöpfungspotentialen<br />
führen.<br />
Material und Methoden<br />
Pyrolyseverfahren<br />
Durch Variation von Temperatur und Prozessdauer,<br />
aber auch der Aufheizrate werden während des<br />
Pyrolyse-Prozesses die Mengenanteile an flüssigen,<br />
gasförmigen oder festen Komponenten im<br />
Endprodukt beeinflusst. Die Pyrolyse ist ein in der<br />
Industrie häufig benutztes Verfahren, um beispielsweise<br />
Bio-Öl, Pyrolysegase oder Biokohle zu<br />
gewinnen. Bei der Kohleherstellung haben sich<br />
ein langsames Aufheizen, Temperaturen zwischen<br />
400 °C bis 800 °C und eine Verweildauer über<br />
mehrere Stunden bewährt. Je höher die Temperatur,<br />
desto höher ist der Kohlenstoffgehalt und<br />
desto abbaustabiler wird die Kohle (RÖNSCH,<br />
2011). Für die Pyrolyse eignen sich besonders<br />
Ausgangssubstrate mit einem Trockensubstanzgehalt<br />
größer 50 % (Holz sowie trockene Reststoffe<br />
Die Wiederentdeckung der<br />
„Terra Preta“ im<br />
Amazonasbecken weckte<br />
ein grosses<br />
wissenschaftliches<br />
Interesse<br />
Terra Preta entsteht durch<br />
Vernichtung von Kohle<br />
und Asche mit tierischen<br />
Abfällen und<br />
Exkrementen.<br />
Insbesondere der<br />
Kohlenanteil gilt <strong>als</strong><br />
Schlüsselfaktor für die<br />
Verbesserung der<br />
Nährstoff- und<br />
Wasserspeicherung<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
49
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Parameter Dimension Forchheim Freiburg<br />
Bodenart IS uL<br />
pH 5,4 7,3<br />
Humus<br />
2,2 1,7<br />
(% TM)<br />
Gesamt-N 0,1 0,1<br />
P 2<br />
O 5<br />
16 20<br />
K 2<br />
O (mg/100 g B.)<br />
12 17<br />
Mg 5 7<br />
Bor<br />
0,14 0,24<br />
Mangan 73 14<br />
(mg/kg TM)<br />
Zink 4 3<br />
Kupfer 1,6 1,7<br />
Tabelle 1<br />
Kenndaten der<br />
Versuchsstandorte<br />
Biokohle hat in<br />
Abhängigkeit vom<br />
Herstellungsverfahren<br />
unterschiedliche<br />
Eigenschaften<br />
Allgemeine Aussagen über<br />
den Einsatz in der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> sind nicht<br />
möglich<br />
Tabelle 2<br />
Kenndaten der organischen<br />
Dünger<br />
aus der <strong>Landwirtschaft</strong> wie z. B. Stroh), da ansonsten<br />
das Material vorher energieaufwändig getrocknet<br />
werden müsste.<br />
HTC-Verfahren<br />
Die hydrothermale Carbonisierung, kurz HTC<br />
genannt, ist ein Nassverfahren, mit dem die Kohle<br />
bei Temperaturen von ca. 200 °C und einem<br />
Druck von etwa 20 bar hergestellt wird. Während<br />
die Biomasse für ungefähr 6 Stunden im Reaktor<br />
unter Zugabe von Säuren und Salzen behandelt<br />
wird, wird eine Vielzahl von Prozessen wie beispielsweise<br />
Hydrolyse, Dehydratisierung, Decarboxylierung<br />
sowie Agglomeration und Polymerisierung<br />
in Gang gesetzt. Hierdurch entstehen<br />
verschiedenste Zwischenprodukte wie Zucker,<br />
Furfurale oder organische Säuren (BUTTMANN,<br />
2011).<br />
Eigenschaften der Biokohletypen<br />
Da mit dem HTC-Verfahren eine Vielzahl von<br />
HTC-Kohlen mit unterschiedlichsten Eigenschaften<br />
hergestellt werden kann, ist im Vergleich<br />
zur pyrogenen Kohle bisher nur wenig über ihre<br />
Auswirkungen im Boden bekannt. Während es<br />
beim HTC-Prozess zu einer vollständigen strukturellen<br />
Auflösung des verwendeten Ausgangsmateri<strong>als</strong><br />
mit anschließender Polymerisation der Abbauprodukte<br />
kommt, bleibt bei der Pyrolyse die<br />
Struktur des Ausgangsmateri<strong>als</strong> weitestgehend<br />
erhalten. Daher ist die pyrogene Biokohle äußerst<br />
porös und besitzt eine enorme spezifische Oberfläche<br />
von teilweise über 300 m² pro Gramm<br />
(SCHMIDT, 2011). Durch den hohen Porengehalt<br />
können sowohl die Wasser-, <strong>als</strong> auch die Luftkapazität<br />
eines Bodens erheblich verbessert werden.<br />
Die Poren stellen nicht nur einen möglichen Wurzeldurchgang<br />
dar, sondern bieten auch Mikroorganismen<br />
ein nährstoffreiches Habitat an, das vor<br />
„Feinden“ geschützt ist. Aufgrund der großen<br />
spezifischen Oberfläche und der damit einhergehenden<br />
Adsorptionsleistung kann die pyrogene<br />
Biokohle zum einen <strong>als</strong> Trägermittel für Nährstoffe<br />
und zum anderen <strong>als</strong> Puffer gegen die Auswaschung<br />
von organischen Schadstoffen und<br />
Schwermetallen ins Grundwasser gesehen werden.<br />
Diese Eigenschaft kann zwar in nährstoffarmen<br />
Böden erhebliche Vorteile bringen, jedoch<br />
besteht auch die Gefahr, dass Nährstoffe - mit der<br />
Folge möglicher Ertragseinbußen – zunächst immobilisiert<br />
werden (SCHMIDT, 2011). Obwohl bereits<br />
zahlreiche Untersuchungen zu den physikalischen,<br />
chemischen und biologischen Eigenschaften<br />
verschiedener Kohlen durchgeführt wurden,<br />
fehlt immer noch ein präziser Leitfaden für den<br />
Einsatz von Biokohle in der <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />
Feldversuche zum Einsatz von<br />
„Biokohle“<br />
Das <strong>Landwirtschaft</strong>liche Technologiezentrum<br />
(LTZ) Augustenberg beschäftigt sich aktuell mit<br />
dem Einsatz von Biokohle in der <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />
Das von der Bundesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong><br />
und Ernährung (BLE) über die landwirtschaftliche<br />
Rentenbank geförderte sog. „CarboSolum“-<br />
Projekt untersucht dabei u.a. die physikalischen,<br />
chemischen und biologischen Auswirkungen<br />
zweier auf unterschiedliche Weise karbonisierter<br />
Restbiomassen (Landschaftspflegematerial und<br />
org. Dünger<br />
TS<br />
N NH 4<br />
P K Mg<br />
bzw. Biokohlen<br />
(% FM) pH-Wert<br />
(% TM)<br />
Kompost 54,8 7,3 0,91 - 0,71 1,61 1,08<br />
Gärrest fest 18,5 9,2 2,80 1,54 0,82 3,60 0,29<br />
HTC-Kohle 33,9 4,7 3,80 0,18 1,21 0,02 0,23<br />
Pyrolyse-Kohle 67,0 10,5 0,60 - 3,05 0,78 0,51<br />
50 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Variante (VG) Behandlung<br />
1 ohne jegliche Düngung<br />
2 Kompost<br />
3 Gärrest fest<br />
4 mineralische Düngung<br />
5 HTC-Kohle (Biertreber)<br />
6 HTC-Kohle + Kompost<br />
7 HTC-Kohle + GR fest<br />
8 Pyrolyse-Kohle (Grünmasse)<br />
9 Pyrolyse-Kohle + Kompost<br />
10 Pyrolyse-Kohle + GR fest<br />
Aufwandmenge<br />
40 t FM/ha<br />
20 t FM/ha<br />
N: kulturspezifisch; P: Abfuhr; K: kulturspezifisch<br />
20 t TM/ha<br />
20 t TM/ha + 40 t FM/ha<br />
20 t TM/ha + 20 t FM/ha<br />
20 t TM/ha<br />
20 t TM/ha + 40 t FM/ha<br />
20 t TM/ha + 20 t FM/ha<br />
Biertreber) auf den Boden und die Pflanzenproduktion<br />
über drei Versuchsjahre. Ziel der hierfür<br />
angelegten Feldversuche ist es, Aussagen über<br />
Mindeststandards der gewählten Biokohlen zu<br />
treffen. Für die Feldversuche wurden zwei Standorte<br />
mit verschiedenen Bodeneigenschaften ausgewählt<br />
(Tab. 1).<br />
Im folgenden Beitrag wird der Einfluss von Biokohle<br />
aus dem HTC- bzw. Pyrolyseverfahren auf<br />
die Ertragsbildung und Nährstoffaufnahme von<br />
Körnermais und Winterweizen an den Standorten<br />
Forchheim - Raum Karlsruhe – und March –<br />
Raum Freiburg i. Br. - über die bisherige Versuchsdauer<br />
von zwei Jahren beschrieben (Tab. 1 bis 4).<br />
Besonders interessiert in diesem Zusammenhang,<br />
ob Ertragsunterschiede zwischen den Standorten<br />
in Folge unterschiedlicher Standorteigenschaften<br />
(Nährstoff- und Wasserhaushalt!) durch eine Zugabe<br />
von Biokohle ausgeglichen werden können.<br />
Bei den Feldversuchen (Tab. 3) handelt es sich um<br />
zweifaktorielle Blockversuche. Hierbei ist Versuchsglied<br />
(VG) 1 <strong>als</strong> Nullvariante und somit ohne<br />
jegliche Düngung während der <strong>gesamte</strong>n Versuchsdauer<br />
angelegt. Unter Beachtung der pflanzenspezifischen<br />
P-Abfuhren wurden die organischen<br />
Vergleichsdünger „Kompost“ und „Gärreste<br />
fest“ (= Feststoffanteil nach Separierung der<br />
flüssigen Gärreste) nach „guter fachlicher Praxis“<br />
ausgebracht. Diese sowie eine Variante mit ausschließlicher<br />
mineralischer Düngung (VG 4) - jeweils<br />
ohne Biokohle-Zusatz - dienen dazu, den<br />
Einfluss einer Biokohle-Zugabe (VG 5 bis 10)<br />
beurteilen zu können. Hierbei steht eine mögliche<br />
Düngewirkung oder ein möglicher Einfluss der<br />
Biokohlen auf die Bodenfruchtbarkeit (Nährstoff-/Wasserhaushalt,<br />
biologische Kenngrößen<br />
der Böden...) im Vordergrund.<br />
Da es bislang keine gesetzlichen Regelungen für<br />
den Einsatz von Biokohle in landwirtschaftlich<br />
genutzten Böden gibt, orientierte man sich bei den<br />
Ausbringungsmengen von 20 t TM ha - ¹ innerhalb<br />
von drei Jahren an der Bioabfallverordnung<br />
(Kompostdüngung).<br />
Tabelle 3<br />
Versuchsplan<br />
In Feldversuchen werden<br />
verschiedene Biokohlen<br />
mit Kompost und<br />
Gärresten verglichen<br />
Tabelle 4<br />
Nährstofffrachten [kg/ha] – zu<br />
Versuchsbeginn ausgebracht<br />
Nährstofffrachten<br />
Varianten<br />
N lösl. N P K Mg<br />
kg ha -1<br />
Kompost 199 10 156 353 237<br />
Gärrest (fest) 104 52 30 266 11<br />
Gärrest (flüssig)* 60 36 14 82 82<br />
HTC-Kohle 760 12 242 4 46<br />
HTC + Kompost 959 22 398 357 283<br />
HTC + Gärrest (fest) 864 64 272 270 57<br />
Pyrolyse-Kohle 120 - 610 156 102<br />
Pyrolyse + Kompost 319 10 766 509 339<br />
Pyrolyse + Gärrest (fest) 224 52 640 422 113<br />
* im 2. Versuchsjahr auf VG 3 ausgebracht<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
51
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Biokohlen unterschieden<br />
sich im Nährstoffgehalt,<br />
der Nährstoffverfügbarkeit<br />
und im Trockensubstanzgehalt<br />
Bei den Körnermais- und<br />
Weizenerträgen gibt es<br />
bisher keine statistisch<br />
gesicherten Unterschiede<br />
zwischen den Kohlen<br />
Auf der Basis einer standort- und kulturspezifischen<br />
Düngebedarfsermittlung wurden die Versuchsglieder<br />
jährlich zusätzlich mit mineralischem<br />
N gedüngt.<br />
In Tabelle 2 sind die Nährstoffgehalte der ausgebrachten<br />
Substrate aufgeführt. Zunächst wird davon<br />
ausgegangen, dass der Ertrag maßgeblich von<br />
den tatsächlich ausgebrachten Nährstoffen (Tab.<br />
4) beeinflusst wird, jedoch sind auch Parameter<br />
wie pH-Wert und physikalische Beschaffenheit<br />
des jeweiligen Düngerstoffes ausschlaggebend für<br />
die Bindungsform und Verfügbarkeit der Nährstoffe<br />
und somit für die Ertragsbildung.<br />
Da die Biokohlen aus verschiedenen Ausgangssubstraten<br />
(Pyrolyse-Kohle aus Landschaftspflegematerial<br />
– HTC-Kohle aus Biertreber) hergestellt<br />
wurden, sind deren Inhaltsstoffe und physikalischen<br />
Eigenschaften ebenfalls zum Teil sehr<br />
unterschiedlich.<br />
Besonders hervorzuheben sind hierbei die deutlichen<br />
Unterschiede im TS-Gehalt. Dies beruht<br />
darauf, dass bei der Bildung der pyrogenen Kohle<br />
unter sehr hohen Temperaturen Wasser ausgetrieben,<br />
während beim HTC-Verfahren Wasser zugesetzt<br />
(= Nassverfahren) wird. Auch der pH-Wert<br />
der beiden Kohlen unterscheidet sich wesentlich.<br />
Dies kann in Abhängigkeit von der Ausbringmenge<br />
einen starken Einfluss auf die mikrobielle Besiedlung<br />
der Kohle und dadurch u.a. auf die N-<br />
Verfügbarkeit ausüben. Die Nährstoffgehalte der<br />
im Versuch verwendeten Vergleichssubstrate<br />
„Kompost“ und „Gärreste fest“ variieren in Abhängigkeit<br />
vom jeweiligen Ausgangsmaterial und<br />
Herstellungsverfahren deutlich. In Folge anaero-<br />
ber Vergärung im Biogasreaktor weisen beispielsweise<br />
die Gärreste fest einen hohen Gehalt an<br />
verfügbaren NH 4<br />
-N auf, der beim Kompost und<br />
den Biokohlen vernachlässigbar klein ist. Dagegen<br />
ist der Stickstoff im Kompost vorwiegend in organischer<br />
Form gebunden, weshalb dieser erst<br />
nach einer längeren Verweilzeit verfügbar wird. Im<br />
Vergleich zum Landschaftspflegematerial, welches<br />
vorwiegend aus Cellulose, Hemicellulose und<br />
etwas Lignin besteht, enthalten Biertreber einen<br />
hohen Anteil an Proteinen. Deshalb weist die<br />
HTC-Kohle höhere N-Gehalte <strong>als</strong> die pyrogene<br />
Kohle auf. Die Kaliumgehalte sind bei der HTC-<br />
Kohle im Vergleich zu den anderen Substraten<br />
sehr gering, da einerseits der Kaliumgehalt von<br />
Getreidekörnern niedrig ist und andererseits während<br />
des HTC-Prozesses ein Großteil des löslichen<br />
Kaliums in das sog. Prozesswasser übergeht.<br />
Besonders hervorzuheben sind die hohen P-<br />
Frachten bei einer Düngung insbesondere mit<br />
Pyrolysekohle.<br />
Versuchsergebnisse<br />
Abbildungen 1 und 2 bzw. 3 und 4 zeigen die<br />
Körnermais- bzw. Winterweizenerträge und<br />
die korrespondierenden Rohproteingehalte im<br />
Mittel von vier Wiederholungen. Statistisch gesehen<br />
gibt es mit Ausnahme der ungedüngten Varianten<br />
weder Tendenzen noch Unterschiede zwischen<br />
den gedüngten Versuchsgliedern in beiden<br />
Jahren. Das Ertragsbild variiert auf dem Standort<br />
„Forchheim“ deutlicher <strong>als</strong> in „March“. Hier sind<br />
die Kornerträge von Körnermais in beiden Versuchsjahren<br />
nahezu identisch - selbst auf den Parzellen<br />
„ohne Düngung“ -.<br />
Abbildung 1<br />
Kornerträge [rel. zum<br />
Versuchsmittel] am Standort<br />
„Forchheim“<br />
52 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Abbildung 2<br />
Rohproteingehalte [% TM<br />
bzw. im Mittel] am Standort<br />
„Forchheim“<br />
Abbildung 3<br />
Kornerträge [rel. zum<br />
Versuchsmittel] am Standort<br />
„March“<br />
Beim Proteingehalt zeigen sich jedoch tendenziell<br />
niedrigere Gehalte im 2. Körnermaisjahr am<br />
Standort „March“. Dies könnte jedoch auch die<br />
Folge ungünstigerer Witterungsbedingungen –<br />
insbesondere während der Abreife - im Vergleich<br />
zum Versuchsjahr 2011 gewesen sein. Am Standort<br />
„Forchheim“ lassen sich weder bei Körnermais<br />
noch bei Winterweizen signifikante Unterschiede<br />
im Proteingehalt der Prüfglieder feststellen,<br />
obwohl die Ertragsschwankungen – insbesondere<br />
im Körnermaisjahr – deutlicher<br />
ausgefallen waren <strong>als</strong> am Standort „March“. Diese<br />
Standortunterschiede können durchaus in den<br />
teils stärker variierenden Bodeneigenschaften –<br />
insbesondere im Humus- und Wasserhaushalt –<br />
begründet sein. Daher reagieren am Standort<br />
„Forchheim“ die Erträge in beiden Versuchsjahren<br />
nach einer Kompostzufuhr – sei es ohne oder<br />
in Kombination mit Biokohle – positiver <strong>als</strong> eine<br />
ergänzende Gabe mit Gärrest fest.<br />
Die Miner<strong>als</strong>toffgehalte P, K und Mg der Ernteproben<br />
zeigen keine Unterschiede unabhängig<br />
vom Versuchsjahr, vom Standort oder von der<br />
jeweiligen Kultur.<br />
Die N min<br />
-Ergebnisse (Abb. 5 und 6) der mineralisch<br />
sowie ausschließlich mit HTC- bzw. Pyrolysekohle<br />
gedüngten Varianten sind nach der Ernte<br />
des 1. Versuchsjahres am Standort „Forchheim“<br />
leicht erhöht. Alle übrigen bisher gemessenen<br />
Werte sind unspektakulär und lassen sich nicht<br />
zwingend der Versuchsdüngung zuordnen.<br />
Die Miner<strong>als</strong>toffgehalte P,<br />
K und Mg zeigen keine<br />
Unterschiede<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
53
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Abbildung 4<br />
Rohproteingehalte [% TM<br />
bzw. im Mittel] am Standort<br />
„March“<br />
Abbildung 5<br />
N min<br />
-Gehalte [kg Nitrat-N/ha<br />
von 0 bis 90 cm] am Standort<br />
„Forchheim“<br />
Abbildung 6<br />
N min<br />
-Gehalte [kg Nitrat-N/ha<br />
von 0 bis 90 cm] am Standort<br />
„March“<br />
54 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Abbildung 7<br />
Kohlenstoff- (C-) Gehalte<br />
[% TM von 0 bis 20 cm] am<br />
Standort „Forchheim“<br />
Abbildung 8<br />
Kohlenstoff- (C-) Gehalte<br />
[% TM von 0 bis 20 cm] am<br />
Standort „March“<br />
Anders verhält es sich am Standort „March“. Hier<br />
waren die Nmin-Werte bislang durchwegs deutlich<br />
höher - insbesondere nach dem 1. Versuchsjahr - .<br />
Besonders auffällig sind auch die verringerten Nitratwerte<br />
bei den Versuchsgliedern mit Pyrolyse-<br />
Kohle-Zugabe. Ertragsniveau und N min<br />
-Werte<br />
unterstreichen den Standortvorteil „March“ und<br />
erschweren eine Aussage, inwieweit die Zufuhr<br />
von Biokohle für eine Ertragsverbesserung nützlich<br />
war. Im Falle hoher Bodengüte und gleichmäßiger<br />
Witterungsbedingungen liegen die Vorteile<br />
einer Biokohle-Gabe wohl eher auf Seiten der oft<br />
diskutierten C-Sequstrierung.<br />
Auf beiden Standorten haben die C-Gehalte (kein<br />
Humus im herkömmlichen Sinn!) ohne Zufuhr<br />
von Biokohle - insbesondere am Standort Forchheim<br />
- abgenommen und unterschreiten teilweise<br />
das Ausgangsniveau. Bei einem vergleichsweise<br />
niedrigen Humus-Startwert am Standort „March“<br />
sind die C-Gehalte in Folge der Versuchsdüngung<br />
deutlicher angestiegen - insbesondere in Folge einer<br />
HTC-Kohlezufuhr - <strong>als</strong> am Standort „Forchheim“.<br />
Da es sich bei „March“ um eine Fläche<br />
handelt, die langjährig mit nahezu 100 % Körnermais<br />
bewirtschaftet wurde und „nur“ ca. 1 % C zu<br />
Beginn der Versuchsreihe aufweist, könnte dies<br />
ein Hinweis darauf sein, dass die Zugabe von Biokohle<br />
den C-Einbau in stabilere Humusformen<br />
gefördert hat. Der intensive (C-) Stoffwechsel der<br />
C-Quelle „Maisstroh“ blieb davon eher unbeeinflusst.<br />
Am Standort „Forchheim“ deutet sich an,<br />
dass mehr Kohlenstoff verbraucht <strong>als</strong> über die<br />
Düngung zugeführt wurde.<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
55
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Die Grundnährstoffe Phosphat, Kali und Magnesium<br />
sowie die pH-Werte der Böden zeigen<br />
bislang keine Reaktion auf die Versuchsanstellung.<br />
Überrascht hat dies besonders beim Phosphat im<br />
System mit Pyrolysekohle, da in diesem Falle hohe<br />
P-Frachten (Tab. 4) ausgebracht wurden, die sich<br />
bislang weder in der löslichen P-Fraktion des Bodens,<br />
noch in den P-Gehalten der Ernteprodukte<br />
niedergeschlagen haben.<br />
Fazit (vorläufiges)<br />
Die vorliegenden Versuchsergebnisse über zwei<br />
Vegetationsperioden mit Körnermais und Winterweizen<br />
lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:<br />
Kornerträge und -qualitäten unterscheiden sich<br />
nicht signifikant zwischen den mit Biokohle behandelten<br />
bzw. unbehandelten Versuchsgliedern<br />
bei ausgeglichener N-Versorgung.<br />
Erwartungsgemäß führt eine Biokohle-Zufuhr<br />
zu einem Anstieg der C-Gehalte im Boden. Es<br />
ist anzunehmen, dass die Prozesse, die zu einem<br />
höheren Anteil an Dauerhumus führen, nach 2<br />
Jahren noch nicht abgeschlossen sind. Hierzu<br />
bedarf es der Beobachtung über einen längeren<br />
Zeitraum.<br />
Im Falle einer Kombination von Biokohle mit<br />
Kompost bzw. Gärrest fest sind die C-Gehalte<br />
in den meisten Fällen höher. Dies weist auf eine<br />
positive Wechselwirkung hin, da Kompost bzw.<br />
Gärrest fest allein ausgebracht, diesen Effekt<br />
weniger deutlich zeigen.<br />
Es ist bekannt, dass die pyrogene Kohle die Fähigkeit<br />
besitzt, Ammonium- und Kali-Ionen in<br />
größerem Umfang zu binden. Somit könnten<br />
Biokohlen dieses Typs einerseits für den Einsatz<br />
im Grundwasserschutz an Bedeutung gewinnen,<br />
andererseits aber auch bei ihrer direkten<br />
Aufbringung auf Ackerböden zunächst eine<br />
Ammonium- und/oder Kalifixierung bewirken.<br />
Deshalb ist vor einem Einsatz von Biokohlen<br />
der Versorgungszustand der Böden insbesondere<br />
mit Kali zu prüfen oder eine vorherige Behandlung<br />
der Kohlen empfehlenswert, um Ertragsminderungen<br />
zu vermeiden.<br />
genschaften eher auf leichteren („schwächeren“)<br />
Standorten zu beobachten sein werden.<br />
„Biokohle“ kann dann in der <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>als</strong><br />
