Notfall in der Praxis - KVHH
Notfall in der Praxis - KVHH
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Journal<br />
Rundschreiben des Vorstandes <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg Nr. 12 /2011<br />
<strong>Notfall</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />
Was tun, wenn es um Leben und Tod geht?<br />
Ärzteprotest<br />
<strong>Praxis</strong>zelte <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Innenstadt<br />
Selbstverwaltung<br />
Trauer um<br />
Jörg-Dietrich Hoppe<br />
Arzneimittelrichtl<strong>in</strong>ie<br />
Än<strong>der</strong>ungen<br />
beim Off-Label-Use
Liebe Leser<strong>in</strong>nen, liebe Leser!<br />
In Ruhe und frei von äußeren Zwängen Patienten versorgen können<br />
ohne existenzielle Sorgen, freiberuflich also – diese Erwartungen an<br />
die Honorarreform 2009 haben sich nicht erfüllt. Das versprochene<br />
Ende <strong>der</strong> Budgetierung hat sich als Mogelpackung herausgestellt. Die<br />
logische Folge s<strong>in</strong>d Wartezeiten für Patienten, die entstehen, wenn die<br />
Nachfrage nach Leistungen größer ist als das Angebot. Deshalb hat <strong>der</strong><br />
viel zu früh verstorbene vormalige Präsident <strong>der</strong> Bundesärztekammer,<br />
Herr Prof. Dr. Hoppe, bereits vor zwei Jahren und dann immer wie<strong>der</strong><br />
auf die Notwendigkeit <strong>der</strong> Priorisierung h<strong>in</strong>gewiesen, deshalb haben<br />
<strong>der</strong> Aktionstag <strong>der</strong> Selbstverwaltung am 26. Oktober und <strong>der</strong> Flyer zur<br />
Information <strong>der</strong> Patienten genau dieses Thema aufgenommen.<br />
Es bedarf ke<strong>in</strong>er hellseherischer Fähigkeiten, um zu erkennen, dass es<br />
ke<strong>in</strong>e kurzfristigen Verbesserungen geben kann, auch nicht durch das<br />
Versorgungsstrukturgesetz. Der Gesetzentwurf bietet aber wenigstens<br />
die Chance, die für die Versorgung <strong>in</strong> Hamburg notwendigen Regelungen<br />
e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n – zur Verkürzung <strong>der</strong> Wartezeiten und Vermeidung von<br />
Priorisierung.<br />
Ihr Dieter Bollmann,<br />
Vorstand <strong>der</strong> KV Hamburg<br />
Impressum<br />
KVH-Journal <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
für ihre Mitglie<strong>der</strong> und <strong>der</strong>en Mitarbeiter<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise monatlich<br />
Abdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers<br />
Gezeichnete Artikel geben die Me<strong>in</strong>ung des Autors und nicht unbed<strong>in</strong>gt die des<br />
Herausgebers wie<strong>der</strong>.<br />
VISDP: Walter Plassmann<br />
Text- und Bildredaktion: Abt. Öffentlichkeitsarbeit, Mart<strong>in</strong> Niggeschmidt<br />
Kassenärztliche Vere<strong>in</strong>igung Hamburg, Humboldtstraße 56, 22083 Hamburg<br />
Tel: (040) 22802-655, eMail: redaktion@kvhh.de<br />
Wir freuen uns über Reaktionen auf unsere Artikel, über Themenvorschläge<br />
und Me<strong>in</strong>ungsäußerungen.<br />
Layout und Satz: Headquarters Hamburg, www.hqhh.de<br />
Titelbild: fotolia.de/ Yuri Arcurs<br />
Ausgabe 12/2011 vom 1. Dezember 2011<br />
(Redaktionsschluss: 14. November 2011)<br />
Wichtige Informationen auch für Ihre <strong>Praxis</strong>mitarbeiter<br />
Das KVH-Journal enthält Informationen für den <strong>Praxis</strong>alltag, die auch für Ihre nichtärztlichen <strong>Praxis</strong>mitarbeiter<br />
wichtig s<strong>in</strong>d. Bitte ermöglichen Sie ihnen den E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Heft.
Inhalt<br />
Schwerpunkt<br />
Nachgefragt: Wie bereiten Sie sich auf <strong>Notfall</strong>situationen vor? 4<br />
<strong>Notfall</strong>management <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong>: Was tun, wenn es um Leben und Tod geht? 5<br />
Forum<br />
Erster „Tag <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>" <strong>in</strong> Hamburg 9<br />
Ärzteprotest: Aktion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mönckebergstraße 10<br />
Trauer um Professor Jörg-Dietrich Hoppe 14<br />
Amtliche Veröffentlichungen<br />
Bekanntmachungen zu Verträgen im Internet 15<br />
Aus <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> für die <strong>Praxis</strong><br />
Fragen und Antworten 16<br />
Nachgereichter Überweisungssche<strong>in</strong>: Ausstelldatum muss<br />
vor dem Behandlungsdatum liegen 17<br />
Brennpunkt Arznei<br />
Neuerungen beim Off-Label-Use 18<br />
Frühe Nutzenbewertung durch das IQWiG: Ticagrelor hat<br />
„beträchtlichen Zusatznutzen für bestimmte Patienten“ 19<br />
Neue Arzneimittel: Stellungnahmen <strong>der</strong> Arzneimittelkommission<br />
zu Eliquis ® (Apixaban) und RoActemra ® (Tocilizumab) 20<br />
Flunitrazepam-Präparate gelten ohne Ausnahme als Betäubungsmittel 21<br />
KV <strong>in</strong>tern<br />
Steckbrief: Für Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vertreterversammlung 22<br />
Term<strong>in</strong>kalen<strong>der</strong> 23<br />
KVH-Journal 12/11<br />
Inh a lt<br />
3
Nachgefragt<br />
JJ<br />
Wie bereiten Sie sich auf <strong>Notfall</strong>situationen vor?<br />
Notfälle s<strong>in</strong>d zum Glück selten.<br />
Seit Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong>tätigkeit<br />
<strong>in</strong> 2007 erleben wir es<br />
jedes Jahr etwa e<strong>in</strong>mal, dass<br />
e<strong>in</strong> Patient <strong>in</strong> unserer <strong>Praxis</strong><br />
e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt hat. E<strong>in</strong>e Reanimation<br />
mussten wir noch<br />
nicht durchführen. Häufigere<br />
mediz<strong>in</strong>ische Notfälle <strong>in</strong> unserer<br />
diabetologischen Schwerpunktpraxis<br />
s<strong>in</strong>d Hyper- o<strong>der</strong><br />
Hypoglykämien. Die größte<br />
Fehlerquelle bei Notfällen ist<br />
die Aufregung. Dagegen hilft<br />
e<strong>in</strong> strukturiertes <strong>Notfall</strong>management<br />
im Rahmen des<br />
Qualitätsmanagements. Dabei<br />
bespricht und dokumentiert das<br />
Team geme<strong>in</strong>sam Prozesse und<br />
Zuständigkeiten: Wer <strong>in</strong>formiert<br />
wen? Wer macht was? Damit im<br />
<strong>Notfall</strong> alles Hand <strong>in</strong> Hand geht,<br />
leihen wir uns e<strong>in</strong>mal im Jahr<br />
e<strong>in</strong>e Puppe, mit <strong>der</strong> wir im Team<br />
e<strong>in</strong>en <strong>Notfall</strong> simulieren und alle<br />
Abläufe genau durchspielen.<br />
Denn was mehr als jede Theorie<br />
hilft, ist die praktische Übung.<br />
Dr. Thorsten Koch,<br />
Internist, Diabetologe und<br />
<strong>Notfall</strong>mediz<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Wandsbek<br />
Auf Notfälle muss man seelisch<br />
und organisatorisch gut<br />
vorbereitet se<strong>in</strong>. <strong>Notfall</strong>koffer<br />
und -medikamente müssen immer<br />
griffbereit se<strong>in</strong>, je<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> muss wissen, wo sie<br />
zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Man sollte <strong>Notfall</strong>situationen<br />
auch gelegentlich<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> durchspielen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> größeren<br />
Praxen braucht man quasi e<strong>in</strong><br />
Drehbuch, damit sich nicht drei<br />
Leute gleichzeitig auf das gleiche<br />
Problem stürzen. In me<strong>in</strong>er<br />
<strong>Praxis</strong> b<strong>in</strong> ich meist mit e<strong>in</strong>er<br />
Arzthelfer<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>, kann also<br />
gar nicht viel delegieren. Notfälle<br />
