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Landinfo<strong>Ausgabe</strong> 4 | 2013<br />

Informationen für die <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung<br />

Schwerpunktthema: Fleisch


Impressum<br />

Herausgeber<br />

Landesanstalt für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und<br />

der ländlichen Räume (LEL)<br />

Oberbettringer Str. 162<br />

73525 Schwäbisch Gmünd<br />

Telefon: 07171/ 917-100<br />

Telefax: 07171/ 917-101<br />

Schriftleitung<br />

Susanne Mezger<br />

Telefon: 07171/ 917-114<br />

E-Mail: susanne.mezger@lel.bwl.de<br />

Redaktionsbeirat<br />

Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall<br />

Gottfried Bleyer, WBI Freiburg<br />

Martina Burkhardt, RP Stuttgart<br />

Anne Spelzberg, LRA Schwäbisch Hall<br />

Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Robert Koch, LVG Heidelberg<br />

Andreas Maier, RP Karlsruhe<br />

Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis<br />

Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg<br />

Michael Asse, LSZ Boxberg<br />

Daniela Schweikhart, LRA Biberach<br />

Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg<br />

Layout und Text<br />

Ramona Maier<br />

E-Mail: ramona.maier@lel.bwl.de<br />

Hinweis<br />

Alle Artikel werden im Intranet der <strong>Landwirtschaft</strong>s verwaltung bei:<br />

online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene<br />

Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig.<br />

Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:<br />

http://landinfo.landwirtschaft-bw.de<br />

Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.<br />

Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.<br />

Druck<br />

e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh<br />

Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart<br />

Erscheinungsdatum<br />

Oktober 2013<br />

ISSN 0947-9392<br />

Titelbild:<br />

MLR Stuttgart


Editorial<br />

Landinfo 4/2013<br />

Fleisch hat in der Ernährung von Menschen seit Jahrtausenden eine Schlüsselrolle eingenommen. Die<br />

Entwicklung von Jäger und Sammler zu sesshaften Ackerbauern erfolgte zeitgleich mit der Domestizierung<br />

von Rind und Schwein zu Haustieren. Über die Haltung von Wiederkäuern konnte das für die<br />

Menschen unverdauliche Grünland genutzt werden, das global immerhin etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen<br />

Fläche einnimmt. Gleichzeitig mit der Fleischerzeugung lieferten die Haustiere Milch,<br />

Häute, Hörner, Mist <strong>als</strong> Dünger und Brennstoff, Zugkraft und, in den alten Bauernhöfen mit der Wohnung<br />

über dem Stall, auch Wärme.<br />

Fleischerzeugung und Veredlungswirtschaft haben auch heute eine große Bedeutung für die landwirtschaftlichen<br />

Betriebe in Baden-Württemberg. Denn 48 % der landwirtschaftlichen Einkommen entfallen<br />

auf diesen Bereich. In den Augen der Verbraucher und Verbraucherinnen wird jedoch die Erzeugung<br />

und der Konsum von Fleisch zunehmend kritisch gesehen. Schlagworte wie die „Kuh <strong>als</strong> Klimakiller“,<br />

„CO 2<br />

-„ und „Methanemissionen“ aus der Tierhaltung, „Gülleüberschüsse“ und „Rückstände in Fleisch“<br />

sind Anlass über die eigenen Ernährungsgewohnheiten nachzudenken und sich kritisch mit den Erzeugungsbedingungen<br />

auseinander zu setzen. Neue Tierschutzlabels für Haltungsformen, die Zunahme des<br />

Ökologischen Landbaus, aber auch eine wachsende Zahl von Vegetariern sind Resultate dieser Diskussionen.<br />

Tierhaltung und Fleischerzeugung in Baden-Württemberg haben sich in den letzten fünfzig Jahren stark<br />

gewandelt. Einem stetigen Rückgang der Rinderzahlen stehen kräftige Zunahmen im Schweinebereich<br />

gegenüber, der sich Mitte der achtziger Jahre verdoppelt hatte und heute aber wieder auf dem Ausgangsniveau<br />

liegt. Ungebremst scheint der Geflügelbereich zu wachsen, da Geflügelfleisch gegenüber Schweine-<br />

und Rindfleisch den Ruf eines gesunden, mageren Lebensmittels genießt, der in die moderne Ernährung<br />

passt.<br />

Eine aktuelle Herausforderung besteht nun darin, ein neues Gleichgewicht zu finden zwischen Tierwohl,<br />

Ökonomie, gesunder Ernährung, Klimaschutz und der Notwendigkeit Grünland und Landschaftspflegeflächen<br />

durch Tierhaltung zu nutzen und zu erhalten. •<br />

Susanne Mezger<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Tel. 07171/ 917114<br />

susanne.mezger@lel.bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt<br />

Editorial Mezger 1<br />

Aktuelles<br />

Kurz mitgeteilt 3<br />

Schwerpunktthema Fleisch<br />

Tierhaltung in Baden-Württemberg Riester 5<br />

Fleischrinder im Spannungsfeld von tiergerechter Haltung, Grünlandnutzung, Ressourceneffizienz und Emissionen Flachowsky 11<br />

Betriebscheck „Schweinemast 2013“ zeigt Probleme und hilft bei der Lösung Wolf 14<br />

Fleischqualität beim Schwein Asse 17<br />

Fleisch in der Ernährung Radke 21<br />

Orientierung beim Fleischeinkauf Schweikhard 24<br />

Mitten im Leben<br />

Ernährungsinformation Eier / Rezept Semmelmehlklößchen Czolbe 26<br />

Rezensionen 28<br />

Ländlicher Raum<br />

Runder Tisch - Gemeinsam aktiv für die Artenvielfalt Hauk 31<br />

LEL- Maps - Weit mehr <strong>als</strong> eine Karte Beck 33<br />

Betrieb und Markt<br />

Arbeitswirtschaft und Kosten automatischer Melksysteme: Untersuchung in Praxisbetrieben Mogg 35<br />

Aufgaben und Funktionsweise von Warenterminbörsen für Agrargüter am Beispiel der MATIF (Teil 3) - Terminkurse Schmid 41<br />

Agrarholz und Miscanthus - ein Standbein für Betriebe? (Teil 1) Seidl 45<br />

Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Einsatz von „Biokohle“ in der <strong>Landwirtschaft</strong> Mokry 49<br />

Neue Schädlinge in Baden-Württemberg (Teil 1) Dr. Albert 57<br />

Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Mit Bacchus gegen Rebkrankheiten und für nachhaltigen Weinbau Kassemeyer 62<br />

Neue Blattfallkrankheit Marssonina coronaria an Äpfeln aufgetreten Hinrichs-Berger 63<br />

Orientierungsdaten Gartenbau in Baden-Württemberg Hintze 68<br />

Sommerexkursion der Vereine Netzwerk Kräuter und Hortus officinarum Paeslack 72<br />

Hauswirtschaft und Ernährung<br />

Erlebnistag Brot <strong>als</strong> Auftaktfür die Aktion Blickpunkt Ernährung Janz 74<br />

Nachhaltige Ernährungs in der Praxis - neue Bildungsangebote Radke 75<br />

Bildung und Beratung<br />

Lehrgang „Zusatzqualifikation ökologischer Landbau“ am LRA Rems-Murr-Kreis Schmitt 78<br />

Kongress Europäische Innovationspartnerschaften in der <strong>Landwirtschaft</strong> Beutel 80<br />

Enderle 82<br />

Umweltbildung stärker im Lehrplan berücksichtigen Denninger 83<br />

Zu Gast im Ländle - Als Referendar aus Niedersachsen zur Ausbildung an der LEL Küwen 84<br />

Ausbildertagung zum Thema „Drei Jahre Verordnung Milchtechnologe/in“ Schleifer 86<br />

Verwaltung aktuell<br />

140 Jahre Saatgutprüfung in Augustenberg, Karlsruhe Jonitz, Leist<br />

LVG-Praxiskurse „Sanierung von Weinbergstrockenmauern“<br />

Heck<br />

Redaktionsschluss der <strong>Ausgabe</strong> 5/2013: 28.10.2013<br />

2 Landinfo 4 | 2013


Aktuelles<br />

Kurzmitteilungen<br />

Vieh und Fleisch 2012<br />

Neueste Zahlen zur Fleischerzeugung und zur<br />

Verarbeitung enthält der aktuell in der Reihe „Material<br />

aus der Ernährungswirtschaft des Landes<br />

Baden-Württemberg“ erschienene Band „Vieh<br />

und Fleisch 21012“. Er ist erhältlich bei der Landesanstalt<br />

für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

und der ländlichen Räume und kann im Internet<br />

unter https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/<br />

MLR.LEL,Lde/ Startseite/Markt und Ernährung<br />

/Vieh und Fleisch 2012 abgerufen werden. •<br />

Session „Dairy farming after 2015“ bei der<br />

Jahrestagung der Europäischen Vereinigung<br />

für Tierwissenschaften (EAAP) in Nantes (F)<br />

mit Aulendorfer Beteiligung<br />

Eine besondere Ehre wurde Prof. Dr. Elsäßer<br />

vom LAZBW mit der Einladung zu einem Vortrag<br />

über „Environmental aspects of dairy farming“<br />

bei der EAAP Conference 2013 in Nantes (Frankreich)<br />

zuteil. Er berichtete dort über die gemeinsam<br />

mit Dr. Jilg (LAZBW) und Jouke Oenema<br />

von der University Wageningen erarbeiteten Ergebnisse<br />

des EU-Dairyman-projektes, das in enger<br />

Zusammenarbeit mit 13 weiteren Partnern aus<br />

Nordwesteuropa entstanden ist. Positive Entwicklungen<br />

bei N- und P-Bilanzen und der Verbesserung<br />

der Effizienz bei der Nutzung von Stickstoff<br />

und Phosphor in den 127 Pilotbetrieben während<br />

der Projektlaufzeit konnten berichtet werden. Dabei<br />

gibt es charakteristische Unterschiede zwischen<br />

den beteiligten Regionen sowohl hinsichtlich<br />

der Nährstoffsalden <strong>als</strong> auch hinsichtlich der<br />

Klimagase. Dort scheint es so zu sein, dass bei<br />

einer individuellen Milchleistung von etwa 8.000<br />

kg Milch die Treibhausgasbelastung insgesamt am<br />

geringsten ist. Im Focus stand auch die Bewertung<br />

nachhaltiger Entwicklung mit dem Dairyman-<br />

Nachhaltigkeitsindex, mit dem unter anderem<br />

Entwicklungen in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

ganzheitlich sichtbar gemacht werden können.<br />

Weitere Infos zu Dairyman und dem Nachhaltigkeitsindex<br />

sind in Aulendorf und auf www.interregdairyman.eu<br />

erhältlich. •<br />

Fleisch Weiß oder rot?<br />

(aid) - Weißes Fleisch, das von Geflügel stammt,<br />

besitzt allgemein einen besseren Ruf <strong>als</strong> rotes. Unter<br />

rotem Fleisch versteht man in der Regel Rindund<br />

Kalbfleisch, Schweinefleisch, Schaf- und<br />

Lammfleisch, Ziegenfleisch sowie Wildbret. Zahlreiche<br />

Studien legen auch den Verdacht nahe, dass<br />

der Verzehr von rotem Fleisch „ sowie daraus verarbeiteten<br />

Erzeugnissen „ das Risiko erhöht, an<br />

Krebs zu erkranken. Nach Meinung des Bundesinstituts<br />

für Risikobewertung (BfR) kann aus den<br />

vorhandenen Daten dennoch nicht eindeutig abgeleitet<br />

werden, dass ein kausaler Zusammenhang<br />

zwischen Fleischkonsum und Krebserkrankungen<br />

oder anderen Todesursachen besteht. Höchstwahrscheinlich<br />

gebe es mehrere Ursachen. Dazu<br />

zählten neben genetischen Faktoren auch chemische<br />

Verbindungen, die beispielsweise bei der Zubereitung<br />

von Fleisch entstehen. Zu bedenken ist<br />

ferner, dass bei einer sehr fleischlastigen Ernährung<br />

Obst und Gemüse meist zu kurz kommen.<br />

Dadurch verringert sich die Aufnahme an Vitaminen,<br />

Miner<strong>als</strong>toffen und sekundären Pflanzenstoffen.<br />

aid-Newsletter Nr. 35/2013 •<br />

Weidehaltung von Milchkühen<br />

(aid) - In Europa kommen immer weniger Kühe<br />

auf die Weide. So lautet das Fazit einer Studie der<br />

Universität Wageningen im Auftrag der Weltgesellschaft<br />

für Tierschutz, kurz WSPA. Die Wissenschaftler<br />

untersuchten den aktuellen Zustand der<br />

Weidehaltung von Milchkühen und deren voraussichtliche<br />

Entwicklung bis 2025 in sechs nordwesteuropäischen<br />

Ländern. Danach lag der Anteil<br />

der Kühe mit Weidegang im Jahr 2012 zwischen<br />

30 Prozent in Dänemark und 100 Prozent in Irland.<br />

In Nordwest-Deutschland waren es etwa 50<br />

Prozent. Bis zum Jahr 2025 wird aber ein Rückgang<br />

auf zwei Prozent erwartet. Der zunehmende<br />

Trend zur ganzjährigen Stallhaltung sei vor allem<br />

auf die Intensivierung der <strong>Landwirtschaft</strong> zurückzuführen.<br />

Die Betriebe stehen unter Druck, ihre<br />

Leistungsfähigkeit zu steigern und höhere Erträge<br />

pro Kuh zu erzielen, so die Wissenschaftler. Doch<br />

nach den Ergebnissen der Studie ist auch die Weidehaltung<br />

finanziell lohnend. Zum einen haben<br />

die Erzeuger geringere Fütterungs- und Stallhaltungskosten<br />

und können daher mehr Gewinn pro<br />

Liter Milch erzielen. Ein weiterer Vorteil sind Gesundheit<br />

und Wohlbefinden der Tiere. Auf der<br />

Weide können die Rinder eher ihren natürlichen<br />

Verhaltensweisen nachgehen. Sie produzieren<br />

zwar weniger Milch, sind aber auch gesünder und<br />

leben länger. Nach einer <strong>Landwirtschaft</strong>szählung<br />

des Deutschen Bauernverbands aus dem Jahr<br />

2010 werden in ganz Deutschland 42 Prozent der<br />

Milchkühe mit Weidegang gehalten. Regional gibt<br />

es allerdings Unterschiede.<br />

aid-Newsletter Nr. 36/2013 •<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

3


Aktuelles<br />

Fleischproduktion in Deutschland marginal<br />

gestiegen<br />

Im. ersten Halbjahr 2013 sind in Deutschland insgesamt<br />

annähernd 4,0 Mio t Fleisch gewerblich<br />

erzeugt worden; gegenüber dem vergleichbaren<br />

Vorjahreszeitraum war das eine nur noch geringfügige<br />

Steigerung um 4.500 t oder 0,1 %. Das<br />

zweite Quartal bescherte dabei ein leichtes Plus,<br />

nachdem die Fleischerzeugung in den ersten drei<br />

Monaten im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode<br />

um 0,1 % zurückgegangen war. Die<br />

Stagnation der gewerblichen Fleischerzeugung in<br />

Deutschland ist laut den Angaben des Statistischen<br />

Bundesamtes (Destatis) im Wesentlichen<br />

auf den starken Rückgang bei den Rinderschlachtungen<br />

zurückzuführen. Die Rindfleischerzeugung<br />

machte im Berichtshalbjahr nur noch 13,1 %<br />

des <strong>gesamte</strong>n gewerblichen Fleischaufkommens<br />

aus, verglichen mit noch 13,9 % in den ersten<br />

sechs Monaten des vergangenen Jahres; vor vier<br />

Jahren waren es noch mehr <strong>als</strong> 15 % gewesen. Der<br />

Anteil der Schweinefleischerzeugung erhöhte sich<br />

im Berichtshalbjahr entsprechend dem Minus<br />

beim Rindfleisch, nämlich um 0,75 Prozentpunkte<br />

auf 68,7 %, während sich die relative Bedeutung<br />

der gewerblichen Geflügelfleischproduktion bei<br />

einem Anteil von zuletzt 17,9 % kaum veränderte.<br />

Der Anteil an Schaf-, Ziegen- und Pferdefleisch<br />

betrug zusammen weniger <strong>als</strong> 0,3 %.<br />

Agrargewerbliche Wirtschaft Nr. 8/2013 •<br />

„Weideochse vom Limpurger Rind“ erhält<br />

„Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)<br />

Die Europäische Kommission schützt ein Fleischerzeugnis<br />

aus Baden-Württemberg: der „Weideochse<br />

vom Limpurger Rind“ wurde mit der<br />

Veröffentlichung im EU-Amtsblatt am 24.09.2013<br />

in die Liste der geschützten Ursprungsbezeichnungen(g.U.)<br />

aufgenommen und europaweit<br />

geschützt. Damit darf dieses Fleisch nur<br />

noch unter diesem Namen und mit dem höchsten<br />

EU-Siegel verkauft werden, wenn es die hohen<br />

Anforderungen erfüllt: Das Fleisch muss von<br />

reinrassigen, von der Abstammung her herdbuchfähigen<br />

Limpurger Ochsen mit einem Schlachtalter<br />

von über 30 Monaten stammen. Sie müssen im<br />

Schutzgebiet – das sind die Landkreise Ostalb,<br />

Schwäbisch Hall, Rems-Murr, Hohenlohe und<br />

Main-Tauber sowie die angrenzenden Gemeinden<br />

Wüstenrot, Löwenstein und Hardheim – geboren,<br />

aufgewachsen, geschlachtet und zerlegt werden.<br />

Weidehaltung in der Vegetationsperiode und<br />

Laufstallhaltung mit Einstreu im Winter sind<br />

ebenso Pflicht wie Fütterung ausschließlich mit<br />

Weidefutter, Gras, Heu, Grassilage und Getreide<br />

aus dem Schutzgebiet. Mais und Soja sind nicht<br />

zugelassen. Durch eine kurze Endmast von 1 – 2<br />

Monaten mit etwas zusätzlichem Getreide wird<br />

eine gute Marmorierung des Fleisches erreicht.<br />

Der Weideochse vom Limpurger Rind ist in<br />

Deutschland erst das achte Lebensmittel (ohne die<br />

Mineralwässer), das das Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“<br />

tragen darf. •<br />

Alles rund um Fleisch und<br />

Fleischerzeugnisse<br />

Neues aid-Heft informiert von Stall bis Teller<br />

Das grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte<br />

aid-Heft „Fleisch und Fleischerzeugnisse“<br />

zeigt, worauf es ankommt. Die unterschiedlichen<br />

Produktionsmethoden - konventionell und<br />

bio - werden ausführlich beschrieben. Das Heft<br />

bietet eine umfassende und neutrale Übersicht,<br />

wie Fleisch hergestellt wird beziehungsweise Tiere<br />

gehalten werden. Im Mittelpunkt steht die detaillierte<br />

warenkundliche Beschreibung der verschiedenen<br />

Fleischarten und Teilstücke. Ferner erläutert<br />

das Heft, was es mit dem Dry Aging bei der<br />

Fleischreifung auf sich hat und geht der Frage<br />

nach, ob weißes Fleisch wirklich gesünder ist <strong>als</strong><br />

rotes Fleisch. Schließlich gibt es noch Hinweise<br />

auf nährstoffschonendes Zubereiten.<br />

aid-Heft „Fleisch und Fleischerzeugnisse“, 100<br />

Seiten, 16. Auflage 2013 Bestell-Nr. 1005, ISBN<br />

978-3-8308-1096-4 Preis: 4,00 Euro<br />

aid-Newsletter Nr 32 •<br />

In vitro veritas?<br />

(aid) - Vielleicht wird der 5. August 2013 bei unseren<br />

Enkeln in den Biologie-Büchern stehen. Der<br />

Tag <strong>als</strong> Beginn einer besseren Welt. Ein sommerlicher<br />

Montag, an dem der erste geklonte Burger<br />

auf den Tisch kam - ganz ohne Rind. Die Geschichte<br />

beginnt mit der Entnahme von Myosatellitenzellen<br />

mittels Spritze aus dem Nacken eines<br />

Rindes. Das sind Stammzellen, die sich sehr einfach<br />

und schnell zu Muskelzellen entwickeln. Diese<br />

Stammzellen wurden von einer Gruppe von<br />

Forschern von der Universität Maastricht mittels<br />

Nährlösungen und elektrischer Stimulation vermehrt.<br />

So wurden aus ein paar Zellen so um die<br />

20.000 Muskelstränge generiert. Das reichte - für<br />

einen Burger. Wird es <strong>als</strong>o in 20 bis 30 Jahren so<br />

sein, dass Kühe nur noch für die Idylle in ländlichen<br />

Gebieten sorgen oder gar seltene Rinderrassen<br />

im Zoo zu bestaunen sein werden? Wird es so<br />

sein, dass ganze Ställe Laboreinrichtungen weichen?<br />

Das Thema wird die <strong>gesamte</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>s-<br />

und Ernährungsbranche (inklusive Ethikdiskussion)<br />

noch sehr lange begleiten.<br />

aid-Newsletter Nr 32 •<br />

4<br />

Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Moderner Boxenlaufstall<br />

Bild: S. Mezger<br />

Richard Riester<br />

Tierhaltung in Baden-Württemberg<br />

Im Folgenden soll zum Einstieg in das Schwerpunktthema Fleisch ein Überblick über die langfristige<br />

Entwicklung von Tierbeständen, Strukturen und die Erzeugung tierischer Produkte in Baden-<br />

Württemberg gegeben werden.<br />

Die Tierhaltung in Baden-Württemberg war in<br />

den letzten Jahrzehnten enormen Veränderungen<br />

unterworfen (Abb. 1, Tab. 1). Der Umfang<br />

der Rindviehhaltung im Lande blieb von 1960 bis<br />

Mitte der 80er-Jahre bei attraktiven Rindfleischpreisen<br />

weitgehend konstant. Trotz abnehmender<br />

Kuhbestände wurden bis zur Einführung der<br />

Quotenregelung verhältnismäßig große Jungviehbestände<br />

gehalten. Mit dem Verfall der Rindfleischpreise<br />

im Zuge der geänderten EU-<br />

Agrar(preis)politik ging der Anteil der Mastrinder<br />

ab 1983 stark zurück. Insgesamt hat sich der Rinderbestand<br />

im Land von einem Niveau von 1,8 -<br />

1,9 Mio. Rindern auf nunmehr weniger <strong>als</strong> 1 Mio.<br />

Rinder fast halbiert.<br />

Die Milchkuhhaltung war in den 1950er und 60er<br />

Jahren weitgehend stabil. Eine erste Zäsur ergab<br />

sich auf Grund der Vollversorgung der EU und<br />

ersten Korrekturen in der EU-Agrarpolitik. In<br />

den 70er Jahren gingen die Milchkuhbestände bei<br />

attraktiven (gestützten) Erzeugerpreisen für Milch<br />

nur wenig zurück. Ab der Einführung der Milchquotenregelung<br />

1984 haben sich die Bestände entsprechend<br />

dem Milchleistungszuwachs deutlich<br />

rückläufig entwickelt. 2013 werden nur noch 39 %<br />

der Milchkühe von 1951 gehalten. Die Tendenz in<br />

Baden-Württemberg zeigt weiter nach unten, wie<br />

auch die Quotenabwanderungen nach Nordwestdeutschland<br />

der letzten Jahre zeigen.<br />

Dank zunehmendem Wohlstand und dadurch bedingter<br />

wachsender Fleischnachfrage und attraktiven<br />

Schweinepreisen verdoppelte sich der Schweinebestand<br />

im Land von 1950 bis Mitte der 80er<br />

Jahre. Die Zuchtsauenhaltung wurde sogar auf<br />

Rinder insgesamt 1)<br />

- Milchkühe<br />

- sonstige Kühe<br />

1) 4)<br />

Schweine insgesamt<br />

- Mastschweine (> 50 kg)<br />

- Zuchtsauen<br />

Schafe 2)<br />

Ziegen 3)<br />

Halter<br />

18.393<br />

9.362<br />

.<br />

2.900<br />

.<br />

1.400<br />

1.400<br />

.<br />

Pferde 3) .<br />

Legehennen (> 3.000 Plätze) 1)<br />

143<br />

Masthühner 3)<br />

362<br />

Truthühner 3) 298<br />

Tabelle 1<br />

Nutztierhaltung in<br />

Baden-Württemberg<br />

Quelle: StaLa<br />

Tiere<br />

996.583<br />

343.235<br />

63.099<br />

1.878.500<br />

696.500<br />

181.200<br />

221.700<br />

25.206<br />

59.741<br />

1.675.275<br />

1.016.592<br />

927.671<br />

1) Mai 2013 2) November 2012<br />

3) März 2010 4) Nur Schweinehalter mit mind. 10 Zuchtsauen oder mind. 50 anderen Schweinen<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

5


Schwerpunktthema<br />

Mio. Tiere<br />

2,0<br />

1,8<br />

Rinder<br />

Mio. Tiere<br />

2,4<br />

2,2<br />

Schweine<br />

Die Putenhaltung spielt seit Ende der 70er Jahre<br />

mit Einführung spezialisierter Haltungsformen<br />

eine zunehmende Rolle und erreichte 2010 fast 1<br />

Mio. Tiere.<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

1.000 Tiere<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Rinder<br />

Milchkühe<br />

0,0<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

Pferde/Schafe/Ziegen<br />

Pferde<br />

Schafe<br />

Ziegen<br />

0<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

Abbildung 1<br />

Entwicklung der Tierbestände<br />

in Baden-Württemberg seit<br />

1950<br />

Quelle: StaLa<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0,0<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

Mio. Tiere<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Hühner<br />

Geflügel<br />

Gänse, Enten, Puten<br />

Schweine<br />

Zuchtsauen<br />

0<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />

das 3-fache ausgedehnt. Letztere hatte bis zur<br />

Jahrtausendwende eine fast 50 Jahre andauernde<br />

Blütezeit, wo durch den florierenden Ferkelexport<br />

eine bedeutende Wertschöpfung in die hohenlohischen<br />

und oberschwäbischen Dörfer geflossen ist.<br />

Mit der Veränderung der Strukturen in der Mast<br />

- und damit der zunehmenden Bedeutung der Partiegröße<br />

<strong>als</strong> wertbestimmendem Merkmal bei Ferkeln<br />

- ist die heimische Ferkelerzeugung auf<br />

Grund ihrer geringen Bestandsgrößen seit der<br />

Jahrtausendwende im Niedergang. Beschleunigt<br />

wird die Entwicklung noch durch verschärfte Haltungsvorgaben,<br />

die viele Zuchtsauenhalter zur<br />

Aufgabe zwingen. Aktuell liegen die Sauenbestände<br />

nur noch auf dem Niveau Mitte der 60er Jahre.<br />

Die Hühnerbestände (Legehennen und Masthühner)<br />

expandierten in den 50er und 60er Jahren<br />

stark, 1966 lag die Zahl der Hühner bei fast 10<br />

Mio. Tieren. Mit der Aufgabe der Kleinhaltungen<br />

und in Folge der enormen Spezialisierung und<br />

Leistungssteigerung im Hühnerbereich (1955: 118<br />

Eier/Jahr, 2012: 298 Eier/Jahr) wurden auch hier<br />

die Bestände laufend abgebaut.<br />

In den 1950er und 60er Jahren verschwanden im<br />

Zuge des zunehmenden Wohlstandes und der<br />

Veränderung der Städte und Dörfer die Ziegen <strong>als</strong><br />

Kuh des kleinen Mannes ebenso fast vollständig<br />

wie auch das in den Dörfern traditionelle Wassergeflügel.<br />

Auch die Pferdebestände brachen in Folge<br />

der Mechanisierung der <strong>Landwirtschaft</strong> stark<br />

ein. Die Schafhaltung erlebte mit der Aufgabe der<br />

Wanderschafhaltung bis 1965 einen Einbruch, der<br />

durch Koppelschafhaltung und größere Einzelherden<br />

wieder ausgeglichen wurde.<br />

Regionale Entwicklung<br />

Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist aus klimatischen,<br />

topografischen und strukturellen Gründen<br />

schwerpunktmäßig auf bestimmte Regionen<br />

konzentriert. Klassische Viehhaltungsgebiete sind<br />

die niederschlagsreichen, grünlandbetonten Teile<br />

des Landes (Oberschwaben, Ostalb, Hohenlohe)<br />

und der Schwarzwald.<br />

Der Rückgang der Rinder- und Schweinehaltung<br />

in den letzten Jahrzehnten fand allerdings nicht<br />

gleichmäßig im Land statt. Aufgegeben wurde die<br />

Viehhaltung besonders in dicht besiedelten Regionen,<br />

wo außerlandwirtschaftliche Erwerbsalternativen<br />

gegeben waren. Auch in Ackerbauregionen<br />

und Gebieten mit Sonderkulturen wurde die<br />

Viehhaltung überproportional abgebaut. Meist<br />

korreliert dies auch mit der Besitzstruktur, besonders<br />

in Realteilungsgebieten mit hoher Siedlungsdichte<br />

und geringen Betriebsgrößen wurde die<br />

Viehhaltung weitestgehend aufgegeben.<br />

Eine Gegenüberstellung der letzten 20 Jahre zeigt,<br />

welche Spuren dieser Prozess im Land hinterlassen<br />

hat (Abb. 2). Das Rheintal, der Kraichgau, die<br />

Main-Tauber-Region, die Gäulandschaften des<br />

mittleren Neckarraums und das Bodenseegebiet<br />

haben massiv an Viehhaltung verloren. Auch die<br />

Randbereiche (Nordschwarzwald, Südschwarzwald,<br />

Odenwald, Schwäbischer Wald, Schwäbische<br />

Alb und westliches Oberschwaben) der klassischen<br />

Tierhaltungsregionen wurden vom Bestandsabbau<br />

nicht verschont. Inzwischen bilden<br />

sich die drei verbleibenden Schwerpunktregionen<br />

Oberschwaben/Allgäu, Hohenlohe/Schwäbischer<br />

Wald und Mittlerer Südschwarzwald immer<br />

stärker heraus.<br />

6<br />

Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

1991 2010<br />

Abbildung 2<br />

Veränderung der Viehdichte<br />

(GV/ha LF) 1991 bis 2010<br />

Rinder<br />

Schweine<br />

Abbildung 3<br />

Rinder- und Schweinedichte<br />

2010<br />

Differenziert nach Tierarten zeigt sich bei Rindern<br />

noch eine gleichmäßigere Verteilung, da die<br />

Rinderhaltung stärker an das Grünland gebunden<br />

ist (Abb. 3).<br />

Bei den Schweinen sind die Schwerpunktregionen<br />

in Hohenlohe und Oberschwaben wesentlich<br />

deutlicher auszumachen. Auch die Ulmer und<br />

Heidenheimer Alb stechen hervor. Die ehem<strong>als</strong><br />

stärkere Schweinehaltung am Osthang des<br />

Schwarzwaldes und im Ludwigsburger Raum ist<br />

kaum mehr erkennbar.<br />

Strukturen<br />

Die Zahl der Halter ist in den letzten Jahrzehnten<br />

in Baden-Württemberg wesentlich stärker zurückgegangen<br />

<strong>als</strong> die Zahl der Tiere (Abb. 4).<br />

So hat sich die Zahl der Rinderhalter seit 1975 um<br />

83 % auf 18.393 Halter verringert. Besonders die<br />

Kleinbetriebe bis 20 Rinder verschwanden zu 90<br />

% (Abb. 5). Gab es 1975 gerade einmal 300 Rinderhalter<br />

mit über 100 Rindern, so waren dies<br />

2012 3.227 Halter, die 54 % der Rinder hielten.<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

7


Schwerpunktthema<br />

Abbildung 4<br />

Entwicklung der Zahl der<br />

Rinder- und Schweinehalter<br />

Quelle: StaLa<br />

1.000 Halter<br />

140<br />

120<br />

100<br />

Rinderhalter<br />

Milchkuhhalter<br />

Schweinehalter<br />

Zuchtsauenhalter<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1975 1985 1995 2005<br />

Abbildung 5<br />

Entwicklung der Strukturen<br />

in der Rinder- und<br />

Schweinehaltung<br />

Quelle: StaLa<br />

Im Milchkuhbereich war der Strukturwandel noch<br />

drastischer. Hier gaben in den 37 Jahren seit 1975<br />

90 % der Milchkuhhalter das Melken auf, wobei<br />

die Kleinstbestände bis 9 Kühe mit -97 % praktisch<br />

vollständig verschwunden sind. In der heute<br />

dominierenden Klasse ab 50 Kühen waren 1975<br />

gerade einmal 92 Halter mit 0,8 % der Tiere zu<br />

finden, gegenüber 2.471 Haltern und 58 % der<br />

Kühe in 2012. Entsprechend haben sich auch die<br />

Haltungssysteme geändert. Inzwischen dürften<br />

knapp 70 % der Milchkühe im Land in Laufställen<br />

stehen, gegenüber 1975, <strong>als</strong> noch über 95 % der<br />

Kühe angebunden waren.<br />

Im Schweinebereich war der Strukturwandel am<br />

stärksten. 93 % der Halter gaben seit 1975 die<br />

Schweinehaltung auf, 2010 wurden noch 8.700<br />

Halter gezählt, gegenüber 132.500 im Jahr 1975.<br />

Im Mai 2013 waren nach geänderten Zählmodalitäten<br />

noch 2.900 Halter mit mindestens 10<br />

Zuchtsauen oder 50 anderen Schweinen übrig.<br />

Die Bestandsgrößenklasse 1.000 Schweine und<br />

mehr, die 1975 gerade von 4 Betrieben erreicht<br />

wurde, stellte 2010 mit 699 Haltern (8 % der Halter)<br />

48 % des Bestandes.<br />

Bei den Zuchtsauen verblieben bis Mai 2013 noch<br />

1.400 Halter mit 10 und mehr Zuchtsauen. Gegenüber<br />

1975, <strong>als</strong> noch 35.500 Halter gezählt worden<br />

waren, ist dies ein Minus von 96 %.<br />

Aktuelle Entwicklungen<br />

Eine Analyse der Daten des gemeinsamen Antrags<br />

zeigt eindrucksvoll den jüngsten, weiterhin<br />

drastisch verlaufenden Strukturwandel in der Tierhaltung<br />

(Abb. 6).<br />

Bei den Milchkühen hat von 2010 bis 2013 ein<br />

erheblicher Bestandsumbau stattgefunden. So<br />

nahm die Kuhzahl in den Beständen bis 70 Kühen<br />

1.000 Kühe<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

Milchkühe<br />

50 und mehr<br />

30–49<br />

20–29<br />

10–19<br />

1–9<br />

Millionen<br />

Mio. Rinder<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

Rinder<br />

100 und mehr<br />

50–99<br />

20–49<br />

10–19<br />

1–9<br />

Millionen<br />

Mio. Schweine<br />

2,4<br />

2,2<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

Schweine<br />

1.000 und mehr<br />

400–999<br />

100–399<br />

20–99<br />

1–19<br />

0<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />

0,0<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />

0,0<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010<br />

8 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Tiere<br />

100000<br />

90000<br />

80000<br />

70000<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

4.722 Halter 1.799 Halter 1.142 Halter 865 Halter 410 Halter 30 Halter<br />

74.193<br />

-23%<br />

72.340<br />

-14%<br />

2010 2013<br />

69.041<br />

-13%<br />

71.870<br />

+18%<br />

Halter: 8.968 (-16%)<br />

Milchkühe: 348.506 (-2%)<br />

53.246<br />

+62%<br />

1 - 30 31 - 50 51 - 70 71 - 100 101 - 200 > 200<br />

+225%<br />

7.816<br />

Abbildung 6<br />

Entwicklung der Milchkuhund<br />

Zuchtsauenhaltung<br />

2010 - 2013<br />

Quelle: Gemeinsamer Antrag<br />

2010 und 2013<br />

Tiere<br />

90000<br />

959 Halter 342 Halter 408 Halter 191 Halter 25 Halter<br />

80000<br />

70000<br />

2010 2013<br />

Halter: 1.925 (-32%)<br />

Zuchtsauen: 157.981 (-21%)<br />

60000<br />

50000<br />

40000<br />

30000<br />

61.013<br />

-23%<br />

50.204<br />

+2%<br />

20000<br />

10000<br />

0<br />

24.603<br />

-45%<br />

10.184<br />

11.977<br />

+40%<br />

-40%<br />

1 - 40 41 - 100 101 - 200 201 - 400 > 400<br />

um 17 % ab, während die Betriebe oberhalb der<br />

aktuellen Wachstumsschwelle von 70 Kühen um<br />

38 % aufstockten. Besonders die Bestände über<br />

200 Kühe haben sich sowohl bei der Zahl der<br />

Halter, <strong>als</strong> auch der Kühe in der kurzen Zeit mehr<br />

<strong>als</strong> verdoppelt. Auch zwischen 100 und 200 Kühen<br />

findet enormes Wachstum statt. 2013 halten<br />

1.305 Halter über 70 Kühe.<br />

Bei den Zuchtsauen ist die jüngste Entwicklung<br />

noch dramatischer. Die starke Preisdifferenzierung<br />

von bis zu 15 €/Ferkel zwischen Kleingruppen<br />

und 250er Gruppen, die unbefriedigende<br />

Wirtschaftlichkeit in 2010 und 2011 und die Vorgaben<br />

der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung<br />

zur Gruppenhaltung tragender Sauen haben<br />

eine massive Aufgabewelle bewirkt. Am stärksten<br />

getroffen wurden die Bestände zwischen 41 und<br />

60 Zuchtsauen, die um 51 % eingebrochen sind.<br />

Insgesamt ist die Sauenzahl in Beständen unter<br />

100 Sauen um 44 % zurückgangen. Ein bescheidenes<br />

Wachstum von nur 8 % fand in Betrieben<br />

über 200 Sauen statt. 2013 halten noch 966<br />

Zuchtsauenhalter über 40 Sauen.<br />

Versorgung<br />

Die zunehmende Bevölkerung, Verschiebungen<br />

in den Ernährungsgewohnheiten und die abnehmenden<br />

Bestände haben bei vielen tierischen Produkten<br />

zu einer rückläufigen Selbstversorgung in<br />

Baden-Württemberg geführt (Tab. 2).<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

9


Schwerpunktthema<br />

Tabelle 2<br />

Geschätzte<br />

Selbstversorgungsgrade<br />

tierischer Erzeugnisse in<br />

Baden-Württemberg<br />

Quelle: LEL<br />

in Prozent 1987 2012<br />

Rind- und Kalbfleisch<br />

86<br />

66<br />

Schweinefleisch<br />

44<br />

55<br />

Geflügelfleisch<br />

Milch und Milcherzeugnisse<br />

Eier und Eierprodukte<br />

29<br />

73<br />

49<br />

26<br />

56<br />

33<br />

Schätzung aus Bruttoeigenerzeugung und über die Bevölkerung abgeleitetem Bundesverbrauch<br />

1.000 t<br />

600<br />

Bruttoeigenerzeugung<br />

1.000 t<br />

600<br />

Verbrauch<br />

%<br />

120<br />

Selbstversorgungsgrad<br />

500<br />

Schweinefleisch<br />

500<br />

100<br />

400<br />

Rindfleisch<br />

400<br />

Schweinefleisch<br />

Rindfleisch<br />

80<br />

Geflügelfleisch<br />

300<br />

300<br />

Sonst. Fleisch<br />

60<br />

200<br />

200<br />

40<br />

100<br />

100<br />

20<br />

Rindfleisch<br />

Schweinefleisch<br />

0<br />

87 92 97 02 07 12<br />

0<br />

87 92 97 02 07 12<br />

0<br />

87 92 97 02 07 12<br />

Abbildung 7<br />

Versorgung mit Fleisch in<br />

Baden-Württemberg<br />

Quelle: LEL<br />

Richard Riester<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Tel. 07171/ 917205<br />

richard.riester@lel.bwl.de<br />

Durch Leistungssteigerungen konnte der Bestandsrückgang<br />

teilweise kompensiert werden. Als<br />

Beispiel sei die Milcherzeugung genannt, die von<br />

1975 bis 2012 trotz halbierter Milchkuhbestände<br />

wegen der gleichzeitig von 3.598 auf 6.557 kg gestiegenen<br />

Milchleistung nur um 9 % auf 2,23 Mio.<br />

t zurückging. Im Schweinebereich konnte die Produktion<br />

sogar ausgedehnt und der Selbstversorgungsgrad<br />

erhöht werden (Abb. 7). Auch bei Geflügelfleisch<br />

wurde der insgesamt geringe Anteil<br />

der Eigenerzeugung trotz starker Verbrauchszunahmen<br />

einigermaßen gehalten. Bei Rindfleisch<br />

geht die Eigenversorgung bei sich stabilisierendem<br />

Verbrauch und rückläufigen Beständen seit<br />

dem BSE-Einbruch kontinuierlich zurück.<br />

Im Zuchtsauenbereich wird zwar ein Teil des Bestandsabbaus<br />

durch höhere Tierleistungen in den<br />

verbleibenden Betrieben kompensiert, dennoch<br />

dürfte 2013 die rechnerische 100 %-Marke der<br />

Eigenversorgung nach unten durchschritten worden<br />

sein, während vor 20 Jahren jährlich noch 1,5<br />

Mio. Ferkel exportiert werden konnten. Baden-<br />

Württemberg ist daher künftig auf Ferkelimporte<br />

angewiesen. Größere Partien werden ohnehin<br />

schon seit Jahren aus Ostdeutschland und Dänemark<br />

ins Land geliefert, da sie hierzulande nicht<br />

verfügbar sind.<br />

Zusammenfassung<br />

Insgesamt entwickelt sich die landwirtschaftliche<br />

Tierhaltung in Baden-Württemberg auf Grund<br />

der kleinteiligen Agrarstruktur, der dichten Besiedelung<br />

und der guten außerlandwirtschaftlichen<br />

Erwerbsmöglichkeiten weiter rückläufig. Mit<br />

Nord- und Ostdeutschland vergleichbare wettbewerbsfähige<br />

Strukturen entwickeln sich nur in wenigen<br />

Bereichen wie der Michviehhaltung. Ansonsten<br />

wandern Produktionskapazitäten weiter<br />

in andere deutsche und europäische Produktionszentren<br />

ab. Auch im Bereich der Rindvieh-,<br />

Zuchtsauen- und Mastschweinehaltung konzentriert<br />

sich - wie bereits seit einigen Jahrzehnten in<br />

der Geflügelhaltung - die Produktion immer stärker<br />

auf einige hundert, bei Rindern wenige tausend<br />

Betriebe. •<br />

10 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Fleischrinder auf dem<br />

Schwegelhof bei Essingen<br />

Foto: R. Maier<br />

Prof. Gerhard Flachowsky, Dr. Ulrich Meyer<br />

Fleischrinder im Spannungsfeld von tiergerechter Haltung,<br />

Grünlandnutzung, Ressourceneffizienz und Emissionen<br />

Rindfleisch stellt ein wertvolles Lebensmittel tierischer Herkunft dar. Global entfallen etwa 22 % des<br />

Fleischaufkommens auf Rindfleisch (FAO, 2012), in Deutschland sind es 1,1 Millionen t (gewerbliche<br />

Erzeugung, Statistisches Bundesamt 2013) bzw. 14 % des <strong>gesamte</strong>n Fleischaufkommens.<br />

Global werden mehr <strong>als</strong> eine Milliarde Rinder<br />

auf Weiden und anderen Dauerkulturen<br />

(weltweit etwa 3,5 Mrd. ha), weitgehend von sogenannten<br />

Subsistenz-Farmern (Selbstversorgung),<br />

gehalten. Weltweit leben etwa 500 Mio. Farmer<br />

unter solchen Bedingungen, zu deren Familien etwa<br />

2 Mrd. Menschen gehören. Die Welt-Ernährungsorganisation<br />

(FAO) schätzt ein, dass der<br />

Fleischverzehr (insgesamt) bis 2050 um etwa 70%<br />

ansteigen wird, wobei die größte Steigerung bei<br />

Geflügelfleisch zu erwarten ist.<br />

Die Weidenutzung der Rinder spielt in Deutschland<br />

vor allem bei den 0,7 Millionen Mutterkühen<br />

(Statistisches Bundesamt 2011) und deren Nachkommen<br />

eine bedeutende Rolle.<br />

Die Weidehaltung von Wiederkäuern (Rinder,<br />

Schafe und Ziegen), dabei vor allem die von Mutterkühen<br />

mit wachsenden Rindern, ist in den zurückliegenden<br />

Jahren wegen der geringen Ressourceneffizienz<br />

infolge der „doppelten Veredlung“<br />

(Futter – Milch – Fleisch) und der hohen<br />

Methanemissionen, aber auch der möglichen<br />

Lachgasbildung bei pferchähnlicher Haltung in<br />

den Wintermonaten verstärkt in die öffentliche<br />

Kritik geraten. Im Beitrag soll versucht werden,<br />

die Pros und Kontras dieser Haltungsform etwas<br />

näher zu betrachten.<br />

Emissionen bei der Erzeugung<br />

verschiedener Lebensmittel tierischer<br />

Herkunft<br />

Bei näherer Betrachtung sind die geringe Ressourceneffizienz<br />

und die hohen Ausscheidungen von<br />

Gasen mit Klimarelevanz bei Mastrindern nicht<br />

zu widerlegen, wie Tabelle 1 für ausgewählte Lebensmittel<br />

tierischer Herkunft zeigt.<br />

Dabei wurden die sogenannten Carbon Footprints<br />

(CF) unter Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />

Treibhausgaspotentiale der wichtigsten<br />

klimarelevanten Gase (CO 2<br />

x 1; CH 4<br />

x 23; N 2<br />

O<br />

x 300) je kg essbares Eiweiß für Milch, Eier und<br />

verschiedene Fleischherkünfte kalkuliert. Tabelle<br />

1 zeigt deutlich, dass in Abhängigkeit von der<br />

Fleischquelle und der Leistungshöhe der Tiere<br />

erhebliche Unterschiede in der Höhe der Emissionen<br />

bestehen. Für essbares Eiweiß aus Rindfleisch<br />

wurden die höchsten Werte ermittelt, Ge-<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

11


Schwerpunktthema<br />

Milchkuh<br />

(650 kg)<br />

Mastrind<br />

(350 kg)<br />

Mastschwein<br />

(80 kg)<br />

Broiler<br />

(1,5 kg)<br />

Legehenne<br />

(1,8 kg)<br />

Leistung je<br />

Tag<br />

10 kg Milch<br />

20 kg Milch<br />

40 kg Milch<br />

Eiweißquelle<br />

(Körpermasse)<br />

Trockensubstanzaufnahme<br />

(kg je Tag)<br />

12<br />

16<br />

25<br />

6,5<br />

500 g LMZ 1)<br />

1.500 g LMZ 1) 7,5<br />

1.000 g LMZ 1) 7,0<br />

700 g LMZ 1) 2,0<br />

1.000 g LMZ 1) 2,2<br />

40 g LMZ 1)<br />

0,07<br />

60 g LMZ 1) 0,08<br />

70% LP 2)<br />

0,11<br />

90% LP 2) 0,12<br />

Grundfutter<br />

zu Kraftfutterverhältnis<br />

(auf Trockensubstanzbasis,<br />

in %)<br />

90/10<br />

75/25<br />

50/50<br />

95/5<br />

85/15<br />

70/30<br />

10/90<br />

0/100<br />

10/90<br />

0/100<br />

10/90<br />

0/100<br />

Essbares<br />

Eiweiß<br />

(g je Tag)<br />

323<br />

646<br />

1.292<br />

48<br />

95<br />

143<br />

Essbares<br />

Protein (g je<br />

kg Lebendmasse<br />

und<br />

Tag)<br />

0,5<br />

1,0<br />

2,0<br />

0,14<br />

0,27<br />

0,41<br />

1) Lebendmassezunahme 2) Legeleistung<br />

3) Ertragsniveau Pflanzenbau: 10 t Trockensubstanz Grundfutter/ha; 5 t Trockensubstanz Getreide/ha<br />

63<br />

90<br />

1,8<br />

7,2<br />

4,8<br />

6,2<br />

0,8<br />

1,1<br />

3,2<br />

4,8<br />

2,7<br />

3,4<br />

Emissionen<br />

(Carbon Footprints;<br />

CO 2Äq<br />

kg/kg essbares<br />

Eiweiß)<br />

30<br />

16<br />

12<br />

110<br />

55<br />

35<br />

12<br />

10<br />

4<br />

3<br />

5<br />

3<br />

Bedarf Ackerland<br />

(m 2 /<br />

kg essbares<br />

Eiweiß) 3)<br />

8<br />

12<br />

20<br />

15<br />

22<br />

30<br />

55<br />

50<br />

25<br />

25<br />

40<br />

40<br />

Tabelle 1<br />

Einfluss von Tierart,<br />

-kategorie und Leistungshöhe<br />

auf die Höhe der Emissionen<br />

und den Ackerflächenbedarf<br />

je kg essbares Eiweiß<br />

flügelfleisch und Eier weisen die niedrigsten CF je<br />

kg essbares Eiweiß auf. In Abhängigkeit von der<br />

Eiweißquelle (Milch oder Fleisch) und der Leistungshöhe<br />

entfallen bei Wiederkäuerprodukten<br />

50 bis 80% der CF auf das Treibhausgas Methan.<br />

Woher kommt das Methan?<br />

Methan entsteht <strong>als</strong> unvermeidbares Nebenprodukt<br />

der mikrobiellen Umsetzungen im Vormagensystem,<br />

vor allem im Pansen der Wiederkäuer.<br />

Andererseits sind Wiederkäuer in der Lage mit<br />

Hilfe dieser Mikroorganismen Grund- bzw. Rauhfutter<br />

(einschl. Gras, Heu und Stroh) zu nutzen<br />

und daraus – auch ohne Getreide und andere vom<br />

Menschen direkt verwertbare Stoffe – wertvolles<br />

Eiweiß herzustellen. Wie Tabelle 1 zeigt, sind Wiederkäuer<br />

in der Lage essbares Eiweiß mit weniger<br />

Ackerfläche zu erzeugen <strong>als</strong> Nichtwiederkäuer.<br />

Allerdings steigt der Ackerflächenbedarf bei höheren<br />

Leistungen an, da gewisse Kraftfuttermengen<br />

dann erforderlich werden können. Durch hohe<br />

Grundfutterqualität und Nebenprodukte der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> sowie der Lebensmittel- und der<br />