Zusatzstoff an Bedeutung gewinnen, wenn die<br />
verwendeten Ausgangssubstrate bekannt und<br />
vor allem hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung<br />
unbedenklich sind, wenn die zu<br />
behandelnden Böden „Schwachstellen“ bspw.<br />
eine schlechte Wasserversorgung oder hohe<br />
Schadstoffgehalte (anorganisch wie organisch)<br />
aufweisen (Sanierungsfälle) und wenn die Kosten<br />
für eine fachgerechte Zufuhr von 20 bis 30<br />
t FM/ha Biokohle in einem finanzierbaren, aber<br />
auch konkurrenzfähigen Bereich liegen.<br />
Literatur<br />
BLACKWELL, P. G. RIETHMULLER, M. COLLINS<br />
(2009): Biochar Application to Soil. Biochar for<br />
Environmental Management: Science and Technology.<br />
London. Sterling, VA: Eathscan, 2009. Ed.<br />
Lehmann J, Joseph S.<br />
BUTTMANN M. (2011): Klimafreundliche Kohle<br />
durch Hydrothermale Karbonisierung von Biomasse,<br />
Chemie Ingenieur Technik 2011, 83, No II,<br />
1890-1896.<br />
GLASER, B., J. J. BIRK (2012): State of the scientific<br />
knowledge on properties and genesis of Anthropogenic<br />
Dark Earth in Central Amazonia, Terra<br />
Preta de Índio. Giochimica et Cosmochimica Acta<br />
82, 39 - 51.<br />
MANN, C. C. (2002): The real dirt on rainforest<br />
fertility. Science 297(9), 920-923.<br />
RÖNSCH, S. (2011): Optimierung und Bewertung<br />
von Anlagen zur Erzeugung von Methan, Strom<br />
und Wärme aus biogenen Festbrennstoffen<br />
,Deutsches Biomasse Forschungszentrum, Leipzig.<br />
SCHMIDT, H. - P. (2011): Pflanzenkohle, Ithakajournal,<br />
Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming<br />
, 75-82. •<br />
Dr. Markus Mokry<br />
LTZ Augustenberg<br />
Tel. 0721/ 9468-184<br />
markus.mokry@ltz.bwl.de<br />
Zum heutigen Zeitpunkt können noch nicht<br />
alle positiven wie negativen Auswirkungen einer<br />
Zufuhr von Biokohle beschrieben werden, jedoch<br />
lässt sich feststellen, dass förderliche Ei-<br />
56 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Dr. Reinhard Albert, Klaus Schrameyer<br />
Neue Schädlinge in Baden-Württemberg (Teil 1)<br />
In Baden-Württemberg treten in den letzten Jahren vermehrt nicht heimische Milben- und Insektenarten<br />
auf. Sie gelangen auf zwei Wegen ins Land. Entweder werden sie auf Pflanzenmaterial, in<br />
Verpackungsholz oder in anderem Importmaterial eingeschleppt oder sie wandern aktiv ein. Alle diese<br />
Tiere werden Neozoen genannt (KINZELBACH 1972), wenn sie sich im Freiland, im Gewächshaus (ALBERT<br />
1996) oder auch im Privathaushalt dauerhaft etabliert haben. Neozoen, die Kulturpflanzen schädigen<br />
oder die einheimische Arten gefährden oder verdrängen, kann man nach angelsächsischem<br />
Sprachgebrauch auch „invasive Arten“ nennen (KINZELBACH 2000). In den letzten Jahren traten viele<br />
bisher nicht heimische Arten erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg auf. Außerdem wurden viele bekannte<br />
Schädlinge durch die Besetzung neuer Lebensräume oder einer stärkeren Schädigung der<br />
Kulturpflanzen zunehmend zu einem Problem. Andere Neozoen sind nicht <strong>als</strong> Schädlinge anzusehen,<br />
können aber durch ihre große Zahl mitunter auffällig oder, wenn sie in Wohnungen eindringen, auch<br />
durchaus lästig werden. Einige besonders schädliche oder auffällige invasive Arten werden hier<br />
vorgestellt.<br />
Neubürger im Detail<br />
Unter den eingeschleppten invasiven Arten ist<br />
besonders der Westliche Maiswurzelbohrer<br />
(Diabrotica virgifera virgifera) zu nennen. Der<br />
Käfer, der in den USA der „1- Milliarde Dollar-<br />
Käfer“ wegen der hohen Schadens- und Bekämpfungskosten<br />
genannt wird, wurde in den frühen<br />
90-er Jahren in die Gegend von Belgrad verschleppt<br />
und verbreitete sich auf dem Balkan und<br />
in angrenzenden Ländern. Punktuell trat er auch<br />
in der Nähe von Flughäfen in Frankreich, den<br />
Niederlanden und in Großbritannien auf. Er wurde<br />
erstm<strong>als</strong> im Jahr 2007 in Deutschland in der<br />
Gegend von Lahr (Oberrhein) mit Pheromonfallen<br />
nachgewiesen und war bei Salem (Bodenseeregion)<br />
in so großer Zahl vorhanden, dass die Einschleppung<br />
schon früher erfolgt sein musste.<br />
Hierher wurde er wohl mit Lastwagen oder Flugzeugen<br />
unbeabsichtigt transportiert (GLAS et al.<br />
2008). Seit dem Jahr 2007 tritt er regelmäßig in<br />
Baden-Württemberg auf. Sein mit Pheromonfallen<br />
nachgewiesenes Auftreten reicht im Rheingraben<br />
von der Schweizer Grenze bis in den Kreis<br />
Rastatt. Sein Befall kann durch den Fraß der Larven<br />
an den Wurzeln und dem der Käfer an Blättern<br />
und besonders an der Seide sowie dem<br />
milchreifen Korn zu hohen Ertragsausfällen<br />
von bis zu 80%, im Extremfall<br />
von 100% führen. In Baden-<br />
Württemberg tritt er bisher<br />
nicht schädigend auf. Hohe<br />
Kosten entstanden aber<br />
dadurch, dass er in mehreren<br />
Jahren aufgrund<br />
einer EU-Vorschrift<br />
aufwändig bekämpft<br />
werden musste. Nach<br />
der empfohlenen Beizung<br />
des Maissaatgutes<br />
mit dem Insektizid<br />
Poncho Pro (Clothianidin)<br />
kam es im Jahr 2008 zu<br />
Bienenvergiftungen am Oberrhein,<br />
bei dem in fast 12.000 Bienenvölkern Verluste<br />
auftraten. Im Maisanbau ist der regelmäßige<br />
Fruchtwechsel die beste, weil wirksamste und damit<br />
umweltfreundlichste Bekämpfungsmethode.<br />
Westlicher<br />
Maiswurzelbohrer<br />
(Diabrotica virgifera virgifera)<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
57
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Raupe des Buchsbaumzünsler<br />
Bilder: LTZ<br />
Falter von Cydalima perspectalis<br />
Stark vom Buchsbaumzünsler geschädigter Buchs<br />
Der Buchsbaumzünsler<br />
Cydalima perspectalis<br />
(Synonyme Diaphania perspectalis,<br />
Glyphodes perspectalis)<br />
sorgt in den Befallsgebieten<br />
in ganz Baden-<br />
Württemberg für Furore<br />
(ALBERT und LEHNEIS,<br />
2010, 2012). Er ist ein gefährlicher<br />
Schädling am<br />
Buchsbaum; seine Raupen<br />
fressen die Blätter<br />
und auch die grüne Rinde<br />
der Bäume. Aufgrund<br />
seiner 3 bis 4 Generationen<br />
pro Jahr kann er am<br />
Buchs schnell hohe<br />
Dichten erreichen. Über<br />
400 Raupen wurden<br />
schon an einer einzigen<br />
Buchspyramide gezählt.<br />
Durch den Fraß an der<br />
grünen Rinde der Bäume<br />
ist er in der Lage, Buchsbäume<br />
zum Absterben<br />
zu bringen. Weniger stark<br />
befallene Buchsbäume<br />
können sich wieder erholen.<br />
Er wurde im Jahr<br />
2007 amtlich am Oberrhein<br />
festgestellt, aber<br />
wohl schon früher mit<br />
Pflanzenmaterial aus<br />
China oder den Niederlanden<br />
nach Baden-<br />
Württemberg verbracht.<br />
Fraßpflanzen sind in<br />
Ostasien Buxus sinica, in<br />
Japan Buxus microphylla<br />
und B. sempervirens. B. microphylla<br />
ist die besser geeignete<br />
Nahrungsquelle.<br />
In Europa wird an Buxus<br />
sempervirens und B. microphylla<br />
gefressen. Nach<br />
chinesischen Angaben<br />
reduziert nur die Anwendung<br />
von Bacillus-thuringiensis-Präparaten<br />
den<br />
Schädling nachhaltig. Im<br />
Haus- und Kleingarten<br />
sollte eine Bekämpfung<br />
der Raupen durch Absammeln<br />
oder mit dem<br />
Bacillus-thuringiensis-Präparat<br />
Dipel ES, den Bioziden<br />
Schädlingsfrei<br />
Neem’, ‚NeemAzal-T/S’, „Bayer Garten Bio-<br />
Schädlingsfrei Neem“ oder bei sehr starkem Befall<br />
mit ‚Bayer Garten Schädlingsfrei Calypso’ oder<br />
vergleichbaren Präparaten erfolgen. Im Öffentlichen<br />
Grün ist eine Bekämpfung nur mit Dipel ES<br />
möglich. Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln<br />
ist stets auf die Zulassungssituation zu<br />
achten.<br />
Ebenfalls auf Buchs wurde die Buchsbaumspinnmilbe<br />
(Eurytetranychus buxi) im Jahr 2003<br />
erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg auf Buchsbäumen<br />
entdeckt. Die Art kann Buchsbäume bei hohen<br />
Temperaturen und unzureichender Wasserversorgung<br />
schnell bis zum Absterben schädigen.<br />
Als wärmeliebendes Tier hält sich die Milbe vorzugsweise<br />
an sonnigen Plätzen auf südlich und<br />
südwestlich exponierten Blättern auf. Die Gemeine<br />
Gewächshausspinnmilbe Tetranychus urticae<br />
kann Buchs ebenfalls stark schädigen.<br />
Häufiger wurden vom staatlichen Pflanzengesundheitsdienst<br />
in Baden-Württemberg schon<br />
Larven des Asiatischen Laubholzbockkäfers<br />
(Anoplophora glabripennis) in Verpackungsholz aus<br />
Ostasien gefunden. Das Holz muss nach Befallsfeststellung<br />
umgehend verbrannt werden. Bisher<br />
konnte wohl aufgrund der Überwachung der Einfuhren<br />
im Rahmen der amtlichen Kontrollen ein<br />
Befall an gesunden Laubhölzern, wie er in Bayern<br />
und Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren<br />
auftrat, in Baden-Württemberg noch verhindert<br />
werden.<br />
Ein Befall durch den Citrusbockkäfer (Anoplophora<br />
chinensis) und seine Larven, die mit Fächerahornbäumchen<br />
(Acer palmatum) von Discountern<br />
und Gartenmärken in Deutschland verbreitet<br />
wurden, wurde bisher in Baden-Württemberg<br />
noch nicht bestätigt.<br />
Die Andromeda-Gitterwanze (Stephanitis takeyai)<br />
wurde im Jahr 2003 (HOMMES 2004) erstm<strong>als</strong> bei<br />
Bremen entdeckt und stammt ursprünglich aus<br />
Japan. In Italien war sie schon im Jahr 2000 festgestellt<br />
worden. Sie wanderte hierher von Norden<br />
zu und wurde 2007 erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg<br />
bei Mannheim und Calw gefunden. Sie befällt<br />
die Lavendelheide (Pieris japonica), auch Schattenglöckchen<br />
genannt, und kann durch ihre Saugtätigkeit<br />
an den Blättern die Pflanzen stark schädigen<br />
und sogar abtöten.<br />
Die verwandte Platanen-Netzwanze (Corythucha<br />
ciliata) stammt ursprünglich aus den USA und<br />
wurde erstm<strong>als</strong> in den frühen 60-er Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts in Italien bei Padua entdeckt.<br />
Von dort aus hat sich die Art in den 70-er Jahren<br />
schnell bis nach Deutschland verbreitet. Sie ist<br />
58<br />
Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
kein eigentlicher Pflanzenschädling, obwohl befallene<br />
Platanen die Blätter wesentlich früher verlieren<br />
können <strong>als</strong> befallsfreie Pflanzen. Die Netzwanze<br />
gibt aber einen Kot ab, der den Lack von<br />
geparkten Fahrzeugen durch nicht entfernbare<br />
Verfärbungen schädigen kann. Es hat außerdem<br />
Fälle gegeben, in denen Personen von schwärmenden<br />
Netzwanzen in der Nähe von Platanen<br />
durch „Probe“-Stiche belästigt wurden.<br />
Die Amerikanische Eichennetzwanze (Corythucha<br />
arcuata) ist nach Norditalien verschleppt<br />
und dort erstm<strong>als</strong> im Jahr 2000 gefunden worden.<br />
Sie befällt ausschließlich Quercus-Arten. Da sie<br />
schon in die Schweiz eingewandert ist, kann mit<br />
ihrem Auftreten auch in Baden-Württemberg gerechnet<br />
werden. Ihre Bekämpfung ist genauso<br />
schwierig wie die der Platanen-Netzwanze.<br />
Die Zwiebelblattlaus (Neotoxoptera formosana)<br />
stammt ursprünglich aus Asien und ist mittlerweile<br />
auch in Australien, Neuseeland, Nordamerika<br />
und Hawaii zu finden (BLACKMAN und EASTOP<br />
1984). In Europa war sie bisher nur aus Großbritannien<br />
und Westfrankreich bekannt. Im Jahr<br />
2007 wurde sie erstm<strong>als</strong> bei Heilbronn nachgewiesen.<br />
Sie hat temperaturabhängig mindestens 5 Generationen<br />
pro Jahr und befällt alle oberirdischen<br />
Pflanzenteile von Allium-Arten. Durch die sehr<br />
hohe Befallsdichte führt ein Befall schnell zum<br />
Absterben der betroffenen Pflanzen. Im Unterschied<br />
zu den meisten Blattläusen saugt sie auch<br />
an Zwiebeln im Winterlager. Sie kann den ‚Garlic<br />
latent carlavirus’ übertragen. Auf welche Weise<br />
die Blattlaus nach Baden-Württemberg kam, ist<br />
nicht bekannt. Nachgewiesen werden konnte aber<br />
die Verteilung innerhalb des Landes mittels befallener<br />
Zwiebeln. Von hier aus kann der Langstreckenflieger<br />
sich bis zu 80 km/Jahr um den Befallsherd<br />
herum ausbreiten.<br />
An dieser Stelle kann auch ein Nützling angeführt<br />
werden, der wegen seiner Blattlausbekämpfung<br />
von einigen Obstbauern sehr begrüßt wird, den<br />
Winzer und auch viele Bürger aber nicht mögen.<br />
Die Rede ist vom Asiatischen Marienkäfer<br />
(Harmonia axyridis), einem sehr aktiven Blattlausgegenspieler<br />
besonders an Obst-, Stadt- und Nadelbäumen.<br />
Tritt er in Massen auf, kann er aber<br />
zum Lästling werden. Aus den USA gibt es Hinweise,<br />
dass Reste von Käfern und Larven in der<br />
Maische den Geschmack des erzeugten Weins negativ<br />
verändern können.<br />
Es gibt Schädlinge, die selbständig aus wärmeren<br />
Regionen nach Baden-Württemberg einwandern.<br />
Sie stammen entweder aus dem Mittelmeerraum<br />
wie die Zitronenblattlaus (Aphis spiraecola) (= A.<br />
citricola), die Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis<br />
pentagona), der Schnellkäfer (Agriotes sordidus), der<br />
Dickmaulrüsselkäfer Otiorhynchus apenninus (= O.<br />
salicicola) und viele Wanderfalter wie Autographa<br />
gamma (Gamma-Eule) und Helicoverpa armigera<br />
(Baumwollkapselwurm). Es gibt aber auch Schädlinge,<br />
die wie Otiorhynchus smreczynskii und die<br />
Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella)<br />
aus dem östlichen und südöstlichen Europa zugewandert<br />
sind. Bei einigen Arten wie der Zypressen-Blattlaus<br />
(Cinara cupressivora), die im Jahr<br />
2007 und teilweise auch im Jahr 2008 Schäden an<br />
Thuja und anderen Zypressengewächsen anrichtete<br />
(ALBERT und ZÜHLKE 2009), ist die ursprüngliche<br />
Herkunft nicht eindeutig belegt. In Ostafrika<br />
hat sie in den letzten 20 Jahren verheerende Schäden<br />
in Zypressenwäldern angerichtet. Sie wird zu<br />
den weltweit 100 schädlichsten Neozoen gerechnet.<br />
Bisher war die Walnussfruchtfliege (Rhagoletis<br />
completa) nur im Rheingraben bekannt. Sie ist von<br />
Süden (Schweiz und/oder Frankreich) herkommend<br />
im Rheingraben bis Mannheim und in die<br />
Gegend von Heidelberg vorgedrungen. 2012 wurde<br />
ein sehr starker Befall auch in Heilbronn-Horkheim<br />
an den Neckar - Kan<strong>als</strong>chleusen gefunden.<br />
Aufgrund dieses starken Befalls ist ein Erstbefall<br />
bereits im Jahr 2011 oder früher mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
anzunehmen. Sie legt ihre Eier in<br />
die grüne Fruchthülle (Exokarp) von Walnüssen<br />
ab. Ihre Larven leben dann in der Fruchthülle.<br />
Dies führt zu einer Schwarzverfärbung der<br />
Fruchthülle. Sie löst sich später schlecht von der<br />
Nuss, die dann unschöne schwarze Stellen aufweist.<br />
Nur mit dem Hochdruckreiniger können<br />
die Nüsse von anhaftenden Schalen und den<br />
schwarzen Flecken gesäubert werden. Gereinigte,<br />
ehem<strong>als</strong> befallene Früchte sind nicht lange lagerfähig,<br />
da sie ab ca. 3 Monate nach der Ernte beginnen,<br />
bitter zu schmecken. Auch sind sie nach Erkenntnissen<br />
aus Südbaden nicht keimfähig. Es<br />
können aufgrund von nachfolgendem Pilz- oder<br />
Bakterienbefall auch Fäulniserreger in die Nuss<br />
eindringen. Solche Nüsse sind nicht mehr zu vermarkten.<br />
Die Walnussfruchtfliege wurde vor einigen<br />
Jahren aus den USA nach Italien verschleppt<br />
und dort 1986 entdeckt. Eine effektive Bekämpfungsmöglichkeit<br />
der Fruchtfliege wird zur Zeit<br />
erprobt.<br />
Die Amerikanische Kirschfruchtfliege (Rhagoletis<br />
cingulata) wurde erstm<strong>als</strong> in Süddeutschland im<br />
Jahr 2003 in der Gegend von Bingen/Mainz in<br />
größeren Zahlen nachgewiesen. Mittlerweile ist sie<br />
in vielen Anbaugebieten in Deutschland gefunden<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
59
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Maulbeerschildlaus<br />
(Pseudaulacaspis pentagona)<br />
Die Dickmaulrüsselkäfer (Otiorhynchus smreczynskii,<br />
O. crataegi, O. armadillo und O. salicicola) findet<br />
man häufiger an Neupflanzungen, was auf einen<br />
Transport mit Pflanzenmaterial hinweist. O. salicicola<br />
wurde z.B. in den vergangenen Jahren in Heilbronn,<br />
Leingarten und Neckarsulm gefunden.<br />
Einmal etabliert, verbreiten sie sich innerhalb der<br />
Wohngebiete ohne menschliche Hilfe weiter. Der<br />
Befall wird häufig mit dem des Gefurchten Dickmaulrüsselkäfers<br />
(O. sulcatus) verwechselt. O.<br />
apenninus konnte nur einmal auf Kirschlorbeer in<br />
Öhrigen nachgewiesen werden. O. apenninus ist polyphag<br />
und befällt Gattungen und Arten wie Thuja,<br />
Prunus laurocerasus, Cotoneaster, Rubus, Rosa, Fragaria,<br />
Pyracantha, Geranium, Cornus, Cornus mas, Hedera,<br />
Ilex aquifolium, Euonymus, Rhododendron, Viburworden<br />
(DAHLBENDER 2006). Der Flugbeginn liegt<br />
ca. 4 Wochen später <strong>als</strong> der der Europäischen<br />
Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi), ihr Flughöhepunkt<br />
aber nur etwa zwei Wochen. Die Amerikanische<br />
Kirschfruchtfliege belegt bisher von der<br />
einheimischen Kirschfruchtfliege verschonte,<br />
späte Süßkirschensorten mit ihren Eiern. Außerdem<br />
befällt sie in geringem Umfang Sauerkirschen,<br />
die bisher ebenfalls von der Europäischen<br />
Kirschfruchtfliege weitgehend gemieden wurden.<br />
Auch Pfirsich und Pflaume verschmäht sie nicht.<br />
Bisher trat sie in Baden-Württemberg nur in geringerem<br />
Umfang in Erscheinung (DAHLBENDER<br />
2006).<br />
Die Zitronenblattlaus (Aphis spiraecola) tritt seit<br />
2001 im Apfelanbau in Baden-Württemberg schädigend<br />
auf. Die Blattlaus ist resistent gegen viele<br />
Pflanzenschutzmittel und deshalb chemisch nur<br />
schwer zu bekämpfen. Bei hoher Befallsdichte<br />
wird sie deshalb im Apfelanbau zu einem Problem.<br />
Sie befällt außerdem weitere Rosaceae wie<br />
Birnen und Zwetschgen und ist auch auf vielen<br />
Wild- und Ziergehölzen wie Spierstaude, Weiß-<br />
dorn, Schwarzdorn, Steinmispeln und Glanzmispel<br />
(Photinia fraseri) zu finden. Nach Angaben von<br />
Obstbauern wird sie effektiv vom Asiatischen<br />
Marienkäfer (Harmonia axyridis) unter Kontrolle<br />
gehalten.<br />
Die Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis pentagona),<br />
eine Deckelschildlaus, ist im Rheintal von Süden<br />
nach Norden gewandert und tritt auch in den<br />
wärmeren Regionen Württembergs auf. Sie besiedelt<br />
besonders Beerenobst, Pfirsich, Flieder sowie<br />
den Gewöhnlichen Trompetenbaum (Catalpa bignonioides).<br />
Sie infiziert diese Pflanzen in Baden-<br />
Württemberg seit 1985. Auch sie ist mit breitwirksamen<br />
Insektiziden kaum zu bekämpfen. Im<br />
Haus- und Kleingarten sollte sie im Frühjahr und<br />
Frühsommer mit dem Hochdruckreiniger vorsichtig<br />
von den Bäumen gewaschen werden. Eine<br />
Anwendung von Mineralöl- oder Rapsöl-Präparaten<br />
im Herbst reduziert den Befall zusätzlich.<br />
Der Schnellkäfer (Agriotes sordidus) wurde bis<br />
2006 im Rheintal nur in wenigen Exemplaren gefunden.<br />
In der Nähe von Breisach und Freiburg<br />
am Oberrhein und auch weiter nördlich verursachen<br />
seine Larven, die Drahtwürmer, in Zwiebelbeständen,<br />
im Kartoffelanbau, auf Wiesen und in<br />
Getreideschlägen wie Mais und Winterweizen seit<br />
2006 örtlich starke Schäden. Im Bereich der geschädigten<br />
Kulturen wurden die Käfermännchen<br />
zu Hunderten in spezielle Pheromonfallen gelockt<br />
(SCHNELLER und ALBERT 2010). In Italien und teilweise<br />
auch in Südfrankreich ist das Tier einer der<br />
Hauptschädlinge in vielen Kulturen. Insgesamt<br />
nehmen die Schäden an Kulturpflanzen wie Kartoffel,<br />
Zwiebel und Lauch durch Drahtwurmbefall<br />
in Baden-Württemberg deutlich zu. Eine Bekämpfung<br />
der Drahtwürmer in Getreide und Mais<br />
ist aufgrund eines Beizverbotes der Saaten zurzeit<br />
nicht möglich.<br />
60 Landinfo 4 | 2013