kommen nur selten vor,<br />
meist handelt es sich um Patienten,<br />
die plötzlich unter Herz-<br />
Kreislaufbeschwerden leiden.<br />
E<strong>in</strong>mal wurde e<strong>in</strong>em Patienten<br />
im Liegen beim EKG ganz flau,<br />
da mussten wir mit Sauerstoff<br />
agieren bis <strong>der</strong> Notarzt e<strong>in</strong>traf.<br />
Reanimieren musste ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />
<strong>Praxis</strong> zum Glück noch niemanden<br />
– nur im Friseursalon<br />
nebenan …<br />
Klaus Schäfer,<br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong> Langenhorn<br />
Als Chirurgen s<strong>in</strong>d wir immer<br />
auf Notfälle gefasst, denn es<br />
kommen ständig Menschen mit<br />
frischen Verletzungen <strong>in</strong> unsere<br />
<strong>Praxis</strong>. Auch bei ambulanten<br />
Operationen treten gelegentlich<br />
Notfälle wie Kreislaufbeschwerden<br />
o<strong>der</strong> allergische<br />
Reaktionen auf. Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>gespieltes Team und üben<br />
regelmäßig „Manöverkritik“<br />
über die Abläufe <strong>in</strong> unserer<br />
<strong>Praxis</strong>. Beson<strong>der</strong>s dramatisch<br />
war dieser Fall: Da hatte e<strong>in</strong><br />
Mann se<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong> zur Behandlung<br />
zu uns gefahren und<br />
saß während ihrer Behandlung<br />
im Wartezimmer. Irgendwann<br />
fiel jemandem auf, dass er<br />
seltsam dasaß und e<strong>in</strong>en Arm<br />
nicht bewegen konnte. Es war<br />
e<strong>in</strong> frischer Schlaganfall. E<strong>in</strong><br />
fachfrem<strong>der</strong> <strong>Notfall</strong>, und nicht<br />
e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> uns bekannter Patient!<br />
Wir konnten den Patienten<br />
sehr schnell ohne Zeitverlust <strong>in</strong><br />
die Stroke-Unit des benachbarten<br />
Asklepios Kl<strong>in</strong>ikums Altona<br />
e<strong>in</strong>weisen.<br />
Dr. Hans-Victor Grüber,<br />
Chirurg <strong>in</strong> Othmarschen<br />
4<br />
S c h w e r p u n k t KVH-Journal 12/11
Foto: fotolia.de/frogmo9<br />
<strong>Notfall</strong>management <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />
JJ<br />
Mit „echten“ Notfällen s<strong>in</strong>d Vertragsärzte nur selten konfrontiert. Umso<br />
wichtiger ist e<strong>in</strong>e gute Vorbereitung: E<strong>in</strong> detailliertes <strong>Notfall</strong>konzept und<br />
praktische Übungen helfen dabei, im Ernstfall e<strong>in</strong>en kühlen Kopf zu bewahren.<br />
Hand aufs Herz: Wissen Sie genau,<br />
was zu tun ist, wenn <strong>in</strong> Ihrer<br />
<strong>Praxis</strong> e<strong>in</strong> Patient e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Schlaganfall<br />
erleidet? Weiß Ihr <strong>Praxis</strong>team,<br />
wie es sich <strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
<strong>Notfall</strong>situationen verhalten<br />
soll? Würde e<strong>in</strong> <strong>Notfall</strong>patient<br />
optimal versorgt, bis <strong>der</strong> Rettungswagen<br />
e<strong>in</strong>trifft? „Echte“<br />
Notfälle <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> des nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Arztes s<strong>in</strong>d zum<br />
Glück selten. Entsprechend wenig<br />
Rout<strong>in</strong>e haben die meisten<br />
<strong>Praxis</strong>teams mit solchen Situationen<br />
- und umso wichtiger ist<br />
die Vorbereitung.<br />
E<strong>in</strong> <strong>Notfall</strong> ist generell e<strong>in</strong> Ereignis,<br />
das den normalen <strong>Praxis</strong>betrieb<br />
sprengt und für den<br />
Patienten akut bedrohlich ist.<br />
Welche Akuterkrankungen als<br />
<strong>Notfall</strong> gelten, hängt sowohl von<br />
<strong>der</strong> Fachrichtung als auch von<br />
<strong>der</strong> Patientenklientel <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />
ab. Ereignisse wie Herz<strong>in</strong>farkt,<br />
hypertensive Entgleisung,<br />
Schlaganfall, Asthmaanfall o<strong>der</strong><br />
schwere allergische Reaktionen<br />
werden aber sicherlich <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />
<strong>Praxis</strong> als „echter“ <strong>Notfall</strong> e<strong>in</strong>gestuft.<br />
Die Patienten dürfen<br />
zu Recht erwarten, dass sie <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er akuten <strong>Notfall</strong>situation <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> situationsgerecht<br />
und ohne Verzögerung versorgt<br />
werden. Es kommt dann<br />
auf e<strong>in</strong> effektives und strukturiertes<br />
<strong>Notfall</strong>management des<br />
gesamten <strong>Praxis</strong>teams an. E<strong>in</strong><br />
solches <strong>Notfall</strong>management<br />
ist Bestandteil des gesetzlich<br />
vorgeschriebenen Qualitätsmanagements<br />
<strong>der</strong> Arztpraxis - und<br />
wird im Idealfall vom gesamten<br />
<strong>Praxis</strong>team geme<strong>in</strong>sam entwickelt<br />
(siehe Kasten Seite 6).<br />
Es ist auffällig, dass <strong>Praxis</strong>angestellte<br />
meist aufgeschlossen<br />
auf Schulungsangebote<br />
reagieren, während ihre Chefs<br />
bisweilen zurückhalten<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d:<br />
„Ich b<strong>in</strong> doch Arzt, ich müsste<br />
das doch auch ohne Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
können“, ist e<strong>in</strong> typisches Gegenargument.<br />
Manche Ärzte<br />
zögern auch, weil sie denken:<br />
„Ich möchte mich nicht vor me<strong>in</strong>en<br />
Arzthelfer<strong>in</strong>nen blamieren.“<br />
O<strong>der</strong>: „Wir kriegen das schon<br />
irgendwie h<strong>in</strong>, Notfälle s<strong>in</strong>d ja<br />
selten.“<br />
Die Folgen fehlen<strong>der</strong> Vorbereitung<br />
wären für alle Beteiligten<br />
unerfreulich, denn wenn<br />
Fortsetzung auf S. 6<br />
KVH-Journal 12/11<br />
S c h w e r p u n k t<br />
5
Fortsetzung von S. 5<br />
tatsächlich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> echter<br />
<strong>Notfall</strong> e<strong>in</strong>tritt, kann es im Team<br />
Unsicherheiten geben: Was ist<br />
<strong>in</strong> welcher Reihenfolge zu tun?<br />
Es gibt zwei denkbare Katastrophenszenarien:<br />
Entwe<strong>der</strong> laufen<br />
<strong>der</strong> Arzt und se<strong>in</strong>e Angestellten<br />
hektisch und planlos um den Patienten<br />
herum und vergessen im<br />
Eifer des Gefechts sogar, 112 zu<br />
wählen und den Rettungswagen<br />
zu rufen. O<strong>der</strong> aber sie entziehen<br />
sich ihrer Verantwortung<br />
und lagern den <strong>Notfall</strong>patienten<br />
alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em abgetrennten<br />
Raum auf e<strong>in</strong>er Liege, während<br />
<strong>der</strong> <strong>Praxis</strong>chef sich bereits wie<strong>der</strong><br />
se<strong>in</strong>er Sprechstunde widmet.<br />
Beide Varianten würden<br />
den <strong>Notfall</strong>patienten unnötig<br />
gefährden.<br />
E<strong>in</strong> nie<strong>der</strong>gelassener Arzt muss<br />
nicht alle <strong>Notfall</strong>maßnahmen bis<br />
<strong>in</strong>s Detail beherrschen. Schließlich<br />
ist es nicht Aufgabe des Arztes<br />
und se<strong>in</strong>es Teams, den akut<br />
erkrankten <strong>Notfall</strong>patienten <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> vollständig zu<br />
versorgen und zu heilen. Aufgabe<br />
des Teams ist es vielmehr,<br />
den Patienten zu stabilisieren<br />
und auf die Weiterbehandlung<br />
durch den Notarzt vorzubereiten.<br />
Der Arzt und se<strong>in</strong>e Arzthelfer<strong>in</strong>nen<br />