Bioenergieerzeugung (z.B. Getreideschlempe,<br />

Rapsnebenprodukte) kann der evtl. erforderliche<br />

Getreideeinsatz reduziert werden. Wo Licht ist<br />

(Verwertung zellwandreicher Substanzen und<br />

Nicht-Eiweiss-Quellen), ist allerdings auch Schatten<br />

(z.B. Methanbildung; s. Tab. 2). Je höher der<br />

Rohfaser- bzw. Zellwandanteil im Futter der Rinder<br />

ist, umso mehr Methan fällt an. Demnach ist<br />

die Beweidung von jungem, rohfaserarmen Auf-<br />

wuchs, aus dieser Sicht günstiger zu beurteilen <strong>als</strong><br />

die Nutzung von überständigem Weidefutter.<br />

Können wir die Methanemission<br />

reduzieren?<br />

Für die Praxis bedeutet das oben Gesagte, dass ein<br />

gezieltes Weidemanagement weniger Methan zur<br />

Folge haben kann. Andererseits ist in bestimmten<br />

Gebieten eine Graslandnutzung aus Gründen des<br />

Naturschutzes oder der Erhaltung der Artenvielfalt<br />

(Biodiversität) erst nach der Blüte bzw. der<br />

Samenreife möglich, was höhere Methan-Emissionen<br />

bei den weidenden Rindern bewirkt (je Tier,<br />

vor allem jedoch je kg Lebendmassezunahme oder<br />

je kg Fleisch bzw. essbares Eiweiß). Ansonsten ist<br />

durch die Fütterung oder den Einsatz von Futterzusatzstoffen,<br />

denen von den Herstellern ein<br />

Methan-Reduzierungs-Potential nachgesagt wird,<br />

bei Fleischrindern nur eine minimale Reduzierung<br />

der Methanbildung zu erwarten. Gegenwärtig<br />

werden zu dieser Thematik in verschiedenen Ländern<br />

umfangreiche Untersuchungen durchgeführt,<br />

die jedoch noch keinen nachhaltigen Effekt<br />

erkennen lassen.<br />

Warum halten wir Mutterkühe/<br />

Fleischrinder?<br />

Die Gründe für die Mutterkuhhaltung können unter<br />

verschiedenen Bedingungen unterschiedlich<br />

sein, wie z.B.<br />

12 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Licht/ Potentiale<br />

Nutzung von Ligno-Zellulose und Nebenprodukten der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

sowie der Lebensmittel- und der Bioenergie-<br />

Industrie<br />

Mikrobielle Synthese von Eiweiß aus Nicht-Eiweiß-Verbindungen<br />

(NPN) im Pansen<br />

Mikrobielle Synthese von B-Vitaminen im Pansen<br />

Keine oder nur geringe Nahrungskonkurrenz zum Menschen<br />

und zu Nicht-Wiederkäuern (s. Tab. 1)<br />

Schatten/ Grenzen<br />

Methan-Emission im Ergebnis der mikrobiellen Fermentation<br />

im Pansen (4 bis 10% Verlust an Bruttoenergie)<br />

Geringes Wachstumspotential (< 1% des Körpergewichtes je<br />

Tag) und niedriger Zuwachs an essbarem Eiweiß je Tag bei<br />

wachsenden Wiederkäuern (< 0,1% des Körpergewichtes je Tag)<br />

Geringe Verwertung der Energie und der Nährstoffe bei<br />

wachsenden Wiederkäuern<br />

„Doppelte Nährstoffveredlung“ bei Mutterkuhhaltung<br />

(Futter – Milch – Fleisch)<br />

Nutzung und Pflege von Grünland und anderen Dauerkulturen<br />

Die Leistungssteigerung der Milchkühe führte<br />

in den zurückliegenden Jahren zu weniger Kühen/Kälbern<br />

in der Milchkuhhaltung und damit<br />

zur Bereitstellung geringerer Mengen Rindfleisch<br />

Nutzung des Grünlandaufwuchses <strong>als</strong> Futtermittel<br />

(Ressourceneffizienz)<br />

Pflege des Dauergrünlandes<br />

Artgerechte Haltung<br />

Das „fehlende“ Rindfleisch könnte importiert<br />

werden, wobei die Treibhausgas-Emissionen in<br />

den Herkunftsländern des Fleisches dann meist<br />

nicht geringer sind <strong>als</strong> in Deutschland.<br />

Spannungsfeld<br />

Licht und Schatten bzw. das Spannungsfeld in der<br />

Mutterkuh-/Fleischrinderhaltung resultieren vor<br />

allem aus den Vorteilen der Wiederkäuerernährung<br />

im Allgemeinen und der Nutzung und Pflege<br />

von absolutem Weideland auf der einen Seite und<br />

den relativ hohen Treibhausgas-Emissionen auf<br />

der anderen Seite (s. Tab. 2).<br />

Wer Weidepflege und die Erhaltung offener Landschaften<br />

mit Wiederkäuern wünscht, hat die<br />

Emissionen aus dem Pansen zu akzeptieren. Nur<br />

im Ergebnis dieser Emissionen können die Wiederkäuer<br />

aus sonst nicht für den Menschen nutzbaren<br />

Stoffen hochwertige Lebensmittel erzeugen.<br />

Das besagt nicht, dass noch verschiedene<br />

Fragen offen sind und seitens der Wissenschaft<br />

Handlungsbedarf besteht.<br />

Andere Nutzungsformen des Aufwuchses auf<br />

Weideflächen, wie die Gewinnung von Futter für<br />

die Stallhaltung (z.B. Heu, Silage) bzw. ein Verrotten<br />

oder Verbrennen des Aufwuchses sind meist<br />

nicht möglich oder verursachen sogar höhere<br />

Emissionen treibhauswirksamer Gase.<br />

Offene Fragen<br />

Neben der Weidepflege und der Verbesserung der<br />

Weidenutzung sind auch weitere Potentiale zur<br />

Senkung der Methanemission zu prüfen bzw. um<br />

zu setzen. Der Tiergesundheit sollte ebenfalls erhöhte<br />

Aufmerksamkeit gewidmet werden. Unter<br />

bestimmten Bedingungen kann eine Beifütterung<br />

zweckmäßig sein, um geringe Leistungen und<br />

demnach hohe Methanemissionen je erzeugtes<br />

Produkt zu vermeiden. Forschungsbedarf besteht<br />

auch bezüglich der Einschätzung der Emission bei<br />

ganzjähriger Freilandhaltung, vor allem bezüglich<br />

von „Hot Spots“ in Sammelplätzen (Pferch; N 2<br />

O<br />

hat etwa ein 300 x so hohes Treibhauspotential<br />

wie CO 2<br />

).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Mehr (Lebensmittel) für mehr (Menschen) mit<br />

weniger (Ressourcen und Emissionen) ist eine globale<br />

Forderung unserer Zeit. Obwohl bei der Mutterkuhhaltung<br />

eine „doppelte Nährstoffveredlung“<br />

(Futter – Milch – Kalb) erfolgt und beachtliche<br />

Mengen klimarelevanter Gase entstehen,<br />

können Rinder auf der Weide zur Realisierung der<br />

Forderung „mehr für mehr mit weniger“ einen<br />

Beitrag leisten, da sie Futtermittel nutzen, die von<br />

anderen Lebensmitteln liefernden Tieren oder anderen<br />

Verwertungsformen nicht effektiv genutzt<br />

werden können. •<br />

Tabelle 2<br />

Licht/Potentiale und Schatten/<br />

Grenzen von Wiederkäuern in<br />

der Nahrungskette des<br />

Menschen<br />

Dr. Ulrich Meyer<br />

Prof. Gerhard Flachowsky<br />

Friedrich-Loeffler-Institut<br />

Braunschweig<br />

Tel. 0531/ 5963137<br />

ulrich.meyer@fli.bund.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

13


Schwerpunktthema<br />

Elisa Wolf<br />

Projekt Betriebscheck „Schweinemast 2013“<br />

Beratung hilft Schweinemästern ihre Ställe an die neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen<br />

Ziel des Projektes war die Unterstützung der Betriebe bei der Umsetzung der Tierschutz-<br />

Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV), deren Übergangsfristen zum 01.01.2013 ausgelaufen<br />

sind. Finanziell wurde das Projekt durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />

Baden-Württemberg, getragen und organisatorisch durch das Regierungspräsidium Tübingen<br />

unterstützt.<br />

Bild: LSZ Boxberg<br />

Muster einer Checkliste<br />

vom BD Schweinehaltung<br />

/-zucht Ba-Wü<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Vorgehensweise<br />

Das Regierungspräsidium Tübingen hat etwa<br />

600 Betriebe angeschrieben, mit dem Hinweis<br />

sich beim Beratungsdienst Schweinehaltung<br />

Sigmaringen zu melden, wenn sie eine kostenlose<br />

Beratung in Anspruch nehmen wollen. Außerdem<br />

fanden vier Informationsveranstaltungen statt, die<br />

von 114 Personen besucht wurden. Insgesamt haben<br />

94 Betriebe Beratungsbedarf angemeldet.<br />

Davon wurden 87 Betriebe vor Ort besucht, die<br />

anderen 7 konnten telefonisch beraten werden.<br />

Hierbei waren die Teilnehmer der Informationsveranstaltungen<br />

nicht deckungsgleich mit den tatsächlich<br />

beratenen Betrieben.<br />

Die Betriebsbesuche liefen wie folgt ab: Der/die<br />

Betriebsleiter/in und der/die Berater/in gingen<br />

gemeinsam durch den Stall. Anhand einer Checkliste,<br />

die in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt<br />

für die Entwicklung der Ländlichen Räume (LEL)<br />

und dem Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />

-Schweinehaltung, Schweinezucht – (LSZ) entwickelt<br />

wurde, ist besprochen worden, was die Verordnung<br />

vorschreibt und wie man dies in den jeweils<br />

vorgefundenen Ställen umsetzen kann. Vorrangig<br />

waren die Spaltenweiten der Böden nicht<br />

verordnungskonform, da die meisten der besuchten<br />

Betriebe in Altgebäuden Mastschweine produzieren.<br />

Ein Austausch der Spaltenböden zieht in<br />

den meisten Fällen einen Ausbau der Futtersysteme<br />

und der Aufstallung nach sich, da sie auf den<br />

Spaltenböden befestigt sind. Da diese zum Teil<br />

schon sehr alt sind (ca. 15-20 Jahre), muss auch das<br />

Befestigungsmaterial, wie zum Beispiel Schrauben,<br />

erneuert werden.<br />

Insgesamt ist auch oft eine weitgehende Erneuerung<br />

der Stalleinrichtung notwendig. Außerdem<br />

musste festgestellt werden, dass die Veterinärämter<br />

die Ausführungen des vorgeschriebenen Be-<br />

14 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

− Seit dem 4. August 2006 gilt die Tierschutz-<br />

Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV).<br />

Sie setzt die EU-Richtlinien zur Schweinehaltung<br />

in nationales Recht um.<br />

− Die gesetzlichen Übergangsfristen zur Anpassung<br />

der Haltungsbedingungen enden<br />

am 31.12.2012.<br />

− Die baulichen Vorgaben sind ab 01.01.2013<br />

für alle Betriebe bindend.<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

<br />

<br />

<br />

mind. Platzangebot/nutzbare Bodenfläche<br />

max. Spaltenweite<br />

mind. Auftrittsbreite zwischen den Spalten<br />

max. Perforationsgrad<br />

Lichtverhältnisse/Fensterfläche<br />

Beschäftigungsmaterial<br />

Luftverhältnisse<br />

<br />

<br />

<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

<br />

<br />

Betriebs-Check mit intensiver Analyse der<br />

Stärken und Schwächen<br />

Analyse der IST-Situation<br />

Kennwertvergleich Produktionstechnik<br />

Erfülle ich die baulichen Anforderungen gemäß<br />

CC bzw. Fachrecht?<br />

Sind QS und QZ für mich interessant, weil ich<br />

die Vorgaben einhalte oder nur geringen Aufwand<br />

habe, sie einzuhalten?<br />

Unser Angebot:<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

<br />

Kurzfristige Umbaulösungen finden und langfristig<br />

planen<br />

Begleitung der Umsetzung im Einzelfall<br />

Einbindung weiterer Spezialisten (z.B. LSZ,<br />

LEL, Schweinegesundheitsdienst, u.a.)<br />

Bauliche Anforderungen von CC, Fachrecht,<br />

QS und QZ<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

» Individueller Masterplan<br />

<br />

Betriebliche und persönliche Ziele formulieren<br />

Entwicklungsalternativen definieren und entwickeln<br />

Individuelle Umbaulösungen<br />

Zukunftsfähige Standort- und Stallbauplanung<br />

Umsetzung begleiten<br />

<br />

schäftigungsmateri<strong>als</strong> zum Teil in unterschiedlicher<br />

Art und Weise anerkannten. Dies konnte aber<br />

im Gespräch mit dem zuständigen Veterinär geklärt<br />

werden. Auf vielen Betrieben zeigten sich<br />

zudem noch andere Probleme, die nicht direkt mit<br />

dem Stall zu tun hatten. Viele der besuchten Betriebsleiter<br />

waren schon älter und haben keine<br />

Nachfolger. Wenn diese nun in den Stall investieren,<br />

sollten sie noch einige Jahre lang darin arbeiten<br />

können, damit sich die Investition auch auszahlt.<br />

Da sie aber keine Nachfolger für den Betriebszweig<br />

Schweinehaltung haben, werden dies zum<br />

großen Teil auslaufende Betriebe werden. Nachdem<br />

man alle Möglichkeiten, die unter den gege-<br />

oben:<br />

Flyer BD Schweinemast<br />

links<br />

Spaltenmaß<br />

Bild: www.topagrar.com<br />

rechts<br />

BD Schweinehaltung<br />

Sigmaringen<br />

Bild: E. Wolf<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

15


Schwerpunktthema<br />

Organisationsstruktur<br />

Beratungsdienst<br />

Schweinehaltung/<br />

Schweinezucht Baden-<br />

Württemberg<br />

<br />

<br />

<br />

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<br />

<br />

Schweinelogo<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Elisa Wolf<br />

LRA Sigmaringen<br />

Tel: 07571/ 102-8613<br />

elisa.wolf@lrasig.de<br />

benen Umständen machbar sind, besprochen hatte,<br />

bekam der Betrieb eine Auswertung vom Beratungsdienst<br />

Schweinehaltung Sigmaringen. Mit<br />

Hinweisen zu bereits erfüllten Vorgaben und den<br />

noch verbleibenden Änderungen laut Tier-<br />

SchNutztV.<br />

Fazit des Betriebschecks 2013<br />

Es mussten noch viele Betriebe an Ihren Ställen<br />

Änderungen vornehmen, auch wenn es nur Kleinigkeiten<br />

waren, wie zum Beispiel ein Orientierungslicht<br />

anbringen oder einen zusätzlichen<br />

Tränkenippel installieren. Im <strong>Landwirtschaft</strong>lichen<br />

Wochenblatt/ BW Agrar wurden mehrere<br />

Artikel zum Projekt veröffentlicht, in der Sonderbeilage<br />

zur Beratung in Baden-Württemberg wurde<br />

das Projekt auf 2 Seiten beschrieben. Es zeigte<br />

sich, dass Betriebe mit angeschlossener Ferkelerzeugung<br />

große Probleme mit der Umstellung haben,<br />

da sie zum großen Teil sehr viel Geld investieren<br />

müssen, damit die Haltungsvorschriften<br />

eingehalten werden können.<br />

Insgesamt war aber das Interesse an dem Projekt<br />

groß. Für den Beratungsdienst Schweinehaltung<br />

war es eine gute Möglichkeit, auch potentielle Mitglieder<br />

zu werben. Bis jetzt sind allerdings nur 4<br />

Betriebe aufgrund des Projektes beigetreten. Ein<br />

weiteres Ziel des Projektes war es, im Hinblick auf<br />

die neue Förderperiode die Annahme von Beratungsthemen/<br />

Modulen durch die Landwirte auszuprobieren.<br />

Wir stellten fest, dass wie in den bisher<br />

üblichen Arbeitskreisen die Gruppenberatung<br />

im „Paket“ zum Spezialthema gut angenommen<br />

wurde. Aus den Infoveranstaltungen ergaben sich<br />

dann Einzelberatungen, die betriebsindividuell<br />

ausgestaltet wurden. Hilfreich waren die Checklisten<br />

zum Betrieb und zur betriebswirtschaftlichen<br />

Lage, sowie der Auszug aus GQSBW- „Bauliche<br />

Anforderungen an Schweineställe“ , der im Rahmen<br />

des Projektes entstand. Mit den Checklisten<br />

hatten die Berater ein tolles Instrument in der<br />

Hand, was auch für den Landwirt übersichtlich<br />

und transparent die Situation auf dem Betrieb darstellte.<br />

Hier die Aufllistung der Artikel:<br />

BWagrar 36/2012 „ Betriebscheck Schweinemast“<br />

BWagrar KW 40/2012 „Schweineställe unter<br />

der Lupe“<br />

BWagrar KW 40/2012 „Nachgefragt bei ... Beratung<br />

ist gefragt“<br />

BWagrar KW 47/2012 „Gewappnet für die<br />

neuen Auflagen“, Sonderbeilage Ratgeber Beratung<br />

•<br />

16 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Michael Asse<br />

Fleischqualität beim Schwein<br />

- nicht nur das Genießerland fordert Geschmack, Gesundheit und Appetitlichkeit<br />

Im Genießerland Baden-Württemberg sind die Verbraucherwünsche nach regional erzeugtem, frischem<br />

Schweinefleisch bester Qualität und hoher Lebensmittelsicherheit aus tierfreundlicher Haltung von<br />

besonderer Bedeutung. Der geringe Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch ist eine Chance zur<br />

Ausweitung der marktnahen, ressourcenschonenden nachhaltigen Produktion.<br />

Nur jedes zweite in Baden-Württemberg verzehrte<br />

Schwein wird bisher auch im Südwesten<br />

produziert, was ein immenses Potenzial für<br />

aufstockungswillige schweinehaltende Betriebe<br />

darstellt. Zwei große überregionale Schwerpunktschlachthöfe<br />

sowie ein flächen-deckendes Netz<br />

mittelständischer Betriebe können die schlachtreifen<br />

Schweine verbrauchernah schlachten und weiterverarbeiten.<br />

Bei weiter steigenden Kosten für<br />

Energie und Transporte kann sich der Ausbau<br />

regionaler Kreisläufe zum wichtigen Wettbewerbsvorteil<br />

entwickeln.<br />

Die Erzeugung von Schweinefleisch in Baden-<br />

Württemberg wird von weltweitem Wettbewerb<br />

beeinflusst. Regional erzeugtes Fleisch kann sich<br />

nur durch höhere Qualitäten von der übrigen Ware<br />

absetzen. Die Verbraucher fordern hohe Qualität,<br />

Frische, hohe Lebensmittelsicherheit, Regionalität<br />

sowie weitere Besonderheiten, die im Rahmen<br />

von Qualitätsfleischprogrammen berücksichtigt<br />

werden. Um die hohen<br />

Verbraucheransprüche mit baden-württembergischen<br />

Zuchtprodukten weiter erfüllen zu können,<br />

ist eine Qualitätsprüfung der Mastendprodukte<br />

und hierauf aufbauend u.a. eine züchterische Weiterentwicklung<br />

erforderlich. Die Verbesserung des<br />

Qualitätsniveaus des süddeutschen Schweinefleisches<br />

ist ein Ziel der Aktivitäten des Bildungs- und<br />

Wissenszentrum Boxberg (LSZ).<br />

Ist Fleischqualität messbar?<br />

Fleischqualität definiert sich <strong>als</strong> die Summe aller<br />

sensorischen, ernährungsphysiologischen, hygienisch-toxikologischen<br />

und verarbeitungstechnologischen<br />

Eigenschaften. Wichtig ist in diesem<br />

Zusammenhang, dass sämtliche Eigenschaften<br />

messbar und damit quantifizierbar sind. Abbildung<br />

1 verdeutlicht, welche Eigenschaften sich<br />

hinter den Oberbegriffen verbergen.<br />

Am Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />

(LSZ) stehen hierbei vor allem die sensorischen<br />

Parameter (Genusswert) und die Verarbeitungspa-<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

17


Schwerpunktthema<br />

Abbildung 1<br />

Qualitätsparameter beim<br />

(Schweine)-Fleisch<br />

Abbildung 2<br />

pH-Wert-Messung am<br />

Schlachtkörper<br />

rameter (Gebrauchswert) im Vordergrund. Für<br />

die Bestimmung des Nähr- und des Gesundheitswertes<br />

sind spezielle Laboreinrichtungen notwendig,<br />

die an der LSZ nicht vorhanden sind. Bei<br />

Bedarf können diese jedoch extern bei Kooperationspartnern<br />

bestimmt werden. Im Rahmen der<br />

Zuchtwertschätzung sind aus Sicht der Fleischqualität<br />

besonders die Bestimmung des Muskelfleischanteils<br />

(MFA), die Tropfsaftverluste, der<br />

pH-Wert, die Leitfähigkeit und der intramuskuläre<br />

Fettgehalt (IMF) zu erwähnen.<br />

Am Beispiel des pH-Wertes lässt sich die Fleischqualität<br />

gut bewerten. Als günstiger Messwert<br />

beim pH1 (45 min post mortem) wird ein Wert<br />

-<br />

<br />

6,0 angestrebt. Liegt der<br />

<br />

für sog. PSE-Fleisch (Pale<br />

Soft Exedutive), welches<br />

blass, weich und wässrig<br />

ist. Rein gesundheitlich hat<br />

dies keine Auswirkungen,<br />

jedoch auf den Gebrauchsund<br />

Genusswert. Liegt der<br />

pH2 > 6,0 ist dies ein Indiz<br />

für sog. DFD-Fleisch<br />

(Dark Firm Dry), welches<br />

dunkel, fest und trocken<br />

erscheint. Dieses Fleisch<br />

ist nur noch zur Verarbeitung<br />

bestimmter Produkte<br />

geeignet.<br />

Auch die Farbhelligkeit ist ein wichtiges Indiz für<br />

Fleischqualität. Mittels eines Fotometers wird der<br />

Reflexionswert (OP) erfasst, dieser sollte 20 Stun-<br />

<br />

weis<br />

auf PSE-Fleisch, > 85 verweisen auf DFD-<br />

Fleisch. Allgemein ist festzuhalten, dass dunkleres<br />

Fleisch tendenziell geschmacklich intensiver ist.<br />

Die Fähigkeit des Safthaltevermögens von Fleisch<br />

wird über die Tropfsaftverluste gemessen, wobei<br />

der Austritt des Fleischsaft ohne Anwendung äußerer<br />

Zwänge verstanden wird. Diese Tropfsaftverluste<br />

sollten unter 4 % betragen. Weist Fleisch<br />

ein zu hohes Tropfsaftverlustvermögen auf, führt<br />

dies vor allem bei der Zubereitung zu Einschränkungen.<br />

Ein typisches Bild ist das starke Spritzen<br />

in der Pfanne und ein geschrumpftes und vor allem<br />

hartes und zähes Schnitzel bzw. Stück Fleisch.<br />

Der Genusswert des Fleisches wird bedeutend<br />

vom Intramuskulären Fettgehalt (IMF) bestimmt.<br />

Hiermit ist die Marmorierung im Fleisch gemeint.<br />

Im Geschmackstest wird Fleisch mit einem IMF<br />

von ca. 2% oft besser bewertet, sodass auch ein<br />

Wert von > 2% angestrebt wird.<br />

Die Verbesserung des Qualitätsniveaus<br />

des süddeutschen Schweinefleischs <strong>als</strong><br />

Ziel der LSZ<br />

Leistungsprüfung<br />

18<br />

Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Das Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />

(LSZ) ist vom Land Baden-Württemberg mit der<br />

Durchführung der Leistungsprüfung auf Station<br />

und der Zuchtwertschätzung beauftragt. Die Prüfung<br />

erfolgt entsprechend den Richtlinien der Stationsprüfung<br />

auf Mastleistung, Schlachtkörperwert<br />

und Fleischbeschaffenheit beim Schwein.<br />

Zusätzlich werden Warentests verschiedener<br />

Kreuzungsherkünfte durchgeführt. Die erhobenen<br />

Daten aus der Leistungsprüfung fließen in die<br />

Zuchtwertschätzung ein. Die wirtschaftlich wichtigsten<br />

Merkmale werden entsprechend ihrem<br />

wirtschaftlichen Gewicht zum Gesamtzuchtwert<br />

zusammengefasst. Im Jahr 2012 wurden auf diesem<br />

Weg über 1.800 Tiere auf verschiedene Parameter<br />

der Mast- und Schlachtleitung hin untersucht.<br />

Untersuchungen der Fleischqualität beim Schwein<br />

stellen einen wichtigen Teil der Leistungsprüfung<br />

dar. Vor allem der Gebrauchs- und Genusswert<br />

steht im Mittelpunkt der Untersuchungen, wobei<br />

der Fokus stets darauf gerichtet ist, die hohe Qualität<br />

des Süddeutschen Schweinefleischs im Bereich<br />

Geschmack, Zartheit und Saftigkeit zu verbessern.<br />

Routinemäßig werden in diesem Zusammenhang<br />

u.a. erfasst:<br />

pH-Wert<br />

Leitfähigkeit<br />

Helligkeitswert<br />

Tropfsaftverluste<br />

Intramuskulärer Fettanteil<br />

relativer Anteil wertvoller Teilstücke.<br />

Süddeutsche Schweinefleischqualität<br />

Eine dieser Untersuchungen war das Projekt<br />

„Süddeutsche Schweinefleischqualität“ in Zusammenarbeit<br />

u.a. mit der Universität Hohenheim,<br />

Ulmer Fleisch, Edeka Südwest und dem Schweinezuchtverband<br />

Baden-Württemberg. Hierzu<br />

wurden verschiedene genetische Anpaarungen<br />

verglichen, genauer unterschiedliche Hybridsauenlinien<br />

die jeweils mit BW Top-Genetik Piétrain-<br />

Eber-Sperma belegt wurden. Als Datengrundlage<br />

standen 1.359 geschlachtete Tiere aus fünf Anpaarungen<br />

zur Verfügung. Die einzelnen Hybridsauenlinien<br />

sind der Tabelle zu entnehmen.<br />

Beim Vergleich der fünf Hybridsauenlinien gab es<br />

große Unterschiede, sowohl bei den Mast- <strong>als</strong><br />

auch bei den Schlachtleistungen und damit den<br />

Fleischqualitätsparametern. So wurden z. Bsp. am<br />

Fleisch aus dem Rückenmuskel<br />

große Unterschiede<br />

bei den Parametern<br />

Fetthaltevermögen, Bratverluste<br />

und Tropfsaftverluste<br />

beobachtet. Im direkten<br />

Vergleich stellte sich<br />

die Hybridsauenlinie 241<br />

durchaus in den Vordergrund.<br />

Zusätzlich wurde im Rahmen<br />

dieses Projektes die<br />

Hybridsauenlinie 241 mit<br />

BW-Piétrain oder BW-Duroc<br />

Besamungsebern belegt.<br />

Als Ergebnis war festzustellen,<br />

dass die Mastendprodukte<br />

aus den Piétrain-Besamungen<br />

mittlere<br />

biologische Leistungen<br />

(tgl. Zunahmen), aber<br />

deutlich bessere Parameter<br />

in den Schlachtleistungen<br />

aufwiesen (u.a. Muskelfleischanteile).<br />

Dem gegenüber standen<br />

die Ergebnisse Tropfsaftverlustmessung<br />

und der<br />

Sensorik. In beiden Merkmalen<br />

erreichte das Fleisch<br />

der Mastendprodukte aus den Duroc-Besamungen<br />

bessere Ergebnisse.<br />

Edeka Südwest –<br />

Gutfleischprogramm<br />

Die Edeka Südwest verfolgt das Ziel, qualitativ<br />

überdurchschnittliches Schweinefleisch an zu bieten<br />

und dementsprechend erzeugen zu lassen. Vor<br />

diesem Hintergrund müssen Landwirte, die<br />

Fleisch für das sogenannte „Gutfleisch-Programm“<br />

erzeugen wollen, bestimmte Eber bzw.<br />

deren Sperma verwenden. Die eingesetzten Eber<br />

werden vor dem Einsatz entsprechend genotypisiert<br />

und mittels Markertechnologie, vor allem<br />

hinsichtlich Tropfsaftverluste, untersucht. Auch<br />

hierbei fließen Ergebnisse der Leistungsprüfung<br />

in die Qualitätssicherung ein.<br />

Die Mast nichtkastrierter männlicher<br />

Mastschweine (Ebermast)<br />

Abbildung 3<br />

Der Fettgehalt im<br />

Schlachtkörper ist u.a. auch<br />

genetisch veranlagt.<br />

Unterschiede sind oft mit<br />

dem Auge erkennbar<br />

Abbildung 4<br />

Nicht nur die Fettauflage ist<br />

von Bedeutung, auch der<br />

intramuskuläre Fettgehalt<br />

spielt vor allem<br />

geschmacklich eine große<br />

Rolle.<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

19


Schwerpunktthema<br />

Variante Bemerkung Vaterlinie Mutterlinie<br />

21<br />

Bisheriges Hybridzuchtprogramm SZV<br />

BW<br />

42 Versuchsvariante LC LW<br />

241 Neues Hybridzuchtprogramm SZV BW LW LC + DL<br />

261 Versuchsvariante LW SH + DL<br />

LW<br />

DL<br />

1 = Deutsche Landrasse (DL)<br />

2 = Large White (LW)<br />

4 = Leicoma (LC)<br />

6 = Schwäbisch Hällisches<br />

Schwein (SH)<br />

142 Versuchsvariante DL LC + LW<br />

Tabelle 1:<br />

Im Versuch eingesetzte<br />

Hybridsauenlinien<br />

Michael Asse<br />

Bildungs- und<br />

Wissenszentrum Boxberg<br />

Tel. 07930/ 9928120<br />

Michael.Asse@lsz.bwl.de<br />

Im Rahmen der tierschutzrechtlichen Diskussion<br />

um das Thema Kastration bei männlichen Schweinen<br />

ergeben sich ebenfalls Fragestellungen zum<br />

Thema Fleischqualität, denen die LSZ nachgeht.<br />

Es steht zur Diskussion, auf die umstrittene Kastration<br />

zu verzichten und die männlichen Ferkel<br />

folglich unkastriert zu mästen. Die in Eberfleisch<br />

vorkommenden Verbindungen Skatol und Androstenon<br />

können allerdings zu unangenehmen<br />

Geschmackseigenschaften führen, was in der<br />

Konsequenz sogar die Genussuntauglichkeit der<br />

Schlachtkörper zur Folge haben kann. Die Reduzierung<br />

des sog. Ebergeruchs mittels züchterischen<br />

Ansätzen war ein Ziel des EN-Z-EMA-<br />

Projektes (Elektronische Nase, Zucht, Ebermast),<br />

welches u.a. in Zusammenarbeit mit dem Schweinezuchtverband<br />

Baden-Württemberg durchgeführt<br />

wurde. Als ein Ergebnis dieses Projektes<br />

bietet German Piétrain (Schweinezuchtverband<br />

Baden-Württemberg) seinen Kunden einen zertifizierten<br />

Ebertyp (Sperma) an, welcher sich in der<br />

Vererbung von Ebergeruch an seine Söhne gesichert<br />

positiv von Durchschnitt der Population<br />

abhebt. Um diese Ansätze weiter zu verfolgen<br />

wurde 2013 das Strat-E-Ger-Projekt gestartet<br />

(Strategien zur Vermeidung von Geruchsabweichungen<br />

bei der Mast unkastrierter männlicher<br />

Tiere). Ziel ist es, eine genomische Zuchtwertschätzung<br />

für Ebergeruchsmerkmale zu entwickeln.<br />

Im Rahmen der Schlachtungen im Schlachthaus<br />

der LSZ werden alle Schlachtkörper routinemäßig<br />

einer Genusstauglichkeitsprüfung durch den zuständigen<br />

Veterinär unterzogen. Auf Grundlage<br />

aktueller Auswertungen wurden an der LSZ hierbei<br />

lediglich 2,4% aller geschlachteten Eber <strong>als</strong><br />

genussuntauglich eingestuft.<br />

Qualität wird von vielen Parametern<br />

bestimmt<br />

Wie die Abbildung 1 verdeutlicht, gibt es eine<br />

Vielzahl von Qualitätsparametern, aus deren Gesamtheit<br />

sich die Fleischqualität definiert. Dementsprechend<br />

gibt es eine Vielzahl Faktoren, die<br />

wiederum diese Parameter beeinflussen. Neben<br />

der Genetik der Elterntiere untersucht die LSZ<br />

auch die Einflüsse verschiedener Futterrationen<br />

auf die Mast- und Schlachtleistung der Tiere. So<br />

wird der Einfluss einheimischer Eiweißfuttermittel<br />

oder die Optimierung der Aminosäureversorgung<br />

in den Rationen untersucht und bewertet.<br />

... festzuhalten bleibt -<br />

Qualitätssicherung von<br />

Schweinefleisch ist ein ständiger<br />

Verbesserungsprozess<br />

Nicht nur Baden-Württemberg <strong>als</strong> sogenanntes<br />

Genießerland fordert ein hohes Maß an Fleischqualität<br />

beim Schwein. Ein internationaler Wettbewerb<br />

in der Schweinefleischerzeugung verlangt<br />

nach stetiger Qualitätsoptimierung, wobei die<br />

Nachhaltigkeit im Fokus stehen muss. Gerade die<br />

aktuelle Diskussion um das Thema Ebermast und<br />

deren mögliche Auswirkungen auf die Fleischqualität<br />

verlangt nach Weiterentwicklungen. Denn nur<br />

ein hohes bzw. höheres Maß an Fleischqualität<br />

und Produktsicherheit überzeugt den Verbraucher<br />

zum Kauf der Produkte aus Baden-Württemberg.<br />

Und genau dieses Potential hat die baden-württembergische<br />

Schweinefleischerzeugung.<br />

Am Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg<br />

(LSZ) werden nicht nur vor diesem Hintergrund<br />

weiterhin zahlreiche Fragestellungen rund um<br />

das Thema Fleischqualität aufgegriffen und bearbeitet.<br />

Mehr Informationen rund um das<br />

Thema Fleischqualität finden Sie auf unserer<br />

Homepage unter www.lsz-bw.de oder per direktem<br />

Kontakt. •<br />

20 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

Monika Radke<br />

Fleisch wieder auf dem Weg zum Sonntagsbraten?<br />

Fleisch war über Jahrhunderte ein Gradmesser für den Wohlstand. Auch heute noch beurteilen viele<br />

die Güte eines Restaurants an der Größe der Schnitzel. Doch ganz langsam gibt es eine Trendwende.<br />

Gerade Menschen, die es sich leisten könnten, essen weniger Fleisch. Mehr Qualität statt Quantität ist<br />

ihre Devise. Damit kommen sie den Empfehlungen der Ernährungswissenschaftler und Klimaforscher<br />

entgegen, ohne auf Genuss zu verzichten.<br />

In der Menschheitsgeschichte war Fleisch immer<br />

ein knappes, teures Gut und mit hohem Prestige<br />

verbunden. Bei unseren Großeltern gab es frisches<br />

Fleisch nur beim Schlachtfest und noch in<br />

den 50er Jahren war der Sonntagsbraten und viele<br />

fleischfreie Mittagessen eher die Regel <strong>als</strong> die Ausnahme.<br />

Erst mit dem Wirtschaftswunder boomte<br />

der Fleischkonsum und täglich Fleisch zu niedrigen<br />

Preisen wurde selbstverständlich. Heute gibt<br />

es einen neuen Fachbegriff für die Vertreter der<br />

früher altbekannten Ernährungsweise: Flexitarier.<br />

Diese „Halbvegetarier“ sind meist sehr maßvolle,<br />

auf Tierschutz bedachte und sehr qualitätsbewusste<br />

Fleischesser.<br />

Fleisch unter der Lupe<br />

Fleisch ist ein Lebensmittel von hoher ernährungsphysiologischer<br />

Qualität und bei unseren<br />

Kostgewohnheiten ein Grundnahrungsmittel. Es<br />

liefert einen wichtigen Beitrag zur Deckung des<br />

Bedarfs an zahlreichen Nährstoffen, die eine hohe<br />

Bioverfügbarkeit haben. Kein Nährstoff ist jedoch<br />

„exklusiv“ im Fleisch enthalten.<br />

Bild: MLR<br />

Neben Wasser ist Eiweiß mit ca. 20 Prozent der<br />

Hauptbestandteil des Fleisches. Doch es reichen<br />

kleine Mengen aus, denn die Eiweißzufuhr in<br />

Deutschland liegt ohnehin über dem Bedarf und<br />

auch andere tierische und in großem Umfang auch<br />

pflanzliche Lebensmittel wie Brot sind Eiweißlieferanten.<br />

Der Fettgehalt im Fleisch ist bei allen<br />

Tierarten in den letzten Jahren gesunken und anhaftendes<br />

Fett wird oft beim Kauf zusätzlich noch<br />

entfernt. Die Fettgehalte der mageren Teile von<br />

Rind, Schwein und Geflügel sind sehr ähnlich und<br />

liegen bei unter 5 Gramm je 100 Gramm. Entgegen<br />

der Verbrauchermeinung ist zum Beispiel<br />

auch Schweinefleisch nicht generell fettreich. Die<br />

Zubereitung ist deshalb deutlich wichtiger <strong>als</strong> die<br />

Art des Fleisches. Panade und fette Soßen machen<br />

ein mageres Stück Fleisch zu einer „Kalorinebombe“.<br />

Marmoriertes oder mit leichten Fettadern<br />

durchzogenes Fleisch hat mehr Aroma und<br />

braucht bei der Zubereitung nur wenig Fett. Umgekehrt<br />

lässt sich auch durch die Zugabe von viel<br />

Bratfett bei ganz magerem Fleisch kein Aroma<br />

„erzeugen“.<br />

Mit einem hohen Vitamingehalt werden zu Unrecht<br />

meist ausschließlich Obst und Gemüse assoziiert.<br />

Das ist richtig für Vitamin C. Fleisch ist jedoch<br />

ein wichtiger Lieferant für die wasserlöslichen<br />

Vitamine der B-Gruppe. Eine 125 g-Portion<br />

mageres Schweinefleisch liefert zum Beispiel 80 %<br />

des täglichen Vitamin B 1<br />

- und etwa 30 % des Vitamin<br />

B 6<br />

-Bedarfs. Eine Portion Rindfleisch deckt<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

21


Schwerpunktthema<br />

bereits den Tagesbedarf an Vitamin B 12<br />

. Aus der<br />

Gruppe der Miner<strong>als</strong>toffe ist Fleisch ein guter Lieferant<br />

für Zink, Selen und vor allem Eisen. Letzteres<br />

ist aus Fleisch besonders gut bioverfügbar.<br />

Für Kleinkinder empfehlen Experten für Kinderernährung<br />

deshalb fünfmal die Woche eine kleine<br />

Menge Fleisch (20-30 g), um den hohen Eisenbedarf<br />

beim Wachstum zu decken. Als potentiell<br />

negative Inhaltsstoffe sind vor allem Cholesterin<br />

und Purine zu nennen. Cholesterin ist lebensnotwendiger<br />

Baustein der Zellwände und wird im<br />

Körper in ausreichenden Mengen selbst produziert.<br />

Bei viel Cholesterin im Essen sinkt diese<br />

Eigenproduktion. Zu viel Cholesterin kann je<br />

nach individueller Veranlagung und der Zusammensetzung<br />

der übrigen Kost zu einem Anstieg<br />

des Blutspiegels beitragen und gilt <strong>als</strong> Risikofaktor<br />

für Herz-Kreislauferkrankungen. Für die Praxis<br />

wichtig: Cholesterin kommt nicht nur in fetten<br />

Produkten vor. Es ist besonders reichlich in den<br />

stoffwechselaktiven Innereien enthalten. Auch<br />

Purine kommen <strong>als</strong> Bestandteile der Zellkerne in<br />

allen Fleischteilen vor. Gesunde haben damit keine<br />

Probleme, Menschen mit hohen Harnsäurewerten<br />

im Blut oder mit Gicht sollten Fleisch nur<br />

in kleinen Mengen essen.<br />

Empfehlenswerte Mengen<br />

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt<br />

300-600 Gramm Fleisch und Wurst in der<br />

Woche. Das entspricht z.B. 3 Portionen Fleisch (à<br />

150 g) und 3 Portionen fettarmer Wurst (à 30 g) in<br />

der Woche. Natürlich kann man diese Menge auch<br />

anders verteilen. Wer diese Menge einhält, profitiert<br />

von den wertvollen Nährstoffen im Fleisch<br />

wie Eiweiß, B-Vitaminen, Eisen und Zink, ohne<br />

sich mit zu vielen Begleitstoffen wie Fett, Cholesterin<br />

und Purinen zu belasten.<br />

Der tatsächliche durchschnittliche Verbrauch in<br />

Deutschland liegt laut Agrarstatistik im Durchschnitt<br />

seit Jahren auf einem ziemlich konstanten<br />

hohen Niveau: Rind- und Kalbfleisch zusammen<br />

bei ca. 8,5 kg, Schweinefleisch bei knapp 40 kg und<br />

Geflügelfleisch bei etwa 11 kg pro Kopf und Jahr.<br />

(DGE, Ernährungsbericht 2012). Genaue Zahlen<br />

ermittelte die Nationale Verzehrsstudie (NVS) in<br />

den Jahren 2005 bis 2007 bei fast 20.000 Menschen.<br />

Eine Unterstichprobe führte sogar ein genaues<br />

Wiegeprotokoll des Essens. Danach verzehren<br />

Männer mit 103 g täglich doppelt so viel<br />

Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnisse wie<br />

Frauen mit nur 53 g. Bei den Männern sinkt der<br />

Verzehr von Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnissen<br />

ab der Altersgruppe von 19 bis 24 Jah-<br />

ren. Bei Frauen ist<br />

der Anteil an Personen,<br />

die in den letzten<br />

vier Wochen vor<br />

der Befragung kein<br />

Fleisch verzehrt haben<br />

mit 3,4 % mehr <strong>als</strong><br />

doppelt so hoch wie bei<br />

den Männern (NVS 2010).<br />

Das Bild von grillenden Männern<br />

und Salat knabbernden Frauen scheint<br />

sich damit zu bestätigen.<br />

Groß ist auch der Unterschied im Fleischverbrauch<br />

zwischen den sozialen Schichten. Sowohl<br />

die Nationale Verzehrsstudie <strong>als</strong> auch die Ernährungsstudie<br />

der Techniker Krankenkasse „Iss was<br />

Deutschland“ (2013) stellen fest: Je geringer der<br />

Bildungsstand und das Einkommen, desto mehr<br />

Wurst kommt aufs Brot und desto mehr Fleisch<br />

wird gegessen. Männer der Oberschicht essen 20<br />

Prozent weniger Fleisch <strong>als</strong> die männlichen Befragten<br />

der Unterschicht. Im Schnitt isst die Hälfte<br />

der Bevölkerung jeden Tag Wurst oder Fleisch.<br />

Vor allem in Haushalten mit einem Monatseinkommen<br />

von maximal 1.500 Euro gehört das tägliche<br />

Stück Fleisch zum Essen dazu. Diese Entwicklung<br />

zeigt sich auch schon bei den Kindern.<br />

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung ermittelte,<br />

dass bereits Kleinkinder insgesamt zu<br />

viel Fleisch essen und Kinder aus der unteren<br />

sozialen Schicht am meisten davon bekommen.<br />

Weniger Fleisch - mehr Klimaschutz<br />

Essen und Trinken ist, neben der Energievergeudung,<br />

der Luftverschmutzung, der Belastung<br />

durch den Autoverkehr, für etwa 20 Prozent der<br />

Klimabelastung verantwortlich. Etwa die Hälfte<br />

der <strong>gesamte</strong>n ernährungsbedingten Emissionen<br />

stammt aus der <strong>Landwirtschaft</strong>, das meiste davon<br />

aus der Produktion Lebensmittel tierischer Herkunft.<br />

Nur 8 % entfallen auf die Erzeugung<br />

pflanzlicher Lebensmittel. Einer der Grundsätze<br />

für nachhaltige Ernährung ist deshalb die Bevorzugung<br />

pflanzlicher Lebensmittel und die Einschränkung<br />

von Fleisch und anderen tierischen<br />

Lebensmitteln. Denn diese Produkte haben über<br />

die <strong>gesamte</strong> Nahrungskette gemessen durch die<br />

Veredelungsverluste den größten CO 2<br />

-Fußabdruck.<br />

Andererseits können nur Wiederkäuer<br />

Gras der Grünlandflächen zur Produktion hochwertiger<br />

Lebensmittel wie Fleisch und Milch nutzen.<br />

Es geht deshalb auch bei der Frage Klimaschutz<br />

und Fleischverzehr nicht um entwederoder<br />

sondern um einen bewussten Konsum in<br />

22<br />

Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

geringeren Mengen<br />

und die Wertschätzung<br />

einer hohen<br />

Qualität. Dazu gehört<br />

auch der bewusste<br />

Einkauf und<br />

die Vermeidung von<br />

Verlusten im Haushalt.<br />

Denn alles was weggeworfen<br />

wird, ist mit viel Energieaufwand<br />

erzeugt worden.<br />

Der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft<br />

für Ernährung meint zum künftigen Trend:<br />

„Zukünftig ist in Deutschland von einem Rückgang<br />

des Fleischkonsums auszugehen. Bei Prognosen<br />

für den zukünftigen Verbrauch spielen verschiedene<br />

Faktoren eine Rolle. Beispielhaft erwähnt<br />

seien die schrumpfende und alternde Bevölkerung<br />

in Deutschland, geänderte<br />

Verbrauchereinstellungen hinsichtlich einer bewussteren<br />

Ernährung und mögliche Maßnahmen<br />

in der Klimapolitik, die den Fleischpreis verteuern<br />

könnten. Durch den steigenden Anteil von<br />

Migranten in Deutschland wird davon ausgegangen,<br />

dass insbesondere durch die zunehmende<br />

Zahl der Muslime eine Reduzierung des Verzehrs<br />

von Schweinefleisch zugunsten von Schaf- und<br />

Rindfleisch zu erwarten ist.“<br />

Veggie-Day und Sonntagsbraten<br />

Die aktuelle, sehr emotionsgeladene Diskussion<br />

über einen Veggie-Day in der Außer-Haus-Verpflegung<br />

zeigt, dass Essen sehr viel mit Gefühlen<br />

und Einstellungen und sehr wenig mit der Vernunft<br />

zu tun hat. Früher war mindestens ein<br />

fleischfreier Tag pro Woche eine Selbstverständlichkeit<br />

und niemand sah darin einen Eingriff in<br />

die persönliche Freiheit. Laut einer aktuellen Studie<br />

der Universitäten Hohenheim und Göttingen<br />

wären 60 % der Deutschen zu einer Einschränkung<br />

ihres Fleischkonsums bereit, hauptsächlich,<br />

um ihre Gesundheit und den Tierschutz zu fördern.<br />

Tatsächlich wäre der reduzierte Fleischkonsum<br />

in Industrieländern auch für Ressourcenschutz,<br />

Klimawandel und die Sicherung der Welternährung<br />

vorteilhaft. Bereits 20 % weniger<br />

Fleischkonsum in den Industrieländern hätte<br />

spürbare Auswirkungen auf Agrarpreise und die<br />

Ernährungssicherung armer Menschen in Entwicklungsländern.<br />

Menschen, die sich für eine<br />

fleischarme Lebensweise entscheiden, ernähren<br />

sich oftm<strong>als</strong> insgesamt kalorienärmer, stellten die<br />

Wissenschaftler fest. Beispielsweise geht eine Verringerung<br />

der Fleischnachfrage um 20 % gleichzeitig<br />

mit einem Rückgang der Milchnachfrage um<br />

6 % und einem Rückgang der Kartoffel- und Weizennachfrage<br />

um 2 % einher. Eine Reduzierung<br />

des Fleischkonsums in den Industrieländern würde<br />

nach dem derzeitigen Stand der Ernährungsforschung<br />

per se positive Gesundheitseffekte bewirken.<br />

Hinzu kommen die günstigen Einkommenseffekte<br />

für die Konsumenten in Deutschland,<br />

eine Schonung der natürlichen Ressourcen<br />

und eine beachtliche Verminderung des CO 2<br />

-Ausstoßes.<br />

Die Zusammenstellung des eigenen Speisezettels<br />

ist eine sehr persönliche Angelegenheit und sollte<br />

das auch bleiben. Essen soll zu allererst gut schmecken,<br />

darüber sind sich alle einig. Fleischlose Gerichte<br />

können hervorragend schmecken und sind<br />

weit mehr <strong>als</strong> das Weglassen von Fleisch und der<br />

ausschließliche Verzehr von Nudeln mit Soße und<br />

etwas Gemüse. In vielen Haushalten fehlt oft das<br />

Wissen um abwechslungsreiche Rezepte für vegetarische<br />

Speisen, die Genuss und nicht Verzicht<br />

bieten. Die Außer-Haus-Verpflegung und die<br />

Gastronomie mit ihren Fachkräften könnten hier<br />

noch mehr <strong>als</strong> bisher eine Vorbildfunktion einnehmen<br />

und Anregungen liefern. Eine attraktive<br />

fleischfreie Alternative an jedem Tag der Woche<br />

wird auf Dauer viele Tischgäste gewinnen, ganz<br />

ohne Vorschriften und Ideologie. Make the<br />

healthier choice the easier choice - das könnte<br />

auch für einen mäßigen Fleischkonsum gelten.<br />

Quellen (u.a.)<br />

DGE, Ernährungsbericht 2012, Umschau-Verlag<br />

M. MÜLLER-LINDENLAUF, Was hat die Ernährung<br />

mit dem Klima zu tun? Vortrag bei der BNE-Tagung<br />

„Unsere Zukunft auf den Tellern“,<br />

29.12.2012<br />

K. v. KOERBER, Ernährung <strong>als</strong> Schlüssel für einen<br />

Konsum mit Zukunft, Vortrag bei der BNE-Tagung<br />

„Unsere Zukunft auf den Tellern“,<br />

29.12.2012<br />

A. PLÖGER, G. HIRSCHFELDER, G. SCHÖNFELDER<br />

(Hrsg.), Die Zukunft auf dem Tisch, Wiesbaden<br />

2011<br />

A. CORDTS, N. DUMAN, Prof. Dr. H. GRETHE, Dr.<br />

S. NITZKO, Prof. Dr. A. SPILLER, Auswirkungen<br />

eines verminderten Konsums von tierischen Produkten<br />

in Industrieländern auf globale Marktbilanzen<br />

und Preise für Nahrungsmittel, Institut für<br />

Agrarpolitik und <strong>Landwirtschaft</strong>liche Marktlehre,<br />

Universität Hohenheim, 2013 •<br />

Monika Radke<br />

MLR Stuttgart<br />

Tel. 0711/ 1262105<br />

monika.radke@mlr.bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

23


Schwerpunktthema<br />

Daniela Schweikhart<br />

Orientierung beim Fleischeinkauf<br />

Ein Fleischskandal löst den nächsten ab, von den Medien meist effektvoll aufgearbeitet. Mit<br />

entsprechender Wirkung: die Verunsicherung des Verbrauchers beim Fleischeinkauf ist groß. Da<br />

häufig der Bezug zur <strong>Landwirtschaft</strong> und zur Lebensmittelherstellung fehlt, kann er die „Skandal“-<br />