Pflanzen- und Tierproduktion<br />
Wohnungen ein. Normalerweise überwintern sie<br />
unter abgelöster Rinde und in Ritzen in Baumnähe.<br />
Die orange-roten Larven sind besonders auffällig.<br />
Seit spätestens 2009 ist sie auch im württembergischen<br />
Landesteil heimisch.<br />
Schnellkäferr<br />
(Agriotes<br />
sordidus)<br />
num, Syringa, Ligustrum, Callicarpa bodinieri, Dahlia<br />
und Danae. Die Wirtspalette des mit 0,5 bis 1,0 cm<br />
recht kleinen O. smreczynskii ist noch umfangreicher,<br />
bevorzugt werden aber Liguster und Flieder.<br />
O. crataegi findet man an Thuja-, Ligustrum-, Lonicera-<br />
und Cotoneaster-Arten. O. armadillo konnte<br />
mehrfach im nördlichen Württemberg und in der<br />
Rheinebene gefunden werden.<br />
Der Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera)<br />
ist ein sehr polyphager Wanderfalter. Er nutzt 170<br />
Pflanzenarten <strong>als</strong> Nahrungspflanzen und erscheint<br />
regelmäßig in größeren Zahlen Ende Juli/<br />
Anfang August in Baden-Württemberg. Bisher<br />
wurde hier keine Überwinterung festgestellt. Im<br />
warmen Frühjahr 2007 zeigten sich die ersten Falter<br />
schon im April. Wegen des frühen Erscheinens<br />
der Falter traten in dem Jahr Schäden verstärkt auf.<br />
Die Raupen des Falters bevorzugen in Deutschland<br />
hauptsächlich Mais, Rosen, Süßmais, Tabak<br />
und Tomaten. Sie fressen an den Blättern, Samen<br />
oder höhlen die Früchte und Blüten aus, sodass sie<br />
nicht mehr verkauft werden können. Es wurden<br />
auch schon Raupen auf Importkräutern aus Italien<br />
unabsichtlich nach Deutschland verbracht.<br />
Die Malven- oder Lindenwanze (Oxycarenus lavaterae)<br />
tritt an Linden und Malven in vielen wärmeren<br />
Gebieten in Baden-Württemberg auf. Sie hat<br />
eine ursprünglich westmediterrane Verbreitung.<br />
Die Wanze, die eigentlich kein Schädling ist, trat<br />
2004 in Lörrach, Grenzach-Whylen und Weil am<br />
Rhein erstm<strong>als</strong> auf (BILLEN 2004). Genau wie die<br />
Platanengitterwanze Corythucha ciliata kam die<br />
Wanze über die Schweiz nach Deutschland (HOF-<br />
MANN 2002, 2003). Sie saugt an allen Organen der<br />
Malve und an Blättern, unverholzten Trieben und<br />
unreifen Samen der Linde. Wegen ihrer starken<br />
Vermehrung (mittlere Eizahl der Weibchen ca.<br />
290 Eier) und ihres Aggregationsverhaltens<br />
abends sowie besonders im Frühjahr und Herbst<br />
ist sie ein sehr auffälliges Tier. Die Tiere treffen<br />
sich dann zu Tausenden auf den Stämmen der<br />
Linden und dringen zur Überwinterung auch in<br />
Schon 10 Jahre früher wurde in Heilbronn die<br />
Platanenwanze (Arocatus longiceps) gefunden. Sie<br />
ist ebenfalls kein Schädling, erschreckt aber bei<br />
Massenauftreten auf den Stämmen die Bevölkerung<br />
und dringt ebenfalls in Häuser ein. Sie hat<br />
sich mittlerweile in vielen Ländern in Deutschland<br />
etabliert. Sie wird häufig mit der verwandten einheimischen<br />
Art Arocatus roeseli verwechselt.<br />
Beurteilung der Invasionen<br />
Die Liste der invasiven Arten ließe sich noch beliebig<br />
fortführen. Dass die vorgestellten „neuen“<br />
Schädlinge nur die sichtbare Spitze des Eisbergs<br />
sind, wird in einem weiteren Beitrag in der Landinfo<br />
dargestellt. Es wurden hier nur wenige Beispiele<br />
für die zunehmende Besiedlung Baden-<br />
Württembergs durch invasive Insekten- und Milben-Arten<br />
aufgeführt. Es handelt sich natürlich<br />
nicht nur um ein baden-württembergisches Problem.<br />
Beobachten wir gerade einen natürlichen<br />
Vorgang, nämlich die kontinuierliche Wiederbesiedlung<br />
Mitteleuropas nach der Klimakatastrophe<br />
der letzten Eiszeit oder ist die Insektenproblematik<br />
(inklusive Milbenproblematik) ein neuartiges<br />
Phänomen? Ist es ausschließlich auf den internationalen<br />
Warenaustausch oder die<br />
mittlerweile allseits anerkannte globale Erwärmung<br />
zurückzuführen? Man kann wohl annehmen,<br />
dass es von allem etwas ist. Ein deutlicher<br />
Hinweis auf den Anteil der globalen Erwärmung<br />
<strong>als</strong> wichtigste Ursache ist, dass auch schon lange<br />
in Baden-Württemberg etablierte Schädlinge wie<br />
der Maiszünsler, der Apfelwickler und andere<br />
Wicklerarten im Obstbau sowie verschiedene Tagfalter<br />
mit veränderter Biologie den sich ändernden<br />
Umweltbedingungen Rechnung tragen. Sie werden<br />
immer früher im Jahr aktiv, breiten sich weiter<br />
aus und durchlaufen wie der Maiszünsler und einige<br />
Tagfalterarten in einzelnen Gebieten sogar<br />
zusätzliche Generationen im Jahr. Die Schäden an<br />
landwirtschaftlichen Kulturen können sich dadurch<br />
deutlich verstärken.<br />
Hinweis<br />
Das Literaturverzeichnis ist beim Autor<br />
erhältlich. •<br />
Dr. Reinhard Albert<br />
Asperg<br />
Tel. 07141/ 65410<br />
reinhard.dr.albert@gmail.<br />
com<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
61
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Dr. Henriette Gruber, Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer<br />
Mit „Bacchus“ gegen Rebkrankheiten<br />
und für nachhaltigen Weinbau<br />
Im Interreg-Projekt „Bacchus“ kooperieren 13 Forschungseinrichtungen aus drei Ländern<br />
Der Winzer ist in seiner Arbeit stark von der Natur abhängig. Die klimatischen Bedingungen im<br />
Weinjahr 2012 am Oberrhein förderten die Pilzkrankheit Peronospora, gegen die der Winzer allerdings<br />
vorgehen kann. Dabei dämmt man die Krankheitssymptome ein, ohne jedoch die Wirkungsweise der<br />
Krankheitserreger in der Pflanze genauer zu kennen. Seit Jahren gibt es auf beiden Seiten des Rheins<br />
eine wissenschaftlich anspruchsvolle Grundlagen-Forschung zur Biologie dieser Rebkrankheit. Dieses<br />
Wissen über die Lebensweise des Krankheitserregers bietet die Möglichkeit, innovative Verfahren zur<br />
nachhaltigen Bekämpfung der Krankheit zu entwickeln.<br />
Die Abbildung zeigt die<br />
„Bacchus“-Partner<br />
Dr. Henriette Gruber<br />
WBI Freiburg<br />
Tel. 0761/ 40165172<br />
henriette.gruber@wbi.<br />
bwl.de<br />
Die Kompetenz von 13 Forschungseinrichtungen<br />
aus dem Elsass, der Nordschweiz, Rheinland-Pfalz<br />
und aus Baden wurde im INTERREG-<br />
Projekt ‚Bacchus‘ gebündelt.<br />
Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer und Projektkoordinatorin<br />
Dr. Henriette Gruber vom Staatlichen<br />
Weinbauinstitut (Abteilung Biologie) in Freiburg<br />
koordinieren die Forschungsvorhaben und<br />
fügen die erzielten Forschungsergebnisse zusammen.<br />
Den Forscherinnen und Forschern stehen<br />
3.088.190,00 € bis Dezember 2014 zur Verfügung,<br />
die Hälfte der Summe stammt dabei aus<br />
Fördermitteln des INTERREG IV Programms.<br />
Neben dem f<strong>als</strong>chen Mehltau, der durch die Algenpilzart<br />
Plasmopara viticola hervorgerufen wird,<br />
stehen die pilzlichen Holzkrankheiten wie Esca<br />
oder die virusverursachte Reisigkrankheit im Mittelpunkt<br />
der grenzüberschreitenden Kooperation.<br />
Gegen manche dieser Krankheitserreger gibt es<br />
keine Pflanzenschutzmittel, allerdings weisen bestimmte<br />
Wildrebenarten Resistenzen auf. Könnte<br />
man diese identifizieren und sich zunutze machen?<br />
Was passiert genau in den frühen Stadien<br />
der Infektion und wie könnte man die natürlichen<br />
Resistenzen aktivieren?<br />
„Bacchus soll“, so Projektkoordinatorin Dr. Gruber,<br />
„den Kontakt zwischen den Forschungseinrichtungen<br />
und der Bevölkerung fördern und dabei<br />
ganz konkrete Ergebnisse für die praktische<br />
Arbeit im Weinberg liefern!“ Eine homepage wird<br />
aktuell über den Stand der Forschung Auskunft<br />
geben. Diese wird mit 3 unterschiedlichen Navigationen<br />
ausgestattet sein und gezielt interessierte<br />
Weinkenner, Weinbaupraktiker und Wissenschaftler<br />
ansprechen. Ebenfalls werden hochwertige<br />
Bacchus-Panoramapostkarten auf das Projekt<br />
aufmerksam machen. Die Postkarten geben ungewohnte<br />
Einblicke mit Darstellungen aus der Nano-Welt<br />
der Elektronenmikroskopie, der Mikro-<br />
Welt der Fluoreszenzmikroskopie und der Makro-<br />
Welt der Fotografie.•<br />
62 Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Finanzielle Partner der Einrichtung<br />
Albert-Ludwigs-Universität,<br />
Institut für Biologie (Freiburg),<br />
CNRS - Institut de Biologie Moléculaire des Plantes<br />
(Strasbourg),<br />
Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz,<br />
Abteilung<br />
Phytomedizin (Neustadt a. d. W.),<br />
INRA, UMR 1131 Santé de la Vigne et Qualité du Vin (Colmar),<br />
Julius-Kühn-Institut, Institut für Rebenzüchtung (Siebeldingen),<br />
Karlsruher Institut für Technologie,<br />
Botanisches Institut,<br />
Université de Haute-Alsace, Laboratoire Vigne<br />
Biotechnologies et Environnement (Colmar),<br />
Staatliches Weinbauinstitut, Abt. Biologie (Freiburg)<br />
Weitere beteiligte<br />
Partner<br />
Forschungsanstalt Agroscope<br />
Changins-<br />
Wädenswil,<br />
Forschungsinstitut für<br />
biologischen Landbau (Frick),<br />
Institut Français de la<br />
vigne et du vin (Colmar),<br />
Regierungspräsidium Freiburg,<br />
Zentrum für Mikroskopie der<br />
Universität Basel<br />
Prof. Dr. Hanns-Heinz<br />
Kassemeyer<br />
WBI Freiburg<br />
Tel. 0761/ 40165172<br />
Hanns-Heinz.<br />
Kassemeyer@wbi.bwl.de<br />
Jan Hinrichs-Berger<br />
Zum Auftreten einer „neuen“<br />
Blattfallkrankheit (Marssonina coronaria)<br />
an Apfel in Baden-Württemberg<br />
Im September 2010 kam es in Baden-Württemberg zu einem vorzeitigen<br />
Blattfall von Apfelbäumen in einer biologisch bewirtschafteten Anlage. Die<br />
Bäume waren fast entlaubt, nur die makellosen Früchte hingen noch am<br />
Baum (Abb. 1).<br />
Ein Jahr später war das Schadbild deutlich weiter<br />
verbreitet und trat in verschiedenen Landesteilen<br />
(Heilbronn, Bodensee, Neckarraum)<br />
Baden-Württembergs auf. Betroffen waren vor<br />
allen Dingen Bio-Betriebe, darüber hinaus aber<br />
auch integriert wirtschaftende Betriebe mit einem<br />
reduzierten Fungizideinsatz sowie Streuobst-Bäume<br />
(siehe Abb. 2).<br />
Um die Bedeutung und Verbreitung des Pilzes<br />
besser beurteilen zu können, hat sich das <strong>Landwirtschaft</strong>liche<br />
Technologiezentrum Augustenberg<br />
(LTZ) im Rahmen der Überwachung von<br />
Schaderregern in Baden-Württemberg entschlossen,<br />
im Jahr 2012 ein sogenanntes Monitoring<br />
durchzuführen. Dafür wurde im Heft 8/2012 der<br />
Zeitschrift „Obst & Garten“ um die Einsendung<br />
von Apfel-Blattproben gebeten, die vorzeitig vom<br />
Baum heruntergefallen waren und charakteristische<br />
Symptome aufgewiesen.<br />
Symptome<br />
Die Krankheit beginnt meist nach längeren Regenperioden<br />
im Sommer mit grau-schwarzen, diffusen<br />
Flecken auf der Oberseite voll entwickelter<br />
Blätter (Abb. 3). Die Flecken laufen später zusammen,<br />
und größere Blattbereiche färben sich chlorotisch<br />
(Abb. 4). Alternativ kommt es zu einer<br />
Abbildung. 1<br />
Bäume mit starkem Blattfall<br />
Foto: K. Hinzmann, Beratungsdienst<br />
Ökologischer Obstbau, Weinsberg<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
63
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Abbildung 2<br />
Starke Befall bei Baum aus<br />
Streuobstwiese<br />
Abbildung 3<br />
Diffuse, schwarz-graue<br />
Flecken blattoberseits <strong>als</strong><br />
erste Symptome eines<br />
Marssonina coronaria Befalls<br />
Abbildung 4<br />
Zusammenlaufende,<br />
schwarze Flecken in<br />
chlorotischen Blattbereichen<br />
<strong>als</strong> Folgesymptome eines<br />
Marssonina coronaria Befalls<br />
Abbildung 5<br />
Nekrotische Blattsprenkelung<br />
mit rot violettem Rand vor<br />
allem auf der Blattoberseite<br />
nach einem Marssonina<br />
coronaria-Befall<br />
nekrotischen Sprenkelung des Blattes (Abb. 5),<br />
wobei die einzelnen kleinen Nekrosen von einem<br />
rot-violetten Rand umgeben sind. Auch diese<br />
Blattsprenkel können später zusammenlaufen. In<br />
jedem Fall sind die nekrotischen Flecken blattoberseits<br />
deutlich stärker ausgeprägt <strong>als</strong> blattunterseits<br />
(Abb. 5). Im Bereich der Blattnekrosen<br />
brechen blattoberseits durch die Cuticula kleine,<br />
runde bis ovale, schwarze Fruchtkörper (Acervuli;<br />
Abb. 6). Wenn etwa die Hälfte der Blattfläche verbräunt<br />
ist, was bereits zwei Wochen nach dem<br />
Auftreten der ersten Symptome sein kann, kommt<br />
es zum Blattfall. Bei der Auslagerung wurden im<br />
Frühjahr 2013 an Einzelfrüchten eingesunkene,<br />
runde (bis 1 cm Durchmesser), schwarze Flecken<br />
mit sporulierenden Acervuli gefunden (Abb. 7).<br />
64 Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Abbildung 6<br />
runde bis ovale Fruchtkörper<br />
(Acervuli) blattoberseits, oft<br />
in Ketten aneinandergereit<br />
Abbildung 7<br />
Fruchtnekrose mit Acervuli<br />
Zu einem Fruchtbefall kommt es nach Literaturangaben<br />
nur bei starkem Blattbefall. Die in den<br />
Acervuli gebildeten Konidien sind zweizellig und<br />
haben eine mittlere Größe von 20 x 8 μm. Die<br />
Zellen sind mit kleinen Öltröpfchen gefüllt. Die<br />
gemeinsame Zellwand (Septum) liegt meist nicht<br />
genau in der Mitte und die äußere Zellwand ist in<br />
diesem Bereich eingeschnürt (Abb. 8). Gegen Ende<br />
der Vegetationsperiode werden neben diesen<br />
Konidien zusätzlich zahlreiche, kleine, längliche<br />
(4-8 x 1-3 μm), einzellige, hyaline Spermatien (Mikrokonidien)<br />
gebildet, die vermutlich für die weitere<br />
sexuelle Entwicklung des Pilzes erforderlich<br />
sind (Abb. 9). Der Pilz wurde <strong>als</strong> Art Marssonina<br />
coronaria (ELLIS & J. J. DAVIS) J. J. Davis mit der<br />
Hauptfruchtform Diplocarpon mali Harada & Sawamura<br />
identifiziert.<br />
Epidemiologie<br />
Marssonina coronaria überwintert, wie auch die<br />
Marssonina-Blattfleckenkrankheit der Walnuss,<br />
im Falllaub. Zum Zeitpunkt der Apfelblüte werden<br />
nach Literaturangaben erste Ascosporen gefunden,<br />
die auf Apothecien (sexuelle Fruchtkörper)<br />
im Falllaub gebildet wurden. Sowohl die Ascosporen<br />
<strong>als</strong> auch die Konidien infizieren vor allem<br />
voll entwickelte Blätter. Für die Infektion<br />
scheinen eine relativ lange Blattnässedauer und<br />
recht hohe Temperaturen (20 - 25 °C) erforderlich<br />
zu sein. Der Befall wird somit durch subtropische<br />
Bedingungen, wie sie im Zuge des Klimawandels<br />
künftig zu erwarten sind, begünstigt. Als Wirtspflanze<br />
wurde bisher nur die Gattung Malus beschrieben.<br />
Eine stärkere Verbreitung hat der Pilz<br />
offensichtlich im asiatischen Bereich (Indien, China,<br />
Korea, Japan). Für Europa wurde 2003 ein<br />
erstes Krankheitsauftreten in Italien berichtet.<br />
Verbreitung<br />
Bis Ende Oktober 2012 hat das LTZ im Rahmen<br />
des Leseraufrufs 72 Probeneinsendungen erhalten.<br />
Davon kamen 10 Einsendungen außerhalb<br />
von Baden-Württemberg. Außer Blättern von Apfel<br />
wurden auch Birnen-, Quitten- und Zwetsch-<br />
Abbildung 8<br />
Konidien von Marssonina<br />
coronaria<br />
Abbildung 9<br />
Aus Acervulus ausgetretene<br />
Konidien und Spermatien<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
65
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Abbildung 10<br />
Verbreitungsgebiet von<br />
Marssonina coronaria in<br />
Baden-Württemberg auf<br />
Landkreisebene. Die<br />
Landkreise, in denen der<br />
Schaderreger an wenigstens<br />
einer Probe nachgewiesen<br />
wurde, sind rot eingefärbt.<br />
Die Angaben in Klammern<br />
unter den Kreisnamen<br />
geben die Anzahl befallener<br />
Proben und die Anzahl<br />
untersuchter Proben an. Aus<br />
grün gefärbten Landkreisen<br />
wurden Proben eingesandt,<br />
an denen M. coronaria nicht<br />
nachweisbar war. Kreise,<br />
aus denen keine Proben zur<br />
Untersuchung kamen, sind<br />
weiß dargestellt.<br />
Betrachtet man das Auftreten von M. coronaria in<br />
Abhängigkeit von der Anbauintensität (Abb. 11),<br />
so fällt auf, dass über 85 % der Einsendungen, in<br />
denen der Schaderreger nachgewiesen worden ist,<br />
aus Haus- und Kleingärten sowie von Streuobstwiesen<br />
kamen. Dort stehen mutmaßlich vor allem<br />
Bäume, an denen kein gezielter Pflanzenschutz<br />
durchgeführt wurde. In biologisch bzw. integriert<br />
bewirtschafteten Anlagen scheint der Schaderreger<br />
hingegen zumindest derzeit keine größeren<br />
Probleme zu bereiten. Das deckt sich mit den Begenblätter<br />
eingesandt, die ebenfalls vorzeitig vom<br />
Baum gefallen waren und verdächtige Symptome<br />
aufwiesen (Abb. 1-6).<br />
Von den zehn Einsendungen außerhalb von Baden-Württemberg<br />
war M. coronaria in einer Apfelblattprobe<br />
aus Hessen (Lahn-Dill-Kreis) nachweisbar.<br />
Hingegen war dieser Schaderreger nicht<br />
an den eingesandten Blättern von Birne, Quitte<br />
und Zwetschge zu identifizieren.<br />
Insgesamt trat der Erreger der Blattfallkrankheit<br />
an 37 von den eingesandten 72 Proben auf. In<br />
Abbildung 10 sind die Landkreise rot eingefärbt,<br />
in denen M. coronaria nachgewiesen wurde. Leider<br />
hat das LTZ aus vielen Landkreisen keine Proben<br />
erhalten, sodass die Verbreitungskarte noch einige<br />
Lücken aufweist. Auch wenn der Schaderreger<br />
bislang vor allem im Westen<br />
und Südwesten bzw. Osten und Südosten<br />
gefunden wurde, ist mit einer flächendeckenden<br />
Verbreitung des Pilzes<br />
im Lande zu rechnen.<br />
Wenn der Blattfall nicht auf eine Infektion<br />
mit M. coronaria zurückzuführen<br />
war, ließ er sich in den allermeisten Fällen<br />
auf eine starke Besiedlung mit<br />
Spinnmilben oder einen Befall mit pilzlichen<br />
Schaderregern aus den Gattungen<br />
Alternaria, Phyllosticta, Diplodia und/<br />
oder Venturia (Schorf) zurückführen.<br />
M. coronaria trat an einem breiten Sortenspektrum<br />
auf. So war der Pilz im<br />
Rahmen dieses kleinen Monitorings an<br />
20 verschiedenen Apfelsorten nachweisbar.<br />
Darüber hinaus sind in der<br />
Literatur weitere bedeutende Sorten<br />
beschrieben, an denen er ebenfalls zu<br />
Schäden führt (Tab. 1). Außerdem wurde<br />
der Schaderreger auch an einer nicht<br />
näher bestimmten Wildapfel-Form diagnostiziert,<br />
die in einer Hecke neben einer stark<br />
befallenen Anlage stand. Aus der Literatur sind<br />
derzeit fünf Sorten bekannt, die nicht befallen<br />
werden sollen. Darunter befindet sich <strong>als</strong> bekannte<br />
Sorte „Granny Smith“.<br />
In Baden-Württemberg betroffene Sorten<br />
Weltweit betroffene Sorten<br />
Tabelle 1<br />
Von einem Marssonina-Befall<br />
betroffene Apfelsorten<br />
Berlepsch, Brettacher, Cox Orange, Florina,<br />
Gewürzluiken, Gloster, Golden Delicious,<br />
Gravensteiner, Hilde, Jakob Fischer,<br />
James Grieve, Jonagold, Melrose,<br />
Oberländer, Reglindis, Rewena, Rubinola,<br />
Schöner von Boskoop, Topaz<br />
Braeburn, Dalinbel, Fuji, Hana, Jonagored<br />
66 Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
3<br />
8<br />
3<br />
24<br />
16<br />
38<br />
Abbildung 11<br />
Auftreten [%] von Marssonina<br />
coronaria in Abhängigkeit<br />
von der Anbauintensität<br />
62<br />
Kleingarten<br />
Streuobst<br />
Bio-Anlage<br />
integrierte Anlage<br />
keine Angaben<br />
30<br />
8<br />
2012<br />
2011<br />
2010<br />
vor 2010<br />
keine Angaben<br />
8<br />
Abbildung 12<br />
Erstauftreten [%] von allen 37<br />
im Rahmen des Monitorings<br />
nachgewiesenen Vorkommen<br />
von Marssonina coronaria in<br />
Abhängigkeit vom Jahr<br />
obachtungen von Obstbauberatern in Baden-<br />
Württemberg. Somit hatten wahrscheinlich die<br />
Fungizide (z. B. zur Schorfbekämpfung), die in<br />
den biologisch beziehungsweise integriert bewirtschafteten<br />
Anlagen eingesetzt worden waren, eine<br />
gute Nebenwirkung gegen M. coronaria.<br />
Bei der Befragung, wann der durch den Marssonina-Befall<br />
ausgelöste, vorzeitige Blattfall erstmalig<br />
beobachtet wurde, gaben 30 % der Einsender an,<br />