müssen die Situation<br />
nur so lange überbrücken, bis<br />
<strong>der</strong> Rettungswagen e<strong>in</strong>trifft. In<br />
Hamburg mit se<strong>in</strong>em sehr guten<br />
flächendeckenden Rettungswesen<br />
dauert es ab dem Zeitpunkt<br />
des Notrufs maximal zehn M<strong>in</strong>uten,<br />
bis <strong>Notfall</strong>-Profis den Patienten<br />
übernehmen. In diesen<br />
zehn M<strong>in</strong>uten muss allerd<strong>in</strong>gs<br />
alles Hand <strong>in</strong> Hand gehen (siehe<br />
Kasten rechte Seite). Damit dies<br />
gel<strong>in</strong>gt, sollten alle Abläufe im<br />
Team besprochen, def<strong>in</strong>iert und<br />
ausgearbeitet werden:<br />
1. Zuständigkeiten klären, und<br />
zwar entwe<strong>der</strong> personeno<strong>der</strong><br />
funktionsgebunden.<br />
In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en <strong>Praxis</strong> mit<br />
wenigen Angestellten, die<br />
ganztags arbeiten und dabei<br />
festgelegte Arbeitsbereiche<br />
haben, empfiehlt sich die<br />
personengebundene Zuständigkeit.<br />
In größeren E<strong>in</strong>heiten<br />
mit wechseln<strong>der</strong> Besetzung<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Positionen ist<br />
es s<strong>in</strong>nvoller, diese Zuständigkeiten<br />
funktionsgebunden<br />
zuzuteilen. Zum Beispiel: Wer<br />
vorn an <strong>der</strong> Anmeldung se<strong>in</strong>en<br />
Platz hat (beziehungsweise<br />
Teammitglied X), verständigt<br />
den Arzt und ruft<br />
den Rettungswagen. Wer im<br />
Labor arbeitet (beziehungsweise<br />
Teammitglied Y), holt<br />
den <strong>Notfall</strong>koffer. Wer Patienten<br />
<strong>in</strong> die Behandlungsräume<br />
dirigiert und sie auf die Untersuchung<br />
vorbereitet (beziehungsweise<br />
Teammitglied Z),<br />
br<strong>in</strong>gt den <strong>Notfall</strong>patienten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Raum und<br />
lagert ihn. Der Lerneffekt ist<br />
beson<strong>der</strong>s groß, wenn das<br />
Team se<strong>in</strong>en <strong>Notfall</strong>plan und<br />
alle erfor<strong>der</strong>lichen Abläufe<br />
selbst erarbeitet. Alternativ<br />
gibt es hierfür aber auch<br />
Vordrucke von verschiedenen<br />
Anbietern.<br />
2. Ausstattung des <strong>Notfall</strong>koffers<br />
(siehe Kasten nächste<br />
Seite oben). Es gibt ke<strong>in</strong>e gesetzlichen<br />
Vorschriften, <strong>in</strong> denen<br />
klar geregelt ist, welches<br />
<strong>Notfall</strong>management: Wie bereite ich mich auf den Ernstfall vor?<br />
• Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Indikationen: Welche Notfälle können <strong>in</strong> unserer <strong>Praxis</strong> mit gewisser Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
auftreten?<br />
• Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Abläufe und Zuständigkeiten: Wer macht was und wer <strong>in</strong>formiert wen?<br />
• <strong>Notfall</strong>koffer: Der <strong>Notfall</strong>koffer muss für alle zugänglich se<strong>in</strong>, alle müssen se<strong>in</strong>en Standort<br />
kennen. Der Inhalt des <strong>Notfall</strong>koffers wird regelmäßig kontrolliert.<br />
• Schulung: Regelmäßige theoretische Auffrischung <strong>der</strong> <strong>Notfall</strong>abläufe mit dem gesamten<br />
Team.<br />
• Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g: Praktische Simulation von Notfällen unter realistischen Bed<strong>in</strong>gungen, möglichst<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen <strong>Praxis</strong>.<br />
6<br />
S c h w e r p u n k t KVH-Journal 12/11
<strong>Notfall</strong>-Equipment <strong>der</strong> Arzt<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> vorhalten<br />
muss. Er kann den <strong>Notfall</strong>koffer<br />
daher im Rahmen se<strong>in</strong>er<br />
ärztlichen Therapiefreiheit<br />
nach eigenem Ermessen<br />
bestücken. Die Industrie<br />
bietet verschiedene fertige<br />
Modelle und Ausstattungsvarianten<br />
an, doch hier lohnt<br />
<strong>der</strong> genaue Vergleich. Denn<br />
e<strong>in</strong> schicker und bestens<br />
ausgestatteter <strong>Notfall</strong>koffer<br />
nutzt im Ernstfall nichts,<br />
wenn das Team das dar<strong>in</strong><br />
enthaltene Equipment nicht<br />
bedienen kann o<strong>der</strong> mit den<br />
enthaltenen Medikamenten<br />
nicht vertraut ist. Wer e<strong>in</strong>e<br />
Intubation beherrscht, sollte<br />
den <strong>Notfall</strong>koffer mit e<strong>in</strong>em<br />
Laryngoskop ausstatten. An<strong>der</strong>e<br />
sollten im <strong>Notfall</strong> lieber<br />
e<strong>in</strong>en Larynxtubus o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>e Larynxmaske e<strong>in</strong>setzen.<br />
Nicht jede <strong>Praxis</strong> muss e<strong>in</strong>en<br />
Defibrillator vorhalten. Für<br />
Ungeübte empfiehlt sich e<strong>in</strong><br />
Automatisierter Externer<br />
Defibrillator (AED), <strong>der</strong> dem<br />
Anwen<strong>der</strong> anhand <strong>der</strong> gemessenen<br />
Parameter genaue<br />
Anweisungen erteilt. In e<strong>in</strong>er<br />
Berufsausübungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ärztehaus<br />
mit mehreren Praxen<br />
können auch mehrere Ärzte<br />
geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en Defibrillator<br />
anschaffen – Hauptsache,<br />
je<strong>der</strong> hat im <strong>Notfall</strong> Zugang<br />
zu dem Gerät. Grundsätzlich<br />
gilt: Der <strong>Notfall</strong>koffer sollte<br />
nur Material und Medikamente<br />
enthalten, mit denen das<br />
Team vertraut ist. Der Inhalt<br />
des <strong>Notfall</strong>koffers muss regelmäßig<br />
überprüft werden:<br />
Das Wichtigste im Überblick:<br />
Was tun im <strong>Notfall</strong>?<br />
1. Ruhe bewahren!<br />
2. E<strong>in</strong> Teammitglied sorgt für den Notruf an 112<br />
3. E<strong>in</strong> Teammitglied verständigt den Arzt<br />
4. E<strong>in</strong> Teammitglied bleibt beim Patienten und lagert ihn <strong>in</strong> stabiler<br />
Seitenlage<br />
5. Der Patient bleibt bis zum E<strong>in</strong>treffen des Rettungswagens unter<br />
Aufsicht<br />
6. Geeignete ärztliche Maßnahmen zur Überbrückung e<strong>in</strong>leiten<br />
(zum Beispiel venöser Zugang, <strong>Notfall</strong>medikation, Reanimation)<br />
7. Alle Informationen über getroffene Maßnahmen und Medikation<br />
an die Rettungsassistenten weitergeben<br />
8. Nach Möglichkeit wichtige Informationen aus <strong>der</strong> Patientenakte<br />
für den Rettungsdienst kopieren<br />
9. Alle Ereignisse und Maßnahmen genau dokumentieren und später<br />
im Team auswerten<br />
10. Juristisch angreifbar s<strong>in</strong>d nur das Nichtstun und die Fehlbehandlung<br />
jenseits <strong>der</strong> eigenen Fachgebietsgrenzen!<br />
Ist das Equipment vollständig?<br />
Ist das Verfallsdatum <strong>der</strong><br />
Materialien und Medikamente<br />
noch nicht abgelaufen? S<strong>in</strong>d<br />
alle Batterien noch funktionstüchtig?<br />
3. Regelmäßiges Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g:<br />
Die Simulation von Notfällen<br />
und die anschließende<br />
Auswertung des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
nehmen dem <strong>Notfall</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Schrecken. Derartige<br />
Kurse werden von KV und<br />
Ärztekammer, vom Bundeswehrkrankenhaus,<br />
aber auch<br />
von <strong>der</strong> Feuerwehr angeboten.<br />
Beson<strong>der</strong>s effektiv s<strong>in</strong>d<br />
Kurse, bei denen <strong>der</strong> Tra<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong> die <strong>Praxis</strong> kommt und vor<br />