Informationen nicht richtig einordnen. Außerdem mangelt es bisweilen an küchen-technischen<br />

Fertigkeiten. Nicht jeder weiß, welches Fleischteil für welches Gericht geeignet ist und wie es so<br />

zubereitet wird, dass es am Ende auch so lecker schmeckt wie erhofft.<br />

„Der Mensch beurteilt<br />

die Dinge lange nicht<br />

so sehr nach dem,<br />

was sie wirklich sind,<br />

<strong>als</strong> nach der Art,<br />

wie er sie sich denkt<br />

und sie in seinen<br />

Ideengang einpasst“.<br />

Alexander Freiherr<br />

von Humboldt<br />

(1769 - 1859)<br />

Was ist nun „gutes Fleisch“ und wie erkennt<br />

man es? Kriterien sind zunächst die mit unseren<br />

fünf Sinnen wahrnehmbare Zeichen der<br />

Fleischqualität:<br />

Fein marmoriertes Fleisch ist zarter und saftiger<br />

<strong>als</strong> ganz mageres.<br />

Liegt das Fleisch im eigenen Saft, dann hat es<br />

ein schlechteres Safthaltevermögen und wird<br />

bei der Zubereitung leicht zäh und trocken.<br />

Ist der Saft beispielsweise in einer SB-Packung<br />

auch noch trüb, dann lieber Finger weg.<br />

Schnittflächen sollten frisch sein. Angetrocknete<br />

Ränder sind ein Zeichen dafür, dass ein<br />

Fleischstück bereits länger liegt.<br />

Frisches Fleisch ist elastisch: Eine mit dem Finger<br />

in das rohe Fleisch gedrückte Vertiefung<br />

sollte schnell wieder verschwinden.<br />

Die Farbe variiert nach Fleischart und Alter des<br />

Tieres. Rindfleisch sollte nicht tief dunkelrot<br />

sein, Schweinefleisch nicht zu blass (Fleischfehler).<br />

Unter Schutzatmosphäre verpacktes Rindfleisch<br />

kann mit einem hochgradig angereicherten<br />

O 2<br />

-Gasgemisch behandelt sein, so dass es<br />

auch kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums<br />

(MHD) noch schön rot erscheint<br />

und so Frische vortäuscht.<br />

Gefrorenes Fleisch darf keine Anzeichen von<br />

Gefrierbrand haben. Häufig ist dies z.B. bei<br />

Tiefkühl-Hähnchen zu beobachten.<br />

Fleisch wird zart beim Abreifen. Daher sollte<br />

Schweinefleisch 5 Tage, Rindfleisch bestenfalls<br />

2 Wochen abgehangen sein.<br />

Typische Fleischfehler sind bei Rindfleisch das<br />

tiefrot bis braune „DFD“ -Fleisch (dark = dunkel,<br />

firm = fest, dry = trocken). Haben die Tiere vor<br />

der Schlachtung zu viel Stress, sinkt der pH-Wert<br />

im Fleisch nicht tief genug und die Fleischreifung<br />

ist gestört.<br />

Die früher gängigen Fleischfehler beim Schwein,<br />

das sog. PSE-Fleisch (pale=blass, soft=weich,<br />

exsudative=wässrig) sind heute durch Zuchterfolg<br />

deutlich zurückgegangen. Kompetente Beratung<br />

und gute Hygienestandards in den Schlacht- und<br />

Verkaufsräumen sowie beim Personal können<br />

Hinweise für einen vertrauenswürdigen Einkaufsort<br />

sein.<br />

Augen auf beim Fleischeinkauf -<br />

Lebensmittelrecht<br />

Nach dem Rindfleisch-Etikettierungs-Gesetz<br />

müssen Geburts-, Schlacht- und Zerlegeland angegeben<br />

sein. Aufgetautes TK-Fleisch muss zwar<br />

<strong>als</strong> solches gekennzeichnet sein, wird es jedoch in<br />

irgendeiner Weise weiter bearbeitet, beispielsweise<br />

mariniert, zu Hackfleisch verarbeitet oder mit Salz<br />

oder Flüssigwürzen behandelt, entfällt die Deklarationspflicht.<br />

Besonders Geflügel ist häufig mit<br />

bis zu 10 Prozent Flüssigwürze aufgespritzt<br />

(„Hühnerbrust küchenfertig zubereitet“). Paniertes<br />

und gleichmäßig geformtes Fleisch ist häufig<br />

aus Fleischteilen zusammengesetztes Formfleisch.<br />

Das trifft besonders häufig auf Chicken Nuggets<br />

zu.<br />

Güte- und Herkunftssiegel<br />

Wer auf die Herkunft seines Steaks achtet, kann<br />

sich an einer Reihe von regionalen und anderen<br />

Zeichen und Siegeln orientieren. Hier werden einige<br />

ausgewählte vorgestellt:<br />

Gütesiegel wie das QS-Zeichen „Qualität<br />

und Sicherheit“ geben Qualitätsstandards<br />

vor, die durch den <strong>gesamte</strong>n<br />

Produktionsablauf von der Erzeugung<br />

bis zur Schlachtung hindurch zu dokumentieren<br />

24 Landinfo 4 | 2013


Schwerpunktthema<br />

sind. Für den Verbraucher soll durch maximale<br />

Transparenz und Rückverfolgbarkeit ein maximal<br />

sicheres Produkt zur Verfügung stehen. Inzwischen<br />

gehört das QS-Zeichen für alle LEH-Ketten<br />

zum Grundstandart. www.q-s.de.<br />

Das Qualitätszeichen Baden-Württemberg<br />

bezeichnet beispielsweise<br />

Fleisch von Tieren, die im Land aufgewachsen<br />

sein müssen. Umfangreiche<br />

Rückstands- und Qualitätskontrollen<br />

gehören auch dazu. Infos und Kriterien<br />

unter www.gemeinschaftsmarketing-bw.de.<br />

Im Südschwarzwald<br />

erzeugt<br />

die<br />

Erzeugergemeinschaft<br />

„Junges Weiderind“ nach EU-Bio-<br />

Richtlinien und liefert ausschließlich an Edeka<br />

Südwest in Offenburg. Damit ist das Kriterium<br />

der kurzen Transportwege erfüllt (www.jungesweiderind.de).<br />

Die europäischen<br />

Herkunftszeichen<br />

bezeichnen rechtlich<br />

geschützte<br />

Produktionsweisen.<br />

„Geschützte geografische Angabe“ bezeichnet<br />

beispielsweise Schwarzwälder Schinken, der<br />

zwar mit ausländischem Schweinefleisch aber nur<br />

in der definierten Region Schwarzwald hergestellt<br />

werden darf, dasselbe gilt für die schwäbischen<br />

Maultaschen. Kriterien zum Nachlesen unter:<br />

www.bmelv.de /<strong>Landwirtschaft</strong> /EU-Agrarpolitik/EU-Marktregelungen<br />

/Schutz von Herkunftsbezeichnungen<br />

und traditionellen Spezialitäten.<br />

Seit Januar 2013 gibt es das Regionalfenster,<br />

getragen vom Verein<br />

Regionalfenster e.V.. Dieser setzt<br />

sich zusammen aus Verbänden<br />

und Unternehmen der Agrarund<br />

Ernährungswirtschaft und wird unterstützt<br />

vom BMELV in Berlin (www.regionalfenster.de).<br />

Das neue „Tierschutzlabel“<br />

des deutschen Tierschutzbundes<br />

e.V. hat in<br />

den letzten Monaten für<br />

kontroverse Diskussionen<br />

gesorgt. Es differenziert zwischen der Einstiegsstufe<br />

mit einem und der Premiumstufe mit zwei<br />

Sternen. Grob gesagt liegen die Anforderungen<br />

für die Einstiegsstufe knapp über dem Level der<br />

gesetzlichen Grundlagen, die der Premiumstufe<br />

etwa auf Bio-Niveau. (www.tierschutzlabel.info).<br />

Bio-Verbände wie Bioland, Demeter,<br />

Naturland haben jeweils<br />

ihre eigenen Kriterien zu Haltung<br />

und Fütterung von Nutztieren.<br />

Ein guter Vergleich dieser<br />

Kriterien findet sich unter www.<br />

wwf.de/fileadmin/fm-wwf/<br />

Publikationen-PDF/Vergleich_<br />

Kriterien_13102011.pdf.<br />

Weitere Labels und Initiativen: www.vier-pfoten.<br />

de/service/tierschutzlabel und www.aktion-tierwohl.de<br />

Weitere ethische Kriterien beim<br />

Fleischeinkauf<br />

Ethische Gründe können weitere Orientierung<br />

beim Einkauf sein. Artgerechte Tierhaltung, Weidegang,<br />

Fütterung mit regionalen Futtermitteln<br />

ohne gentechnisch veränderte (GVO)-Futterpflanzen<br />

haben für den Verbraucher einen hohen<br />

Stellenwert. Hat er den Eindruck, das Tier war<br />

„glücklich“, kann er es mit vermeintlich besserem<br />

Gewissen essen. Hier liegt die Nische für die Direktvermarktung,<br />

wo der Verbraucher dem Erzeuger<br />

persönlich vertraut. Mediale Berichte, wie die<br />

um die Anwendung von Betäubungsmitteln zum<br />

Kastrieren von Schweinen oder die Verwendung<br />

von Antibiotika in der Geflügelmast, wirken beim<br />

Verbraucher stark abschreckend. Neben Nachhaltigkeitskriterien<br />

wie dem ’ökologischen Fußabdruck’<br />

oder dem ‚virtuellen Wasser’ ist es sinnvoll,<br />

durch die Auswahl von regionalen Produkten die<br />

Wertschöpfung in der Region zu lassen, kurze<br />

Transportwege und die Pflege der Landschaft im<br />

der eigenen Wohnumfeld zu fördern.<br />

Schlussfolgerung<br />

Unser Anliegen in <strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucheraufklärung<br />

muss sein, Informations- und<br />

Imagearbeit zu leisten und den Menschen die<br />

Möglichkeit zu geben, einen Bezug zu regionalen<br />

Lebensmitteln aufzubauen.<br />

Heimische <strong>Landwirtschaft</strong> muss ein sympathisches<br />

Gesicht haben und schon von Otto Normalverbraucher<br />

mit positiven Aussagen assoziiert<br />

werden, sonst gibt es für ihn keinen Grund, beim<br />

Einkauf auf die Regionalität der Produkte zu<br />

achten. •<br />

Daniela Schweikhart<br />

Landratsamt Biberach<br />

Tel. 07351/ 526731<br />

daniela.schweikhart@<br />

biberach.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

25


Mitten im Leben<br />

Das Ei - Multitalent in der Küche<br />

Ob Kuchen, Suppen, Teig – häufig werden Eier mit verarbeitet. Der Grund liegt<br />

in ihren vielfältigen küchentechnischen Eigenschaften.<br />

Eier binden<br />

Ein Ei kann die zweifache Flüssigkeitsmenge seines Eigengewichtes aufnehmen. Deshalb wird es zum<br />

Binden von Semmel-, Kartoffel- und Fleischteigen eingesetzt. Eine leichte Bindung und Verfeinerung<br />

von Suppen und Soßen erhält man durchs Legieren. Für diesen Vorgang wird nur das Eigelb verwendet.<br />

Eigelb emulgiert<br />

Eigelb enthält Lecithin, das <strong>als</strong> Emulgator wirkt. Emulgatoren haben die Fähigkeit, zwei nicht mischbare<br />

Stoffe (Fett, Wasser) miteinander zu verbinden. Mayonnaise oder Sauce hollandaise sind Beispiel dafür.<br />

Eigelb färbt<br />

Der Eidotter erhält seine gelbe Farbe aus Carotinen, die aus dem Hühnerfutter stammen.. Diese Farbe<br />

macht man sich zunutze beim Bestreichen von Gebäck mit einem Eigelb-Milch-Gemisch. Auch<br />

Cremespeisen z.B. Flammerie erhalte dadurch eine schöne Färbung.<br />

Eiklar lockert<br />

Durch das Schlagen nimmt das Eiklar Luft auf. Die Masse vervielfacht das Volumen und wird zu<br />

Eischnee. Die eingeschlagene Luft dient zur Lockerung der Speisen. Der Schaum ist jedoch nicht sehr<br />

stabil, so dass er schnell erhitzt werden muss, damit die Struktur erhalten bleibt. Bisquitteig und Baisers<br />

sind typische Beispiele für die Verwendung von Eiklar. Auch Kaiserschmarrn erhält durch Eischnee eine<br />

luftige Struktur.<br />

Eiweiß klärt<br />

Brühen aus Knochen und Fleisch werden beim Kochvorgang trübe. Aufgeschlagenes Eiweiß, das in der<br />

Brühe aufgekocht wird, bindet die Trübstoffe. Die Brühe wird klar.<br />

REZEPT<br />

Semmelmehlklößchen (4-5 Personen)<br />

50 g trockenes Brot 25 g Butter<br />

1 Ei 1 Prise Salz<br />

1 Essl. gehackte Petersilie<br />

Trockenes Brot in einen Gefrierbeutel geben und mit einem Wellholz<br />

zu Semmelmehl zerstampfen.<br />

Semmelmehl mit Butter, Ei, Salz und gehackte Petersilie zu einem<br />

Teig verarbeiten. Aus dem Teig Haselnussgroße Klößchen formen.<br />

Die Klößchen in leicht siedender Brühe ziehen lassen. Sie sind gar<br />

wenn sie alle oben schwimmen (5-10 Minuten).<br />

Die Klößchen sind eine Suppeneinlage die besonders bei Kindern<br />

beliebt ist. Sie dient der Resteverwertung.<br />

Ernährungsinformation<br />

Gesa Czolbe<br />

Ernährungszentrum Karlsruhe<br />

Tel. 07251/ 74-1741<br />

gesa.czolbe@landratsamt-karlsruhe.de<br />

26 Landinfo 4 | 2013


Mitten im Leben<br />

Personalnachrichten (Februar bis Juli 2013)<br />

Neueinstellungen<br />

Patricia Bauderer<br />

Jessica Schmidt<br />

Ute Killgus<br />

Matthäus Ströbele<br />

Ramona Reinke<br />

Julika Schaupp<br />

Susanne Gnoyke<br />

LRA Alb-Donau-Kreis<br />

LRA Alb-Donau-Kreis<br />

LRA Esslingen<br />

LRA Hohenlohekreis<br />

LRA Schwäbisch Hall (DO Kupferzell)<br />

LRA Freudenstadt<br />

LRA Calw<br />

Stefan Kury<br />

Marie Martin<br />

Sebastian Weisenburger<br />

Alexandra Niedrist<br />

Tobias Schweizer<br />

Josefine Gutte<br />

Frank Hemrich<br />

Birte Krüttgen<br />

LRA Rottweil<br />

LRA Tuttlingen<br />

LRA Karlsruhe<br />

LRA Tübingen<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

LVG Heidelberg<br />

LVG Heidelberg<br />

Versetzungen<br />

Reinhard Dingler<br />

David Endreß<br />

Kim Bürger<br />

Caroline Fischer<br />

LSZ Boxberg<br />

LRA Heilbronn<br />

LRA Waldshut<br />

LRA Neckar-Odenwald-Kreis<br />

Susanne Berger<br />

Anne Spelsberg<br />

Tomma Bieling<br />

LRA Bodenseekreis<br />

LRA Schwäbisch Hall<br />

LRA Ostalbkreis<br />

Eintritt in den Ruhestand<br />

Dr. Gottfried Göggel<br />

Anton Schoch<br />

Matthias Braun<br />

Gerhard Kohler<br />

Hans Haberkorn<br />

Karl Johann van Eeck<br />

LRA Reutlingen<br />

LRA Freudenstadt<br />

LRA Bodenseekreis<br />

LRA Neckar-Odenwald-Kreis<br />

LRA Ravensburg<br />

LRA Ostalbkreis<br />

Dr. Reinhold Buchsteiner<br />

Dr. Peter-Caspar Hagemann<br />

Gisela Kankel-Dörr<br />

Dr. Robert Merz<br />

Joachim Hentze<br />

Bernhard Dangelmaier<br />

LRA Ludwigsburg<br />

LRA Sigmaringen<br />

LRA Calw<br />

MLR<br />

MLR<br />

MLR<br />

Karl-Johann van Eeck verabschiedet<br />

Mit der Verabschiedung in den Ruhestand von Karl-Johann van<br />

Eeck hat wieder ein Mitglied des Landinfo-Redaktionsbeirates<br />

(heute Beirat für Bildungs- und Beratungsunterlagen) der ersten Stunde<br />

die Arbeitsgruppe verlassen. Karl-Johann van Eeck wurde am<br />

14.11.1947 in Kleve-Kellen, NRW <strong>als</strong> Bauernsohn geboren. Nach einer<br />

landwirtschaftlichen Lehre und Besuch der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen<br />

Ingenieurschulen in Brühl und Soest vollendete er seine Studien mit<br />

dem Abschluss der Agrarökonomie in Hohenheim. Dem Referendariat<br />

in Niedersachsen folgten Tätigkeiten am <strong>Landwirtschaft</strong>samt Horb, Aalen und am RP Stuttgart, bevor<br />

er seit 1993 Stellvertretender Amtsleiter am <strong>Landwirtschaft</strong>samt Ellwangen/Ostalbkreis wurde.<br />

Karl-Johann van Eeck hat die Landinfo seit der ersten Sitzung 1994 begleitet. Sein Ideenreichtum, sein<br />

Engagement und seine Nähe zur landwirtschaftlichen Praxis haben dazu beigetragen die landinfo interessant<br />

und praxisnah zu gestalten. Seine Erfahrung und seine Offenheit gegenüber neuen Themen<br />

wurden im Redaktionsbeirat hoch geschätzt. Mit Anne Spelsberg (<strong>Landwirtschaft</strong>samt SHA in Ilshofen)<br />

übergibt er sein Amt an eine junge, engagierte Kollegin, die im Beirat die Wünsche und Interessen der<br />

Unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörden vertreten wird. •<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

27


Mitten im Leben<br />

Rezensionen<br />

Diagnostik und Gesundheitsmanagement<br />

im Schweinebestand<br />

UTB - Veterinärmedizin, ISBN 978-3-8252-8502-<br />

9, Preis: 59,- €<br />

Das Buch wurde von einem internationalen Autorenteam<br />

aus Spezialisten der klinischen Diagnostik,<br />

Pathologie, Virologie, Bakteriologie, Parasitologie,<br />

Tierernährung, Tierhaltung, Hygiene und<br />

Pharmakologie verfasst. Es ist allerdings für Veterinärmediziner<br />

eher geeignet <strong>als</strong> für Mitarbeiter<br />

der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung. Im Rahmen von<br />

Betriebsberatungen auf Schweinebetrieben, in denen<br />

es um Tiergesundheit geht, kann es allerdings<br />

<strong>als</strong> Nachschlagewerk für speziellere Fragen verwendet<br />

werden.<br />

Das Buch geht auf verschiedene Methoden der<br />

Diagnostik von Krankheiten ein. Der erste Band<br />

behandelt insbesondere infektiös und nicht infektiös<br />

bedingte Bestandserkrankungen, während<br />

Reproduktionsstörungen in einem weiteren Band<br />

abgehandelt werden. •<br />

„Aus der Serie „Die <strong>Landwirtschaft</strong>“ wurden zwei<br />

Grundlagenwerke für den Unterricht an den<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>lichen Fachschulen überabeitet<br />

und neu aufgelegt:<br />

Berufsausbildung und Mitarbeiterführung<br />

In diesem Lehr- und Arbeitsbuch werden die neuesten<br />

rechtlichen Bestimmungen für die Berufsausbildung<br />

im Agrarbereich berücksichtigt. Veränderungen<br />

im <strong>gesamte</strong>n Bildungsbereich innerhalb<br />

Deutschlands sind aufgenommen, Tabellen<br />

und Statistiken sowie Handlungsbeispiele erweitert<br />

und aktualisiert. Die acht Kapitel folgen mit<br />

dieser kompletten Neugestaltung der Ausbilder-<br />

Eignungsverordnung, ergänzt um den zentralen<br />

Themenbereich „Mitarbeiterführung“. Bedeutende<br />

Themen der modernen Betriebsführung wie<br />

das Image des Agrarberufes, Teamarbeit, Beurteilungsgespräche<br />

und Führungsverhalten vernetzen<br />

alle Kapitel miteinander.<br />

Für das Eigenstudium werden die jeweiligen Abschnitte<br />

mit Lernzielen eröffnet und mit Zusammenfassungen<br />

und Verständnisfragen abgeschlossen.<br />

Auch in diesem Band unterstützt nun der<br />

Einsatz einer Farbe ebenso wie die strukturierte<br />

Gliederung der Inhalte das bewährte didaktische<br />

Konzept dieser Lehrbuch-Reihe.<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>liche Tierhaltung<br />

28 nord- und süddeutsche Autoren trugen hier<br />

den aktuellen Wissensstand der landwirtschaftlichen<br />

Tierproduktion zusammen. Die 11 Kapitel<br />

sind nach dem bewährten didaktischen Konzept<br />

dieser Lehrbuch-Reihe übersichtlich gegliedert,<br />

die <strong>gesamte</strong> Verfahrenstechnik („Landtechnik“)<br />

der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist in die einzelnen<br />

Kapitel integriert, sodass der Leser ganzheitliche<br />

Darstellungen der Produktionssysteme<br />

erhält. Der Aufbau dieses Bandes ist komplett neu<br />

gestaltet: In einem ersten Teil werden ausschließlich<br />

die Grundlagen der Zucht, Fütterung, Futtermittelkunde<br />

und Haltung behandelt, in einem<br />

zweiten werden diese Bereiche auf die Tierart bezogen<br />

vertieft. Die Neuauflage ist dadurch übersichtlicher<br />

und anwenderfreundlicher. Neue wissenschaftliche<br />

Fachkenntnisse wurden eingearbeitet.<br />

Breiten Raum nehmen die sons tigen Nutztierarten<br />

sowie der <strong>gesamte</strong> Komplex der<br />

Tiergesundheit und des Tierschutzes ein. Die<br />

speziellen Anforderungen der Tierhaltung im<br />

ökologischen Landbau sind bei den jeweiligen<br />

Tierarten direkt mit eingearbeitet.<br />

Für Herbst 2013 wird auch eine Neuauflage<br />

„<strong>Landwirtschaft</strong>licher Pflanzenbau“ angekündigt.<br />

•<br />

Getreidelagerung - Sauber – sicher –<br />

wirtschaftlich<br />

Das Thema „Getreidelagerung“ hat nicht nur in<br />

Europa, sondern auch weltweit eine besondere<br />

wirtschaftliche Dimension. Getreide ist ein sehr<br />

sensibles Lebensmittel und laut FAO-Schätzungen<br />

betragen die globalen Verluste durch unsachgemäße<br />

Lagerung zwischen 10 und 30 Prozent.<br />

Verantwortlich dafür sind insbesondere Schadinsekten,<br />

aber auch Schadnagetiere, Vögel und Pilze.<br />

Daher sind Lagerhygiene und -stabilisierung wesentliche<br />

Faktoren, um die Qualität des Getreides<br />

nach der Ernte sicher zu erhalten. Durch relativ<br />

hohe Getreidepreise in den letzten Jahren wird es<br />

für Landwirte außerdem attraktiver, die Ernte<br />

nicht mehr sofort vom Feld weg zu verkaufen.<br />

Wer einlagert und Vermarktungstermine erfolgreich<br />

steuert, kann zu einem späteren Zeitpunkt<br />

einen deutlich höheren Gewinn erreichen.<br />

Der Praxisratgeber informiert umfassend, welche<br />

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Getreidelagerung<br />

geschaffen werden müssen. Anschaulich<br />

und mit zahlreichen Abbildungen wird das nötige<br />

Know-how vermittelt.<br />

28 Landinfo 4 | 2013


Mitten im Leben<br />

Der Leser bekommt kurz, übersichtlich und einfach<br />

verständlich insbesondere Antworten auf<br />

folgende Fragen:<br />

Warum bzw. wann sollte Getreide überhaupt<br />

gelagert werden ?<br />

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind<br />

zu beachten (BGB und Produkthaftungsgesetz,<br />

Rückstellproben, Lebens- und Futtermittelhygienerecht,<br />

Zertifizierungssysteme, Pflanzenschutzgesetz)<br />

?<br />

Welche Verfahren zur Lagerung von Getreide<br />

stehen zur Auswahl (Hochsilo, Flachla-ger/Hallenlagerung)<br />

und mit welchen Kosten muss jeweils<br />

gerechnet werden ?<br />

Welche samen- und bodenbürtigen Krankheiten<br />

gibt es und wie werden sie bekämpft ?<br />

Wie werden Lagerstätte, Geräte und Einrichtungen<br />

richtig gereinigt ?<br />

Wie wird Getreide sicher transportiert ?<br />

Welche Konservierungsverfahren kommen<br />

nach der Ernte in Betracht (Kühlen, Trocknen<br />

u. Belüften, Feuchtkonservierung mit Säuren) ?<br />

Wie wird die Lagerstabilität überwacht (Feuchte,<br />

Temperatur) ?<br />

Welche Schäden entstehen durch Feld- und Lagerpilze<br />

sowie tierische Schädlinge und wie können<br />

sie vermieden werden ?<br />

Der Band erscheint in der neuen Ratgeber-Reihe<br />

des DLG-Verlags „AgrarPraxis kompakt“. •<br />

Schweinemast<br />

Steffen Hoy, Ulmer, 2012, ISBN 978-3-8001-<br />

5378-7, Preis: 24,90 €<br />

Neben Hauptautor Prof. Hoy, wirkten verschiedene<br />

namhafte Autoren aus verschiedenen Bereichen<br />

der Schweinehaltung an dem Buch mit. Entstanden<br />

ist ein in Anbetracht der Themenvielfalt<br />

relativ kompaktes Buch. Es enthält vor allem<br />

wichtige Kennzahlen und eignet sich zum einen<br />

für die Beratung von Schweinemastbetrieben,<br />

aber auch <strong>als</strong> Literatur für baurechtliche Stellungnahmen.<br />

Abgehandelt werden insbesondere folgende Bereiche:<br />

Marktgerechte Schweinemast<br />

Alle wichtigen Haltungsverfahren<br />

Planung und Genehmigung von Stallbauten<br />

Hygiene und Gesunderhaltung<br />

Managementmaßnahmen •<br />

1000 Fragen für den jungen Landwirt<br />

Alsing/ Ertl/ Birnbeck, Ulmer, 17., aktualisierte<br />

Auflage 2012, ISBN 978-3-8001-7552-9, Preis:<br />

19,90 €<br />

Wie der Titel schon ahnen lässt, handelt es sich<br />

nicht um ein typisches Fachbuch. Dennoch behandelt<br />

das Werk die wichtigsten Themenfelder,<br />

die den praktischen Landwirt unmittelbar betreffen.<br />

Auf die Fragen gibt es 1000 relativ kurze aber<br />

präzise Antworten. Das Buch eignet sich durchaus<br />

für den Einsatz im praktischen Unterricht, z.B. an<br />

den Fachschulen. So kann es – wie es oft Agrarstudenten<br />

gewohnt sind – z.B. <strong>als</strong> Fragenkatalog<br />

in einem bestimmten Fachgebiet verwendet werden,<br />

anhand dessen die Schüler ihr eigenes Fachwissen<br />

überprüfen können. Gleichzeitig kann es<br />

im Unterricht sozusagen im Rahmen eines Methodenwechsels<br />

eingesetzt werden. •<br />

Kochen mit Brotresten<br />

Altes Brot und Gebäck schmackhaft<br />

verwerten<br />

Helene Brandstätter, 144 Seiten, ISBN: 978-3-<br />

7020-1411-0, Leopold Stocker Verlag, Graz 2013,<br />

18,99 €<br />

Rund 8 kg Brot wirft jeder Deutsche im Jahr weg.<br />

Für die Autorin, auf einem Bauernhof aufgewachsen,<br />

ist Brot ein wertvolles Grundnahrungsmittel<br />

und wird daher auf gar keinen Fall weggeworfen.<br />

Sie hat über 130 Rezepte zusammengetragen,<br />

vom mediterranen Ciabatta-Salat, Brotsuppen-Varianten,<br />

Semmelknödel, kalte Brotlasagne<br />

bis hin zu leckeren Süßspeisen. Altbackenes Brot<br />

wird dabei mit frischen Zutaten zu leckeren Speisen<br />

verarbeitet. Ein anregendes, praktisches Buch<br />

für mehr Wertschätzung von Lebensmitteln. •<br />

Natürlich kochen!<br />

Annabel Langbein, 320 Seiten, ISBN: 978-3-8338-<br />

2822-5, Gräfe und Unzer Verlag, München 2012,<br />

24,99 €<br />

Die Autorin Annabel Langbein vermittelt in ihrem<br />

Buch „Natürlich kochen!“ eindrucksvoll die<br />

Leichtigkeit des natürlichen Kochens. Ihre bodenständige<br />

Einstellung zum Kochen ist sowohl praktisch<br />

<strong>als</strong> auch inspirierend. Sie verwendet frische<br />

Produkte aus der nächsten Umgebung und in der<br />

Saison geerntet. Der Spaß am Kochen mit leicht<br />

zu beherrschenden Rezepten, die jedem gelingen<br />

und nicht stressen, steht im Vordergrund. Oft<br />

werden bekannte Lebensmittel ungewöhnlich<br />

kombiniert oder gewürzt.<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

29


Mitten im Leben<br />

Die Zubereitung der Gerichte ist ausführlich in<br />

Teilschritten erklärt. Am Ende des Buches befinden<br />

sich ein übersichtliches Glossar und ein Register.<br />

•<br />

Duftküche - 80 Vitalrezepte mit ätherischen<br />

Ölen<br />

Maria M. Kettenring, 144 Seiten, ISBN: 978-3-<br />

7088-0561-0, Kneipp Verlag, Wien 2012, 19,99 €<br />

Das Buch „Duftküche“ von Maria M. Kettenring<br />

weiht den Leser in die Welt der Aromaküche ein.<br />

Im Mittelpunkt des Buches steht der Einsatz von<br />

ätherischen Ölen beim Parfümieren, Experimentieren<br />

und Aromatisieren der Speisen. Nach einer<br />

allgemeinen Einführung in die Aromaküche stellt<br />

sie Rezepturen für aromatische Würzsalze, -pesto,<br />

-öle und mehr vor. Den größten Teil des Buches<br />

nehmen die Rezepte ein, die mit ätherischen Ölen<br />

zubereitet werden. Aromaportraits, in denen die<br />

Eigenschaften und Besonderheiten der Würzessenzen<br />

vorgestellt werden, runden das Buch ab.<br />

Dieses Buch spricht alle Experimentierfreudige<br />

an, die neue Geschmacks- und Dufterlebnisse suchen.<br />

•<br />

Alles wird schwerer Ich nicht -<br />

Das Kochbuch für Frauen ab 40<br />

Dr. Antonie Danz, 134 Seiten, ISBN: 978-3-8304-<br />

6158-6, Trias Verlag, Stuttgart 2012, 14,99 €<br />

Das Kochbuch „Alles wird schwerer – Ich nicht!“<br />

basiert auf einem gleichnamigen Ratgeber mit einem<br />

ungewöhnlichen Ansatz zur Gewichtsreduktion.<br />

Lebensmittel werden gemäß der Diätetik der<br />

Chinesischen Medizin durch wärmende Garverfahren<br />

und Gewürze bekömmlich zubereitet und<br />

achtsam in angenehmer Atmosphäre verzehrt.<br />

Wer spürt, dass größere Mengen Rohkost, häufige<br />

Brotmahlzeiten oder eintöniges Würzen zu Unwohlsein<br />

führen, findet hier viele praktische Anregungen.<br />

In den ersten Kapiteln des Buches werden knappe<br />

Hintergrundinformationen und Tipps zum erfolgreichen<br />

Abnehmen gegeben. Die darauffolgenden<br />

Kapitel enthalten Rezepte zur Zubereitung<br />

wohlschmeckender und bekömmlicher Speisen.<br />

Auf Kalorienzählen, Tages- oder Wochenpläne<br />

und Angaben zu Nährstoffgehalten verzichtet<br />

die Autorin. Stattdessen legt sie großen Wert auf<br />

Wohlbefinden durch bewusstes Zubereiten der<br />

Speisen, Genießen der Mahlzeiten und die Beachtung<br />

der eigenen seelischen und körperlichen Signale.<br />

•<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>liche Betriebslehre –<br />

Grundwissen Bachelor<br />

Stephan Dabbert, Jürgen Braun, UTB – Ulmer, 3.<br />

Auflage 2012, ISBN 978-3-8252-3819-3, Preis:<br />

24,90 €<br />

Das Buch umfasst die wichtigsten Themengebiete<br />

der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre.<br />

Es kann durchaus auch für Fortgeschrittene <strong>als</strong><br />

Nachschlagewerk verwendet werden, bietet sich<br />

aber auch für Referendare oder Inspektorenanwärter<br />

<strong>als</strong> Basislektüre an, wenn fundierte betriebswirtschaftliche<br />

Kenntnisse fehlen. Viele<br />

Ausführungen, wie das Kapitel 2 (Entscheiden<br />

und Planen) sind zwar relativ theoretischer Natur,<br />

im Kapitel 3 werden dann praxisrelevantere Themenfelder,<br />

wie Kosten-Leistungsrechnung,<br />

Grundsätze der Buchführung und Grundbegriffe<br />

des Rechnungswesen abgehandelt und mit praktischen<br />

Beispielen belegt. Die Zwischenüberschriften<br />

an den Seitenrändern machen das Buch sehr<br />

übersichtlich. •<br />

Gut Brot will Weile haben<br />

Der Bäcker vom Lorettohof und seine<br />

besten Rezepte<br />

Günther Weber, Dieter Ott, 168 Seiten, ISBN:<br />

978-3-7750-0653-8, Walter Hädecke Verlag, Weil<br />

der Stadt 2013, 22,80 €<br />

Brot ist ein besonderes<br />

Produkt.<br />

Es<br />

braucht Zeit<br />

und keine Zusatzstoffe.<br />

Der<br />

Holzofenbäcker<br />

Günther<br />

Weber vom<br />

Lorettohof<br />

auf der schwäbischen<br />

Alb<br />

gibt in diesem<br />

Buch Rezepte<br />

für traditionelle<br />

Sauerteig- und Landbrote, Klein- und jahreszeitliches<br />

Gebäck preis. Die nach alter Handwerkskunst<br />

hergestellten Brotteige brauchen Zeit<br />

und Ruhe, damit sich die Aromen richtig entfalten<br />

können. Ausführlich wird im Textteil beschrieben,<br />

was das Bäckerhandwerk ausmacht. Das ist auch<br />

für Hobbybäcker spannend und regt zum Nachmachen<br />

an. Das Buch ist ein ansprechendes Bilderbuch,<br />

eine interessante Biographie und ein<br />

verführerisches Backbuch zugleich. •<br />

30 Landinfo 4 | 2013


Ländlicher Raum, Landschaft<br />

Michael Hauk<br />

Runder Tisch - Gemeinsam aktiv für die Artenvielfalt<br />

Landwirte setzten sich mit Naturschützern, Imkern, Jägern und Vertretern der Gemeinden an einen<br />

Tisch und entwickeln ein Konzept, wie sie gemeinsam etwas für die Vielfalt an Tieren, Pflanzen und<br />

Lebensräumen in ihrer Gemarkung tun können. Das ist kein Traum, keine Vision sondern mit dem<br />

Runden Tisch Artenvielfalt Realität geworden.<br />

In den Jahren 2011 und 2012 lief im Hohenlohekreis<br />

und im Rhein-Neckar-Kreis das Teilprojekt<br />

„Mehr Biodiversität auf landwirtschaftlichen Betrieben“<br />

im Rahmen des Modellvorhabens „Gesamtbetriebliche<br />

Biodiversitätsberatung“ (vgl.<br />

Landinfo 4/2011 und 5/2012). Die beteiligten<br />

Landwirte regten an, auch weitere Landnutzer, wie<br />

Jäger und Imker, sowie ehrenamtliche Naturschützer<br />

und Kommunen an lokalen Initiativen zur<br />

Förderung der Biodiversität zu beteiligen und das<br />

Verfahren zu vereinfachen. So entstand die Idee,<br />

unter dem Titel „Runder Tisch Artenvielfalt“ ein<br />

Gemarkungskonzept<br />

auf freiwilliger Basis ohne Nutzungsentschädigungen<br />

mit möglichst vielen Beteiligten bzw. Landnutzern<br />

einer Gemarkung<br />

mit möglichst vielen und kurzfristig umsetzbaren<br />

Maßnahmen<br />

mit möglichst geringen bürokratische Hürden<br />

zu entwickeln.<br />

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />

(MLR) beauftragte die Landesanstalt<br />

für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der<br />

ländlichen Räume (LEL) mit der Erarbeitung und<br />

Erprobung eines solchen Konzeptes in Zusammenarbeit<br />

mit den schon am Modellvorhaben beteiligten<br />

unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörden (ULB)<br />

des Rhein-Neckar-Kreises und des Hohenlohekreises.<br />

Im Hohenlohekreis stieß das Projekt auf wenig<br />

Interesse; insbesondere lehnten die Landwirte eine<br />

Umsetzung von Maßnahmen ohne Ausgleichsleistungen<br />

vor dem Hintergrund hoher Pachtpreise<br />

ab. Die ULB des Rhein-Neckar-Kreises führte<br />

das Projekt in der Gemeinde Neidenstein und in<br />

Waibstadt mit dem Ortsteil Daisbach durch und<br />

erzielte dabei eine positive Resonanz. Nach zum<br />

Teil hitzigen Gesprächsrunden sind nun die ersten<br />

Erfolge in der Kraichgaulandschaft zu beobachten.<br />

Vorgehensweise<br />

Im ersten Schritt warb der Berater der ULB bei<br />

den jeweiligen Bürgermeistern und Ortsobleuten<br />

der Landwirte für das vorgesehene Projekt und<br />

bat um ihre Mitwirkung bzw. Unterstützung. Anschließend<br />

führte er in den beiden Gemeinden<br />

eine Informationsveranstaltung mit Landwirten,<br />

Jägern, Imkern, Obst- und Gartenbauverein, örtliche<br />

Naturschutzorganisationen und Bürgermeister<br />

durch. Beim ersten Treffen am „Runden Tisch“<br />

haben diese Akteure intensiv, teilweise kontrovers<br />

und sehr emotional über die „richtige“ Landnutzung<br />

diskutiert. Dank der neutralen Moderation<br />

durch die ULB gelang es aber, Missverständnisse<br />

auszuräumen und das gegenseitige Verständnis zu<br />

fördern.<br />

Letztendlich konnten verschiedene Beteiligte zur<br />

Mitarbeit gewonnen werden:<br />

Die Landwirte stellten Maßnahmenflächen bereit,<br />

säten sie ein und pflegen sie.<br />

Die Gemeinden unterstützen das Vorhaben und<br />

übernehmen die Saatgutkosten.<br />

Die Ortsgruppe des BUND hilft mit bei Pflegearbeiten<br />

von Hand und übernimmt Beobachtungen<br />

und Auswertungen.<br />

Mit den Imkern wurden Flächenauswahl und<br />

Aufstellung der Bienenkästen abgestimmt und<br />

sie stellten einen Saatgutbeitrag in Aussicht.<br />

Bei zwei weiteren „Runden Tischen“ unter Leitung<br />

der ULB haben die Landwirte Flächen ausgewählt<br />

und dazugehörigen Maßnahmen abgestimmt.<br />

ULB und Saatgutlieferant haben die<br />

Landwirte zu Saatgutauswahl, Anbau und Pflege<br />

informiert und beraten. Die Auswahl und Bestellung<br />

des Saatguts erfolgte ebenso gemeinsam wie<br />

auch eine gemeinsame Aussaat organisiert wurde.<br />

Die gegenseitigen Informationen, den Kontakt<br />

zur Presse, die Beschilderung der Flächen und die<br />

sonstige Öffentlichkeitsarbeit hat das <strong>Landwirtschaft</strong>samt<br />

übernommen<br />

Blüten im Sommer<br />

Bilder: M. Hauk<br />

Hinweistafeln informieren<br />

Berufskollegen und<br />

Bevölkerung<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

31


Ländlicher Raum, Landschaft<br />

Blühstreifen - Artenvielfalt auf<br />

landwirtschaftlich genutzten<br />

Flächen<br />

Michael Hauk<br />

LRA Rhein-Neckar-Kreis<br />

Tel. 07261/ 9466-5375<br />

Michael.Hauk@Rhein-<br />

Neckar-Kreis.de<br />

Erste Ergebnisse und Erkenntnisse<br />

In den beiden Projektgemeinden im Rhein-Neckar-Kreis<br />

stellten die Landwirte insgesamt über<br />

11 ha ihrer Betriebsflächen zur Verbesserung der<br />

Artenvielfalt in diesem intensiven Ackerbaugebiet<br />

zur Verfügung. Sie legten darauf Blühstreifen,<br />

-flächen und Wildäcker an.<br />

Die Landwirte in den beteiligten Gemarkungen<br />

stehen den Maßnahmen zur Artenvielfalt aufgeschlossen<br />

gegenüber und setzen sie nun um. Der<br />

„Runde Tisch Artenvielfalt“ kann offenbar eine<br />

geeignete Möglichkeit sein, praxisorientiert, kostengünstig<br />

und unter aktiver Mitwirkung vieler<br />

Landwirte und sonstiger Beteiligter sinnvolle<br />

Maßnahmen zur Artenvielfalt in Ackerbaugebieten<br />

zu initiieren und umzusetzen.<br />

Die Bereitschaft der Landwirte am Projekt mitzuwirken,<br />

beruhten nach den Aussagen des Beraters<br />

und der Teilnehmer vor allem auf folgenden<br />

Gründen:<br />

Freiwilligkeitsprinzip<br />

Keine vorgeschriebene, starre Vertragserfüllung,<br />

d.h. die Verfügbarkeit über die Flächen<br />

und Gestaltungsmöglichkeiten auf den Flächen<br />

werden nicht wesentlich bzw. über einen längeren<br />

Zeitraum eingeschränkt<br />

Möglichkeit, für den jeweiligen Betrieb und dessen<br />

Anbau, Betriebs- und Arbeitswirtschaft passende<br />

Maßnahmen auszuwählen<br />

Betreuung und Beratung durch die ULB<br />

Als wesentlicher Schlüsselfaktor für den Erfolg<br />

des „Runden Tisches Artenvielfalt“ werden auch<br />

kompetente, mit den lokalen Verhältnisse vertraute<br />

Ansprechpartner vor Ort, möglichst aus der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> angesehen. Sie sollten im Ort bekannt<br />

und aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen<br />

Kompetenz <strong>als</strong> Multiplikatoren von ihren<br />

Berufskollegen und den übrigen Beteiligten akzeptiert<br />

sein.<br />

Die Erfahrungen zeigen, dass Landwirte eine zunehmende<br />

Sensibilität für das Thema Kulturlandschaft<br />

und Biodiversität entwickeln. Ihre anfängliche<br />

Skepsis und Zurückhaltung gegenüber Biodiversitätsmaßnahmen<br />

weicht, sobald sie selbst<br />

erste positive Erfahrungen mit Biodiversitätsmaßnahmen<br />

gesammelt haben. Sie nehmen das nahezu<br />

ganzjährige Blühen auf ihren Flächen wahr und<br />

erleben vor allem deren Nutzung durch Insekten,<br />

Schmetterlinge, Vögel und Kleintiere <strong>als</strong> Bereicherung.<br />

Die Landwirte identifizieren sich mit „ihren“<br />

Maßnahmen und entwickeln ein vertieftes<br />

Interesse an Arten und Artenvielfalt. Als zusätzliche<br />

Bestätigung erfahren sie eine positive Resonanz<br />

aus der Bevölkerung.<br />

Übertragbarkeit und Verbreitung<br />

des Ansatzes<br />

Dieser Bewusstseinswandel durch eigene, positive<br />

Erfahrungen ist Voraussetzung dafür, dass Landwirte<br />

auch längerfristig interessiert und bereit<br />

sind, Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung<br />

der Artenvielfalt durchzuführen. Um einen solchen<br />

Zugang zur Biodiversität zu schaffen,<br />

braucht es einen möglichst einfachen Einstieg<br />

(niederschwellige Maßnahmen) und vor allem Unterstützung<br />

und Begleitung. Die im Projekt erarbeiteten<br />

Materialien und der entwickelte methodische<br />

Ansatz tragen dazu bei, diesen Anforderungen<br />

gerecht zu werden. Daher gehen die gewonnen<br />

Erkenntnisse in die Biodiversitätsberatung<br />

ein.<br />

Der Maßnahmenkatalog Artenvielfalt, der ebenfalls<br />

im Rahmen des Projektes erarbeitet wurde, ist<br />

im <strong>Infodienst</strong> zur Herunterladen bereitgestellt<br />

(www.gbb.lel-bw.de).<br />

Das Konzept „Runder Tisch Artenvielfalt“ wurde<br />

inzwischen bei der internationalen Beratertagung<br />

der IALB im Juni 2013 in Karlsruhe, in fachlichen<br />

Fortbildungen und bei einer Dienstbesprechung<br />

der Leiter/innen von ULBen präsentiert und diskutiert.<br />

Darüber hinaus soll es in Vorträgen im<br />

Rahmen der berufsbezogenen Erwachsenenbildung<br />

von ULBen im Winter 2013/2014 vorgestellt<br />

werden. Die Erfahrungen aus dem Projekt<br />

wurden auch in den Entwurf eines eigenen Beratungsmoduls<br />

„Biodiversität“ zum MLR-Projekt<br />

„Beratung 2020“ eingebracht.<br />

Entscheidend für den Erfolg der Biodiversitätsberatung<br />

im Allgemeinen und des Konzepts „Runder<br />

Tisch Artenvielfalt“ im Besonderen und somit<br />

auch für die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt<br />

auf landwirtschaftlichen Flächen wird aber<br />

sein, diese gut mit entsprechenden Bildungs- und<br />

Argrumweltmaßnahmen abzustimmen und zu ergänzen.<br />

Dazu braucht es ebenso begeisterte und<br />

engagierte Menschen wie bei der Vor-Ort-Umsetzung,<br />

die sich aufeinander und auf neue Ideen<br />

einlassen. Dann können wir blühende (Agrar)<br />

Landschaften nicht mehr nur im Frühjahr<br />

erleben. •<br />

32 Landinfo 4 | 2013


Ländlicher Raum, Landschaft<br />

Harald Beck<br />

LEL Maps – weit mehr <strong>als</strong> eine Karte<br />

Die LEL hat ihr <strong>Infodienst</strong>angebot um den Kartendienst „LEL Maps“ erweitert. Damit ist jetzt ein<br />

Informationsangebot verfügbar, das interaktive Fachkarten im <strong>Infodienst</strong> bereitstellt.<br />

<strong>Infodienst</strong>-Startseite des<br />

Kartendienstes<br />

LEL-Maps“ ist nach Rubriken geordnet und<br />

übersichtlich gegliedert, so dass ein strukturierter<br />

und einfacher Zugriff auf die Fachkarten<br />

möglich ist. Je nach Inhalt sind die Karten für alle<br />

Interessierten (Zugang über Internet) oder nur für<br />

die Bediensteten der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung<br />

(Intranet-Login erforderlich) abrufbar.<br />

Die Darstellung der Fachkarten geschieht direkt<br />

im Webbrowser und bedarf keiner zusätzlichen<br />

Software (siehe Abb. 1).<br />

Karten in LEL Maps sind flexibel darstellen<br />

und auswertbar<br />

Durch Zoom und Pan (Verschieben des Darstellungsbereichs)<br />

kann gezielt auf Kartendetails zugegriffen<br />

werden. Datenebenen können nach Bedarf<br />

aktiviert oder deaktiviert werden, um Sachverhalte<br />

entsprechend dem gewählten Maßstab<br />

gut sichtbar darzustellen. Sachdaten der dargestellten<br />

Kartenobjekte sind per Mausklick abrufbar.<br />

Über ein Abfragetool können frei definierbare<br />

Abfragen auf die Kartenobjekte durchgeführt<br />

LEL-Maps stellt Karten zur<br />

Agrarstruktur auf<br />

Gemarktungs- oder<br />

Gemeindeebene zur<br />

Verfügung<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

33


Ländlicher Raum<br />

Abbildung 1<br />

Beispiel einer Kartendarstellung in „LEL Maps“<br />

Abbildung 2<br />

Karte mit aktivem Abfragetool, Resultat der Abfrage in der Karte sichtbar (gelb, cyan) –Abfrageergebnis <strong>als</strong> Tabellenfenster eingeblendet<br />