dass der Blattfall schon vor 2010 beobachtet worden<br />
ist (Abb. 12). In knapp 40 % der Fälle wurde<br />
diese Krankheitserscheinung jedoch im Jahr 2012<br />
erstmalig registriert. Aufgrund dieser Beobachtungen<br />
ist davon auszugehen, dass der Schaderreger<br />
in Baden-Württemberg nicht „neu“, sondern<br />
wahrscheinlich schon länger etabliert ist. Die starke<br />
Zunahme des Auftretens im Jahr 2012 mag mit<br />
den Witterungsbedingungen zu tun haben. So gilt<br />
der Pilz <strong>als</strong> wärme- und feuchtigkeitsliebend. Die<br />
Sommer 2010, 2011 und 2012 waren durch relativ<br />
warme Temperaturen und durch viele Niederschläge<br />
mit entsprechend langen Blattnässedauern<br />
charakterisiert. Das kann die Schadensentwicklung<br />
begünstigt haben. Somit bleibt zu hoffen,<br />
dass in Jahren mit kühlen und/oder trockenen<br />
Sommern das Schadauftreten wieder zurückgeht.<br />
Bekämpfung<br />
Durch den vorzeitigen Blattfall werden die Früchte<br />
und, was noch viel problematischer ist, die für<br />
den Austrieb im nächsten Jahr sich entwickelnden<br />
Knospen nicht ausreichend mit Assimilaten versorgt.<br />
Damit sind Blüte und Fruchtansatz im<br />
nächsten Jahr in Gefahr. Es gilt <strong>als</strong>o durch eine<br />
Bekämpfung des Schadpilzes einen vorzeitigen<br />
Blattfall zu verhindern.<br />
In jedem Fall ist es sinnvoll das Falllaub, in dem<br />
der Pilz die Vegetationsruhe überdauert, bis zum<br />
Austrieb der Bäume zu entfernen. Durch Ausschneiden<br />
ist darüber hinaus für eine bessere<br />
Durchlüftung des Baumes zu sorgen. Bei einem<br />
beginnenden Befall sollte man daran denken, den<br />
Schorf mit geeigneten Fungiziden zu bekämpfen,<br />
um auf diese Weise auch die Marssonina-Blattfallkrankheit<br />
in den Griff zu bekommen. Langfristig<br />
sollte man an die Resistenzzüchtung denken.<br />
Fazit<br />
Möglicherweise im Zuge des Klimawandels ist in<br />
den letzten Jahren mit Marssonina coronaria ein<br />
„neuer“ Krankheitserreger im Apfelanbau Süddeutschlands<br />
aufgetreten. Diesen Schaderreger<br />
gilt es in den nächsten Jahren im Auge zu behalten,<br />
um etwaigen Verlusten vorbeugen zu können.<br />
Dank<br />
Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen Frau<br />
Gabriele Müller und Frau Sara Brüstle für die exzellente<br />
technische Assistenz. Ein herzlicher Dank<br />
gilt weiterhin Frau Anne Bohr vom Ökologischen<br />
Versuchswesen des Kompetenzzentrums für<br />
Obstbau Bodensee in Ravensburg-Bavendorf für<br />
die Bereitstellung von umfangreichen Probenmaterial<br />
und Frau Katja Hinzmann vom Beratungsdienst<br />
Ökologischer Obstbau in Weinsberg für<br />
Blattproben und Fotos. •<br />
Jan Hinrichs-Berger<br />
LTZ Augustenberg<br />
Tel. 0721/ 9468-428<br />
Jan.Hinrichs-Berger@ltz.<br />
bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
67
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Salatanbau auf der Insel<br />
Reichenau<br />
Bild: S. Mezger<br />
Christoph Hintze<br />
Orientierungsdaten Gartenbau Baden-Württemberg 2013<br />
Die knapp 90 identischen Zierpflanzenbaubetriebe aus Baden-Württemberg erzielten im Jahr 2012<br />
im dreijährigen Vergleich einen durchschnittlichen Gewinn. Sowohl die betrieblichen Umsätze <strong>als</strong><br />
auch die Aufwändungen stiegen in etwa gleichem Maße.<br />
Zierpflanzenbau Indirekter Absatz<br />
Der Gewinn der 38 ausgewerteten indirekt absetzenden<br />
Zierpflanzenbaubetriebe fiel<br />
durchgegenüber dem Jahr 2011 deutlich ab.<br />
Hauptgrund sind die bei nur leicht gestiegenen<br />
Umsätzen um sechs Prozentpunkte gestiegenen<br />
betrieblichen Aufwändungen. Bei für eine Familien-Arbeitskraft<br />
angenommenen 2.500 Arbeitsstunden<br />
pro Jahr kommen die Betriebe im Durchschnitt<br />
auf eine Entlohnung von etwas über 25,00<br />
Euro pro Arbeitsstunde. Nimmt man die 2012er<br />
Aufwändungen der 38 indirekt absetzenden Zierpflanzenbaubetriebe<br />
näher unter die Lupe, fällt<br />
gegenüber dem Vorjahr vor allem der pro qm<br />
Glasfläche um 14 Prozent deutliche gestiegene<br />
Aufwand für Heizmaterial auf. Während die<br />
Lohnaufwändungen pro qm um zwei Prozent zulegten,<br />
sank der Aufwand für Saat- und Pflanzgut<br />
pro qm um drei Prozent. Auffallend sind die über<br />
die vergangenen Jahre deutlich zurückgehenden<br />
Aufwändungen für Handelsware.<br />
Die Löhne sind für die produzierenden Zierpflanzenbaubetriebe<br />
der größte Aufwandsposten. Da-<br />
her müssen die Betriebe ihre durchschnittlich acht<br />
Arbeitskräfte produktiv einsetzen. Dies gelang in<br />
2012 weniger gut <strong>als</strong> im Vorjahr. Die Nettoarbeitsproduktivität<br />
erreichte trotz gestiegener Löhne<br />
nur einen Durchschnittswert und fiel geringer aus<br />
<strong>als</strong> im Vorjahr. Dies bewirkte die gegenüber 2012<br />
geringere, im dreijährigen Vergleich durchschnittliche<br />
Rentabilität. Erfreulicherweise sank der Anteil<br />
der Betriebe ohne Kapitalverzinsung (Reinertrag)<br />
auf 41%. Einen solch niedrigen Wert gab es<br />
zuletzt im Jahr 2007.<br />
Der Vergleich der Erfolgsgruppen zeigt, dass in<br />
den erfolgreichen Betriebe des ersten Drittels eine<br />
Arbeitskraft eine Glasfläche von etwas über 1.300<br />
qm bewirtschaftet, während dieser Wert in den<br />
Betrieben des dritten Drittels pro Arbeitskraft nur<br />
826 qm beträgt (Durchschnitt: aus 44 Betrieben<br />
knapp unter 1.000 qm).<br />
Die auf die qm Glasfläche bezogenen Aufwändungen<br />
für Saat- und Pflanzgut liegen bei den erfolgreichen<br />
Betriebe fast doppelt so hoch wie bei<br />
denen des dritten Drittels. Im ersten Drittel entfallen<br />
auf einem Quadratmeter Glasfläche sieb-<br />
68<br />
Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Merkmal<br />
1. Sturkturmerkmale<br />
Untersuchte Betriebe<br />
Betriebsfläche (ha)<br />
Glasfläche (Tsd qm)<br />
Arbeitskräfte<br />
2. Aufwandskennzahlen in<br />
% des Betriebsertrages<br />
Saat- und Pflanzgut<br />
Handelsware und Dienstl.<br />
Fahrzeugkosten, Afa, Reparat.<br />
Zierpflanzenbau<br />
indirekter<br />
Absatz<br />
44<br />
-<br />
8,61<br />
8,64<br />
19,6<br />
3,9<br />
7,6<br />
Gartenund<br />
Landschaftsbau<br />
Einzelhandelsgärtnerei<br />
41<br />
-<br />
2,59<br />
4,81<br />
15,3<br />
22,1<br />
7,4<br />
Gesamt<br />
Gemüsebau<br />
35<br />
19,96<br />
8,77<br />
17,15<br />
12,5<br />
6,5<br />
13,5<br />
Indirekter<br />
Absatz<br />
22<br />
25,57<br />
9,97<br />
23,89<br />
Teilt man die 41 ausgewerteten Zierpflanzenbaubetriebe<br />
mit direktem Absatz in Erfolgsgruppen,<br />
zeigen sich deutliche Größeneffekte, sowohl was<br />
die Glasflächen- <strong>als</strong> auch was die Arbeitskräfteausstattung<br />
angeht. Die Betriebsgrößen-Unter-<br />
Friedhofsgartenbau<br />
Handeslbetriebe<br />
direkter<br />
Absatz<br />
Baumschulen<br />
Lohnquote * 30,6 37,2 33,5 33,4 45,2 27,5 37,8 43,4<br />
Lohn je Fremd-AK (€)<br />
Heizkosten ((€/m 2 Glas)<br />
3. Erfolgskennzahlen<br />
Betriebsertrag (BE) 1.000 €<br />
BE je AK 1.000 €<br />
B.-einkommen je AK 1.000 €<br />
Gewinn in % des BE<br />
Reinertrag in % des BE<br />
22.388<br />
6,56<br />
754,6<br />
87,4<br />
28,1<br />
8,8<br />
1,6<br />
23.376<br />
6,49<br />
371,3<br />
77,2<br />
26,5<br />
11,2<br />
-2,9<br />
15.206<br />
4,83<br />
939,3<br />
54,7<br />
21,6<br />
12,3<br />
5,9<br />
13,2<br />
4,8<br />
13,7<br />
15.161<br />
5,13<br />
1.278,724<br />
53,5<br />
20,8<br />
10,6<br />
5,4<br />
30<br />
-<br />
-<br />
6,39<br />
1,6<br />
30,9<br />
7,5<br />
24.575<br />
-<br />
402,1<br />
63,0<br />
32,0<br />
16,5<br />
5,7<br />
* Lohnquote: Löhne, Gehälter und Lohnanspruch der Unternehmerfamilien in % des Betriebsertrages<br />
76<br />
-<br />
-<br />
6,41<br />
0,6<br />
51,5<br />
5,1<br />
26.558<br />
-<br />
-<br />
728,0<br />
113,6<br />
33,7<br />
7,9<br />
2,1<br />
29<br />
10,55<br />
1,24<br />
7,87<br />
14,1<br />
13,4<br />
8,9<br />
50<br />
-<br />
-<br />
9,55<br />
0,3<br />
27,2<br />
11,9<br />
26.660 29.855<br />
628,6<br />
79,9<br />
33,2<br />
12,6<br />
3,7<br />
717,8<br />
75,1<br />
35,5<br />
10,3<br />
3,8<br />
zehn Euro Lohnaufwand, während dieser Wert im<br />
dritten Drittel auf knapp 18,30 € steigt. Der Aufwand<br />
für Heizmaterial ist im ersten Drittel um<br />
nicht ganz einen Euro niedriger <strong>als</strong> im dritten<br />
Drittel.<br />
Pro Quadratmeter Glasfläche erwirtschaften die<br />
erfolgreichen Betriebe betriebliche Erlöse in Höhe<br />
von 104 Euro, während die weniger erfolgreichen<br />
gerade mal 68 Euro schaffen. Pro Arbeitskraft<br />
sind die Erlöse im ersten Drittel mit etwas<br />
unter 140.000 Euro deutlich mehr <strong>als</strong> doppelt so<br />
hoch <strong>als</strong> im dritten Drittel.<br />
Zierpflanzenbau Direkter Absatz<br />
Der Gewinn der 37 identischen Betriebe stieg gegenüber<br />
dem Jahr 2011 um etwas mehr <strong>als</strong> vierzehn<br />
Prozentpunkte. Bei für eine Familien-Arbeitskraft<br />
angenommenen 2.500 Arbeitsstunden<br />
pro Jahr kommen die Betriebe im Durchschnitt<br />
eine Entlohnung von knapp 17 Euro pro Arbeitsstunde.<br />
Ursache sind die mit etwas unter drei Prozentpunkten<br />
gegenüber den Aufwändungen stärker<br />
angestiegenen betrieblichen Erlöse.<br />
Schaut man sich die Aufwandspositionen näher<br />
an, fällt auf, daß sich die zwei vom Umfang her<br />
wichtigsten Posten gegenüber dem Vorjahr unterschiedlich<br />
entwickelten. Während für die Handelsware<br />
fünf Prozent weniger aufgewendet wurde,<br />
stiegen die Lohnaufwändungen um vier Prozent.<br />
Noch stärker stiegen die Posten Saat- und Pflanzgut<br />
(+ 9 %) und Heizmaterial (+ 11%). Dass sich<br />
der Gewinn dennoch positiv entwickelte, liegt an<br />
der großen Bedeutung der drei Aufwandspositionen<br />
Handelsware, Lohnaufwand und Saat- und<br />
Pflanzgut, die zusammen alleine fast 70 % des<br />
<strong>gesamte</strong>n betrieblichen Aufwands ausmachen.<br />
Während die Bruttoarbeitsproduktivität (Betriebsertrag<br />
pro AK) gegenüber dem Vorjahr um<br />
fast 4 Prozent zulegte, stieg der Nettowert (Betriebseinkommen<br />
pro AK) nur um etwas unter 1<br />
Prozent. Die Bruttoflächenproduktivität stieg um<br />
2,4 Prozent. Der Anteil der Betriebe mit einem<br />
negativen Reinertrag sank auf nunmehr 71 Prozent<br />
(Vorjahr 78 %).<br />
Tabelle 1<br />
Ergebnisse der untersuchten<br />
Betriebe 2012<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
69
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Betriebsform<br />
Zierpflanzenbau insgesamt<br />
darunter mit indirektem Absatz<br />
Einzelhandelsgärtnereien **<br />
Zahl der<br />
Betriebe<br />
Differenz zwischen Betriebseinkommen je AK<br />
und je Lohn je Fremd-AK in €<br />
% Anteil stark<br />
gefährdeter<br />
Betriebe *<br />
2012 2010 2011 2012 2012<br />
89<br />
38<br />
119<br />
4.289<br />
5.031<br />
5.009<br />
Gemüsebau insgesamt 31 6.813 9.041 6.441 20,0<br />
Baumschulen insgesamt 21 7.281 8.161 6.968 24,1<br />
Friedhofsgartenbau 30 9.200 7.597 7.441 16,7<br />
Handelsbetriebe 82 5.198 6.055 8.584 32,5<br />
Garten- und Landschaftsbau 45 4.567 6.050 5.653 6,0<br />
* Betriebe mit Betriebseinkommen je AK unter dem Lohn der Fremd-AK<br />
** Zierpflanzenbau Direkter Absatz, Mehrspartenbetriebe mit überwiegendem Handelsanteil, Handelsbetriebe Direkter Absatz<br />
4.650<br />
7.009<br />
5.033<br />
4.607<br />
5.974<br />
6.180<br />
34,3<br />
27,3<br />
32,3<br />
Tabelle 2<br />
Situation bei der Netto-<br />
Arbeitsproduktivität<br />
(Betriebseinkommen und<br />
Löhne je AK, identische<br />
Betriebe)<br />
Tabelle 3<br />
Anteil Betriebe ohne<br />
Reinertrag in % (Betriebe<br />
ohne Kapitalverzinsung)<br />
schiede zwischen dem ersten und dritten Drittel<br />
sind so deutlich, daß der nachfolgende Vergleich<br />
zwischen dem ersten Drittel und dem arithmetischen<br />
Mittel erfolgt.<br />
Das erste Drittel ist größer <strong>als</strong> das Mittel: Sowohl<br />
hinsichtlich der Glasfläche (3.350 qm zu 2.600<br />
qm) <strong>als</strong> auch der Arbeitskräfte (6 AK zu 4,8 AK).<br />
Das Ergebnis ist ein um fast 70 Prozent höherer<br />
Betriebsertrag im ersten Drittel im Vergleich zum<br />
Mittel. Da die auf die Fläche und die Arbeitskräfte<br />
umgelegten betrieblichen Erträge im ersten<br />
Drittel diejenigen des Mittels um mehr <strong>als</strong> 30%<br />
übersteigen, verbinden sich Produktivitätsunterschiede<br />
mit Größenunterschieden.<br />
Was den auf die Fläche bezogenen Mitteleinsatz<br />
angeht, zeigen sich erneut deutliche Unterschiede<br />
zwischen den Erfolgsgruppen: Bei den drei wichtigsten<br />
Aufwandspositionen (Saat- und Pflanzgut,<br />
Handelsware und Lohnaufwand, jeweils bezogen<br />
auf Einheitsquadratmeter) wirtschaften die erfolgreichen<br />
Betriebe wesentlich intensiver. Die<br />
Werte sind im ersten Drittel zwischen 40 und 50<br />
Prozent höher <strong>als</strong> im Mittel.<br />
Während die Rentabilität des Mittels mit einem<br />
negativen Reinertrag nicht ausreichend ist, reicht<br />
es im ersten Drittel zu einer zweiprozentigen Verzinsung<br />
des eingesetzten Kapit<strong>als</strong>. Die Ergebnisse<br />
des ersten Drittels bieten wichtige Orientierungsdaten,<br />
an denen sich Einzelhandelsgärtnereien<br />
messen können.<br />
Orientierungsdaten für Einzelhandelsgärtnereien:<br />
Betriebsertrag:<br />
Mindestens: 500.000 €, besser 600.000 €<br />
Betriebsertrag pro Arbeitskraft:<br />
Mindestens 100.000 €<br />
Gemüsebau<br />
Die 31 ausgewerteten identischen Gemüsebaubetriebe<br />
hatten in 2012 einen mit 24 Prozent empfindlichen<br />
Gewinnrückgang zu verzeichnen. Im<br />
Branchenvergleich allerdings auf einem recht hohen<br />
Niveau. Ursache sind die mit 7 Prozent im<br />
Vergleich zu den Erlösen (+2 %) deutlich stärker<br />
gestiegenen betrieblichen Aufwändungen.<br />
Betriebsform 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />
Zierpflanzenbau insgesamt<br />
darunter indirekter Absatz<br />
Einzelhandelsgärtnereien<br />
Handelsbetriebe direkter Absatz<br />
55<br />
44<br />
63<br />
68<br />
49<br />
32<br />
58<br />
59<br />
49<br />
35<br />
64<br />
66<br />
55<br />
38<br />
71<br />
71<br />
59<br />
47<br />
68<br />
72<br />
58<br />
42<br />
71<br />
69<br />
61<br />
52<br />
71<br />
71<br />
63<br />
27<br />
94<br />
71<br />
60<br />
47<br />
78<br />
67<br />
59<br />
51<br />
73<br />
50<br />
65<br />
49<br />
83<br />
60<br />
63<br />
48<br />
78<br />
66<br />
50<br />
41<br />
71<br />
63<br />
Gemüsebau<br />
Baumschulen<br />
Friedhofsgartenbau<br />
Garten- und Landschaftsbau<br />
49<br />
40<br />
26<br />
48<br />
32<br />
54<br />
11<br />
55<br />
55<br />
40<br />
-<br />
42<br />
47<br />
44<br />
14<br />
37<br />
60<br />
30<br />
21<br />
44<br />
46<br />
56<br />
18<br />
34<br />
30<br />
45<br />
24<br />
25<br />
40<br />
46<br />
10<br />
54<br />
49<br />
40<br />
17<br />
37<br />
39<br />
54<br />
27<br />
43<br />
28<br />
42<br />
14<br />
23<br />
45<br />
42<br />
30<br />
34<br />
40<br />
38<br />
27<br />
40<br />
70 Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Betriebsform<br />
Jahr<br />
AK<br />
BE/AK<br />
( 1000 €)<br />
Betriebseinkommen/AK<br />
Gesamt<br />
(1000 €)<br />
Über Lohn<br />
je Fremd-<br />
AK ( € )<br />
Gewinn<br />
in %<br />
des BE<br />
Reinertrag<br />
in % des<br />
BE<br />
Zierpflanzen insgesamt 2011<br />
2012<br />
6,18<br />
6,70<br />
83,35<br />
87,92<br />
27,63<br />
28,35<br />
4.650<br />
4.607<br />
11,4<br />
9,5<br />
0,0<br />
-0,1<br />
darunter indirekter Absatz 2011<br />
2012<br />
7,92<br />
8,13<br />
88,67<br />
89,69<br />
29,72<br />
28,86<br />
7.009<br />
5.974<br />
12,1<br />
9,7<br />
3,1<br />
1,7<br />
darunter Einzelhandelsgärtnereien 2011<br />
2012<br />
4,44<br />
4,52<br />
77,61<br />
78,29<br />
24,55<br />
26,91<br />
1.709<br />
2.843<br />
11,2<br />
12,0<br />
-4,9<br />
-3,3<br />
Gemüsebau 2011<br />
2012<br />
17,28<br />
18,79<br />
56,32<br />
54,22<br />
24,27<br />
21,54<br />
9.041<br />
6.441<br />
17,0<br />
12,4<br />
10,4<br />
6,2<br />
Baumschulen 2011<br />
2012<br />
8,07<br />
8,51<br />
79,70<br />
81,06<br />
33,61<br />
33,46<br />
8.161<br />
6.968<br />
14,3<br />
13,2<br />
5,8<br />
4,2<br />
Handelsbetriebe 2011<br />
2012<br />
6,40<br />
6,21<br />
122,37<br />
161,06<br />
32,65<br />
35,79<br />
6.055<br />
8.584<br />
6,6<br />
7,2<br />
1,1<br />
1,6<br />
Friedhofsbetriebe 2011<br />
2012<br />
6,04<br />
6,39<br />
64,51<br />
62,97<br />
33,13<br />
32,03<br />
7.597<br />
7.441<br />
16,3<br />
16,5<br />
6,3<br />
5,7<br />
GaLaBau 2011<br />
2012<br />
10,39<br />
10,18<br />
76,89<br />
75,07<br />
36,59<br />
35,72<br />
6.050<br />
5.653<br />
10,3<br />
10,1<br />
4,6<br />
3,9<br />
BE = Betriebsertrag, AK = Arbeitskraft<br />
Der mit Abstand wichtigste Aufwandsposten, der<br />
Lohnaufwand, stieg gegenüber dem Vorjahr um 3<br />
Prozent. Die Lohnaufwändungen pro Arbeitskraft<br />
sanken allerdings um 2,4 Prozent. Die zweitwichtigste<br />
Aufwandsposition für Saat- und Pflanzgut<br />
erhöhte sich um 5,5 Prozent. An dritter Stelle<br />
kommt der Aufwand für Abschreibungen, Reparaturen<br />
und den Fuhrpark. Hier stieg der Wert im<br />
Durchschnitt sogar um 9 Prozent. Für Handelsware<br />
wendeten die Betriebe um 3 Prozent geringere<br />
Werte auf.<br />
Die Brutto-Arbeitsproduktivität sank um 2,4 Prozent.<br />
Vor dem Hintergrund der beschriebenen<br />
Aufwandssteigerungen verwundert es nicht, daß<br />
die Netto-Arbeitsproduktivität sogar um 11 Prozent.absank.<br />
Genau 40 Prozent der ausgewerteten<br />
Betriebe erreichten keine Kapitalverzinsung.<br />
Beim Vergleich zwischen den Erfolgsgruppen von<br />
35 Betrieben fällt im Hinblick auf die Betriebsstruktur<br />
auf, daß die erfolgreichen Betriebe des<br />
ersten Drittels im Vergleich zum dritten Drittel<br />
eine dreimal so große Glasfläche bewirtschaften<br />
aber nur die Hälfte an Arbeitskräften beschäftigen.<br />
Pro Arbeitskraft erreichen sie fast den dreifachen<br />
Wert an betrieblichen Erlösen. Bei der Betrachtung<br />
des betrieblichen Aufwands fällt vor<br />
allem der um das Zweieinalbfache höhere Aufwand<br />
für Heizmaterial auf.<br />
Baumschulen<br />
Die 21 ausgewerteten identischen Baumschulbetriebe<br />
sahen sich im Jahr 2012 mit gegenüber 2011<br />
nicht ganz fünfzehn Prozent geringeren Gewinnen<br />
konfrontiert. Die Ursache liegt in den im Vergleich<br />
zu den Erlösen (+ 1,6 %) stärker gestiegenen<br />
betrieblichen Aufwändungen (+ 5,3 %). Der<br />
mit Abstand wichtigste Aufwandsposten ist der<br />
Lohnaufwand. Dieser stieg in 2012 gegenüber<br />
dem Vorjahr um etwas über drei Prozent. Der<br />
Lohnaufwand pro Arbeitskraft stieg um mehr <strong>als</strong><br />
vier Prozent. Die beiden Aufwandspositionen<br />
Handelsware und Saat- und Pflanzgut stiegen, zusammen<br />
betrachtet, um zwölf Prozent. Der Hintergrund<br />
für diese starke Steigerung dürften strenge<br />
Winterwochen gewesen sein. Die Brutto-Arbeitsproduktivität<br />
(Betriebsertrag pro AK) stieg<br />
zwar um drei Prozent. Allerdings sank der Nettowert<br />
aufgrund der Aufwandssteigerungen um den<br />
gleichen Wert.<br />
Im Mittel der 29 ausgewerteten Baumschulbetriebe<br />
wurde ein Reinertrag von etwas unter vier Prozent<br />
(vom Betriebsertrag) erwirtschaftet. Allerdings<br />
erreichten 38 Prozent der ausgewerteten<br />
Betriebe keinen positiven Reinertrag und somit<br />
keine Kapitalverzinsung. Als Orientierungsgröße<br />
bietet sich der Betriebsertrag pro AK an, der<br />
90.000 € betragen sollte. •<br />
Tabelle 4<br />
Produktivität und Rentabilität<br />
von identischen Betrieben<br />
(Mittelwerte) von 2011 und<br />
2012<br />
Christoph Hintze<br />
LVG Heidelberg<br />
Tel. 06221-7484-11<br />
Christoph.Hintze@lvg.<br />
bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
71
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
Tanja Paeslack<br />
Sommertreffen der Vereine<br />
