out! Nr. 12 - Lambda-Bayern e.V.
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<strong>12</strong>, Frühling 2010<br />
Familie
INTERNES 3<br />
inhalt<br />
02 Comic<br />
04 Denkwürdig<br />
06 We are family<br />
08 Kinder in Regenbogenfamilien<br />
09 Ich bin lesbisch. Meine Mutter auch.<br />
10 Wir sind Familie<br />
<strong>12</strong> Coming Out<br />
13 Mirjam Müntefering über Familie<br />
14 Selbsthilfegruppe für Eltern<br />
16 Rezensionen<br />
18 23 Minuten<br />
19 Ausgehandelte Sicherheit<br />
editorial<br />
„Eine Familie (lat. familia<br />
„Hausgemeinschaft“) ist soziologisch<br />
eine durch Partnerschaft, Heirat<br />
oder Abstammung begründete<br />
Lebensgemeinschaft, im<br />
westlichen Kulturkreis meist<br />
aus Eltern beziehungsweise<br />
Erziehungsberechtigten und Kindern<br />
bestehend, gelegentlich durch weitere,<br />
mitunter auch im gleichen Haushalt<br />
wohnende, Verwandte erweitert.“<br />
Familie ist für viel von uns aber auch einfach der Ort, die Gemeinschaft,<br />
bei der wir uns wohl und aufgehoben fühlen, wo<br />
wir so sein können wie wir wirklich sind.<br />
Ob dies nun die angeborene, oder die von uns selbst gewählte<br />
Wahlfamilie ist, in jedem Fall kommt nun mit dem beginnenden<br />
Frühling die besten Zeit, um mit unseren Lieben die ersten<br />
Sonnenstrahlen zu genießen, das Jahr zu planen und vielleicht<br />
die eine oder andere gemeinsame (<strong>Lambda</strong>-)Reise zu buchen.<br />
Und vielleicht könnt ihr ja nach dem Besuch auf dem Internationalen<br />
<strong>Lambda</strong> Sommercamp eure Familie um einige Personen<br />
erweitern.....<br />
Lasst es krachen!<br />
Gila Rosenberg<br />
Impressum<br />
<strong>out</strong>! – Zeitschrift des Jugendnetzwerk::<strong>Lambda</strong> e.V.<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Lambda</strong> e.V.<br />
Windthorststr. 43a<br />
99096 Erfurt<br />
<strong>out</strong>@lambda-online.de<br />
Eigenverlag<br />
Auflage: 3300<br />
Erscheinungsweise: 4x/Jahr<br />
Redaktion: Verena Waldbröl<br />
V.i.S.d.P.: Gila Rosenberg<br />
GRAFIK DESIGN: Joanna Soyka, www.ferrytoginger.com<br />
Titelgrafik: Thomas Weiss/ pixelio.de (Montage: Verena Waldbröl)<br />
Die <strong>out</strong>! wird gefördert aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes. Urheberrechte für alle<br />
in der <strong>out</strong>! veröffentlichten Beiträge, auch für Auszüge und Übersetzungen, liegen beim Jugendnetzwerk<br />
<strong>Lambda</strong>. Jegliche Vervielfältigung - auch auszugsweise oder in elektronischen<br />
Medien - bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeber_in.<br />
Unaufgefordert eingesandte Manuskripte und andere Vorlagen werden gerne von der Redaktion<br />
angenommen, müssen jedoch frei von Rechten Dritter sein. Mit der Einsendung von Vorlagen<br />
gibt der/die Verfasser_in die Zustimmung zum Abdruck in der <strong>out</strong>!. Eine Gewähr für<br />
die Richtigkeit kann nicht übernommen werden.
4 DENKWÜRDIG<br />
DENKWÜRDIG 5<br />
Todesstrafe für<br />
Homosexuelle im<br />
Iran stoppen<br />
Die Exilorganisation Iranian Railroad for<br />
Queer Refugees (IRQR) und die Hirschfeld-Eddy-Stiftung<br />
haben die „No Execution<br />
Campaign“ ins Leben gerufen,<br />
mit der sie einen Beitrag zur Abschaffung<br />
der Todesstrafe im Iran leisten wollen.<br />
IRQR ist im internationalen Beirat der<br />
Hirschfeld-Eddy-Stiftung vertreten. Deren<br />
Aufruf zur Unterstützung der Arbeit<br />
von IRQR fand eine große Resonanz.<br />
Das im Iran geltende islamische Strafrecht<br />
sieht vor, dass Lesben und Schwule mit dem<br />
Tod bestraft werden können. Wegen homosexueller<br />
Handlungen, im iranischen Sharia-<br />
Strafrecht als „lavat“ bezeichnet, werden Menschen im Iran gehängt oder<br />
zu Tode gesteinigt.<br />
Amnesty International berichtet, dass im Jahr 2008 im Iran mindestens<br />
346 Menschen hingerichtet worden sind Menschenrechtsaktivisten,<br />
Schwule und Lesben, religiöse und ethnische Minderheiten, Journalist_<br />
innen, unzählige iranische Bürger_innen sind in ihrer Heimat von barbarischen<br />
Todesstrafen bedroht. Selbst vor der Hinrichtung von Kindern<br />
und Jugendlichen schrecken die Behörden nicht zurück. Das Regime<br />
hält an dieser drakonischen Bestrafung fest, obwohl auch der Iran die<br />
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet hat.<br />
Ziel der Kampagne ist es, mindestens 346 Briefe an die Bundesregierung<br />
zu schicken, in denen sie aufgefordert wird, sich gegenüber der iranischen<br />
Regierung für einen Stopp der Todesstrafe einzusetzen. Unter<br />
www.noexecution.com kann der Musterbrief heruntergeladen werden.<br />
Homophober Ministerpräsident<br />
Mappus<br />
Informationen für Regenbogenfamilien<br />
Seit dem 10. Februar ist Stefan Mappus<br />
der neue Ministerpräsident von Baden-<br />
Württemberg. Der Stuttgarter Landtag<br />
wählte den CDU-Parteivorsitzenden mit<br />
83 zu 51 Stimmen zu Günther Oettingers<br />
Der Lesben- und Schwulenverband<br />
Deutschland (LSVD) hat bereits 2007 einen<br />
„Beratungsführer für lesbische Mütter,<br />
schwule Väter und familienbezogenes<br />
Fachpersonal“ herausgegeben, der auch<br />
online unter www.family.lsvd.de einsehbar<br />
ist. Die 178 Seiten starke Broschüre<br />
befasst sich mit allen Themen, die eine<br />
(werdende) Familie interessieren. Sie zeigt<br />
Nachfolger, der als deutscher EU-Kommissar nun in Brüssel tätig ist.<br />
Mappus ist ein Gegner der eingetragenen Lebenspartnerschaft und<br />
spricht sich auch vehement gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle<br />
Paare sowie CSD-Paraden aus.<br />
Wege schwul-lesbischer Familienplanung auf, gibt’s Tipps für das<br />
Coming.<strong>out</strong> bei den eigenen Kindern, erläutert mögliche Samenquellen<br />
oder Adoptionsarten und berät, wenn die Kinder schließlich<br />
da sind. Wie viel Vater braucht ein Kind? Wie handele ich, wenn<br />
mein Kind gemobbt wird? Nebenbei finden sich auch Anregungen<br />
und Tipps für Erzieherinnen in Kindergärten und Schulen. Aufgepeppt<br />
werden die Ratschläge durch Zitate von Eltern und Kindern,<br />
die die Situationen bereits erlebt haben.<br />
Christine Lüders zur<br />
Leiterin der Antidiskriminierungsstelle<br />
des Bundes bestellt<br />
Mit Wirkung vom 8. Februar 2010 wurde<br />
Christine Lüders zur Leiterin der<br />
Antidiskriminierungsstelle des Bundes<br />
bestellt. Lüders ist eine Expertin<br />
für Integration, Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Kommunikation. Sie<br />
verfügt über langjährige Erfahrungen<br />
und vielfältige Verbindungen in<br />
Politik und Wirtschaft. Sie war unter anderem als<br />
Vorstandsreferentin und Abteilungsleiterin bei Lufthansa tätig. Später<br />
leitete sie das Referat Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation<br />
im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und<br />
Integration in Nordrhein- Westfalen. Zuletzt war die 56-Jährige Referatsleitrin<br />
für Öffentlichkeitsarbeit und Beauftragte für Stiftungen<br />
im Kultusministerium in Hessen. Die studierte Pädagogin ist<br />
verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.<br />
Filmfestivals<br />
Kinofans aufgepasst: Im April finden<br />
wieder einige Filmfestivals statt. Das Verzaubert<br />
Queer Film Weekend findet am<br />
17./18. April in München und Frankfurt<br />
und am 24./25. April in Köln und Berlin<br />
statt. Das ganze Programm erfahrt Ihr<br />
Anfang April unter www.verzaubertfilmfest.com.<br />
Vom 14. bis 18. April präsentiert<br />
das Internationale Frauen-filmfestival<br />
Dortmund | Köln ein hochkarätiges<br />
Programm mit über 100 Filmen von Frauen aus aller Welt. In diesem<br />
Jahr wurden für die fünf Programm-Sektionen mehr als 700<br />
Filme gesichtet. Acht Filme konkurrieren um den mit 10.000 Euro<br />
dotierten Preis für internationale Spielfilmdebüts. Über die Preisvergabe<br />
werden in diesem Jahr die österreichische Produzentin und<br />
Regisseurin Barbara Albert (coop 99; Nordrand, Fallen), die serbische<br />
Schauspielerin Mirjana Karanovic‘ (Papa ist auf Dienstreise,<br />
Das Fräulein, Esmas Geheimnis), und die deutsche Redakteurin<br />
Dr. Jessica Eisermann (WDR / 1Festival) entscheiden. Mehr unter<br />
www.frauenfilmfestival.eu<br />
Adoptionsverbot<br />
verstöSSt gegen<br />
die Verfassung<br />
Das Adoptionsverbot für homosexuelle<br />
Paare ist verfassungswidrig, so ein Gutachten<br />
des Wissenschaftlichen Dienstes<br />
des Bundestags, das im Auftrag der Grünen<br />
erstellt wurde. Beim Adoptionsrecht<br />
sei ein „sachlicher Rechtfertigungsgrund“<br />
erforderlich, um die eingetragene Partnerschaft<br />
nicht wie die Ehe zu behandeln. Es<br />
gäbe keine Studien, die aussagen würden,<br />
dass das Kind homosexueller Eltern benachteiligt<br />
sei, außerdem dürften Einzel-<br />
personen auch adoptieren. Im Moment wird homosexuellen Paaren<br />
nur das „kleine Adoptionsrecht” gewährt, bei dem ein_e Lebenspartner_in<br />
ein Kind adoptieren kann, das der/die andere Partner_in aus<br />
einer früheren Beziehung mitgebracht hat. Das Gutachten der Bundesregierung<br />
bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom Juli 2009, welches die Hinterbliebenenrente verhandelt.<br />
Dabei wurde festgestellt, dass sich eingetragene Lebenspartnerschaften<br />
und Ehen in der „auf Dauer übernommenen, auch rechtlich<br />
verbindlichen Verantwortung für den Partner” nicht unterscheiden.<br />
Foto: Pixelio/Knipseline<br />
20 Jahre LSVD<br />
Zehnjähriger setzt<br />
sich für Rechte Homosexueller<br />
ein<br />
Am 18. Februar 1990 wurde in Leipzig<br />
der „Schwulenverband in der DDR“<br />
(SVD) gegründet. Bereits nach wenigen<br />
Monaten hat er sich in „Schwulenverband<br />
in Deutschland“ umbenannt und<br />
Der zehnjährige Will Phillips aus dem<br />
Bundesstaat Arkansas sorgte jüngst<br />
für Aufsehen in Amerika, weil er beim<br />
Treuschwur vor dem Unterricht nicht<br />
aufstehen wollte. Der Junge, der später<br />
beschlossen, bundesweit aktiv zu werden. Seit dem tritt der Verband<br />
aktiv für Gleichstellung und Gleichberechtigung ein. Seit 1999 dann<br />
gemeinsam für Lesben und Schwule als „Lesben und Schwulenverband<br />
in Deutschland“ (LSVD).<br />
Anwalt werden möchte, denkt nicht, dass in Amerika „Freiheit und<br />
Gleichheit für alle“ gelten. Durch Freunde seiner Eltern weiß er,<br />
dass viele homosexuelle Paare gerne heiraten und Kinder adoptieren<br />
möchte, dies aber nicht erlaubt ist. Seine Eltern unterstützen Phillips<br />
Meinung.