34 Landinfo 4 | 2013


Ländlicher Raum<br />

und eigene Auswertungen erstellt werden, deren<br />

Ergebnisse dann in der Karte sichtbar sind (siehe<br />

Abb. 2).<br />

Bei Bedarf sind auch Hyperlinks in die Karten<br />

integrierbar. So kann der Nutzer direkt aus der<br />

Karte heraus auf weitergehende Informationen<br />

zum Thema zugreifen. Über die integrierte Druckoption<br />

kann schließlich eine Druckausgabe der<br />

Karten erzeugt werden, entweder <strong>als</strong> vollständige<br />

Karte oder <strong>als</strong> Abbild des sichtbaren Kartenausschnitts.<br />

Eine umfassende Beschreibung der Möglichkeiten<br />

bietet das Handbuch zum Kartendienst, das auf<br />

der Startseite der LEL-Maps über die „Hilfe“-<br />

Schaltfläche erreichbar ist.<br />

Der Kartenpool des Dienstes ist gerade in der<br />

Entstehung und wird in den kommenden Monaten<br />

stetig erweitert werden. Die aufgeführten Themenbereiche<br />

werden so nach und nach vollständig<br />

abgedeckt. Es sind bereits (Stand 08/2013) mehr<br />

<strong>als</strong> 30 Fachkarten in den verschiedenen Rubriken<br />

abrufbar.<br />

Hinweis<br />

Zugang zu diesem Dienst erhalten Sie auf den<br />

<strong>Infodienst</strong>-Seiten über:<br />

Dienststellen - Landesanstalten - LEL - Ländlicher<br />

Raum – LEL Maps<br />

oder<br />

<strong>Infodienst</strong>-Startseite - Ländlicher Raum – LEL<br />

Maps oder direkt über www.lel-maps.de •<br />

Harald Beck<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Tel. 07171/ 917-432<br />

harald.beck@lel.bwl.de<br />

Robert Mogg, Prof. Leonhard Durst und Dr. Ralf Over<br />

Arbeitswirtschaft und Kosten automatischer<br />

Melksysteme<br />

Untersuchung in Praxisbetrieben<br />

Bei Investitionen im Milchviehbereich eröffnen sich mit der Automatisierung verschiedener<br />

Arbeitsgänge neue Möglichkeiten vor allem für den Familienbetrieb. Besonders durch den Einbau<br />

eines Melkroboters wird die Melkarbeit von den täglich festgelegten Melkzeiten entkoppelt und gibt<br />

den Familien mehr Freiheiten. Wie sich Arbeitswirtschaft und Kosten bei Melkroboterbetrieben<br />

darstellen wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit gemeinsam mit Prof. Dr. Leonhard Durst, HS<br />

Weihenstephan-Triesdorf und Dr. Ralf Over vom MLR Baden-Württemberg untersucht.<br />

Die Erhebung der arbeitswirtschaftlichen Daten<br />

erfolgte auf 20 Betrieben in Baden-Württemberg<br />

mit der Excel-Anwendung „Arbeitszeiterfassung<br />

Rinderhaltung“ (Arb_Rind) der LEL<br />

Schwäbisch Gmünd. Mit Ausnahme der Wasserund<br />

Stromkosten, für die aktuelle Literaturwerte<br />

herangezogen wurden (R. Pommer, LA Sachsen,<br />

2013), wurden die weiteren Kosten aus Abrechnungen<br />

und der Buchführung detailliert erfasst.<br />

Alle Kosten werden in dieser Auswertung in brutto<br />

inkl. Mwst. angegeben.<br />

Die ausgewerteten Betriebe halten im Schnitt 89<br />

Kühe bei einer durchschnittlichen Milchleistung<br />

von 8.588 kg Milch und 202.800 Zellen/ml, weitere<br />

Kennwerte der Betriebe sind in Tabelle 1 zusammen<br />

gestellt.<br />

Bei der Betrachtung der Melkarbeitszeit liegt der<br />

Schwerpunkt eines Betriebes mit automatischem<br />

Melksystem nicht mehr auf der manuellen Melktätigkeit,<br />

sondern viel mehr in der Betreuung der<br />

Technik und der Tiere am Roboter. Beim gelenk-<br />

Die Erhebungen wurden<br />

bei 20 Betrieben mit<br />

durchschnittlich 89 Kühen<br />

in Baden-Württemberg<br />

durchgeführt<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

35


Betrieb und Markt<br />

Automatische Melksysteme<br />

ermöglichen dem<br />

landwirtschaftlichen<br />

Familienbetrieb mehr<br />

Freiräume. Sie verursachen<br />

aber auch hohe Kosten<br />

Bild: R. Over<br />

Tabelle 1<br />

Kennwerte der Betriebe<br />

Kennwerte der Roboter<br />

(20 Betriebe, Ø 79 Kühe/Roboter an Ein- und Doppelboxanlagen)<br />

Einheit<br />

Ø<br />

Schwankungen<br />

80 % der Betriebe<br />

Milchleistung Betriebe kg Milch/Kuh 8.588 7.024 - 10.244<br />

Zellzahl Betriebe Zellen/ml 202.800 127.000 - 300.000<br />

Kühe (inkl. Trockensteher) je Melkplatz Anzahl 67 46 - 85<br />

Milchmenge je Melkplatz pro Jahr kg 554.873 291.088 - 770.150<br />

pro Tag kg 1.520 797 - 2.110<br />

je Melkung kg 10,15 9,15 - 11,61<br />

Melkungen je Roboterarm Tag 174 130 - 208<br />

je Kuh Tag 2,5 2,26 - 2,90<br />

misslungene Melkungen je Melkbox Anz./Tag 4,4 1 - 10,2<br />

Kraftfutter minimal kg/Tag 1,14 0,5 - 1,6<br />

maximal kg/Tag 5,6 3 - 8<br />

Glycerin/ Propylenglycol je Kuh ml/Tag 177 0 - 400<br />

Nachtreibeaufwand freier KV Anz./Tag 4,9 1,8 - 8,7<br />

gelenkter KV Anz./Tag 0,7 0,3 - 1<br />

Fehlbelegungen freier KV Anz./Tag 122 7 - 170<br />

gelenkter KV Anz./Tag 0,83 0 - 2,5<br />

*) Schwankungsbreite in der 80% der Werte liegen, 10 % Minimal- und Maximalwerte sind gekappt<br />

36 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 1<br />

Vergleich des<br />

Arbeitsaufwandes bei freiem<br />

oder geregeltem Kuhverkehr<br />

ten Kuhverkehr ist die Arbeitsbelastung mit weniger<br />

Nachtreibeaufwand für melkunwillige Tiere<br />

noch etwas geringer <strong>als</strong> bei freiem Kuhverkehr.<br />

Weitere Arbeitsbereiche am Melkroboter sind die<br />

manuelle Reinigung, das Beseitigen von Störungen,<br />

administrative Arbeiten und die Unterstützung<br />

des Melkprozesses, hier vor allem das Anlernen<br />

von Jungkühen. Bei beiden Systemen verbringt<br />

der Betriebsleiter über 2 Akh/Kuh und Jahr<br />

am Roboter-PC.<br />

Bei der Datenerhebung wurden alle anteiligen Arbeiten<br />

in der Innenwirtschaft berücksichtigt (Tab.<br />

2). Im Vergleich zu einer früheren Auswertung aus<br />

dem Jahr 2010 über konventionelle Melkssysteme<br />

(D. Laur, 2010), welche ebenfalls mit der Excel-<br />

Anwendung „Arb_Rind“ ausgewertet wurde,<br />

kann trotz der kleineren Herden der Roboterbetriebe<br />

im Bereich Milchvieh Arbeitszeit eingespart<br />

werden. Im Bereich des Melkens wurden in den<br />

Tabelle 2<br />

Vergleich der<br />

Arbeitsbelastung zwischen<br />

AMS und konventioneller<br />

Melktechnik<br />

Jährlicher Arbeitszeitbedarf<br />

Innenwirtschaft<br />

(in Akh je Kuh)<br />

Melken<br />

davon Rüstzeiten und Reinigungszeit<br />

AMS<br />

(R. Mogg 2012,<br />

20 Betriebe, Ø 89 Kühe)<br />

Ø<br />

Median<br />

7,0<br />

0,9<br />

80 %<br />

der Betriebe *)<br />

4,2 - 11,2<br />

0,5 - 1,7<br />

konv. Melktechnik<br />

(D.Laur 2010,<br />

19 Betriebe, Ø 135 Kühe)<br />

Ø<br />

Median<br />

11,3<br />

2,3<br />

80 %<br />

der Betriebe *)<br />

7,7 - 16,8<br />

1,0 - 3,4<br />

Füttern Kühe<br />

4,2<br />

2,2 - 6,1<br />

3,6<br />

1,0 - 6,4<br />

Boxenpflege, Einstreuen, Entmisten<br />

Sonstiges (u.a. Tierkontrolle, Behandlung, Besamung,<br />

Umstallen, Klauenpflege)<br />

3,0<br />

5,5<br />

1,7 - 4,9<br />

4,0 - 8,1<br />

2,1<br />

2,6<br />

0,9 - 5,9<br />

2,3 - 5,4<br />

Summe Arten Kühe 20,2 15,8 - 24,8 21,4 15,4 - 28,3<br />

Kälberaufzucht 6,2 3,8 - 8,1 4,2 2,8 - 7,8<br />

Jungviehaufzucht<br />

davon Füttern<br />

Allgemeine Arbeiten (u.a. Dungausbringung, Silopflege,<br />

Büro) Kühe incl. Kälber und weiblicher JV<br />

3,8<br />

2,0<br />

2,0 - 7,9<br />

1,1 - 4,0<br />

2,8<br />

1,5<br />

1,3 - 5,9<br />

0,7 - 3,8<br />

4,1 2,7 - 5,9 3,0 1,7 - 4,9<br />

Kühe, Kälber, Jungviehaufzucht 34,2 24,6 - 43,0 31,4 21,9 - 50,7<br />

*) Schwankungsbreite in der 80% der Werte liegen, 10 % Minimal- und Maximalwerte sind gekappt<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

37


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 2<br />

Verteilung der variablen<br />

Kosten (Ø 20 Betriebe)<br />

Für eine Bewertung der<br />

Melktechnik sind<br />

Arbeitsbelastung und<br />

Kosten entscheidend<br />

Tabelle 3<br />

Investitionskosten Gebäude<br />

und Technik<br />

Melkroboterbetrieben mit 7,0 Akh/Kuh im<br />

Schnitt 4,3 Akh pro Kuh und Jahr im Vergleich zu<br />

modernen konventionellen Melksystemen (11,3<br />

Akh/Kuh) eingespart.<br />

Neben der Arbeitsbelastung ist für die Bewertung<br />

und den Vergleich der Melktechnik auch die Berücksichtigung<br />

der Kosten entscheidend. Grundsätzlich<br />

werden dabei variable Betriebskosten und<br />

feste Kosten der Investition unterschieden.<br />

Die variablen Kosten eines automatischen Melksystems<br />

untergliedern sich in<br />

Betriebsmittel (Reinigungsmittel, Dippmittel,<br />

Peressigsäure, …)<br />

Verschleißteile (Zitzengummis, Milchschläuche,<br />

Reinigungsbürsten, ...)<br />

Reparaturkosten<br />

Servicevertag<br />

Strom und Wasser<br />

Unter Annahme aktueller Literaturwerte (R. Pommer,<br />

LA Sachsen 2013) ergeben sich bei einem<br />

Stromverbrauch von 0,33 kWh/Melkung und einer<br />

unterstellten Wassermenge von ca. 5 l/Melkung<br />

Kosten von durchschnittlich 7,27 Cent je<br />

Melkung. Bei unterstellten 63.500 Melkungen<br />

(d.h. 174 Melkungen/Tag) je Roboter entspricht<br />

dies einer Kostenbelastung von 4.616 € pro Jahr.<br />

Vergleich der Investitionskosten der Melksysteme<br />

(Kuhzahl incl. trockenstehende Kühe)<br />

Gebäude und Technik Mogg (2012) Laur (2010)<br />

Roboter FGM SbS Swing Over Karussell<br />

Betriebe 20 5 4 5 5<br />

Melkplätze 1 bis 2 18 19 34 23<br />

Gesamt 304.077 Eur 2) 155.511 Eur 219.648 Eur 194.662 Eur 297.390 Eur<br />

je Melkplatz 152.038 Eur 8.640 Eur 11.560 Eur 5.725 Eur 12.930 Eur<br />

je Kuhplatz bei 70 2.585 Eur 1) 2.222 Eur 3.138 Eur 2.781 Eur 4.248 Eur<br />

Anzahl Kühe:<br />

140 2.172 Eur 2) 1.111 Eur 1.569 Eur 1.390 Eur 2.124 Eur<br />

200 2.136 Eur 3) 778 Eur 1.098 Eur 973 Eur 1.487 Eur<br />

1), 2), 3) = Anzahl der Melkroboter (Einboxenanlagen)<br />

38 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 3<br />

Investitionskosten in<br />

Abhängigkeit der Anzahl<br />

Kühe<br />

Weitere Kosten sind: Betriebsmittelkosten in Höhe<br />

von 1.217 €, Kosten für Verschleißteile in Höhe<br />

von 782 €, Reparaturkosten in Höhe von 2.299 €<br />

und Kosten für den Servicevertrag von 2.462 €<br />

pro Jahr.<br />

Durch den geringen Platzbedarf eines Melkroboters<br />

entfallen bei der Investition in ein automatisches<br />

Melksystem lediglich 13% der Investitionskosten<br />

auf das Gebäude. Insgesamt fallen Investitionskosten<br />

von durchschnittlich 180.949 € für<br />

den ersten Roboter an. Bei der Investition in zwei<br />

Roboter kommt es zu Investitionskosten 304.077<br />

€ (s. Tab. 3 und Abb. 3). Hier zeigt sich, dass Roboterbetriebe<br />

sprunghafte Kostenverläufe zeigen.<br />

Gerade in Bestandsgrößen von etwa 70 bzw. 140<br />

Kühen sind sie von den Investitionskosten jedoch<br />

nicht extrem viel teurer wie moderne konventionelle<br />

Melksysteme. Bei der Betrachtung der Vollkosten<br />

je kg Milch in Abbildung 4 wird ersichtlich,<br />

wie wichtig eine gute Auslastung des Roboters<br />

kombiniert mit einer hohen Einzeltierleistung ist.<br />

So haben Betriebe, die weniger <strong>als</strong> 600.000 kg<br />

Milch je Melkplatz melken, um 25 % höhere Vollkosten<br />

<strong>als</strong> Betriebe mit einem Milchertrag von<br />

über 700.000 kg Milch je Melkplatz.<br />

Fazit<br />

mit ca. 7 Akh/Kuh und Jahr für den Bereich<br />

Melken sind AMS eine sehr arbeitseffiziente<br />

Melktechnik<br />

Abbildung 4<br />

Vollkosten Cent/kg Milch in<br />

Abhängigkeit von der<br />

Auslastung je Melkplatz<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

39


Betrieb und Markt<br />

Gut geplante Selektionsmöglichkeiten sparen<br />

Arbeit und erleichterm das Management<br />

Bild: R. Over<br />

Dr. Ralf Over<br />

MLR Stuttgart<br />

Tel. 0711/ 126-2272<br />

ralf.over@mlr.bwl.de<br />

Prof. Leonhard Durst<br />

Hochschule Weihenstephan<br />

Tel. 09826/ 654101<br />

leonhard.durst@hswt.de<br />

Roman Mogg<br />

Hochschule Weihenstephan<br />

Tel. 0171/ 627665<br />

roman-moog@web.de<br />

Betriebe mit selektiv gelenktem Kuhverkehr haben<br />

einen Arbeitszeitvorteil von ca. 2 Akh/Kuh<br />

u. J. gegenüber freiem Kuhverkehr<br />

der Investitionsaufwand pro Kuhplatz ist, insbesondere<br />

bei steigenden Bestandsgrößen,<br />

deutlich höher wie bei konventioneller Melktechnik<br />

der Platzbedarf und die anteiligen Gebäudekosten<br />

sind deutlich geringer<br />

die Vollkosten schwanken stark in Abhängigkeit<br />

von der Milchleistung (4,6 bis 11 ct pro kg<br />

Milch)<br />

Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist eine<br />

möglichst gute Auslastung des Roboters<br />

für die Auslastung entscheidende Faktoren sind:<br />

- hohe Milchleistungen je Kuh<br />

- eine optimale (nicht maximale) Anzahl<br />

melkender Kühe je Station<br />

- geringe Standzeiten und eine möglichst<br />

gleichmäßige Auslastung der Station über<br />

den Tag (und die Nacht)<br />

- bei auf etwa 170-200 Melkungen limitierter<br />

Anzahl Melkungen/Box und Tag sind hohe<br />

Milchmengen je Melkung (>11 kg) enorm<br />

wichtig<br />

- da jede einzelne Melkung entsprechende<br />

variable Kosten verursacht, senken hohe<br />

Milchmengen/Melkung auch die Kosten/kg<br />

Milch<br />

Literatur<br />

R. POMMER et al. 2011: persönliche Information<br />

R. POMMER et al. LA Sachsen 2013: Automatische<br />

Melksysteme in Sachsen, Schriftenreihe Heft<br />

10/2013<br />

D. LAUR, 2010: Arbeitswirtschaft und Kosten unterschiedlicher<br />

Melksysteme - Untersuchung auf<br />

Praxisbetrieben, Bachelorthesis HfWU Nürtingen-Geislingen<br />

und LEL Schwäbisch Gmünd•<br />

40 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

Werner Schmid<br />

Warenterminbörsen für Agrargüter am Beispiel der MATIF<br />

Teil 3: Terminkurse – wie bildet sich der Preis an der Warenterminbörse ?<br />

Der Kurs eines Futures verändert sich, so wie sich die Einschätzungen der Marktteilnehmer verändern,<br />

während eines Handelstages laufend dadurch, dass an der Börse ein Käufer Ware von einem<br />

Verkäufer kauft. Jeweils der Preis der letzten Transaktion (last trade) stellt in dem Moment, in welchem<br />

die beiden das Geschäft abschließen, die aktuelle Markteinschätzung und damit auch den aktuellen<br />

Preis/Kurs zu dem Produkt und dem gehandelten Termin dar. Bei einer Preisänderung gegenüber<br />

dem vorherigen Handel ändert sich dann der Kurs für diesen Future auf den neuen Wert. Das heißt an<br />

der Warenterminbörse werden echte Warengeschäfte auf Termin gemacht, der jeweils letzte<br />

„Vertragsabschluss“ bildet den aktuellen Kurs. Und wer zu einem bestimmten Preis verkauft hat, ist<br />

entsprechend die Verpflichtung eingegangen, zum Beispiel den Weizen zu dem Termin, welcher dem<br />

gehandelten Terminkontrakt zugrunde liegt, in Rouen anzuliefern.<br />

Dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen gilt für<br />

den Käufer. Ausnahmen von dieser Regel in<br />

Sachen Kursbildung gibt es nur dann, wenn Terminkontrakte<br />

nicht liquide sind, d.h. wenn ein bestimmter<br />

Terminkontrakt nur sehr wenig gehandelt<br />

wird und daher während eines Handelstages<br />

nur sehr geringe oder überhaupt keine Umsätze zu<br />

verzeichnen sind. Gründe hierfür können sein,<br />

dass bestimmte Termine für die Handelsteilnehmer<br />

nicht attraktiv sind. Dies galt beispielsweise<br />

für Weizenfutures mit Liefertermin im August an<br />

der MATIF, weshalb dieser Termin seit März 2012<br />

von der Börse nicht mehr angeboten wird. Der<br />

Augusttermin wurde oft tage- oder wochenlang<br />

gar nicht gehandelt, da sich Käufer und Verkäufer<br />

lieber auf liquide Futures wie den Novemberweizen<br />

konzentrieren. Das lag nicht zuletzt auch daran,<br />

dass der Liefertermin des Augustfutures für<br />

Absicherer zu nahe am Erntetermin des Weizens<br />

lag, weshalb Absicherungsgeschäfte für Weizen,<br />

aber auch für Raps oder Mais, vorzugsweise mit<br />

späteren Terminen abgeschlossen werden.<br />

Daneben gibt es auch Produkte, die in der Handelspraxis<br />

noch nicht richtig Fuß gefasst haben. So<br />

z.B. die Schlachtschweine- oder die Ferkelkontrakte<br />

an der EUREX, aber auch die Magermilchpulver-<br />

und Butterkontrakte. Oftm<strong>als</strong> werden hier<br />

einzelne Futures an einem Handelstag nur mit<br />

geringen Umsätzen oder über lange Strecken gar<br />

nicht gehandelt. Dennoch muss die Börse auch bei<br />

diesen nicht liquiden Futures am Tagesende einen<br />

Verrechnungskurs (Settlement) ausweisen. Dieser<br />

wird in solchen Fällen ggf. aus dem letzten getätigten<br />

Geschäft an diesem Tag, oder bei völligem<br />

Fehlen von Handelstätigkeit für einen Future <strong>als</strong><br />

arithmetisches Mittel zwischen dem/den am engsten<br />

beieinander liegenden Verkaufsangeboten<br />

(Briefkurs; ask, offer) und Kaufangeboten (Geldkurs,<br />

bid) ermittelt.<br />

Abbildung 1 zeigt den Kontraktkurs für den Mahlweizen-<br />

Future mit Liefertermin November 2011<br />

(NOV11) an der MATIF bis Mitte Mai 2011. Nach<br />

einem Preishoch bei rund 250, €/t im Februar<br />

2011 waren die Kurse im März auf unter 200,- €/t<br />

gefallen. Auch die Katastrophe in Fukushima ging<br />

am Weizen nicht spurlos vorüber, wie der kurzfristige<br />

Einbruch des Weizenkurses Mitte März 2011<br />

von rund 210, €/t auf unter 190, €/t zeigt. Aber<br />

nach diesem Ereignis gewannen die fundamentalen<br />

Daten wieder Oberhand. Die Trockenheit in<br />

Europa und die Ungewissheit, ob ausreichend<br />

Weizen in der Ernte 2011 auf der Nordhalbkugel<br />

geerntet werden kann, ließ die Kurse bis Mitte Mai<br />

wieder steigen. Am 18.05.11 notierte Mahlweizen<br />

an der MATIF bei rund 242,- €/t.<br />

Unser Landwirt im vorliegenden Beispiel, der gut<br />

50 ha Weizen angebaut hat (entspricht einer Ernte<br />

von ca. 350-450 t in einem normalen Jahr), denkt<br />

zu diesem Zeitpunkt darüber nach, 100 t schon<br />

vor der Ernte zu verkaufen. Nur 100 t deshalb,<br />

weil er nicht weiß, wie viel er, z.B. auf Grund von<br />

Witterungseinflüssen, ernten wird. Aber mit<br />

242,- €/t an der MATIF, was ungefähr einem Er-<br />

Während eines<br />

Handelstages verändert<br />

sich der aktuelle Preis mit<br />

jeder Transaktion.<br />

Ausnahmen sind lediglich<br />

unattrkative Termine ohne<br />

Handelsabschlüsse oder<br />

Produkte, die in der<br />

Handelspraxis noch nicht<br />

Fuß gefasst haben<br />

Bisher erschienen<br />

Teil 1: Landinfo 1/2013<br />

Teil 2: Landinfo 2/2013<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

41


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 1<br />

Terminkontraktkurs<br />

Mahlweizen- NOV11 (MATIF),<br />

Stand Mai 2011<br />

Preisabsicherung - wie<br />

funktioniert das ?<br />

Mit einem „short hedge“<br />

kann sich der Landwirt<br />

gegen fallende Preise<br />

absichern<br />

zeugerpreis frei Erfasserlager von ca. 222, €/t in<br />

seinem Fall entspricht (Annahme: Basis = minus<br />

20, €/t; Def.: Basis = Orts-Kassapreis minus Terminmarktpreis),<br />

läge er mit einem solchen Abschluss<br />

preislich rund 50, €/t über den kalkulierten<br />

Vollkosten für seinen Weizen, welche er mit<br />

rund 170-180,- €/t für seinen Betrieb kalkuliert<br />

hat. Da die Preise im Handel darunter liegen (Annahme<br />

für dieses Beispiel), sichert er sich für 100<br />

t das Preisniveau durch Handel von 2 Verkaufskontrakten<br />

(2 x 50 t; Termin NOV11), einem so<br />

genannten „short hedge“, gegen fallende Preise<br />

ab. Anmerkung: Im Gegensatz dazu handelt man<br />

bei einem „long hedge“ Kaufkontrakte, man sichert<br />

sich damit gegen steigende Preise ab.<br />

Abbildung 2 zeigt, dass die Weizenpreise in den<br />

nachfolgenden Monaten aufgrund der sehr guten<br />

Ernte 2011 in der Schwarzmeerregion, einer guten<br />

Ernte in den USA und einer doch nicht so schwachen<br />

Ernte wie befürchtet in Europa deutlich eingebrochen<br />

sind. Unser Landwirt will seinen Weizen<br />

Mitte Oktober vermarkten. Da er nicht die<br />

Absicht hat die Ware nach Rouen in Nordfrankreich<br />

zu fahren beendet er das Termingeschäft auf<br />

folgende Weise in zwei Teilschritten:<br />

A) Er stellt die beiden Terminkontrakte am<br />

12.10.2011 glatt. Beim so genannten „Glattstellen“<br />

handelt er zwei Kaufkontrakte, mit denen er<br />

die Lieferverpflichtung der Verkaufskontrakte<br />

Abbildung 2<br />

Terminkontraktkurs<br />

Mahlweizen - NOV11 (MATIF),<br />

Stand Oktober 2011<br />

42 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

auflöst. Da er die Kaufkontrakte zum aktuellen<br />

Kurs von 185,75 €/t handeln kann, befinden sich<br />

nach Abschluss der Transaktion rechnerisch<br />

+ 5.625 € auf dem Terminmarktkonto unseres<br />

Landwirts. Der Betrag ergibt sich aus folgendem<br />

Saldo: Verkauf von 100 t November-Weizen in<br />

Rouen zu 242, €/t am 18.05.11, Kauf von 100 t<br />

November-Weizen in Rouen zu 185,75 €/t am<br />

12.10.11 ergibt eine Differenz von + 5.625 €.<br />

Für den Handel an der Warenterminbörse fallen<br />

aber Gebühren und sonstige Kosten wie Zinsen<br />

für Sicherheitsleistungen an, weshalb der Kontostand<br />

sich in der Realität ungefähr bei 5.400 € bewegen<br />

dürfte. Pro Kontrakt (50 t) fallen etwa 100,<br />

€ an Kosten, davon rund 75, € pro Kontrakt (50 t)<br />

für Gebühren für die Dienstleistung der Börse,<br />

der Clearingbank und des Brokers an, bei zwei<br />

Kontrakten <strong>als</strong>o rund 200, € für die 100 t Weizen.<br />

Deutlich niedrigere Kosten sind bei hohen Handelsumsätzen<br />

(sehr hohe Anzahl gehandelter<br />

Kontrakte) und elektronischem Handel realisierbar.<br />

Allerdings ist zu empfehlen, dass unerfahrene<br />

Marktteilnehmer sich bei den ersten Geschäften<br />

eines Brokerbüros bedienen sollten, um Fehler im<br />

Handel auszuschließen.<br />

B) Im quasi gleichen Augenblick, in dem der<br />

Landwirt die Verkaufskontrakte glatt stellt, verkauft<br />

er auch seinen Weizen an z.B. einen Erfasser<br />

zum aktuellen Marktpreis von ca. 165, €/t (MA-<br />

TIF-Kurs + Basis = 185,75 + ca. minus 20,-).<br />

Wichtig: Nur wenn Termingeschäft und physischer<br />

Verkauf zeitgleich erfolgen, betreibt man<br />

eine Absicherung. Beachtet man diese Regel nicht,<br />

sondern führt nur einen Teil, entweder das physische<br />

Verkaufsgeschäft oder das Glattstellen durch,<br />

befindet man sich mit dem nicht durchgeführten<br />

Teil in der Spekulation. Im Handel spricht man<br />

dann von ungedeckten oder offenen Positionen.<br />

Verlaufen in solchen Fällen Preise oder Kurs zu<br />

Ungunsten des Betroffenen, können dadurch erhebliche<br />

echte Verluste entstehen. Denn es gibt<br />

durchaus Situationen, an denen Kurssprünge von<br />

über 20,- €/t an einem Tag zu beobachten sind.<br />

Das Ergebnis des Absicherungsgeschäftes unseres<br />

Landwirts ist in Abbildung 4 festgehalten. Ziel<br />

des Geschäfts war unter Berücksichtigung einer<br />

Basis von minus 20, €/t ein Erzeugerpreis bei<br />

rund 222,-/t. Durch den Verkauf des Weizen zum<br />

aktuellen Marktpreis am 12.10.11 an ein Landhandelsunternehmen<br />

kann er im Beispiel 165,75 €/t<br />

vereinnahmen. Gleichzeitig befinden sich auf<br />

dem Absicherungskonto nach zeitgleicher Glattstellung<br />

durch das Warentermingeschäft an der<br />

MATIF rund 5.625 € abzgl. 200 € Gebühren und<br />

Kosten, umgerechnet 54,25 €/t (56,25 – 2,00). In<br />

Summe hat unser Landwirt damit sein Ziel prinzipiell<br />

erreicht, in seiner Kasse befinden sich durch<br />

diese Absicherung tatsächlich 22.000 € durch den<br />

Verkauf von 100 t Weizen.<br />

Fragt sich, was wäre gewesen, wenn Weizen teurer<br />

geworden wäre, die Weizenkurse <strong>als</strong>o wegen einer<br />

schlechten Ernte noch gestiegen wären? Es hätten<br />

sich der gleiche Ablauf und das gleiche Ergebnis<br />

für den Landwirt mit einem Erlös von 22.000 €<br />

ergeben. Denn wäre Weizen z.B. auf 280, €/t gestiegen,<br />

hätte er das Glattstellen nur zu diesem<br />

Kurs erledigen können. Zwar hätte ihm in diesem<br />

Fall der Getreidehändler rund 260, /t für seinen<br />

Weizen im Herbst bezahlt, von diesem Geld hätte<br />

unser Landwirt aber knapp 40 €/t auf das Terminmarktkonto<br />

zum Ausgleich des dortigen negativen<br />

Kontostands (aufgrund gestiegener Preise) einzahlen<br />

müssen. Absichern heißt festlegen!<br />

Ob nun die Preise in Folge steigen oder fallen. Das<br />

heißt im Klartext: Ein Absicherungsgeschäft<br />

schafft Kalkulationssicherheit und kann ggf. „gute“<br />

Preise mit in die Zukunft nehmen. Man könnte<br />

insofern das „Absichern an einer Warenterminbörse“<br />

auch mit dem Begriff „Versichern eines<br />

Preises“ umschreiben.<br />

Das möglicherweise vorhandene Basisrisiko kann<br />

ggf. bei Entscheidungen im Markt auch dazu führen,<br />

dass z.B. eine Mühle einen physischen Kontrakt<br />

mit einem Landhandelsunternehmen selbst<br />

bei leicht ungünstigeren Konditionen gegenüber<br />

einer Absicherung an der MATIF bevorzugt, da<br />

mit diesem Kontrakt das Basisrisiko ausgeschlos-<br />

Abbildung 3<br />

Ergebnisse des<br />

Absicherungsgeschäfts<br />

Eine Absicherung erfolgt<br />

nur, wenn Termingeschäft<br />

und physischer Verkauf<br />

zeitgleich erfolgen<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

43


Betrieb und Markt<br />

Die Basis, welche im Beispiel mit minus 20,- €/t angenommen wurde, ist kein feststehender Betrag ist. Sie errechnet sich aus<br />

folgende Positionen: Der Landwirt kann seine echte Ware i.d.R. beim räumlich nicht allzu weit entfernten Erfasser abliefern,<br />

er muss sie nicht Hunderte von Kilometern transportieren. Hinzu kommen noch Funktionen wie Ein- und Auslagerung Lagergebühren,<br />

Handelsspanne usw.. Selbst einzelbetriebliche Situationen wie die Möglichkeit der Verladung auf dem Hof, was sich<br />

in den Standzeiten der LKWs widerspiegelt und damit einen weiteren Kostenblock in der Erfassung verursachen, beeinflussen<br />

die betriebsspezifische Basis. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Basis auch noch in Abhängigkeit der Marktsituation auf<br />

dem physischen Markt verändert. Ist Ware knapp, ist die Basis meist geringer, bei hohem Angebot im Markt hingegen höher.<br />

Insofern kann man mit Absicherungsgeschäften immer nur einen „ungefähren“ Preis fixieren.<br />

In über 95 % der Fälle wird<br />

ein Terminkontrakt durch<br />

„Glattstellen“ beendet<br />

Bei EUREX ist bei Ferkeloder<br />

Schlachtschweinkontrakten<br />

eine Lieferung<br />

ausgeschlossen. Wird<br />

nicht „Glatt“ gestellt, so<br />

wird mittels eines<br />

Verrechnungswertes<br />

abgerechnet<br />

Werner Schmid<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Tel. 07171/917-207<br />

werner.schmid@lel.bwl.de<br />

sen wird und die Mühle auch auf die Lieferung der<br />

Ware vertrauen kann.<br />

In der Praxis werden die meisten Terminkontrakte<br />

durch „Glattstellen“ beendet. Grundsätzlich<br />

besteht bei Weizen auch die Möglichkeit, die Ware<br />

tatsächlich zu liefern und das Geschäft durch „Erfüllung“<br />

zu beenden. Ein Landwirt in Nordfrankreich<br />

kann sich durchaus überlegen, einen Kontrakt<br />

auslaufen zu lassen, <strong>als</strong>o nicht glatt zu stellen<br />

und den Weizen nach Rouen zu liefern. Ähnliches<br />

gilt beispielsweise auch für Landwirte aus dem<br />

Raum Würzburg bei Raps. Die Entscheidung, ob<br />

„Glattstellen“ oder „Erfüllung“ der günstigere<br />

Weg ist, muss individuell getroffen werden. Sie<br />

fällt aber in der Praxis zu weit über 95 % für das<br />

„Glattstellen“ aus, verbunden mit einer Lieferung<br />

der echten Ware vor Ort an einen angestammten<br />

Vermarktungspartner.<br />

An der Stelle ist aber ein weiterer wichtiger Hinweis<br />

erforderlich. Mit dem Glattstellen sollte man<br />

nicht bis zum letzten Handelstag warten. Denn<br />

der Vertragsbestand, d.h. die Anzahl von Kaufund<br />

Verkaufskontrakten (das so genannte Open<br />

Interest, OI), welche auch noch „glatt gestellt“<br />

werden sollen, sinkt in Richtung letzter Handelstag<br />

unaufhaltsam. Wenn nun beispielsweise ein<br />

paar Käufer die Ware gerne geliefert hätten, was<br />

in der Realität durchaus vorkommt, stellen diese<br />

ihre Kaufkontrakte aber nicht glatt. Einer entsprechend<br />

großen Anzahl von Verkaufskontrakten<br />

wird es dann am Ende nicht gelingen „glatt gestellt“<br />

zu werden. D.h. in übertragenem Sinne:<br />

„Wer zu spät kommt hat sich eine Reise nach Rouen<br />

gebucht“. In der Realität wird man zwar nicht<br />

nach Rouen fahren. Die Kosten der Deckungskäufe<br />

für Ware franko Rouen bleiben aber an den<br />

jeweils Betroffenen hängen. Bei Rapskontrakten<br />

mit Erfüllungsort z.B. in Würzburg gilt gleiches,<br />

allerdings mit dem Vorteil, dass Landwirte aus der<br />

Region Würzburg kein Problem mit einer „Erfüllung“<br />

haben dürften, da sie ihre Ware vielleicht<br />

sowieso dorthin fahren.<br />

An der EUREX ist beim Handeln z.B. von Ferkeloder<br />

Schlachtschweinekontrakten eine Besonderheit<br />

zu beachten. Zwar kann man dort ebenfalls<br />

jeden Kontrakt durch „Glattstellen“ beenden.<br />

Eine „Erfüllung“, d.h. beispielsweise Lieferung<br />

von Schweinen, ist jedoch an dieser Börse für alle<br />

aufgelegten Kontrakte ausgeschlossen. Lässt man<br />

hier Kontrakte auslaufen, d.h. stellt sie vor Ablauf<br />

des letzten Handelstages nicht glatt, so werden<br />

diese im Verfahren „Cash Settlement“ gegen einen<br />

Index, d.h. einen definierten, aus mehreren im<br />

Markt notierten oder festgestellten Preisen ermittelten<br />

Verrechnungswert, dem Cash Settlement<br />

abgerechnet. Da sich der Cash Settlement durch<br />

die Art der Ermittlung sehr eng am aktuellen<br />

Marktpreis orientiert, werden derartige Kontrakte<br />

von den Marktteilnehmern häufig nicht glatt gestellt,<br />

sondern statt dessen im Cash Settlement-<br />

Verfahren beendet.<br />

Die Absicherung an der Warenterminbörse gewinnt<br />

auch in Europa zunehmend an Bedeutung.<br />

Denn immer dann, wenn kein Geschäft auf dem<br />

physischen Markt abzuschließen ist, weil der jeweilige<br />

Gegenpart z.B. beim vorherrschenden<br />

Preisniveau zurückhaltend ist, kann man an der<br />

Warenterminbörse einen Handelspartner finden<br />

und zumindest ein ungefähres Preisniveau absichern.<br />

In den USA hingegen laufen schon seit<br />

Jahrzehnten, vorrangig bei Getreide und Soja, nahezu<br />

alle Kauf- und Verkaufsgeschäfte im Agrarbereich<br />

mit Bindung an die Warenterminbörse.<br />

Terminkäufe und -verkäufe sind dort übrigens für<br />

viele Produkte für 3-4 Jahre im Voraus möglich!<br />

Auch der Erfasser sichert den Einkauf physischer<br />

Ware dadurch ab, dass er gleichzeitig den Einkauf<br />

(Kaufposition) durch ein Gegengeschäft an der<br />

Warenterminbörse deckt. Gleiches macht der<br />

Großhändler, der Exporteur, der Verarbeiter, etc.<br />

Das erklärt zumindest zu einem Teil, weshalb in<br />

den USA die Weltgetreideernte mehrfach pro Jahr<br />

gehandelt wird. •<br />

44 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

Versuchsernte von Pappeln<br />

in Gomadingen-Marbach<br />

Bild: F. Seidl<br />

Frieder Seidl<br />

Agrarholz und Miscanthus - ein Standbein für die<br />

Betriebe in Baden-Württemberg? (Teil 1)<br />

Der Anbau von schnellwachsenden Gehölzen in kurzen Umtriebszeiten, sog. Kurzumtriebsplantagen<br />

(KUP) und von Miscanthus (Chinaschilf) bietet die Möglichkeit, extensiv und umweltfreundlich Energie<br />

in Form von Festbrennstoffen auf landwirtschaftlichen Flächen zu produzieren. Das im Jahr 2008<br />

gestartete Forschungsprojekt „Biomasse aus Kurzumtrieb“ beschäftigt sich mit dem Versuchs- und<br />

Praxisanbau dieser Kulturen, deren Flächenumfang aktuell in Baden-Württemberg rund 600 ha (Stand<br />

2012) beträgt. Das vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geförderte Projekt<br />

wird vom <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) und der Forstlichen Versuchsund<br />

Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) durchgeführt. Die vom LTZ durchgeführten<br />

Feldversuche wurden nun erstmalig beerntet.<br />

Baumarten und Versuchsaufbau<br />

Um standortsbezogene Empfehlungen zur<br />

Wahl von Arten- und Sorten schnellwachsender<br />

und stockausschlagsfähiger Gehölze ableiten<br />

zu können, wurden im Jahr 2009 umfangreiche<br />

Feldversuche mit bis zu 36 verschiedenen Arten<br />

und Sorten an vier Standorten in Baden-Württemberg<br />

angelegt. Neben den zu dieser Zeit auf dem<br />

Markt verfügbaren Sorten von Pappeln und Weiden<br />

wurden auch alternative Baumarten wie etwa<br />

Erle oder Aspe (Zitterpappel) in die Versuche auf-<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

45


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 1<br />

Jährliche<br />

Trockenmasseerträge der<br />

Pappelsorten im Mittel von<br />

vier Jahren in Marbach<br />

(Schw. Alb), Rheinstetten<br />

(Oberrheinebene) und<br />

Aulendorf (Oberschwaben)<br />

(Pflanzzahl: 7.150 Stück/ha)<br />

Die Versuchsstandorte<br />

erstrecken sich von der<br />

Rheinebene bis zu den<br />

Höhenlagen der<br />

Schwäbischen Alb<br />

In den höheren Lagen<br />

konnte die fehlende<br />

Wärme zum Teil durch die<br />

höheren Niederschläge<br />

kompensiert werden<br />

genommen, um das Artenspektrum, welches in<br />

der Praxis nahezu ausschließlich auf Pappel und<br />

Weide beruht, zu erweitern und mögliche Alternativen<br />

zu identifizieren. Der Versuch wurde in jeweils<br />

zwei Wiederholungen an den Standorten<br />

Rheinstetten, Kupferzell, Gomadingen-Marbach<br />

und Aulendorf im Jahr 2009 etabliert. Die Pappelund<br />

Weidensorten wurden <strong>als</strong> Steckhölzer mit<br />

7.150 bzw. 10.000 Stück pro Hektar gepflanzt, die<br />

alternativen Baumarten <strong>als</strong> bewurzelte Jungpflanzen<br />

mit einer Pflanzzahl von 5.000 Stück je<br />

Hektar.<br />

Insbesondere in der Höhenlage in Marbach zeigte<br />

sich bei den Weiden bereits im ersten Jahr ein<br />

überdurchschnittliches Wachstum. Die Pappeln,<br />

generell wärmebedürftiger und trockenheitsresistenter<br />

<strong>als</strong> die Weiden, zeigten auf den Standorten<br />

Rheinstetten und Aulendorf gute Wachstumsraten<br />

im ersten Jahr. Nach vier Jahren wurden nun<br />

Pappeln, Weiden und Robinien auf den Standorten<br />

Rheinstetten, Marbach und Aulendorf erstmalig<br />

beerntet und die Erträge ermittelt. Die Bäume<br />

wurden hierzu motormanuell gefällt, mit einem<br />

Parzellenernter mit angebautem Holzhacker zu<br />

Hackschnitzeln verarbeitet und gewogen (siehe<br />

Titelbild).<br />

Realisierbare Agrarholzerträge in der<br />

ersten Umtriebszeit<br />

Die Erträge bei den wuchsstärksten Pappelsorten<br />

lagen in Rheinstetten und Marbach bei 6 bis 8 t<br />

Trockenmasse (TM) ha-1 a-1 (siehe Abb. 1). Die<br />

fehlende Wärme in Marbach wurde offensichtlich<br />

durch die reichlichen Niederschläge im Versuchszeitraum<br />

von durchschnittlich 1000 mm pro Jahr<br />

kompensiert. Auf dem Standort Aulendorf, der<br />

gemäßigte Temperaturen und eine hohe Wasserverfügbarkeit<br />

(Anmoor) aufweist, erreichte die<br />

Sorte Max4 mit 9 t TM ha-1 a-1 den höchsten<br />

Wert bei Pappeln auf den drei Versuchsflächen.<br />

Die Wurzelh<strong>als</strong>durchmesser der Pappeln lagen im<br />

Mittel bei rund 6 cm (Kupferzell: 4 cm) und maximal<br />

bei 12 cm. Eine vollmechanisierte Ernte, die<br />

bis zu einem Durchmesser von 15 cm möglich ist,<br />

wäre <strong>als</strong>o problemlos durchführbar und auch eine<br />

Verlängerung der Umtriebszeit aus dieser Sicht<br />

eine mögliche Option gewesen.<br />

Die Erträge der Weiden lagen in Rheinstetten bei<br />

nur 4 bis 6 t TM ha-1 a-1 (Abb. 2). Auf diesem<br />

Standort litten diese unter den häufigeren Hitzeund<br />

Trockenperioden. In Marbach wurden hingegen<br />

bereits bei den jährlichen Wachstumsbonituren<br />

während der Vegetationsruhe sehr hohe Zuwachsraten<br />

gemessen. Nach vier Jahren erreichten<br />

die wuchsstärksten Sorten mittlere Höhen von<br />

9 m, einzelne Exemplare bis zu 12 m. Das überragende<br />

Wachstum auf diesem Standort bestätigte<br />

sich letztendlich auch in den erzielten Erträgen<br />

von bis zu 13 t TM ha-1 a-1 (Sorte Tordis). Auf<br />

diesem Standort können die frostharten Weidensorten<br />

die reichlichen Niederschläge offenbar<br />

deutlich besser <strong>als</strong> die Pappeln nutzen. Der Gesamtertrag<br />

liegt damit nach vier Jahren im Maximum<br />

bei 52 t TM ha-1, was bei einem Brennwert<br />

46 Landinfo 4 | 2013


Betrieb und Markt<br />

Abbildung 2<br />

Jährliche<br />

Trockenmasseerträge der<br />

Weidensorten im Mittel von<br />

vier Jahren in Marbach<br />

(Schw. Alb) und Rheinstetten<br />

(Oberrheinebene) (Pflanzzahl:<br />

10.000 Stück/ha)<br />

von 19,7 MJ/kg TM dem Energiegehalt von rund<br />

26.000 l Heizöl entspricht.<br />

In Aulendorf wurden die Weiden durch Wühlmäuse<br />

so stark geschädigt, dass keine Auswertung<br />

erfolgen konnte. Der Standort Kupferzell, ein sowohl<br />

zu Staunässe <strong>als</strong> auch zu starker Austrocknung<br />

neigender Lehmboden, zeigte so geringe<br />

Zuwächse, dass entschieden wurde, den Versuch<br />

an diesem Standort erst nach fünf Jahren erstmalig<br />

zu beernten.<br />

Die Robinie (Sorte: Nyírségi) erzielte auf dem<br />

Standort Rheinstetten einen Ertrag von rund 6 t<br />

TM ha-1 a-1 in der ersten Umtriebszeit. In Marbach<br />

hingegen erreichte die wärmebedürftige<br />

Baumart nur die Hälfte dieses Wertes. Das Holz<br />

der Robinie weist zum Erntezeitpunkt einen vergleichsweise<br />

niedrigen Wassergehalt von 35 bis 45<br />

% und eine höhere Holz- und damit auch Energiedichte<br />

auf, was einen deutlichen Vorteil gegenüber<br />

den Baumarten Pappel und Weide darstellt<br />

(ENGEL & KNOCHE 2011). Nachteilig wirkt sich die<br />

Eigenart der Robinie aus, nach der Ernte verstärkt<br />

Wurzelbrut zu bilden, deren flächige Aufwüchse<br />

Probleme bei der nächsten Ernte bereiten können.<br />

Des Weiteren sollte der Anbau aufgrund des invasiven<br />

Potenzi<strong>als</strong> dieser Baumart nur in solchen<br />

Regionen erfolgen, wo sie sich bereits etabliert hat.<br />

Der Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa) zeigte<br />

wegen der geringen Winterhärte auf keinem der<br />

Standorte ein befriedigendes Wachstum und kann<br />

daher nicht für einen Anbau empfohlen werden.<br />

Sortenempfehlungen<br />

In Rheinstetten zeigten insbesondere die Pappelklone<br />

Max (1/3/4), Hybride 275, Rochester und<br />

Androscoggin die besten Ertragsleistungen (siehe<br />

Abb. 1) und scheinen daher für warm-trockene<br />

Standorte geeignet zu sein. In Hochlagen ist aufgrund<br />

ihrer Frosthärte generell der Anbau von<br />

Weiden vorzuziehen. Hier erzielten die Sorten<br />

Tordis, Olof 1 und Tora mit Erträgen zwischen 10<br />

und 13 t TM ha-1 a-1 die höchsten Werte. Auf<br />

nassen Standorten mit gemäßigten Temperaturen<br />

können mit den Pappelsorten der Max-Klone hohe<br />

Erträge erzielt werden.<br />

Beim Anbau von Weiden sind hohe Erträge nur<br />

bei sehr guter Wasserversorgung realisierbar. Die<br />

Sorten Tora, Olof, sowie die heimische, züchterisch<br />

nicht bearbeitete Sal-Weide (Salix caprea) haben<br />

sich zwar <strong>als</strong> relativ trockenheitsresistent erwiesen.<br />

Im Vergleich mit Pappeln ist jedoch mit<br />

deutlichen Mindererträgen bei häufiger auftretendem<br />

Trockenstress zu rechnen.<br />

Die seit 2010 zugelassenen Pappelsorten der Matrix-Klone<br />

wurden in den Jahren 2012 und 2013<br />

erstm<strong>als</strong> durch das LTZ versuchsweise angepflanzt,<br />

und es liegen noch keine Ertragsdaten<br />

vor. Aus anderen Versuchsanbauten lässt sich offenbar<br />

ein Züchtungsforstschritt hinsichtlich der<br />

_______________________<br />

1) Sorte nicht mehr im Handel<br />

Der Anbau von Robinien<br />

sollte nur in Regionen<br />

erfolgen, wo diese<br />

invasive Art bereits<br />

etabliert ist<br />

Der Blauglockenbaum<br />

(Paulowma tomentosa)<br />

kann aufgrund seines<br />

geringen Zuwachses nicht<br />

empfohlen werden<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

47


Betrieb und Markt<br />

Klon-Name<br />

mittlerer<br />

Wassergehalt<br />

(%)<br />

Eigenschaften<br />

Tabelle 1<br />

Für KUP verfügbare und<br />

geeignete Pappel- und<br />

Weidensorten mit den<br />

mittleren Wassergehalten<br />

zur Ernte sowie deren<br />

Eigenschaften, die sich<br />

nach den derzeitigen<br />

Anbauerfahrungen in<br />

Baden-Württemberg ableiten<br />

lassen<br />

Pappeln<br />

Androscoggin 53 für wärmere Lagen, mittlere Ertragsleistungen<br />

Hybride 275 55<br />

Max 1 58<br />

Max 3 58<br />

Max 4 60<br />

Matrix 11<br />

Matrix 24<br />

Matrix 49<br />

hohe Ertragsleistungen, nicht auf anmoorige<br />

Standorte<br />

für alle Lagen geeignet, hohe Ertragsleistung<br />

vielversprechend, erste Anbauversuche des<br />

LTZ seit 2012<br />

Muhle Larsen 57<br />

geringe bis mittlere Ertragsleistung, für<br />

kühleres Klima geeignet<br />

Rochester 54 für wärmere Lagen, mittlere Ertragsleistung<br />

Gudrun 51 langsame Jugendentwicklung, frosthart<br />

Inger 52 mittlere Ertragsleistung<br />

Weiden<br />

Sven 53 mittlere Ertragsleistung<br />

Tora 54 hohe Ertragsleistung, auch in kühlerem Klima<br />

Tordis 51 hohe Ertragsleistung, auch in kühlerem Klima<br />

Torhild 53 mittlere Ertragsleistung<br />

Bei der Wahl der<br />

Pappelsorten ist auf hohe<br />

Toleranzen gegenüber<br />

Krankheiten zu achten<br />

Frieder Seidl<br />

LTZ Augustenberg -<br />

Tel.: 0721/ 9518-216<br />

frieder.seidl@ltz.bwl.de<br />

Ertragsleistung gegenüber den etablierten Sorten<br />

ableiten (HOFMANN 2013). In Tabelle 1 sind die<br />

derzeit zugelassenen und empfehlenswerten Sorten<br />

und ihre besonderen Eigenschaften aufgeführt.<br />

Insbesondere Pappeln sind jedoch gefährdet, was<br />

die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen<br />

betrifft. Die zugelassenen Sorten sollten zwar<br />

i.d.R. eine hohe Toleranz gegenüber dem am häufigsten<br />

auftretenden Pilz, dem Blattrost (Melampsora<br />

spec.), aufweisen. Eine Zunahme der Befallssituation<br />

ist jedoch aufgrund des geringen Umfangs<br />

des Sortenspektrums möglich. Der sehr späte<br />

Austriebsbeginn der italienischen Klone AF2,<br />

AF8 und Monviso kann das Beikrautaufkommen<br />

im Frühjahr begünstigen, was u.U. zu einer Beeinträchtigung<br />

des Wiederaustriebs nach der Ernte<br />

führen kann. Von den Sorten AF2 und Monviso<br />

wird des Weiteren von einem Befall mit dem Erreger<br />

des Rindenbrands (Cryptodiaporthe populea,<br />

syn. Dothichiza populea) berichtet (MURACH 2013,<br />

FVA 2012). Dieser Pilz, der vorwiegend an<br />

Schwarzpappelhybriden auftritt, kann insbesondere<br />

junge Bestände zum Absterben bringen. Ein<br />

Anbau dieser Klone kann daher zurzeit nicht<br />

empfohlen werden.<br />

Bei der Wahl der Sorten sollte nicht nur die Ertragsleistung<br />

im Vordergrund stehen, und der Anbau<br />

sich nicht auf einzelne ertragsstarke Klone<br />

beschränken. Aus phytosanitärer Sicht sollte ein<br />

Anbau nach Möglichkeit immer <strong>als</strong> (blockweise)<br />

Sortenmischung erfolgen.<br />

Bei den alternativen Baumarten zeigte sich insbesondere<br />

die Grauerle <strong>als</strong> besonders wüchsig. In<br />

Rheinstetten erreichte sie in vier Jahren eine<br />

durchschnittliche Wuchshöhe von knapp 6 Metern<br />

und einen Brusthöhendurchmesser (BHD,<br />

Durchmesser in 1,30 m Höhe) von 5 cm.<br />

Ein ebenfalls gutes Wachstum zeigten die Schwarzerlen<br />

und die Aspen. Nach einer Umtriebszeit<br />

von insgesamt acht Jahren werden auch bei diesen<br />

und den weiteren Baumarten die ersten Erträge<br />

ermittelt. •<br />

48 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Dr. Markus Mokry, Th. Aichele, J. Beyer<br />

