Vom Knall zum Knällchen: Akustik des Schiesslärms und ... - Lärm.ch
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LŠrms<strong>ch</strong>utz Nr. 14 13.9.2000 12:09 Uhr Seite 45<br />
UMWELTPRAXIS Nr. 14 / Oktober 1997 Seite 45 LÄRMSCHU<br />
Über die <strong>Akustik</strong> <strong>des</strong> S<strong>ch</strong>iesslärms <strong>und</strong> die Lärms<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
<strong>Vom</strong> <strong>Knall</strong> <strong>zum</strong> Knäll<strong>ch</strong>en<br />
1990 hat die Fa<strong>ch</strong>stelle Lärms<strong>ch</strong>utz die Lärmsituation<br />
bei den 300-m-S<strong>ch</strong>iessanlagen im Kanton Züri<strong>ch</strong> beurteilt.<br />
Die Resultate ergaben, dass die Immissionsgrenzwerte<br />
der Lärms<strong>ch</strong>utzverordnung bei mehr als<br />
der Hälfte aller Anlagen übers<strong>ch</strong>ritten sind. Diese Feststellung<br />
zeigt, wie wi<strong>ch</strong>tig Massnahmen gegen den<br />
S<strong>ch</strong>iesslärm sind. Im vorliegenden Beitrag werden die<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten von sol<strong>ch</strong>en Lärms<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
untersu<strong>ch</strong>t. Dabei gilt es, die speziellen akustis<strong>ch</strong>en<br />
Eigens<strong>ch</strong>aften <strong>des</strong> S<strong>ch</strong>iesslärms zu berücksi<strong>ch</strong>tigen.<br />
Mündungs- <strong>und</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknall<br />
Beim Abfeuern eines Gewehrs<strong>ch</strong>usses bilden<br />
si<strong>ch</strong> im Lauf Gasdrücke von mehreren tausend<br />
Atmosphären. Die Pulvergase entwei<strong>ch</strong>en<br />
unter Na<strong>ch</strong>verbrennung hinter dem Ges<strong>ch</strong>oss<br />
mit mehrfa<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>allges<strong>ch</strong>windigkeit<br />
<strong>und</strong> erzeugen dabei den Mündungsknall.<br />
Dieser breitet si<strong>ch</strong> in allen Ri<strong>ch</strong>tungen um die<br />
Mündung aus, ist aber in S<strong>ch</strong>ussri<strong>ch</strong>tung am<br />
stärksten.<br />
Das Sturmgewehrprojektil fliegt ans<strong>ch</strong>liessend<br />
mit etwa doppelter S<strong>ch</strong>allges<strong>ch</strong>windigkeit,<br />
wobei diese als Folge der Luftreibung<br />
im Verlaufe <strong>des</strong> Fluges lei<strong>ch</strong>t<br />
abnimmt. Das Ges<strong>ch</strong>oss ist auf seiner ganzen<br />
Bahn Quelle von Druckwellen, da seine<br />
Spitze Luft verdrängt <strong>und</strong> dabei komprimiert,<br />
während hinter dem Ges<strong>ch</strong>oss ein Unterdruck<br />
entsteht. Der dadur<strong>ch</strong> an jeder Ges<strong>ch</strong>ossposition<br />
entstehende Übers<strong>ch</strong>allknall verursa<strong>ch</strong>t<br />
einen Verdi<strong>ch</strong>tungsstoss in Form eines Kegelmantels<br />
(Ma<strong>ch</strong>’s<strong>ch</strong>er Kegel) mit dem Ges<strong>ch</strong>oss<br />
an der Spitze.<br />
Abb. 1: S<strong>ch</strong>lierenaufnahme eines mit Übers<strong>ch</strong>allges<strong>ch</strong>windigkeit<br />
fliegenden Gewehrges<strong>ch</strong>osses. Deutli<strong>ch</strong><br />
sind Kopf- <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>wanzwelle erkennbar. (Foto: EMPA)<br />
Diese kegelförmige S<strong>ch</strong>ockwelle, genannt<br />
Ges<strong>ch</strong>ossknall, ist streng geri<strong>ch</strong>tet <strong>und</strong> überstrei<strong>ch</strong>t<br />
nur ein genau definiertes Gebiet. Für<br />
einen Empfangsort, der im Ges<strong>ch</strong>ossknallberei<strong>ch</strong><br />
liegt, s<strong>ch</strong>eint dabei der Ges<strong>ch</strong>ossknall<br />
von einem ganz bestimmten Punkt der Ges<strong>ch</strong>ossbahn<br />
aus zu kommen. Da das Projektil<br />
mit Übers<strong>ch</strong>allges<strong>ch</strong>windigkeit fliegt, errei<strong>ch</strong>t<br />
der Ges<strong>ch</strong>ossknall den Empfangsort<br />
vor dem Mündungsknall, obwohl er später erzeugt<br />