Ort mit dem Team e<strong>in</strong> <strong>Notfall</strong>tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
durchführt. Bei<br />
diesen Kursen muss je<strong>der</strong><br />
mitmachen und selbst Hand<br />
anlegen. Dies kostet speziell<br />
Ärzte zunächst e<strong>in</strong> wenig<br />
Überw<strong>in</strong>dung – beson<strong>der</strong>s<br />
Chefs <strong>in</strong> streng hierarchisch<br />
strukturierten Praxen fürchten<br />
bisweilen, sich vor ihren<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e Blöße<br />
zu geben. Doch wer se<strong>in</strong>e<br />
Hemmschwelle überw<strong>in</strong>det,<br />
merkt rasch, wie er durch die<br />
praktische Übung an Sicherheit<br />
auch mit ungewohnten<br />
Situationen gew<strong>in</strong>nt.<br />
4. Dokumentation und Auswertung:<br />
Bei e<strong>in</strong>em <strong>Notfall</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arztpraxis müssen<br />
alle Ereignisse und Maßnahmen<br />
lückenlos dokumentiert<br />
werden. Dies gilt für die<br />
Verdachtsdiagnose und die<br />
e<strong>in</strong>geleiteten Behandlungs-<br />
Fortsetzung auf S. 8<br />
KVH-Journal 12/11<br />
S c h w e r p u n k t<br />
7
Empfehlung: Was gehört <strong>in</strong> den <strong>Notfall</strong>koffer?<br />
• Blutdruckmessgerät, ggf. Absaugpumpe<br />
• Für die <strong>Notfall</strong>beatmung: Laryngoskop, Larynxtubus o<strong>der</strong> Larynxmaske sowie Beatmungsbeutel<br />
• Für den venösen Zugang: Braunüle und Infusionsmaterial<br />
• Für die Reanimation: <strong>Notfall</strong>defibrillator o<strong>der</strong> Automatisierter Externer Defibrillator (AED)<br />
• <strong>Notfall</strong>medikation: Adrenal<strong>in</strong>, Amiodaron, Atrop<strong>in</strong>, Diazepam/Dormicum, Aspisol, Novalg<strong>in</strong>/<br />
Buscopan, ggf. Morph<strong>in</strong>/Fentanyl, Salbutamol-Spray, Theophill<strong>in</strong>, Nitrol<strong>in</strong>gual-Spray, Tavegil,<br />
Cortison<br />
• Lieber preisgünstige E<strong>in</strong>wegartikel als teure Mehrwegartikel vorhalten<br />
(Bitte beachten Sie: Nicht alle aufgezählten Produkte s<strong>in</strong>d im Rahmen des Sprechstundenbedarfs<br />
verordnungsfähig.)<br />
Fortsetzung von S. 7<br />
maßnahmen ebenso wie für<br />
sämtliche verabreichte Medikamente.<br />
E<strong>in</strong>e Verdachtsdiagnose<br />
kann sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
durchaus als falsch erweisen.<br />
So können e<strong>in</strong>e Aortendissektion<br />
und e<strong>in</strong> Herz<strong>in</strong>farkt zu<br />
Beg<strong>in</strong>n ähnliche Symptome<br />
aufweisen, erfor<strong>der</strong>n aber<br />
e<strong>in</strong>e gänzlich unterschiedliche<br />
Behandlung. Auch e<strong>in</strong>e<br />
akute Luftnot – e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> häufigsten<br />
Notfälle überhaupt<br />
– kann vom Herz<strong>in</strong>farkt bis<br />
zum Asthmaanfall verschiedene<br />
Ursachen haben. Dem<br />
Erstbehandler bleibt also gar<br />
nichts an<strong>der</strong>es übrig, als se<strong>in</strong>er<br />
begründeten Verdachtsdiagnose<br />
zu folgen. So lange<br />
das eigene ärztliche Handeln<br />
hierbei plausibel und nachvollziehbar<br />
ist, muss <strong>der</strong> Arzt<br />
selbst bei e<strong>in</strong>er Fehldiagnose<br />
und kontraproduktiver Behandlung<br />
des Patienten ke<strong>in</strong>e<br />
juristischen Konsequenzen<br />
befürchten. Wichtig s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
die Weitergabe aller<br />
Informationen an den weiterbehandelnden<br />
Notarzt und die<br />
lückenlose Dokumentation <strong>in</strong><br />
Form e<strong>in</strong>es <strong>Notfall</strong>protokolls.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e mögliche<br />
Fehldiagnose sollte gut dokumentiert<br />
werden, sonst gerät<br />
man bei Nachfragen rasch<br />
<strong>in</strong> Erklärungsnot – und diese<br />
Nachfragen kommen bei e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Notfall</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht<br />
nach zwei Stunden, son<strong>der</strong>n<br />
irgendwann später. Und dann<br />
gilt: Nur was dokumentiert<br />
ist, hat auch tatsächlich stattgefunden.<br />
Christoph Albrecht,<br />
Facharzt für Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> und<br />
<strong>Notfall</strong>mediz<strong>in</strong> und<br />
Leiten<strong>der</strong> Notarzt<br />
Infos und Kurse:<br />
Wer hilft me<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> beim <strong>Notfall</strong>management?<br />
Erste Anlaufstelle für Fragen zum Thema <strong>Notfall</strong>management<br />
ist das Info-Center <strong>der</strong> KV Hamburg (Tel: 22802-900),<br />
das Anrufer zu den Ansprechpartnern des <strong>Notfall</strong>dienstes<br />
durchstellen kann. Hier erhalten Sie auch Informationen über<br />
<strong>Notfall</strong>sem<strong>in</strong>are <strong>der</strong> <strong>der</strong> KV.<br />
Sem<strong>in</strong>are über verschiedene Aspekte <strong>der</strong> <strong>Notfall</strong>mediz<strong>in</strong><br />
bietet die Ärztekammer an (www.aerztekammer-hamburg.<br />
de → Ärztl. Fortbildung). Die Feuerwehr führt auf Anfrage bei<br />
Ihnen vor Ort <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> e<strong>in</strong> <strong>Notfall</strong>tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g durch. (Kontakt:<br />
Melanie Eggers / Landesfeuerwehrschule. Tel: 42851-4585,<br />
E-mail: melanie.eggers@feuerwehr.hamburg.de)<br />
Vordrucke für <strong>Notfall</strong>pläne gibt es beispielsweise hier:<br />
www.forum-media.com<br />
8<br />
S c h w e r p u n k t KVH-Journal 12/11
Erster Tag <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Hamburg<br />
JJ<br />
Erfolgreiche Premiere: Etwa 150 Ärzte und <strong>Praxis</strong>mitarbeiter<br />
nuzten die angebotenen Workshops<br />
An<strong>der</strong>norts gibt es ihn schon<br />
lange – nun fand erstmals e<strong>in</strong><br />
„Tag <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>“ am<br />
Universitätskl<strong>in</strong>ikum <strong>in</strong> Hamburg<br />
statt. Etwa 150 Ärzte und<br />
<strong>Praxis</strong>mitarbeiter kamen am 5.<br />
November im „Campus Lehre“<br />
zusammen, um e<strong>in</strong>en Tag lang<br />
speziell auf die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />
allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Praxis</strong><br />
ausgerichtete Fortbildungen zu<br />
absolvieren.<br />
Während <strong>der</strong> Eröffnungsveranstaltung<br />
stellte <strong>der</strong> neue Chef<br />
des Instituts für Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>,<br />
Prof. Dr. Mart<strong>in</strong> Scherer,<br />
e<strong>in</strong>ige wissenschaftliche Projekte<br />
vor. Im Anschluss wurden<br />
über 20 Workshops angeboten.<br />
Den größten Anklang fanden<br />
Sem<strong>in</strong>are, <strong>in</strong> denen ganz praktische<br />
Fertigkeiten tra<strong>in</strong>iert wurden<br />
– etwa Reanimation o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Umgang mit chronischen<br />
Wunden.<br />
Der Tag <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
ist e<strong>in</strong>e unabhängige Veranstaltung<br />
ohne Sponsor<strong>in</strong>g. Daher<br />
musste das Institut für Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
als Veranstalter<br />
e<strong>in</strong>e Teilnahmegebühr erheben,<br />
um die Kosten zu decken.<br />
In e<strong>in</strong>er Plenumsveranstaltung<br />
am Ende des Tages diskutierten<br />
die Teilnehmer über<br />
die Zusammenarbeit zwischen<br />