Einsatz von „Biokohle“ in der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Zwischenergebnisse eines BLE-Drittmittelprojektes<br />

Die Ertragsleistung eines Bodens wird maßgeblich durch seine Bodenfruchtbarkeit definiert. Durch<br />

die Wechselwirkungen von Klima, Bodeneigenschaften und Bewirtschaftung werden die<br />

Voraussetzungen hierfür und somit für das Wachstum einer Pflanze bestimmt.<br />

Die Bodenbewirtschaftung, wie sie heute häufig<br />

Anwendung findet, ist nicht immer vorteilhaft<br />

für die physikalischen, chemischen und biologischen<br />

Eigenschaften eines Bodens. Zudem werden<br />

durch die ständig wachsende Weltbevölkerung<br />

immer mehr Nahrungs- und Futtermittel<br />

gebraucht, während gleichzeitig die landwirtschaftlich<br />

nutzbare Fläche kontinuierlich abnimmt.<br />

Somit müssen die Bewirtschaftungsmethoden<br />

optimiert werden, um die Bodenfruchtbarkeit<br />

möglichst nachhaltig zu sichern oder –<br />

wenn nötig - zu verbessern.<br />

So weckte beispielsweise die Wiederentdeckung<br />

der „Terra Preta“ im Amazonasbecken Brasiliens<br />

in den letzten Jahrzehnten ein enormes wissenschaftliches<br />

Interesse für die Nutzung von Biokohle<br />

zur Bodenverbesserung. Forscher entdeckten<br />

dort tiefgründige, sehr fruchtbare schwarzerdeartige<br />

Böden durchsetzt mit Tonscherben aus<br />

der vorkolumbianischen Zeit. Schätzungen zufolge<br />

beläuft sich die Ausdehnung der sogenannten<br />

„Terra Preta“ auf 10 % des Amazonasbeckens<br />

(MANN, 2002). „Terra Preta“- Böden haben sich<br />

anthropogen aus anorganischen und organischen<br />

Komponenten entwickelt. Man fand heraus, dass<br />

sich diese tiefgründige Humusschicht aus der Vermischung<br />

von Feuerstellenresten wie Asche und<br />

Kohle mit Essensresten wie Knochen und Fischgräten<br />

sowie Exkrementen, Urin und Biomasseabfällen<br />

entwickelt hat. Diese Bestandteile wurden<br />

mikrobiell metabolisiert und durch Humifikation<br />

im Boden stabilisiert. Noch ist unklar, ob die Bildung<br />

der „Terra Preta“ beabsichtigt oder unbeabsichtigt<br />

war. Die Landwirte vor Ort berichten von<br />

höheren Erträgen, bei denen sich die Kohleanteile<br />

<strong>als</strong> Schlüsselfaktor erweisen, die sie aufgrund<br />

ihrer Stabilität und der Fähigkeit, Nährstoffe sowie<br />

Wasser zu speichern, einnehmen (GLASER et<br />

al., 2012).<br />

Dieses Wissen möchte sich die Wissenschaft zunutze<br />

machen. Durch die Zufuhr von auf technischem<br />

Wege hergestellter Biokohle in landwirtschaftlich<br />

genutzten Böden könnte einerseits<br />

Kohlenstoff langfristig gespeichert (= C-Sequestrierung),<br />

andererseits könnten nährstoffarme<br />

oder mit Schadstoffen belastete Böden nachhaltig<br />

aufgewertet werden (BLACKWELL et al., 2009).<br />

Zur bioenergetischen Nutzung von Restbiomasse<br />

werden derzeit zwei Verkohlungsverfahren - das<br />

Pyrolyse- und das HTC-Verfahren (= hydrothermale<br />

Karbonisierung) - <strong>als</strong> sehr effiziente und<br />

emissionsarme Verwertungsschienen genutzt. Die<br />

Option, das Umsetzungsprodukt „Biokohle“ <strong>als</strong><br />

Wertstoff für landwirtschaftliche Böden anzuwenden,<br />

könnte vor dem Hintergrund der effizienten<br />

Verarbeitung schlecht verwertbarer, unbedenklicher<br />

Restbiomassen zu neuen Wertschöpfungspotentialen<br />

führen.<br />

Material und Methoden<br />

Pyrolyseverfahren<br />

Durch Variation von Temperatur und Prozessdauer,<br />

aber auch der Aufheizrate werden während des<br />

Pyrolyse-Prozesses die Mengenanteile an flüssigen,<br />

gasförmigen oder festen Komponenten im<br />

Endprodukt beeinflusst. Die Pyrolyse ist ein in der<br />

Industrie häufig benutztes Verfahren, um beispielsweise<br />

Bio-Öl, Pyrolysegase oder Biokohle zu<br />

gewinnen. Bei der Kohleherstellung haben sich<br />

ein langsames Aufheizen, Temperaturen zwischen<br />

400 °C bis 800 °C und eine Verweildauer über<br />

mehrere Stunden bewährt. Je höher die Temperatur,<br />

desto höher ist der Kohlenstoffgehalt und<br />

desto abbaustabiler wird die Kohle (RÖNSCH,<br />

2011). Für die Pyrolyse eignen sich besonders<br />

Ausgangssubstrate mit einem Trockensubstanzgehalt<br />

größer 50 % (Holz sowie trockene Reststoffe<br />

Die Wiederentdeckung der<br />

„Terra Preta“ im<br />

Amazonasbecken weckte<br />

ein grosses<br />

wissenschaftliches<br />

Interesse<br />

Terra Preta entsteht durch<br />

Vernichtung von Kohle<br />

und Asche mit tierischen<br />

Abfällen und<br />

Exkrementen.<br />

Insbesondere der<br />

Kohlenanteil gilt <strong>als</strong><br />

Schlüsselfaktor für die<br />

Verbesserung der<br />

Nährstoff- und<br />

Wasserspeicherung<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

49


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Parameter Dimension Forchheim Freiburg<br />

Bodenart IS uL<br />

pH 5,4 7,3<br />

Humus<br />

2,2 1,7<br />

(% TM)<br />

Gesamt-N 0,1 0,1<br />

P 2<br />

O 5<br />

16 20<br />

K 2<br />

O (mg/100 g B.)<br />

12 17<br />

Mg 5 7<br />

Bor<br />

0,14 0,24<br />

Mangan 73 14<br />

(mg/kg TM)<br />

Zink 4 3<br />

Kupfer 1,6 1,7<br />

Tabelle 1<br />

Kenndaten der<br />

Versuchsstandorte<br />

Biokohle hat in<br />

Abhängigkeit vom<br />

Herstellungsverfahren<br />

unterschiedliche<br />

Eigenschaften<br />

Allgemeine Aussagen über<br />

den Einsatz in der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> sind nicht<br />

möglich<br />

Tabelle 2<br />

Kenndaten der organischen<br />

Dünger<br />

aus der <strong>Landwirtschaft</strong> wie z. B. Stroh), da ansonsten<br />

das Material vorher energieaufwändig getrocknet<br />

werden müsste.<br />

HTC-Verfahren<br />

Die hydrothermale Carbonisierung, kurz HTC<br />

genannt, ist ein Nassverfahren, mit dem die Kohle<br />

bei Temperaturen von ca. 200 °C und einem<br />

Druck von etwa 20 bar hergestellt wird. Während<br />

die Biomasse für ungefähr 6 Stunden im Reaktor<br />

unter Zugabe von Säuren und Salzen behandelt<br />

wird, wird eine Vielzahl von Prozessen wie beispielsweise<br />

Hydrolyse, Dehydratisierung, Decarboxylierung<br />

sowie Agglomeration und Polymerisierung<br />

in Gang gesetzt. Hierdurch entstehen<br />

verschiedenste Zwischenprodukte wie Zucker,<br />

Furfurale oder organische Säuren (BUTTMANN,<br />

2011).<br />

Eigenschaften der Biokohletypen<br />

Da mit dem HTC-Verfahren eine Vielzahl von<br />

HTC-Kohlen mit unterschiedlichsten Eigenschaften<br />

hergestellt werden kann, ist im Vergleich<br />

zur pyrogenen Kohle bisher nur wenig über ihre<br />

Auswirkungen im Boden bekannt. Während es<br />

beim HTC-Prozess zu einer vollständigen strukturellen<br />

Auflösung des verwendeten Ausgangsmateri<strong>als</strong><br />

mit anschließender Polymerisation der Abbauprodukte<br />

kommt, bleibt bei der Pyrolyse die<br />

Struktur des Ausgangsmateri<strong>als</strong> weitestgehend<br />

erhalten. Daher ist die pyrogene Biokohle äußerst<br />

porös und besitzt eine enorme spezifische Oberfläche<br />

von teilweise über 300 m² pro Gramm<br />

(SCHMIDT, 2011). Durch den hohen Porengehalt<br />

können sowohl die Wasser-, <strong>als</strong> auch die Luftkapazität<br />

eines Bodens erheblich verbessert werden.<br />

Die Poren stellen nicht nur einen möglichen Wurzeldurchgang<br />

dar, sondern bieten auch Mikroorganismen<br />

ein nährstoffreiches Habitat an, das vor<br />

„Feinden“ geschützt ist. Aufgrund der großen<br />

spezifischen Oberfläche und der damit einhergehenden<br />

Adsorptionsleistung kann die pyrogene<br />

Biokohle zum einen <strong>als</strong> Trägermittel für Nährstoffe<br />

und zum anderen <strong>als</strong> Puffer gegen die Auswaschung<br />

von organischen Schadstoffen und<br />

Schwermetallen ins Grundwasser gesehen werden.<br />

Diese Eigenschaft kann zwar in nährstoffarmen<br />

Böden erhebliche Vorteile bringen, jedoch<br />

besteht auch die Gefahr, dass Nährstoffe - mit der<br />

Folge möglicher Ertragseinbußen – zunächst immobilisiert<br />

werden (SCHMIDT, 2011). Obwohl bereits<br />

zahlreiche Untersuchungen zu den physikalischen,<br />

chemischen und biologischen Eigenschaften<br />

verschiedener Kohlen durchgeführt wurden,<br />

fehlt immer noch ein präziser Leitfaden für den<br />

Einsatz von Biokohle in der <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />

Feldversuche zum Einsatz von<br />

„Biokohle“<br />

Das <strong>Landwirtschaft</strong>liche Technologiezentrum<br />

(LTZ) Augustenberg beschäftigt sich aktuell mit<br />

dem Einsatz von Biokohle in der <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />

Das von der Bundesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong><br />

und Ernährung (BLE) über die landwirtschaftliche<br />

Rentenbank geförderte sog. „CarboSolum“-<br />

Projekt untersucht dabei u.a. die physikalischen,<br />

chemischen und biologischen Auswirkungen<br />

zweier auf unterschiedliche Weise karbonisierter<br />

Restbiomassen (Landschaftspflegematerial und<br />

org. Dünger<br />

TS<br />

N NH 4<br />

P K Mg<br />

bzw. Biokohlen<br />

(% FM) pH-Wert<br />

(% TM)<br />

Kompost 54,8 7,3 0,91 - 0,71 1,61 1,08<br />

Gärrest fest 18,5 9,2 2,80 1,54 0,82 3,60 0,29<br />

HTC-Kohle 33,9 4,7 3,80 0,18 1,21 0,02 0,23<br />

Pyrolyse-Kohle 67,0 10,5 0,60 - 3,05 0,78 0,51<br />

50 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Variante (VG) Behandlung<br />

1 ohne jegliche Düngung<br />

2 Kompost<br />

3 Gärrest fest<br />

4 mineralische Düngung<br />

5 HTC-Kohle (Biertreber)<br />

6 HTC-Kohle + Kompost<br />

7 HTC-Kohle + GR fest<br />

8 Pyrolyse-Kohle (Grünmasse)<br />

9 Pyrolyse-Kohle + Kompost<br />

10 Pyrolyse-Kohle + GR fest<br />

Aufwandmenge<br />

40 t FM/ha<br />

20 t FM/ha<br />

N: kulturspezifisch; P: Abfuhr; K: kulturspezifisch<br />

20 t TM/ha<br />

20 t TM/ha + 40 t FM/ha<br />

20 t TM/ha + 20 t FM/ha<br />

20 t TM/ha<br />

20 t TM/ha + 40 t FM/ha<br />

20 t TM/ha + 20 t FM/ha<br />

Biertreber) auf den Boden und die Pflanzenproduktion<br />

über drei Versuchsjahre. Ziel der hierfür<br />

angelegten Feldversuche ist es, Aussagen über<br />

Mindeststandards der gewählten Biokohlen zu<br />

treffen. Für die Feldversuche wurden zwei Standorte<br />

mit verschiedenen Bodeneigenschaften ausgewählt<br />

(Tab. 1).<br />

Im folgenden Beitrag wird der Einfluss von Biokohle<br />

aus dem HTC- bzw. Pyrolyseverfahren auf<br />

die Ertragsbildung und Nährstoffaufnahme von<br />

Körnermais und Winterweizen an den Standorten<br />

Forchheim - Raum Karlsruhe – und March –<br />

Raum Freiburg i. Br. - über die bisherige Versuchsdauer<br />

von zwei Jahren beschrieben (Tab. 1 bis 4).<br />

Besonders interessiert in diesem Zusammenhang,<br />

ob Ertragsunterschiede zwischen den Standorten<br />

in Folge unterschiedlicher Standorteigenschaften<br />

(Nährstoff- und Wasserhaushalt!) durch eine Zugabe<br />

von Biokohle ausgeglichen werden können.<br />

Bei den Feldversuchen (Tab. 3) handelt es sich um<br />

zweifaktorielle Blockversuche. Hierbei ist Versuchsglied<br />

(VG) 1 <strong>als</strong> Nullvariante und somit ohne<br />

jegliche Düngung während der <strong>gesamte</strong>n Versuchsdauer<br />

angelegt. Unter Beachtung der pflanzenspezifischen<br />

P-Abfuhren wurden die organischen<br />

Vergleichsdünger „Kompost“ und „Gärreste<br />

fest“ (= Feststoffanteil nach Separierung der<br />

flüssigen Gärreste) nach „guter fachlicher Praxis“<br />

ausgebracht. Diese sowie eine Variante mit ausschließlicher<br />

mineralischer Düngung (VG 4) - jeweils<br />

ohne Biokohle-Zusatz - dienen dazu, den<br />

Einfluss einer Biokohle-Zugabe (VG 5 bis 10)<br />

beurteilen zu können. Hierbei steht eine mögliche<br />

Düngewirkung oder ein möglicher Einfluss der<br />

Biokohlen auf die Bodenfruchtbarkeit (Nährstoff-/Wasserhaushalt,<br />

biologische Kenngrößen<br />

der Böden...) im Vordergrund.<br />

Da es bislang keine gesetzlichen Regelungen für<br />

den Einsatz von Biokohle in landwirtschaftlich<br />

genutzten Böden gibt, orientierte man sich bei den<br />

Ausbringungsmengen von 20 t TM ha - ¹ innerhalb<br />

von drei Jahren an der Bioabfallverordnung<br />

(Kompostdüngung).<br />

Tabelle 3<br />

Versuchsplan<br />

In Feldversuchen werden<br />

verschiedene Biokohlen<br />

mit Kompost und<br />

Gärresten verglichen<br />

Tabelle 4<br />

Nährstofffrachten [kg/ha] – zu<br />

Versuchsbeginn ausgebracht<br />

Nährstofffrachten<br />

Varianten<br />

N lösl. N P K Mg<br />

kg ha -1<br />

Kompost 199 10 156 353 237<br />

Gärrest (fest) 104 52 30 266 11<br />

Gärrest (flüssig)* 60 36 14 82 82<br />

HTC-Kohle 760 12 242 4 46<br />

HTC + Kompost 959 22 398 357 283<br />

HTC + Gärrest (fest) 864 64 272 270 57<br />

Pyrolyse-Kohle 120 - 610 156 102<br />

Pyrolyse + Kompost 319 10 766 509 339<br />

Pyrolyse + Gärrest (fest) 224 52 640 422 113<br />

* im 2. Versuchsjahr auf VG 3 ausgebracht<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

51


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Biokohlen unterschieden<br />

sich im Nährstoffgehalt,<br />

der Nährstoffverfügbarkeit<br />

und im Trockensubstanzgehalt<br />

Bei den Körnermais- und<br />

Weizenerträgen gibt es<br />

bisher keine statistisch<br />

gesicherten Unterschiede<br />

zwischen den Kohlen<br />

Auf der Basis einer standort- und kulturspezifischen<br />

Düngebedarfsermittlung wurden die Versuchsglieder<br />

jährlich zusätzlich mit mineralischem<br />

N gedüngt.<br />

In Tabelle 2 sind die Nährstoffgehalte der ausgebrachten<br />

Substrate aufgeführt. Zunächst wird davon<br />

ausgegangen, dass der Ertrag maßgeblich von<br />

den tatsächlich ausgebrachten Nährstoffen (Tab.<br />

4) beeinflusst wird, jedoch sind auch Parameter<br />

wie pH-Wert und physikalische Beschaffenheit<br />

des jeweiligen Düngerstoffes ausschlaggebend für<br />

die Bindungsform und Verfügbarkeit der Nährstoffe<br />

und somit für die Ertragsbildung.<br />

Da die Biokohlen aus verschiedenen Ausgangssubstraten<br />

(Pyrolyse-Kohle aus Landschaftspflegematerial<br />

– HTC-Kohle aus Biertreber) hergestellt<br />

wurden, sind deren Inhaltsstoffe und physikalischen<br />

Eigenschaften ebenfalls zum Teil sehr<br />

unterschiedlich.<br />

Besonders hervorzuheben sind hierbei die deutlichen<br />

Unterschiede im TS-Gehalt. Dies beruht<br />

darauf, dass bei der Bildung der pyrogenen Kohle<br />

unter sehr hohen Temperaturen Wasser ausgetrieben,<br />

während beim HTC-Verfahren Wasser zugesetzt<br />

(= Nassverfahren) wird. Auch der pH-Wert<br />

der beiden Kohlen unterscheidet sich wesentlich.<br />

Dies kann in Abhängigkeit von der Ausbringmenge<br />

einen starken Einfluss auf die mikrobielle Besiedlung<br />

der Kohle und dadurch u.a. auf die N-<br />

Verfügbarkeit ausüben. Die Nährstoffgehalte der<br />

im Versuch verwendeten Vergleichssubstrate<br />

„Kompost“ und „Gärreste fest“ variieren in Abhängigkeit<br />

vom jeweiligen Ausgangsmaterial und<br />

Herstellungsverfahren deutlich. In Folge anaero-<br />

ber Vergärung im Biogasreaktor weisen beispielsweise<br />

die Gärreste fest einen hohen Gehalt an<br />

verfügbaren NH 4<br />

-N auf, der beim Kompost und<br />

den Biokohlen vernachlässigbar klein ist. Dagegen<br />

ist der Stickstoff im Kompost vorwiegend in organischer<br />

Form gebunden, weshalb dieser erst<br />

nach einer längeren Verweilzeit verfügbar wird. Im<br />

Vergleich zum Landschaftspflegematerial, welches<br />

vorwiegend aus Cellulose, Hemicellulose und<br />

etwas Lignin besteht, enthalten Biertreber einen<br />

hohen Anteil an Proteinen. Deshalb weist die<br />

HTC-Kohle höhere N-Gehalte <strong>als</strong> die pyrogene<br />

Kohle auf. Die Kaliumgehalte sind bei der HTC-<br />

Kohle im Vergleich zu den anderen Substraten<br />

sehr gering, da einerseits der Kaliumgehalt von<br />

Getreidekörnern niedrig ist und andererseits während<br />

des HTC-Prozesses ein Großteil des löslichen<br />

Kaliums in das sog. Prozesswasser übergeht.<br />

Besonders hervorzuheben sind die hohen P-<br />

Frachten bei einer Düngung insbesondere mit<br />

Pyrolysekohle.<br />

Versuchsergebnisse<br />

Abbildungen 1 und 2 bzw. 3 und 4 zeigen die<br />

Körnermais- bzw. Winterweizenerträge und<br />

die korrespondierenden Rohproteingehalte im<br />

Mittel von vier Wiederholungen. Statistisch gesehen<br />

gibt es mit Ausnahme der ungedüngten Varianten<br />

weder Tendenzen noch Unterschiede zwischen<br />

den gedüngten Versuchsgliedern in beiden<br />

Jahren. Das Ertragsbild variiert auf dem Standort<br />

„Forchheim“ deutlicher <strong>als</strong> in „March“. Hier sind<br />

die Kornerträge von Körnermais in beiden Versuchsjahren<br />

nahezu identisch - selbst auf den Parzellen<br />

„ohne Düngung“ -.<br />

Abbildung 1<br />

Kornerträge [rel. zum<br />

Versuchsmittel] am Standort<br />

„Forchheim“<br />

52 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Abbildung 2<br />

Rohproteingehalte [% TM<br />

bzw. im Mittel] am Standort<br />

„Forchheim“<br />

Abbildung 3<br />

Kornerträge [rel. zum<br />

Versuchsmittel] am Standort<br />

„March“<br />

Beim Proteingehalt zeigen sich jedoch tendenziell<br />

niedrigere Gehalte im 2. Körnermaisjahr am<br />

Standort „March“. Dies könnte jedoch auch die<br />

Folge ungünstigerer Witterungsbedingungen –<br />

insbesondere während der Abreife - im Vergleich<br />

zum Versuchsjahr 2011 gewesen sein. Am Standort<br />

„Forchheim“ lassen sich weder bei Körnermais<br />

noch bei Winterweizen signifikante Unterschiede<br />

im Proteingehalt der Prüfglieder feststellen,<br />

obwohl die Ertragsschwankungen – insbesondere<br />

im Körnermaisjahr – deutlicher<br />

ausgefallen waren <strong>als</strong> am Standort „March“. Diese<br />

Standortunterschiede können durchaus in den<br />

teils stärker variierenden Bodeneigenschaften –<br />

insbesondere im Humus- und Wasserhaushalt –<br />

begründet sein. Daher reagieren am Standort<br />

„Forchheim“ die Erträge in beiden Versuchsjahren<br />

nach einer Kompostzufuhr – sei es ohne oder<br />

in Kombination mit Biokohle – positiver <strong>als</strong> eine<br />

ergänzende Gabe mit Gärrest fest.<br />

Die Miner<strong>als</strong>toffgehalte P, K und Mg der Ernteproben<br />

zeigen keine Unterschiede unabhängig<br />

vom Versuchsjahr, vom Standort oder von der<br />

jeweiligen Kultur.<br />

Die N min<br />

-Ergebnisse (Abb. 5 und 6) der mineralisch<br />

sowie ausschließlich mit HTC- bzw. Pyrolysekohle<br />

gedüngten Varianten sind nach der Ernte<br />

des 1. Versuchsjahres am Standort „Forchheim“<br />

leicht erhöht. Alle übrigen bisher gemessenen<br />

Werte sind unspektakulär und lassen sich nicht<br />

zwingend der Versuchsdüngung zuordnen.<br />

Die Miner<strong>als</strong>toffgehalte P,<br />

K und Mg zeigen keine<br />

Unterschiede<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

53


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Abbildung 4<br />

Rohproteingehalte [% TM<br />

bzw. im Mittel] am Standort<br />

„March“<br />

Abbildung 5<br />

N min<br />

-Gehalte [kg Nitrat-N/ha<br />

von 0 bis 90 cm] am Standort<br />

„Forchheim“<br />

Abbildung 6<br />

N min<br />

-Gehalte [kg Nitrat-N/ha<br />

von 0 bis 90 cm] am Standort<br />

„March“<br />

54 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Abbildung 7<br />

Kohlenstoff- (C-) Gehalte<br />

[% TM von 0 bis 20 cm] am<br />

Standort „Forchheim“<br />

Abbildung 8<br />

Kohlenstoff- (C-) Gehalte<br />

[% TM von 0 bis 20 cm] am<br />

Standort „March“<br />

Anders verhält es sich am Standort „March“. Hier<br />

waren die Nmin-Werte bislang durchwegs deutlich<br />

höher - insbesondere nach dem 1. Versuchsjahr - .<br />

Besonders auffällig sind auch die verringerten Nitratwerte<br />

bei den Versuchsgliedern mit Pyrolyse-<br />

Kohle-Zugabe. Ertragsniveau und N min<br />

-Werte<br />

unterstreichen den Standortvorteil „March“ und<br />

erschweren eine Aussage, inwieweit die Zufuhr<br />

von Biokohle für eine Ertragsverbesserung nützlich<br />

war. Im Falle hoher Bodengüte und gleichmäßiger<br />

Witterungsbedingungen liegen die Vorteile<br />

einer Biokohle-Gabe wohl eher auf Seiten der oft<br />

diskutierten C-Sequstrierung.<br />

Auf beiden Standorten haben die C-Gehalte (kein<br />

Humus im herkömmlichen Sinn!) ohne Zufuhr<br />

von Biokohle - insbesondere am Standort Forchheim<br />

- abgenommen und unterschreiten teilweise<br />

das Ausgangsniveau. Bei einem vergleichsweise<br />

niedrigen Humus-Startwert am Standort „March“<br />

sind die C-Gehalte in Folge der Versuchsdüngung<br />

deutlicher angestiegen - insbesondere in Folge einer<br />

HTC-Kohlezufuhr - <strong>als</strong> am Standort „Forchheim“.<br />

Da es sich bei „March“ um eine Fläche<br />

handelt, die langjährig mit nahezu 100 % Körnermais<br />

bewirtschaftet wurde und „nur“ ca. 1 % C zu<br />

Beginn der Versuchsreihe aufweist, könnte dies<br />

ein Hinweis darauf sein, dass die Zugabe von Biokohle<br />

den C-Einbau in stabilere Humusformen<br />

gefördert hat. Der intensive (C-) Stoffwechsel der<br />

C-Quelle „Maisstroh“ blieb davon eher unbeeinflusst.<br />

Am Standort „Forchheim“ deutet sich an,<br />

dass mehr Kohlenstoff verbraucht <strong>als</strong> über die<br />

Düngung zugeführt wurde.<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

55


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Die Grundnährstoffe Phosphat, Kali und Magnesium<br />

sowie die pH-Werte der Böden zeigen<br />

bislang keine Reaktion auf die Versuchsanstellung.<br />

Überrascht hat dies besonders beim Phosphat im<br />

System mit Pyrolysekohle, da in diesem Falle hohe<br />

P-Frachten (Tab. 4) ausgebracht wurden, die sich<br />

bislang weder in der löslichen P-Fraktion des Bodens,<br />

noch in den P-Gehalten der Ernteprodukte<br />

niedergeschlagen haben.<br />

Fazit (vorläufiges)<br />

Die vorliegenden Versuchsergebnisse über zwei<br />

Vegetationsperioden mit Körnermais und Winterweizen<br />

lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:<br />

Kornerträge und -qualitäten unterscheiden sich<br />

nicht signifikant zwischen den mit Biokohle behandelten<br />

bzw. unbehandelten Versuchsgliedern<br />

bei ausgeglichener N-Versorgung.<br />

Erwartungsgemäß führt eine Biokohle-Zufuhr<br />

zu einem Anstieg der C-Gehalte im Boden. Es<br />

ist anzunehmen, dass die Prozesse, die zu einem<br />

höheren Anteil an Dauerhumus führen, nach 2<br />

Jahren noch nicht abgeschlossen sind. Hierzu<br />

bedarf es der Beobachtung über einen längeren<br />

Zeitraum.<br />

Im Falle einer Kombination von Biokohle mit<br />

Kompost bzw. Gärrest fest sind die C-Gehalte<br />

in den meisten Fällen höher. Dies weist auf eine<br />

positive Wechselwirkung hin, da Kompost bzw.<br />

Gärrest fest allein ausgebracht, diesen Effekt<br />

weniger deutlich zeigen.<br />

Es ist bekannt, dass die pyrogene Kohle die Fähigkeit<br />

besitzt, Ammonium- und Kali-Ionen in<br />

größerem Umfang zu binden. Somit könnten<br />

Biokohlen dieses Typs einerseits für den Einsatz<br />

im Grundwasserschutz an Bedeutung gewinnen,<br />

andererseits aber auch bei ihrer direkten<br />

Aufbringung auf Ackerböden zunächst eine<br />

Ammonium- und/oder Kalifixierung bewirken.<br />

Deshalb ist vor einem Einsatz von Biokohlen<br />

der Versorgungszustand der Böden insbesondere<br />

mit Kali zu prüfen oder eine vorherige Behandlung<br />

der Kohlen empfehlenswert, um Ertragsminderungen<br />

zu vermeiden.<br />

genschaften eher auf leichteren („schwächeren“)<br />

Standorten zu beobachten sein werden.<br />

„Biokohle“ kann dann in der <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>als</strong><br />

Zusatzstoff an Bedeutung gewinnen, wenn die<br />

verwendeten Ausgangssubstrate bekannt und<br />

vor allem hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung<br />

unbedenklich sind, wenn die zu<br />

behandelnden Böden „Schwachstellen“ bspw.<br />

eine schlechte Wasserversorgung oder hohe<br />

Schadstoffgehalte (anorganisch wie organisch)<br />

aufweisen (Sanierungsfälle) und wenn die Kosten<br />

für eine fachgerechte Zufuhr von 20 bis 30<br />

t FM/ha Biokohle in einem finanzierbaren, aber<br />

auch konkurrenzfähigen Bereich liegen.<br />

Literatur<br />

BLACKWELL, P. G. RIETHMULLER, M. COLLINS<br />

(2009): Biochar Application to Soil. Biochar for<br />

Environmental Management: Science and Technology.<br />

London. Sterling, VA: Eathscan, 2009. Ed.<br />

Lehmann J, Joseph S.<br />

BUTTMANN M. (2011): Klimafreundliche Kohle<br />

durch Hydrothermale Karbonisierung von Biomasse,<br />

Chemie Ingenieur Technik 2011, 83, No II,<br />

1890-1896.<br />

GLASER, B., J. J. BIRK (2012): State of the scientific<br />

knowledge on properties and genesis of Anthropogenic<br />

Dark Earth in Central Amazonia, Terra<br />

Preta de Índio. Giochimica et Cosmochimica Acta<br />

82, 39 - 51.<br />

MANN, C. C. (2002): The real dirt on rainforest<br />

fertility. Science 297(9), 920-923.<br />

RÖNSCH, S. (2011): Optimierung und Bewertung<br />

von Anlagen zur Erzeugung von Methan, Strom<br />

und Wärme aus biogenen Festbrennstoffen<br />

,Deutsches Biomasse Forschungszentrum, Leipzig.<br />

SCHMIDT, H. - P. (2011): Pflanzenkohle, Ithakajournal,<br />

Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming<br />

, 75-82. •<br />

Dr. Markus Mokry<br />

LTZ Augustenberg<br />

Tel. 0721/ 9468-184<br />

markus.mokry@ltz.bwl.de<br />

Zum heutigen Zeitpunkt können noch nicht<br />

alle positiven wie negativen Auswirkungen einer<br />

Zufuhr von Biokohle beschrieben werden, jedoch<br />

lässt sich feststellen, dass förderliche Ei-<br />

56 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Dr. Reinhard Albert, Klaus Schrameyer<br />

Neue Schädlinge in Baden-Württemberg (Teil 1)<br />

In Baden-Württemberg treten in den letzten Jahren vermehrt nicht heimische Milben- und Insektenarten<br />

auf. Sie gelangen auf zwei Wegen ins Land. Entweder werden sie auf Pflanzenmaterial, in<br />

Verpackungsholz oder in anderem Importmaterial eingeschleppt oder sie wandern aktiv ein. Alle diese<br />

Tiere werden Neozoen genannt (KINZELBACH 1972), wenn sie sich im Freiland, im Gewächshaus (ALBERT<br />

1996) oder auch im Privathaushalt dauerhaft etabliert haben. Neozoen, die Kulturpflanzen schädigen<br />

oder die einheimische Arten gefährden oder verdrängen, kann man nach angelsächsischem<br />

Sprachgebrauch auch „invasive Arten“ nennen (KINZELBACH 2000). In den letzten Jahren traten viele<br />

bisher nicht heimische Arten erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg auf. Außerdem wurden viele bekannte<br />

Schädlinge durch die Besetzung neuer Lebensräume oder einer stärkeren Schädigung der<br />

Kulturpflanzen zunehmend zu einem Problem. Andere Neozoen sind nicht <strong>als</strong> Schädlinge anzusehen,<br />

können aber durch ihre große Zahl mitunter auffällig oder, wenn sie in Wohnungen eindringen, auch<br />

durchaus lästig werden. Einige besonders schädliche oder auffällige invasive Arten werden hier<br />

vorgestellt.<br />

Neubürger im Detail<br />

Unter den eingeschleppten invasiven Arten ist<br />

besonders der Westliche Maiswurzelbohrer<br />

(Diabrotica virgifera virgifera) zu nennen. Der<br />

Käfer, der in den USA der „1- Milliarde Dollar-<br />

Käfer“ wegen der hohen Schadens- und Bekämpfungskosten<br />

genannt wird, wurde in den frühen<br />

90-er Jahren in die Gegend von Belgrad verschleppt<br />

und verbreitete sich auf dem Balkan und<br />

in angrenzenden Ländern. Punktuell trat er auch<br />

in der Nähe von Flughäfen in Frankreich, den<br />

Niederlanden und in Großbritannien auf. Er wurde<br />

erstm<strong>als</strong> im Jahr 2007 in Deutschland in der<br />

Gegend von Lahr (Oberrhein) mit Pheromonfallen<br />

nachgewiesen und war bei Salem (Bodenseeregion)<br />

in so großer Zahl vorhanden, dass die Einschleppung<br />

schon früher erfolgt sein musste.<br />

Hierher wurde er wohl mit Lastwagen oder Flugzeugen<br />

unbeabsichtigt transportiert (GLAS et al.<br />

2008). Seit dem Jahr 2007 tritt er regelmäßig in<br />

Baden-Württemberg auf. Sein mit Pheromonfallen<br />

nachgewiesenes Auftreten reicht im Rheingraben<br />

von der Schweizer Grenze bis in den Kreis<br />

Rastatt. Sein Befall kann durch den Fraß der Larven<br />

an den Wurzeln und dem der Käfer an Blättern<br />

und besonders an der Seide sowie dem<br />

milchreifen Korn zu hohen Ertragsausfällen<br />

von bis zu 80%, im Extremfall<br />

von 100% führen. In Baden-<br />

Württemberg tritt er bisher<br />

nicht schädigend auf. Hohe<br />

Kosten entstanden aber<br />

dadurch, dass er in mehreren<br />

Jahren aufgrund<br />

einer EU-Vorschrift<br />

aufwändig bekämpft<br />

werden musste. Nach<br />

der empfohlenen Beizung<br />

des Maissaatgutes<br />

mit dem Insektizid<br />

Poncho Pro (Clothianidin)<br />

kam es im Jahr 2008 zu<br />

Bienenvergiftungen am Oberrhein,<br />

bei dem in fast 12.000 Bienenvölkern Verluste<br />

auftraten. Im Maisanbau ist der regelmäßige<br />

Fruchtwechsel die beste, weil wirksamste und damit<br />

umweltfreundlichste Bekämpfungsmethode.<br />

Westlicher<br />

Maiswurzelbohrer<br />

(Diabrotica virgifera virgifera)<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

57


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Raupe des Buchsbaumzünsler<br />

Bilder: LTZ<br />

Falter von Cydalima perspectalis<br />

Stark vom Buchsbaumzünsler geschädigter Buchs<br />

Der Buchsbaumzünsler<br />

Cydalima perspectalis<br />

(Synonyme Diaphania perspectalis,<br />

Glyphodes perspectalis)<br />

sorgt in den Befallsgebieten<br />

in ganz Baden-<br />

Württemberg für Furore<br />

(ALBERT und LEHNEIS,<br />

2010, 2012). Er ist ein gefährlicher<br />

Schädling am<br />

Buchsbaum; seine Raupen<br />

fressen die Blätter<br />

und auch die grüne Rinde<br />

der Bäume. Aufgrund<br />

seiner 3 bis 4 Generationen<br />

pro Jahr kann er am<br />

Buchs schnell hohe<br />

Dichten erreichen. Über<br />

400 Raupen wurden<br />

schon an einer einzigen<br />

Buchspyramide gezählt.<br />

Durch den Fraß an der<br />

grünen Rinde der Bäume<br />

ist er in der Lage, Buchsbäume<br />

zum Absterben<br />

zu bringen. Weniger stark<br />

befallene Buchsbäume<br />

können sich wieder erholen.<br />

Er wurde im Jahr<br />

2007 amtlich am Oberrhein<br />

festgestellt, aber<br />

wohl schon früher mit<br />

Pflanzenmaterial aus<br />

China oder den Niederlanden<br />

nach Baden-<br />

Württemberg verbracht.<br />

Fraßpflanzen sind in<br />

Ostasien Buxus sinica, in<br />

Japan Buxus microphylla<br />

und B. sempervirens. B. microphylla<br />

ist die besser geeignete<br />

Nahrungsquelle.<br />

In Europa wird an Buxus<br />

sempervirens und B. microphylla<br />

gefressen. Nach<br />

chinesischen Angaben<br />

reduziert nur die Anwendung<br />

von Bacillus-thuringiensis-Präparaten<br />

den<br />

Schädling nachhaltig. Im<br />

Haus- und Kleingarten<br />

sollte eine Bekämpfung<br />

der Raupen durch Absammeln<br />

oder mit dem<br />

Bacillus-thuringiensis-Präparat<br />

Dipel ES, den Bioziden<br />

Schädlingsfrei<br />

Neem’, ‚NeemAzal-T/S’, „Bayer Garten Bio-<br />

Schädlingsfrei Neem“ oder bei sehr starkem Befall<br />

mit ‚Bayer Garten Schädlingsfrei Calypso’ oder<br />

vergleichbaren Präparaten erfolgen. Im Öffentlichen<br />

Grün ist eine Bekämpfung nur mit Dipel ES<br />

möglich. Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln<br />

ist stets auf die Zulassungssituation zu<br />

achten.<br />

Ebenfalls auf Buchs wurde die Buchsbaumspinnmilbe<br />

(Eurytetranychus buxi) im Jahr 2003<br />

erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg auf Buchsbäumen<br />

entdeckt. Die Art kann Buchsbäume bei hohen<br />

Temperaturen und unzureichender Wasserversorgung<br />

schnell bis zum Absterben schädigen.<br />

Als wärmeliebendes Tier hält sich die Milbe vorzugsweise<br />

an sonnigen Plätzen auf südlich und<br />

südwestlich exponierten Blättern auf. Die Gemeine<br />

Gewächshausspinnmilbe Tetranychus urticae<br />

kann Buchs ebenfalls stark schädigen.<br />

Häufiger wurden vom staatlichen Pflanzengesundheitsdienst<br />

in Baden-Württemberg schon<br />

Larven des Asiatischen Laubholzbockkäfers<br />

(Anoplophora glabripennis) in Verpackungsholz aus<br />

Ostasien gefunden. Das Holz muss nach Befallsfeststellung<br />

umgehend verbrannt werden. Bisher<br />

konnte wohl aufgrund der Überwachung der Einfuhren<br />

im Rahmen der amtlichen Kontrollen ein<br />

Befall an gesunden Laubhölzern, wie er in Bayern<br />

und Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren<br />

auftrat, in Baden-Württemberg noch verhindert<br />

werden.<br />

Ein Befall durch den Citrusbockkäfer (Anoplophora<br />

chinensis) und seine Larven, die mit Fächerahornbäumchen<br />

(Acer palmatum) von Discountern<br />

und Gartenmärken in Deutschland verbreitet<br />

wurden, wurde bisher in Baden-Württemberg<br />

noch nicht bestätigt.<br />

Die Andromeda-Gitterwanze (Stephanitis takeyai)<br />

wurde im Jahr 2003 (HOMMES 2004) erstm<strong>als</strong> bei<br />

Bremen entdeckt und stammt ursprünglich aus<br />

Japan. In Italien war sie schon im Jahr 2000 festgestellt<br />

worden. Sie wanderte hierher von Norden<br />

zu und wurde 2007 erstm<strong>als</strong> in Baden-Württemberg<br />

bei Mannheim und Calw gefunden. Sie befällt<br />

die Lavendelheide (Pieris japonica), auch Schattenglöckchen<br />

genannt, und kann durch ihre Saugtätigkeit<br />

an den Blättern die Pflanzen stark schädigen<br />

und sogar abtöten.<br />

Die verwandte Platanen-Netzwanze (Corythucha<br />

ciliata) stammt ursprünglich aus den USA und<br />

wurde erstm<strong>als</strong> in den frühen 60-er Jahren des<br />

letzten Jahrhunderts in Italien bei Padua entdeckt.<br />

Von dort aus hat sich die Art in den 70-er Jahren<br />

schnell bis nach Deutschland verbreitet. Sie ist<br />

58<br />

Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

kein eigentlicher Pflanzenschädling, obwohl befallene<br />

Platanen die Blätter wesentlich früher verlieren<br />

können <strong>als</strong> befallsfreie Pflanzen. Die Netzwanze<br />

gibt aber einen Kot ab, der den Lack von<br />

geparkten Fahrzeugen durch nicht entfernbare<br />

Verfärbungen schädigen kann. Es hat außerdem<br />

Fälle gegeben, in denen Personen von schwärmenden<br />

Netzwanzen in der Nähe von Platanen<br />

durch „Probe“-Stiche belästigt wurden.<br />

Die Amerikanische Eichennetzwanze (Corythucha<br />

arcuata) ist nach Norditalien verschleppt<br />

und dort erstm<strong>als</strong> im Jahr 2000 gefunden worden.<br />

Sie befällt ausschließlich Quercus-Arten. Da sie<br />

schon in die Schweiz eingewandert ist, kann mit<br />

ihrem Auftreten auch in Baden-Württemberg gerechnet<br />

werden. Ihre Bekämpfung ist genauso<br />

schwierig wie die der Platanen-Netzwanze.<br />

Die Zwiebelblattlaus (Neotoxoptera formosana)<br />

stammt ursprünglich aus Asien und ist mittlerweile<br />

auch in Australien, Neuseeland, Nordamerika<br />

und Hawaii zu finden (BLACKMAN und EASTOP<br />

1984). In Europa war sie bisher nur aus Großbritannien<br />

und Westfrankreich bekannt. Im Jahr<br />

2007 wurde sie erstm<strong>als</strong> bei Heilbronn nachgewiesen.<br />

Sie hat temperaturabhängig mindestens 5 Generationen<br />

pro Jahr und befällt alle oberirdischen<br />

Pflanzenteile von Allium-Arten. Durch die sehr<br />

hohe Befallsdichte führt ein Befall schnell zum<br />

Absterben der betroffenen Pflanzen. Im Unterschied<br />

zu den meisten Blattläusen saugt sie auch<br />

an Zwiebeln im Winterlager. Sie kann den ‚Garlic<br />

latent carlavirus’ übertragen. Auf welche Weise<br />

die Blattlaus nach Baden-Württemberg kam, ist<br />

nicht bekannt. Nachgewiesen werden konnte aber<br />

die Verteilung innerhalb des Landes mittels befallener<br />

Zwiebeln. Von hier aus kann der Langstreckenflieger<br />

sich bis zu 80 km/Jahr um den Befallsherd<br />

herum ausbreiten.<br />

An dieser Stelle kann auch ein Nützling angeführt<br />

werden, der wegen seiner Blattlausbekämpfung<br />

von einigen Obstbauern sehr begrüßt wird, den<br />

Winzer und auch viele Bürger aber nicht mögen.<br />

Die Rede ist vom Asiatischen Marienkäfer<br />

(Harmonia axyridis), einem sehr aktiven Blattlausgegenspieler<br />

besonders an Obst-, Stadt- und Nadelbäumen.<br />

Tritt er in Massen auf, kann er aber<br />

zum Lästling werden. Aus den USA gibt es Hinweise,<br />

dass Reste von Käfern und Larven in der<br />

Maische den Geschmack des erzeugten Weins negativ<br />

verändern können.<br />

Es gibt Schädlinge, die selbständig aus wärmeren<br />

Regionen nach Baden-Württemberg einwandern.<br />

Sie stammen entweder aus dem Mittelmeerraum<br />

wie die Zitronenblattlaus (Aphis spiraecola) (= A.<br />

citricola), die Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis<br />

pentagona), der Schnellkäfer (Agriotes sordidus), der<br />

Dickmaulrüsselkäfer Otiorhynchus apenninus (= O.<br />

salicicola) und viele Wanderfalter wie Autographa<br />

gamma (Gamma-Eule) und Helicoverpa armigera<br />

(Baumwollkapselwurm). Es gibt aber auch Schädlinge,<br />

die wie Otiorhynchus smreczynskii und die<br />

Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella)<br />

aus dem östlichen und südöstlichen Europa zugewandert<br />

sind. Bei einigen Arten wie der Zypressen-Blattlaus<br />

(Cinara cupressivora), die im Jahr<br />

2007 und teilweise auch im Jahr 2008 Schäden an<br />

Thuja und anderen Zypressengewächsen anrichtete<br />

(ALBERT und ZÜHLKE 2009), ist die ursprüngliche<br />

Herkunft nicht eindeutig belegt. In Ostafrika<br />

hat sie in den letzten 20 Jahren verheerende Schäden<br />

in Zypressenwäldern angerichtet. Sie wird zu<br />

den weltweit 100 schädlichsten Neozoen gerechnet.<br />

Bisher war die Walnussfruchtfliege (Rhagoletis<br />

completa) nur im Rheingraben bekannt. Sie ist von<br />

Süden (Schweiz und/oder Frankreich) herkommend<br />

im Rheingraben bis Mannheim und in die<br />

Gegend von Heidelberg vorgedrungen. 2012 wurde<br />

ein sehr starker Befall auch in Heilbronn-Horkheim<br />

an den Neckar - Kan<strong>als</strong>chleusen gefunden.<br />

Aufgrund dieses starken Befalls ist ein Erstbefall<br />

bereits im Jahr 2011 oder früher mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

anzunehmen. Sie legt ihre Eier in<br />

die grüne Fruchthülle (Exokarp) von Walnüssen<br />

ab. Ihre Larven leben dann in der Fruchthülle.<br />

Dies führt zu einer Schwarzverfärbung der<br />

Fruchthülle. Sie löst sich später schlecht von der<br />

Nuss, die dann unschöne schwarze Stellen aufweist.<br />

Nur mit dem Hochdruckreiniger können<br />

die Nüsse von anhaftenden Schalen und den<br />

schwarzen Flecken gesäubert werden. Gereinigte,<br />

ehem<strong>als</strong> befallene Früchte sind nicht lange lagerfähig,<br />

da sie ab ca. 3 Monate nach der Ernte beginnen,<br />

bitter zu schmecken. Auch sind sie nach Erkenntnissen<br />

aus Südbaden nicht keimfähig. Es<br />

können aufgrund von nachfolgendem Pilz- oder<br />

Bakterienbefall auch Fäulniserreger in die Nuss<br />

eindringen. Solche Nüsse sind nicht mehr zu vermarkten.<br />

Die Walnussfruchtfliege wurde vor einigen<br />

Jahren aus den USA nach Italien verschleppt<br />

und dort 1986 entdeckt. Eine effektive Bekämpfungsmöglichkeit<br />

der Fruchtfliege wird zur Zeit<br />

erprobt.<br />

Die Amerikanische Kirschfruchtfliege (Rhagoletis<br />

cingulata) wurde erstm<strong>als</strong> in Süddeutschland im<br />

Jahr 2003 in der Gegend von Bingen/Mainz in<br />

größeren Zahlen nachgewiesen. Mittlerweile ist sie<br />

in vielen Anbaugebieten in Deutschland gefunden<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