6 WE ARE FAMILY<br />
WE ARE FAMILY 7<br />
We are family<br />
I got all my sisters with me<br />
We are family<br />
get up everybody and sing<br />
Dieser gröSSte Erfolg von Sister Sledge stammt<br />
aus dem Jahr 1979. Er gehört laut Internet zu<br />
den 30 schwulsten Songs aller Zeiten (was<br />
auch immer das heiSSen mag) und handelt<br />
(zumindest für schwule Ohren) offenbar von<br />
einer hervorragend zusammengestellten „Wahl-<br />
Familie“. Denn alle haben SpaSS und sind gut drauf.<br />
Mit der krüppeligen Verwandtschaft, die uns das<br />
biologische Schicksal zugeteilt hat, geraten wir<br />
doch mehr aneinander, als dass wir singend und<br />
tanzend mit ihr durch die Gegend ziehen. Oder?!<br />
Ich denke, dass es viele Arten gibt, die<br />
Herkunftsfamilie, also die Familie, in der<br />
man durch Geburt gelandet ist oder in<br />
der man zumindest aufwächst, zu erfahren.<br />
Ich habe zwar Einfluss darauf, wie<br />
ich die Herkunftsfamilie erlebe, denn ich<br />
bin ja ein Teil davon. Aber manchmal ist<br />
dieser Einfluss auch sehr beschränkt. Etwa<br />
wenn ich gegenüber den anderen Familienmitgliedern<br />
in der schwächeren Position<br />
bin - aufgrund meines Alters, weil<br />
ich ein geringes Selbstwertgefühl habe,<br />
wegen meiner ganz persönlichen Rolle in<br />
der Gesellschaft im Allgemeinen und in<br />
dieser Familie im Speziellen.<br />
Vielleicht wird mir sogar die Funktion des<br />
„Problemkindes“ zugeteilt - oder die des<br />
„Unruhestifters“ oder der „Versagerin“.<br />
Gerade wenn ich nicht so ticke wie meine<br />
Geschwister, wie Mitschüler_innen,<br />
Gleichaltrige in der Verwandtschaft. Zum<br />
Beispiel wenn ich mich als Junge in einen<br />
anderen Jungen verliebe oder als Mädchen<br />
auf andere Mädchen stehe. Oder mir das<br />
zumindest hin und wieder passiert. Oder<br />
wenn ich mich als Junge fühle, aber alle<br />
anderen sehen nur das Mädchen in mir.<br />
Oder umgekehrt. Dann ist die Rolle des<br />
Außenseiters oder der Außenseiterin doch<br />
vorprogrammiert, oder? Dann wird die so<br />
genannte Herkunftsfamilie zur Hölle.<br />
Es kann aber auch anders laufen,<br />
das Leben in der Herkunftsfamilie kann<br />
auch glücklich machen.<br />
Wenn ich Probleme habe und ich<br />
mich voller Vertrauen an meine(n)<br />
Mutter/Vater/Tante/Bruder/Oma wenden<br />
kann. Wenn ich mich mal einsam fühle<br />
und dann doch Nähe und Zuwendung<br />
erfahre. Wenn ich sehe: Die lieben mich,<br />
so wie ich bin. Und da ist es total egal,<br />
ob ich „hetero“ oder „andersrum“ oder<br />
„trans*“ bin und das laut sage. Na ja,<br />
vielleicht nicht egal, aber doch ok, und<br />
nach vorübergehender Aufregung kriegen<br />
sich auch alle wieder ein und geben mir<br />
zu verstehen, dass sich nicht wirklich was<br />
geändert hat, dass ich genauso sein darf<br />
und sein soll, wie ich bin, weil das gerade<br />
richtig ist. Und sie unterstützen mich,<br />
wenn es mal „von außen“ Stress gibt.<br />
Wie sieht es wohl mehrheitlich aus? Mehr<br />
Leid als Freud? Ich weiß es nicht, es hat<br />
wohl auch etwas mit dem eigenen Blickwinkel,<br />
der eigenen Verfassung zu tun.<br />
Wenn ich mich gut fühle, nerven mich<br />
meine Eltern und Geschwister weniger;<br />
wenn es mir schlecht geht, kotzen<br />
mich alle und alles an. Dann kann es mir<br />
keine_r recht machen. Wenn ich 15 Jahre<br />
alt bin, sehe ich die Welt mit anderen Augen<br />
als mit 35. Logisch. Herkunftsfamilie<br />
kann also so oder so zu mir sein. Und sich<br />
auch verändern…<br />
Ich erzähle mal ein bisschen von meinem<br />
(späten) Coming Out: Meine Mutter saß<br />
mit mir in der Küche und fühlte mir auf<br />
den Zahn, wollte endlich wissen, woran<br />
sie bei mir war, ob ich mich „sexuell“ besser<br />
mit „Mädchen“ als mit „Jungs“ verstünde.<br />
Ich gab also – ganz brave Tochter<br />
– wahrheitsgemäß Auskunft. Meine Mutter<br />
fing an zu weinen und schärfte mir<br />
ein, dass „das“ ja nun nicht jeder wissen<br />
müsse, insbesondere niemand an meinem<br />
Arbeitsplatz. Aber sie habe mich noch immer<br />
lieb, das solle ich doch auch wissen.<br />
Sie hat es dann wohl schnell meinem Vater<br />
zugetragen, und der überschlug sich<br />
an diesem und den folgenden Wochenenden<br />
mit Versicherungen, dass er mich<br />
unheimlich lieb habe. So weit, so (halbwegs)<br />
gut.<br />
In späteren Jahren schwiegen beide außerhalb<br />
der (Kern-)Familie über mein<br />
Lesbischsein. Weder erfuhren weitere<br />
Verwandte davon noch Freunde meiner<br />
Eltern. Auf großen Familienfeiern wurde<br />
es immer so eingerichtet, dass ich nicht<br />
mit von der Partie war. Ich war ganz froh,<br />
hatte ja auch mit den Anlässen wenig am<br />
Hut: Hochzeiten, Kindertaufen, Jubiläen<br />
etc. Aber es wurmte mich, dass „ich“<br />
nicht stattfand. Von mir wussten meine<br />
Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins<br />
nur, wo ich wohnte und bei welcher Firma<br />
ich arbeitete, mehr nicht.<br />
Das änderte sich erst bei der Beerdigung<br />
meiner Mutter, viele Jahre später. Da endlich<br />
durfte ich meine Freundin mitnehmen,<br />
endlich wurde sie den Verwandten<br />
als meine Partnerin vorgestellt. Ich weiß<br />
bis heute nicht wieso. Vielleicht weil<br />
mein Vater zu diesem Zeitpunkt einfach<br />
nicht genug Kraft für irgendwelche Fassaden<br />
hatte, vielleicht weil er schon lange<br />
der Überzeugung gewesen war, dass man<br />
mein Lesbischsein nicht als Makel verschweigen,<br />
mein Leben nicht verstecken<br />
musste. Das hat mich, ohne den Grund<br />
genau zu kennen, sehr gefreut. Heute lebe<br />
ich als „no gender“ irgendwie zwischen<br />
den Geschlechtern, und er hat sich mit<br />
meinem Äußeren und meinem Auftreten<br />
angefreundet. Wir thematisieren das<br />
nicht großartig, aber das ist ok. Ich bin<br />
zufrieden mit dem Erreichten, und er ist<br />
es wohl ebenso.<br />
Everyone can see we‘re together<br />
as we walk on by<br />
And we fly just like birds of a feather -<br />
I won‘t tell no lie<br />
Fliegen wir weiter mit der so genannten<br />
Wahl-Familie! Es ist ein großes Glück,<br />
sich seine Familie selbst zusammenstellen<br />
zu können, gerade dann, wenn das<br />
Leben in der Herkunftsfamilie nicht so<br />
dolle ist. Eine Wahl-Familie spiegelt meine<br />
Entwicklung wider - erst bin ich mit<br />
Mitschüler_innen oder Nachbar_innen<br />
befreundet, dann hänge ich mit Leuten<br />
aus meiner Ausbildung oder meinem<br />
Studium ab, dazu kommen Personen, die<br />
meine Interessen teilen, Menschen, die<br />
ich in der „Szene“ kennengelernt habe<br />
u.v.m. Darunter sind die unterschiedlichsten<br />
Persönlichkeiten. Wenn ich mal<br />
eine Selbstdefinitionsliste in meinem eigenen<br />
Freundes- und Bekanntenkreis herumreichte,<br />
kämen die unterschiedlichsten<br />
Richtungen und Schwerpunkte dabei heraus:<br />
Lesbe, Musikerin, genderqueer, Filmemacher,<br />
schwul, Hetera, Opern-Fan,<br />
Drag King, DJ, Lebenskünstlerin und<br />
und und.<br />
Das Schöne ist: Sie sind mit mir befreundet<br />
(eng oder eher locker), weil sie mich<br />
(hoffentlich!) mögen, und nicht, weil sie<br />
dazu verpflichtet sind. Alles freiwillig, jederzeit<br />
(wenn auch unter Schmerzen)<br />
kündbar. Und keine_r erwartet irgendetwas<br />
von mir, nur weil ich mich bei meiner<br />
Einschulung auch schon so verhalten<br />
habe. Dass die Herkunftsfamilie engere<br />
und festere Bande knüpft als die Wahl-Familie, wurde früher oft<br />
mit der Redensart „Blut ist dicker als Wasser“ begründet. Unabhängig<br />
davon, ob diese Behauptung zutrifft: Haben die noch nie etwas<br />
von „Blutsbrüderschaft“ gehört?<br />
Familie hier, Familie dort - am besten ist es wohl zu mischen: die<br />
Liebe und Unterstützung, die man braucht, hartnäckig zu suchen,<br />
und zwar dort, wo man sie finden kann. Wenn ich z.B. Stress mit<br />
meinen Eltern habe, kann ich Rückhalt bei meinen Freund_innen<br />
finden. Bricht eine Liebe entzwei, finde ich vielleicht Trost bei meinen<br />
Eltern oder Geschwistern. Manchmal ist es gar nicht so einfach,<br />
den nötigen Support auf Anhieb zu finden, dann muss ich geduldig<br />
weitersuchen, bis ich sagen und vielleicht sogar auch singen kann:<br />
We are family - I got all my sisters with me!<br />
Nic da Wig
8 KINDER IN REGENBOGENFAMILIEN<br />
ICH BIN LESBISCH. MEINE MUTTER AUCH. 9<br />
„Alles Liebe<br />
zum Muttertag,<br />
Mama! Und dir<br />
auch, Mutti!“<br />
Kinder, die zwei Mütter haben. Oder zwei Väter. Findet man sie<br />
komisch? Tun sie einem leid? Beneidet man sie? Versteht man die<br />
Welt, in der sie leben? Ist diese Welt anders?<br />
Genau das ist die Frage: Gestaltet sich das Leben von Regenbogenkindern<br />
anders, als von „normalen“ Kindern?<br />
Aber woher kommt diese Frage? Und warum immer der Vergleich<br />
mit der „Normalität“?<br />
Ein Kind, das in einer Familie aufwächst, in der die Eltern in einer<br />
homosexuellen Partnerschaft leben, erlebt doch zunächst nichts<br />
anderes, als Kinder aus heterosexuellen Partnerschaften. Im besten<br />
Fall erfahren sie Liebe, Zuneigung, Verständnis und Geborgenheit.<br />
Sie werden gefördert, verbringen den Alltag miteinander<br />
und meistern schwierige Lebensphasen. Was aber, wenn das<br />
ganze Familienkonstrukt als Schwierigkeit angesehen wird? Wenn<br />
die Kinder im Kindergarten oder der Schule merken- bei mir zu<br />
Hause ist es anders.<br />
Kay-Alexander hat 15 Jahre in einer – wie man leichthin sagt –<br />
„normalen“ Familie gelebt. Mutter, Vater, kleiner Bruder. Dann<br />
folgte die Trennung der Eltern. Warum? Kays Mutter merkte, dass<br />
sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt. Sie ging in eine<br />
lesbische Coming-<strong>out</strong> Gruppe und lernte dort eine Frau kennen,<br />
mit der sie später auch zusammenzog.<br />
Diese Situation ist wohl für jede Familie, deren Angehörige und<br />
Freund_innen eine prekäre Lage. Das zeigte sich auch in der Geschichte<br />
von Kay: Verwandte, wie zum Beispiel die konservative<br />
Oma oder der Onkel, hatten ernsthafte Schwierigkeiten den Lebenswandel<br />
nachzuvollziehen und zu akzeptieren. Einige Freunde<br />
wandten sich ab. Die Beziehung zum Ehemann, ohnehin schon<br />
belastet, wurde nun noch mehr erschwert.<br />
Und was sagten die Kinder dazu? Kay ahnte es wohl schon längere<br />
Zeit. Er stand seiner Mutter bei, hielt zu ihr, auch vor den<br />
verständnislosen Verwandten. Er mochte die Frau, die kurz nach<br />
der Trennung der Eltern in die Nähe zog und fast täglich zu Besuch<br />
war.<br />
Und letztlich war es wohl eine Art Feuerprobe aus der Beobachter_innenperspektive<br />
für sein eigenes Coming-<strong>out</strong>. Schon vor dem<br />
Coming-<strong>out</strong> seiner Mutter hatte Kay, damals noch als Frau lebend,<br />
bemerkt, dass er sich zum weiblichen Geschlecht hingezogen<br />
fühlt.<br />
Was für ein Klischee: Kinder von homosexuellen Eltern werden<br />
auch homosexuell. Kay sieht es nicht so, es gibt genug Studien, die<br />
das ebenfalls widerlegen. Trotz dieser Überzeugung wartete er nach<br />
der Trennung seiner Eltern einige Zeit ab, bevor er sich ge<strong>out</strong>et<br />