Netzwerk Kräuter BW e. V. und<br />
Hortus officinarum<br />
Botanische Exkursion zum Bodensee<br />
Am Morgen des 01. Juni 2013 trafen wir uns im malerischen Kesswil/TG (Schweiz) am Bodensee. Hier<br />
begann die Sommerexkursion 2013 für die Mitglieder des Vereins Hortus officinarum und einige Gäste<br />
mit der fünften Mitgliederversammlung des Vereins im Kirchengemeindehaus.<br />
Der Verein freut sich über eine wachsende Mitgliederanzahl<br />
und einen stetigen Ausbau der<br />
Projekte und Aktivitäten. Die Ziele des Vereins<br />
sind die Pflege und Veredelung von wertvollen<br />
genetischen Herkünften, eine wesensgemäße<br />
Heilpflanzenzüchtung unter biologisch-dynamischen<br />
Gesichtspunkten und damit die Sicherung<br />
und Verbesserung der Qualität von pflanzlichen<br />
Arznei- und Körperpflegeprodukten. Neben<br />
Selektionsprojekten, beispielsweise bei Primula<br />
veris L. (Frühlingsschlüsselblume) oder Gentiana<br />
lutea L. (Gelber Enzian), und Inkulturnahmeprojekten,<br />
wie z. B. die Inkulturnahme von Hydrastis<br />
canadensis L. (Kanadische Gelbwurz) wird ein langjähriges<br />
Projekt zur Erhaltung der<br />
Kulturpflanzenvielfalt in Zusammenarbeit mit der<br />
Schweizerischen Kommission zur Erhaltung von<br />
Kulturpflanzen (SKEK) betreut. Langfristiges<br />
Ziel ist die Bereitstellung von Heilpflanzensaatgut<br />
aus wesensgemäßer biologisch-dynamischer<br />
Züchtung, welches in der Zukunft gekennzeichnet<br />
mit dem Hortus-Label erhältlich sein wird.<br />
Nach einem liebevoll zubereiteten Mittagssnack<br />
im Gemeindehaus trafen wir uns mit den Mitgliedern<br />
des Netzwerkes Kräuter BW bei der Ceres<br />
Heilmittel AG in Kesswil/TG, wo pflanzliche Urtinkturen<br />
sowie homöopathische Dilutionen und<br />
Komplexmittel produziert werden. Dabei legt die<br />
Firma großen Wert auf die Schaffung eines<br />
Gleichgewichts zwischen Wirkstoff, Lebensenergie<br />
und Information, den drei Wirkprinzipien einer<br />
ganzheitlichen pflanzlichen Arznei. Geführt<br />
von Matthias Plath, Produktionsleiter Arzneipflanzenanbau<br />
und Rohstoffbeschaffung, sowie<br />
von René Bernet, der aus dem bei der Herstellung<br />
von Urtinkturen anfallenden Heilpflanzentrester<br />
handgeschöpftes Papier herstellt, folgten die Exkursionsteilnehmer<br />
der Heilpflanze auf ihrem faszinierenden<br />
Weg vom Anbau über die Ernte bis<br />
zur aromatischen Urtinktur. Dabei konnte Einblick<br />
in alle Schritte der Produktion von der groben<br />
Zerkleinerung über das Mörsern, die Mazeration<br />
und das Pressen bis hin zur Reifung und<br />
schließlich zur Abfüllung der Urtinktur genommen<br />
werden. Viele Produktionsschritte, wie beispielsweise<br />
die grobe Zerkleinerung der Pflanzen<br />
oder das Rühren des Mazerates werden bei Ceres<br />
von Hand durchgeführt um eine Beeinträchtigung<br />
der biochemischen Wirkprinzipien durch beschleunigende<br />
Technologien bei der industriellen<br />
Verarbeitung zu vermeiden. Ein Highlight war die<br />
„Ceres Mörsermühle“, in welcher die Heilpflanzen<br />
zusammen mit Alkohol fein zerrieben werden<br />
und somit ihre Lebensenergie auf die Flüssigkeit/<br />
72 Landinfo 4 | 2013
Gartenbau und Sonderkulturen<br />
das Extraktionsmittel übertragen. Die Führung<br />
endete mit einer überzeugenden Verkostung der<br />
wunderbar aromatischen Urtinkturen.<br />
Bepackt mit Regenschirmen und wetterfester<br />
Kleidung versammelten wir uns am Nachmittag<br />
zur Führung über die Felder von Samuel Widmer<br />
und Eva Keller. Der 2,2 ha große biologisch-dynamische<br />
Saatgutbetrieb liegt wenige Kilometer südlich<br />
vom Bodensee in Andwil/TG (Schweiz).<br />
Wichtigster Betriebszweig ist der Anbau von zahlreichen<br />
Wildblumenkulturen. Das fertig gereinigte<br />
Wildblumensaatgut wird an die Otto Hauenstein<br />
Samen AG geliefert. Außerdem wachsen hier Gemüsesamen<br />
für die Sativa Rheinau AG und für die<br />
Bingenheimer Saatgut AG. In Zusammenarbeit<br />
mit Kultursaat e. V., Verein zur Züchtungsforschung<br />
und Kulturpflanzenerhaltung auf biologisch-dynamischer<br />
Grundlage, laufen Züchtungsprojekte<br />
an Chicorée und Pastinaken. Einige Heilpflanzen-,<br />
Tee- und Gewürzkräuterkulturen runden<br />
den Anbau ab.<br />
Anschließend wärmten wir uns im Gasthaus Löwen<br />
in Sommeri auf, wo sich die Exkursionsteilnehmer<br />
am indischen Buffet stärken konnten.<br />
Nach dem Essen sprach Frau Dr. med. Edith Jacober-Frischknecht<br />
aus St. Gallen über das berühmte<br />
botanische Lehrgedicht des Reichenauer<br />
Mönchs, Dichters und Botanikers Walahfrid Strabo<br />
(808-849 n. Chr.). Das „Liber de cultura hortorum“<br />
(lat.: „Buch über die Gartenkultur“), auch<br />
bekannt <strong>als</strong> „Hortulus“, entstand im Jahr 827 n.<br />
Chr. und gehört zusammen mit der Landgüterverordnung<br />
von Karl dem Großen „Capitulare de<br />
villis vel curtis imperii“ (812 n. Chr.) zu den bedeutendsten<br />
botanischen Werken des Mittelalters. Es<br />
schildert in eleganten Versen über 20 der wichtigsten<br />
Heilpflanzen des frühen Mittelalters sowie<br />
deren Anbau und Anwendungsmöglichkeiten und<br />
war für Jahrhunderte Grundlage für Kräuter- und<br />
Klostergärten.<br />
Nach einer Übernachtung in verschiedenen Hotels<br />
der Umgebung freuten wir uns am Morgen<br />
des 02. Juni 2013 auf eine Führung mit dem Botaniker<br />
Walter Dietl durch das in Sichtweite der<br />
Insel Reichenau gelegene Gottlieber Ried bei<br />
Gottlieben/TG (397 m NN). In den Schilf- und<br />
Feuchtwiesenzonen finden sich charakteristische<br />
Artenkombinationen mit teils sehr seltenen Arten.<br />
So wachsen im Hochstaudenried (Filipendulion),<br />
welches sich durch nährstoffreiche feucht-nasse<br />
Bedingungen auszeichnet, beispielsweise Valeriana<br />
officinalis L. (Echter Arznei-Baldrian), Iris pseudacorus<br />
L. (Gelbe Schwertlilie, Sumpf-Schwertlilie) und<br />
Filipendula ulmaria L. (Wiesenspierstaude, Mädesüß).<br />
Auf den feucht-wechselnassen und nährstoffarmen<br />
Pfeifengraswiesen (Molinion) konnten<br />
Arten wie beispielsweise Molinia caerulea L.<br />
(Blaues Pfeifengras, Besenried), Sanguisorba officinalis<br />
L. (Großer Wiesenknopf), Iris sibirica L. (Sibirische<br />
Schwertlilie) und Allium suaveolens Jacq.<br />
(Wohlriechender Lauch) bewundert werden. Inspiriert<br />
und von den Eindrücken des Rieds verzaubert<br />
traten die Teilnehmer gegen Mittag den<br />
Heimweg an.<br />
Am 06.12.2013 findet die Wintertagung des Netzwerkes<br />
Kräuter BW in Kooperation mit der Universität<br />
Hohenheim zum Thema „Nachhaltigkeit,<br />
Inkulturnahme und Wildsammlung von Heil-,<br />
Kosmetik- und Gewürzpflanzen“ statt. Mit vielen<br />
interessanten Vorträgen und Best-Practice-Beispielen<br />
ist dieser Tag eine gute Gelegenheit, das<br />
Netzwerk Kräuter BW und seine Aktivitäten näher<br />
kennen zu lernen. •<br />
Kontakt<br />
Für das Netzwerk Kräuter BW: www.netzwerkkraeuter.de,<br />
info@netzwerk-kraeuter.de<br />
Für Hortus officinarum: www.hortus-officinarum.ch,<br />
hortus-officinarum@bluewin.ch<br />
Exkursionsteilnehmer bei der<br />
Besichtigung der Felder von<br />
Samuel Widmer und Eva<br />
Keller<br />
Bild: Michael Straub<br />
Tanja Paeslack<br />
Netzwerk Kräuter BW<br />
Tel. 0176 75583686<br />
tanja.paeslack@<br />
googlemail.com<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
73
Hauswirtschaft und Ernährung<br />
Katharina Janz<br />
Erlebnistag<br />
„Vom Korn zum Brot“<br />
„Mehr Durchblick vom Acker auf den Teller“<br />
Viel los am Blickpunkt-Ernährung-Stand<br />
Bilder: MLR Stuttgart<br />
Brot mit allen Sinnen erleben konnten die Besucher des großen Brot-Erlebnistags der Landesinitiative<br />
Blickpunkt Ernährung am Muttertag in Knittlingen. Der Bauernhof Blanc, die Störrmühle und die<br />
Bäckerei Reinhardt waren Schauplätze des Erlebnistages und boten viel Gelegenheiten zum Schauen,<br />
Spielen, Mitmachen und Genießen.<br />
Angeboten wurden<br />
Brotprüfung,<br />
Schaubacken,<br />
Brotverkostung,<br />
Kinderbackprogramm,<br />
Getreideraten,<br />
Brezelschlingen,<br />
Maschinenausstellungen,<br />
Filmpremiere,<br />
eine Wissensrallye<br />
entlang von QR-<br />
Codes und vieles<br />
mehr. An allen drei<br />
Standorten standen<br />
darüber hinaus die<br />
regionalen Brot-<br />
Köstlichkeiten in ihrer<br />
Vielfalt im Mittel-<br />
Talkrunde „Wertschätzen statt Wegwerfen“ mit C. Rummel,<br />
Prof. Dr. (i. R.) Barbara Methfessel, Johannes Schultheiß, punkt. Die Besucher<br />
Reinhard Hecker (v. links)<br />
kosteten beispielsweise<br />
Brot aus dem<br />
Holzbackofen, „Brot aus der Pfanne“ (KIT) oder<br />
Stockbrot, sie schmeckten die Unterschiede von<br />
Baguette zu Vollkornbrot, von Weizenbrot zu<br />
Emmerbrot, machten einen Pausenbrotcheck<br />
oder speisten leckere Gerichte mit Semmelknödeln<br />
oder überbackenen Brotspezialitäten.<br />
Katharina Janz<br />
MLR Stuttgart<br />
Tel. 0711/ 126 2104<br />
katharina.janz@mlr.bwl.de<br />
„Alle, die regionale Spezialitäten genießen wollen,<br />
werden in handwerklichen Bäckereien fündig. Im<br />
Brotsortiment der Bäckereien spiegeln sich wie bei<br />
kaum einem anderen Lebensmittel die Besonderheiten<br />
und die Vielfalt unserer Regionen wider.<br />
Die Landesinitiative Blickpunkt Ernährung greift<br />
deswegen 2013 und 2014 das Thema Brot in allen<br />
seinen Facetten auf – von der Qualität, der vielseitigen<br />
Verwendung bei allen Mahlzeiten, der Wertschätzung<br />
bis hin zur hauswirtschaftlichen Kom-<br />
petenz und Verbraucherbildung. Damit wollen wir<br />
das wichtige Grundnahrungsmittel Brot wieder<br />
stärker ins Bewusstsein rücken“ sagte der Amtschef<br />
im Ministerium für Ländlichen Raum und<br />
Verbraucherschutz, Ministerialdirektor Wolfgang<br />
Reimer zur Eröffnung.<br />
Auch die Problematik der Lebensmittelverschwendung<br />
stand im Fokus der Begrüßungsworte<br />
und einer Talkrunde am Nachmittag. Die Teilnehmer<br />
aus dem Wirtschafts- und Bildungsbereich<br />
waren sich einig, dass ein gewisses Hintergrundwissen<br />
über Lebensmittel notwendig ist, um<br />
diese wertzuschätzen. Hierfür ist eine systematische<br />
Ernährungsbildung im Kindergarten und in<br />
der Schule ausschlaggebend.<br />
Der Brot-Erlebnistag machte (be)greifbar, wo die<br />
Zutaten für gutes Brot herkommen, wie sie verarbeitet<br />
werden und wie Brot gebacken wird. Die<br />
Besucher holten sich z. B. mit Broschüren oder<br />
Informationsrezeptkarten der Landesinitiative<br />
Blickpunkt Ernährung viele Anregungen mit nach<br />
Hause.<br />
Für alle, die am Brot-Erlebnistag nicht teilnehmen<br />
konnten oder ihr Wissen weiter vertiefen möchten,<br />
gibt es über die 35 Landratsämter und vier<br />
Ernährungszentren weitere Workshops, Aktionen<br />
und Projekte für Jung und Alt: Exkursionen zu<br />
Landwirten, Mühlen oder Bäckereibetrieben,<br />
Back- und Kochworkshops mit neuen leckeren<br />
Gerichten, Informationen über die zahlreichen<br />
Brotsorten und Erkennungsmerkmale für deren<br />
Qualität, kulinarische Events für Genießer und -<br />
ganz neu - Geocaching-Routen für Jugendliche<br />
(www.ernaehrung-bw.info). •<br />
74<br />
Landinfo 4 | 2013
Hauswirtschaft und Ernährung<br />
Monika Radke<br />
Nachhaltige Ernährung in der Praxis - neue landesweite<br />
Bildungsangebote<br />
Nachhaltigkeit ist heute in aller Munde, leider oft nicht im tatsächlichen Sinn des Wortes. Damit sich<br />
das ändert, haben das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Landesanstalt für<br />
Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der Ländlichen Räume, Schwäbisch Gmünd und die<br />
Ernährungszentren für die Landesinitiative Blickpunkt Ernährung drei praxisnahe attraktive<br />
Bildungsangebote entwickelt. Sie werden landesweit über die Landratsämter und die Volkshochschulen<br />
angeboten. Zusätzlich helfen Leitfäden mit Checklisten bei der Planung von Workshops und bei der<br />
Ausschreibung von Verpflegung bei Veranstaltungen. Das Motto: „Ein bisschen nachhaltig kann jeder“.<br />
Der Begriff „Nachhaltige Ernährung“ ist abstrakt<br />
und viele Verbraucher können damit<br />
weniger anfangen. Anschaulicher wird es, wenn<br />
man Assoziationen aufzählt, die den großen Bogen<br />
dieses Themas abbilden: Wertschätzung von<br />
Produkten aus der Region, Essen nach der Jahreszeit,<br />
Genuss, reichlich frisches Obst und Gemüse,<br />
Lebensmittelreste verarbeiten und nicht wegwerfen,<br />
weniger Fleisch, Vorratshaltung, Fair Trade<br />
unterstützen… Vieles davon lässt sich im Alltag in<br />
jedem Haushalt umsetzen.<br />
Die ernährungs- und hauswirtschaftlichen Fachkräfte<br />
der Landratsämter sind Experten für diese<br />
Themen. „Nachhaltigkeit ist in unseren Veranstaltungen<br />
immer schon unser Thema und wir bauen<br />
diesen Aspekt derzeit aus,“ so der Tenor bei einer<br />
Umfrage nach Aktivitäten in diesem Bereich. Die<br />
große Kompetenz für nachhaltige Ernährung<br />
wird jetzt mit landesweit verfügbaren Angeboten<br />
deutlicher nach außen getragen. Eine Arbeitsgruppe<br />
des Referats Ernährung im MLR, der LEL<br />
Schwäbisch Gmünd und den vier Ernährungszentren<br />
konzipierte drei Veranstaltungen zur nachhaltigen<br />
Ernährung und griff dabei auf Anregungen<br />
der Landratsämter und/oder der Ernährungszentren<br />
zurück. Das gemeinsame Merkmal: Alle Angebote<br />
führen den Begriff nicht im Titel und wollen<br />
kein schlechtes Gewissen machen! Denn nachhaltige<br />
Ernährung ist zwar aktuell, aber (noch)<br />
nicht „sexy“.<br />
Aus dem großen Pool der Ernährungsmultiplikatorinnen<br />
des MLR qualifizierten sich über 30 Referentinnen<br />
zu diesen speziellen Angeboten. Ab<br />
sofort können sie Verbrauchern und Verbraucherinnen<br />
in ganz Baden-Württemberg nachhaltige<br />
Ernährung ganz anschaulich nahe bringen - im<br />
Bildungsprogramm der Landratsämter, aber auch<br />
bei den Volkshochschulen oder anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen.<br />
CO 2<br />
-Diät – Essen für das Klima<br />
Als Überblick über das große Thema Klimaschutz<br />
beim Essen gibt es den Vortrag „CO 2<br />
-Diät – Essen<br />
für das Klima“. Er ist modulartig aufgebaut<br />
und kann <strong>als</strong> Einzelveranstaltung, aber auch <strong>als</strong><br />
Einstieg bei einer ganzen Veranstaltungsreihe genutzt<br />
werden. Statt Kalorien zählt bei dieser Diät<br />
das Kohlendioxid, das bei Erzeugung und Transport<br />
der Lebensmittel in die Luft geblasen wird.<br />
Es geht darum, den Zusammenhang zwischen<br />
Ernährung und Klima darzustellen und den Verbrauchern<br />
Möglichkeiten aufzuzeigen, im Alltag<br />
beim Essen und Einkaufen das Klima zu schonen.<br />
Kochen mit frischen<br />
Lebensmitteln der Saison -<br />
ein Beitrag zum Klimaschutz,<br />
der schmeckt<br />
Foto: A. Huerta<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
75
Hauswirtschaft und Ernährung<br />
wusst, dass unser Einfluss auf die Klimabilanz vor<br />
allem beim Einkauf riesig ist? Die CO 2<br />
-Emissionen<br />
durch eine Einkaufsfahrt mit dem Auto können<br />
höher sein <strong>als</strong> diejenigen durch landwirtschaftliche<br />
Produktion, Transport und Verteilung<br />
im Handel zusammen. Das Kilogramm Bio-Äpfel<br />
vom Hofladen in etlichen Kilometern Entfernung<br />
erscheint dadurch in einem ganz anderen Licht.<br />
Essen und Trinken sind für<br />
20 % der Klimabelastung<br />
verantwortlich<br />
links:<br />
Frisches aus dem<br />
Gemüseland<br />
Baden-Württemberg<br />
(Foto: Annette Sammet-Volzer)<br />
rechts:<br />
Fast wie im TV: Wie mache<br />
ich aus diesen Lebensmitteln<br />
etwas Leckeres?<br />
(Foto: Ilse Hille)<br />
Was oft unterschätzt wird: Essen und Trinken sind<br />
für 20 Prozent der Klimabelastung verantwortlich.<br />
Die Ernährung zählt damit neben der Energievergeudung,<br />
der Luftverschmutzung und der Belastung<br />
durch den Autoverkehr zu den vier großen<br />
Verursachern der Klimabelastung. Anschaulich<br />
erklärt der Vortrag die Auswirkungen des globalen<br />
Klimawandels, den Anstieg der Durchschnittstemperatur,<br />
den Ausstoß der verschiedenen Treibhausgase<br />
und den CO 2<br />
-Fußabdruck. Praktische<br />
Vorschläge zum klimafreundlichen Essen sind der<br />
Hauptteil des Vortrags. Eine Fülle von Beispielen<br />
macht deutlich, dass jeder in seinem Haushalt etwas<br />
tun kann, z.B. mehr pflanzliche Lebensmittel<br />
essen <strong>als</strong> bisher, regionale Produkte der Saison<br />
bevorzugen, beim Kochen auf die Nutzung energieeffizienter<br />
Geräte achten oder Lebensmittelreste<br />
sinnvoll verwerten. Die Tipps zeigen, dass man<br />
mit seinem Ernährungsstil genießen, etwas für<br />
seine Gesundheit tun und gleichzeitig zum Klimaschutz<br />
beitragen kann. Viele verblüffende Erkenntnisse<br />
erwarten die Zuhörer. Hätten Sie ge-<br />
Den Landkreis genießen<br />
Wer einen praktischen Ernährungskurs in seiner<br />
Freizeit besucht, will etwas Neues kennen lernen,<br />
Lebensmittel und Speisen genießen und gemeinsam<br />
mit Anderen einen entspannten Abend/<br />
Nachmittag erleben. Diese Erwartung erfüllt der<br />
neue Workshop rund um frische Lebensmittel aus<br />
der Region „Den Landkreis [Name] genießen“.<br />
Schon im Titel wird der Kreis genannt, so dass der<br />
regionale Bezug sofort ins Auge fällt. Jeder Kreis<br />
in Baden-Württemberg hat Spezialitäten, die in<br />
den Mittelpunkt des Workshops gestellt werden<br />
können, seien es die Streuobstwiesen, der Wein,<br />
Spargel, besonders hochwertiges Fleisch, eine Forellenzucht<br />
oder eine Käserei. Der Untertitel weist<br />
möglichst appetitanregend darauf hin, z.B. Beerenträume,<br />
Forellen zum Anbeißen. So ist auch<br />
eine ganze Veranstaltungsreihe über eine längere<br />
Zeit möglich, die verschiedene Jahreszeiten berücksichtigt<br />
oder über mehrere Jahre ein Stammpublikum<br />
heranzieht, das Wert auf Qualität legt<br />
und sich Wissen und Fertigkeiten aneignen will.<br />
In der Ernährungsbildung kommt der Genuss oft<br />
zu kurz und wird zu wenig herausgestellt, obwohl<br />
er doch für die meisten Menschen das Wichtigste<br />
76 Landinfo 4 | 2013
Hauswirtschaft und Ernährung<br />
ist. Deshalb soll schon die Ausschreibung darauf<br />
einen Schwerpunkt legen und das Sinnliche und<br />
keinesfalls „gesunde Ernährung“ in den Vordergrund<br />
stellen. Ein Auszug aus dem Vorschlag für<br />
einen Ankündigungstext: „Kennen Sie die kulinarischen<br />
Schätze Ihrer Region? Entdecken Sie auch<br />
gern Unbekanntes für Ihre Küche und möchten<br />
wissen, woher die Lebensmittel kommen? In diesem<br />
Kurs stellen wir Ihnen Ihren Kreis mit allen<br />
Sinnen vor.“ Die Teilnehmenden bereiten mit regionalen<br />
Lebensmitteln passend zur Jahreszeit leckere<br />
Gerichte zu, je nach räumlichen Gegebenheiten<br />
entweder selbst in einer Lehrküche oder<br />
eine Fachkraft wie die technischen Lehrerinnen<br />
der Ernährungszentren und mancher Landratsämter<br />
zeigt in einer Demonstrationsküche, wie es<br />
geht. Auch Betriebe <strong>als</strong> Veranstaltungsorte sind<br />
möglich. Programmbestandteil ist auch die Kennzeichnung<br />
regionaler Produkte.<br />
Als Besonderheit wird bei diesen Veranstaltungen<br />
ein Erzeuger oder Direktvermarkter eingeladen,<br />
der über seine Produkte, Qualitätssicherung und<br />
Verarbeitungsmöglichkeiten berichtet. Dadurch<br />
genießen die Besucher/innen nicht nur die leckeren<br />
Speisen, sondern erlangen Einblick in die arbeitsreiche<br />
Herstellung von Lebensmitteln, ihre<br />
Zusammensetzung und Verwendung in der Küche.<br />
All dies ist Grundlage für die Wertschätzung<br />
von Lebensmitteln, nachhaltiges Konsumieren<br />
und ein Beitrag gegen die „Geiz ist geil-Mentalität“.<br />
Nachhaltige Ernährung ist der rote Faden des<br />
Workshops und der Kursleitung auch stets präsent.<br />
Die Teilnehmer/innen sollen genießen und<br />
die Botschaft mit nach Hause nehmen: So lecker<br />