wissenschaftlicher und praktischer<br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> und<br />
über Probleme <strong>der</strong> hausärztlichen<br />
Nachwuchsför<strong>der</strong>ung und<br />
Versorgung.<br />
KVH-Journal 12/11<br />
F o r u m<br />
9
Fotos: Melanie Vollmert<br />
Ärzteprotest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mönckebergstraße<br />
JJ<br />
Wird Hamburgs Mediz<strong>in</strong> kaputt gespart? Hamburger Ärzte wehren sich gegen die<br />
Benachteiligung <strong>der</strong> ambulanten Versorgung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hansestadt.<br />
So also könnte die ambulante<br />
Versorgung nach Ansicht <strong>der</strong><br />
ärztlichen Berufsverbände zukünftig<br />
aussehen: Ärzte, die auf<br />
zentralen Plätzen ihr Zelt aufschlagen,<br />
e<strong>in</strong> riesiges E<strong>in</strong>zugsgebiet<br />
versorgen – und dafür nur<br />
das Allernötigste zur Verfügung<br />
haben.<br />
„Hamburgs <strong>Praxis</strong>strukturen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Gefahr“, erklärte Dr. Michael<br />
Späth, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Vertreterversammlung <strong>der</strong> KV<br />
Hamburg den H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>er<br />
Protestaktion, die am Vormittag<br />
des 26. Oktober 2011 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Nähe des Mönckebergbrunnens<br />
stattfand. „Schon über 50 Millionen<br />
Euro wurden <strong>der</strong> ambulanten<br />
mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung<br />
unserer Stadt seit 2007 durch<br />
Bundesbeschlüsse vorenthalten.<br />
Kommt das Versorgungsstrukturgesetz<br />
so, wie es jetzt geplant<br />
ist, droht e<strong>in</strong>e Verdoppelung<br />
dieses Fehlbetrages bis 2013."<br />
Die Protestaktion sollte ganz<br />
bewusst ke<strong>in</strong>e Demonstration<br />
se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> auffälliger Weise<br />
auf das Problem aufmerksam<br />
machen.<br />
Der belebte Platz am Mönckebergbrunnen<br />
war an diesem<br />
Vormittag von <strong>der</strong> Farbe Weiß<br />
dom<strong>in</strong>iert: Artisten <strong>in</strong> weißen<br />
Arztkitteln jonglierten mit Keulen,<br />
spuckten Feuer und führten<br />
pantomimisch vor, wie die Ärzte<br />
am Gängelband unzureichen<strong>der</strong><br />
Budgets und im fernen Berl<strong>in</strong><br />
getroffener Beschlüsse gehalten<br />
werden. Durch die artistischen<br />
E<strong>in</strong>lagen angelockt besuchten<br />
die Passanten die drei<br />
großen weißen <strong>Praxis</strong>zelte, <strong>in</strong><br />
denen sie mit echten Ärzten <strong>in</strong>s<br />
Gespräch kamen und die Möglichkeit<br />
hatten, Postkarten an<br />
Fortsetzung auf S. 12<br />
10<br />
F o r u m KVH-Journal 12/11
Kreativer Protest: Rund um<br />
die <strong>Praxis</strong>zelte zogen Artisten<br />
die Aufmerksamkeit <strong>der</strong><br />
Passanten an.<br />
Marionetten-Ärzt<strong>in</strong>: Fremdbestimmung statt ärztlicher Freiheit?<br />
Dr. Michael Späth im <strong>Praxis</strong>zelt:<br />
„Die <strong>Praxis</strong>strukturen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Gefahr,<br />
wenn <strong>der</strong> Hansestadt weiterh<strong>in</strong><br />
Geldmittel vorenthalten werden."<br />
KVH-Journal 12/11<br />
F o r u m<br />
11
Fortsetzung von S. 11<br />
Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />
Daniel Bahr zu unterschreiben,<br />
<strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> Ende <strong>der</strong> Benachteiligung<br />
Hamburgs gefor<strong>der</strong>t<br />
wird.<br />
Getragen wird <strong>der</strong> Protest von<br />
ärztlichen Berufsverbänden<br />
und <strong>der</strong> ärztlichen Selbstverwaltung<br />
<strong>der</strong> KV <strong>in</strong> Hamburg.<br />
„Wir setzen auf die Unterstützung<br />
<strong>der</strong> Patienten“, sagte Dr.<br />
Stephan Hofmeister, stellvertreten<strong>der</strong><br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Vertreterversammlung <strong>der</strong> KV<br />
Hamburg. „Sie s<strong>in</strong>d es, zu <strong>der</strong>en<br />
Lasten <strong>der</strong> Versorgungsabbau<br />
gehen wird. Darüber müssen<br />
wir sie aufklären.“ In Stadtteilen,<br />
wo Ärzte nahezu ausschließlich<br />
von Kassenpatienten<br />
lebten, seien Praxen nicht mehr<br />
wirtschaftlich zu führen, so Hofmeister.<br />
Auch <strong>der</strong> Hamburger<br />
Hausärzteverband unterstützte<br />
die Protestaktion und wies <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Pressemitteilung auf die<br />
Bedrohung <strong>der</strong> hausärztlichen<br />
Versorgungsebene h<strong>in</strong>.<br />
Etwa vierzig Ärzte und Psychotherapeuten<br />
versammelten<br />
sich bis zum Mittag vor<br />
den <strong>Praxis</strong>zelten, suchten das<br />
Gespräch mit den Bürgern und<br />
verteilten Flyer, <strong>in</strong> denen die<br />
Situation <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
erläutert wird: „Ich hätte<br />
Warum nehmen Sie an den Protesten teil?<br />
Wir s<strong>in</strong>d hierhergekommen,<br />
um uns für die Sicherstellung<br />
e<strong>in</strong>er guten<br />
Versorgung e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Ich möchte vor allem<br />
mehr Zeit für me<strong>in</strong>e Patienten<br />
haben. Was wir <strong>in</strong><br />
unserer <strong>Praxis</strong> an sprechen<strong>der</strong><br />
Mediz<strong>in</strong> und an<br />
Krisen<strong>in</strong>tervention machen,<br />
wird im Honorar<br />
gar nicht abgebildet. Das<br />
eigentliche Problem liegt<br />
tiefer: Es gibt <strong>in</strong>sgesamt<br />
zu wenig Geld für die<br />
Hamburger Ärzte.<br />
Dr. Angelika Giovanopoulos<br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
Stell<strong>in</strong>gen<br />
Mit dem <strong>der</strong>zeit ausgeschütteten<br />
Honorar ist<br />
e<strong>in</strong>e anspruchsvolle Versorgung<br />
auf Dauer nicht<br />
aufrecht zu erhalten. Das<br />
ist auch e<strong>in</strong> emotionales<br />
Problem: Wenn die Ärzte<br />
so offensichtlich unangemessen<br />
bezahlt werden,<br />
wächst <strong>der</strong> Frust. Am<br />
Ende s<strong>in</strong>d es die Patienten,<br />
die darunter zu leiden<br />
haben. Das dürfen wir<br />
nicht zulassen.<br />
Dr. Barbara Beland<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>ärzt<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wandsbek<br />
Ich b<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendarzt<br />
mit e<strong>in</strong>er Psychotherapieausbildung<br />
und habe für jeden Patienten,<br />
<strong>der</strong> psychosomatische<br />
Mediz<strong>in</strong> braucht<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> psychotherapeutisches<br />
Anliegen hat,<br />
nur sechs M<strong>in</strong>uten im<br />
Quartal Sprechzeit. Mehr<br />
wird nicht bezahlt. Was<br />
ich zusätzlich leiste, ist<br />
geschenkt.<br />
Dr. Mart<strong>in</strong> Fischer<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>arzt <strong>in</strong> Volksdorf<br />
Me<strong>in</strong> Anliegen ist, dass<br />
die psychiatrische Versorgung<br />
<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />
Jugendlichen weiter so<br />
fortgesetzt werden kann<br />
wie bisher. Ich wünsche<br />
mir, dass wir Zeit für die<br />
Patienten haben, dass<br />
wir auch mit den Familien<br />
sprechen können. Und<br />
das ist nur möglich, wenn<br />
die Versorgung f<strong>in</strong>anziert<br />
wird.<br />
Dr. Silvia Borns<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendpsychiater<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Hohenfelde<br />
12<br />