hat. Vielleicht um die Familie zu schützen.<br />
Die Reaktionen waren ähnlich wie<br />
zuvor bei der Mutter, zumindest seitens<br />
der Familie. Unverständnis, Ungläubigkeit.<br />
Die Freund_innen reagierten cool,<br />
haben es wohl auch schon geahnt. Die<br />
Reaktion von Kays Mutter war sehr positiv.<br />
Sie war es auch, die ihn zu <strong>Lambda</strong><br />
brachte. Und einige Zeit später wagte<br />
Kay das, was er schon mit drei Jahren<br />
verspürte: er sagte offen, er möchte als<br />
Mann leben.<br />
Das war harter Tobak- sogar für die<br />
Mutter, die nicht ganz so aufgeschlossen<br />
reagierte, wie beim ersten Coming-<strong>out</strong>.<br />
Aber erwartet man nicht gerade in der<br />
Homoszene Toleranz jeglicher sexuellen<br />
Orientierung und Geschlechtsidentität<br />
gegenüber? Vielleicht war es aber gar<br />
nicht die lesbische Frau, die Schwierigkeiten<br />
mit dem Trans-Coming-<strong>out</strong> hatte,<br />
sondern die Mutter, die sich Sorgen<br />
machte, denn es ist hart, sich ein Leben<br />
als Transmann aufzubauen.<br />
So sieht es auch Kay und dennoch<br />
macht er sich kaum Sorgen, wie andere<br />
darüber denken, dass er als Regenbogenkind<br />
ebenfalls homosexuell beziehunsgsweise<br />
transsexuell ist. Er meistert die<br />
Schwierigkeiten, die den Lebenswandel<br />
von Frau zu Mann mit sich bringen.<br />
Natürlich gibt es Familien, in denen<br />
läuft es ganz anders ab. Wenn von Anfang<br />
an eine homosexuelle Partnerschaft<br />
besteht, in die Kinder hineingeboren<br />
werden, ist es mit der Akzeptanz von<br />
Freund_innen und Familien vielleicht<br />
nicht so ein Kampf. Hier bleibt die Frage<br />
offen, wie es die Kinder aufnehmen<br />
oder die Schulfreunde reagieren.<br />
Kay erzählt, dass er sehr offen mit der<br />
Homosexualität seiner Mutter umgegangen<br />
ist. Probleme in der Schule, mit<br />
Freund_innen, die seltsam oder abweisend<br />
reagierten, hatte er nicht. Es war<br />
für ihn total normal, vermutlich auch<br />
durch viele offene Gespräche mit seiner<br />
Mutter und ihrer neuen Freundin.<br />
Es darf natürlich nicht die Frage<br />
der Fragen fehlen: Wie gestaltet sich<br />
der Alltag in einer Regenbogenfamilie?<br />
Sie sollen doch so anders sein, wo<br />
sollte es sich denn deutlicher zeigen als<br />
hier? Aber irgendwie ist mir die Frage<br />
im Halse stecken geblieben, denn vermutlich<br />
erkennt man nicht unbedingt<br />
an den Abendbrotzeiten und der Aufgabenverteilung<br />
im Haushalt, was eine Regenbogenfamilie<br />
„anders“ macht. Denn<br />
das sind sie nicht. Es ist wie bei allen<br />
anderen auch: Das Wichtigste ist und<br />
bleibt die Familie und das Miteinander.<br />
Wenn dieses geprägt ist von Akzeptanz<br />
und einem freien Umgang mit Sexualität,<br />
dem Anderssein (was auch immer<br />
jemanden als andersartig definiert),<br />
wenn die Kommunikation in Familien<br />
an oberster Stelle steht, dann kann vieles<br />
gemeistert werden.<br />
Intoleranz wird es vermutlich immer<br />
geben, genauso wie Verständnislosigkeit<br />
und Vorurteile herrschen werden,<br />
solange wie die Aufklärung nicht voranschreitet.<br />
Gespräche mit Kindern aus<br />
Regenbogenfamilien helfen. Es war eine<br />
Freude, mit Kay zu sprechen, zu hören,<br />
dass am Ende irgendwie doch alles gut<br />
war innerhalb der Familie. Es bringt<br />
Hoffnung, dass in Zukunft vielleicht<br />
nicht mehr unterschieden wird, zwischen<br />
„normalen“ Familien und Regenbogenfamilien.<br />
Maxi Johl<br />
ICH BIN LESBISCH.<br />
MEINE MUTTER AUCH.<br />
Ich bin lesbisch. Meine Mutter auch. Beste Voraussetzungen<br />
also für ein entspanntes Coming Out – sollte man denken. Aber<br />
so entspannt war es dann gar nicht. Und vor allem ist es gar<br />
nicht so einfach, lesbisch zu werden, wenn die eigene Mutter<br />
das schon vorgemacht hat.<br />
„Ich muss dir was sagen. Ich hab‘ da jemanden kennengelernt.“ -<br />
„Und, hat er blonde Haare und blaue Augen???“ Ich grinse meine<br />
Mutter erwartungsvoll an. Sie antwortet etwas zögerlich: „Naja<br />
... blonde Haare schon, nur keine blauen Augen. Die sind grün.<br />
Außerdem ist er eine Sie.“ Schweigen. Kurzes Gedankenchaos in<br />
meinem Kopf. Dann sprudelt aus mir heraus: „Was, eine Frau?<br />
Wer ist es? Kenn ich sie? Wie cool! Wann habt ihr euch kennen<br />
gelernt? Wann lern‘ ich sie kennen? Wie spannend! ...“<br />
Ich war 14 und hatte gerade meinen ersten richtigen Freund. Meine<br />
Eltern hatten sich vor einem halben Jahr getrennt. Aber dass<br />
meine Mutter auf Frauen steht, hätte ich nie gedacht. Ihr Coming<br />
Out war eine riesen Überraschung – und ich war begeistert.<br />
Sieben Jahre später<br />
„Ich muss dir was sagen. Ich hab‘ da jemanden kennengelernt.“<br />
- „Was, echt?“ Meine Mutter ist gespannt. „Erzähl, wie sieht er<br />
aus?“ Ich grinse sie an und antworte etwas zögerlich: „Sie sieht<br />
toll aus.“ Schweigen. Dann: „Eine Frau??? Wieso das denn? Das<br />
ist doch nicht dein Ernst!“ - „Doch. Und es ist alles total spannend.<br />
Ich fand noch nie jemanden so gut und anziehend.“ Wieder<br />
Schweigen. „Ach, das ist nur eine Phase. Das geht wieder vorbei.“<br />
- „Aber es stimmt einfach zum ersten Mal alles.“ - „Hm, ich weiß<br />
ja nicht. Gut finde ich das nicht …“<br />
Nur eine Phase …Was für ein Klischee! Und das von meiner Mutter,<br />
die inzwischen offen mit ihrer Freundin zusammenlebte. Was<br />
übrigens weder in ihrem Freundeskreis noch in dem kleinen Kaff,<br />
in dem sie wohnte, irgendjemand besonders aufregend, geschweige<br />
denn verwerflich fand.<br />
Inzwischen sind weitere neun Jahre<br />
vergangen. Meine „Phase“ mit Frauen<br />
dauert immer noch an. Vor einiger<br />
Zeit haben wir uns noch mal über damals<br />
unterhalten. Sie sagte, sie hätte sich<br />
schuldig gefühlt. Weil sie mir das mit<br />
den Frauen ja vorgelebt hat. Und weil<br />
ich mit ihr zum ersten Mal in einer Lesbendisco<br />
war – in der ich dann später<br />
meine damalige Freundin kennengelernt<br />
habe. Ich glaube, sie war zu der Zeit<br />
selbst noch unsicher mit ihrem Coming<br />
<strong>out</strong> und konnte es deshalb auch nicht<br />
als etwas „Normales“ für ihre Tochter<br />
akzeptieren.<br />
Naja – und wenn ich ehrlich bin, hat<br />
sich das alles auch erst mal so normal<br />
nicht für mich angefühlt. Klar, ich fand<br />
Frauen immer schon spannend. Aber<br />
lesbisch? Ich doch nicht! Meine Mutter<br />
stand ja schon auf Frauen, da konnte das<br />
bei mir unmöglich auch so sein! Nachher<br />
würden die Leute noch denken, dass<br />
ich meiner Mutter das nur nachmache.<br />
Klar fand ich alles, was mit Lesbischsein<br />
zu tun hatte, wahnsinnig spannend.<br />
Aber natürlich nur so generell, ich selber<br />
hatte damit nichts zu tun. Dass ich nach<br />
der Schule Kunst studieren wollte, lag<br />
natürlich am inspirierenden Unterricht<br />
meiner Kunstlehrerin. Nicht daran, dass<br />
ich unsterblich in sie verliebt war. Und<br />
als ich mich dann mit 17 in einen Jungen<br />
verknallt habe, war das der Beweis:<br />
Ich war wirklich nicht lesbisch. Puh.<br />
Aber nach weiteren vier Jahren war es<br />
dann vorbei mit meinem Widerstand:<br />
Mit 21 traf ich meine erste Freundin –<br />
in der Lesbendisco, in die mich meine<br />
Mutter schon mal mitgenommen hatte.<br />
Da half alles nichts mehr: Das war einfach<br />
genau das, was ich wirklich wollte.<br />
Auch meine Mutter hat sich inzwischen<br />
an die Tatsache gewöhnt, eine lesbische<br />
Tochter in die Welt gesetzt zu haben.<br />
Wir verstehen uns so gut wie nie. Vor<br />
ein paar Monaten hat sie mich angerufen:<br />
„Ich muss dir was sagen.“ - „Oh<br />
nein. Hast du dich in einen Mann verliebt?“<br />
„Viel besser! Ich heirate!“<br />
S. Z.
10 WIR SIND FAMILIE<br />
WIR SIND FAMILIE 11<br />
Vater, Vater,<br />
Kind<br />
Minh Kai, der so gerne Spaghetti isst und kluge Fragen stellt, hat<br />
zwei Väter und die in seinem familiären Alltag eingefangenen Szenen<br />
sind Teil eines 28-minütigen Dokumentationsfilms von Michael<br />
Schaub. In „Wer ist Familie?“ (2007) hat er das schwule Paar Holger<br />
und Jan sowie ihren damals fünfjährigen Adoptivsohn Minh Kai in<br />
ihrem Alltag begleitet.<br />
Für die Adoption eines Kindes mit Hilfe einer Vermittlungsstelle<br />
entschlossen sich Holger und sein Lebenspartner Jan vor zehn Jahren.<br />
„Wir haben natürlich darüber nachgedacht, welcher Weg zu einem<br />
Kind der richtige sein könnte. Eine Leihmutterschaft oder Samenspende<br />
für ein Lesbenpaar war nicht das, was wir gewollt haben.<br />
Wir wollten ein Kind, das zu uns gehört, es bei uns aufwachsen sehen<br />
und diesem Kind einen guten Start ins Leben ermöglichen.“ Ein<br />
Kind aus dem Ausland war für beide nie ein Problem. „Es gab keine<br />
Auswahl an Ländern, die eine juristische Einzeladoption durchführen<br />
– so blieb nur Vietnam.“ Das passte gut, denn Holger und<br />
Jan waren schon früher gerne nach Asien gereist und spürten eine<br />
Verbundenheit zu diesem Kontinent. 2002 war es endlich soweit:<br />
Der damals zehnmonatige Minh Kai wurde offiziell zu Holgers und<br />