wurde. Unter geeigneten Bedingungen<br />
können die beiden <strong>Knall</strong>ereignisse deutli<strong>ch</strong><br />
getrennt wahrgenommen werden, was allgemein<br />
als «Doppelknall» bezei<strong>ch</strong>net wird. Der<br />
Ges<strong>ch</strong>ossknall kann dabei dur<strong>ch</strong> seine höhere<br />
Tonlage gut vom Mündungsknall unters<strong>ch</strong>ieden<br />
werden.<br />
Ges<strong>ch</strong>ossknall-Berei<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>eibenstand<br />
G<br />
Empfängerbezogener<br />
Ausgangsort <strong>des</strong><br />
Ges<strong>ch</strong>ossknalls<br />
S<strong>ch</strong>ützenhaus<br />
Abb. 2: Berei<strong>ch</strong> <strong>und</strong> Ort <strong>des</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknalls<br />
Empfänger<br />
(lärmempfindli<strong>ch</strong>es<br />
Gebäude)<br />
S<strong>ch</strong>allausbreitung<br />
Auf dem Ausbreitungsweg werden die Pegel<br />
<strong>des</strong> Mündungs- <strong>und</strong> <strong>des</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknalles<br />
dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Effekte reduziert. Während<br />
die Boden- <strong>und</strong> Luftdämpfung sowie –<br />
falls vorhanden – die Walddämpfung vor<br />
allem die mittleren <strong>und</strong> höheren Frequenzen<br />
vermindern, ist die Pegelabnahme als Folge<br />
der geometris<strong>ch</strong>en Ausbreitung von der Frequenz<br />
unabhängig. Je na<strong>ch</strong> Situation werden<br />
die am Empfangsort festzustellenden Lärm-<br />
Redaktionelle Verantwortung<br />
für diesen Beitrag:<br />
EMPA<br />
Abt. <strong>Akustik</strong> <strong>und</strong> Lärmbekämpfung<br />
Allan Rosenheck<br />
Jean Marc W<strong>und</strong>erli<br />
Überlandstrasse 129<br />
8600 Dübendorf<br />
Telefon 01 823 55 11<br />
Literatur<br />
S<strong>ch</strong>iesslärm-Modell SL-90, Erweiterung. 199<br />
Herausgegeben <strong>und</strong> zu beziehen beim B<strong>und</strong>e<br />
für Umwelt, Wald <strong>und</strong> Lands<strong>ch</strong>aft, 3003 Ber<br />
siehe au<strong>ch</strong><br />
– Tunnel vor <strong>und</strong> Feuer frei, Seite 47<br />
– Werktags stört’s weniger, Seite 49
LŠrms<strong>ch</strong>utz Nr. 14 13.9.2000 12:09 Uhr Seite 46<br />
UMWELTPRAXIS Nr. 14 / Oktober 1997 Seite 46 LÄRMSCHUTZ<br />
Reduktion <strong>des</strong> Mündungsknalls<br />
Für Gebiete hinter der Mündung ist das S<strong>ch</strong>ützenhaus<br />
selbst die beste Lärms<strong>ch</strong>utzmassnahme.<br />
Ein Bau mit soliden Wänden <strong>und</strong> Da<strong>ch</strong><br />
bewirkt eine massive Reduktion <strong>des</strong> Mündungsknalls.<br />
Oft ist die effektive Wirkung <strong>des</strong><br />
S<strong>ch</strong>ützenhauses aber dur<strong>ch</strong> Reflexionen (z. B.<br />
Wald) begrenzt.<br />
Für Empfangsorte seitli<strong>ch</strong> oder vor dem<br />
S<strong>ch</strong>ützenhaus werden häufig vor der Anlage<br />
Wände oder Dämme parallel zur S<strong>ch</strong>iessri<strong>ch</strong>tung<br />
aufgestellt. Allerdings ist die Wirkung<br />
sol<strong>ch</strong>er Massnahmen vor allem bei Anlagen<br />
mit vielen Lägern begrenzt, da der Abstand<br />
zwis<strong>ch</strong>en der Mündung <strong>und</strong> dem Hindernis<br />
meist zu gross ist. Wirksamer ist die Installation<br />
von in der Regelvier Meter langen Seitenblenden<br />
zwis<strong>ch</strong>en je zwei Lägern.<br />
Seitenblenden bestehen meist aus einem<br />
harten Kern, wel<strong>ch</strong>er beidseitig mit s<strong>ch</strong>allabsorbierendem<br />
Material verkleidet wird. Eine<br />
neue, sehr wirksame Massnahme stellen sogenannte<br />
Lärms<strong>ch</strong>utztunnel dar, die bei jedem<br />
einzelnen Läger installiert werden (siehe Beitrag<br />
«Tunnel vor <strong>und</strong> Feuer frei»).<br />
Abb. 3: Räumli<strong>ch</strong>e Verteilung der Maximalpegel bei S<strong>ch</strong>iessanlagen. Diese Grobanalyse berücksi<strong>ch</strong>tigt weder die<br />