F o r u m KVH-Journal 12/11
Billig wird teuer: Postkarte und Flyer zur Protestaktion<br />
gern mehr Zeit für Sie“, heißt<br />
es dort, „aber dazu müsste ich<br />
<strong>in</strong>vestieren können“. Es stehe<br />
zu wenig Geld zur Verfügung,<br />
um mehr Personal e<strong>in</strong>zustellen<br />
und die <strong>Praxis</strong>öffnungszeiten zu<br />
verlängern. „Ich setze mich voll<br />
und ganz für Sie e<strong>in</strong>, doch Ihre<br />
Krankenkasse bezahlt mir nur<br />
70 Prozent von allem, was ich<br />
für Sie tue.“<br />
Der Verband <strong>der</strong> Ersatzkassen<br />
(vdek) reagierte noch am selben<br />
Tag auf den Vorwurf, die<br />
Kassen hielten Geld zurück.<br />
„Das ist Jammern auf hohem<br />
Niveau“, ließ <strong>der</strong> vdek <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Pressemitteilung verlauten.<br />
Hamburg sei zahlenmäßig mit<br />
Ärzten besser versorgt als alle<br />
an<strong>der</strong>en Regionen <strong>in</strong> Deutschland.<br />
„In kaum e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />
Bundesland geben die Krankenkassen<br />
so viel Geld für die<br />
mediz<strong>in</strong>ische Versorgung ihrer<br />
Versicherten aus.“<br />
Mythen dieser Art seien es, die<br />
Hamburg <strong>in</strong> Bedrängnis brächten,<br />
konterte KV-Vizechef Walter<br />
Plassmann. „Wir haben <strong>in</strong><br />
Hamburg e<strong>in</strong>en ähnlichen Behandlungsbedarf<br />
wie an<strong>der</strong>e<br />
Großstädte“, so Plassmann.<br />
„Doch <strong>der</strong>en Zahlen werden<br />
mit den umliegenden ländlichen<br />
Gebieten verrechnet. Man kann<br />
e<strong>in</strong>e Stadtstaat-KV wie Hamburg<br />
nicht auf den Durchschnitt<br />
von Flächen-KVen drücken.“ In<br />
<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>metropole Hamburg<br />
habe sich e<strong>in</strong>e hochspezialisierte<br />
ambulante Versorgung herausgebildet,<br />
die Patienten aus<br />
ganz Norddeutschland anziehe.<br />
Plassmann verwies auf neuere<br />
Untersuchungen, die bekräftigen,<br />
dass man auch bei e<strong>in</strong>er<br />
auf Hamburg verengten Sichtweise<br />
die ambulante Versorgung<br />
nicht isoliert betrachten<br />
kann: E<strong>in</strong>e gut ausgebaute <strong>Praxis</strong>landschaft<br />
entlaste die Krankenhäuser<br />
und könne sogar die<br />
Mortalität <strong>der</strong> Patienten senken.<br />
„Das Gerede vom überversorgten<br />
Ballungsgebiet ist Quatsch“,<br />
bestätigt Hofmeister. „Wer bei<br />
<strong>der</strong> ambulanten Versorgung die<br />
Axt anlegt, wird auch im stationären<br />
Bereich und im Umland<br />
verheerende Effekte auslösen.“<br />
Die Protestveranstaltung am<br />
Mönckebergbrunnen war <strong>der</strong><br />
Auftakt für weitere Aktionen.<br />
Die KV hat im Auftrag <strong>der</strong> Berufsverbände<br />
e<strong>in</strong>e Internetseite<br />
freigeschaltet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Argumentation<br />
<strong>der</strong> Hamburger<br />
Ärzte und ihre For<strong>der</strong>ungen<br />
nachzulesen s<strong>in</strong>d (www.billigwirdteuer.de).<br />
Das Aktionskomitee<br />
bittet die Hamburger<br />
Vertragsärzte und –psychotherapeuten,<br />
Flyer und Postkarten<br />
an Patienten zu verteilen mit<br />
<strong>der</strong> Bitte, die Proteste zu unterstützen.<br />
Die Postkarten sollen<br />
an die KV zurückgeschickt<br />
werden, die diese dann an den<br />
Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />
weiterleitet. Auch auf <strong>der</strong> Website<br />
kann man per vorbereiteter<br />
Mail se<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung für den<br />
Erhalt <strong>der</strong> guten ambulanten<br />
Versorgung <strong>in</strong> Hamburg an die<br />
Bundestagsabgeordneten und<br />
den Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />
schicken.<br />
KVH-Journal 12/11<br />
F o r u m<br />
13
„Wer möchte schon so e<strong>in</strong>en Job – überlange Arbeitszeiten, die e<strong>in</strong><br />
Familienleben fast unmöglich machen. Das auch noch zu e<strong>in</strong>em<br />
Lohn, <strong>der</strong> dem E<strong>in</strong>satz kaum gerecht wird. Dazu e<strong>in</strong>e Hierarchie,<br />
die <strong>in</strong> ihrer Striktheit dem Militär ähnelt – und für Akademiker<br />
nach so langer Ausbildung <strong>in</strong> dem Alter unangemessen ist. Die<br />
gestiegene Anspruchshaltung und Klagefreudigkeit <strong>der</strong> Patienten<br />
macht den Doktor-Alltag nicht e<strong>in</strong>facher. Die Krönung aber<br />
ist die Law<strong>in</strong>e von bürokratischen Aufgaben, die sich obendre<strong>in</strong><br />
permanent än<strong>der</strong>n.“<br />
Jörg-Dietrich Hoppe 2005 (zitiert nach Arztwiki)<br />
Jörg-Dietrich Hoppe zum Gedenken<br />
Als er die Schattenseiten des<br />
Arztberufes mit den oben zitierten<br />
Sätzen beschrieb, hatte<br />
Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe<br />
gerade mal die Hälfte se<strong>in</strong>er<br />
Amtszeit als Bundesärztekammerpräsident<br />
h<strong>in</strong>ter sich.<br />
Hoppe war 1999 zum obersten<br />
Repräsentant <strong>der</strong> Ärzteschaft<br />
gewählt worden und gab das<br />
Amt erst im Juni 2011 auf. Während<br />
dieser zwölf Jahre habe er<br />
„mit Leidenschaft gekämpft“,<br />
sagt <strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong> KV<br />
Hamburg, Dieter Bollmann<br />
– für den freiheitlichen Arztberuf,<br />
gegen Überregulierung<br />
und Kommerzialisierung des<br />
Gesundheitswesens. „Klarheit,<br />
Verb<strong>in</strong>dlichkeit und e<strong>in</strong> Höchstmaß<br />
an Integrität haben se<strong>in</strong><br />
berufspolitisches Leben geprägt“,<br />
so Bollmann.<br />
Hoppe hatte von 1960 bis 1965<br />
<strong>in</strong> Köln Mediz<strong>in</strong> studiert. Nach<br />
se<strong>in</strong>er Zeit als Assistent <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Inneren Mediz<strong>in</strong> wurde er<br />
Facharzt für Pathologie und<br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>. Von 1982<br />
bis 2006 arbeitete er als Chefarzt<br />
des Instituts für Pathologie<br />
des Dürener Krankenhauses.<br />
In dieser Zeit wurde er Vorsitzen<strong>der</strong><br />
des Marburger Bundes<br />
und später Vizepräsident <strong>der</strong><br />
Ärztekammer Nordrhe<strong>in</strong>. Als<br />
Hochschullehrer unterrichtete<br />
er am Institut für Rechtsmediz<strong>in</strong><br />
und an <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Fakultät <strong>der</strong> Universität Köln.<br />
Den Medien galt Hoppe als<br />
„Provokateur“ (Spiegel), sprach<br />
er doch immer wie<strong>der</strong> Themen<br />
an, die von Gesundheitspolitikern<br />
und den Krankenkassen<br />
lieber unter <strong>der</strong> Decke gehalten<br />
worden wären. So for<strong>der</strong>te er<br />
wie<strong>der</strong>holt e<strong>in</strong>e Priorisierung<br />
von Behandlungen nach e<strong>in</strong>er<br />
Rangliste. „Wir Ärzte werden<br />
das Thema Priorisierung <strong>in</strong> die<br />
Hand nehmen, weil die Politik<br />
sich bisher geweigert hat“, so<br />
Hoppe. Das Gesundheitswesen<br />
verfüge über zu wenig Geld, um<br />
allen Patienten jede Art von Behandlung<br />
zu versprechen. Deshalb<br />
müssten Expertengremien<br />
klären, was wichtig und was<br />
weniger wichtig sei.<br />
Im Jahr 2006 stellte sich Hoppe<br />
an die Spitze <strong>der</strong> Ärzteproteste,<br />
die er mit <strong>der</strong> „existenziellen<br />
Not“ vieler nie<strong>der</strong>gelassener<br />
Mediz<strong>in</strong>er begründete. „Jede<br />
sechste Arztpraxis steht unter<br />
Bankkuratel, und jede dritte<br />