„Spaghettiiiii!!“ schallt eine Kinderstimme aus<br />
dem Wohnzimmer, während die Eltern in der Küche<br />
noch den Salat schneiden. Cut. „Paaaapaaa“ empört<br />
sich der Sohn, als sein Vater ihm nach dem Baden<br />
den Schaum aus den Haaren spült. Cut. „Was ist<br />
ein Teichmolch?“ muss der Vater beim Lesen der<br />
Gutenachtgeschichte beantworten. Cut. Szenen wie<br />
diese spielen sich in Tausenden Familien tagtäglich<br />
ab. Nur wenige der Kinder haben jedoch etwas, das<br />
sie zu Kindern einer Regenbogenfamilie macht: zwei<br />
Väter oder zwei Mütter.<br />
Jans Sohn. Plötzlich waren die Zwei zu<br />
dritt: Vater, Vater, Kind. Unter den ersten<br />
Fotos steht: „Wir haben dich gefunden<br />
– endlich.“<br />
Obwohl beide Minh Kais Papas sind, ist<br />
nur Holger rechtlich der Vater. Mit dem<br />
sogenannten „kleinen Sorgerecht“ darf<br />
Jan zwar tägliche Angelegenheiten seines<br />
Sohnes regeln, wie ein Stiefvater auch, die<br />
Adoption bleibt ihm aber verwehrt.<br />
„Wir sind eine normale Familie, selbstverständlich.<br />
Ich fühle mich nicht exotisch<br />
oder revolutionär, sondern ganz normal“,<br />
sagt der 36-jährige Holger heute, knapp<br />
acht Jahre nach der Adoption. Gemeinsam<br />
füreinander einzustehen, sich gegenseitig<br />
in schweren Momenten zu tragen,<br />
dem Partner beizustehen, Urlaube zu machen,<br />
Alltag zu leben, dem Kind alle Lie-<br />
be entgegenzubringen, die es braucht,<br />
aber auch klare Grenzen zu setzen und<br />
Geduld aufbringen das ist für die drei<br />
Familienleben. Ganz normal.<br />
Zum Alltag gehören als schwules Paar mit<br />
vietnamesischem Kind aber leider auch<br />
weniger schöne Sachen. „Wir müssen uns<br />
immer wieder damit auseinandersetzen,<br />
warum wir zwei Männer sind und warum<br />
unser Kind ausländisch aussieht“, erklärt<br />
Holger. „Es sind oft die kleinen subtilen<br />
Dinge, die uns dann ärgern, denn<br />
direkt ins Gesicht sagt uns keiner, dass er<br />
es scheiße findet, das wir zwei Schwule<br />
ein Kind erziehen. Aber an Kleinigkeiten<br />
merken wir es dann schon, zumindest<br />
dass manche Leute ein Unbehagen<br />
damit haben.“ „Ein Kind braucht doch<br />
auch eine Mutter“ haben Holger und Jan<br />
nicht nur einmal gehört. Manchmal ist<br />
es „nur“ ein Tuscheln oder ein Grinsen.<br />
„Das sehen wir, blenden es aber meistens<br />
aus. Viele halten uns nicht für eine richtige<br />
Familie, aber das ist uns egal.“ Offensichtlicher<br />
wird die Diskriminierung,<br />
wenn die Drei bei einem Ausflug nach Familienrabatt<br />
fragen. „Wir tun jetzt so, als<br />
ob sie eine Familie wären“, lautet oft die<br />
Antwort. Wenn Holger dann antwortet<br />
„Aber wir sind doch eine Familie!“ erntet<br />
er verdutzte Blicke – und manchmal gibt’s<br />
trotzdem keinen Rabatt.<br />
Der heute achtjährige Minh Kai selber<br />
merkt davon (noch) wenig. „Mal sehen<br />
wie es ist, wenn er auf die weiterführende<br />
Schule kommt“, so Holger. Das Geheimrezept<br />
der drei Männer lautet: sich gegenseitig<br />
stärken. „Minh Kai kann mit seinem<br />
asiatischen Aussehen gut umgehen,<br />
da haben wir ihn immer gestärkt und ihm<br />
gesagt, wie toll seine Haut, die genialen<br />
dunklen Haare und seine mandelförmigen<br />
Augen sind.“<br />
Minh Kai weiß, dass er adoptiert wurde,<br />
warum er zwei Väter hat und dass seine<br />
leiblichen Eltern aus Vietnam kommen.<br />
„Minh Kai wurde in einem Kinderkrankenhaus<br />
anonym abgegeben, weil er<br />
schwerst krank war und ohne die medizinische<br />
Hilfe vermutlich nicht überlebt<br />
hätte. Wir versuchen immer, seine Mutter<br />
positiv darzustellen. Wir versuchen<br />
ihm klarzumachen, dass sie alles für ihn<br />
getan hat, damit er eine Chance im Leben<br />
hat - auch für den Preis, dass sie ihn<br />
hergeben musste.“<br />
Seitdem Holger, Jan und Minh Kai für<br />
„Wer ist Familie?“ vor der Kamera standen,<br />
sind die Väter Ratgeber für viele<br />
schwule und lesbische Paare mit Kinderwunsch<br />
geworden. Die politischen Entwicklungen<br />
seitdem sehen sie mit gemischten<br />
Gefühlen: „Wir merken eine<br />
weniger wohlwollende Haltung gegenüber<br />
Schwulen und Lesben und auch eine zurückgehende<br />
politische und gesellschaftliche<br />
Unterstützung der Adoption in eingetragenen<br />
Lebenspartnerschaften. Der<br />
Wind wird also ein wenig frischer...Mal<br />
sehen, wie das weitergeht...“<br />
Eine zweite Adoption wird es vermutlich<br />
nicht geben, dafür nähern sich die Väter<br />
dem Gedanken, ein Pflegekind aufzunehmen.<br />
Mehr Infos zum Film und die DVD gibt’s<br />
auf www.wer-ist-familie.de<br />
Michael Schaub (27),<br />
Autor, Regisseur<br />
und Produzent von<br />
„Wer ist Familie?“,<br />
über seinen Film<br />
Wie kamst du auf die Idee, diesen Film<br />
mit diesem Thema zu machen?<br />
Die Idee entstand während meiner Studienzeit<br />
in Neuseeland. Dort habe ich zufällig<br />
eine unglaublich witzige und liebevolle<br />
Regenbogenfamilie mit all ihren Höhen<br />
und Tiefen kennen gelernt. Die offene Lebensweise<br />
hat mich sofort fasziniert. Als<br />
es dann um die Diplomarbeit ging, griff<br />
ich die Idee auf. Ein solcher Film wäre<br />
vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen,<br />
heute jedoch kommt keine erfolgreiche<br />
Fernsehserie mehr um gleichgeschlechtliche<br />
Liebe herum. Schwule und<br />
Lesben sind überall in den Medien präsent,<br />
dennoch werden kaum nennenswerte<br />
dokumentarische Beiträge über Regenbogenfamilien<br />
gesendet. Das hat meinen<br />
Entschluss, diese Idee umzusetzen, natürlich<br />
bestärkt.<br />
Ist „Wer ist Familie?“ dein erster Film?<br />
„Wer ist Familie?“ ist mein erster und bis<br />
auf weiteres auch mein letzter Film. Er ist<br />
meine Diplomarbeit und war eine tolle Erfahrung.<br />
Insgesamt haben wir ein ganzes<br />
Jahr an dem Projekt gearbeitet. Ich habe<br />
sehr viel gelernt, insbesondere über Projekt-<br />
und Teammanagement.<br />
Du warst Produzent und Regisseur,<br />
oder? Woher kam die restliche Crew?<br />
Als Autor, Regisseur und Produzent des<br />
Films trug ich die Hauptverantwortung<br />
für das, was am Ende auf der Leinwand<br />
zu sehen ist. Wäre der Film total in die<br />
Hose gegangen, hätte ich das auch allein<br />
ausbaden müssen. Die Reaktionen der<br />
Zuschauer_innen sprechen glücklicherweise<br />
dafür, weitere Filme zu produzieren,<br />
allerdings habe ich dieses Projekt von<br />
Beginn an als einmalige Herausforderung<br />
gesehen. Ich freue mich darüber, dass er<br />
so positiv ankommt. Dennoch kribbelt‘s<br />
mir bis dato noch nicht in den Fingern,<br />
einen weiteren Film zu machen. Nach der<br />
Premiere war es an der Zeit für neue Aufgaben<br />
und Herausforderungen in anderen<br />
Bereichen und damit bin ich im Moment<br />
sehr glücklich.<br />
Kirsten Hesse war nicht nur die Kamerafrau<br />
und somit zuständig für die Bildsprache,<br />
sondern während des gesamten<br />
Projektes meine rechte und manchmal sogar<br />
meine linke Hand. Wir haben uns gemeinsam<br />
viele Nächte um die Ohren geschlagen und das manchmal<br />
im wahrsten Sinne des Wortes.. Alle Beteiligten waren sehr engagiert<br />
und haben ihre kostbare studentische Freizeit für den Film und die<br />
Website geopfert. Ich bin Ihnen bis heute sehr dankbar für all Ihre Unterstützung.<br />
Woher kennst du Holger und Jan?<br />
Die Familie habe ich gezielt gesucht, nachdem Kirsten und ich uns auf<br />
das Thema geeinigt hatten. Es hat einige Monate gedauert, bis ich über<br />
bundesweite Recherchen auf die Familie von Jan, Holger und Minh Kai<br />
gestoßen bin.<br />
Werden wir bald noch mehr Filme von dir sehen können?<br />
Vielleicht gibt es eine Fortsetzung, wenn Minh Kai erwachsen ist. Ich fänd<br />
es spannend zu schauen, wohin ihn sein Lebensweg trägt. Davon abgesehen<br />
gibt es unglaublich viele spannende Themen, über die es sich lohnen<br />
würde, einen Film zu machen. Leider ist die Finanzierung schwierig, wenn<br />
man gewisse Ansprüche hat und meistens laufen derartige Filme und Dokumentationen<br />
zu einer unmenschlichen Nachtzeit, während die guten<br />
Sendeplätze mit weichgekochter Gülle zubetoniert werden, aber das ist<br />
wieder ein anderes Thema.<br />
Wo, außer auf der Website, bekomme ich den Film?<br />
Die DVD des Films ist nur über die Website www.wer-ist-familie.de erhältlich,<br />
denn ich wollte keine große Marketing-Maschinerie einleiten, das<br />
wäre dem Thema und der Familie nicht gerecht geworden. Ich versichere<br />
aber, dass jede Bestellung und jede Anfrage kompetent und sympathisch<br />
beantwortet wird.<br />
Wo wurde der Film gezeigt? Hast du damit<br />
eigentlich auch was gewonnen?<br />
Wer ist Familie? lief auf verschieden Festivals in Deutschland und Neuseeland.<br />
Ich war selbst einige Monate in unserer Republik und Österreich unterwegs<br />
und habe den Film persönlich vorgestellt und unzählige spannende<br />
Diskussionen zum Thema geführt. Einen Preis haben wir dafür nicht<br />
erhalten, aber Staubfänger habe ich auch schon genügend zu Hause.