Bodendämpfung no<strong>ch</strong> Hinderniswirkungen <strong>und</strong> Reflexionen von Gebäuden <strong>und</strong> Topographie.<br />
pegel au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die Abs<strong>ch</strong>irmwirkung von<br />
Hindernissen <strong>und</strong> dur<strong>ch</strong> Reflexionen, beispielsweise<br />
an Waldrändern oder an Gebäuden,<br />
massgebli<strong>ch</strong> beeinflusst. Die einzelnen<br />
Einflussgrössen wirken unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> auf<br />
Mündungs- <strong>und</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknall. Somit muss<br />
von Fall zu Fall beurteilt werden, wel<strong>ch</strong>e der<br />
beiden Lärmquellen im Endeffekt den Gesamtpegel<br />
dominiert.<br />
Massnahmenpalette<br />
S<strong>ch</strong>liesst man Lärmreduktionen an der Waffe<br />
selber aus, so bleibt nur die Mögli<strong>ch</strong>keit,<br />
Lärms<strong>ch</strong>utzmassnahmen entlang dem Ausbreitungsweg<br />
zu treffen. Dabei ist das allgemeine<br />
Prinzip immer das glei<strong>ch</strong>e: die Si<strong>ch</strong>tlinie<br />
zwis<strong>ch</strong>en Quelle (also Mündung oder<br />
Ges<strong>ch</strong>ossbahn) <strong>und</strong> Empfangsort (z.B. Wohnungsfenster)<br />
muss dur<strong>ch</strong> ein Hindernis unterbro<strong>ch</strong>en<br />
werden. Je höher das Hindernis<br />
<strong>und</strong> je näher es zur Quelle liegt, <strong>des</strong>to grösser<br />
ist die Lärmreduktion.<br />
Reduktion <strong>des</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknalls<br />
Wie gesagt, stammt der Ges<strong>ch</strong>ossknall für<br />
einen gegebenen Empfangsort von einem<br />
ganz bestimmten Punkt entlang der Flugbahn<br />
<strong>des</strong> Projektils. Deshalb genügt theoretis<strong>ch</strong> ein<br />
relativ kurzes Hindernis, um diesen <strong>Knall</strong> zu<br />
reduzieren. In der Praxis stehen oft mehrere<br />
Häuser im Ges<strong>ch</strong>ossknallberei<strong>ch</strong>, was zur<br />
Folge hat, dass ein grösserer Teil der 300 m<br />
langen Ges<strong>ch</strong>ossbahn abges<strong>ch</strong>irmt werden<br />
müsste. Leider verhindert die Topographie<br />
häufig, die Wände oder Dämme entlang der<br />
Ges<strong>ch</strong>ossbahn ho<strong>ch</strong> genug zu bauen, um die<br />
Si<strong>ch</strong>tlinie <strong>zum</strong> Empfangsort zu unterbre<strong>ch</strong>en.<br />
Beispielsweise ist dies der Fall, wenn über<br />
eine Gelän<strong>des</strong>enke ges<strong>ch</strong>ossen wird oder<br />
wenn die Empfangsorte stark überhöht sind.<br />
In sol<strong>ch</strong>en Fällen kann der Ges<strong>ch</strong>ossknall<br />
ni<strong>ch</strong>t vermindert werden. Da die Lärmbelastung<br />
in Gebieten mit Ges<strong>ch</strong>ossknall meist<br />
dur<strong>ch</strong> diesen dominiert wird, bringt eine Reduktion<br />
<strong>des</strong> Mündungsknalls allein nur eine<br />
geringe Verbesserung <strong>des</strong> Gesamtlärms.<br />
Abb. 4: Seitenblenden zur Reduktion <strong>des</strong> Mündungsknalls<br />
Bere<strong>ch</strong>nungsprogramm<br />
Bei der Beurteilung der Lärmsituation <strong>und</strong> der Planung<br />
von Massnahmen ist es in der Regel ni<strong>ch</strong>t<br />
notwendig, aufwendige Lärmmessungen dur<strong>ch</strong>zuführen.<br />
Mit einem speziell für den S<strong>ch</strong>iesslärm<br />
entwickelten PC-Programm lassen si<strong>ch</strong> Modellre<strong>ch</strong>nungen<br />
dur<strong>ch</strong>führen. Das Programm berücksi<strong>ch</strong>tigt<br />
den Mündungs- <strong>und</strong> Ges<strong>ch</strong>ossknall, die<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Ausbreitungsverluste sowie die<br />
Wirkung von Topographie <strong>und</strong> Hindernissen. Ergänzend<br />
<strong>zum</strong> bestehenden Modell sind in diesem<br />
Jahr neuere Fors<strong>ch</strong>ungsergebnisse in der vom<br />
BUWAL herausgegebenen S<strong>ch</strong>riftenreihe Umwelt<br />
zu erwarten.