Arztpraxis ist regelrecht gefährdet“,<br />
so Hoppe. „Wir möchten<br />
uns wie<strong>der</strong> um unsere Patienten<br />
kümmern können und<br />
um <strong>der</strong>en Sorgen und Nöte,<br />
und nicht Papier vollschreiben<br />
müssen.“<br />
Bei politischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />
habe Hoppe stets<br />
den Patienten <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
gestellt, so Bollmann.<br />
„Um dessen Versorgung hat er<br />
gekämpft, wohl wissend, dass<br />
zugewandte ärztliche Versorgung<br />
nur gel<strong>in</strong>gen kann, wenn<br />
<strong>der</strong> Arzt freiberuflich und damit<br />
auch frei von existenziellen Sorgen<br />
behandeln kann. Mit Jörg-<br />
Dietrich Hoppe verlieren wir e<strong>in</strong>en<br />
hervorragenden Vertreter,<br />
<strong>der</strong> weit über den Berufsstand<br />
h<strong>in</strong>aus große Anerkennung gefunden<br />
hat.“<br />
Jörg-Dietrich Hoppe starb am 7.<br />
November 2011 nach längerer<br />
Krankheit <strong>in</strong> Köln.<br />
14<br />
F o r u m<br />
KVH-Journal 12/11
Amtliche Veröffentlichung<br />
Auf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg www.kvhh.de wird unter <strong>der</strong> Rubrik „Recht<br />
und Verträge / Amtliche Veröffentlichungen“ Folgendes bekannt gegeben:<br />
• 20. Nachtrag zum Gesamtvertrag vom 18.04.1996 zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
(KVH) und <strong>der</strong> AOK Rhe<strong>in</strong>land/Hamburg über die Leistungsvergütung bei Schwangerschaftsabbruch<br />
vom 20. April 2011<br />
• 21. Nachtrag zum Gesamtvertrag vom 18.04.1996 zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
(KVH) und dem BKK-LV NORDWEST über die Leistungsvergütung bei Schwangerschaftsabbruch vom<br />
20. April 2011<br />
• 20. Nachtrag zum Gesamtvertrag vom 18.04.1996 zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
(KVH) und <strong>der</strong> IKK classic über die Leistungsvergütung bei Schwangerschaftsabbruch vom 20. April 2011<br />
• 29. Nachtrag zum Gesamtvertrag vom 11.04.1996 zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
(KVH) und dem vdek über die Leistungsvergütung bei Schwangerschaftsabbruch vom 20. April 2011<br />
• Ergänzungsvere<strong>in</strong>barung zum Gesamtvertrag vom 01.01.2009 über die Leistungsvergütung bei Schwangerschaftsabbruch<br />
zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung Hamburg (KVH) und <strong>der</strong> Knappschaft<br />
vom 20. April 2011<br />
H<strong>in</strong>weis: Die Erklärungsfrist <strong>der</strong> Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz ist nun abgelaufen und<br />
die Verträge s<strong>in</strong>d somit gültig.<br />
• Vertrag zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> homöopathischen Therapie zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen<br />
Vere<strong>in</strong>igung Hamburg und <strong>der</strong> BKK Mobil Oil:<br />
H<strong>in</strong>weis: Der Vertrag wurde mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 gekündigt.<br />
• Vertrag über den E<strong>in</strong>behalt e<strong>in</strong>es Kostenanteils im Rahmen des Vertrages zur Integrierten Versorgung<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen mit Neuro<strong>der</strong>mitis <strong>in</strong> Hamburg zwischen <strong>der</strong> Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung<br />
Hamburg und <strong>der</strong> BVKJ-Service GmbH:<br />
H<strong>in</strong>weis: Wie uns von <strong>der</strong> AOK Rhe<strong>in</strong>land/Hamburg mitgeteilt wurde, ist <strong>der</strong> IV-Vertrag zum jetzigen<br />
Zeitpunkt noch nicht <strong>in</strong> Kraft getreten. Die Leistungen nach diesem Vertrag s<strong>in</strong>d daher noch nicht abrechenbar.<br />
Sie werden <strong>in</strong>formiert, sobald dies möglich ist.<br />
• Vertrag nach § 132 e SGB V über die Durchführung von Schutzimpfungen nach § 20d Abs. 1 i.V.m. § 92<br />
Abs. 1 Nr. 15 SGB V (Schutzimpfungs-Vere<strong>in</strong>barung) zwischen <strong>der</strong> KV Hamburg und <strong>der</strong> AOK Rhe<strong>in</strong>land/<br />
Hamburg mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012:<br />
H<strong>in</strong>weis: Der Vertrag wurde am 14. Oktober 2011 unter Vorbehalt bekanntgegeben, um Sie rechtzeitig zu<br />
<strong>in</strong>formieren. Das Unterschriftenverfahren ist nun abgeschlossen und <strong>der</strong> Vertrag somit gültig.<br />
Sollte e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichtnahme im Internet nicht möglich se<strong>in</strong>, stellen wir Ihnen gern den entsprechenden<br />
Ausdruck zur Verfügung. Bitte sprechen Sie uns an.<br />
Infocenter, Tel: 22 802 – 900<br />
Patientenberatung<br />
Hilfe für Ihre Patienten<br />
...e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> Ärztekammer<br />
Hamburg und <strong>der</strong> Kassenärztlichen<br />
Vere<strong>in</strong>igung Hamburg<br />
Tel: 040 / 202 299 222<br />
Montag-Dienstag<br />
Mittwoch<br />
Donnerstag<br />
Freitag<br />
9-13 und 14-16 Uhr<br />
9-12 und 14-16 Uhr<br />
9-13 und 14-18 Uhr<br />
9-12 Uhr<br />
KVH-Journal 12/11<br />
A m t l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g e n<br />
15
Foto: Felix Faller<br />
Ihre Ansprechpartner<strong>in</strong>nen im Infocenter (v.l.n.r.): Sandy Kupferschmidt, Monique Laloire,<br />
Fleur Priess, Katja Egbers und Heike Kühnel<br />
Fragen und Antworten<br />
JJ<br />
In dieser Rubrik greifen wir Fragen des <strong>Praxis</strong>alltags auf, die unserem<br />
Infocenter gestellt wurden. Wenn Sie selbst Fragen haben, rufen Sie bitte an.<br />
Infocenter Tel: 22802-900<br />
1Wie wird e<strong>in</strong>e Jugendarbeitsschutzuntersuchung<br />
abgerechnet?<br />
Der Patient muss vor <strong>der</strong><br />
Behandlung e<strong>in</strong>en Berechtigungssche<strong>in</strong><br />
von se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>wohnermeldeamt<br />
vorlegen.<br />
Die Untersuchung muss nach<br />
Vorgaben <strong>der</strong> dafür vorgesehenen<br />
Vordrucke erfolgen,<br />
die im Formularraum <strong>der</strong> KV<br />
ausliegen. Die Jugendarbeitsschutzuntersuchung<br />
ist ke<strong>in</strong>e<br />
Kassenleistung, son<strong>der</strong>n wird<br />
über das Amt für Arbeitsschutz<br />
abgerechnet:<br />
Rechnungsstelle<br />
Billstrasse 80<br />
20539 Hamburg<br />
2E<strong>in</strong>er unserer Patienten<br />
soll unter Narkose von e<strong>in</strong>em<br />
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen<br />
operiert werden.<br />
In welchen Fällen dürfen wir<br />
e<strong>in</strong>e Überweisung für e<strong>in</strong>en<br />
Anästhesisten ausstellen?<br />
Im Zusammenhang mit zahnärztlichen<br />
und/o<strong>der</strong> mund-kiefer-gesichtschirurgischen<br />
E<strong>in</strong>griffen<br />
kann e<strong>in</strong>e Narkose nur<br />
<strong>in</strong> folgenden Fällen zu Lasten<br />
<strong>der</strong> GKV durchgeführt werden:<br />
• bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bis zum vollendeten<br />
12. Lebensjahr, wenn<br />
wegen mangeln<strong>der</strong> Kooperationsfähigkeit<br />
und/o<strong>der</strong><br />
durch den E<strong>in</strong>griff bed<strong>in</strong>gt<br />
e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Schmerzausschaltung<br />
nicht möglich<br />
ist (als Begründung muss ICD<br />
angegeben werden)<br />
• bei Patienten mit mangeln<strong>der</strong><br />
Kooperationsfähigkeit, die<br />
e<strong>in</strong>e geistige Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
und/o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e schwere Dysk<strong>in</strong>esie<br />
haben (als Begründung<br />
muss ICD angegeben<br />