können wir mit heimischen Lebensmitteln essen<br />
- und das ist auch noch nachhaltig!<br />
AWARULI - Alles WAs RUmLIegt<br />
„Kreatives Kochen mit frischen Lebensmitteln<br />
und Resten“ ist der Untertitel des dreiteiligen Praxiskurses<br />
rund um Genuss und Wertschätzung<br />
von Lebensmitteln. Er vermittelt mit den Themen<br />
Einkauf, Speiseplanung und Vorratshaltung die<br />
Grundlagen der Haushaltsführung, legt (darüber<br />
hinaus) aber den Schwerpunkt auf Resteverwertung,<br />
regionale und saisonale Lebensmittel und<br />
vor allem auf das kreative Kochen. Die drei Teile<br />
bauen aufeinander auf, so dass die Teilnehmenden<br />
immer mehr Fertigkeiten und Kompetenzen erwerben.<br />
Systematisch werden Reste in die abwechslungsreichen<br />
Rezepte einbezogen und gezeigt,<br />
wie man zu viel Gekauftes <strong>als</strong> Vorrat aufbewahren<br />
oder zu leckeren Gerichten verarbeiten<br />
kann. Der dritte Teil von AWARULI ist die Kür<br />
Leitfäden für nachhaltige Ernährung in der Praxis<br />
Als Umsetzungshilfe für nachhaltige Ernährung bei Bildungsmaßnahmen,<br />
bei Besprechungen und Verpflegungsausschreibungen für größere Veranstaltungen<br />
stellt das MLR Leitfäden zur Verfügung. In Form einer Checkliste<br />
werden verschiedene Bereiche wie die Auswahl der Rezepte und Lebensmittel,<br />
der Einkauf, das Kochen und Essen behandelt. Die Empfehlungen<br />
reichen von der Bevorzugung heimischer Lebensmittel der Saison, der<br />
Verwendung von fair gehandeltem Kaffee und dem Angebot von Trinkwasser<br />
in Karaffen bis zum Einsatz von mindestens 25 % Bio-Lebensmitteln.<br />
Die Kosten lassen sich meist durch die Anpassung der Rezepturen mit geringeren<br />
Fleischanteilen oder den schrittweisen Einsatz von Kartoffeln, Gemüse<br />
etc. im Rahmen halten.<br />
Bei Workshops und Tagungen werden Nachhaltigkeitsaspekte auch in der<br />
Außendarstellung zunehmend wichtiger und ihre Berücksichtigung verbessert<br />
das Image. Die Leitfäden stehen zum <strong>Download</strong> zur Verfügung im <strong>Infodienst</strong><br />
Ernährung > Nachhaltigkeit (www.ernaehrung-bw.info).<br />
und nimmt ganz bewusst Anleihen bei beliebten<br />
Fernsehsendungen: In der Küche stehen frische<br />
Lebensmittel und Reste zu Verfügung - ganz ohne<br />
Rezept. Die Teilnehmer/innen zaubern daraus<br />
leckere Gerichte und beweisen ihre Kreativität<br />
und ihr Know-How.<br />
AWARULI wurde von einem Team der technischen<br />
Lehrerinnen aus allen vier Ernährungszentren<br />
ausgearbeitet. Sie brachten dabei ihr Wissen<br />
und ihre große Erfahrung in Unterricht und Erwachsenenbildung<br />
in hauswirtschaftlichen Themenbereichen<br />
ein. Für die Teilnehmer/innen der<br />
Kurse hat diese Expertise den Vorteil, gleichzeitig<br />
phantasievoll, kostenbewusst und ernährungsphysiologisch<br />
ausgewogen zu kochen. Dass das Essen<br />
schmeckt und auch nachhaltig zubereitet ist, versteht<br />
sich von selbst.<br />
Das AWARULI-Konzept lässt sich für viele Zielgruppen<br />
passgenau ausrichten: für Ungeübte und<br />
Singles genauso wie für Männer, Senioren oder<br />
junge Familien. Das mehrteilige Konzept war ein<br />
besonderer Wunsch des Volkshochschulverbands<br />
Baden-Württemberg e.V.. Er hat seinen Mitgliedern<br />
die neuen nachhaltigen Blickpunkt Ernährung-Konzepte<br />
bereits angekündigt. Die Volkshochschulen<br />
werden auf die Koordinatorinnen in<br />
den Landratsämtern zukommen und nach geeigneten<br />
Referentinnen fragen. Ein Pool von Referentinnen<br />
steht jetzt für diese Themen bereit. Sie<br />
können kreisübergreifend tätig sein. •<br />
Monika Radke<br />
MLR Stuttgart<br />
Tel. 0711/ 1262105<br />
monika.radke@mlr.bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
77
Beratung und Bildung<br />
Den Kursteilnehmern wird der Anbau<br />
von Süßkirschen erklärt<br />
Georg Schmitt<br />
Lehrgang „Zusatzqualifikation ökologischer Landbau“<br />
Die Nachfrage nach ökologisch produzierten Lebensmitteln wächst, ebenso der Bedarf nach regional<br />
erzeugten Produkten. Dies eröffnet Landwirten in der Region Stuttgart neue Vermarktungschancen.<br />
Deshalb wird von der unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörde des Rems-Murr-Kreises in Zusammenarbeit<br />
mit den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Böblingen, Göppingen und Hohenlohe ein<br />
Weiterbildungsprojekt für landwirtschaftliche Betriebe angeboten, die eine Umstellung auf den<br />
ökologischen Landbau planen. Ziel des Kurses ist es, Landwirten die Möglichkeit zu eröffnen sich dem<br />
Thema ökologischer Landbau zu nähern. Die Weiterbildung vermittelt ausgebildeten Landwirten im<br />
Haupt- und Nebenerwerb neben theoretischen Grundlagen der ökologischen Wirtschaftsweise auch<br />
Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis. Die Unterrichtseinheiten werden mit Unterstützung der<br />
beteiligten Ämter, dem Regierungspräsidium und den ökologischen Beratungsdiensten durchgeführt.<br />
Ökologische<br />
Kälberhaltung<br />
Ziel und Inhalte des Lehrgangs<br />
Im Lehrgang werden den Teilnehmern und Teilnehmerinnen<br />
die Grundlagen der landwirtschaftlichen<br />
Produktion unter ökologischen Aspekten<br />
aufgezeigt. Das sind zum einen die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen des ökologischen<br />
Landbaus und zum anderen die Produktionstechniken<br />
in der Tierhaltung und der pflanzlichen Erzeugung<br />
einschließlich der Sonderkulturen. Die<br />
Inhalte werden ergänzt durch die betriebswirtschaftliche<br />
Beurteilung des eigenen Betriebes und<br />
die Betrachtung der Vermarktungssituation.<br />
Mit dem Lehrgang wird den Teilnehmern eine<br />
Handreichung gegeben, um die EG-Ökoverord-<br />
nung mit Durchführungsverordnungen bei der<br />
Umstellung ihres Betriebes richtig umzusetzen.<br />
Zielgruppen und Aufbau<br />
Zielgruppe sind Landwirte, Obst-, Wein- und Gemüsebauern<br />
im Haupt- oder Nebenerwerb, die<br />
sich mit dem Gedanken befassen, ihre Produkte<br />
nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus<br />
zu erzeugen und zu vermarkten. Zulassungsvoraussetzung<br />
ist eine landwirtschaftliche Berufsausbildung<br />
oder Tätigkeit im landwirtschaftlichen<br />
Betrieb. Am ersten Lehrgang nehmen 19 Personen<br />
aus dem Regierungsbezirk Stuttgart und den<br />
angrenzenden Gebieten teil. Die betrieblichen<br />
78 Landinfo 4 | 2013
Beratung und Bildung<br />
Schwerpunkte der Kursteilnehmer liegen im<br />
pflanzlichen Bereich im Ackerbau und im Grünland,<br />
im tierischen Bereich in der Rinder- und<br />
Pferdehaltung. Die Teilnehmer bewirtschaften<br />
ihre Betriebe sowohl im Haupt- <strong>als</strong> auch im Nebenerwerb.<br />
Der Lehrgang beginnt jeweils im Januar und endet<br />
im Dezember. Er wird an 20 Nachmittagen, freitags<br />
von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr mit sechs Unterrichtsstunden<br />
durchgeführt. Der Gesamtumfang<br />
beträgt 120 Unterrichtsstunden. Unter dem Motto<br />
„Lehren vor Ort“ richten sich die Unterrichtsinhalte<br />
entsprechend dem Jahresablauf nach dem<br />
Vegetationsstand der landwirtschaftlichen Kulturen.<br />
Ergänzt wird das Angebot durch Unterrichtseinheiten<br />
in der tierischen Erzeugung, der Vermarktung,<br />
der Betriebswirtschaft und der rechtlichen<br />
Grundlagen. Zur Abrundung und um dem<br />
ganzheitlichen Ansatz gerecht zu werden, werden<br />
einzelne Themenbereiche, wie der Anbau von Leguminosen,<br />
Bodenfruchtbarkeit, Unkrautbekämpfung<br />
oder Bodenbearbeitung in gesonderten<br />
Einheiten vertieft behandelt. Im ökologischen<br />
Anbau ist die Direktvermarktung von besonderer<br />
Bedeutung. Daher werden den Teilnehmern auch<br />
in Sonderkulturen wie Obstbau oder Gemüsebau<br />
die Grundlagen vermittelt.<br />
Zusammenarbeit mit Praxisbetrieben<br />
Entscheidend für das Gelingen einer ökologischen<br />
Produktion ist es, die Produktionstechnik<br />
entsprechend den betriebsindividuellen Bedürfnissen<br />
zu gestalten. Der Erfahrungsaustausch mit<br />
Praktikern der ökologischen Wirtschaftsweise<br />
steht deshalb im Mittelpunkt. Die Unterrichtseinheiten<br />
werden in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen<br />
Betrieben gestaltet. Sie sind in drei<br />
Blöcke geteilt. Zu Beginn einer Unterrichtseinheit<br />
erarbeiten die Teilnehmer mit den Lehrern die<br />
theoretischen Grundlagen des Themas. Im Anschluss<br />
daran stellt ein Betriebsinhaber seinen Betrieb<br />
und seine persönlichen Erfahrungen im ökologischen<br />
Anbau vor. Abgeschlossen wird das<br />
Unterrichtsthema mit einer Beurteilung der praktischen<br />
Umsetzung vor Ort auf dem Betrieb.<br />
ist es für die Teilnehmer<br />
nicht von entscheidender<br />
Bedeutung Grundlagen<br />
über die Pflanzenproduktion<br />
oder die Tierhaltung<br />
zu erarbeiten. Entscheidender<br />
ist es, Unterschiede<br />
zwischen konventioneller<br />
und ökologischer Produktionsweise<br />
herauszustellen.<br />
Besonders bei der Beurteilung<br />
der praktischen Umsetzung<br />
auf den Betrieben<br />
wird deutlich, dass die biologischen<br />
und naturräumlichen<br />
Zusammenhänge<br />
für Entscheidungen bei<br />
der ökologischen Produktion<br />
ausschlaggebend sind.<br />
So sind z. B. bereits bei der<br />
Festlegung der Kultur,<br />
welche auf einem bestimmten<br />
Schlag angebaut<br />
werden soll, das Samenpotential<br />
von Wildkräutern<br />
im Boden, die Bodenverhältnisse<br />
und die Entwicklung<br />
der Wildkräuter im<br />
Verhältnis zur Kulturpflanze<br />
von Bedeutung,<br />
um die Bestände mit Hackmaschinen<br />
oder Striegeln<br />
unkrautfrei halten zu können.<br />
„Eine Norm gibt es nicht, jeder muss seine eigenen<br />
Erfahrungen machen. Der eine striegelt so,<br />
der andere so, nach 10 Jahren weiß man das.“ Dies<br />
war die Aussage eines Praktikers zur Unkrautbekämpfung<br />
im ökologischen Anbau in Bezug auf<br />
den Einsatz von Herbiziden im integrierten Pflanzenbau.<br />
Auch die Teilnehmer lassen erkennen,<br />
dass sich durch den Erfahrungsaustausch die Betrachtungsweisen<br />
zur Produktion von landwirtschaftlichen<br />
Produkten ändern.<br />
Hackmaschine zur Unkrautbekämpfung in<br />
Reihenkulturen<br />
Mais nach der Unkrautbekämpfung mit<br />
Hackmaschine<br />
Bisherige Erfahrungen<br />
Die Durchführung des Kurses hat bisher gezeigt,<br />
dass der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern<br />
und den Betriebleitern das Kernelement<br />
des Kurses ist. Da <strong>als</strong> Zulassungsvoraussetzung<br />
landwirtschaftliche Kenntnisse erforderlich sind,<br />
Kursstart im Januar 2014<br />
Im Herbst 2013 soll ein erneuter Kurs „Zusatzqualifikation<br />
ökologischer Landbau“ ausgeschrieben<br />
werden. Teilnehmen können Personen, die<br />
einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften<br />
oder eine landwirtschaftliche Ausbildung nachweisen<br />
können. Der Kurs startet im Jan. 2014. •<br />
Georg Schmitt<br />
LRA Rems-Murr-Kreis<br />
Tel. 07191/ 895-4227<br />
g.schmitt@rems-murrkreis.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
79
Beratung und Bildung<br />
Katja Beutel<br />
Kongress Europäische Innovationspartnerschaften in der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> in Hohenheim<br />
Netzwerke und Innovationen im Fokus<br />
Auf Einladung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg<br />
(MLR) fand am 16. Juli 2013 im Schloss der Universität Hohenheim der Kongress „Europäische<br />
Innovationspartnerschaften (EIP) in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ statt.<br />
EIP Kongress im Schloss der<br />
Universität Hohenheim<br />
Bild: Hr. Riedlberger, MLR<br />
Der Kongress war bundesweit einer der ersten<br />
Veranstaltungen zu diesem Thema. Die Veranstaltung<br />
hatte zum Ziel, darüber zu informieren,<br />
was die EU mit der EIP „Produktivität und<br />
Nachhaltigkeit in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ erreichen<br />
will und welche Chancen sich in diesem Zusammenhang<br />
für Baden-Württemberg bieten.<br />
Projekte im Rahmen der EIP „Produktivität und<br />
Nachhaltigkeit in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ können in<br />
der neuen Förderperiode 2014-2020 im Zuge der<br />
Kofinanzierung mit Mitteln des Europäischen<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>sfonds für die Entwicklung des<br />
ländlichen Raums (ELER) gefördert werden. Die<br />
konkrete Umsetzung befindet sich in Baden-<br />
Württemberg in der Planungsphase.<br />
EIP soll Brücken schlagen<br />
Die EIP „<strong>Landwirtschaft</strong>liche Produktivität und<br />
Nachhaltigkeit“ ist eine von vier Innovationspartnerschaften,<br />
die durch die EU initiiert worden<br />
sind. So gibt es darüber hinaus Innovationspartnerschaften<br />
zu den Themenbereichen „Aktives<br />
und gesundes Altern“, „Wasser“ und „Rohstoffe“.<br />
Im Fall der EIP „<strong>Landwirtschaft</strong>liche Produktivität<br />
und Nachhaltigkeit“ sind es die Landwirte,<br />
Wissenschaftler und Berater und weitere Akteure<br />
eines Innovationszyklus, zwischen denen eine<br />
Brücke geschlagen werden soll. Ziel ist dabei, den<br />
Wissenstransfer zwischen den genannten Personengruppen<br />
zu fördern, um Innovationen in der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> anzuregen und voranzutreiben.<br />
Diese Gruppen werden <strong>als</strong> sogenannte „operationelle<br />
Gruppen“ bezeichnet und sind Kernelement<br />
der EIP.<br />
Auf EU-Ebene wird eine EIP-Vernetzungsstelle<br />
eingerichtet. Die Aufgabe der deutschen EIP-<br />
Vernetzungsstelle soll von der Bundesanstalt für<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> und Ernährung (BLE) in Bonn<br />
wahrgenommen werden.<br />
Innovationen unter dem<br />
Gesichtspunkt von Nachhaltigkeit<br />
und Ressourceneffizienz<br />
Nach dem Grußwort von Prof. Dr. sc. agr. Stephan<br />
Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim,<br />
zu Beginn des Kongresses, stellte Ministerialdirektor<br />
Wolfgang Reimer (MLR) in seinem<br />
Vortrag dar, welche Themenbereiche für die EIP<br />
in Frage kommen könnten.<br />
Reimer informierte, dass es in der EIP um Innovationen<br />
zur Produktivitätssteigerung in der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> unter dem Gesichtspunkt der<br />
Nachhaltigkeit geht. Die <strong>Landwirtschaft</strong> steht vor<br />
großen Herausforderungen. Der Klimawandel<br />
macht Anpassungen erforderlich. Die Ressourcen<br />
sind begrenzt. Reagieren muss die <strong>Landwirtschaft</strong><br />
auch auf steigende Energiekosten. Darüber hinaus<br />
bestehen gesellschaftliche Erwartungen an<br />
Natur-, Umwelt und Tierschutz.<br />
Baden-Württemberg ist ein sehr innovationsfreudiges<br />
Land. Institutionell ist das Land gut aufgestellt<br />
mit Hochschulen, Vermarktungseinrichtungen<br />
und Fachverbänden.<br />
„Die Europäische Union ermöglicht im Rahmen<br />
des ELER, Vernetzungen zu stimulieren und zu<br />
optimieren. Dies soll in Baden Württemberg aufgriffen<br />
werden“, so Wolfgang Reimer in seinen<br />
Ausführungen.<br />
80 Landinfo 4 | 2013
Beratung und Bildung<br />
Referenten aus EU, dem Bund und<br />
aus Forschung und Praxis<br />
Dr. Martin Scheele (Referatsleiter, GD Agri EU<br />
Kommission, Brüssel) informierte aus Sicht der<br />
EU zu den Hintergründen der EIP.<br />
Hinter der Strategie der EU steht das praktische<br />
Problem, das Wissen - sei es nun auf Seiten der<br />
Praxis und/ oder auf Seiten der Wissenschaft -<br />
oftm<strong>als</strong> bereits vorhanden ist, es aber am Austausch<br />
zwischen Wissenschaft und Praxis hapert.<br />
Dies kann verschiedene Gründe haben, z.B. bestehende<br />
Berührungsängste, manchmal fehlt aber<br />
auch schlichtweg die Kenntnis darüber, wer der<br />
richtige Ansprechpartner sein könnte. Hier setzt<br />
die EIP an, mit der eine Plattform für den Wissensaustausch<br />
geschaffen werden soll.<br />
Weiterer Referent war Dr. Hanns-Christoph Eiden<br />
(Präsident, Bundesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong><br />
und Ernährung, Bonn). Eiden stellte dar, wie die<br />
weitere Vernetzung der operationellen Gruppen<br />
auf Bundes- und EU-Ebene geplant ist. Ziel sei<br />
es, aus dem Wissen einzelner operationeller Gruppen<br />
weiteren Nutzen zu ziehen. Er appellierte an<br />
alle Beteiligten, sich aktiv am Aufbau der Strukturen<br />
zu beteiligen: „Erfolgreiche EIP´s sind kein<br />
Selbstläufer. Erfolg bedarf einer hohen Kooperationsbereitschaft<br />
und klarer Vorgaben für die<br />
Struktur der Partnerschaft. Es gilt die Chance zu<br />
sehen, die in einer intensiven Zusammenarbeit<br />
und Vernetzung liegt: Die Chance des Teilens von<br />
Wissen und Erfahrung“, so Eiden in seinen Ausführungen.<br />
Prof. Dr. Enno Bahrs (Universität Hohenheim<br />
Fachgebietsleiter <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Betriebslehre,<br />
Stuttgart) stellte die Sicht der Wissenschaft<br />
zu EIP dar. Er betonte die Bedeutung einer stärkeren<br />
Vernetzung von Wissenschaft und <strong>Landwirtschaft</strong>,<br />
um Innovationen im landwirtschaftlichen<br />
Bereich anzuregen.<br />
Hansjörg Schrade (Direktor des Bildungs- und<br />
Wissenszentrum Boxberg) informierte darüber,<br />
welche Schwerpunktthemen in der Schweinehaltung<br />
für die EIP eine Rolle spielen könnten. Ein<br />
Themenbereich der Forschung und Entwicklung<br />
könnte der Tierschutz sein, z.B. Verhinderung von<br />
Gliedmaßen- und Hautschäden. Im Bereich Umwelt-,<br />
Klima- und Verbraucherschutz stehen Themen<br />
wie Geruchsemissionen und Antibiotikaeinsatz<br />
im Blickfeld.<br />
Dr. Peter Müller (Praktischer Landwirt, Gutsverwaltung<br />
Straßenheimer Hof, Mannheim) stellte<br />
aus Sicht der Praxis den Innovationsbedarf und<br />
Vernetzungsbedarf in der <strong>Landwirtschaft</strong> dar. Im<br />
Bereich der Vermarktung ist er überzeugt, dass<br />
eine bessere Vernetzung innerhalb der Wertschöpfungskette<br />
auch zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
führen kann. Er forderte auf, Regionalität<br />
<strong>als</strong> Geschäftsmodell stärker zu nutzen.<br />
Dr. Christian Eichert (Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />
ökologischer Landbau Baden-<br />
Württemberg, Esslingen) sieht die EIP <strong>als</strong> Motor<br />
ökologischer Wertschöpfungsketten. Er stellte die<br />
Innovationsfähigkeit des Ökologischen Landbaus<br />
dar und betonte, wie wichtig es sei, „Landwirte<br />
nicht nur <strong>als</strong> „Studienobjekt“ zu betrachten, sondern<br />
sie aktiv zu beteiligen.“<br />
Dipl. Ing Ulrich Nickol (Leiter Produktbereiche<br />
Futtererntemaschinen und Pressen, Firma Claas,<br />
Bad Saulgau) zeigte Entwicklungsmöglichkeiten<br />
in der Agrartechnik auf, welche auch innerhalb<br />
von operationellen Gruppen <strong>als</strong> Themenbereiche<br />
eine Rolle spielen könnten. Nickol ging auf denkbare<br />
Innovationen bei der Weiterentwicklung von<br />
Maschinen ein. Er untergliederte dabei in die Bereiche:<br />
Wachstum, Effizienz, Prozessoptimierung,<br />
Präzision und Nachhaltigkeit.<br />
Teilnehmerstruktur breit gefächert<br />
Die Veranstaltung zählte 140 Teilnehmer. Vertreten<br />
waren Teilnehmer aus Baden-Württemberg<br />
und anderen Bundesländern. Diese kamen aus<br />
landwirtschaftlichen Interessenvertretungen,<br />
wirtschaftlichen Einrichtungen, aus <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltungen,<br />
aus Universitäten und anderen<br />
Forschungseinrichtungen und aus Beratungsund<br />
Bildungseinrichtungen.<br />
Hinweis<br />
Informationen zum Kongress sind auf der Internetseite<br />
des Maßnahmen- und Entwicklungsplans<br />
Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2007-2013<br />
unter dem Menüpunkt „Weiterentwicklung 2014-<br />
2020“ https://www.landwirtschaft-bw.info/<br />
pb/,Lde/Startseite/Dienststellen/Weiterentwicklung+2014_2020<br />
abrufbar. Einsehbar sind u.a. die<br />