<strong>12</strong> COMING OUT<br />
IM INTERVIEW 13<br />
Nathalie<br />
Mit einem wissenden Grinsen formte sich<br />
Ende 2002 in meinem Kopf die Erkenntnis:<br />
„Verdammt du bist eine Lesbe“.<br />
Damit begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben, den ich um<br />
nichts in der Welt missen möchte. Vorbei waren die endlosen Fragereien,<br />
warum man nicht auf irgendeinen Mann „abfuhr“ und nicht<br />
wie die Freundinnen einen Freund nach dem anderen hatte. Vorbei<br />
das Grübeln, was mit einem selbst nicht stimmt. Ob man vielleicht<br />
einfach zu anspruchsvoll war im Bezug auf die Wahl des Richtigen<br />
Mannes an seiner Seite. Das alles wurde einfach zur Seite geschoben<br />
von einer – für mein Empfinden – faszinierenden und atemberaubenden<br />
Frau. Ich lernte sie zusammen mit meiner besten Freundin<br />
eines Abends in einer Bar kennen. Ich merkte natürlich nicht sofort<br />
was los ist. Auch entging mir irgendwie die Tatsache, dass sie selbst<br />
lesbisch war. Im Nachhinein kaum zu glauben, da es einfach offensichtlich<br />
war. Auf jeden Fall ging sie mir die Tage danach einfach<br />
nicht mehr aus dem Kopf und ich fragte mich, warum ich sie nicht<br />
nach Ihrer Telefonnummer gefragt hatte. Dies warf bei mir wiederum<br />
die Frage auf, warum ich sie nach der Nummer hätte fragen sollen.<br />
Sie war ja schließlich eine Frau! Wenige Wochen später waren<br />
meine Freundin und ich dann wieder in der Bar und wen sehe ich<br />
da an der Bar stehen? SIE. Und in diesem<br />
Moment kam ich mir dann wie in einem<br />
üblen Kitschfilm vor. Knie wie Pudding,<br />
Schmetterlinge im Bauch, das Herz klopfte<br />
mir quasi im Hals und ich grinste dämlich<br />
in die Gegend wie ein Honigkuchenpferd.<br />
In dem Moment wurde mir dann<br />
klar: „Verdammt, du bist eine Lesbe“.<br />
So weit so gut. Jetzt stand mir nur die<br />
Aufgabe bevor, diesen für mich neuen<br />
Zustand meinen Freundinnen beizubringen.<br />
Ich war mir etwas unsicher, da ich<br />
nicht wirklich abschätzen konnte wie sie<br />
darauf reagieren würden. Ich fasste mir<br />
dann schließlich zu Silvester ein Herz und<br />
beichtete es meiner besten Freundin. Von<br />
ihrer Miene her hätte man meinen können,<br />
sie wäre gefasst. Wäre sie bei meiner<br />
Eröffnung nicht fast hinterrücks vom<br />
Barhocker gekippt. Es ihr begreiflich zu<br />
machen war dann auch etwas schwieriger<br />
als gedacht. Sie vertrat die Meinung,<br />
dass es sich bei mir wahrscheinlich nur<br />
um eine Phase handeln würde und ich<br />
einfach noch nicht den passenden Mann<br />
für mich gefunden hätte – die üblichen<br />
Sprüche eben. Mit den Jahren hat sie nun<br />
allerdings begriffen, dass es wohl doch etwas<br />
„Ernstes“ ist und ich wirklich lesbisch<br />
bin. Mein erstes Coming-Out lief so also<br />
ganz passabel ab.<br />
Das zweite kam dann für mich etwas unerwartet.<br />
Meine damalige Freundin und<br />
ich wurden von meinem Bruder nachts<br />
von einer Party abgeholt. Meine Freundin<br />
saß hinten im Sitz eingesunken und<br />
ich vorne auf dem Beifahrersitz. Auf einmal<br />
lehnte Sie sich nach vorne und fragte<br />
lallend meinen Bruder, ob er denn wüsste<br />
dass wir beide zusammen sein. Er sagte<br />
nur ganz platt: „Nö“ und fuhr ohne weiteren<br />
Kommentar weiter. Nun konnte ich<br />
also auch meinen Bruder von der „Liste“<br />
streichen.<br />
Standen nur noch meine Eltern aus. Die<br />
für mich größte Hürde. Denn solch eine<br />
Eröffnung den eigenen Eltern zu machen<br />
ist nie so ganz risikofrei. Ich wusste zwar,<br />
dass meine Mum einen schwulen Cousin<br />
hatte und damit auch keinerlei Probleme<br />
oder Berührungsängste, aber es ist<br />
ja doch etwas anderes ob ein Verwandter<br />
homosexuell ist oder das eigene Kind. Ich<br />
war schon etwas unsicher und schob mein<br />
Outing vor Ihnen einige Monate vor mir<br />
her. Dann trug es sich jedoch zu, dass im<br />
November 2004 ein Freund von mir tödlich<br />
mit dem Auto verunglückte. Er hatte<br />
erst wenige Monate zuvor für sich herausgefunden,<br />
dass er schwul war. Für ihn<br />
war das eine sehr schwere Erkenntnis, da<br />
seine Familie und er sehr streng gläubig<br />
waren. Zu dem Zeitpunkt seines Todes<br />
wussten so nur ich und ein paar seiner<br />
engsten Freunde von seiner Homosexualität.<br />
Und dann war er einfach tot und<br />
seine Eltern begruben ihn, ohne ihn mit<br />
all seinen Facetten gekannt zu haben. In<br />
diesen Tagen schwor ich mir, dass mir<br />
das nicht passieren sollte. Ich wollte, dass<br />
meine Eltern wussten wer ich war. So rief<br />
ich dann wenige Tage nach der Beerdigung<br />
meine Eltern an und erzählte meiner<br />
Mum – nachdem ich es über eine<br />
Stunde vor mir hergeschoben hatte – dass<br />
ich in den Weihnachtsferien mit meiner<br />
damaligen Freundin zu Besuch kommen<br />
würde. Meine Mum war während meiner<br />
Eröffnung ganz locker und meinte sie<br />
hätte nichts dagegen. Ihr wäre nur wichtig,<br />
dass es mir gut geht und ich glücklich<br />
bin. Gibt es eine bessere Reaktion auf ein<br />
Coming-Out?<br />
Nathalie Römer<br />
More than Les<br />
Mehr als nur eine Schublade?!<br />
Die Musik Szene hat vor wenigen Monaten Zuwachs von der Hamburger Band „More<br />
than Les“ erhalten. Ihr erster Song „Statement“ - inklusive Video - ist bereits im Internet<br />
auf Ihrer Homepage (www.morethanles.com) zu hören und zu sehen. Die vier<br />
Mädels (Karen, Luise, Medina und Paddy) machen seit längerem Musik und haben<br />
auch schon vereinzelnd Banderfahrung gesammelt. Ihnen ist vor allen Dingen wichtig<br />
nicht nur auf ihre Homosexualität reduziert zu werden, sondern als Ganzes angesehen<br />
zu werden. Nur in eine Schublade gesteckt zu werden, ist den vieren definitiv zu wenig.<br />
Wir dürfen gespannt sein, was sie mit ihren verschiedenen musikalischen Backrounds<br />
zusammen auf die Beine stellen. Erste Gehversuche vor Publikum gibt es bei<br />
dem diesjährigen Konzert auf der Gayvention live zu erleben.<br />
Das GröSSte im Leben!<br />
Mirjam Müntefering (41) ist nicht nur Buchautorin,<br />
Hundetrainerin und Tochter von Franz Müntefering,<br />
sondern auch ein Familienmensch. Den Leser_innen<br />
der „<strong>out</strong>!“ verrät sie, was ihr die Familie bedeutet:<br />
Was bedeutet für dich Familie?<br />
Für mich gibts meine Herkunftsfamilie und die, die ich mir jetzt<br />
selbst gewählt habe: meine Lebensgefährtin und unsere Hunde. Das<br />
bedeutet für mich Schutz und Geborgenheit. Hier kann ich sein wie<br />
ich wirklich bin.<br />
Bist du ein Familienmensch?<br />
Volle Kanne! Ich brauche vertraute Gesichter um mich.<br />
Wie oft siehst du deine Eltern und deine Schwester?<br />
Vielleicht vier oder fünfmal im Jahr. Wir wohnen alle in unterschiedlichen<br />
Städten.<br />
Hast du irgendwann mal darüber nachgedacht,<br />
Kinder zu bekommen?<br />
Das habe ich mal, doch dann habe ich mich doch dagegen entschieden.<br />
Mein Lebenskonzept ist so vollgepropft mit Arbeit, die ich wie<br />
Luft zum Atmen brauche - ich glaube, da wäre ich einem Kind nicht<br />
so gerecht geworden wie ich es als recht empfinde.<br />
-War die Hochzeit mit deiner Lebensgefährtin<br />
ein Schritt in Richtung Familie?<br />
Familie waren wir vorher schon. Wir haben an dem Tag einfach mal<br />
uns und unsere Liebe feiern lassen und ein tolles Fest mit unserer<br />
„großen Familie“, unseren Freund_innen gefeiert.<br />
Du schreibst auf deiner Homepage, dass Freund_innen<br />
für dich immer sehr wichtig waren<br />
und sind - gehören sie für dich zur Familie?<br />
Auf jeden Fall.<br />
Wie war dein Coming-Out in der Familie?<br />
Recht problemlos. Ich hatte keine unangenehme Reaktion erwartet<br />
und habe viel Verständnis und liebevolle Zuwendung erfahren, ein<br />
echter Glücksfall.<br />
Die Frau deines Vaters ist jünger als du selbstwie<br />
ist euer Verhältnis?<br />
Klingt vielleicht komisch, aber Michelle ist für mich sowas ähnliches<br />
wie eine Schwester. Wir mögen uns sehr.<br />
Was möchtest du den Leser_innen der Out!<br />
mit auf den Weg geben?<br />
Schafft Euch Eure eigene Familie an! Das ist das Größte im Leben!