59


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Maulbeerschildlaus<br />

(Pseudaulacaspis pentagona)<br />

Die Dickmaulrüsselkäfer (Otiorhynchus smreczynskii,<br />

O. crataegi, O. armadillo und O. salicicola) findet<br />

man häufiger an Neupflanzungen, was auf einen<br />

Transport mit Pflanzenmaterial hinweist. O. salicicola<br />

wurde z.B. in den vergangenen Jahren in Heilbronn,<br />

Leingarten und Neckarsulm gefunden.<br />

Einmal etabliert, verbreiten sie sich innerhalb der<br />

Wohngebiete ohne menschliche Hilfe weiter. Der<br />

Befall wird häufig mit dem des Gefurchten Dickmaulrüsselkäfers<br />

(O. sulcatus) verwechselt. O.<br />

apenninus konnte nur einmal auf Kirschlorbeer in<br />

Öhrigen nachgewiesen werden. O. apenninus ist polyphag<br />

und befällt Gattungen und Arten wie Thuja,<br />

Prunus laurocerasus, Cotoneaster, Rubus, Rosa, Fragaria,<br />

Pyracantha, Geranium, Cornus, Cornus mas, Hedera,<br />

Ilex aquifolium, Euonymus, Rhododendron, Viburworden<br />

(DAHLBENDER 2006). Der Flugbeginn liegt<br />

ca. 4 Wochen später <strong>als</strong> der der Europäischen<br />

Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi), ihr Flughöhepunkt<br />

aber nur etwa zwei Wochen. Die Amerikanische<br />

Kirschfruchtfliege belegt bisher von der<br />

einheimischen Kirschfruchtfliege verschonte,<br />

späte Süßkirschensorten mit ihren Eiern. Außerdem<br />

befällt sie in geringem Umfang Sauerkirschen,<br />

die bisher ebenfalls von der Europäischen<br />

Kirschfruchtfliege weitgehend gemieden wurden.<br />

Auch Pfirsich und Pflaume verschmäht sie nicht.<br />

Bisher trat sie in Baden-Württemberg nur in geringerem<br />

Umfang in Erscheinung (DAHLBENDER<br />

2006).<br />

Die Zitronenblattlaus (Aphis spiraecola) tritt seit<br />

2001 im Apfelanbau in Baden-Württemberg schädigend<br />

auf. Die Blattlaus ist resistent gegen viele<br />

Pflanzenschutzmittel und deshalb chemisch nur<br />

schwer zu bekämpfen. Bei hoher Befallsdichte<br />

wird sie deshalb im Apfelanbau zu einem Problem.<br />

Sie befällt außerdem weitere Rosaceae wie<br />

Birnen und Zwetschgen und ist auch auf vielen<br />

Wild- und Ziergehölzen wie Spierstaude, Weiß-<br />

dorn, Schwarzdorn, Steinmispeln und Glanzmispel<br />

(Photinia fraseri) zu finden. Nach Angaben von<br />

Obstbauern wird sie effektiv vom Asiatischen<br />

Marienkäfer (Harmonia axyridis) unter Kontrolle<br />

gehalten.<br />

Die Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis pentagona),<br />

eine Deckelschildlaus, ist im Rheintal von Süden<br />

nach Norden gewandert und tritt auch in den<br />

wärmeren Regionen Württembergs auf. Sie besiedelt<br />

besonders Beerenobst, Pfirsich, Flieder sowie<br />

den Gewöhnlichen Trompetenbaum (Catalpa bignonioides).<br />

Sie infiziert diese Pflanzen in Baden-<br />

Württemberg seit 1985. Auch sie ist mit breitwirksamen<br />

Insektiziden kaum zu bekämpfen. Im<br />

Haus- und Kleingarten sollte sie im Frühjahr und<br />

Frühsommer mit dem Hochdruckreiniger vorsichtig<br />

von den Bäumen gewaschen werden. Eine<br />

Anwendung von Mineralöl- oder Rapsöl-Präparaten<br />

im Herbst reduziert den Befall zusätzlich.<br />

Der Schnellkäfer (Agriotes sordidus) wurde bis<br />

2006 im Rheintal nur in wenigen Exemplaren gefunden.<br />

In der Nähe von Breisach und Freiburg<br />

am Oberrhein und auch weiter nördlich verursachen<br />

seine Larven, die Drahtwürmer, in Zwiebelbeständen,<br />

im Kartoffelanbau, auf Wiesen und in<br />

Getreideschlägen wie Mais und Winterweizen seit<br />

2006 örtlich starke Schäden. Im Bereich der geschädigten<br />

Kulturen wurden die Käfermännchen<br />

zu Hunderten in spezielle Pheromonfallen gelockt<br />

(SCHNELLER und ALBERT 2010). In Italien und teilweise<br />

auch in Südfrankreich ist das Tier einer der<br />

Hauptschädlinge in vielen Kulturen. Insgesamt<br />

nehmen die Schäden an Kulturpflanzen wie Kartoffel,<br />

Zwiebel und Lauch durch Drahtwurmbefall<br />

in Baden-Württemberg deutlich zu. Eine Bekämpfung<br />

der Drahtwürmer in Getreide und Mais<br />

ist aufgrund eines Beizverbotes der Saaten zurzeit<br />

nicht möglich.<br />

60 Landinfo 4 | 2013


Pflanzen- und Tierproduktion<br />

Wohnungen ein. Normalerweise überwintern sie<br />

unter abgelöster Rinde und in Ritzen in Baumnähe.<br />

Die orange-roten Larven sind besonders auffällig.<br />

Seit spätestens 2009 ist sie auch im württembergischen<br />

Landesteil heimisch.<br />

Schnellkäferr<br />

(Agriotes<br />

sordidus)<br />

num, Syringa, Ligustrum, Callicarpa bodinieri, Dahlia<br />

und Danae. Die Wirtspalette des mit 0,5 bis 1,0 cm<br />

recht kleinen O. smreczynskii ist noch umfangreicher,<br />

bevorzugt werden aber Liguster und Flieder.<br />

O. crataegi findet man an Thuja-, Ligustrum-, Lonicera-<br />

und Cotoneaster-Arten. O. armadillo konnte<br />

mehrfach im nördlichen Württemberg und in der<br />

Rheinebene gefunden werden.<br />

Der Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera)<br />

ist ein sehr polyphager Wanderfalter. Er nutzt 170<br />

Pflanzenarten <strong>als</strong> Nahrungspflanzen und erscheint<br />

regelmäßig in größeren Zahlen Ende Juli/<br />

Anfang August in Baden-Württemberg. Bisher<br />

wurde hier keine Überwinterung festgestellt. Im<br />

warmen Frühjahr 2007 zeigten sich die ersten Falter<br />

schon im April. Wegen des frühen Erscheinens<br />

der Falter traten in dem Jahr Schäden verstärkt auf.<br />

Die Raupen des Falters bevorzugen in Deutschland<br />

hauptsächlich Mais, Rosen, Süßmais, Tabak<br />

und Tomaten. Sie fressen an den Blättern, Samen<br />

oder höhlen die Früchte und Blüten aus, sodass sie<br />

nicht mehr verkauft werden können. Es wurden<br />

auch schon Raupen auf Importkräutern aus Italien<br />

unabsichtlich nach Deutschland verbracht.<br />

Die Malven- oder Lindenwanze (Oxycarenus lavaterae)<br />

tritt an Linden und Malven in vielen wärmeren<br />

Gebieten in Baden-Württemberg auf. Sie hat<br />

eine ursprünglich westmediterrane Verbreitung.<br />

Die Wanze, die eigentlich kein Schädling ist, trat<br />

2004 in Lörrach, Grenzach-Whylen und Weil am<br />

Rhein erstm<strong>als</strong> auf (BILLEN 2004). Genau wie die<br />

Platanengitterwanze Corythucha ciliata kam die<br />

Wanze über die Schweiz nach Deutschland (HOF-<br />

MANN 2002, 2003). Sie saugt an allen Organen der<br />

Malve und an Blättern, unverholzten Trieben und<br />

unreifen Samen der Linde. Wegen ihrer starken<br />

Vermehrung (mittlere Eizahl der Weibchen ca.<br />

290 Eier) und ihres Aggregationsverhaltens<br />

abends sowie besonders im Frühjahr und Herbst<br />

ist sie ein sehr auffälliges Tier. Die Tiere treffen<br />

sich dann zu Tausenden auf den Stämmen der<br />

Linden und dringen zur Überwinterung auch in<br />

Schon 10 Jahre früher wurde in Heilbronn die<br />

Platanenwanze (Arocatus longiceps) gefunden. Sie<br />

ist ebenfalls kein Schädling, erschreckt aber bei<br />

Massenauftreten auf den Stämmen die Bevölkerung<br />

und dringt ebenfalls in Häuser ein. Sie hat<br />

sich mittlerweile in vielen Ländern in Deutschland<br />

etabliert. Sie wird häufig mit der verwandten einheimischen<br />

Art Arocatus roeseli verwechselt.<br />

Beurteilung der Invasionen<br />

Die Liste der invasiven Arten ließe sich noch beliebig<br />

fortführen. Dass die vorgestellten „neuen“<br />

Schädlinge nur die sichtbare Spitze des Eisbergs<br />

sind, wird in einem weiteren Beitrag in der Landinfo<br />

dargestellt. Es wurden hier nur wenige Beispiele<br />

für die zunehmende Besiedlung Baden-<br />

Württembergs durch invasive Insekten- und Milben-Arten<br />

aufgeführt. Es handelt sich natürlich<br />

nicht nur um ein baden-württembergisches Problem.<br />

Beobachten wir gerade einen natürlichen<br />

Vorgang, nämlich die kontinuierliche Wiederbesiedlung<br />

Mitteleuropas nach der Klimakatastrophe<br />

der letzten Eiszeit oder ist die Insektenproblematik<br />

(inklusive Milbenproblematik) ein neuartiges<br />

Phänomen? Ist es ausschließlich auf den internationalen<br />

Warenaustausch oder die<br />

mittlerweile allseits anerkannte globale Erwärmung<br />

zurückzuführen? Man kann wohl annehmen,<br />

dass es von allem etwas ist. Ein deutlicher<br />

Hinweis auf den Anteil der globalen Erwärmung<br />

<strong>als</strong> wichtigste Ursache ist, dass auch schon lange<br />

in Baden-Württemberg etablierte Schädlinge wie<br />

der Maiszünsler, der Apfelwickler und andere<br />

Wicklerarten im Obstbau sowie verschiedene Tagfalter<br />

mit veränderter Biologie den sich ändernden<br />

Umweltbedingungen Rechnung tragen. Sie werden<br />

immer früher im Jahr aktiv, breiten sich weiter<br />

aus und durchlaufen wie der Maiszünsler und einige<br />

Tagfalterarten in einzelnen Gebieten sogar<br />

zusätzliche Generationen im Jahr. Die Schäden an<br />

landwirtschaftlichen Kulturen können sich dadurch<br />

deutlich verstärken.<br />

Hinweis<br />

Das Literaturverzeichnis ist beim Autor<br />

erhältlich. •<br />

Dr. Reinhard Albert<br />

Asperg<br />

Tel. 07141/ 65410<br />

reinhard.dr.albert@gmail.<br />

com<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

61


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Dr. Henriette Gruber, Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer<br />

Mit „Bacchus“ gegen Rebkrankheiten<br />

und für nachhaltigen Weinbau<br />

Im Interreg-Projekt „Bacchus“ kooperieren 13 Forschungseinrichtungen aus drei Ländern<br />

Der Winzer ist in seiner Arbeit stark von der Natur abhängig. Die klimatischen Bedingungen im<br />

Weinjahr 2012 am Oberrhein förderten die Pilzkrankheit Peronospora, gegen die der Winzer allerdings<br />

vorgehen kann. Dabei dämmt man die Krankheitssymptome ein, ohne jedoch die Wirkungsweise der<br />

Krankheitserreger in der Pflanze genauer zu kennen. Seit Jahren gibt es auf beiden Seiten des Rheins<br />

eine wissenschaftlich anspruchsvolle Grundlagen-Forschung zur Biologie dieser Rebkrankheit. Dieses<br />

Wissen über die Lebensweise des Krankheitserregers bietet die Möglichkeit, innovative Verfahren zur<br />

nachhaltigen Bekämpfung der Krankheit zu entwickeln.<br />

Die Abbildung zeigt die<br />

„Bacchus“-Partner<br />

Dr. Henriette Gruber<br />

WBI Freiburg<br />

Tel. 0761/ 40165172<br />

henriette.gruber@wbi.<br />

bwl.de<br />

Die Kompetenz von 13 Forschungseinrichtungen<br />

aus dem Elsass, der Nordschweiz, Rheinland-Pfalz<br />

und aus Baden wurde im INTERREG-<br />

Projekt ‚Bacchus‘ gebündelt.<br />

Prof. Dr. Hanns-Heinz Kassemeyer und Projektkoordinatorin<br />

Dr. Henriette Gruber vom Staatlichen<br />

Weinbauinstitut (Abteilung Biologie) in Freiburg<br />

koordinieren die Forschungsvorhaben und<br />

fügen die erzielten Forschungsergebnisse zusammen.<br />

Den Forscherinnen und Forschern stehen<br />

3.088.190,00 € bis Dezember 2014 zur Verfügung,<br />

die Hälfte der Summe stammt dabei aus<br />

Fördermitteln des INTERREG IV Programms.<br />

Neben dem f<strong>als</strong>chen Mehltau, der durch die Algenpilzart<br />

Plasmopara viticola hervorgerufen wird,<br />

stehen die pilzlichen Holzkrankheiten wie Esca<br />

oder die virusverursachte Reisigkrankheit im Mittelpunkt<br />

der grenzüberschreitenden Kooperation.<br />

Gegen manche dieser Krankheitserreger gibt es<br />

keine Pflanzenschutzmittel, allerdings weisen bestimmte<br />

Wildrebenarten Resistenzen auf. Könnte<br />

man diese identifizieren und sich zunutze machen?<br />

Was passiert genau in den frühen Stadien<br />

der Infektion und wie könnte man die natürlichen<br />

Resistenzen aktivieren?<br />

„Bacchus soll“, so Projektkoordinatorin Dr. Gruber,<br />

„den Kontakt zwischen den Forschungseinrichtungen<br />

und der Bevölkerung fördern und dabei<br />

ganz konkrete Ergebnisse für die praktische<br />

Arbeit im Weinberg liefern!“ Eine homepage wird<br />

aktuell über den Stand der Forschung Auskunft<br />

geben. Diese wird mit 3 unterschiedlichen Navigationen<br />

ausgestattet sein und gezielt interessierte<br />

Weinkenner, Weinbaupraktiker und Wissenschaftler<br />

ansprechen. Ebenfalls werden hochwertige<br />

Bacchus-Panoramapostkarten auf das Projekt<br />

aufmerksam machen. Die Postkarten geben ungewohnte<br />

Einblicke mit Darstellungen aus der Nano-Welt<br />

der Elektronenmikroskopie, der Mikro-<br />

Welt der Fluoreszenzmikroskopie und der Makro-<br />

Welt der Fotografie.•<br />

62 Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Finanzielle Partner der Einrichtung<br />

Albert-Ludwigs-Universität,<br />

Institut für Biologie (Freiburg),<br />

CNRS - Institut de Biologie Moléculaire des Plantes<br />

(Strasbourg),<br />

Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz,<br />

Abteilung<br />

Phytomedizin (Neustadt a. d. W.),<br />

INRA, UMR 1131 Santé de la Vigne et Qualité du Vin (Colmar),<br />

Julius-Kühn-Institut, Institut für Rebenzüchtung (Siebeldingen),<br />

Karlsruher Institut für Technologie,<br />

Botanisches Institut,<br />

Université de Haute-Alsace, Laboratoire Vigne<br />

Biotechnologies et Environnement (Colmar),<br />

Staatliches Weinbauinstitut, Abt. Biologie (Freiburg)<br />

Weitere beteiligte<br />

Partner<br />

Forschungsanstalt Agroscope<br />

Changins-<br />

Wädenswil,<br />

Forschungsinstitut für<br />

biologischen Landbau (Frick),<br />

Institut Français de la<br />

vigne et du vin (Colmar),<br />

Regierungspräsidium Freiburg,<br />

Zentrum für Mikroskopie der<br />

Universität Basel<br />

Prof. Dr. Hanns-Heinz<br />

Kassemeyer<br />

WBI Freiburg<br />

Tel. 0761/ 40165172<br />

Hanns-Heinz.<br />

Kassemeyer@wbi.bwl.de<br />

Jan Hinrichs-Berger<br />

Zum Auftreten einer „neuen“<br />

Blattfallkrankheit (Marssonina coronaria)<br />

an Apfel in Baden-Württemberg<br />

Im September 2010 kam es in Baden-Württemberg zu einem vorzeitigen<br />

Blattfall von Apfelbäumen in einer biologisch bewirtschafteten Anlage. Die<br />

Bäume waren fast entlaubt, nur die makellosen Früchte hingen noch am<br />

Baum (Abb. 1).<br />

Ein Jahr später war das Schadbild deutlich weiter<br />

verbreitet und trat in verschiedenen Landesteilen<br />

(Heilbronn, Bodensee, Neckarraum)<br />

Baden-Württembergs auf. Betroffen waren vor<br />

allen Dingen Bio-Betriebe, darüber hinaus aber<br />

auch integriert wirtschaftende Betriebe mit einem<br />

reduzierten Fungizideinsatz sowie Streuobst-Bäume<br />

(siehe Abb. 2).<br />

Um die Bedeutung und Verbreitung des Pilzes<br />

besser beurteilen zu können, hat sich das <strong>Landwirtschaft</strong>liche<br />

Technologiezentrum Augustenberg<br />

(LTZ) im Rahmen der Überwachung von<br />

Schaderregern in Baden-Württemberg entschlossen,<br />

im Jahr 2012 ein sogenanntes Monitoring<br />

durchzuführen. Dafür wurde im Heft 8/2012 der<br />

Zeitschrift „Obst & Garten“ um die Einsendung<br />

von Apfel-Blattproben gebeten, die vorzeitig vom<br />

Baum heruntergefallen waren und charakteristische<br />

Symptome aufgewiesen.<br />

Symptome<br />

Die Krankheit beginnt meist nach längeren Regenperioden<br />

im Sommer mit grau-schwarzen, diffusen<br />

Flecken auf der Oberseite voll entwickelter<br />

Blätter (Abb. 3). Die Flecken laufen später zusammen,<br />

und größere Blattbereiche färben sich chlorotisch<br />

(Abb. 4). Alternativ kommt es zu einer<br />

Abbildung. 1<br />

Bäume mit starkem Blattfall<br />

Foto: K. Hinzmann, Beratungsdienst<br />

Ökologischer Obstbau, Weinsberg<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

63


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Abbildung 2<br />

Starke Befall bei Baum aus<br />

Streuobstwiese<br />

Abbildung 3<br />

Diffuse, schwarz-graue<br />

Flecken blattoberseits <strong>als</strong><br />

erste Symptome eines<br />

Marssonina coronaria Befalls<br />

Abbildung 4<br />

Zusammenlaufende,<br />

schwarze Flecken in<br />

chlorotischen Blattbereichen<br />

<strong>als</strong> Folgesymptome eines<br />

Marssonina coronaria Befalls<br />

Abbildung 5<br />

Nekrotische Blattsprenkelung<br />

mit rot violettem Rand vor<br />

allem auf der Blattoberseite<br />

nach einem Marssonina<br />

coronaria-Befall<br />

nekrotischen Sprenkelung des Blattes (Abb. 5),<br />

wobei die einzelnen kleinen Nekrosen von einem<br />

rot-violetten Rand umgeben sind. Auch diese<br />

Blattsprenkel können später zusammenlaufen. In<br />

jedem Fall sind die nekrotischen Flecken blattoberseits<br />

deutlich stärker ausgeprägt <strong>als</strong> blattunterseits<br />

(Abb. 5). Im Bereich der Blattnekrosen<br />

brechen blattoberseits durch die Cuticula kleine,<br />

runde bis ovale, schwarze Fruchtkörper (Acervuli;<br />

Abb. 6). Wenn etwa die Hälfte der Blattfläche verbräunt<br />

ist, was bereits zwei Wochen nach dem<br />

Auftreten der ersten Symptome sein kann, kommt<br />

es zum Blattfall. Bei der Auslagerung wurden im<br />

Frühjahr 2013 an Einzelfrüchten eingesunkene,<br />

runde (bis 1 cm Durchmesser), schwarze Flecken<br />

mit sporulierenden Acervuli gefunden (Abb. 7).<br />

64 Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Abbildung 6<br />

runde bis ovale Fruchtkörper<br />

(Acervuli) blattoberseits, oft<br />

in Ketten aneinandergereit<br />

Abbildung 7<br />

Fruchtnekrose mit Acervuli<br />

Zu einem Fruchtbefall kommt es nach Literaturangaben<br />

nur bei starkem Blattbefall. Die in den<br />

Acervuli gebildeten Konidien sind zweizellig und<br />

haben eine mittlere Größe von 20 x 8 μm. Die<br />

Zellen sind mit kleinen Öltröpfchen gefüllt. Die<br />

gemeinsame Zellwand (Septum) liegt meist nicht<br />

genau in der Mitte und die äußere Zellwand ist in<br />

diesem Bereich eingeschnürt (Abb. 8). Gegen Ende<br />

der Vegetationsperiode werden neben diesen<br />

Konidien zusätzlich zahlreiche, kleine, längliche<br />

(4-8 x 1-3 μm), einzellige, hyaline Spermatien (Mikrokonidien)<br />

gebildet, die vermutlich für die weitere<br />

sexuelle Entwicklung des Pilzes erforderlich<br />

sind (Abb. 9). Der Pilz wurde <strong>als</strong> Art Marssonina<br />

coronaria (ELLIS & J. J. DAVIS) J. J. Davis mit der<br />

Hauptfruchtform Diplocarpon mali Harada & Sawamura<br />

identifiziert.<br />

Epidemiologie<br />

Marssonina coronaria überwintert, wie auch die<br />

Marssonina-Blattfleckenkrankheit der Walnuss,<br />

im Falllaub. Zum Zeitpunkt der Apfelblüte werden<br />

nach Literaturangaben erste Ascosporen gefunden,<br />

die auf Apothecien (sexuelle Fruchtkörper)<br />

im Falllaub gebildet wurden. Sowohl die Ascosporen<br />

<strong>als</strong> auch die Konidien infizieren vor allem<br />

voll entwickelte Blätter. Für die Infektion<br />

scheinen eine relativ lange Blattnässedauer und<br />

recht hohe Temperaturen (20 - 25 °C) erforderlich<br />

zu sein. Der Befall wird somit durch subtropische<br />

Bedingungen, wie sie im Zuge des Klimawandels<br />

künftig zu erwarten sind, begünstigt. Als Wirtspflanze<br />

wurde bisher nur die Gattung Malus beschrieben.<br />

Eine stärkere Verbreitung hat der Pilz<br />

offensichtlich im asiatischen Bereich (Indien, China,<br />

Korea, Japan). Für Europa wurde 2003 ein<br />

erstes Krankheitsauftreten in Italien berichtet.<br />

Verbreitung<br />

Bis Ende Oktober 2012 hat das LTZ im Rahmen<br />

des Leseraufrufs 72 Probeneinsendungen erhalten.<br />

Davon kamen 10 Einsendungen außerhalb<br />

von Baden-Württemberg. Außer Blättern von Apfel<br />

wurden auch Birnen-, Quitten- und Zwetsch-<br />

Abbildung 8<br />

Konidien von Marssonina<br />

coronaria<br />

Abbildung 9<br />

Aus Acervulus ausgetretene<br />

Konidien und Spermatien<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

65


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Abbildung 10<br />

Verbreitungsgebiet von<br />

Marssonina coronaria in<br />

Baden-Württemberg auf<br />

Landkreisebene. Die<br />

Landkreise, in denen der<br />

Schaderreger an wenigstens<br />

einer Probe nachgewiesen<br />

wurde, sind rot eingefärbt.<br />

Die Angaben in Klammern<br />

unter den Kreisnamen<br />

geben die Anzahl befallener<br />

Proben und die Anzahl<br />

untersuchter Proben an. Aus<br />

grün gefärbten Landkreisen<br />

wurden Proben eingesandt,<br />

an denen M. coronaria nicht<br />

nachweisbar war. Kreise,<br />

aus denen keine Proben zur<br />

Untersuchung kamen, sind<br />

weiß dargestellt.<br />

Betrachtet man das Auftreten von M. coronaria in<br />

Abhängigkeit von der Anbauintensität (Abb. 11),<br />

so fällt auf, dass über 85 % der Einsendungen, in<br />

denen der Schaderreger nachgewiesen worden ist,<br />

aus Haus- und Kleingärten sowie von Streuobstwiesen<br />

kamen. Dort stehen mutmaßlich vor allem<br />

Bäume, an denen kein gezielter Pflanzenschutz<br />

durchgeführt wurde. In biologisch bzw. integriert<br />

bewirtschafteten Anlagen scheint der Schaderreger<br />

hingegen zumindest derzeit keine größeren<br />

Probleme zu bereiten. Das deckt sich mit den Begenblätter<br />

eingesandt, die ebenfalls vorzeitig vom<br />

Baum gefallen waren und verdächtige Symptome<br />

aufwiesen (Abb. 1-6).<br />

Von den zehn Einsendungen außerhalb von Baden-Württemberg<br />

war M. coronaria in einer Apfelblattprobe<br />

aus Hessen (Lahn-Dill-Kreis) nachweisbar.<br />

Hingegen war dieser Schaderreger nicht<br />

an den eingesandten Blättern von Birne, Quitte<br />

und Zwetschge zu identifizieren.<br />

Insgesamt trat der Erreger der Blattfallkrankheit<br />

an 37 von den eingesandten 72 Proben auf. In<br />

Abbildung 10 sind die Landkreise rot eingefärbt,<br />

in denen M. coronaria nachgewiesen wurde. Leider<br />

hat das LTZ aus vielen Landkreisen keine Proben<br />

erhalten, sodass die Verbreitungskarte noch einige<br />

Lücken aufweist. Auch wenn der Schaderreger<br />

bislang vor allem im Westen<br />

und Südwesten bzw. Osten und Südosten<br />

gefunden wurde, ist mit einer flächendeckenden<br />

Verbreitung des Pilzes<br />

im Lande zu rechnen.<br />

Wenn der Blattfall nicht auf eine Infektion<br />

mit M. coronaria zurückzuführen<br />

war, ließ er sich in den allermeisten Fällen<br />

auf eine starke Besiedlung mit<br />

Spinnmilben oder einen Befall mit pilzlichen<br />

Schaderregern aus den Gattungen<br />

Alternaria, Phyllosticta, Diplodia und/<br />

oder Venturia (Schorf) zurückführen.<br />

M. coronaria trat an einem breiten Sortenspektrum<br />

auf. So war der Pilz im<br />

Rahmen dieses kleinen Monitorings an<br />

20 verschiedenen Apfelsorten nachweisbar.<br />

Darüber hinaus sind in der<br />

Literatur weitere bedeutende Sorten<br />

beschrieben, an denen er ebenfalls zu<br />

Schäden führt (Tab. 1). Außerdem wurde<br />

der Schaderreger auch an einer nicht<br />

näher bestimmten Wildapfel-Form diagnostiziert,<br />

die in einer Hecke neben einer stark<br />

befallenen Anlage stand. Aus der Literatur sind<br />

derzeit fünf Sorten bekannt, die nicht befallen<br />

werden sollen. Darunter befindet sich <strong>als</strong> bekannte<br />

Sorte „Granny Smith“.<br />

In Baden-Württemberg betroffene Sorten<br />

Weltweit betroffene Sorten<br />

Tabelle 1<br />

Von einem Marssonina-Befall<br />

betroffene Apfelsorten<br />

Berlepsch, Brettacher, Cox Orange, Florina,<br />

Gewürzluiken, Gloster, Golden Delicious,<br />

Gravensteiner, Hilde, Jakob Fischer,<br />

James Grieve, Jonagold, Melrose,<br />

Oberländer, Reglindis, Rewena, Rubinola,<br />

Schöner von Boskoop, Topaz<br />

Braeburn, Dalinbel, Fuji, Hana, Jonagored<br />

66 Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

3<br />

8<br />

3<br />

24<br />

16<br />

38<br />

Abbildung 11<br />

Auftreten [%] von Marssonina<br />

coronaria in Abhängigkeit<br />

von der Anbauintensität<br />

62<br />

Kleingarten<br />

Streuobst<br />

Bio-Anlage<br />

integrierte Anlage<br />

keine Angaben<br />

30<br />

8<br />

2012<br />

2011<br />

2010<br />

vor 2010<br />

keine Angaben<br />

8<br />

Abbildung 12<br />

Erstauftreten [%] von allen 37<br />

im Rahmen des Monitorings<br />

nachgewiesenen Vorkommen<br />

von Marssonina coronaria in<br />

Abhängigkeit vom Jahr<br />

obachtungen von Obstbauberatern in Baden-<br />

Württemberg. Somit hatten wahrscheinlich die<br />

Fungizide (z. B. zur Schorfbekämpfung), die in<br />

den biologisch beziehungsweise integriert bewirtschafteten<br />

Anlagen eingesetzt worden waren, eine<br />

gute Nebenwirkung gegen M. coronaria.<br />

Bei der Befragung, wann der durch den Marssonina-Befall<br />

ausgelöste, vorzeitige Blattfall erstmalig<br />

beobachtet wurde, gaben 30 % der Einsender an,<br />

dass der Blattfall schon vor 2010 beobachtet worden<br />

ist (Abb. 12). In knapp 40 % der Fälle wurde<br />

diese Krankheitserscheinung jedoch im Jahr 2012<br />

erstmalig registriert. Aufgrund dieser Beobachtungen<br />

ist davon auszugehen, dass der Schaderreger<br />

in Baden-Württemberg nicht „neu“, sondern<br />

wahrscheinlich schon länger etabliert ist. Die starke<br />

Zunahme des Auftretens im Jahr 2012 mag mit<br />

den Witterungsbedingungen zu tun haben. So gilt<br />

der Pilz <strong>als</strong> wärme- und feuchtigkeitsliebend. Die<br />

Sommer 2010, 2011 und 2012 waren durch relativ<br />

warme Temperaturen und durch viele Niederschläge<br />

mit entsprechend langen Blattnässedauern<br />

charakterisiert. Das kann die Schadensentwicklung<br />

begünstigt haben. Somit bleibt zu hoffen,<br />

dass in Jahren mit kühlen und/oder trockenen<br />

Sommern das Schadauftreten wieder zurückgeht.<br />

Bekämpfung<br />

Durch den vorzeitigen Blattfall werden die Früchte<br />

und, was noch viel problematischer ist, die für<br />

den Austrieb im nächsten Jahr sich entwickelnden<br />

Knospen nicht ausreichend mit Assimilaten versorgt.<br />

Damit sind Blüte und Fruchtansatz im<br />

nächsten Jahr in Gefahr. Es gilt <strong>als</strong>o durch eine<br />

Bekämpfung des Schadpilzes einen vorzeitigen<br />

Blattfall zu verhindern.<br />

In jedem Fall ist es sinnvoll das Falllaub, in dem<br />

der Pilz die Vegetationsruhe überdauert, bis zum<br />

Austrieb der Bäume zu entfernen. Durch Ausschneiden<br />

ist darüber hinaus für eine bessere<br />

Durchlüftung des Baumes zu sorgen. Bei einem<br />

beginnenden Befall sollte man daran denken, den<br />

Schorf mit geeigneten Fungiziden zu bekämpfen,<br />

um auf diese Weise auch die Marssonina-Blattfallkrankheit<br />

in den Griff zu bekommen. Langfristig<br />

sollte man an die Resistenzzüchtung denken.<br />

Fazit<br />

Möglicherweise im Zuge des Klimawandels ist in<br />

den letzten Jahren mit Marssonina coronaria ein<br />

„neuer“ Krankheitserreger im Apfelanbau Süddeutschlands<br />

aufgetreten. Diesen Schaderreger<br />

gilt es in den nächsten Jahren im Auge zu behalten,<br />

um etwaigen Verlusten vorbeugen zu können.<br />

Dank<br />

Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen Frau<br />

Gabriele Müller und Frau Sara Brüstle für die exzellente<br />

technische Assistenz. Ein herzlicher Dank<br />

gilt weiterhin Frau Anne Bohr vom Ökologischen<br />

Versuchswesen des Kompetenzzentrums für<br />

Obstbau Bodensee in Ravensburg-Bavendorf für<br />

die Bereitstellung von umfangreichen Probenmaterial<br />

und Frau Katja Hinzmann vom Beratungsdienst<br />

Ökologischer Obstbau in Weinsberg für<br />

Blattproben und Fotos. •<br />

Jan Hinrichs-Berger<br />

LTZ Augustenberg<br />

Tel. 0721/ 9468-428<br />

Jan.Hinrichs-Berger@ltz.<br />

bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

67


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Salatanbau auf der Insel<br />

Reichenau<br />

Bild: S. Mezger<br />

Christoph Hintze<br />

Orientierungsdaten Gartenbau Baden-Württemberg 2013<br />

Die knapp 90 identischen Zierpflanzenbaubetriebe aus Baden-Württemberg erzielten im Jahr 2012<br />

im dreijährigen Vergleich einen durchschnittlichen Gewinn. Sowohl die betrieblichen Umsätze <strong>als</strong><br />

auch die Aufwändungen stiegen in etwa gleichem Maße.<br />

Zierpflanzenbau Indirekter Absatz<br />

Der Gewinn der 38 ausgewerteten indirekt absetzenden<br />

Zierpflanzenbaubetriebe fiel<br />

durchgegenüber dem Jahr 2011 deutlich ab.<br />

Hauptgrund sind die bei nur leicht gestiegenen<br />

Umsätzen um sechs Prozentpunkte gestiegenen<br />

betrieblichen Aufwändungen. Bei für eine Familien-Arbeitskraft<br />

angenommenen 2.500 Arbeitsstunden<br />

pro Jahr kommen die Betriebe im Durchschnitt<br />

auf eine Entlohnung von etwas über 25,00<br />

Euro pro Arbeitsstunde. Nimmt man die 2012er<br />

Aufwändungen der 38 indirekt absetzenden Zierpflanzenbaubetriebe<br />

näher unter die Lupe, fällt<br />

gegenüber dem Vorjahr vor allem der pro qm<br />

Glasfläche um 14 Prozent deutliche gestiegene<br />

Aufwand für Heizmaterial auf. Während die<br />

Lohnaufwändungen pro qm um zwei Prozent zulegten,<br />

sank der Aufwand für Saat- und Pflanzgut<br />

pro qm um drei Prozent. Auffallend sind die über<br />

die vergangenen Jahre deutlich zurückgehenden<br />

Aufwändungen für Handelsware.<br />

Die Löhne sind für die produzierenden Zierpflanzenbaubetriebe<br />

der größte Aufwandsposten. Da-<br />

her müssen die Betriebe ihre durchschnittlich acht<br />

Arbeitskräfte produktiv einsetzen. Dies gelang in<br />

2012 weniger gut <strong>als</strong> im Vorjahr. Die Nettoarbeitsproduktivität<br />

erreichte trotz gestiegener Löhne<br />

nur einen Durchschnittswert und fiel geringer aus<br />

<strong>als</strong> im Vorjahr. Dies bewirkte die gegenüber 2012<br />

geringere, im dreijährigen Vergleich durchschnittliche<br />

Rentabilität. Erfreulicherweise sank der Anteil<br />

der Betriebe ohne Kapitalverzinsung (Reinertrag)<br />

auf 41%. Einen solch niedrigen Wert gab es<br />

zuletzt im Jahr 2007.<br />

Der Vergleich der Erfolgsgruppen zeigt, dass in<br />

den erfolgreichen Betriebe des ersten Drittels eine<br />

Arbeitskraft eine Glasfläche von etwas über 1.300<br />

qm bewirtschaftet, während dieser Wert in den<br />

Betrieben des dritten Drittels pro Arbeitskraft nur<br />

826 qm beträgt (Durchschnitt: aus 44 Betrieben<br />

knapp unter 1.000 qm).<br />

Die auf die qm Glasfläche bezogenen Aufwändungen<br />

für Saat- und Pflanzgut liegen bei den erfolgreichen<br />

Betriebe fast doppelt so hoch wie bei<br />

denen des dritten Drittels. Im ersten Drittel entfallen<br />

auf einem Quadratmeter Glasfläche sieb-<br />

68<br />

Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Merkmal<br />

1. Sturkturmerkmale<br />

Untersuchte Betriebe<br />

Betriebsfläche (ha)<br />

Glasfläche (Tsd qm)<br />

Arbeitskräfte<br />

2. Aufwandskennzahlen in<br />

% des Betriebsertrages<br />

Saat- und Pflanzgut<br />

Handelsware und Dienstl.<br />

Fahrzeugkosten, Afa, Reparat.<br />

Zierpflanzenbau<br />

indirekter<br />

Absatz<br />

44<br />

-<br />

8,61<br />

8,64<br />

19,6<br />

3,9<br />

7,6<br />

Gartenund<br />

Landschaftsbau<br />

Einzelhandelsgärtnerei<br />

41<br />

-<br />

2,59<br />

4,81<br />

15,3<br />

22,1<br />

7,4<br />

Gesamt<br />

Gemüsebau<br />

35<br />

19,96<br />

8,77<br />

17,15<br />

12,5<br />

6,5<br />

13,5<br />

Indirekter<br />

Absatz<br />

22<br />

25,57<br />

9,97<br />

23,89<br />

Teilt man die 41 ausgewerteten Zierpflanzenbaubetriebe<br />

mit direktem Absatz in Erfolgsgruppen,<br />

zeigen sich deutliche Größeneffekte, sowohl was<br />

die Glasflächen- <strong>als</strong> auch was die Arbeitskräfteausstattung<br />

angeht. Die Betriebsgrößen-Unter-<br />

Friedhofsgartenbau<br />

Handeslbetriebe<br />

direkter<br />

Absatz<br />

Baumschulen<br />

Lohnquote * 30,6 37,2 33,5 33,4 45,2 27,5 37,8 43,4<br />

Lohn je Fremd-AK (€)<br />

Heizkosten ((€/m 2 Glas)<br />

3. Erfolgskennzahlen<br />

Betriebsertrag (BE) 1.000 €<br />

BE je AK 1.000 €<br />

B.-einkommen je AK 1.000 €<br />

Gewinn in % des BE<br />

Reinertrag in % des BE<br />

22.388<br />

6,56<br />

754,6<br />

87,4<br />

28,1<br />

8,8<br />

1,6<br />

23.376<br />

6,49<br />

371,3<br />

77,2<br />

26,5<br />

11,2<br />

-2,9<br />

15.206<br />

4,83<br />

939,3<br />

54,7<br />

21,6<br />

12,3<br />

5,9<br />

13,2<br />

4,8<br />

13,7<br />

15.161<br />

5,13<br />

1.278,724<br />

53,5<br />

20,8<br />

10,6<br />

5,4<br />

30<br />

-<br />

-<br />

6,39<br />

1,6<br />

30,9<br />

7,5<br />

24.575<br />

-<br />

402,1<br />

63,0<br />

32,0<br />

16,5<br />

5,7<br />

* Lohnquote: Löhne, Gehälter und Lohnanspruch der Unternehmerfamilien in % des Betriebsertrages<br />

76<br />

-<br />

-<br />

6,41<br />

0,6<br />

51,5<br />

5,1<br />

26.558<br />

-<br />

-<br />

728,0<br />

113,6<br />

33,7<br />

7,9<br />

2,1<br />

29<br />

10,55<br />

1,24<br />

7,87<br />

14,1<br />

13,4<br />

8,9<br />

50<br />

-<br />

-<br />

9,55<br />

0,3<br />

27,2<br />

11,9<br />

26.660 29.855<br />

628,6<br />

79,9<br />

33,2<br />

12,6<br />

3,7<br />

717,8<br />

75,1<br />

35,5<br />

10,3<br />

3,8<br />

zehn Euro Lohnaufwand, während dieser Wert im<br />

dritten Drittel auf knapp 18,30 € steigt. Der Aufwand<br />

für Heizmaterial ist im ersten Drittel um<br />

nicht ganz einen Euro niedriger <strong>als</strong> im dritten<br />

Drittel.<br />

Pro Quadratmeter Glasfläche erwirtschaften die<br />

erfolgreichen Betriebe betriebliche Erlöse in Höhe<br />

von 104 Euro, während die weniger erfolgreichen<br />

gerade mal 68 Euro schaffen. Pro Arbeitskraft<br />

sind die Erlöse im ersten Drittel mit etwas<br />

unter 140.000 Euro deutlich mehr <strong>als</strong> doppelt so<br />

hoch <strong>als</strong> im dritten Drittel.<br />

Zierpflanzenbau Direkter Absatz<br />

Der Gewinn der 37 identischen Betriebe stieg gegenüber<br />

dem Jahr 2011 um etwas mehr <strong>als</strong> vierzehn<br />

Prozentpunkte. Bei für eine Familien-Arbeitskraft<br />

angenommenen 2.500 Arbeitsstunden<br />

pro Jahr kommen die Betriebe im Durchschnitt<br />

eine Entlohnung von knapp 17 Euro pro Arbeitsstunde.<br />

Ursache sind die mit etwas unter drei Prozentpunkten<br />

gegenüber den Aufwändungen stärker<br />

angestiegenen betrieblichen Erlöse.<br />

Schaut man sich die Aufwandspositionen näher<br />

an, fällt auf, daß sich die zwei vom Umfang her<br />

wichtigsten Posten gegenüber dem Vorjahr unterschiedlich<br />

entwickelten. Während für die Handelsware<br />

fünf Prozent weniger aufgewendet wurde,<br />

stiegen die Lohnaufwändungen um vier Prozent.<br />

Noch stärker stiegen die Posten Saat- und Pflanzgut<br />

(+ 9 %) und Heizmaterial (+ 11%). Dass sich<br />

der Gewinn dennoch positiv entwickelte, liegt an<br />

der großen Bedeutung der drei Aufwandspositionen<br />

Handelsware, Lohnaufwand und Saat- und<br />

Pflanzgut, die zusammen alleine fast 70 % des<br />

<strong>gesamte</strong>n betrieblichen Aufwands ausmachen.<br />

Während die Bruttoarbeitsproduktivität (Betriebsertrag<br />

pro AK) gegenüber dem Vorjahr um<br />

fast 4 Prozent zulegte, stieg der Nettowert (Betriebseinkommen<br />

pro AK) nur um etwas unter 1<br />

Prozent. Die Bruttoflächenproduktivität stieg um<br />

2,4 Prozent. Der Anteil der Betriebe mit einem<br />

negativen Reinertrag sank auf nunmehr 71 Prozent<br />

(Vorjahr 78 %).<br />

Tabelle 1<br />

Ergebnisse der untersuchten<br />

Betriebe 2012<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

69


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Betriebsform<br />

Zierpflanzenbau insgesamt<br />

darunter mit indirektem Absatz<br />

Einzelhandelsgärtnereien **<br />

Zahl der<br />

Betriebe<br />

Differenz zwischen Betriebseinkommen je AK<br />

und je Lohn je Fremd-AK in €<br />

% Anteil stark<br />

gefährdeter<br />

Betriebe *<br />

2012 2010 2011 2012 2012<br />

89<br />

38<br />

119<br />

4.289<br />

5.031<br />

5.009<br />

Gemüsebau insgesamt 31 6.813 9.041 6.441 20,0<br />

Baumschulen insgesamt 21 7.281 8.161 6.968 24,1<br />

Friedhofsgartenbau 30 9.200 7.597 7.441 16,7<br />

Handelsbetriebe 82 5.198 6.055 8.584 32,5<br />

Garten- und Landschaftsbau 45 4.567 6.050 5.653 6,0<br />

* Betriebe mit Betriebseinkommen je AK unter dem Lohn der Fremd-AK<br />

** Zierpflanzenbau Direkter Absatz, Mehrspartenbetriebe mit überwiegendem Handelsanteil, Handelsbetriebe Direkter Absatz<br />