Präsentationen der Referenten. Ansprechpartner<br />
beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />
Baden-Württemberg ist der Leiter<br />
des Referats 28, Herr Ministerialrat Wolfgang Arnoldt,<br />
Wolfgang.Arnoldt@mlr.bwl.de. •<br />
Katja Beutel<br />
MLR Stuttgart<br />
Tel. 0711/ 126 2434<br />
Katja.Beutel@mlr.bwl.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
81
Beratung und Bildung<br />
Gisela Enderle<br />
Heiß, humorvoll, hochaktuell<br />
- die 52. IALB-Tagung<br />
IALB-Präsidentin Edda Albers mit einigen<br />
der vielen Akteure, die die IALB-Tagung 2013<br />
auf die Beine gestellt haben<br />
Bild: H. Hörl<br />
Die <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung Baden-Württemberg war Mitte Juni Gastgeberin für die 52.<br />
Jahrestagung der Internationalen Akademie land- und hauswirtschaftlicher Berater und Beraterinnen<br />
(IALB). Im AkademieHotel in Karlsruhe trafen sich rund 330 Teilnehmende aus elf Nationen, um unter<br />
dem Generalthema „Beratung zwischen einzelbetrieblichen Interessen und gesellschaftlichen<br />
Anforderungen“ fachliche und methodische Themen zu bearbeiten, aber auch die künftige Ausrichtung<br />
der Beratung und Anforderungen der EU an Beratungssysteme zu diskutieren.<br />
Die IALB-Tagung 2014<br />
findet Ende Juni in<br />
Tuhelj, Kroatien statt.<br />
Gisela Enderle<br />
LEL Schwäbisch Gmünd<br />
Tel. 07171/917-112<br />
gisela.enderle@lel.bwl.de<br />
Die Stimmung war gut in Karlsruhe, auch wenn<br />
manche Themen das internationale Publikum<br />
ebenso zum Schwitzen brachte wie die erste sommerliche<br />
Hitzewelle des Jahres. Diesen Eindruck<br />
belegt die im Nachgang durchgeführte Online-<br />
Evaluierung. Sehr gute Noten gab es von der<br />
Mehrheit der Befragten für Themenauswahl, Ablauf<br />
und die Organisation der Tagung. Das Ziel,<br />
fachliche und methodische Impulse für die eigene<br />
Arbeit mit nach Hause nehmen zu können, wurde<br />
laut fast allen Rückmeldungen erreicht. Gleichwohl<br />
wünschten sich viele Teilnehmer mehr Zeit,<br />
um bei fachlichen Fragestellungen im Rahmen der<br />
Fachforen und vor allem bei den Projekt- und<br />
Ideenbörsen noch mehr in die Tiefe und zu intensiverem<br />
Austausch mit den anderen Teilnehmern<br />
kommen zu können. Die Exkursionen, die auf<br />
sieben verschiedenen Touren die Themen der<br />
Fachforen aufgriffen, den Praxisbezug herstellten<br />
und gleichzeitig den Westen Baden-Württembergs<br />
auch von seiner gastlichen Seite her zeigten, waren<br />
wie immer auf der IALB das Herz- und Sahnestück<br />
der Tagung. Betriebsbesichtigungen, Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer und die engagierten<br />
Beratungskräfte vor Ort haben einen besonderen<br />
Eindruck hinterlassen. Kritisch diskutiert<br />
wurde schon während der Tagung die „Einmischung<br />
der EU in die Beratungslandschaft“, wie es<br />
ein langjähriger Berater empfindet. Dr. Antonia<br />
Lütteken von der EU-Kommission stellte in ihrem<br />
Vortrag, die Intention der EU dar. Die Ansicht<br />
der beiden Landwirte Niki König und Wolfgang<br />
Winterhalder, bekannt <strong>als</strong> „Bure zum Alange“,<br />
die den Verwaltungsaufwand eines über die<br />
EU geförderten Beratungssystems fürchten, regte<br />
viele zum Nachdenken an. Hervorgehoben wurde<br />
in der Evaluierung auch der Abschlussvortrag von<br />
Verena Bentele. Die blinde ehemalige Spitzensportlerin<br />
beeindruckte durch ihr unkomplizier-<br />
tes, humorvolles Auftreten ebenso sehr wie durch<br />
ihre Hauptbotschaft: Nicht nur Mut und Disziplin,<br />
sondern klare Kommunikation und Vertrauen<br />
in sich und andere braucht es, um erfolgreich zu<br />
sein – ob im Sport, in der <strong>Landwirtschaft</strong> oder in<br />
der Beratung!<br />
Wer/ was hat zum Erfolg der Tagung<br />
beigetragen?<br />
Die engagierten Kollegen/innen der Projektgruppe,<br />
die die Fachbereiche und Ebenen der<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung vertreten haben<br />
und die Inhalte und Organisation der fachlichen<br />
Programmbausteine geschultert haben.<br />
Die Unterstützung durch die Hausspitze des<br />
Ministeriums, die Abteilung <strong>Landwirtschaft</strong> und<br />
durch den Lenkungsausschuss.<br />
Das Tagungshaus und seine Mitarbeiter/innen,<br />
die serviceorientiert für den richtigen Rahmen<br />
sorgten.<br />
Die Teilnehmer/innen, die sich für die Tagung<br />
und ihre Themen öffneten und in die lebhaften<br />
Diskussionen einbrachten.<br />
Ausreichend Zeit und Gelegenheit zwischen<br />
den Programmpunkten für den Austausch der<br />
Teilnehmer/innen untereinander.<br />
Vorträge, Fotos und Presseberichte der Tagung<br />
stehen im Internet unter www.ialb-tagung2013.<br />
info zur Verfügung. In B&B-Agrar des AID wurde<br />
in den <strong>Ausgabe</strong>n 3 und 4/2013 über verschiedene<br />
Themen detailliert berichtet. •<br />
82 Landinfo 4 | 2013
Beratung und Bildung<br />
Günter Denninger<br />
Umweltbildung stärker im Lehrplan berücksichtigen<br />
Fachlehrer der Agrarwissenschaftlichen Gymnasien aus Baden-Württemberg und Sachsen trafen sich<br />
zu einer zweitägigen Fortbildung an der Bertha-von-Suttner-Schule in Ettlingen.<br />
Wie kein anderer Wirtschaftsbereich ist die<br />
Agrarwirtschaft in die dynamischen Prozesse<br />
der natürlichen Umwelt eingebunden. Dies<br />
spiegelt sich in den Inhalten und Lernzielen des<br />
Bildungsplans für das Agrarwissenschaftliche<br />
Gymnasium wieder. Themen wie natürliche Stoffkreisläufe,<br />
nachwachsende Rohstoffe, Boden,<br />
Wasser, Luft, Landschaftspflege sind bereits wesentliche<br />
Elemente des Profilbereichs. Um die<br />
Umweltbildung - wie im Aktionsplan des Landes<br />
Baden – Württembergs gefordert – weiter voran<br />
zu treiben, möchten sich die Agrarwissenschaftlichen<br />
Gymnasien noch stärker in diesem zukunftsträchtigen<br />
Bereich profilieren.<br />
Für die anstehende Neufassung der Lehrpläne<br />
entwickelten die Tagungsteilnehmer folgende<br />
Vorschläge:<br />
die Thematik „Lebensraum Boden“ wird in das<br />
Profilfach „Agrarbiologie“ integriert,<br />
verbindliches Praktikum in der Eingangsklasse,<br />
verstärkte Handlungsorientierung in den Jahrgangsstufen<br />
(Experimente, Exkursionen),<br />
nachhaltige Landbewirtschaftung u. Ökologie,<br />
nachwachsende Rohstoffe und Biogas, usw.<br />
Die Ausbildung am Agrargymnasium wird damit<br />
in Zukunft für noch mehr junge Menschen eine<br />
attraktive Bildungseinrichtung sein.<br />
An den beiden Tagen gab es einen fachlichen Input:<br />
Experten des <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Technologiezentrums<br />
(LTZ) informierten die Fachlehrer<br />
über neueste Entwicklungen bei nachwachsenden<br />
Rohstoffen. Am zweiten Tag stand ein Besuch bei<br />
der LUBW auf dem Programm. Erfreulicherweise<br />
konnten seit einigen Jahren keine gravierenden<br />
Gewässerbelastungen durch die Landbewirtschaftung<br />
nachgewiesen werden.<br />
Da sich inzwischen viele Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />
und auch die private Wirtschaft<br />
der Thematik Nachhaltigkeit und Umweltbildung<br />
annehmen, werden sich vielfältige Tätigkeitsfelder<br />
in diesem Sektor eröffnen. •<br />
Abitur am Agrarwissenschaftlichen<br />
Gymnasium (AG)<br />
Die Agrarwissenschaftlichen Gymnasium<br />
bieten für Schüler und Schülerinnen, die eine<br />
fundierte naturwissenschaftliche Grundausbildung<br />
anstreben und Interesse für agrar-<br />
und umweltbiologische Fragestellungen<br />
entwickeln, eine ausgezeichnete Möglichkeit,<br />
die allgemeine Hochschulreife zu<br />
erlangen.<br />
Aufnahmevoraussetzungen<br />
- Mittlere Bildungsabschluss<br />
- Notenschnitt: 3,0 in den Fächern<br />
Deutsch, Mathematik, Englisch<br />
Fächer<br />
1. Profilbereich: Agrarbiologie<br />
Agrar- und Umwelttechnologie<br />
2. Allgemeiner Bereich: wie in allen<br />
Beruflichen Gymnasium<br />
Inhalte im Profilbereich<br />
- Lebensraum Boden<br />
- Ernährung der Pflanzen<br />
- Ökosystem Grünland<br />
- Stickstoffkreislauf<br />
- Molekulargenetik<br />
- Tier- und Pflanzenzüchtung<br />
- Nachhaltige <strong>Landwirtschaft</strong><br />
- Luft- und Wasserqualität<br />
- Kohlenstoffkreislauf (Fotosynthese,<br />
nachwachsende Rohstoffe)<br />
- Stoffwechselvorgänge im tierischen<br />
Organismus<br />
Abschluss<br />
Allgemeine Hochschulreife<br />
Standorte<br />
Ettlingen, Nürtingen, Radolfzell,<br />
Ravensburg, Freiburg (Neu), Öhringen<br />
Felderrundgang auf den<br />
Versuchsfeldern am LTZ in<br />
Forchheim<br />
Günter Denninger<br />
Ettlingen<br />
Tel. 07243/ 500 801<br />
denninger@bvsse.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
83
Beratung und Bildung<br />
Sebastian Küwen<br />
Zu Gast im Ländle<br />
Als Referendar aus Niedersachsen zur Ausbildung an der LEL<br />
Während meines Referendariats bei der <strong>Landwirtschaft</strong>skammer Niedersachsen wurde mir, im<br />
Rahmen der an Wahlstationen stattfindenden Ausbildungsphase, der Besuch der Landesanstalt für<br />
Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der Ländlichen Räume (LEL) in Schwäbisch Gmünd – Abteilung<br />
Ländlicher Raum im Juni 2013 für vier Wochen ermöglicht.<br />
Die Zeit begann für mich mit der Teilnahme an<br />
der Ausbildungswoche „Ländlicher Raum“<br />
für die <strong>Landwirtschaft</strong>sreferendare aus Baden-<br />
Württemberg, die glücklicherweise während meines<br />
Aufenthalts an der LEL stattfand. In unseren<br />
Gesprächen wurden die Gemeinsamkeiten und<br />
Unterschiede in der Ausbildung schnell deutlich.<br />
Die zweijährige Ausbildung in Niedersachsen<br />
dauert sechs Monate länger, in der der Besuch von<br />
Wahlstationen außerhalb der Ausbildungsbehörde<br />
ermöglicht wird. In Baden-Württemberg wird dagegen<br />
während der Ausbildung ein stärkerer<br />
Schwerpunkt auf die Lehrtätigkeit gelegt.<br />
Die während der Ausbildungswoche behandelten<br />
Themen bildeten die meines Ausbildungsschwerpunktes<br />
in Niedersachsen in weiten Teilen ab, sodass<br />
ich oft Vergleiche ziehen konnte. Themen<br />
waren u.a. Agrarstruktur, Träger öffentlicher Belange,<br />
Baurecht, Immissionsschutz, Naturschutz<br />
und Landschaftspflege, Flurbereinigung und Verwaltungsrecht.<br />
Eine Besonderheit für eine zentrale<br />
Ausbildungsveranstaltung stellten für mich die<br />
zusätzlich zum theoretischen Unterricht stattfindenden<br />
Exkursionen dar. So wurden die dargestellten<br />
Inhalte in den Bereichen Baurecht, Immissionsschutz<br />
sowie Naturschutz und Landschaftspflege<br />
jeweils mit praktischen Beispielen vor Ort<br />
verbunden, was für mich zur Steigerung des Erkenntnisgewinns<br />
beigetragen hat. Sehr interessant<br />
war meine erstmalige Teilnahme an zwei Verhandlungen<br />
am Verwaltungsgericht Stuttgart zusammen<br />
mit den Referendaren Baden-Württembergs,<br />
was in einigen Punkten nachhaltig zur Belebung<br />
des im Referendariat erlernten Verwaltungsrecht<br />
beigetragen hat.<br />
Kartier-Übung im Rahmen der<br />
Fortbildung „Bewirtschaftung<br />
von artenreichem (FFH-)<br />
Grünland“<br />
84 Landinfo 4 | 2013
Beratung und Bildung<br />
Natura 2000 und <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>als</strong><br />
Themenschwerpunkt<br />
Nach der Ausbildungswoche bekam ich einen<br />
Einblick in die Arbeit der LEL in der Abteilung<br />
Ländlicher Raum. Thematischer Schwerpunkt in<br />
dieser Zeit war Natura 2000 und <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />
Bemerkenswert ist, welches Gewicht das Thema<br />
der Bewirtschaftung von FFH-Grünland in Baden-Württemberg<br />
aktuell für die damit in Berührung<br />
stehenden Akteure darstellt. In diesem Zusammenhang<br />
besonders interessant war die Teilnahme<br />
an einer gemeinsamen Fortbildung der<br />
LEL, der Landesanstalt für Umwelt, Messungen<br />
und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)<br />
und des <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Zentrums für Rinderhaltung,<br />
Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft,<br />
Wild und Fischerei Baden-Württemberg<br />
(LAZBW) am 11. und 12. Juni in Aulendorf, bei<br />
der sich Teilnehmer der Unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sund<br />
Naturschutzbehörden sowie der Landschaftserhaltungsverbände<br />
gemeinsam über praktikable<br />
Lösungen zum Erhalt von artenreichem FFH-<br />
Grünland informiert und ausgetauscht haben.<br />
In Baden-Württemberg wurden 11,6 % (414.279<br />
ha) der Landesfläche <strong>als</strong> FFH-Gebiete an die EU<br />
gemeldet und unterliegen <strong>als</strong> Teil des europäischen<br />
Schutzgebietsnetzes Natura 2000 besonderen<br />
Schutzbestimmungen nach europäischem und<br />
nationalem Recht. FFH-Grünland-Lebensraumtypen<br />
haben dabei einen Flächenumfang von ca.<br />
83.000 ha. Für die <strong>Landwirtschaft</strong> relevant ist hier<br />
insbesondere der FFH-Lebensraumtyp (LRT)<br />
„Magere Flachland-Mähwiese“ mit einem Flächenumfang<br />
von 63.390 ha. Für den Erhalt dieses<br />
oft auch <strong>als</strong> typische Blumenwiese bezeichneten<br />
Lebensraumtyps hat Baden-Württemberg eine besondere<br />
Verantwortung, da sich deutschlandweit<br />
gesehen 43,4% der Flächen in der kontinentalen<br />
Region hier befinden. Zum Vergleich: In Niedersachsen<br />
existieren laut dem Niedersächsischen<br />
Landesbetrieb für Wasser,- Küsten- und Naturschutz<br />
(NLWKN, 2011) ca. 52.000 ha FFH-Grünland-Lebensraumtypen.<br />
Davon entfallen rund<br />
7.500 ha auf den FFH-LRT Magere Flachland-<br />
Mähwiesen der kontinentalen und atlantischen<br />
Region. Um diesen Lebensraumtyp zu erhalten, ist<br />
eine extensive Bewirtschaftung nötig.<br />
Die Sicherung von FFH-Gebieten kann über verschiedene<br />
Wege erfolgen. Die Länder haben die<br />
Möglichkeit, die Gebiete hoheitlich durch Ausweisung<br />
von Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten<br />
oder auf freiwilliger Basis durch Vertragsnaturschutz<br />
zu sichern. Baden-Württemberg<br />
verfolgt vorrangig letzteren Weg, der durch die<br />
Erstellung von Managementplänen (MaP) unterstützt<br />
wird. In Niedersachsen werden vermehrt<br />
Schutzgebiete ausgewiesen. Zusätzlich zu diesem<br />
Grundschutz ist für den Erhalt und die weitere<br />
Entwicklung der Flächen der Vertragsnaturschutz<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Modell der Landschaftserhaltungsverbände<br />
Die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung<br />
zu Natura 2000-Grünland sowie an einem Treffen<br />
der Landschaftserhaltungsverbände (LEL ist koordinierende<br />
Stelle) haben mir Einblick in die Organisationsform<br />
und in die Aufgabenbereiche der<br />
sich aktuell landesweit in Baden-Württemberg<br />
etablierenden Landschaftserhaltungsverbände ermöglicht.<br />
Sehr interessant für mich war, dass die<br />
Verbände unter anderem durch die Beratung von<br />
Landwirten zu Vertragsnaturschutzmaßnahmen<br />
in Natura 2000-Gebieten neben den Unteren<br />
<strong>Landwirtschaft</strong>s- und Naturschutzbehörden ein<br />
wichtiger Baustein für die Umsetzung von Natura<br />
2000 sind. Letztlich hatte ich die Gelegenheit, die<br />
Arbeitsweise eines Landschaftserhaltungsverbandes<br />
in Bezug auf ihre Strategien zur Wiederherstellung<br />
und Entwicklung von FFH-Grünland im<br />
Rahmen der Erarbeitung eines Monitoringkonzepts<br />
zusammen mit der LEL vor Ort genauer<br />
kennenzulernen.<br />
Fazit<br />
Mein vierwöchiger Aufenthalt an der LEL hat mir<br />
vor allem einen landesweiten Überblick über die<br />
Verwaltungsstrukturen, die Ausbildung der <strong>Landwirtschaft</strong>sreferendare,<br />
die Strategien Baden-<br />
Württembergs in der Fortbildung sowie über die<br />
Umsetzung von Natura 2000 gegeben. Besonders<br />
hilfreich für mich war der stets gegebene Bezug<br />
zur Umsetzung der aktuellen Themen vor Ort.<br />
Der Besuch an der LEL <strong>als</strong> Ausbildungsstation<br />
war für mich sehr bereichernd, da ich andere<br />
Strukturen in der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung, andere<br />
Herangehensweisen in der Ausbildung sowie<br />
in der Bearbeitung fachlicher Themen kennengelernt<br />
habe. Das hat dazu beigetragen, mein Blickfeld<br />
in vielen Bereichen zu erweitern, sodass die<br />
Zeit an der LEL Schwäbisch Gmünd für mich<br />
sehr lohnenswert war. •<br />
Sebastian Küwen<br />
Hannover<br />
Tel. 0176 61700887<br />
sebastian.kuewen@<br />
lwk-niedersachsen.de<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
85
Beratung und Bildung<br />
Hans-Jörg Schleifer<br />
Ausbildertagung zum Thema „Drei Jahre Verordnung<br />
„Milchtechnologe/ Milchtechnologin“<br />
Zur diesjährigen Ausbildertagung trafen sich auf Einladung der milchwirtschaftlichen<br />
Ausbildungsberatung am 10. und 11. April über 30 Ausbilderinnen und Ausbilder aus Nordrhein-<br />
Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg am <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Zentrum<br />
Baden-Württemberg Milchwirtschaft Wangen im Allgäu (LAZBW).<br />
Teilnehmer der<br />
Ausbildertagung 2013<br />
Bild: LAZBW<br />
Im Mittelpunkt der Tagung stand die<br />
Verordnung über die Berufsausbildung<br />
zum Milchtechnologen/zur Milchtechnologin,<br />
welche im April 2010 im Bundesgesetzblatt<br />
veröffentlicht wurde. Da<br />
nun der erste komplette Jahrgang nach<br />
dieser Verordnung geprüft wird, haben<br />
die Ausbilder und Ausbilderinnen der<br />
Betriebe und des LAZBW sowie die<br />
Lehrkräfte der Berufsschule (Friedrich-<br />
Schiedel-Schule) Ihre Erfahrungen ausgetauscht.<br />
Hans-Jörg Schleifer<br />
LAZBW Wangen<br />
Tel. 07522/ 9312-160<br />
hans-joerg.schleifer@<br />
lazbw.bwl.de<br />
Für die Ausbilder und Ausbilderinnen<br />
hat sich an den fachlichen Anforderungen gegenüber<br />
dem Molkereifachmann nichts Wesentliches<br />
geändert. Allerdings fordert die neue Verordnung<br />
wesentlich mehr Prozessorientierung und Handlungskompetenz.<br />
Dies bedeutet nach der Definition<br />
der Kultusministerkonferenz „die Fähigkeit<br />
des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen<br />
und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht,<br />
sowie individuell und sozial verantwortlich<br />
zu verhalten“, so fordert sie von den Auszubildenden<br />
ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Selbstdisziplin<br />
und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Von<br />
einem Milchtechnologen bzw. einer Milchtechnologin<br />
wird erwartet, einen Produktionsprozess<br />
von Anfang an bis zum Endprodukt zu planen,<br />
durchzuführen und zu kontrollieren. Darüber hinaus<br />
muss das Endprodukt bewertet und das eigene<br />
Handeln im Prozess beurteilt werden. Mit diesen<br />
gestiegenen Anforderungen, so waren sich die<br />
Ausbilderinnen und Ausbilder und alle Lehrkräfte<br />
einig, sind einige Hürden für ein erfolgreiches Ablegen<br />
der Prüfung hinzugekommen.<br />
Eindrucksvoll demonstrierten die Lehrkräfte der<br />
Berufsschule anhand eines überdimensionalen<br />
Plakats beispielhaft die Umsetzung der Handlungsorientierung<br />
im Unterricht. Mit der Reform<br />
der Ausbildungsverordnung wurde auch der Rahmenlehrplan<br />
geändert, mit der Folge, dass es keine<br />
klassische Fächeraufteilung mehr gibt. Vielmehr<br />
werden nun alle Inhalte des Unterrichts in 12 sogenannte<br />
Handlungsfelder aufgeteilt, mit dem<br />
Ziel einer stärkeren Vernetzung der Bildungsbausteine<br />
und somit einer leichteren Wissensvermittlung<br />
und Handlungsorientierung. Mehrere Lehrkräfte<br />
unterrichten gemeinsam innerhalb eines<br />
Lernfeldes. Dies erhöht zwar den Zeitaufwand für<br />
Kommunikation und Koordination. Doch die gestiegene<br />
Qualität rechtfertige dies, so die einhellige<br />
Meinung der Lehrkräfte.<br />
Weitere Themen waren: Änderungen der Ausbildungsnachweise,<br />
die aktuelle Unterrichtssituation<br />