14 SELBSTHILFEGRUPPE FÜR ELTERN<br />
SELBSTHILFEGRUPPE FÜR ELTERN 15<br />
Wir sind stolz auf unsere Kinder<br />
Von einer Minute auf die andere<br />
brach für Erika Micale ihre heile<br />
Welt zusammen. Gerade noch war<br />
sie die Mutter von drei gesunden,<br />
heterosexuellen Kindern, zwei Söhnen<br />
und einer Tochter. Jetzt stand sie<br />
im Zimmer ihres jüngsten Sohnes<br />
und blickte auf den Liebesbrief, der<br />
gerade aus dem Bett des 15-Jährigen<br />
herausgefallen war. Er war an einen<br />
Mann adressiert.<br />
„Der ist pervers. Wieso mein Kind? Warum ich, lieber Gott, wofür<br />
bestrafst du mich?“ waren die ersten Gedanken, die der geschockten<br />
Erika Micale damals in den Sinn kamen. Heute schämt sie<br />
sich dafür und hilft anderen Eltern, ebenfalls offener und toleranter<br />
zu werden, vor sich und vor anderen zu ihren homosexuellen<br />
Kindern zu stehen.<br />
Als der erste Schock überwunden war, beschloss Erika Micale, ihren<br />
Sohn auf den Liebesbrief anzusprechen. „Ich dachte, ich frage<br />
einfach, wie ich ihm helfen kann.“ Das Gespräch verlief allerdings<br />
anders, als geplant. „Mein Sohn empfand es als Vertrauensbruch,<br />
dass ich den Brief gelesen hatte, und sprach zwei Jahre lang nicht<br />
mehr mit mir. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich<br />
konnte mit niemandem sprechen und hatte ständig Angst.“ Ihren<br />
Mann einzuweihen, einen Sizilianer, traute sie sich nicht.<br />
Erst Jahre später, nachdem der älteste Sohn bereits ausgezogen war,<br />
kam Stefano Micale entsetzt von einem Besuch in dessen neuer<br />
Wohnung nach Hause zurück. Er hatte dort Bilder von nackten<br />
Männern gesehen. Für Erika Micale eine schlimme Situation: Sie<br />
wusste inzwischen, dass auch ihr Ältester schwul war, wollte den<br />
Jüngeren aber nicht verraten. Ein Arzt,<br />
den der besorgte Vater aufsuchte, konnte<br />
die Situation allerdings entschärfen.<br />
Er riet dazu, den Sohn anzunehmen,<br />
wie er sei. Vater und Sohn sprachen sich<br />
schließlich aus. „Warum soll ich unglücklich<br />
sein, wenn er glücklich ist?“,<br />
so Stefano Micale.<br />
Erika Micale fiel es schwerer, die Homosexualität<br />
ihrer Kinder hundertprozentig<br />
zu akzeptieren. Als ihr Ältester ihr ans<br />
Herz legte, eine Elterngruppe zu besuchen,<br />
lehnte sie zunächst ab. „Ich hatte<br />
erst Angst davor, jemanden zu treffen,<br />
der mich kennt“, gibt sie zu. „Aber dann<br />
fürchtete ich, ihn zu verlieren, und sagte<br />
zu. Der Schritt war für mich innerlich<br />
unheimlich schwer, aber ich wollte<br />
ihm zeigen, dass ich versuchen will, ihn<br />
zu verstehen.“ Eine Bedingung stellte sie:<br />
Ihr Sohn sollte sie begleiten.<br />
In der Elterngruppe konnte sie auf einmal<br />
das tun, wovor sie jahrelang Angst<br />
hatte: Erika Micale konnte sich plötzlich<br />
alles von der Seele reden, was sie<br />
bedrückte, was sie nicht verstand, und<br />
wovor sie Angst hatte. Kam sie ins Stocken,<br />
half ihr Sohn aus. Dem ersten Treffen<br />
folgten weitere, immer größer wurde<br />
ihre Neugier. „Ich wollte alles wissen:<br />
wieso, weshalb, warum – einfach alles<br />
zum Thema Homosexualität.“ Nach einem<br />
Jahr übernahm sie die Leitung der<br />
Gruppe.<br />
„Die meisten Eltern haben das Gefühl,<br />
etwas falsch gemacht zu haben, versagt<br />
zu haben. Ihre größte Sorge ist: Was<br />
denken die Verwandten, Nachbarn und<br />
Freunde?“, weiß Erika Micale. Die Eltern<br />
befürchten, ihr Kind werde bei Freunden<br />
und später im Beruf nicht anerkannt.<br />
Den Kindern soll es gut gehen – aber<br />
wie, wenn sie doch einer Randgruppe<br />
angehören? Die Angst vor Aids oder davor,<br />
dass ihr Kind nie den_die Partner_<br />
in fürs Leben finden wird, kommen hinzu.<br />
„Plötzlich brechen alle Vorstellungen<br />
der Eltern zusammen. Heirat, Enkelinder<br />
– diese Träume zerplatzen von einer<br />
Sekunde auf die andere. Das Outing ist<br />
wie ein Schlag vor den Bug, es wird einem<br />
der Boden unter den Füßen weggerissen.“<br />
Manchmal, das weiß Micale, reagieren<br />
Eltern über, verstoßen ihr Kind,<br />
werfen es aus dem Haus oder drehen den<br />
Geldhahn zu. Vor allem die Ablehnung<br />
der Gesellschaft und der Kirchen ist für<br />
viele Eltern ein Problem. „Solange die<br />
Kirchen Homosexualität immer noch<br />
als Sünde hinstellen, schämen sich Eltern.“<br />
Oft führen sie deshalb ein Doppelleben.<br />
In der Gruppe können die Eltern endlich<br />
mit Gleichgesinnten über ihre Probleme<br />
sprechen. Wie reagiert man, wenn<br />
jemand fragt, wann der Sohn/die Tochter<br />
endlich heiratet? Wie haben Oma<br />
und Opa reagiert? „Wir machen uns gegenseitig<br />
Mut“, so Micale. Ab und zu<br />
werden die neuesten Bücher vorgestellt<br />
oder Referent_innen aus der Community,<br />
aus Kirchen und Politik eingeladen.<br />
Die Eltern sollen merken, dass es für ihre<br />
Kinder alle Chancen gibt, wenn sie nur<br />
selbstbewusst genug sind. Dabei bleiben<br />
sie nicht nur in den vier Wänden, sondern<br />
tragen ihre Botschaft hinaus, halten<br />
Themenabende in den Gemeinden<br />
oder nehmen an der Stuttgarter CSD-<br />
Parade teil. „Wir schämen uns nicht, wir<br />
sind stolz auf unsere Kinder und wir fordern<br />
gleiches Recht für all unsere Kinder,<br />
homo- und heterosexuelle.“ Rundfunk,<br />
Fernsehen und Zeitung berichteten bereits<br />
über die tatkräftigen Eltern, die<br />
auch in der preisgekrönten Dokumentation<br />
„Ich kenn keinen – allein unter<br />
Heteros“ zu sehen sind.<br />
Bis die Eltern allerdings so weit sind, die<br />
Homosexualität ihrer Kinder zu akzeptieren,<br />
können Jahre vergehen. „Manche<br />
wollen gerne schneller verstehen, merken<br />
dann aber, dass die Hürden der Gesellschaft<br />
zu hoch sind.“ Den homosexuellen<br />
Kindern rät Erika Micale, Geduld und<br />
Verständnis aufzubringen. „Die Kinder<br />
haben Jahre gebraucht, um sich selber<br />
zu akzeptieren. Wenn sie es ihren Eltern<br />
sagen, meinen sie immer, diese müssten<br />
das sofort begreifen. Doch auch die Eltern<br />
müssen sich erst mit der neuen Situation<br />
auseinandersetzen.“ Wichtig sei,<br />
offen miteinander zu reden, vielleicht sogar<br />
gemeinsam Zeitungsartikel zu lesen<br />
oder Fernsehsendungen zu schauen und<br />
nie den Kontakt abbrechen zu lassen. Eltern<br />
sollten sich vor allem informieren,<br />
zum Beispiel über das Internet oder mit<br />
Hilfe von Selbsthilfegruppen. Mutter<br />
und Vater sollten sich Vertrauenspersonen<br />
suchen, mit denen sie sprechen können,<br />
denn „nur wer sich mit dem Thema<br />
auseinandersetzt und offen für Neues<br />
ist, kann sich selbst stärken und seinem<br />
Kind das Selbstbewusstsein geben, das<br />
es braucht, um in dieser Gesellschaft zu<br />
bestehen.“ Kinder sollten im Elternhaus<br />
immer einen Zufluchtsort haben.<br />
Im Januar hat Erika Micale die Leitung<br />
der Elterngruppe nach fast 15 Jahren an<br />
ihre Nachfolgerin Andrea Wanner abgegeben.<br />
Stolz auf ihre zwei schwulen Söhne<br />
und die heterosexuelle Tochter wird<br />
sie weiterhin sein.<br />
Weitere Infos und Kontakt unter www.elterngruppe-stuttgart.de<br />
Infos zum Bundesverband der Eltern,<br />
Freunde und Angehörigen von Homosexuellen<br />
unter www.befah.de<br />
Verena Waldbröl
16 REZENSIONEN<br />
REZENSIONEN 17<br />
Buch<br />
Die Liebe ist ein wundersames Spiel.<br />
Mirjam Müntefering: „Liebesgaben“<br />
Preis: 9,95 Euro<br />
DVD<br />
Alles andere als tolerante Eltern<br />
„Frühstück mit Scot“ von Laurie Lynd (2007)<br />
14,99 (DVD), Pro Fun Media<br />
Im van Hauser-Institut startet eine spannende, aber brisante Forschungsreihe: Können<br />
Hunde mit Hilfe von Hormonen an einen einzigen menschlichen Sozialpartner<br />
gebunden werden? Am Ergebnis ist nicht nur eine Partnervermittlung, sondern<br />
selbst die Regierung interessiert. Alle wollen das potenzielle Monogamie-Rezept<br />
kaufen. Ehe sie sich versieht, steckt auch die lesbische Wissenschaftlerin Kim Richardson,<br />
selbst Hundebesitzerin, mitten in den Experimenten. Doch um die Ergebnisse<br />
auf Menschen übertragen zu können, müssten menschliche Versuchspersonen<br />
her...Als sich Kim immer mehr für die anfangs distanzierte Stieftochter der<br />
Institutsleiterin interessiert, kann sie sich nicht mehr sicher sein, nicht selber Teil<br />
eines Experiments geworden zu sein.<br />
„Liebesgaben“ ist kein „typisches“ Lesbenbuch, in dem sich alles um Lesben in ihrem<br />
Lesbenuniversum dreht. In ihrem neusten Roman hat Mirjam Müntefering<br />
vielmehr zwei ihrer Lieblingsthemen geschickt verknüpft: Frauen und Hunde. Im<br />
Vordergrund der Geschichte stehen nicht ausschließlich Beziehungen zwischen Frauen,<br />
sondern viele verschiedene zwischenmenschliche und auch -tierische Verbindungen.<br />
Ein ständiger Perspektivenwechsel macht das Ganze noch interessanter, denn so<br />
Buch<br />
Plötzlich<br />
lesbisch<br />
Sonja Schock: „Und dann kamst Du…<br />
und ich liebte eine Frau“<br />
Krug & Schadenberg<br />
Preis: 18 Euro<br />
„Allein diese Frau anzufassen – das war<br />
Wahnsinn“ schreibt Sabine, 32 Jahre alt.<br />
Mit den sieben anderen Frauen in dem<br />
189 Seiten starken Buch hat auch sie eines<br />
gemein: Alle lebten einst heterosexuell<br />
und verliebten sich dann in eine Frau.<br />
Die Autorin Sonja Schock hat Frauen zwischen<br />
32 und 64 Jahren befragt und lässt<br />