4.650<br />

7.009<br />

5.033<br />

4.607<br />

5.974<br />

6.180<br />

34,3<br />

27,3<br />

32,3<br />

Tabelle 2<br />

Situation bei der Netto-<br />

Arbeitsproduktivität<br />

(Betriebseinkommen und<br />

Löhne je AK, identische<br />

Betriebe)<br />

Tabelle 3<br />

Anteil Betriebe ohne<br />

Reinertrag in % (Betriebe<br />

ohne Kapitalverzinsung)<br />

schiede zwischen dem ersten und dritten Drittel<br />

sind so deutlich, daß der nachfolgende Vergleich<br />

zwischen dem ersten Drittel und dem arithmetischen<br />

Mittel erfolgt.<br />

Das erste Drittel ist größer <strong>als</strong> das Mittel: Sowohl<br />

hinsichtlich der Glasfläche (3.350 qm zu 2.600<br />

qm) <strong>als</strong> auch der Arbeitskräfte (6 AK zu 4,8 AK).<br />

Das Ergebnis ist ein um fast 70 Prozent höherer<br />

Betriebsertrag im ersten Drittel im Vergleich zum<br />

Mittel. Da die auf die Fläche und die Arbeitskräfte<br />

umgelegten betrieblichen Erträge im ersten<br />

Drittel diejenigen des Mittels um mehr <strong>als</strong> 30%<br />

übersteigen, verbinden sich Produktivitätsunterschiede<br />

mit Größenunterschieden.<br />

Was den auf die Fläche bezogenen Mitteleinsatz<br />

angeht, zeigen sich erneut deutliche Unterschiede<br />

zwischen den Erfolgsgruppen: Bei den drei wichtigsten<br />

Aufwandspositionen (Saat- und Pflanzgut,<br />

Handelsware und Lohnaufwand, jeweils bezogen<br />

auf Einheitsquadratmeter) wirtschaften die erfolgreichen<br />

Betriebe wesentlich intensiver. Die<br />

Werte sind im ersten Drittel zwischen 40 und 50<br />

Prozent höher <strong>als</strong> im Mittel.<br />

Während die Rentabilität des Mittels mit einem<br />

negativen Reinertrag nicht ausreichend ist, reicht<br />

es im ersten Drittel zu einer zweiprozentigen Verzinsung<br />

des eingesetzten Kapit<strong>als</strong>. Die Ergebnisse<br />

des ersten Drittels bieten wichtige Orientierungsdaten,<br />

an denen sich Einzelhandelsgärtnereien<br />

messen können.<br />

Orientierungsdaten für Einzelhandelsgärtnereien:<br />

Betriebsertrag:<br />

Mindestens: 500.000 €, besser 600.000 €<br />

Betriebsertrag pro Arbeitskraft:<br />

Mindestens 100.000 €<br />

Gemüsebau<br />

Die 31 ausgewerteten identischen Gemüsebaubetriebe<br />

hatten in 2012 einen mit 24 Prozent empfindlichen<br />

Gewinnrückgang zu verzeichnen. Im<br />

Branchenvergleich allerdings auf einem recht hohen<br />

Niveau. Ursache sind die mit 7 Prozent im<br />

Vergleich zu den Erlösen (+2 %) deutlich stärker<br />

gestiegenen betrieblichen Aufwändungen.<br />

Betriebsform 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

Zierpflanzenbau insgesamt<br />

darunter indirekter Absatz<br />

Einzelhandelsgärtnereien<br />

Handelsbetriebe direkter Absatz<br />

55<br />

44<br />

63<br />

68<br />

49<br />

32<br />

58<br />

59<br />

49<br />

35<br />

64<br />

66<br />

55<br />

38<br />

71<br />

71<br />

59<br />

47<br />

68<br />

72<br />

58<br />

42<br />

71<br />

69<br />

61<br />

52<br />

71<br />

71<br />

63<br />

27<br />

94<br />

71<br />

60<br />

47<br />

78<br />

67<br />

59<br />

51<br />

73<br />

50<br />

65<br />

49<br />

83<br />

60<br />

63<br />

48<br />

78<br />

66<br />

50<br />

41<br />

71<br />

63<br />

Gemüsebau<br />

Baumschulen<br />

Friedhofsgartenbau<br />

Garten- und Landschaftsbau<br />

49<br />

40<br />

26<br />

48<br />

32<br />

54<br />

11<br />

55<br />

55<br />

40<br />

-<br />

42<br />

47<br />

44<br />

14<br />

37<br />

60<br />

30<br />

21<br />

44<br />

46<br />

56<br />

18<br />

34<br />

30<br />

45<br />

24<br />

25<br />

40<br />

46<br />

10<br />

54<br />

49<br />

40<br />

17<br />

37<br />

39<br />

54<br />

27<br />

43<br />

28<br />

42<br />

14<br />

23<br />

45<br />

42<br />

30<br />

34<br />

40<br />

38<br />

27<br />

40<br />

70 Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Betriebsform<br />

Jahr<br />

AK<br />

BE/AK<br />

( 1000 €)<br />

Betriebseinkommen/AK<br />

Gesamt<br />

(1000 €)<br />

Über Lohn<br />

je Fremd-<br />

AK ( € )<br />

Gewinn<br />

in %<br />

des BE<br />

Reinertrag<br />

in % des<br />

BE<br />

Zierpflanzen insgesamt 2011<br />

2012<br />

6,18<br />

6,70<br />

83,35<br />

87,92<br />

27,63<br />

28,35<br />

4.650<br />

4.607<br />

11,4<br />

9,5<br />

0,0<br />

-0,1<br />

darunter indirekter Absatz 2011<br />

2012<br />

7,92<br />

8,13<br />

88,67<br />

89,69<br />

29,72<br />

28,86<br />

7.009<br />

5.974<br />

12,1<br />

9,7<br />

3,1<br />

1,7<br />

darunter Einzelhandelsgärtnereien 2011<br />

2012<br />

4,44<br />

4,52<br />

77,61<br />

78,29<br />

24,55<br />

26,91<br />

1.709<br />

2.843<br />

11,2<br />

12,0<br />

-4,9<br />

-3,3<br />

Gemüsebau 2011<br />

2012<br />

17,28<br />

18,79<br />

56,32<br />

54,22<br />

24,27<br />

21,54<br />

9.041<br />

6.441<br />

17,0<br />

12,4<br />

10,4<br />

6,2<br />

Baumschulen 2011<br />

2012<br />

8,07<br />

8,51<br />

79,70<br />

81,06<br />

33,61<br />

33,46<br />

8.161<br />

6.968<br />

14,3<br />

13,2<br />

5,8<br />

4,2<br />

Handelsbetriebe 2011<br />

2012<br />

6,40<br />

6,21<br />

122,37<br />

161,06<br />

32,65<br />

35,79<br />

6.055<br />

8.584<br />

6,6<br />

7,2<br />

1,1<br />

1,6<br />

Friedhofsbetriebe 2011<br />

2012<br />

6,04<br />

6,39<br />

64,51<br />

62,97<br />

33,13<br />

32,03<br />

7.597<br />

7.441<br />

16,3<br />

16,5<br />

6,3<br />

5,7<br />

GaLaBau 2011<br />

2012<br />

10,39<br />

10,18<br />

76,89<br />

75,07<br />

36,59<br />

35,72<br />

6.050<br />

5.653<br />

10,3<br />

10,1<br />

4,6<br />

3,9<br />

BE = Betriebsertrag, AK = Arbeitskraft<br />

Der mit Abstand wichtigste Aufwandsposten, der<br />

Lohnaufwand, stieg gegenüber dem Vorjahr um 3<br />

Prozent. Die Lohnaufwändungen pro Arbeitskraft<br />

sanken allerdings um 2,4 Prozent. Die zweitwichtigste<br />

Aufwandsposition für Saat- und Pflanzgut<br />

erhöhte sich um 5,5 Prozent. An dritter Stelle<br />

kommt der Aufwand für Abschreibungen, Reparaturen<br />

und den Fuhrpark. Hier stieg der Wert im<br />

Durchschnitt sogar um 9 Prozent. Für Handelsware<br />

wendeten die Betriebe um 3 Prozent geringere<br />

Werte auf.<br />

Die Brutto-Arbeitsproduktivität sank um 2,4 Prozent.<br />

Vor dem Hintergrund der beschriebenen<br />

Aufwandssteigerungen verwundert es nicht, daß<br />

die Netto-Arbeitsproduktivität sogar um 11 Prozent.absank.<br />

Genau 40 Prozent der ausgewerteten<br />

Betriebe erreichten keine Kapitalverzinsung.<br />

Beim Vergleich zwischen den Erfolgsgruppen von<br />

35 Betrieben fällt im Hinblick auf die Betriebsstruktur<br />

auf, daß die erfolgreichen Betriebe des<br />

ersten Drittels im Vergleich zum dritten Drittel<br />

eine dreimal so große Glasfläche bewirtschaften<br />

aber nur die Hälfte an Arbeitskräften beschäftigen.<br />

Pro Arbeitskraft erreichen sie fast den dreifachen<br />

Wert an betrieblichen Erlösen. Bei der Betrachtung<br />

des betrieblichen Aufwands fällt vor<br />

allem der um das Zweieinalbfache höhere Aufwand<br />

für Heizmaterial auf.<br />

Baumschulen<br />

Die 21 ausgewerteten identischen Baumschulbetriebe<br />

sahen sich im Jahr 2012 mit gegenüber 2011<br />

nicht ganz fünfzehn Prozent geringeren Gewinnen<br />

konfrontiert. Die Ursache liegt in den im Vergleich<br />

zu den Erlösen (+ 1,6 %) stärker gestiegenen<br />

betrieblichen Aufwändungen (+ 5,3 %). Der<br />

mit Abstand wichtigste Aufwandsposten ist der<br />

Lohnaufwand. Dieser stieg in 2012 gegenüber<br />

dem Vorjahr um etwas über drei Prozent. Der<br />

Lohnaufwand pro Arbeitskraft stieg um mehr <strong>als</strong><br />

vier Prozent. Die beiden Aufwandspositionen<br />

Handelsware und Saat- und Pflanzgut stiegen, zusammen<br />

betrachtet, um zwölf Prozent. Der Hintergrund<br />

für diese starke Steigerung dürften strenge<br />

Winterwochen gewesen sein. Die Brutto-Arbeitsproduktivität<br />

(Betriebsertrag pro AK) stieg<br />

zwar um drei Prozent. Allerdings sank der Nettowert<br />

aufgrund der Aufwandssteigerungen um den<br />

gleichen Wert.<br />

Im Mittel der 29 ausgewerteten Baumschulbetriebe<br />

wurde ein Reinertrag von etwas unter vier Prozent<br />

(vom Betriebsertrag) erwirtschaftet. Allerdings<br />

erreichten 38 Prozent der ausgewerteten<br />

Betriebe keinen positiven Reinertrag und somit<br />

keine Kapitalverzinsung. Als Orientierungsgröße<br />

bietet sich der Betriebsertrag pro AK an, der<br />

90.000 € betragen sollte. •<br />

Tabelle 4<br />

Produktivität und Rentabilität<br />

von identischen Betrieben<br />

(Mittelwerte) von 2011 und<br />

2012<br />

Christoph Hintze<br />

LVG Heidelberg<br />

Tel. 06221-7484-11<br />

Christoph.Hintze@lvg.<br />

bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

71


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

Tanja Paeslack<br />

Sommertreffen der Vereine<br />

Netzwerk Kräuter BW e. V. und<br />

Hortus officinarum<br />

Botanische Exkursion zum Bodensee<br />

Am Morgen des 01. Juni 2013 trafen wir uns im malerischen Kesswil/TG (Schweiz) am Bodensee. Hier<br />

begann die Sommerexkursion 2013 für die Mitglieder des Vereins Hortus officinarum und einige Gäste<br />

mit der fünften Mitgliederversammlung des Vereins im Kirchengemeindehaus.<br />

Der Verein freut sich über eine wachsende Mitgliederanzahl<br />

und einen stetigen Ausbau der<br />

Projekte und Aktivitäten. Die Ziele des Vereins<br />

sind die Pflege und Veredelung von wertvollen<br />

genetischen Herkünften, eine wesensgemäße<br />

Heilpflanzenzüchtung unter biologisch-dynamischen<br />

Gesichtspunkten und damit die Sicherung<br />

und Verbesserung der Qualität von pflanzlichen<br />

Arznei- und Körperpflegeprodukten. Neben<br />

Selektionsprojekten, beispielsweise bei Primula<br />

veris L. (Frühlingsschlüsselblume) oder Gentiana<br />

lutea L. (Gelber Enzian), und Inkulturnahmeprojekten,<br />

wie z. B. die Inkulturnahme von Hydrastis<br />

canadensis L. (Kanadische Gelbwurz) wird ein langjähriges<br />

Projekt zur Erhaltung der<br />

Kulturpflanzenvielfalt in Zusammenarbeit mit der<br />

Schweizerischen Kommission zur Erhaltung von<br />

Kulturpflanzen (SKEK) betreut. Langfristiges<br />

Ziel ist die Bereitstellung von Heilpflanzensaatgut<br />

aus wesensgemäßer biologisch-dynamischer<br />

Züchtung, welches in der Zukunft gekennzeichnet<br />

mit dem Hortus-Label erhältlich sein wird.<br />

Nach einem liebevoll zubereiteten Mittagssnack<br />

im Gemeindehaus trafen wir uns mit den Mitgliedern<br />

des Netzwerkes Kräuter BW bei der Ceres<br />

Heilmittel AG in Kesswil/TG, wo pflanzliche Urtinkturen<br />

sowie homöopathische Dilutionen und<br />

Komplexmittel produziert werden. Dabei legt die<br />

Firma großen Wert auf die Schaffung eines<br />

Gleichgewichts zwischen Wirkstoff, Lebensenergie<br />

und Information, den drei Wirkprinzipien einer<br />

ganzheitlichen pflanzlichen Arznei. Geführt<br />

von Matthias Plath, Produktionsleiter Arzneipflanzenanbau<br />

und Rohstoffbeschaffung, sowie<br />

von René Bernet, der aus dem bei der Herstellung<br />

von Urtinkturen anfallenden Heilpflanzentrester<br />

handgeschöpftes Papier herstellt, folgten die Exkursionsteilnehmer<br />

der Heilpflanze auf ihrem faszinierenden<br />

Weg vom Anbau über die Ernte bis<br />

zur aromatischen Urtinktur. Dabei konnte Einblick<br />

in alle Schritte der Produktion von der groben<br />

Zerkleinerung über das Mörsern, die Mazeration<br />

und das Pressen bis hin zur Reifung und<br />

schließlich zur Abfüllung der Urtinktur genommen<br />

werden. Viele Produktionsschritte, wie beispielsweise<br />

die grobe Zerkleinerung der Pflanzen<br />

oder das Rühren des Mazerates werden bei Ceres<br />

von Hand durchgeführt um eine Beeinträchtigung<br />

der biochemischen Wirkprinzipien durch beschleunigende<br />

Technologien bei der industriellen<br />

Verarbeitung zu vermeiden. Ein Highlight war die<br />

„Ceres Mörsermühle“, in welcher die Heilpflanzen<br />

zusammen mit Alkohol fein zerrieben werden<br />

und somit ihre Lebensenergie auf die Flüssigkeit/<br />

72 Landinfo 4 | 2013


Gartenbau und Sonderkulturen<br />

das Extraktionsmittel übertragen. Die Führung<br />

endete mit einer überzeugenden Verkostung der<br />

wunderbar aromatischen Urtinkturen.<br />

Bepackt mit Regenschirmen und wetterfester<br />

Kleidung versammelten wir uns am Nachmittag<br />

zur Führung über die Felder von Samuel Widmer<br />

und Eva Keller. Der 2,2 ha große biologisch-dynamische<br />

Saatgutbetrieb liegt wenige Kilometer südlich<br />

vom Bodensee in Andwil/TG (Schweiz).<br />

Wichtigster Betriebszweig ist der Anbau von zahlreichen<br />

Wildblumenkulturen. Das fertig gereinigte<br />

Wildblumensaatgut wird an die Otto Hauenstein<br />

Samen AG geliefert. Außerdem wachsen hier Gemüsesamen<br />

für die Sativa Rheinau AG und für die<br />

Bingenheimer Saatgut AG. In Zusammenarbeit<br />

mit Kultursaat e. V., Verein zur Züchtungsforschung<br />

und Kulturpflanzenerhaltung auf biologisch-dynamischer<br />

Grundlage, laufen Züchtungsprojekte<br />

an Chicorée und Pastinaken. Einige Heilpflanzen-,<br />

Tee- und Gewürzkräuterkulturen runden<br />

den Anbau ab.<br />

Anschließend wärmten wir uns im Gasthaus Löwen<br />

in Sommeri auf, wo sich die Exkursionsteilnehmer<br />

am indischen Buffet stärken konnten.<br />

Nach dem Essen sprach Frau Dr. med. Edith Jacober-Frischknecht<br />

aus St. Gallen über das berühmte<br />

botanische Lehrgedicht des Reichenauer<br />

Mönchs, Dichters und Botanikers Walahfrid Strabo<br />

(808-849 n. Chr.). Das „Liber de cultura hortorum“<br />

(lat.: „Buch über die Gartenkultur“), auch<br />

bekannt <strong>als</strong> „Hortulus“, entstand im Jahr 827 n.<br />

Chr. und gehört zusammen mit der Landgüterverordnung<br />

von Karl dem Großen „Capitulare de<br />

villis vel curtis imperii“ (812 n. Chr.) zu den bedeutendsten<br />

botanischen Werken des Mittelalters. Es<br />

schildert in eleganten Versen über 20 der wichtigsten<br />

Heilpflanzen des frühen Mittelalters sowie<br />

deren Anbau und Anwendungsmöglichkeiten und<br />

war für Jahrhunderte Grundlage für Kräuter- und<br />

Klostergärten.<br />

Nach einer Übernachtung in verschiedenen Hotels<br />

der Umgebung freuten wir uns am Morgen<br />

des 02. Juni 2013 auf eine Führung mit dem Botaniker<br />

Walter Dietl durch das in Sichtweite der<br />

Insel Reichenau gelegene Gottlieber Ried bei<br />

Gottlieben/TG (397 m NN). In den Schilf- und<br />

Feuchtwiesenzonen finden sich charakteristische<br />

Artenkombinationen mit teils sehr seltenen Arten.<br />

So wachsen im Hochstaudenried (Filipendulion),<br />

welches sich durch nährstoffreiche feucht-nasse<br />

Bedingungen auszeichnet, beispielsweise Valeriana<br />

officinalis L. (Echter Arznei-Baldrian), Iris pseudacorus<br />

L. (Gelbe Schwertlilie, Sumpf-Schwertlilie) und<br />

Filipendula ulmaria L. (Wiesenspierstaude, Mädesüß).<br />

Auf den feucht-wechselnassen und nährstoffarmen<br />

Pfeifengraswiesen (Molinion) konnten<br />

Arten wie beispielsweise Molinia caerulea L.<br />

(Blaues Pfeifengras, Besenried), Sanguisorba officinalis<br />

L. (Großer Wiesenknopf), Iris sibirica L. (Sibirische<br />

Schwertlilie) und Allium suaveolens Jacq.<br />

(Wohlriechender Lauch) bewundert werden. Inspiriert<br />

und von den Eindrücken des Rieds verzaubert<br />

traten die Teilnehmer gegen Mittag den<br />

Heimweg an.<br />

Am 06.12.2013 findet die Wintertagung des Netzwerkes<br />

Kräuter BW in Kooperation mit der Universität<br />

Hohenheim zum Thema „Nachhaltigkeit,<br />

Inkulturnahme und Wildsammlung von Heil-,<br />

Kosmetik- und Gewürzpflanzen“ statt. Mit vielen<br />

interessanten Vorträgen und Best-Practice-Beispielen<br />

ist dieser Tag eine gute Gelegenheit, das<br />

Netzwerk Kräuter BW und seine Aktivitäten näher<br />

kennen zu lernen. •<br />

Kontakt<br />

Für das Netzwerk Kräuter BW: www.netzwerkkraeuter.de,<br />

info@netzwerk-kraeuter.de<br />

Für Hortus officinarum: www.hortus-officinarum.ch,<br />

hortus-officinarum@bluewin.ch<br />

Exkursionsteilnehmer bei der<br />

Besichtigung der Felder von<br />

Samuel Widmer und Eva<br />

Keller<br />

Bild: Michael Straub<br />

Tanja Paeslack<br />

Netzwerk Kräuter BW<br />

Tel. 0176 75583686<br />

tanja.paeslack@<br />

googlemail.com<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

73


Hauswirtschaft und Ernährung<br />

Katharina Janz<br />

Erlebnistag<br />

„Vom Korn zum Brot“<br />

„Mehr Durchblick vom Acker auf den Teller“<br />

Viel los am Blickpunkt-Ernährung-Stand<br />

Bilder: MLR Stuttgart<br />

Brot mit allen Sinnen erleben konnten die Besucher des großen Brot-Erlebnistags der Landesinitiative<br />

Blickpunkt Ernährung am Muttertag in Knittlingen. Der Bauernhof Blanc, die Störrmühle und die<br />

Bäckerei Reinhardt waren Schauplätze des Erlebnistages und boten viel Gelegenheiten zum Schauen,<br />

Spielen, Mitmachen und Genießen.<br />

Angeboten wurden<br />

Brotprüfung,<br />

Schaubacken,<br />

Brotverkostung,<br />

Kinderbackprogramm,<br />

Getreideraten,<br />

Brezelschlingen,<br />

Maschinenausstellungen,<br />

Filmpremiere,<br />

eine Wissensrallye<br />

entlang von QR-<br />

Codes und vieles<br />

mehr. An allen drei<br />

Standorten standen<br />

darüber hinaus die<br />

regionalen Brot-<br />

Köstlichkeiten in ihrer<br />

Vielfalt im Mittel-<br />

Talkrunde „Wertschätzen statt Wegwerfen“ mit C. Rummel,<br />

Prof. Dr. (i. R.) Barbara Methfessel, Johannes Schultheiß, punkt. Die Besucher<br />

Reinhard Hecker (v. links)<br />

kosteten beispielsweise<br />

Brot aus dem<br />

Holzbackofen, „Brot aus der Pfanne“ (KIT) oder<br />

Stockbrot, sie schmeckten die Unterschiede von<br />

Baguette zu Vollkornbrot, von Weizenbrot zu<br />

Emmerbrot, machten einen Pausenbrotcheck<br />

oder speisten leckere Gerichte mit Semmelknödeln<br />

oder überbackenen Brotspezialitäten.<br />

Katharina Janz<br />

MLR Stuttgart<br />

Tel. 0711/ 126 2104<br />

katharina.janz@mlr.bwl.de<br />

„Alle, die regionale Spezialitäten genießen wollen,<br />

werden in handwerklichen Bäckereien fündig. Im<br />

Brotsortiment der Bäckereien spiegeln sich wie bei<br />

kaum einem anderen Lebensmittel die Besonderheiten<br />

und die Vielfalt unserer Regionen wider.<br />

Die Landesinitiative Blickpunkt Ernährung greift<br />

deswegen 2013 und 2014 das Thema Brot in allen<br />

seinen Facetten auf – von der Qualität, der vielseitigen<br />

Verwendung bei allen Mahlzeiten, der Wertschätzung<br />

bis hin zur hauswirtschaftlichen Kom-<br />

petenz und Verbraucherbildung. Damit wollen wir<br />

das wichtige Grundnahrungsmittel Brot wieder<br />

stärker ins Bewusstsein rücken“ sagte der Amtschef<br />

im Ministerium für Ländlichen Raum und<br />

Verbraucherschutz, Ministerialdirektor Wolfgang<br />

Reimer zur Eröffnung.<br />

Auch die Problematik der Lebensmittelverschwendung<br />

stand im Fokus der Begrüßungsworte<br />

und einer Talkrunde am Nachmittag. Die Teilnehmer<br />

aus dem Wirtschafts- und Bildungsbereich<br />

waren sich einig, dass ein gewisses Hintergrundwissen<br />

über Lebensmittel notwendig ist, um<br />

diese wertzuschätzen. Hierfür ist eine systematische<br />

Ernährungsbildung im Kindergarten und in<br />

der Schule ausschlaggebend.<br />

Der Brot-Erlebnistag machte (be)greifbar, wo die<br />

Zutaten für gutes Brot herkommen, wie sie verarbeitet<br />

werden und wie Brot gebacken wird. Die<br />

Besucher holten sich z. B. mit Broschüren oder<br />

Informationsrezeptkarten der Landesinitiative<br />

Blickpunkt Ernährung viele Anregungen mit nach<br />

Hause.<br />

Für alle, die am Brot-Erlebnistag nicht teilnehmen<br />

konnten oder ihr Wissen weiter vertiefen möchten,<br />

gibt es über die 35 Landratsämter und vier<br />

Ernährungszentren weitere Workshops, Aktionen<br />

und Projekte für Jung und Alt: Exkursionen zu<br />

Landwirten, Mühlen oder Bäckereibetrieben,<br />

Back- und Kochworkshops mit neuen leckeren<br />

Gerichten, Informationen über die zahlreichen<br />

Brotsorten und Erkennungsmerkmale für deren<br />

Qualität, kulinarische Events für Genießer und -<br />

ganz neu - Geocaching-Routen für Jugendliche<br />

(www.ernaehrung-bw.info). •<br />

74<br />

Landinfo 4 | 2013


Hauswirtschaft und Ernährung<br />

Monika Radke<br />

Nachhaltige Ernährung in der Praxis - neue landesweite<br />

Bildungsangebote<br />

Nachhaltigkeit ist heute in aller Munde, leider oft nicht im tatsächlichen Sinn des Wortes. Damit sich<br />

das ändert, haben das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Landesanstalt für<br />

Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der Ländlichen Räume, Schwäbisch Gmünd und die<br />

Ernährungszentren für die Landesinitiative Blickpunkt Ernährung drei praxisnahe attraktive<br />

Bildungsangebote entwickelt. Sie werden landesweit über die Landratsämter und die Volkshochschulen<br />

angeboten. Zusätzlich helfen Leitfäden mit Checklisten bei der Planung von Workshops und bei der<br />

Ausschreibung von Verpflegung bei Veranstaltungen. Das Motto: „Ein bisschen nachhaltig kann jeder“.<br />

Der Begriff „Nachhaltige Ernährung“ ist abstrakt<br />

und viele Verbraucher können damit<br />

weniger anfangen. Anschaulicher wird es, wenn<br />

man Assoziationen aufzählt, die den großen Bogen<br />

dieses Themas abbilden: Wertschätzung von<br />

Produkten aus der Region, Essen nach der Jahreszeit,<br />

Genuss, reichlich frisches Obst und Gemüse,<br />

Lebensmittelreste verarbeiten und nicht wegwerfen,<br />

weniger Fleisch, Vorratshaltung, Fair Trade<br />

unterstützen… Vieles davon lässt sich im Alltag in<br />

jedem Haushalt umsetzen.<br />

Die ernährungs- und hauswirtschaftlichen Fachkräfte<br />

der Landratsämter sind Experten für diese<br />

Themen. „Nachhaltigkeit ist in unseren Veranstaltungen<br />

immer schon unser Thema und wir bauen<br />

diesen Aspekt derzeit aus,“ so der Tenor bei einer<br />

Umfrage nach Aktivitäten in diesem Bereich. Die<br />

große Kompetenz für nachhaltige Ernährung<br />

wird jetzt mit landesweit verfügbaren Angeboten<br />

deutlicher nach außen getragen. Eine Arbeitsgruppe<br />

des Referats Ernährung im MLR, der LEL<br />

Schwäbisch Gmünd und den vier Ernährungszentren<br />

konzipierte drei Veranstaltungen zur nachhaltigen<br />

Ernährung und griff dabei auf Anregungen<br />

der Landratsämter und/oder der Ernährungszentren<br />

zurück. Das gemeinsame Merkmal: Alle Angebote<br />

führen den Begriff nicht im Titel und wollen<br />

kein schlechtes Gewissen machen! Denn nachhaltige<br />

Ernährung ist zwar aktuell, aber (noch)<br />

nicht „sexy“.<br />

Aus dem großen Pool der Ernährungsmultiplikatorinnen<br />

des MLR qualifizierten sich über 30 Referentinnen<br />

zu diesen speziellen Angeboten. Ab<br />

sofort können sie Verbrauchern und Verbraucherinnen<br />

in ganz Baden-Württemberg nachhaltige<br />

Ernährung ganz anschaulich nahe bringen - im<br />

Bildungsprogramm der Landratsämter, aber auch<br />

bei den Volkshochschulen oder anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen.<br />

CO 2<br />

-Diät – Essen für das Klima<br />

Als Überblick über das große Thema Klimaschutz<br />

beim Essen gibt es den Vortrag „CO 2<br />

-Diät – Essen<br />

für das Klima“. Er ist modulartig aufgebaut<br />

und kann <strong>als</strong> Einzelveranstaltung, aber auch <strong>als</strong><br />

Einstieg bei einer ganzen Veranstaltungsreihe genutzt<br />

werden. Statt Kalorien zählt bei dieser Diät<br />

das Kohlendioxid, das bei Erzeugung und Transport<br />

der Lebensmittel in die Luft geblasen wird.<br />

Es geht darum, den Zusammenhang zwischen<br />

Ernährung und Klima darzustellen und den Verbrauchern<br />

Möglichkeiten aufzuzeigen, im Alltag<br />

beim Essen und Einkaufen das Klima zu schonen.<br />

Kochen mit frischen<br />

Lebensmitteln der Saison -<br />

ein Beitrag zum Klimaschutz,<br />

der schmeckt<br />

Foto: A. Huerta<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

75


Hauswirtschaft und Ernährung<br />

wusst, dass unser Einfluss auf die Klimabilanz vor<br />

allem beim Einkauf riesig ist? Die CO 2<br />

-Emissionen<br />

durch eine Einkaufsfahrt mit dem Auto können<br />

höher sein <strong>als</strong> diejenigen durch landwirtschaftliche<br />

Produktion, Transport und Verteilung<br />

im Handel zusammen. Das Kilogramm Bio-Äpfel<br />

vom Hofladen in etlichen Kilometern Entfernung<br />

erscheint dadurch in einem ganz anderen Licht.<br />

Essen und Trinken sind für<br />

20 % der Klimabelastung<br />

verantwortlich<br />

links:<br />

Frisches aus dem<br />

Gemüseland<br />

Baden-Württemberg<br />

(Foto: Annette Sammet-Volzer)<br />

rechts:<br />

Fast wie im TV: Wie mache<br />

ich aus diesen Lebensmitteln<br />

etwas Leckeres?<br />

(Foto: Ilse Hille)<br />

Was oft unterschätzt wird: Essen und Trinken sind<br />

für 20 Prozent der Klimabelastung verantwortlich.<br />

Die Ernährung zählt damit neben der Energievergeudung,<br />

der Luftverschmutzung und der Belastung<br />

durch den Autoverkehr zu den vier großen<br />

Verursachern der Klimabelastung. Anschaulich<br />

erklärt der Vortrag die Auswirkungen des globalen<br />

Klimawandels, den Anstieg der Durchschnittstemperatur,<br />

den Ausstoß der verschiedenen Treibhausgase<br />

und den CO 2<br />

-Fußabdruck. Praktische<br />

Vorschläge zum klimafreundlichen Essen sind der<br />

Hauptteil des Vortrags. Eine Fülle von Beispielen<br />

macht deutlich, dass jeder in seinem Haushalt etwas<br />

tun kann, z.B. mehr pflanzliche Lebensmittel<br />

essen <strong>als</strong> bisher, regionale Produkte der Saison<br />

bevorzugen, beim Kochen auf die Nutzung energieeffizienter<br />

Geräte achten oder Lebensmittelreste<br />

sinnvoll verwerten. Die Tipps zeigen, dass man<br />

mit seinem Ernährungsstil genießen, etwas für<br />

seine Gesundheit tun und gleichzeitig zum Klimaschutz<br />

beitragen kann. Viele verblüffende Erkenntnisse<br />

erwarten die Zuhörer. Hätten Sie ge-<br />

Den Landkreis genießen<br />

Wer einen praktischen Ernährungskurs in seiner<br />

Freizeit besucht, will etwas Neues kennen lernen,<br />

Lebensmittel und Speisen genießen und gemeinsam<br />

mit Anderen einen entspannten Abend/<br />

Nachmittag erleben. Diese Erwartung erfüllt der<br />

neue Workshop rund um frische Lebensmittel aus<br />

der Region „Den Landkreis [Name] genießen“.<br />

Schon im Titel wird der Kreis genannt, so dass der<br />

regionale Bezug sofort ins Auge fällt. Jeder Kreis<br />

in Baden-Württemberg hat Spezialitäten, die in<br />

den Mittelpunkt des Workshops gestellt werden<br />

können, seien es die Streuobstwiesen, der Wein,<br />

Spargel, besonders hochwertiges Fleisch, eine Forellenzucht<br />

oder eine Käserei. Der Untertitel weist<br />

möglichst appetitanregend darauf hin, z.B. Beerenträume,<br />

Forellen zum Anbeißen. So ist auch<br />

eine ganze Veranstaltungsreihe über eine längere<br />

Zeit möglich, die verschiedene Jahreszeiten berücksichtigt<br />

oder über mehrere Jahre ein Stammpublikum<br />

heranzieht, das Wert auf Qualität legt<br />

und sich Wissen und Fertigkeiten aneignen will.<br />

In der Ernährungsbildung kommt der Genuss oft<br />

zu kurz und wird zu wenig herausgestellt, obwohl<br />

er doch für die meisten Menschen das Wichtigste<br />

76 Landinfo 4 | 2013


Hauswirtschaft und Ernährung<br />

ist. Deshalb soll schon die Ausschreibung darauf<br />

einen Schwerpunkt legen und das Sinnliche und<br />

keinesfalls „gesunde Ernährung“ in den Vordergrund<br />

stellen. Ein Auszug aus dem Vorschlag für<br />

einen Ankündigungstext: „Kennen Sie die kulinarischen<br />

Schätze Ihrer Region? Entdecken Sie auch<br />

gern Unbekanntes für Ihre Küche und möchten<br />

wissen, woher die Lebensmittel kommen? In diesem<br />

Kurs stellen wir Ihnen Ihren Kreis mit allen<br />

Sinnen vor.“ Die Teilnehmenden bereiten mit regionalen<br />

Lebensmitteln passend zur Jahreszeit leckere<br />

Gerichte zu, je nach räumlichen Gegebenheiten<br />

entweder selbst in einer Lehrküche oder<br />

eine Fachkraft wie die technischen Lehrerinnen<br />

der Ernährungszentren und mancher Landratsämter<br />

zeigt in einer Demonstrationsküche, wie es<br />

geht. Auch Betriebe <strong>als</strong> Veranstaltungsorte sind<br />

möglich. Programmbestandteil ist auch die Kennzeichnung<br />

regionaler Produkte.<br />

Als Besonderheit wird bei diesen Veranstaltungen<br />

ein Erzeuger oder Direktvermarkter eingeladen,<br />

der über seine Produkte, Qualitätssicherung und<br />

Verarbeitungsmöglichkeiten berichtet. Dadurch<br />

genießen die Besucher/innen nicht nur die leckeren<br />

Speisen, sondern erlangen Einblick in die arbeitsreiche<br />

Herstellung von Lebensmitteln, ihre<br />

Zusammensetzung und Verwendung in der Küche.<br />

All dies ist Grundlage für die Wertschätzung<br />

von Lebensmitteln, nachhaltiges Konsumieren<br />

und ein Beitrag gegen die „Geiz ist geil-Mentalität“.<br />

Nachhaltige Ernährung ist der rote Faden des<br />

Workshops und der Kursleitung auch stets präsent.<br />

Die Teilnehmer/innen sollen genießen und<br />

die Botschaft mit nach Hause nehmen: So lecker<br />

können wir mit heimischen Lebensmitteln essen<br />

- und das ist auch noch nachhaltig!<br />

AWARULI - Alles WAs RUmLIegt<br />

„Kreatives Kochen mit frischen Lebensmitteln<br />

und Resten“ ist der Untertitel des dreiteiligen Praxiskurses<br />

rund um Genuss und Wertschätzung<br />

von Lebensmitteln. Er vermittelt mit den Themen<br />

Einkauf, Speiseplanung und Vorratshaltung die<br />

Grundlagen der Haushaltsführung, legt (darüber<br />

hinaus) aber den Schwerpunkt auf Resteverwertung,<br />

regionale und saisonale Lebensmittel und<br />

vor allem auf das kreative Kochen. Die drei Teile<br />

bauen aufeinander auf, so dass die Teilnehmenden<br />

immer mehr Fertigkeiten und Kompetenzen erwerben.<br />

Systematisch werden Reste in die abwechslungsreichen<br />

Rezepte einbezogen und gezeigt,<br />

wie man zu viel Gekauftes <strong>als</strong> Vorrat aufbewahren<br />

oder zu leckeren Gerichten verarbeiten<br />

kann. Der dritte Teil von AWARULI ist die Kür<br />

Leitfäden für nachhaltige Ernährung in der Praxis<br />

Als Umsetzungshilfe für nachhaltige Ernährung bei Bildungsmaßnahmen,<br />

bei Besprechungen und Verpflegungsausschreibungen für größere Veranstaltungen<br />

stellt das MLR Leitfäden zur Verfügung. In Form einer Checkliste<br />

werden verschiedene Bereiche wie die Auswahl der Rezepte und Lebensmittel,<br />

der Einkauf, das Kochen und Essen behandelt. Die Empfehlungen<br />

reichen von der Bevorzugung heimischer Lebensmittel der Saison, der<br />

Verwendung von fair gehandeltem Kaffee und dem Angebot von Trinkwasser<br />

in Karaffen bis zum Einsatz von mindestens 25 % Bio-Lebensmitteln.<br />

Die Kosten lassen sich meist durch die Anpassung der Rezepturen mit geringeren<br />

Fleischanteilen oder den schrittweisen Einsatz von Kartoffeln, Gemüse<br />

etc. im Rahmen halten.<br />

Bei Workshops und Tagungen werden Nachhaltigkeitsaspekte auch in der<br />

Außendarstellung zunehmend wichtiger und ihre Berücksichtigung verbessert<br />

das Image. Die Leitfäden stehen zum <strong>Download</strong> zur Verfügung im <strong>Infodienst</strong><br />

Ernährung > Nachhaltigkeit (www.ernaehrung-bw.info).<br />

und nimmt ganz bewusst Anleihen bei beliebten<br />

Fernsehsendungen: In der Küche stehen frische<br />

Lebensmittel und Reste zu Verfügung - ganz ohne<br />

Rezept. Die Teilnehmer/innen zaubern daraus<br />

leckere Gerichte und beweisen ihre Kreativität<br />

und ihr Know-How.<br />

AWARULI wurde von einem Team der technischen<br />

Lehrerinnen aus allen vier Ernährungszentren<br />

ausgearbeitet. Sie brachten dabei ihr Wissen<br />

und ihre große Erfahrung in Unterricht und Erwachsenenbildung<br />

in hauswirtschaftlichen Themenbereichen<br />

ein. Für die Teilnehmer/innen der<br />

Kurse hat diese Expertise den Vorteil, gleichzeitig<br />

phantasievoll, kostenbewusst und ernährungsphysiologisch<br />

ausgewogen zu kochen. Dass das Essen<br />

schmeckt und auch nachhaltig zubereitet ist, versteht<br />

sich von selbst.<br />

Das AWARULI-Konzept lässt sich für viele Zielgruppen<br />

passgenau ausrichten: für Ungeübte und<br />

Singles genauso wie für Männer, Senioren oder<br />

junge Familien. Das mehrteilige Konzept war ein<br />

besonderer Wunsch des Volkshochschulverbands<br />

Baden-Württemberg e.V.. Er hat seinen Mitgliedern<br />

die neuen nachhaltigen Blickpunkt Ernährung-Konzepte<br />

bereits angekündigt. Die Volkshochschulen<br />

werden auf die Koordinatorinnen in<br />

den Landratsämtern zukommen und nach geeigneten<br />

Referentinnen fragen. Ein Pool von Referentinnen<br />

steht jetzt für diese Themen bereit. Sie<br />

können kreisübergreifend tätig sein. •<br />

Monika Radke<br />

MLR Stuttgart<br />

Tel. 0711/ 1262105<br />

monika.radke@mlr.bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

77


Beratung und Bildung<br />

Den Kursteilnehmern wird der Anbau<br />

von Süßkirschen erklärt<br />

Georg Schmitt<br />

Lehrgang „Zusatzqualifikation ökologischer Landbau“<br />

Die Nachfrage nach ökologisch produzierten Lebensmitteln wächst, ebenso der Bedarf nach regional<br />

erzeugten Produkten. Dies eröffnet Landwirten in der Region Stuttgart neue Vermarktungschancen.<br />

Deshalb wird von der unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sbehörde des Rems-Murr-Kreises in Zusammenarbeit<br />

mit den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Böblingen, Göppingen und Hohenlohe ein<br />

Weiterbildungsprojekt für landwirtschaftliche Betriebe angeboten, die eine Umstellung auf den<br />

ökologischen Landbau planen. Ziel des Kurses ist es, Landwirten die Möglichkeit zu eröffnen sich dem<br />

Thema ökologischer Landbau zu nähern. Die Weiterbildung vermittelt ausgebildeten Landwirten im<br />

Haupt- und Nebenerwerb neben theoretischen Grundlagen der ökologischen Wirtschaftsweise auch<br />

Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis. Die Unterrichtseinheiten werden mit Unterstützung der<br />

beteiligten Ämter, dem Regierungspräsidium und den ökologischen Beratungsdiensten durchgeführt.<br />

Ökologische<br />

Kälberhaltung<br />

Ziel und Inhalte des Lehrgangs<br />

Im Lehrgang werden den Teilnehmern und Teilnehmerinnen<br />

die Grundlagen der landwirtschaftlichen<br />

Produktion unter ökologischen Aspekten<br />

aufgezeigt. Das sind zum einen die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen des ökologischen<br />

Landbaus und zum anderen die Produktionstechniken<br />

in der Tierhaltung und der pflanzlichen Erzeugung<br />

einschließlich der Sonderkulturen. Die<br />

Inhalte werden ergänzt durch die betriebswirtschaftliche<br />

Beurteilung des eigenen Betriebes und<br />

die Betrachtung der Vermarktungssituation.<br />

Mit dem Lehrgang wird den Teilnehmern eine<br />

Handreichung gegeben, um die EG-Ökoverord-<br />

nung mit Durchführungsverordnungen bei der<br />

Umstellung ihres Betriebes richtig umzusetzen.<br />

Zielgruppen und Aufbau<br />

Zielgruppe sind Landwirte, Obst-, Wein- und Gemüsebauern<br />

im Haupt- oder Nebenerwerb, die<br />

sich mit dem Gedanken befassen, ihre Produkte<br />

nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus<br />

zu erzeugen und zu vermarkten. Zulassungsvoraussetzung<br />

ist eine landwirtschaftliche Berufsausbildung<br />

oder Tätigkeit im landwirtschaftlichen<br />

Betrieb. Am ersten Lehrgang nehmen 19 Personen<br />

aus dem Regierungsbezirk Stuttgart und den<br />

angrenzenden Gebieten teil. Die betrieblichen<br />

78 Landinfo 4 | 2013


Beratung und Bildung<br />

Schwerpunkte der Kursteilnehmer liegen im<br />

pflanzlichen Bereich im Ackerbau und im Grünland,<br />

im tierischen Bereich in der Rinder- und<br />

Pferdehaltung. Die Teilnehmer bewirtschaften<br />

ihre Betriebe sowohl im Haupt- <strong>als</strong> auch im Nebenerwerb.<br />

Der Lehrgang beginnt jeweils im Januar und endet<br />

im Dezember. Er wird an 20 Nachmittagen, freitags<br />

von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr mit sechs Unterrichtsstunden<br />

durchgeführt. Der Gesamtumfang<br />

beträgt 120 Unterrichtsstunden. Unter dem Motto<br />

„Lehren vor Ort“ richten sich die Unterrichtsinhalte<br />

entsprechend dem Jahresablauf nach dem<br />

Vegetationsstand der landwirtschaftlichen Kulturen.<br />

Ergänzt wird das Angebot durch Unterrichtseinheiten<br />

in der tierischen Erzeugung, der Vermarktung,<br />

der Betriebswirtschaft und der rechtlichen<br />

Grundlagen. Zur Abrundung und um dem<br />

ganzheitlichen Ansatz gerecht zu werden, werden<br />

einzelne Themenbereiche, wie der Anbau von Leguminosen,<br />

Bodenfruchtbarkeit, Unkrautbekämpfung<br />

oder Bodenbearbeitung in gesonderten<br />

Einheiten vertieft behandelt. Im ökologischen<br />

Anbau ist die Direktvermarktung von besonderer<br />

Bedeutung. Daher werden den Teilnehmern auch<br />

in Sonderkulturen wie Obstbau oder Gemüsebau<br />

die Grundlagen vermittelt.<br />

Zusammenarbeit mit Praxisbetrieben<br />

Entscheidend für das Gelingen einer ökologischen<br />

Produktion ist es, die Produktionstechnik<br />

entsprechend den betriebsindividuellen Bedürfnissen<br />

zu gestalten. Der Erfahrungsaustausch mit<br />

Praktikern der ökologischen Wirtschaftsweise<br />

steht deshalb im Mittelpunkt. Die Unterrichtseinheiten<br />

werden in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen<br />

Betrieben gestaltet. Sie sind in drei<br />

Blöcke geteilt. Zu Beginn einer Unterrichtseinheit<br />

erarbeiten die Teilnehmer mit den Lehrern die<br />

theoretischen Grundlagen des Themas. Im Anschluss<br />

daran stellt ein Betriebsinhaber seinen Betrieb<br />

und seine persönlichen Erfahrungen im ökologischen<br />

Anbau vor. Abgeschlossen wird das<br />

Unterrichtsthema mit einer Beurteilung der praktischen<br />

Umsetzung vor Ort auf dem Betrieb.<br />

ist es für die Teilnehmer<br />

nicht von entscheidender<br />

Bedeutung Grundlagen<br />

über die Pflanzenproduktion<br />

oder die Tierhaltung<br />

zu erarbeiten. Entscheidender<br />

ist es, Unterschiede<br />

zwischen konventioneller<br />

und ökologischer Produktionsweise<br />

herauszustellen.<br />

Besonders bei der Beurteilung<br />

der praktischen Umsetzung<br />

auf den Betrieben<br />

wird deutlich, dass die biologischen<br />

und naturräumlichen<br />

Zusammenhänge<br />

für Entscheidungen bei<br />

der ökologischen Produktion<br />

ausschlaggebend sind.<br />

So sind z. B. bereits bei der<br />

Festlegung der Kultur,<br />

welche auf einem bestimmten<br />

Schlag angebaut<br />

werden soll, das Samenpotential<br />

von Wildkräutern<br />

im Boden, die Bodenverhältnisse<br />

und die Entwicklung<br />

der Wildkräuter im<br />

Verhältnis zur Kulturpflanze<br />

von Bedeutung,<br />

um die Bestände mit Hackmaschinen<br />

oder Striegeln<br />

unkrautfrei halten zu können.<br />

„Eine Norm gibt es nicht, jeder muss seine eigenen<br />

Erfahrungen machen. Der eine striegelt so,<br />

der andere so, nach 10 Jahren weiß man das.“ Dies<br />

war die Aussage eines Praktikers zur Unkrautbekämpfung<br />

im ökologischen Anbau in Bezug auf<br />

den Einsatz von Herbiziden im integrierten Pflanzenbau.<br />

Auch die Teilnehmer lassen erkennen,<br />

dass sich durch den Erfahrungsaustausch die Betrachtungsweisen<br />

zur Produktion von landwirtschaftlichen<br />

Produkten ändern.<br />

Hackmaschine zur Unkrautbekämpfung in<br />

Reihenkulturen<br />

Mais nach der Unkrautbekämpfung mit<br />

Hackmaschine<br />

Bisherige Erfahrungen<br />

Die Durchführung des Kurses hat bisher gezeigt,<br />

dass der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern<br />

und den Betriebleitern das Kernelement<br />

des Kurses ist. Da <strong>als</strong> Zulassungsvoraussetzung<br />

landwirtschaftliche Kenntnisse erforderlich sind,<br />

Kursstart im Januar 2014<br />

Im Herbst 2013 soll ein erneuter Kurs „Zusatzqualifikation<br />

ökologischer Landbau“ ausgeschrieben<br />

werden. Teilnehmen können Personen, die<br />

einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften<br />

oder eine landwirtschaftliche Ausbildung nachweisen<br />

können. Der Kurs startet im Jan. 2014. •<br />

Georg Schmitt<br />

LRA Rems-Murr-Kreis<br />

Tel. 07191/ 895-4227<br />

g.schmitt@rems-murrkreis.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

79


Beratung und Bildung<br />

Katja Beutel<br />

Kongress Europäische Innovationspartnerschaften in der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> in Hohenheim<br />

Netzwerke und Innovationen im Fokus<br />

Auf Einladung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg<br />

(MLR) fand am 16. Juli 2013 im Schloss der Universität Hohenheim der Kongress „Europäische<br />

Innovationspartnerschaften (EIP) in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ statt.<br />

EIP Kongress im Schloss der<br />

Universität Hohenheim<br />

Bild: Hr. Riedlberger, MLR<br />

Der Kongress war bundesweit einer der ersten<br />

Veranstaltungen zu diesem Thema. Die Veranstaltung<br />

hatte zum Ziel, darüber zu informieren,<br />

was die EU mit der EIP „Produktivität und<br />

Nachhaltigkeit in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ erreichen<br />

will und welche Chancen sich in diesem Zusammenhang<br />

für Baden-Württemberg bieten.<br />

Projekte im Rahmen der EIP „Produktivität und<br />

Nachhaltigkeit in der <strong>Landwirtschaft</strong>“ können in<br />

der neuen Förderperiode 2014-2020 im Zuge der<br />

Kofinanzierung mit Mitteln des Europäischen<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>sfonds für die Entwicklung des<br />

ländlichen Raums (ELER) gefördert werden. Die<br />

konkrete Umsetzung befindet sich in Baden-<br />

Württemberg in der Planungsphase.<br />

EIP soll Brücken schlagen<br />

Die EIP „<strong>Landwirtschaft</strong>liche Produktivität und<br />

Nachhaltigkeit“ ist eine von vier Innovationspartnerschaften,<br />

die durch die EU initiiert worden<br />

sind. So gibt es darüber hinaus Innovationspartnerschaften<br />

zu den Themenbereichen „Aktives<br />

und gesundes Altern“, „Wasser“ und „Rohstoffe“.<br />

Im Fall der EIP „<strong>Landwirtschaft</strong>liche Produktivität<br />

und Nachhaltigkeit“ sind es die Landwirte,<br />

Wissenschaftler und Berater und weitere Akteure<br />

eines Innovationszyklus, zwischen denen eine<br />

Brücke geschlagen werden soll. Ziel ist dabei, den<br />

Wissenstransfer zwischen den genannten Personengruppen<br />

zu fördern, um Innovationen in der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> anzuregen und voranzutreiben.<br />

Diese Gruppen werden <strong>als</strong> sogenannte „operationelle<br />

Gruppen“ bezeichnet und sind Kernelement<br />

der EIP.<br />

Auf EU-Ebene wird eine EIP-Vernetzungsstelle<br />

eingerichtet. Die Aufgabe der deutschen EIP-<br />

Vernetzungsstelle soll von der Bundesanstalt für<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> und Ernährung (BLE) in Bonn<br />

wahrgenommen werden.<br />

Innovationen unter dem<br />

Gesichtspunkt von Nachhaltigkeit<br />

und Ressourceneffizienz<br />

Nach dem Grußwort von Prof. Dr. sc. agr. Stephan<br />

Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim,<br />

zu Beginn des Kongresses, stellte Ministerialdirektor<br />

Wolfgang Reimer (MLR) in seinem<br />

Vortrag dar, welche Themenbereiche für die EIP<br />

in Frage kommen könnten.<br />

Reimer informierte, dass es in der EIP um Innovationen<br />

zur Produktivitätssteigerung in der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> unter dem Gesichtspunkt der<br />

Nachhaltigkeit geht. Die <strong>Landwirtschaft</strong> steht vor<br />

großen Herausforderungen. Der Klimawandel<br />

macht Anpassungen erforderlich. Die Ressourcen<br />

sind begrenzt. Reagieren muss die <strong>Landwirtschaft</strong><br />

auch auf steigende Energiekosten. Darüber hinaus<br />

bestehen gesellschaftliche Erwartungen an<br />

Natur-, Umwelt und Tierschutz.<br />

Baden-Württemberg ist ein sehr innovationsfreudiges<br />

Land. Institutionell ist das Land gut aufgestellt<br />

mit Hochschulen, Vermarktungseinrichtungen<br />

und Fachverbänden.<br />

„Die Europäische Union ermöglicht im Rahmen<br />

des ELER, Vernetzungen zu stimulieren und zu<br />

optimieren. Dies soll in Baden Württemberg aufgriffen<br />

werden“, so Wolfgang Reimer in seinen<br />

Ausführungen.<br />

80 Landinfo 4 | 2013


Beratung und Bildung<br />

Referenten aus EU, dem Bund und<br />

aus Forschung und Praxis<br />

Dr. Martin Scheele (Referatsleiter, GD Agri EU<br />

Kommission, Brüssel) informierte aus Sicht der<br />

EU zu den Hintergründen der EIP.<br />

Hinter der Strategie der EU steht das praktische<br />

Problem, das Wissen - sei es nun auf Seiten der<br />

Praxis und/ oder auf Seiten der Wissenschaft -<br />

oftm<strong>als</strong> bereits vorhanden ist, es aber am Austausch<br />

zwischen Wissenschaft und Praxis hapert.<br />

Dies kann verschiedene Gründe haben, z.B. bestehende<br />

Berührungsängste, manchmal fehlt aber<br />

auch schlichtweg die Kenntnis darüber, wer der<br />

richtige Ansprechpartner sein könnte. Hier setzt<br />

die EIP an, mit der eine Plattform für den Wissensaustausch<br />

geschaffen werden soll.<br />

Weiterer Referent war Dr. Hanns-Christoph Eiden<br />

(Präsident, Bundesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong><br />

und Ernährung, Bonn). Eiden stellte dar, wie die<br />

weitere Vernetzung der operationellen Gruppen<br />

auf Bundes- und EU-Ebene geplant ist. Ziel sei<br />

es, aus dem Wissen einzelner operationeller Gruppen<br />

weiteren Nutzen zu ziehen. Er appellierte an<br />

alle Beteiligten, sich aktiv am Aufbau der Strukturen<br />

zu beteiligen: „Erfolgreiche EIP´s sind kein<br />

Selbstläufer. Erfolg bedarf einer hohen Kooperationsbereitschaft<br />

und klarer Vorgaben für die<br />

Struktur der Partnerschaft. Es gilt die Chance zu<br />

sehen, die in einer intensiven Zusammenarbeit<br />

und Vernetzung liegt: Die Chance des Teilens von<br />

Wissen und Erfahrung“, so Eiden in seinen Ausführungen.<br />

Prof. Dr. Enno Bahrs (Universität Hohenheim<br />

Fachgebietsleiter <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Betriebslehre,<br />

Stuttgart) stellte die Sicht der Wissenschaft<br />

zu EIP dar. Er betonte die Bedeutung einer stärkeren<br />

Vernetzung von Wissenschaft und <strong>Landwirtschaft</strong>,<br />

um Innovationen im landwirtschaftlichen<br />

Bereich anzuregen.<br />

Hansjörg Schrade (Direktor des Bildungs- und<br />

Wissenszentrum Boxberg) informierte darüber,<br />

welche Schwerpunktthemen in der Schweinehaltung<br />

für die EIP eine Rolle spielen könnten. Ein<br />

Themenbereich der Forschung und Entwicklung<br />

könnte der Tierschutz sein, z.B. Verhinderung von<br />

Gliedmaßen- und Hautschäden. Im Bereich Umwelt-,<br />

Klima- und Verbraucherschutz stehen Themen<br />

wie Geruchsemissionen und Antibiotikaeinsatz<br />

im Blickfeld.<br />

Dr. Peter Müller (Praktischer Landwirt, Gutsverwaltung<br />

Straßenheimer Hof, Mannheim) stellte<br />

aus Sicht der Praxis den Innovationsbedarf und<br />

Vernetzungsbedarf in der <strong>Landwirtschaft</strong> dar. Im<br />

Bereich der Vermarktung ist er überzeugt, dass<br />

eine bessere Vernetzung innerhalb der Wertschöpfungskette<br />

auch zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

führen kann. Er forderte auf, Regionalität<br />

<strong>als</strong> Geschäftsmodell stärker zu nutzen.<br />

Dr. Christian Eichert (Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft<br />