an der Friedrich-Schiedel-Schule insgesamt und<br />
deren künftige organisatorische Entwicklung sowie<br />
die geplante Neuordnung des Berufs „Milchwirtschaftlicher<br />
Laborant/Milchwirtschaftliche<br />
Laborantin“. Auch hier wird nach den Entwürfen<br />
der Verordnung und des Rahmenlehrplans ebenfalls<br />
die Handlungskompetenz im Vordergrund<br />
stehen. Wird der Zeitplan der Neuordnung eingehalten,<br />
so tritt die Verordnung zum neuen Ausbildungsjahr<br />
(1. August 2013) in Kraft. •<br />
86 Landinfo 4 | 2013
Aus den Landesanstalten<br />
Dr. Andrea Jonitz, Prof. Dr. Norbert Leist<br />
140 Jahre Saatgutprüfung in Augustenberg, Karlsruhe<br />
Der Anbauerfolg eines Landwirts hängt heute wie vor 140 Jahren vom Einsatz qualitativ hochwertigen<br />
Saatguts ab. Aufgrund der Zustände in der <strong>Landwirtschaft</strong> um 1850 (SCHMIDT 1997, STEINER 2001, JONITZ<br />
und LEIST 2009) waren Ernährungssicherung und Verbraucherschutz die Triebfedern für den<br />
Centralausschuss des landwirtschaftlichen Vereins im Großherzogtum Baden, um am 16. Januar 1872<br />
die Errichtung der weltweit dritten Samenprüfungs-Anstalt zu beschließen. Dr. Leopold Just, Dozent<br />
für Agriculturchemie und Pflanzenphysiologie am Polytechnicum in Karlsruhe wurde <strong>als</strong> Vorstand<br />
bestimmt mit dem Ziel „landwirtschaftliche Sämereien auf ihre Reinheit und Keimfähigkeit zu<br />
untersuchen und die Landwirte beim Bezug von Sämereien vor Schaden, der ihnen durch<br />
nichtkeimfähige oder verfälschte Ware erwachsen kann, zu bewahren“. 1878 beteiligten sich bereits 24<br />
Saatgutprüfstellen an der Erstellung einheitlicher Prüfmethoden.<br />
Den Forderungen der Zeit entsprechend befassten<br />
sich Just und seine Nachfolger nicht<br />
nur mit der Saatgutprüfung im engeren Sinne,<br />
sondern mit allen aus der <strong>Landwirtschaft</strong> an sie<br />
herangetragenen Problemen, dem Versuchswesen,<br />
neuen Kulturarten, Pflanzenkrankheiten und<br />
Pflanzenschutz, wobei Rebe und Tabak dam<strong>als</strong> an<br />
erster Stelle standen.<br />
Unter dem Großherzog von Baden, der von den<br />
hervorragenden Arbeiten zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong><br />
überzeugt war, übernahm der Staat Baden<br />
am 8. Mai 1884 die Samenprüfungsanstalt von<br />
der privaten Trägerschaft und benannte sie „Pflanzenphysiologische<br />
Versuchsanstalt“. 1901 erfolgte<br />
so dann die Zusammenlegung derselben mit der<br />
landwirtschaftlichen Chemie in Karlsruhe <strong>als</strong><br />
„Großherzoglich badische landwirtschaftliche<br />
Versuchsanstalt“ im Schloss Augustenburg und<br />
1907 im bekannten Neubau auf dem Augustenberg,<br />
wobei die Saatgutprüfstelle wegen ihrer vielfältigen,<br />
weit über das Saatgut hinausgehenden<br />
Untersuchungen 1918 in „Botanische Abteilung“<br />
umbenannt wurde.<br />
Beginnend mit der maßgeblichen Beteiligung an<br />
der Gründung des VDLUFA (1888) und dem<br />
Vorläufer der Fachgruppe Saatgut (1893) war die<br />
Mitgliedschaft und Mitarbeit des Referates Saatgut<br />
in der internationalen Vereinigung für Saatgutprüfung,<br />
der ISTA, ab 1926 stets selbstverständlich.<br />
So hatte Bernhard Schmidt für 15 Jahre den Vorsitz<br />
in der Fachgruppe Saatgut des VDLUFA inne,<br />
gefolgt von Leist, der 25 Jahre im Vorstand aktiv<br />
Name<br />
Dienstzeit<br />
Prof. Dr. Leopold Just 1872 - 1891<br />
Prof. Dr. Ludwig Klein 1891 - 1901<br />
Dr. Claus v. Wahl 1901 - 1929<br />
Dr. Georg Claus 1929 - 1943<br />
Prof. Dr. Hans Kummer 1943 - 1968<br />
Dr. Bernhard Schmidt 1968 - 1991<br />
Prof. Dr. Norbert Leist 1992 - 2007<br />
Dr. Andrea Jonitz 2007 -<br />
Tabelle 1<br />
Vorstände der<br />
Saatgutprüfstelle und ihre<br />
Dienstzeiten<br />
Der erste Vorstand der<br />
Saatgutprüfstelle<br />
Prof. Dr. Leopold Just<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
87
Verwaltung aktuell<br />
Tabelle 2<br />
Anzahl der<br />
Untersuchungsproben<br />
Jahr<br />
Probenzahl<br />
1934 401<br />
1940 1.248<br />
1944 3.220<br />
1945 423<br />
1950 3.787<br />
1960 4.407<br />
1970 2.946<br />
1973 7.424<br />
1980 9.330<br />
1990 11.782<br />
2000 7.172<br />
2010 8.912<br />
war und Frau Jonitz, die seit 2007 diese Funktion<br />
übernommen hat.<br />
Ebenso war Bernhard Schmidt von 1986-1992 in<br />
der ISTA im Vorstand und zugleich <strong>als</strong> Mitglied in<br />
den Komitees für Reinheit, Gesundheit und Vergleichsuntersuchungen<br />
aktiv.<br />
Norbert Leist arbeitete in den Komitees für Reinheit,<br />
Echtheit, Gehölz- und Blumensaatgut sowie<br />
im Vorschriften Komitee. Auf seine Initiative hin<br />
wurde in der ISTA 2001 das heutige GVO Komitee<br />
gegründet und bis 2007 von ihm geleitet. Höhepunkt<br />
war seine Präsidentschaft der ISTA von<br />
2000-2004.<br />
Herr Rainer Knoblauch, Biologielaborant, baute<br />
<strong>als</strong> Leiter das Echtheitskomitee von 2001 bis 2007<br />
mit neuen Impulsen auf und gehörte diesem bis<br />
2013 <strong>als</strong> Mitglied an. Frau Stefanie Krämer, Biologielaborantin<br />
ist seit 2004 Leiterin des Tetrazolium<br />
Komitees und zugleich Mitglied in den Komitees<br />
für Gehölz-und Blumensaatgut. Schließlich ist<br />
Frau Andrea Jonitz seit 2007 Mitglied in den Komitees<br />
für Reinheit und Keimfähigkeit und seit<br />
2010 im GVO Komitee, hier zuständig für die<br />
regelmäßigen Proficiency Tests.<br />
Zusätzlich sei das Deutsche Maiskomitee (DMK)<br />
genannt in dem sich aufgrund der Bedeutung für<br />
das Bundesland Baden-Württemberg alle Leiter<br />
der Saatgutprüfstelle bis heute in leitenden Positionen<br />
engagieren. Die Ausbildung und Fortbildung<br />
von Biologielaboranten sowie Stipendiaten<br />
und Gastwissenschaftlern aus aller Welt am Augustenberg<br />
(1995 – 2005: 64) ist besonders zu erwähnen.<br />
Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Universitäten,<br />
Kolleganstalten im In- und Ausland und der<br />
Saatgutwirtschaft zeigt anhand von 62 Diplom-,<br />
15 Staatsexamensarbeiten und 5 Promotionen in<br />
den letzten 50 Jahren, dass hier Forschung und<br />
Lehre zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong> betrieben<br />
wird. Oftm<strong>als</strong> mit Preisgeldern ausgezeichnete<br />
Arbeiten mündeten in Publikationen und Vorträge<br />
über die Kulturarten Hafer und Mais, Samenmorphologie,<br />
Besatz im Saatgut, Keimfähigkeit,<br />
Lebensfähigkeit mittels Tetrazolium, Triebkraft,<br />
Echtheit, Elektrophorese, Gesundheit, GVO Untersuchungen<br />
mittels PCR sowie Besonderheiten<br />
der Samenbiologie.<br />
Im Jahre 1973 wurde sodann die Saatgutuntersuchung<br />
von Württemberg und Baden in Karlsruhe<br />
zusammengeführt (Tab. 1). Dies bedeutete neben<br />
einem erhöhten Untersuchungsvolumen auch die<br />
Einarbeitung in neue Arbeitsfelder wie die Untersuchung<br />
von Gehölzsaatgut.<br />
Das Artenspektrum umfasst seit jeher sowohl<br />
landwirtschaftliche und gärtnerische Kulturarten<br />
<strong>als</strong> auch Gehölze, Heil-, Zier- und Gewürzpflanzen,<br />
die mit dem <strong>gesamte</strong>n Methodenspektrum<br />
der ISTA bearbeitet werden können. Dafür bei<br />
der ISTA akkreditiert ist die Saatgutprüfstelle seit<br />
1999.<br />
Arbeitsgebiete über die Jahre<br />
Berichtete Leopold Just in den frühen Jahren über<br />
Ambrosia artemisiifolia in Saatgut, bearbeitete Probleme<br />
mit Orobanche, Cuscuta, Hederich, Flughafer<br />
und Wachtelweizen, so waren es 1936 der Leinlolch<br />
und das Unkrautlieschgras und 1977 wieder<br />
der Flughafer. Hier gelang es die Probleme bezüglich<br />
der Beurteilung und Bewertung von „Auskreuzungen“<br />
(Bastarden, Fatuoiden) durch intensive<br />
mehrjährige Arbeiten mit modernen Methoden<br />
auf genetischer und biochemischer Basis<br />
endgültig zu lösen.<br />
88<br />
Landinfo 4 | 2013
Verwaltung aktuell<br />
Neben Hafer und Gemüse galt die besondere Aufmerksamkeit<br />
dem Hybridsaatmais <strong>als</strong> der Sonderkultur<br />
in Südbaden, wovon über 30 Arbeiten berichten.<br />
Gab es bis 1958 in der hiesigen Saatmaisvermehrung<br />
vor allem den „Gelben badischen<br />
Landmais“, so traten mit der Einführung der<br />
Hybrid-Saatgut Vermehrung neue Probleme auf.<br />
Diese konnten dank guter Personalausstattung ab<br />
1977 umfangreich bearbeitet werden. Eine Ernteund<br />
Aufbereitungsbegleitende Probenahme gefolgt<br />
von Laboruntersuchungen über die ganze<br />
Methodenpalette wurde über vier Jahre an mehr<br />
<strong>als</strong> zehn Hybridsorten durchgeführt. Dadurch gelang<br />
es die qualitätsrelevanten Bearbeitungsschritte<br />
und die Ursachen für Qualitätsminderung zu<br />
erkennen sowie Handlungsanleitungen zur Verbesserung<br />
der Saatgutqualität abzuleiten und damit<br />
Empfehlungen für den geplanten Bau eines<br />
neuen Mais-Aufbereitungswerkes zu geben.<br />
Neben anderem wurde 1978 gemeinsam mit den<br />
Saatgutlaboren von Speyer, München und den Firmenlaboren<br />
von KWS und Strube ein Kalttest für<br />
die Triebkraftprüfung bei Mais entwickelt, sowie<br />
1987 die Feststellung der genetischen Qualität bei<br />
Hybridsaatmais mittels Elektrophorese der Kornproteine<br />
ermöglicht. Das Jahr 2008 forderte jüngst<br />
einen unerwarteten Einsatz, <strong>als</strong> Beizmittel durch<br />
widrige Umstände bei der Aussaat Hybridmais<br />
solche Probleme auslösten, dass die Saatgutprüfung<br />
gefragt war den Heubachtest zur Kontrolle<br />
der Beizqualität einzuführen.<br />
Auch am Thema Keimfähigkeit wurde seit 1872<br />
bis heute ununterbrochen gearbeitet, so zum Beispiel<br />
über die Wirkung der Wärme auf die Keimfähigkeit<br />
der Samen 1876 und Keimfähigkeitsverluste<br />
bei Hybridsaatmais 1978. Für den Zwiebelanbau<br />
wurde 2004 ein Triebkrafttest etabliert,<br />
woraufhin der Verband Dt. Speisezwiebel e.V.<br />
Augustenberg <strong>als</strong> Referenzlabor benannte. In<br />
mehreren Arbeiten wurde ab 2005 dem Einfluss<br />
von Insektiziden auf die Lagerfähigkeit des Saatguts<br />
verschiedener Kulturpflanzen nachgegangen.<br />
Reinheitsuntersuchung von<br />
Getreidesaatgut,<br />
LTZ Augustenberg<br />
Keimfähigkeitsprüfung bei<br />
Maissaatgut,<br />
LTZ Augustenberg<br />
Sortenbestimmung durch<br />
Elektrophorese der<br />
Samenproteine,<br />
LTZ Augustenberg<br />
Nachdem 2002 ein Forstvermehrungsgutgesetz<br />
erlassen worden war, wurde Augustenberg <strong>als</strong> drittes<br />
Labor für diese Untersuchungen akkreditiert<br />
und zugleich gefragt, seine Erfahrungen in der<br />
Prüfung der Lebensfähigkeit mittels Tetrazoliumsalzen<br />
auf Veranstaltungen der Klenganstalten<br />
national wie international einzubringen. Nach der<br />
Übernahme der Gehölzsaatgutprüfung von der<br />
Universität Hohenheim 1973, wurden zahlreiche<br />
Arbeiten zu mehr <strong>als</strong> 25 verschiedenen Arten<br />
durchgeführt. So entstanden während der neunjährigen<br />
Leitung des Tetrazolium Komitees durch<br />
Norbert Leist, heute Stefanie Krämer, zwei ISTA<br />
Handbücher mit inzwischen über 250 Arten.<br />
Weltweit wurden 10 einwöchige Workshops zum<br />
Training der Methode durchgeführt und 11 umfangreiche<br />
Diplomarbeiten sowie zahlreiche Ringversuche<br />
wurden angefertigt.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Gesundheitsprüfung<br />
von Saatgut, die seit jeher aber insbesondere<br />
nach der Novellierung des Pflanzen-<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
89
Verwaltung aktuell<br />
Dr. Andrea Jonitz<br />
LTZ Augustenberg<br />
Tel. 0721/ 9468 150<br />
andrea.jonitz@ltz.bwl.de<br />
Prof. Dr. Norbert Leist<br />
Bad Schönborn<br />
Tel. 07253/ 33434<br />
norbert.leist@partner.kit.<br />
edu<br />
schutzgesetzes 2001, sowie der Ausweitung des<br />
ökologischen Landbaus intensiv verfolgt wurde<br />
und in über 20 Arbeiten zur Gesundheitsprüfung<br />
dokumentiert ist. Darunter fanden sich wegweisende<br />
Arbeiten über die Verbreitung der Getreidekrankheiten<br />
in Baden sowie über Pathogene und<br />
fakultativ pathogene samenbürtige Pilze auf Saatgetreide<br />
aus Baden-Württemberg, ihre Biologie,<br />
die Befallssituation und Konsequenzen. Gerade<br />
im Ökologischen Landbau ist die Bestimmung des<br />
Gesundheitszustandes ebenso wie bei Partien von<br />
Gemüsesaatgut äußerst dringend und drängend.<br />
So sind im Referat Saatgut heute 31 Arten von<br />
Kulturpflanzen und 70 pilzliche Pathogene mit<br />
Standardarbeitsanweisungen im akkreditierten<br />
Bereich untersuchbar.<br />
Besondere Beachtung verdient der mit dem züchterischen<br />
Fortschritt einhergehende stetige Ausbau<br />
der Echtheitsprüfung von Art, Sorte und Hybriden,<br />
ein Gebiet, auf dem das Labor nach Einführung<br />
der Routine in der Protein-Analytik 1987<br />
europaweit <strong>als</strong> Kompetenzzentrum gesehen wird.<br />
Waren es bei Leopold Just die Herkunft von Rotklee<br />
und Luzerne, später die Unterscheidung von<br />
Raps und Rübsen, so führte die Bearbeitung des<br />
Flughaferproblems von der Morphologie zur Methode<br />
der Elektrophorese.<br />
Einen weiteren Meilenstein stellt der erfolgreiche<br />
Aufbau eines DNA Labors 2001 dar, das <strong>als</strong> 3.<br />
ISTA Labor weltweit für GVO Untersuchungen<br />
akkreditiert wurde. Regelmäßig werden hier die<br />
Inzuchtlinien zur Produktion von Hybridsaatmais<br />
sowie stichprobenartig das importierte Mais- und<br />
Rapssaatgut im Rahmen des Saatgutmonitorings<br />
auf den Gehalt an gentechnisch veränderten Samen<br />
untersucht.<br />
Der von der ISTA für die GVO Untersuchung<br />
neu eingeführte „performance based approach“<br />
in dem jedes Labor seine Leistungsfähigkeit in<br />
Vergleichsuntersuchungen nachweisen muss, bedarf<br />
der regelmäßigen Durchführung solcher<br />
Ringversuche. Hier übernahm Augustenberg von<br />
der 4. Runde an die Verantwortung für die <strong>gesamte</strong><br />
Probenvorbereitung und den Versand. Das bedeutet<br />
die Organisation von bislang 15 ISTA<br />
GVO Vergleichsuntersuchungen mit jeweils bis zu<br />
30 Einzelproben für 60-80 Labore weltweit.<br />
Ausblick<br />
Nachdem das Land Baden 1884 die Saatgutprüfung<br />
vom privaten landwirtschaftlichen Verein<br />
übernommen hatte, erkennen wir heute den Trend<br />
zur Privatisierung und Aufgabenreduzierung. Die<br />
Verantwortung für eines unserer höchsten Güter,<br />
das Saatgut, wird nicht mehr unbedingt beim Staat<br />
gesehen, sondern zunehmend in der privaten<br />
Hand. Interessanterweise wird gleichzeitig jedoch<br />
die Lebensmittelkontrolle stark ausgeweitet. Bisher<br />
hat die Saatgutprüfstelle Augustenberg die<br />
Belange aller an der Saatgutwirtschaft Beteiligten<br />
zuverlässig und zufriedenstellend bearbeitet und<br />
sich an nationalen sowie internationalen Aufgaben<br />
erfolgreich beteiligt. Die Zukunft der Saatgutprüfung<br />
in Baden-Württemberg wird davon abhängen,<br />
ob die agrarpolitischen Ziele des Landes Baden-Württemberg<br />
konsequent umgesetzt werden<br />
können (HABER, 2009):<br />
Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen<br />
<strong>Landwirtschaft</strong> durch anwendungsorientierte<br />
Forschungsarbeiten und Sicherung des vorbeugenden<br />
Verbraucherschutzes sowie die Weiterentwicklung<br />
einer nachhaltigen landwirtschaftlichen<br />
Produktion und eine Fortführung der<br />
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Möge<br />
die Saatgutprüfung auf dem Augustenberg weiterhin<br />
erfolgreich zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong><br />
beitragen.<br />
Literaturangaben<br />
HABER, N., 2009: LTZ Augustenberg – 150 Jahre<br />
Agrarforschung in Karlsruhe – Augustenberg:<br />
Einführung. Festschrift: 150 Jahre Agrarforschung<br />
auf dem Augustenberg 1859 - 2009. <strong>Landwirtschaft</strong>liches<br />
Technologiezentrum Augustenberg,<br />
Neßlerstrasse 23-31, 76227 Karlsruhe<br />
JONITZ, A., LEIST, N., 2009: Saatgutuntersuchung<br />
und angewandte Botanik. Festschrift: 150 Jahre<br />
Agrarforschung auf dem Augustenberg 1859 -<br />
2009. <strong>Landwirtschaft</strong>liches Technologiezentrum<br />
Augustenberg, Neßlerstrasse 23-31, 76227 Karlsruhe<br />
SCHMIDT, B., 1997: Zur Entwicklung der Saatgutprüfung<br />
an der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Untersuchungsanstalt<br />
Augustenberg im Verlauf ihrer<br />
125-jährigen Geschichte. Festschrift Saatgutprüfung<br />
1872-1997. Staatlich <strong>Landwirtschaft</strong>liche<br />
Untersuchungs- und Forschungsanstalt Augustenberg,<br />
Neßlerstrasse 23, 76227 Karlsruhe<br />
STEINER, A.M., 2001: Saatgut und Saatgutqualität<br />
<strong>als</strong> Grundlage von Nahrungsmittelversorgung<br />
und Lebensqualität. ALVA-Tagung 2001: Wolfpassing,<br />
AT, Tagungsbericht •<br />
90<br />
Landinfo 4 | 2013
Verwaltung aktuell<br />
„Eingefallen - Der Reparaturbereich“<br />
Michael Heck<br />
LVG-Praxiskurse „Sanierung von<br />
Weinbergstrockenmauern“<br />
Am 16. und 17. November 2012 fand der erste Praxiskurs „Sanierung von Weinbergstrockenmauern“<br />
unter der Leitung der LVG Heidelberg statt. Der Grundlagenkurs entstand <strong>als</strong> Folge der Praxis-<br />
Broschüre „Bau und Instandhaltung von Naturstein-Trockenmauern in terrassierten Weinbau-<br />
Steillagen“, die 2011 erschienen ist.<br />
Zweck des Kurses war, mit der Ausbildung von<br />
Multiplikatoren zu beginnen, welche die<br />
handwerklichen Fähigkeiten unserer Vorfahren<br />
erlernen, bewahren und z.B. an den Berufsnachwuchs<br />
weitergeben.<br />
11 Teilnehmer haben im Rahmen eines zweitägigen<br />
Kurses direkt in einem Weinberg bei Stuttgart-Mühlhausen<br />
die Grundlagen von Bau, bzw.<br />
Wiederaufbau einer Weinbergs-Trockenmauer,<br />
Steinbearbeitung und Hintermauerung erlernt.<br />
Der Weinberg wurde vom Verein der Weinbauern<br />
Mühlhausen zur Verfügung gestellt. Als Ausbilder<br />
konnte Martin Bücheler aus Stuttgart gewonnen<br />
werden, der mit zwei Mitarbeitern aus seinem Be-<br />
Landinfo 4 | 2013<br />
91
Verwaltung aktuell<br />
„Aufgepasst - Martin Bücheler erklärt“<br />
„Gut gelaunt - die Presse berichtete aus<br />
erster Reihe“<br />
„Konzentriert - Ecken sind<br />
eine besondere Herausforderung“<br />
„Das Kernstück - erst die Hintermauerung<br />
gibt Stabilität“<br />
Michael Heck<br />
LVG Heidelberg<br />
Tel. 06221/ 748424<br />
Michael.Heck@lvg.bwl.de<br />
trieb auch die Bereitstellung von Werkzeug und<br />
Materialien organisierte. Für den theoretischen<br />
Teil stand der Saal des Bezirksrathauses Mühlhausen<br />
zur Verfügung.<br />
Unter den Teilnehmern waren ebenso Fachkräfte<br />
aus dem Garten- und Landschaftsbau, wie auch<br />
Winzer aus den umliegenden Regionen.<br />
Das Medieninteresse war erfreulich groß. Neben<br />
der Berichterstattung in der Fach- und Tagespresse<br />
wurde auf SWR 4 eine Rundfunkreportage ausgestrahlt.<br />
Die Chefredakteurin des Fachmagazins<br />
„Rebe und Wein“ war selbst Teilnehmerin und<br />
konnte aus erster Hand berichten.<br />
Die optimalen Rahmenbedingungen und das Wetterglück<br />
waren Garant für einen erfolgreichen<br />
Kursverlauf mit zufriedenen Teilnehmern.<br />
Aufgrund der Nachfrage wurden im März und<br />
September 2013 weitere Kurse durchgeführt.<br />
Hinweis<br />
Der nächste Kurs findet am 15./16. November<br />
2013 in Stuttgart-Mühlhausen statt. Zaungäste<br />
sind herzlich willkommen.“ •<br />
92 Landinfo 4 | 2013
Fleisch - ein Stück Lebenskraft ???<br />
„Ein herausragendes Symbol für Männlichkeit<br />
ist in vielen Gesellschaften das Fleisch.<br />
Es ist wie kein anderes Nahrungsmittel<br />
von einer Aura umgeben,<br />
in der sich Macht, Stärke und Potenz<br />
zu einer quasi magischen Einheit verdichten.<br />
Diese Vorstellungen rühren vom<br />
Mythos der Einverleibung<br />
animalischer Lebenskraft her:<br />
Ein Stück Fleisch auf dem Teller bedeutet,<br />
aus dem Kampf mit der Natur<br />
<strong>als</strong> Sieger hervorgegangen zu sein“<br />
(Ulrike Setzwein, UGB)