sie ihre Geschichte erzählen. Schon als<br />
taucht der_die Leser_in aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln in die Geschichte ein.<br />
Für Hundefreund_innen ist „Liebesgaben“<br />
sicher ein extra Schmankerl, doch<br />
auch ohne Haustier macht das Lesen<br />
Spaß. Je weiter die Geschichte fortschreitet,<br />
desto enger wird das „Beziehungsnetz“,<br />
desto spannender das Experiment.<br />
Die fast 450 Seiten machen von Anfang<br />
bis Ende Spaß und am Ende weiß man<br />
noch ein bisschen mehr, was man vorher<br />
schon wusste und was auch passenderweise<br />
auf dem Buchdeckel steht: Die Liebe<br />
ist ein wundersames Spiel.<br />
Verena Waldbröl<br />
Kinder fühlten sich einige von ihnen zu<br />
Frauen hingezogen, doch bis sie diese Neigung<br />
auch auslebten, lebten sie ein heterosexuelles<br />
Leben. Für Menschen, die sich<br />
in der gleichen Situation befinden, ist das<br />
Buch sicher ein Wegweiser und Gefährte.<br />
Wer allerdings unter 30 und vielleicht auch<br />
schon länger ge<strong>out</strong>et ist, hat Probleme, sich<br />
mit den Geschichten zu identifzieren.<br />
Wie einfach könnte ein Coming-Out doch sein, wenn die eigenen Eltern schwul oder<br />
lesbisch sind?<br />
Einfach? Nicht so lange die Eltern Eric und Sam heißen und eine schwule Bilderbuche-Ehe<br />
führen: Sie leben in einem ruhigen Stadtteil mit Haus und Vorgarten und<br />
gehen brav ihrer Arbeit nach – natürlich in angesehenen Positionen: Sam ist Anwalt<br />
und Eric – einst Eishockeyprofi – moderiert eine Sportsendung beim Fernsehen. Das<br />
Leben der Beiden scheint perfekt. Aber dann kommt Scot!<br />
Er ist der Sohn von Sams Bruder und dessen Ex-Freundin. Aber ersterer reißt in der<br />
Weltgeschichte herum, um Frauen flachzulegen, und letztere ist in einem Drogenexzess<br />
ums Leben gekommen. Also landet Scot bei Eric und Sam. Das Vaterglück der<br />
beiden hält sich allerdings in Grenzen. Denn der Elfjährige mit der großen Zahnlücke<br />
und den rotbraunen Wuschelhaaren ist das lebende schwule Klischee. Er steht auf<br />
Musicals, hat eine singende Haarbürste und versucht den Nachbarsjungen zu küssen.<br />
Er ist damit das komplette Gegenteil von Eric und Sam, die sich alle Mühe geben, ihr<br />
Schwulsein zu verstecken.<br />
Vor allem Eric tut sich mit Scots Verhalten schwer und will ihn deshalb umerziehen.<br />
Statt Schminken ist für ihn fortan Eishockey angesagt. Aber Scot lässt sich nicht anpassen<br />
und hält damit Eric einen Spiegel vor.<br />
„Frühstück mit Scot“ ist ein Film über Toleranz – gegenüber anderen und vor allem<br />
sich selbst. Denn nur wer sich so akzeptiert wie er ist, kann auch andere akzeptieren,<br />
wie sie sind. So tiefgründig diese Botschaft auch ist und so viel Potenzial die Geschichte<br />
auch bietet, „Frühstück mit Scot“ kommt über die Qualität einer Queer-as-Folk-Epi-<br />
Kino<br />
Hochstapeln für die Liebe<br />
„Ich liebe dich Phillip Morris“ mit Jim Carrey<br />
ab dem 29. April im Kino<br />
sode nicht hinaus: Stereotype Rollen, die keine Überraschung<br />
bieten, sowie Herzschmerz und ein Happy End, die einen zwar<br />
ergreifen, aber vorhersehbar sind.<br />
Brillant ist hingegen der quirlige Scot (Noah Bernett), der sich<br />
in seiner Rolle fabelhaft macht. Man will fast glauben, dass<br />
Noah Bernett auch abseits des Sets diese Rolle lebt – so natürlich<br />
wirkt er. Sein Film-Eltern und ihre Beziehung bleiben hingegen<br />
blass. Kurz vor Schluss, als es noch immer keinen Kuss<br />
zwischen den beiden gegeben hat und jegliche Zärtlichkeit<br />
und Berührung ausbleiben, stellt sich die Frage: Ist das wirklich<br />
ein schwules Paar? Oder ist es die eine Männer-Adoptiv-<br />
Gemeinschaft, in der Liebe eigentlich wenig zu bedeuten hat?<br />
Der finale Kuss spricht für letzteres.<br />
Trotzdem ist „Frühstück für Scot“ als Film zur seichten Unterhaltung<br />
geeignet. Er sorgt für Schmunzeln und einzelne<br />
Lacher, genauso wie für ein bisschen Betroffenheit und<br />
Schmalz.<br />
Falk Steinborn<br />
Den Trailer und eine Bildergalerie gibt es<br />
auf www.dbna.de zu sehen.<br />
Buch<br />
Axolotl Roadkill<br />
Helene Hegemann: „Axolotl Roadkill“<br />
Preis: 14,95 Euro<br />
„Früher war alles so schön pubertär hingerotzt und jetzt ist es angestrengte Literatur.“<br />
Einer der ersten Sätze aus Axolotl Roadkill, und Helene Hegemann verspricht wahrlich<br />
nicht zu viel. Die siebzehnjährige Autorin wirft ihre Leser_inen hinein in einen Zustand,<br />
der permanent schwankt zwischen Drogenexzess und totaler Ernüchterung. Die<br />
Hauptfigur Mifti ist 16 und nimmt mit, was geht. Sex, Parties, Drogen aller Art und<br />
in reichlichen Mengen. Normalerweise wird sowas ja schon nach ein paar Seiten anstrengend,<br />
aber zwischen den Rauschzuständen finden sich großartige Alltagsbeschreibungen,<br />
wie die einer jungdynamischen Prenzlauer Berg-Mutti, die ihren dreijährigen<br />
Sohn (Äneas) zum Kinder-Yoga nötigt oder die resignierte Feststellung der Hauptfigur:<br />
„Meine Lehrer wissen nicht, was Ambiguitätstoleranz bedeutet. Die wissen nur ganz<br />
intuitiv, dass es eine ganz wilde Sache ist, jetzt nett zu mir zu sein.“ So irrt Mifti 200<br />
Seiten lang durch das Berliner Nachtleben, schläft „stockbisexuell“, wie sie ist, mal mit<br />
Frauen und mal mit Männern und terrorisiert gelegentlich ihre Halbgeschwister, bei<br />
denen sie wohnt. Tröstend ist in ihrem Leben nur das Axolotl, „das aussieht wie eine<br />
Comicfigur und sein ganzes Leben lang im Lurchstadium bleibt und einfach nicht<br />
erwachsen wird.“ Doch auch der Lurch bleibt ihr nicht lange erhalten...<br />
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir dieses<br />
Buch gefallen hat oder nicht. Aber es ist<br />
auf jeden Fall ein ungewöhnliches Buch,<br />
geschrieben von einer Siebzehnjährigen,<br />
deren Schreibstil eine zugegeben großartige<br />
Mischung aus Alltagssprache und Literatur<br />
ist. Auch wenn Helene Hegemann<br />
offen zugibt, Teile ihres Buches im Copy-<br />
Paste-Verfahren aus dem Internet geklaut<br />
zu haben, ist sie um Klassen besser, als<br />
Charlotte Roche mit ihren „Feuchtgebieten“.<br />
Insgesamt also die Kategorie: seltsam,<br />
aber durchaus lesenswert.<br />
Lisa-Marie Klinger<br />
„Ja ich bin schwul. Schwul, schwul, schwul, schwul, schwul!“. So einfach geht dem<br />
Familienvater und Ehemann Steven Russel (Jim Carrey) sein Coming-Out über die<br />
Lippen. Kein Wunder: Denn für Steven ist das Leben nur ein Abenteuer, auf das er<br />
sich hemmungslos einlässt. Kurzer Hand verlässt er seine Frau und Tochter für eine<br />
Beziehung mit einem Latinlover und einen neuen ausschweifenden Lebensstil: Mit<br />
teuren Autos, edlen Armbanduhren und Spaziergängen am Strand. Das neue Leben<br />
hat jedoch einen Haken. Steven finanziert es sich nicht durch Arbeit sondern durch<br />
Betrug und Diebstahl. Natürlich geht das nicht lange gut. Sein Luxusleben fällt wie<br />
ein Kartenhaus in sich zusammen. Was bleibt sind eine Reihe nutzloser Kreditkarten<br />
und eine Zelle im Knast.<br />
Aber Steven wäre nicht Steven, wenn er sich dort nichtzurechtfinden würde. Er ist<br />
clever und weiß, wie er andere Häftlinge zu seinem Vorteil nutzen kann. Das kommt<br />
in vor allem in dem Moment zur Hilfe, als er auf Phillip Morris (Ewan McGregor)<br />
trifft. Steven verliebt sich auf den ersten Blick in den ruhigen und introvertierten Philip.<br />
Doch es gibt ein Problem: Die Zellengitter hindern die beiden daran, sich näher<br />
zu kommen – zumindest vorerst. Bald schon sind die beiden mit ein paar kleinen<br />
Tricks auf freiem Fuß und Steven beginnt erneut eine Odysee aus Betrug, Luxusleben<br />
und Knast.<br />
Die wohl spannendste Frage zu diesem Film lautet: Was ist das? Ist es eine Komödie?<br />
Immerhin spielt Jim Carrey die Hauptrolle. Oder ist es eine Liebesgeschichte? Ein Drama<br />
gar? „Ich liebe dich Phillip Morris“ will all dies auf einmal sein und ist am Ende<br />
nichts von alle dem. Die Geschichte von Steven und Phillip, die auf einer wahren Begebenheit<br />
beruht, ist nicht packend oder herzergreifend. Dafür bleibt die Beziehung<br />
zwischen den beiden Figuren zu oberflächlich. Für eine Hochstaplergeschichte<br />
mangelt es an Spannung und für eine Komödie<br />
fehlt eindeutig der Witz.<br />
Stattdessen wirkt der Film wie eine Karikatur von all diesen<br />
Genres: Es wird schmalzige Musik gespielt, wenn sich Phillip<br />
und Steven näher kommen. Es wird geblödelt und gealbert<br />
was das Zeug hält – vor allem über Klischees („Ich frage mich,<br />
ob Stehlen und Schwulsein irgendwie Hand in Hand gehen?“<br />
fragt etwa Stevens Ex-Frau). Und es wird vor allem nicht überzeugend<br />
gespielt. Ewan McGregor versucht eine schwulen Tucke<br />
zu verkörpern. Aber sein Spiel wirkt bis zum Ende aufgesetzt.<br />
Gleiches gilt für Jim Carrey. Er schafft es nicht, die Rolle<br />
des Hochstaplers mit Ernsthaftigkeit zu erfüllen. Egal in welcher<br />
Szene – sein Mimik versteckt immer einen Lacher.<br />
Einziges Trostpflaster: Der Soundtrack von Nick Urata mit<br />
stark lateinamerikanischen Einflüssen geht sehr gut ins Ohr.<br />
Vor allem das Hauptthema „Faking Death“ überzeugt.<br />
Trotzdem ist „Ich liebe dich Phillip Morris“ nur eine enttäuschende<br />
Umsetzung einer an sich sehr spannenden und wahren<br />
Lebensgeschichte eines US-Amerikaners, der noch heute<br />
wegen Hochstapelei im Gefängnis sitzt.