ökologischer Landbau Baden-<br />

Württemberg, Esslingen) sieht die EIP <strong>als</strong> Motor<br />

ökologischer Wertschöpfungsketten. Er stellte die<br />

Innovationsfähigkeit des Ökologischen Landbaus<br />

dar und betonte, wie wichtig es sei, „Landwirte<br />

nicht nur <strong>als</strong> „Studienobjekt“ zu betrachten, sondern<br />

sie aktiv zu beteiligen.“<br />

Dipl. Ing Ulrich Nickol (Leiter Produktbereiche<br />

Futtererntemaschinen und Pressen, Firma Claas,<br />

Bad Saulgau) zeigte Entwicklungsmöglichkeiten<br />

in der Agrartechnik auf, welche auch innerhalb<br />

von operationellen Gruppen <strong>als</strong> Themenbereiche<br />

eine Rolle spielen könnten. Nickol ging auf denkbare<br />

Innovationen bei der Weiterentwicklung von<br />

Maschinen ein. Er untergliederte dabei in die Bereiche:<br />

Wachstum, Effizienz, Prozessoptimierung,<br />

Präzision und Nachhaltigkeit.<br />

Teilnehmerstruktur breit gefächert<br />

Die Veranstaltung zählte 140 Teilnehmer. Vertreten<br />

waren Teilnehmer aus Baden-Württemberg<br />

und anderen Bundesländern. Diese kamen aus<br />

landwirtschaftlichen Interessenvertretungen,<br />

wirtschaftlichen Einrichtungen, aus <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltungen,<br />

aus Universitäten und anderen<br />

Forschungseinrichtungen und aus Beratungsund<br />

Bildungseinrichtungen.<br />

Hinweis<br />

Informationen zum Kongress sind auf der Internetseite<br />

des Maßnahmen- und Entwicklungsplans<br />

Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2007-2013<br />

unter dem Menüpunkt „Weiterentwicklung 2014-<br />

2020“ https://www.landwirtschaft-bw.info/<br />

pb/,Lde/Startseite/Dienststellen/Weiterentwicklung+2014_2020<br />

abrufbar. Einsehbar sind u.a. die<br />

Präsentationen der Referenten. Ansprechpartner<br />

beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz<br />

Baden-Württemberg ist der Leiter<br />

des Referats 28, Herr Ministerialrat Wolfgang Arnoldt,<br />

Wolfgang.Arnoldt@mlr.bwl.de. •<br />

Katja Beutel<br />

MLR Stuttgart<br />

Tel. 0711/ 126 2434<br />

Katja.Beutel@mlr.bwl.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

81


Beratung und Bildung<br />

Gisela Enderle<br />

Heiß, humorvoll, hochaktuell<br />

- die 52. IALB-Tagung<br />

IALB-Präsidentin Edda Albers mit einigen<br />

der vielen Akteure, die die IALB-Tagung 2013<br />

auf die Beine gestellt haben<br />

Bild: H. Hörl<br />

Die <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung Baden-Württemberg war Mitte Juni Gastgeberin für die 52.<br />

Jahrestagung der Internationalen Akademie land- und hauswirtschaftlicher Berater und Beraterinnen<br />

(IALB). Im AkademieHotel in Karlsruhe trafen sich rund 330 Teilnehmende aus elf Nationen, um unter<br />

dem Generalthema „Beratung zwischen einzelbetrieblichen Interessen und gesellschaftlichen<br />

Anforderungen“ fachliche und methodische Themen zu bearbeiten, aber auch die künftige Ausrichtung<br />

der Beratung und Anforderungen der EU an Beratungssysteme zu diskutieren.<br />

Die IALB-Tagung 2014<br />

findet Ende Juni in<br />

Tuhelj, Kroatien statt.<br />

Gisela Enderle<br />

LEL Schwäbisch Gmünd<br />

Tel. 07171/917-112<br />

gisela.enderle@lel.bwl.de<br />

Die Stimmung war gut in Karlsruhe, auch wenn<br />

manche Themen das internationale Publikum<br />

ebenso zum Schwitzen brachte wie die erste sommerliche<br />

Hitzewelle des Jahres. Diesen Eindruck<br />

belegt die im Nachgang durchgeführte Online-<br />

Evaluierung. Sehr gute Noten gab es von der<br />

Mehrheit der Befragten für Themenauswahl, Ablauf<br />

und die Organisation der Tagung. Das Ziel,<br />

fachliche und methodische Impulse für die eigene<br />

Arbeit mit nach Hause nehmen zu können, wurde<br />

laut fast allen Rückmeldungen erreicht. Gleichwohl<br />

wünschten sich viele Teilnehmer mehr Zeit,<br />

um bei fachlichen Fragestellungen im Rahmen der<br />

Fachforen und vor allem bei den Projekt- und<br />

Ideenbörsen noch mehr in die Tiefe und zu intensiverem<br />

Austausch mit den anderen Teilnehmern<br />

kommen zu können. Die Exkursionen, die auf<br />

sieben verschiedenen Touren die Themen der<br />

Fachforen aufgriffen, den Praxisbezug herstellten<br />

und gleichzeitig den Westen Baden-Württembergs<br />

auch von seiner gastlichen Seite her zeigten, waren<br />

wie immer auf der IALB das Herz- und Sahnestück<br />

der Tagung. Betriebsbesichtigungen, Unternehmerinnen<br />

und Unternehmer und die engagierten<br />

Beratungskräfte vor Ort haben einen besonderen<br />

Eindruck hinterlassen. Kritisch diskutiert<br />

wurde schon während der Tagung die „Einmischung<br />

der EU in die Beratungslandschaft“, wie es<br />

ein langjähriger Berater empfindet. Dr. Antonia<br />

Lütteken von der EU-Kommission stellte in ihrem<br />

Vortrag, die Intention der EU dar. Die Ansicht<br />

der beiden Landwirte Niki König und Wolfgang<br />

Winterhalder, bekannt <strong>als</strong> „Bure zum Alange“,<br />

die den Verwaltungsaufwand eines über die<br />

EU geförderten Beratungssystems fürchten, regte<br />

viele zum Nachdenken an. Hervorgehoben wurde<br />

in der Evaluierung auch der Abschlussvortrag von<br />

Verena Bentele. Die blinde ehemalige Spitzensportlerin<br />

beeindruckte durch ihr unkomplizier-<br />

tes, humorvolles Auftreten ebenso sehr wie durch<br />

ihre Hauptbotschaft: Nicht nur Mut und Disziplin,<br />

sondern klare Kommunikation und Vertrauen<br />

in sich und andere braucht es, um erfolgreich zu<br />

sein – ob im Sport, in der <strong>Landwirtschaft</strong> oder in<br />

der Beratung!<br />

Wer/ was hat zum Erfolg der Tagung<br />

beigetragen?<br />

Die engagierten Kollegen/innen der Projektgruppe,<br />

die die Fachbereiche und Ebenen der<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung vertreten haben<br />

und die Inhalte und Organisation der fachlichen<br />

Programmbausteine geschultert haben.<br />

Die Unterstützung durch die Hausspitze des<br />

Ministeriums, die Abteilung <strong>Landwirtschaft</strong> und<br />

durch den Lenkungsausschuss.<br />

Das Tagungshaus und seine Mitarbeiter/innen,<br />

die serviceorientiert für den richtigen Rahmen<br />

sorgten.<br />

Die Teilnehmer/innen, die sich für die Tagung<br />

und ihre Themen öffneten und in die lebhaften<br />

Diskussionen einbrachten.<br />

Ausreichend Zeit und Gelegenheit zwischen<br />

den Programmpunkten für den Austausch der<br />

Teilnehmer/innen untereinander.<br />

Vorträge, Fotos und Presseberichte der Tagung<br />

stehen im Internet unter www.ialb-tagung2013.<br />

info zur Verfügung. In B&B-Agrar des AID wurde<br />

in den <strong>Ausgabe</strong>n 3 und 4/2013 über verschiedene<br />

Themen detailliert berichtet. •<br />

82 Landinfo 4 | 2013


Beratung und Bildung<br />

Günter Denninger<br />

Umweltbildung stärker im Lehrplan berücksichtigen<br />

Fachlehrer der Agrarwissenschaftlichen Gymnasien aus Baden-Württemberg und Sachsen trafen sich<br />

zu einer zweitägigen Fortbildung an der Bertha-von-Suttner-Schule in Ettlingen.<br />

Wie kein anderer Wirtschaftsbereich ist die<br />

Agrarwirtschaft in die dynamischen Prozesse<br />

der natürlichen Umwelt eingebunden. Dies<br />

spiegelt sich in den Inhalten und Lernzielen des<br />

Bildungsplans für das Agrarwissenschaftliche<br />

Gymnasium wieder. Themen wie natürliche Stoffkreisläufe,<br />

nachwachsende Rohstoffe, Boden,<br />

Wasser, Luft, Landschaftspflege sind bereits wesentliche<br />

Elemente des Profilbereichs. Um die<br />

Umweltbildung - wie im Aktionsplan des Landes<br />

Baden – Württembergs gefordert – weiter voran<br />

zu treiben, möchten sich die Agrarwissenschaftlichen<br />

Gymnasien noch stärker in diesem zukunftsträchtigen<br />

Bereich profilieren.<br />

Für die anstehende Neufassung der Lehrpläne<br />

entwickelten die Tagungsteilnehmer folgende<br />

Vorschläge:<br />

die Thematik „Lebensraum Boden“ wird in das<br />

Profilfach „Agrarbiologie“ integriert,<br />

verbindliches Praktikum in der Eingangsklasse,<br />

verstärkte Handlungsorientierung in den Jahrgangsstufen<br />

(Experimente, Exkursionen),<br />

nachhaltige Landbewirtschaftung u. Ökologie,<br />

nachwachsende Rohstoffe und Biogas, usw.<br />

Die Ausbildung am Agrargymnasium wird damit<br />

in Zukunft für noch mehr junge Menschen eine<br />

attraktive Bildungseinrichtung sein.<br />

An den beiden Tagen gab es einen fachlichen Input:<br />

Experten des <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Technologiezentrums<br />

(LTZ) informierten die Fachlehrer<br />

über neueste Entwicklungen bei nachwachsenden<br />

Rohstoffen. Am zweiten Tag stand ein Besuch bei<br />

der LUBW auf dem Programm. Erfreulicherweise<br />

konnten seit einigen Jahren keine gravierenden<br />

Gewässerbelastungen durch die Landbewirtschaftung<br />

nachgewiesen werden.<br />

Da sich inzwischen viele Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />

und auch die private Wirtschaft<br />

der Thematik Nachhaltigkeit und Umweltbildung<br />

annehmen, werden sich vielfältige Tätigkeitsfelder<br />

in diesem Sektor eröffnen. •<br />

Abitur am Agrarwissenschaftlichen<br />

Gymnasium (AG)<br />

Die Agrarwissenschaftlichen Gymnasium<br />

bieten für Schüler und Schülerinnen, die eine<br />

fundierte naturwissenschaftliche Grundausbildung<br />

anstreben und Interesse für agrar-<br />

und umweltbiologische Fragestellungen<br />

entwickeln, eine ausgezeichnete Möglichkeit,<br />

die allgemeine Hochschulreife zu<br />

erlangen.<br />

Aufnahmevoraussetzungen<br />

- Mittlere Bildungsabschluss<br />

- Notenschnitt: 3,0 in den Fächern<br />

Deutsch, Mathematik, Englisch<br />

Fächer<br />

1. Profilbereich: Agrarbiologie<br />

Agrar- und Umwelttechnologie<br />

2. Allgemeiner Bereich: wie in allen<br />

Beruflichen Gymnasium<br />

Inhalte im Profilbereich<br />

- Lebensraum Boden<br />

- Ernährung der Pflanzen<br />

- Ökosystem Grünland<br />

- Stickstoffkreislauf<br />

- Molekulargenetik<br />

- Tier- und Pflanzenzüchtung<br />

- Nachhaltige <strong>Landwirtschaft</strong><br />

- Luft- und Wasserqualität<br />

- Kohlenstoffkreislauf (Fotosynthese,<br />

nachwachsende Rohstoffe)<br />

- Stoffwechselvorgänge im tierischen<br />

Organismus<br />

Abschluss<br />

Allgemeine Hochschulreife<br />

Standorte<br />

Ettlingen, Nürtingen, Radolfzell,<br />

Ravensburg, Freiburg (Neu), Öhringen<br />

Felderrundgang auf den<br />

Versuchsfeldern am LTZ in<br />

Forchheim<br />

Günter Denninger<br />

Ettlingen<br />

Tel. 07243/ 500 801<br />

denninger@bvsse.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

83


Beratung und Bildung<br />

Sebastian Küwen<br />

Zu Gast im Ländle<br />

Als Referendar aus Niedersachsen zur Ausbildung an der LEL<br />

Während meines Referendariats bei der <strong>Landwirtschaft</strong>skammer Niedersachsen wurde mir, im<br />

Rahmen der an Wahlstationen stattfindenden Ausbildungsphase, der Besuch der Landesanstalt für<br />

Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der Ländlichen Räume (LEL) in Schwäbisch Gmünd – Abteilung<br />

Ländlicher Raum im Juni 2013 für vier Wochen ermöglicht.<br />

Die Zeit begann für mich mit der Teilnahme an<br />

der Ausbildungswoche „Ländlicher Raum“<br />

für die <strong>Landwirtschaft</strong>sreferendare aus Baden-<br />

Württemberg, die glücklicherweise während meines<br />

Aufenthalts an der LEL stattfand. In unseren<br />

Gesprächen wurden die Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede in der Ausbildung schnell deutlich.<br />

Die zweijährige Ausbildung in Niedersachsen<br />

dauert sechs Monate länger, in der der Besuch von<br />

Wahlstationen außerhalb der Ausbildungsbehörde<br />

ermöglicht wird. In Baden-Württemberg wird dagegen<br />

während der Ausbildung ein stärkerer<br />

Schwerpunkt auf die Lehrtätigkeit gelegt.<br />

Die während der Ausbildungswoche behandelten<br />

Themen bildeten die meines Ausbildungsschwerpunktes<br />

in Niedersachsen in weiten Teilen ab, sodass<br />

ich oft Vergleiche ziehen konnte. Themen<br />

waren u.a. Agrarstruktur, Träger öffentlicher Belange,<br />

Baurecht, Immissionsschutz, Naturschutz<br />

und Landschaftspflege, Flurbereinigung und Verwaltungsrecht.<br />

Eine Besonderheit für eine zentrale<br />

Ausbildungsveranstaltung stellten für mich die<br />

zusätzlich zum theoretischen Unterricht stattfindenden<br />

Exkursionen dar. So wurden die dargestellten<br />

Inhalte in den Bereichen Baurecht, Immissionsschutz<br />

sowie Naturschutz und Landschaftspflege<br />

jeweils mit praktischen Beispielen vor Ort<br />

verbunden, was für mich zur Steigerung des Erkenntnisgewinns<br />

beigetragen hat. Sehr interessant<br />

war meine erstmalige Teilnahme an zwei Verhandlungen<br />

am Verwaltungsgericht Stuttgart zusammen<br />

mit den Referendaren Baden-Württembergs,<br />

was in einigen Punkten nachhaltig zur Belebung<br />

des im Referendariat erlernten Verwaltungsrecht<br />

beigetragen hat.<br />

Kartier-Übung im Rahmen der<br />

Fortbildung „Bewirtschaftung<br />

von artenreichem (FFH-)<br />

Grünland“<br />

84 Landinfo 4 | 2013


Beratung und Bildung<br />

Natura 2000 und <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>als</strong><br />

Themenschwerpunkt<br />

Nach der Ausbildungswoche bekam ich einen<br />

Einblick in die Arbeit der LEL in der Abteilung<br />

Ländlicher Raum. Thematischer Schwerpunkt in<br />

dieser Zeit war Natura 2000 und <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />

Bemerkenswert ist, welches Gewicht das Thema<br />

der Bewirtschaftung von FFH-Grünland in Baden-Württemberg<br />

aktuell für die damit in Berührung<br />

stehenden Akteure darstellt. In diesem Zusammenhang<br />

besonders interessant war die Teilnahme<br />

an einer gemeinsamen Fortbildung der<br />

LEL, der Landesanstalt für Umwelt, Messungen<br />

und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)<br />

und des <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Zentrums für Rinderhaltung,<br />

Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft,<br />

Wild und Fischerei Baden-Württemberg<br />

(LAZBW) am 11. und 12. Juni in Aulendorf, bei<br />

der sich Teilnehmer der Unteren <strong>Landwirtschaft</strong>sund<br />

Naturschutzbehörden sowie der Landschaftserhaltungsverbände<br />

gemeinsam über praktikable<br />

Lösungen zum Erhalt von artenreichem FFH-<br />

Grünland informiert und ausgetauscht haben.<br />

In Baden-Württemberg wurden 11,6 % (414.279<br />

ha) der Landesfläche <strong>als</strong> FFH-Gebiete an die EU<br />

gemeldet und unterliegen <strong>als</strong> Teil des europäischen<br />

Schutzgebietsnetzes Natura 2000 besonderen<br />

Schutzbestimmungen nach europäischem und<br />

nationalem Recht. FFH-Grünland-Lebensraumtypen<br />

haben dabei einen Flächenumfang von ca.<br />

83.000 ha. Für die <strong>Landwirtschaft</strong> relevant ist hier<br />

insbesondere der FFH-Lebensraumtyp (LRT)<br />

„Magere Flachland-Mähwiese“ mit einem Flächenumfang<br />

von 63.390 ha. Für den Erhalt dieses<br />

oft auch <strong>als</strong> typische Blumenwiese bezeichneten<br />

Lebensraumtyps hat Baden-Württemberg eine besondere<br />

Verantwortung, da sich deutschlandweit<br />

gesehen 43,4% der Flächen in der kontinentalen<br />

Region hier befinden. Zum Vergleich: In Niedersachsen<br />

existieren laut dem Niedersächsischen<br />

Landesbetrieb für Wasser,- Küsten- und Naturschutz<br />

(NLWKN, 2011) ca. 52.000 ha FFH-Grünland-Lebensraumtypen.<br />

Davon entfallen rund<br />

7.500 ha auf den FFH-LRT Magere Flachland-<br />

Mähwiesen der kontinentalen und atlantischen<br />

Region. Um diesen Lebensraumtyp zu erhalten, ist<br />

eine extensive Bewirtschaftung nötig.<br />

Die Sicherung von FFH-Gebieten kann über verschiedene<br />

Wege erfolgen. Die Länder haben die<br />

Möglichkeit, die Gebiete hoheitlich durch Ausweisung<br />

von Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten<br />

oder auf freiwilliger Basis durch Vertragsnaturschutz<br />

zu sichern. Baden-Württemberg<br />

verfolgt vorrangig letzteren Weg, der durch die<br />

Erstellung von Managementplänen (MaP) unterstützt<br />

wird. In Niedersachsen werden vermehrt<br />

Schutzgebiete ausgewiesen. Zusätzlich zu diesem<br />

Grundschutz ist für den Erhalt und die weitere<br />

Entwicklung der Flächen der Vertragsnaturschutz<br />

von besonderer Bedeutung.<br />

Modell der Landschaftserhaltungsverbände<br />

Die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung<br />

zu Natura 2000-Grünland sowie an einem Treffen<br />

der Landschaftserhaltungsverbände (LEL ist koordinierende<br />

Stelle) haben mir Einblick in die Organisationsform<br />

und in die Aufgabenbereiche der<br />

sich aktuell landesweit in Baden-Württemberg<br />

etablierenden Landschaftserhaltungsverbände ermöglicht.<br />

Sehr interessant für mich war, dass die<br />

Verbände unter anderem durch die Beratung von<br />

Landwirten zu Vertragsnaturschutzmaßnahmen<br />

in Natura 2000-Gebieten neben den Unteren<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>s- und Naturschutzbehörden ein<br />

wichtiger Baustein für die Umsetzung von Natura<br />

2000 sind. Letztlich hatte ich die Gelegenheit, die<br />

Arbeitsweise eines Landschaftserhaltungsverbandes<br />

in Bezug auf ihre Strategien zur Wiederherstellung<br />

und Entwicklung von FFH-Grünland im<br />

Rahmen der Erarbeitung eines Monitoringkonzepts<br />

zusammen mit der LEL vor Ort genauer<br />

kennenzulernen.<br />

Fazit<br />

Mein vierwöchiger Aufenthalt an der LEL hat mir<br />

vor allem einen landesweiten Überblick über die<br />

Verwaltungsstrukturen, die Ausbildung der <strong>Landwirtschaft</strong>sreferendare,<br />

die Strategien Baden-<br />

Württembergs in der Fortbildung sowie über die<br />

Umsetzung von Natura 2000 gegeben. Besonders<br />

hilfreich für mich war der stets gegebene Bezug<br />

zur Umsetzung der aktuellen Themen vor Ort.<br />

Der Besuch an der LEL <strong>als</strong> Ausbildungsstation<br />

war für mich sehr bereichernd, da ich andere<br />

Strukturen in der <strong>Landwirtschaft</strong>sverwaltung, andere<br />

Herangehensweisen in der Ausbildung sowie<br />

in der Bearbeitung fachlicher Themen kennengelernt<br />

habe. Das hat dazu beigetragen, mein Blickfeld<br />

in vielen Bereichen zu erweitern, sodass die<br />

Zeit an der LEL Schwäbisch Gmünd für mich<br />

sehr lohnenswert war. •<br />

Sebastian Küwen<br />

Hannover<br />

Tel. 0176 61700887<br />

sebastian.kuewen@<br />

lwk-niedersachsen.de<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

85


Beratung und Bildung<br />

Hans-Jörg Schleifer<br />

Ausbildertagung zum Thema „Drei Jahre Verordnung<br />

„Milchtechnologe/ Milchtechnologin“<br />

Zur diesjährigen Ausbildertagung trafen sich auf Einladung der milchwirtschaftlichen<br />

Ausbildungsberatung am 10. und 11. April über 30 Ausbilderinnen und Ausbilder aus Nordrhein-<br />

Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg am <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Zentrum<br />

Baden-Württemberg Milchwirtschaft Wangen im Allgäu (LAZBW).<br />

Teilnehmer der<br />

Ausbildertagung 2013<br />

Bild: LAZBW<br />

Im Mittelpunkt der Tagung stand die<br />

Verordnung über die Berufsausbildung<br />

zum Milchtechnologen/zur Milchtechnologin,<br />

welche im April 2010 im Bundesgesetzblatt<br />

veröffentlicht wurde. Da<br />

nun der erste komplette Jahrgang nach<br />

dieser Verordnung geprüft wird, haben<br />

die Ausbilder und Ausbilderinnen der<br />

Betriebe und des LAZBW sowie die<br />

Lehrkräfte der Berufsschule (Friedrich-<br />

Schiedel-Schule) Ihre Erfahrungen ausgetauscht.<br />

Hans-Jörg Schleifer<br />

LAZBW Wangen<br />

Tel. 07522/ 9312-160<br />

hans-joerg.schleifer@<br />

lazbw.bwl.de<br />

Für die Ausbilder und Ausbilderinnen<br />

hat sich an den fachlichen Anforderungen gegenüber<br />

dem Molkereifachmann nichts Wesentliches<br />

geändert. Allerdings fordert die neue Verordnung<br />

wesentlich mehr Prozessorientierung und Handlungskompetenz.<br />

Dies bedeutet nach der Definition<br />

der Kultusministerkonferenz „die Fähigkeit<br />

des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen<br />

und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht,<br />

sowie individuell und sozial verantwortlich<br />

zu verhalten“, so fordert sie von den Auszubildenden<br />

ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Selbstdisziplin<br />

und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Von<br />

einem Milchtechnologen bzw. einer Milchtechnologin<br />

wird erwartet, einen Produktionsprozess<br />

von Anfang an bis zum Endprodukt zu planen,<br />

durchzuführen und zu kontrollieren. Darüber hinaus<br />

muss das Endprodukt bewertet und das eigene<br />

Handeln im Prozess beurteilt werden. Mit diesen<br />

gestiegenen Anforderungen, so waren sich die<br />

Ausbilderinnen und Ausbilder und alle Lehrkräfte<br />

einig, sind einige Hürden für ein erfolgreiches Ablegen<br />

der Prüfung hinzugekommen.<br />

Eindrucksvoll demonstrierten die Lehrkräfte der<br />

Berufsschule anhand eines überdimensionalen<br />

Plakats beispielhaft die Umsetzung der Handlungsorientierung<br />

im Unterricht. Mit der Reform<br />

der Ausbildungsverordnung wurde auch der Rahmenlehrplan<br />

geändert, mit der Folge, dass es keine<br />

klassische Fächeraufteilung mehr gibt. Vielmehr<br />

werden nun alle Inhalte des Unterrichts in 12 sogenannte<br />

Handlungsfelder aufgeteilt, mit dem<br />

Ziel einer stärkeren Vernetzung der Bildungsbausteine<br />

und somit einer leichteren Wissensvermittlung<br />

und Handlungsorientierung. Mehrere Lehrkräfte<br />

unterrichten gemeinsam innerhalb eines<br />

Lernfeldes. Dies erhöht zwar den Zeitaufwand für<br />

Kommunikation und Koordination. Doch die gestiegene<br />

Qualität rechtfertige dies, so die einhellige<br />

Meinung der Lehrkräfte.<br />

Weitere Themen waren: Änderungen der Ausbildungsnachweise,<br />

die aktuelle Unterrichtssituation<br />

an der Friedrich-Schiedel-Schule insgesamt und<br />

deren künftige organisatorische Entwicklung sowie<br />

die geplante Neuordnung des Berufs „Milchwirtschaftlicher<br />

Laborant/Milchwirtschaftliche<br />

Laborantin“. Auch hier wird nach den Entwürfen<br />

der Verordnung und des Rahmenlehrplans ebenfalls<br />

die Handlungskompetenz im Vordergrund<br />

stehen. Wird der Zeitplan der Neuordnung eingehalten,<br />

so tritt die Verordnung zum neuen Ausbildungsjahr<br />

(1. August 2013) in Kraft. •<br />

86 Landinfo 4 | 2013


Aus den Landesanstalten<br />

Dr. Andrea Jonitz, Prof. Dr. Norbert Leist<br />

140 Jahre Saatgutprüfung in Augustenberg, Karlsruhe<br />

Der Anbauerfolg eines Landwirts hängt heute wie vor 140 Jahren vom Einsatz qualitativ hochwertigen<br />

Saatguts ab. Aufgrund der Zustände in der <strong>Landwirtschaft</strong> um 1850 (SCHMIDT 1997, STEINER 2001, JONITZ<br />

und LEIST 2009) waren Ernährungssicherung und Verbraucherschutz die Triebfedern für den<br />

Centralausschuss des landwirtschaftlichen Vereins im Großherzogtum Baden, um am 16. Januar 1872<br />

die Errichtung der weltweit dritten Samenprüfungs-Anstalt zu beschließen. Dr. Leopold Just, Dozent<br />

für Agriculturchemie und Pflanzenphysiologie am Polytechnicum in Karlsruhe wurde <strong>als</strong> Vorstand<br />

bestimmt mit dem Ziel „landwirtschaftliche Sämereien auf ihre Reinheit und Keimfähigkeit zu<br />

untersuchen und die Landwirte beim Bezug von Sämereien vor Schaden, der ihnen durch<br />

nichtkeimfähige oder verfälschte Ware erwachsen kann, zu bewahren“. 1878 beteiligten sich bereits 24<br />

Saatgutprüfstellen an der Erstellung einheitlicher Prüfmethoden.<br />

Den Forderungen der Zeit entsprechend befassten<br />

sich Just und seine Nachfolger nicht<br />

nur mit der Saatgutprüfung im engeren Sinne,<br />

sondern mit allen aus der <strong>Landwirtschaft</strong> an sie<br />

herangetragenen Problemen, dem Versuchswesen,<br />

neuen Kulturarten, Pflanzenkrankheiten und<br />

Pflanzenschutz, wobei Rebe und Tabak dam<strong>als</strong> an<br />

erster Stelle standen.<br />

Unter dem Großherzog von Baden, der von den<br />

hervorragenden Arbeiten zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

überzeugt war, übernahm der Staat Baden<br />

am 8. Mai 1884 die Samenprüfungsanstalt von<br />

der privaten Trägerschaft und benannte sie „Pflanzenphysiologische<br />

Versuchsanstalt“. 1901 erfolgte<br />

so dann die Zusammenlegung derselben mit der<br />

landwirtschaftlichen Chemie in Karlsruhe <strong>als</strong><br />

„Großherzoglich badische landwirtschaftliche<br />

Versuchsanstalt“ im Schloss Augustenburg und<br />

1907 im bekannten Neubau auf dem Augustenberg,<br />

wobei die Saatgutprüfstelle wegen ihrer vielfältigen,<br />

weit über das Saatgut hinausgehenden<br />

Untersuchungen 1918 in „Botanische Abteilung“<br />

umbenannt wurde.<br />

Beginnend mit der maßgeblichen Beteiligung an<br />

der Gründung des VDLUFA (1888) und dem<br />

Vorläufer der Fachgruppe Saatgut (1893) war die<br />

Mitgliedschaft und Mitarbeit des Referates Saatgut<br />

in der internationalen Vereinigung für Saatgutprüfung,<br />

der ISTA, ab 1926 stets selbstverständlich.<br />

So hatte Bernhard Schmidt für 15 Jahre den Vorsitz<br />

in der Fachgruppe Saatgut des VDLUFA inne,<br />

gefolgt von Leist, der 25 Jahre im Vorstand aktiv<br />

Name<br />

Dienstzeit<br />

Prof. Dr. Leopold Just 1872 - 1891<br />

Prof. Dr. Ludwig Klein 1891 - 1901<br />

Dr. Claus v. Wahl 1901 - 1929<br />

Dr. Georg Claus 1929 - 1943<br />

Prof. Dr. Hans Kummer 1943 - 1968<br />

Dr. Bernhard Schmidt 1968 - 1991<br />

Prof. Dr. Norbert Leist 1992 - 2007<br />

Dr. Andrea Jonitz 2007 -<br />

Tabelle 1<br />

Vorstände der<br />

Saatgutprüfstelle und ihre<br />

Dienstzeiten<br />

Der erste Vorstand der<br />

Saatgutprüfstelle<br />

Prof. Dr. Leopold Just<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

87


Verwaltung aktuell<br />

Tabelle 2<br />

Anzahl der<br />

Untersuchungsproben<br />

Jahr<br />

Probenzahl<br />

1934 401<br />

1940 1.248<br />

1944 3.220<br />

1945 423<br />

1950 3.787<br />

1960 4.407<br />

1970 2.946<br />

1973 7.424<br />

1980 9.330<br />

1990 11.782<br />

2000 7.172<br />

2010 8.912<br />

war und Frau Jonitz, die seit 2007 diese Funktion<br />

übernommen hat.<br />

Ebenso war Bernhard Schmidt von 1986-1992 in<br />

der ISTA im Vorstand und zugleich <strong>als</strong> Mitglied in<br />

den Komitees für Reinheit, Gesundheit und Vergleichsuntersuchungen<br />

aktiv.<br />

Norbert Leist arbeitete in den Komitees für Reinheit,<br />

Echtheit, Gehölz- und Blumensaatgut sowie<br />

im Vorschriften Komitee. Auf seine Initiative hin<br />

wurde in der ISTA 2001 das heutige GVO Komitee<br />

gegründet und bis 2007 von ihm geleitet. Höhepunkt<br />

war seine Präsidentschaft der ISTA von<br />

2000-2004.<br />

Herr Rainer Knoblauch, Biologielaborant, baute<br />

<strong>als</strong> Leiter das Echtheitskomitee von 2001 bis 2007<br />

mit neuen Impulsen auf und gehörte diesem bis<br />

2013 <strong>als</strong> Mitglied an. Frau Stefanie Krämer, Biologielaborantin<br />

ist seit 2004 Leiterin des Tetrazolium<br />

Komitees und zugleich Mitglied in den Komitees<br />

für Gehölz-und Blumensaatgut. Schließlich ist<br />

Frau Andrea Jonitz seit 2007 Mitglied in den Komitees<br />

für Reinheit und Keimfähigkeit und seit<br />

2010 im GVO Komitee, hier zuständig für die<br />

regelmäßigen Proficiency Tests.<br />

Zusätzlich sei das Deutsche Maiskomitee (DMK)<br />

genannt in dem sich aufgrund der Bedeutung für<br />

das Bundesland Baden-Württemberg alle Leiter<br />

der Saatgutprüfstelle bis heute in leitenden Positionen<br />

engagieren. Die Ausbildung und Fortbildung<br />

von Biologielaboranten sowie Stipendiaten<br />

und Gastwissenschaftlern aus aller Welt am Augustenberg<br />

(1995 – 2005: 64) ist besonders zu erwähnen.<br />

Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Universitäten,<br />

Kolleganstalten im In- und Ausland und der<br />

Saatgutwirtschaft zeigt anhand von 62 Diplom-,<br />

15 Staatsexamensarbeiten und 5 Promotionen in<br />

den letzten 50 Jahren, dass hier Forschung und<br />

Lehre zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong> betrieben<br />

wird. Oftm<strong>als</strong> mit Preisgeldern ausgezeichnete<br />

Arbeiten mündeten in Publikationen und Vorträge<br />

über die Kulturarten Hafer und Mais, Samenmorphologie,<br />

Besatz im Saatgut, Keimfähigkeit,<br />

Lebensfähigkeit mittels Tetrazolium, Triebkraft,<br />

Echtheit, Elektrophorese, Gesundheit, GVO Untersuchungen<br />

mittels PCR sowie Besonderheiten<br />

der Samenbiologie.<br />

Im Jahre 1973 wurde sodann die Saatgutuntersuchung<br />

von Württemberg und Baden in Karlsruhe<br />

zusammengeführt (Tab. 1). Dies bedeutete neben<br />

einem erhöhten Untersuchungsvolumen auch die<br />

Einarbeitung in neue Arbeitsfelder wie die Untersuchung<br />

von Gehölzsaatgut.<br />

Das Artenspektrum umfasst seit jeher sowohl<br />

landwirtschaftliche und gärtnerische Kulturarten<br />

<strong>als</strong> auch Gehölze, Heil-, Zier- und Gewürzpflanzen,<br />

die mit dem <strong>gesamte</strong>n Methodenspektrum<br />

der ISTA bearbeitet werden können. Dafür bei<br />

der ISTA akkreditiert ist die Saatgutprüfstelle seit<br />

1999.<br />

Arbeitsgebiete über die Jahre<br />

Berichtete Leopold Just in den frühen Jahren über<br />

Ambrosia artemisiifolia in Saatgut, bearbeitete Probleme<br />

mit Orobanche, Cuscuta, Hederich, Flughafer<br />

und Wachtelweizen, so waren es 1936 der Leinlolch<br />

und das Unkrautlieschgras und 1977 wieder<br />

der Flughafer. Hier gelang es die Probleme bezüglich<br />

der Beurteilung und Bewertung von „Auskreuzungen“<br />

(Bastarden, Fatuoiden) durch intensive<br />

mehrjährige Arbeiten mit modernen Methoden<br />

auf genetischer und biochemischer Basis<br />

endgültig zu lösen.<br />

88<br />

Landinfo 4 | 2013


Verwaltung aktuell<br />

Neben Hafer und Gemüse galt die besondere Aufmerksamkeit<br />

dem Hybridsaatmais <strong>als</strong> der Sonderkultur<br />

in Südbaden, wovon über 30 Arbeiten berichten.<br />

Gab es bis 1958 in der hiesigen Saatmaisvermehrung<br />

vor allem den „Gelben badischen<br />

Landmais“, so traten mit der Einführung der<br />

Hybrid-Saatgut Vermehrung neue Probleme auf.<br />

Diese konnten dank guter Personalausstattung ab<br />

1977 umfangreich bearbeitet werden. Eine Ernteund<br />

Aufbereitungsbegleitende Probenahme gefolgt<br />

von Laboruntersuchungen über die ganze<br />

Methodenpalette wurde über vier Jahre an mehr<br />

<strong>als</strong> zehn Hybridsorten durchgeführt. Dadurch gelang<br />

es die qualitätsrelevanten Bearbeitungsschritte<br />

und die Ursachen für Qualitätsminderung zu<br />

erkennen sowie Handlungsanleitungen zur Verbesserung<br />

der Saatgutqualität abzuleiten und damit<br />

Empfehlungen für den geplanten Bau eines<br />

neuen Mais-Aufbereitungswerkes zu geben.<br />

Neben anderem wurde 1978 gemeinsam mit den<br />

Saatgutlaboren von Speyer, München und den Firmenlaboren<br />

von KWS und Strube ein Kalttest für<br />

die Triebkraftprüfung bei Mais entwickelt, sowie<br />

1987 die Feststellung der genetischen Qualität bei<br />

Hybridsaatmais mittels Elektrophorese der Kornproteine<br />

ermöglicht. Das Jahr 2008 forderte jüngst<br />

einen unerwarteten Einsatz, <strong>als</strong> Beizmittel durch<br />

widrige Umstände bei der Aussaat Hybridmais<br />

solche Probleme auslösten, dass die Saatgutprüfung<br />

gefragt war den Heubachtest zur Kontrolle<br />

der Beizqualität einzuführen.<br />

Auch am Thema Keimfähigkeit wurde seit 1872<br />

bis heute ununterbrochen gearbeitet, so zum Beispiel<br />

über die Wirkung der Wärme auf die Keimfähigkeit<br />

der Samen 1876 und Keimfähigkeitsverluste<br />

bei Hybridsaatmais 1978. Für den Zwiebelanbau<br />

wurde 2004 ein Triebkrafttest etabliert,<br />

woraufhin der Verband Dt. Speisezwiebel e.V.<br />

Augustenberg <strong>als</strong> Referenzlabor benannte. In<br />

mehreren Arbeiten wurde ab 2005 dem Einfluss<br />

von Insektiziden auf die Lagerfähigkeit des Saatguts<br />

verschiedener Kulturpflanzen nachgegangen.<br />

Reinheitsuntersuchung von<br />

Getreidesaatgut,<br />

LTZ Augustenberg<br />

Keimfähigkeitsprüfung bei<br />

Maissaatgut,<br />

LTZ Augustenberg<br />

Sortenbestimmung durch<br />

Elektrophorese der<br />

Samenproteine,<br />

LTZ Augustenberg<br />

Nachdem 2002 ein Forstvermehrungsgutgesetz<br />

erlassen worden war, wurde Augustenberg <strong>als</strong> drittes<br />

Labor für diese Untersuchungen akkreditiert<br />

und zugleich gefragt, seine Erfahrungen in der<br />

Prüfung der Lebensfähigkeit mittels Tetrazoliumsalzen<br />

auf Veranstaltungen der Klenganstalten<br />

national wie international einzubringen. Nach der<br />

Übernahme der Gehölzsaatgutprüfung von der<br />

Universität Hohenheim 1973, wurden zahlreiche<br />

Arbeiten zu mehr <strong>als</strong> 25 verschiedenen Arten<br />

durchgeführt. So entstanden während der neunjährigen<br />

Leitung des Tetrazolium Komitees durch<br />

Norbert Leist, heute Stefanie Krämer, zwei ISTA<br />

Handbücher mit inzwischen über 250 Arten.<br />

Weltweit wurden 10 einwöchige Workshops zum<br />

Training der Methode durchgeführt und 11 umfangreiche<br />

Diplomarbeiten sowie zahlreiche Ringversuche<br />

wurden angefertigt.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Gesundheitsprüfung<br />

von Saatgut, die seit jeher aber insbesondere<br />

nach der Novellierung des Pflanzen-<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

89


Verwaltung aktuell<br />

Dr. Andrea Jonitz<br />

LTZ Augustenberg<br />

Tel. 0721/ 9468 150<br />

andrea.jonitz@ltz.bwl.de<br />

Prof. Dr. Norbert Leist<br />

Bad Schönborn<br />

Tel. 07253/ 33434<br />

norbert.leist@partner.kit.<br />

edu<br />

schutzgesetzes 2001, sowie der Ausweitung des<br />

ökologischen Landbaus intensiv verfolgt wurde<br />

und in über 20 Arbeiten zur Gesundheitsprüfung<br />

dokumentiert ist. Darunter fanden sich wegweisende<br />

Arbeiten über die Verbreitung der Getreidekrankheiten<br />

in Baden sowie über Pathogene und<br />

fakultativ pathogene samenbürtige Pilze auf Saatgetreide<br />

aus Baden-Württemberg, ihre Biologie,<br />

die Befallssituation und Konsequenzen. Gerade<br />

im Ökologischen Landbau ist die Bestimmung des<br />

Gesundheitszustandes ebenso wie bei Partien von<br />

Gemüsesaatgut äußerst dringend und drängend.<br />

So sind im Referat Saatgut heute 31 Arten von<br />

Kulturpflanzen und 70 pilzliche Pathogene mit<br />

Standardarbeitsanweisungen im akkreditierten<br />

Bereich untersuchbar.<br />

Besondere Beachtung verdient der mit dem züchterischen<br />

Fortschritt einhergehende stetige Ausbau<br />

der Echtheitsprüfung von Art, Sorte und Hybriden,<br />

ein Gebiet, auf dem das Labor nach Einführung<br />

der Routine in der Protein-Analytik 1987<br />

europaweit <strong>als</strong> Kompetenzzentrum gesehen wird.<br />

Waren es bei Leopold Just die Herkunft von Rotklee<br />

und Luzerne, später die Unterscheidung von<br />

Raps und Rübsen, so führte die Bearbeitung des<br />

Flughaferproblems von der Morphologie zur Methode<br />

der Elektrophorese.<br />

Einen weiteren Meilenstein stellt der erfolgreiche<br />

Aufbau eines DNA Labors 2001 dar, das <strong>als</strong> 3.<br />

ISTA Labor weltweit für GVO Untersuchungen<br />

akkreditiert wurde. Regelmäßig werden hier die<br />

Inzuchtlinien zur Produktion von Hybridsaatmais<br />

sowie stichprobenartig das importierte Mais- und<br />

Rapssaatgut im Rahmen des Saatgutmonitorings<br />

auf den Gehalt an gentechnisch veränderten Samen<br />

untersucht.<br />

Der von der ISTA für die GVO Untersuchung<br />

neu eingeführte „performance based approach“<br />

in dem jedes Labor seine Leistungsfähigkeit in<br />

Vergleichsuntersuchungen nachweisen muss, bedarf<br />

der regelmäßigen Durchführung solcher<br />

Ringversuche. Hier übernahm Augustenberg von<br />

der 4. Runde an die Verantwortung für die <strong>gesamte</strong><br />

Probenvorbereitung und den Versand. Das bedeutet<br />

die Organisation von bislang 15 ISTA<br />

GVO Vergleichsuntersuchungen mit jeweils bis zu<br />

30 Einzelproben für 60-80 Labore weltweit.<br />

Ausblick<br />

Nachdem das Land Baden 1884 die Saatgutprüfung<br />

vom privaten landwirtschaftlichen Verein<br />

übernommen hatte, erkennen wir heute den Trend<br />

zur Privatisierung und Aufgabenreduzierung. Die<br />

Verantwortung für eines unserer höchsten Güter,<br />

das Saatgut, wird nicht mehr unbedingt beim Staat<br />

gesehen, sondern zunehmend in der privaten<br />

Hand. Interessanterweise wird gleichzeitig jedoch<br />

die Lebensmittelkontrolle stark ausgeweitet. Bisher<br />

hat die Saatgutprüfstelle Augustenberg die<br />

Belange aller an der Saatgutwirtschaft Beteiligten<br />

zuverlässig und zufriedenstellend bearbeitet und<br />

sich an nationalen sowie internationalen Aufgaben<br />

erfolgreich beteiligt. Die Zukunft der Saatgutprüfung<br />

in Baden-Württemberg wird davon abhängen,<br />

ob die agrarpolitischen Ziele des Landes Baden-Württemberg<br />

konsequent umgesetzt werden<br />

können (HABER, 2009):<br />

Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> durch anwendungsorientierte<br />

Forschungsarbeiten und Sicherung des vorbeugenden<br />

Verbraucherschutzes sowie die Weiterentwicklung<br />

einer nachhaltigen landwirtschaftlichen<br />

Produktion und eine Fortführung der<br />

grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Möge<br />

die Saatgutprüfung auf dem Augustenberg weiterhin<br />

erfolgreich zum Wohle der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

beitragen.<br />

Literaturangaben<br />

HABER, N., 2009: LTZ Augustenberg – 150 Jahre<br />

Agrarforschung in Karlsruhe – Augustenberg:<br />

Einführung. Festschrift: 150 Jahre Agrarforschung<br />

auf dem Augustenberg 1859 - 2009. <strong>Landwirtschaft</strong>liches<br />

Technologiezentrum Augustenberg,<br />

Neßlerstrasse 23-31, 76227 Karlsruhe<br />

JONITZ, A., LEIST, N., 2009: Saatgutuntersuchung<br />

und angewandte Botanik. Festschrift: 150 Jahre<br />

Agrarforschung auf dem Augustenberg 1859 -<br />

2009. <strong>Landwirtschaft</strong>liches Technologiezentrum<br />

Augustenberg, Neßlerstrasse 23-31, 76227 Karlsruhe<br />

SCHMIDT, B., 1997: Zur Entwicklung der Saatgutprüfung<br />

an der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Untersuchungsanstalt<br />

Augustenberg im Verlauf ihrer<br />

125-jährigen Geschichte. Festschrift Saatgutprüfung<br />

1872-1997. Staatlich <strong>Landwirtschaft</strong>liche<br />

Untersuchungs- und Forschungsanstalt Augustenberg,<br />

Neßlerstrasse 23, 76227 Karlsruhe<br />

STEINER, A.M., 2001: Saatgut und Saatgutqualität<br />

<strong>als</strong> Grundlage von Nahrungsmittelversorgung<br />

und Lebensqualität. ALVA-Tagung 2001: Wolfpassing,<br />

AT, Tagungsbericht •<br />

90<br />

Landinfo 4 | 2013


Verwaltung aktuell<br />

„Eingefallen - Der Reparaturbereich“<br />

Michael Heck<br />

LVG-Praxiskurse „Sanierung von<br />

Weinbergstrockenmauern“<br />

Am 16. und 17. November 2012 fand der erste Praxiskurs „Sanierung von Weinbergstrockenmauern“<br />

unter der Leitung der LVG Heidelberg statt. Der Grundlagenkurs entstand <strong>als</strong> Folge der Praxis-<br />

Broschüre „Bau und Instandhaltung von Naturstein-Trockenmauern in terrassierten Weinbau-<br />

Steillagen“, die 2011 erschienen ist.<br />

Zweck des Kurses war, mit der Ausbildung von<br />

Multiplikatoren zu beginnen, welche die<br />

handwerklichen Fähigkeiten unserer Vorfahren<br />

erlernen, bewahren und z.B. an den Berufsnachwuchs<br />

weitergeben.<br />

11 Teilnehmer haben im Rahmen eines zweitägigen<br />

Kurses direkt in einem Weinberg bei Stuttgart-Mühlhausen<br />

die Grundlagen von Bau, bzw.<br />

Wiederaufbau einer Weinbergs-Trockenmauer,<br />

Steinbearbeitung und Hintermauerung erlernt.<br />

Der Weinberg wurde vom Verein der Weinbauern<br />

Mühlhausen zur Verfügung gestellt. Als Ausbilder<br />

konnte Martin Bücheler aus Stuttgart gewonnen<br />

werden, der mit zwei Mitarbeitern aus seinem Be-<br />

Landinfo 4 | 2013<br />

91


Verwaltung aktuell<br />

„Aufgepasst - Martin Bücheler erklärt“<br />

„Gut gelaunt - die Presse berichtete aus<br />

erster Reihe“<br />

„Konzentriert - Ecken sind<br />

eine besondere Herausforderung“<br />

„Das Kernstück - erst die Hintermauerung<br />

gibt Stabilität“<br />

Michael Heck<br />

LVG Heidelberg<br />

Tel. 06221/ 748424<br />

Michael.Heck@lvg.bwl.de<br />

trieb auch die Bereitstellung von Werkzeug und<br />

Materialien organisierte. Für den theoretischen<br />

Teil stand der Saal des Bezirksrathauses Mühlhausen<br />

zur Verfügung.<br />

Unter den Teilnehmern waren ebenso Fachkräfte<br />

aus dem Garten- und Landschaftsbau, wie auch<br />

Winzer aus den umliegenden Regionen.<br />

Das Medieninteresse war erfreulich groß. Neben<br />

der Berichterstattung in der Fach- und Tagespresse<br />

wurde auf SWR 4 eine Rundfunkreportage ausgestrahlt.<br />

Die Chefredakteurin des Fachmagazins<br />

„Rebe und Wein“ war selbst Teilnehmerin und<br />

konnte aus erster Hand berichten.<br />

Die optimalen Rahmenbedingungen und das Wetterglück<br />

waren Garant für einen erfolgreichen<br />

Kursverlauf mit zufriedenen Teilnehmern.<br />

Aufgrund der Nachfrage wurden im März und<br />

September 2013 weitere Kurse durchgeführt.<br />

Hinweis<br />

Der nächste Kurs findet am 15./16. November<br />

2013 in Stuttgart-Mühlhausen statt. Zaungäste<br />

sind herzlich willkommen.“ •<br />

92 Landinfo 4 | 2013


Fleisch - ein Stück Lebenskraft ???<br />

„Ein herausragendes Symbol für Männlichkeit<br />

ist in vielen Gesellschaften das Fleisch.<br />

Es ist wie kein anderes Nahrungsmittel<br />

von einer Aura umgeben,<br />

in der sich Macht, Stärke und Potenz<br />

zu einer quasi magischen Einheit verdichten.<br />

Diese Vorstellungen rühren vom<br />

Mythos der Einverleibung<br />

animalischer Lebenskraft her:<br />

Ein Stück Fleisch auf dem Teller bedeutet,<br />

aus dem Kampf mit der Natur<br />

<strong>als</strong> Sieger hervorgegangen zu sein“<br />

(Ulrike Setzwein, UGB)

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