18 23 MINUTEN<br />
AUSGEHANDELTE SICHERHEIT 19<br />
23Minuten<br />
dieKolumne<br />
Oliver Spinedi erlebt ganz alltägliche Sachen<br />
und gerät trotzdem ins Nachdenken.<br />
Samstag 13:38 Uhr auf der A24 von Hamburg nach Berlin. Ich sitze<br />
hinter dem Steuer eines 7,5-Tonners und tuckere mit 80 km/h der<br />
Hauptstadt entgegen. Auf der Ladefläche Möbel, Kartons, Pflanzen,<br />
Klamotten und 30000 Dinge, die ich eigentlich nicht brauche, aber<br />
die man als Mensch mit einem natürlich angeborenen Sammeltrieb<br />
einfach nicht wegschmeißen kann. Ich ziehe um. Mit meinem Freund<br />
zusammen. Und... freue mich.<br />
Ja, ich freue mich, denn nach einer langen Fernbeziehung haben wir<br />
endlich die Möglichkeit, auch mal mehr Alltag zu erleben. Gemeinsam<br />
die Wohnung einrichten. Gemeinsam aufwachen. Abends gemeinsam<br />
einschlafen. Sex haben, wann immer man Lust drauf hat. Gemeinsam<br />
kochen. Vor dem Fernseher kuscheln. Gemeinsam den Müll runterbringen,<br />
nebeneinander vor dem Badezimmerspiegel stehen. Nie mehr<br />
allein und einfach immer zu jeder freien Minute beieinander und füreinander<br />
da sein.<br />
Und plötzlich gerate ich ins Stocken. „Mein Gott, wie spießig!“ denke<br />
ich. Ist es das, was ich wirklich will? Absolute Zweisamkeit, nur<br />
noch wir Beide, versumpft im Alltag? Nix mehr alleine machen und<br />
dafür ständig, immer und überall nebeneinander her leben? Ich stelle<br />
mir vor, wie es wohl in zehn Jahren aussieht. Aufstehen um sieben,<br />
nacheinander ins Bad, wortlos am Frühstückstisch, dann ein kurzes<br />
Küsschen und getrennt zur Arbeit. Dann abends müde von der Arbeit,<br />
kurz was essen ein Glas Rotwein zum Einschlafen und dann ab<br />
ins Bett. Ich bekomme Panik und überlege, wo und wie ich am besten<br />
in den nächsten zwei Stunden eine Zwei-Zimmer Wohnung für mich<br />
alleine organisieren kann.<br />
Mir fällt nix ein. Stattdessen ziehen weitere Bilder durch meinen Kopf.<br />
Ich sehe diese Paare vor mir, die plötzlich nur noch aus Doppelpack<br />
bestehen und wo es einfach nicht funktioniert, wenn einer von beiden<br />
mal was alleine macht. Mit dem besten Freund ausgehen? Nix da. Was<br />
trinken mit Arbeitskollegen? Uh, oh, schwierig. Und am Wochenende<br />
feiern gehen, wenn der andere keine Lust hat? „Ey Schatz, das geht<br />
auf gar keinen Fall! Wir wohnen und leben doch jetzt zusammen. Das<br />
heißt Zweisamkeit auf Lebenszeit.“ Ich denke an die vielen schwulen<br />
Paare in Hamburg, die jeden, und ich betone JEDEN, Sonntag zur<br />
selben Zeit um die Alster laufen, um dann danach das obligatorische<br />
Stück Torte zu essen, das sie sich dann mühsam für den Rest der Wo-<br />
che von der Hüfte trainieren. Ich denke an<br />
meinen Ex-Freund, mit dem mein Leben<br />
nach sieben Jahren ziemlich nah dran an<br />
dieser Realität war. Ich denke an identische<br />
Bettwäsche, Handtücher und Tischsets, an<br />
die Angst vor Spermaflecken auf dem teuren<br />
neuen Sofa, an tägliche Rituale und an<br />
den alleinigen Anspruch aneinander und<br />
die Aufgabe von jeglichen Freiheiten. Und<br />
in diesem Moment merke ich, dass ich tatsächlich<br />
etwas aus meiner letzten Beziehung<br />
gelernt habe.<br />
Natürlich habe ich Angst, wieder genauso<br />
zu werden, wieder in denselben langsamen<br />
Beziehungstrott zu verfallen, aber entscheidend<br />
ist doch, was ich oder vielmehr was<br />
mein Freund und ich daraus machen. Und<br />
das besondere an unserer Beziehung ist,<br />
dass sie so viel freier ist als bei vielen anderen.<br />
Das meine ich nicht unbedingt sexuell,<br />
aber bei allen Gemeinsamkeiten, die wir<br />
haben, und bei allem Bedürfnis nach Zweisamkeit,<br />
lassen wir uns doch gegenseitig die<br />
Möglichkeit, frei zu sein und auch ein eigenes<br />
Leben zu führen. Freier heißt in diesem<br />
Fall manchmal auch unverbindlicher.<br />
Das ist nicht immer einfach und sicherlich<br />
nicht für jedermann machbar. Es fordert<br />
viel Vertrauen und Selbstbewusstsein, aber<br />
eröffnet einem die Möglichkeit, tatsächlich<br />
miteinander und nebeneinander zu leben,<br />
ohne sich und den anderen mehr als nötig<br />
einschränken zu müssen. Und gerade das<br />
lässt den Partner individuell bleiben und<br />
sich weiterentwickeln. Es sorgt dafür, dass<br />
mein Freund für mich immer noch interessant<br />
ist, ich immer mal wieder eine neue<br />
Seite an ihm entdecke und dass er es immer<br />
noch schafft, mich zu überraschen.<br />
Diese Art von Offenheit mag eine Beziehung<br />
trotzdem nicht davor schützen, dass<br />
man sich irgendwann auseinander lebt. Andererseits<br />
schafft sie die Möglichkeit, die<br />
Beziehung immer neu zu erfinden, sich bewusst<br />
Zeit füreinander zu nehmen und die<br />
Zeit, die man gemeinsam verbringt, zu was<br />
Besonderem zu machen. Und eigentlich ist<br />
das doch genau das, was wir uns von einer<br />
Beziehung wünschen.<br />
Samstag 14:01 auf der A24 von Hamburg<br />
nach Berlin. Ich sitze hinter dem Steuer eines<br />
7,5-Tonners und tuckere mit 80 km/h<br />
der Hauptstadt entgegen. Auf der Ladefläche<br />
Möbel, Kartons, Pflanzen, Klamotten<br />
und 30000 Dinge, die ich eigentlich nicht<br />
brauche, aber die man als Mensch mit einem<br />
natürlich angeborenen Sammeltrieb<br />
einfach nicht wegschmeißen kann.<br />
Ich ziehe um. Mit meinem Freund zusammen.<br />
Ich werde am Montag meinen Mietvertrag<br />
unterschreiben und mein freies<br />
Single-Wohnungsleben wird vorüber sein.<br />
Mein Freund sitzt auf dem Beifahrersitz,<br />
ich schaue rüber zu ihm und beschließe,<br />
meine Bedenken über Bord zu schmeißen<br />
und irgendwo zwischen Hamburg und<br />
Berlin auf einem tristen Stück Autobahn<br />
liegen zu lassen. Dann schaue ich nach vorne...<br />
auf die Straße… und stelle mir vor,<br />
wie wir auf unserer neuen Terrasse stehen.<br />
Händchen haltend. Und nach über einem<br />
Jahr immer noch verliebt. Den dümmlichen<br />
Blick, den ich mache, kommentiert<br />
mein Freund nur lachend mit: „Du träumst<br />
doch schon wieder…“<br />
Für schwule Jungs:<br />
Sex und Sicherheit<br />
in der Beziehung<br />
Wer am Anfang einer Beziehung steht,<br />
erlebt viele schöne und neue Gefühle.<br />
Wenn es um Sex in der Beziehung geht, dann<br />
ist Sex auch ganz oft mit dem Bedürfnis<br />
verbunden, seinem Partner möglichst nahe<br />
zu kommen. Manchmal wird das Kondom beim<br />
Analverkehr als eine Barriere empfunden,<br />
die es angeblich verhindert, mit dem Partner<br />
wirklich zu verschmelzen.<br />
Wer am Anfang einer Beziehung steht, erlebt<br />
viele schöne und neue Gefühle. Wenn<br />
es um Sex in der Beziehung geht, dann ist<br />
Sex auch ganz oft mit dem Bedürfnis verbunden,<br />
seinem Partner möglichst nahe zu<br />
kommen. Manchmal wird das Kondom<br />
beim Analverkehr als eine Barriere empfunden,<br />
die es angeblich verhindert, mit dem<br />
Partner wirklich zu verschmelzen.<br />
Gemeinsam sollten die Partner in einer<br />
Beziehung besprechen, was für sie<br />
Kondome beim Analverkehr bedeuten.<br />
Grob gesagt gibt es hier drei verschiedene<br />
Möglichkeiten: Ein Teil der Menschen in<br />
Beziehungen fühlt sich von Kondomen<br />
beim Analverkehr gar nicht gestört. Ein<br />
anderer Teil der Menschen in Beziehun-<br />
gen benutzt Kondome, weil sie den optimalen<br />
Schutz vor HIV bieten. Auch wird<br />
das Risiko der Übertragung anderer Geschlechtskrankheiten<br />
reduziert. Die dritte<br />
Gruppe der Menschen in Beziehungen<br />
möchte dagegen am liebst Sex ohne Kondom<br />
haben.<br />
Doch wie kann Sex ohne Kondom funktionieren,<br />
ohne dass ein großes Risiko für<br />
HIV besteht? Eine Antwort bietet das<br />
Modell der ausgehandelten Sicherheit. Wer<br />
sich überlegt, mit seinem Partner Sex ohne<br />
Kondom zu haben, sollte zunächst drei<br />
Monate warten. In diesen drei Monaten<br />
sollten beide Partner konsequent Safer Sex<br />
haben. Wenn es eine offene Beziehung ist,<br />
dann ist Safer Sex auch bei allen anderen<br />
Sexpartnern außerhalb der Beziehung Pflicht. Nach diesen drei Monaten<br />
steht ein HIV-Test an. Dieser HIV-Test wird anonym und oft kostenlos<br />
bei allen Gesundheitsämtern und vielen Aidshilfen angeboten.<br />
Wichtig ist diese Wartezeit für den HIV-Test deswegen, weil der HIV-<br />
Test nur wirklich zuverlässige Aussagen nach einem Zeitraum von drei<br />
Monaten treffen kann. Drei Monate dauert es längstens, bis der Körper<br />
Antikörper gegen ein eingedrungenes HI-Virus bildet, die wiederum<br />
durch den HIV-Test nachgewiesen werden. Wenn der HIV-Test nun<br />
bei beiden Partnern negativ ausgefallen ist, also keine HIV-Infektion<br />
festgestellt werden konnte, dann besteht nun die Möglichkeit zu sicherem<br />
Sex ohne Kondom in der Beziehung.<br />
Wichtig ist dabei allerdings, dass beide Partner auch Absprachen treffen,<br />
wie mit Sex außerhalb der Beziehung umgegangen werden soll.<br />
Für manche ist Sex außerhalb der Beziehung in Ordnung, für andere<br />
nicht. Wichtig bleibt aber, dass außerhalb der Beziehung immer Safer<br />
Sex stattfinden muss, gerade auch um den Partner zu schützen. Und<br />
wenn z.B. beim Sex außerhalb der Beziehung das Kondom vergessen<br />
wurde, dann braucht es Raum, um darüber reden zu können und in<br />
der Beziehung wieder Safer Sex zu haben. Gerade der Raum für offene<br />
Gespräche ist hier wichtig. Denn wer fürchtet, sein Partner könnte ihn<br />
wegen eines Seitensprungs verlassen, wird auch darüber nicht reden,<br />
selbst wenn es eine Kondompanne gab.<br />
Sex ohne Kondom in der Beziehung hat sehr viel mit Kommunikation<br />
zu tun. Die Mitarbeiter_innen in den schwul-lesbischen Jugendprojekten<br />
oder in Aidshilfen stehen mit ihrem Rat zur Seite, wenn es<br />
Fragen gibt.<br />
Wer ein Gayromeo-Profil hat, kann auch einfach an die Health Supporter<br />
dort schreiben. Die Health Supporter sind schwule Präventionsmitarbeiter<br />
der Aidshilfen, die bei Gayromeo Ansprechpartner zu Safer<br />
Sex sind. Der Health Support ist übrigens direkt auf der Startseite von<br />
Gayromeo verlinkt.<br />
Michael Wurm<br />
Foto: Marco Barnebeck/ pixelio.de