werden)<br />
• bei E<strong>in</strong>griffen entsprechend<br />
dem Abschnitt 31.2.8 des<br />
EBM, sofern e<strong>in</strong>e Behandlung<br />
<strong>in</strong> Lokalanästhesie nicht<br />
möglich ist.<br />
Trifft e<strong>in</strong>e dieser Vorraussetzungen<br />
zu, kann <strong>der</strong> Arzt e<strong>in</strong>e<br />
Überweisung zum Anästhesisten<br />
ausstellen. (Quelle EBM Abschnitt<br />
5.1 Nr. 8)<br />
3In <strong>der</strong> neuen Heilmittel-<br />
Richtl<strong>in</strong>ie vom 1. Juli 2011<br />
steht <strong>in</strong> § 8 Absatz 5, dass die<br />
Krankenkassen <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Fällen auf Antrag des Versicherten<br />
jetzt auch Leistungen<br />
langfristig für m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong><br />
Jahr genehmigen können. Bedeutet<br />
dies, dass ich beispielsweise<br />
für e<strong>in</strong>en MS-Patienten<br />
auf e<strong>in</strong>em Rezept Krankengymnastik<br />
für e<strong>in</strong> Jahr verordnen<br />
kann?<br />
Ne<strong>in</strong>, so darf <strong>der</strong> Passus nicht<br />
ausgelegt werden. Die neue<br />
Vorschrift ermöglicht nur die<br />
langfristige Genehmigung durch<br />
die Krankenkassen und ersetzt<br />
nicht die regelmäßige vertragsärztliche<br />
Heilmittelverordnung.<br />
Da die meisten Kassen auf das<br />
16<br />
A u s <strong>der</strong> Pr a x i s fü r die Pr a x i s<br />
KVH-Journal 12/11
Genehmigungsverfahren nach §<br />
8 Abs. 4 <strong>der</strong> Heilmittel-Richtl<strong>in</strong>ie<br />
verzichtet haben (die aktuelle<br />
Liste dieser Krankenkassen f<strong>in</strong>den<br />
Sie im Internet unter: www.<br />
kvhh.de - Verordnungen- Heilmittel<br />
- Informationen <strong>der</strong> KV<br />
Hamburg), brauchen die meisten<br />
betroffenen Versicherten ke<strong>in</strong>e<br />
langfristigen Genehmigungen<br />
zu beantragen. Es än<strong>der</strong>t sich<br />
also nichts <strong>in</strong> Ihrem bisherigen<br />
Verordnungsverhalten.<br />
4Kann ich antiallergische<br />
Bezüge (Encas<strong>in</strong>g) für die<br />
Bettwäsche über die Krankenkasse<br />
verordnen?<br />
Ne<strong>in</strong>, antiallergische Bettwäsche<br />
ist nicht Gegenstand des<br />
Hilfsmittelkataloges. E<strong>in</strong>ige<br />
Krankenkassen s<strong>in</strong>d trotzdem<br />
bereit, die Kosten (gegebenenfalls<br />
anteilig) zu übernehmen.<br />
Der Patient sollte sich vorher<br />
bei se<strong>in</strong>er Kasse <strong>in</strong>formieren, ob<br />
das <strong>der</strong> Fall ist. Wenn ja, können<br />
Sie e<strong>in</strong>e Verordnung auf e<strong>in</strong>em<br />
Kassenrezept unter Angabe<br />
<strong>der</strong> Diagnose ausstellen. Da<br />
es sich nicht um e<strong>in</strong> gelistetes<br />
Hilfsmittel handelt, muss die<br />
Krankenkasse die Verordnung<br />
genehmigen.<br />
Wir übernehmen häufig die<br />
5 Vertretung für an<strong>der</strong>e Kollegen.<br />
Wie verfahren wir, wenn<br />
e<strong>in</strong> Patient während solcher<br />
Vertretungsdienste e<strong>in</strong>e Quittung<br />
über die bereits gezahlte<br />
Kassengebühr vorlegt?<br />
Die vorgelegte Quittung müssen<br />
Sie mit Ihrem eigenen <strong>Praxis</strong>stempel<br />
entwerten und e<strong>in</strong>en<br />
<strong>Notfall</strong>-/Vertretersche<strong>in</strong> (Muster<br />
19) anlegen. Auf diesem wird<br />
dann zusätzlich zu den Leistungen,<br />
die sie erbr<strong>in</strong>gen, die<br />
Codiernummer 80033 (Inanspruchnahme<br />
e<strong>in</strong>es Vertreters)<br />
abgerechnet.<br />
6Ich b<strong>in</strong> erst seit kurzem<br />
nie<strong>der</strong>gelassen und möchte<br />
erstmals e<strong>in</strong>en Polizeibeamten<br />
gegen Grippe impfen. Kann ich<br />
auch für Versicherte <strong>der</strong> Freien<br />
Heilfürsorge Hamburg (Polizei<br />
und Feuerwehr) den Impfstoff<br />
über die BARMER GEK beziehen?<br />
Ne<strong>in</strong>. Impfstoffe für Versicherte<br />
<strong>der</strong> sogenannten Sonstigen Kostenträger<br />
(zum Beispiel Freie<br />
Heilfürsorge, Bundeswehr, Bundespolizei,<br />
Postbeamtenkrankenkasse<br />
A ) s<strong>in</strong>d auf den Namen<br />
des Patienten zu verordnen.<br />
Nachgereichter Überweisungssche<strong>in</strong>: Ausstelldatum<br />
muss vor dem Behandlungsdatum liegen<br />
Im KVH Journal 10/2011 (Seite<br />
16) haben wir e<strong>in</strong>en Artikel über<br />
die nachträgliche Zahlung <strong>der</strong><br />
Kassengebühr veröffentlicht.<br />
Dabei g<strong>in</strong>g es unter an<strong>der</strong>em<br />
um die Situation, dass e<strong>in</strong> Patient<br />
se<strong>in</strong>en Überweisungssche<strong>in</strong><br />
erst nachträglich vorlegt: Der<br />
Patient weist damit nach, dass<br />
er ke<strong>in</strong>e Kassengebühr zahlen<br />
muss; die <strong>Praxis</strong> löscht die<br />
Codiernummer für nicht gezahlte<br />
Kassengebühr 80044<br />
(o<strong>der</strong> 80045) aus <strong>der</strong> Abrechnung<br />
und wandelt den zuvor<br />
angelegten Orig<strong>in</strong>alsche<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Überweisungssche<strong>in</strong> um.<br />
Der Artikel hat Nachfragen<br />
ausgelöst. Deshalb hier e<strong>in</strong>e<br />
Klarstellung:<br />
1. Die <strong>Praxis</strong> kann den nachgereichten<br />
Überweisungssche<strong>in</strong><br />
nur annehmen, wenn<br />
er vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Behandlung<br />
ausgestellt wurde.<br />
Dies kann zum Beispiel <strong>der</strong><br />
Fall se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong> Patient<br />
den Überweisungssche<strong>in</strong><br />
zu Hause vergessen hat.<br />
E<strong>in</strong> Überweisungssche<strong>in</strong>,<br />
<strong>der</strong> erst nach Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />
Behandlung beim „Überweisungsempfänger“<br />
ausgestellt<br />
wurde, ist unzulässig.<br />
2. Die <strong>Praxis</strong> muss e<strong>in</strong>en nachgereichten<br />
Überweisungssche<strong>in</strong><br />
nicht annehmen. Tut<br />
sie es dennoch, muss sie die<br />
Codiernummer 80044 (o<strong>der</strong><br />
80045) aus <strong>der</strong> Abrechnung<br />
löschen und den Orig<strong>in</strong>alfall<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Überweisungsfall<br />
(Mit-/Weiterbehandlung)<br />
umwandeln. Bitte denken<br />
Sie daran, auch die BSNR<br />
und LANR des ausstellenden<br />
Arztes und das Ausstelldatum<br />
des Überweisungssche<strong>in</strong>s<br />
e<strong>in</strong>zutragen.<br />
KVH-Journal 12/11<br />
A u s <strong>der</strong> Pr a x i s fü r die Pr a x i s<br />
17
Foto: fotolia.de/diego cervo<br />
Neuerungen beim Off-Label-Use<br />
Off-Label-Verordnung von<br />
Doxorubic<strong>in</strong> bei Merkelzellkarz<strong>in</strong>om<br />
zulässig<br />
Der Bundesausschuss hat<br />
Doxorubic<strong>in</strong> zur palliativen<br />
Behandlung des dissem<strong>in</strong>ierten<br />
o<strong>der</strong> lokoregionär fortgeschrittenen/<strong>in</strong>operablen<br />
Merkelzellkarz<strong>in</strong>oms <strong>in</strong> Teil A<br />
<strong>der</strong> Anlage VI <strong>der</strong> Arzneimittel-Richtl<strong>in</strong>ie<br />
aufgenommen.<br />
Der Off-Label-Use ist damit<br />
zulässig, wenn lokale Behandlungsmöglichkeiten<br />
mit Operation<br />
und/o<strong>der</strong> Radiatio ausgeschöpft<br />
o<strong>der</strong> nicht möglich<br />
s<strong>in</strong>d. Bei Patienten, die auf die<br />
Behandlung ansprechen, wird<br />
die Komb<strong>in</strong>ation von Doxorubic<strong>in</strong><br />
mit Cyclophosphamid und<br />
V<strong>in</strong>crist<strong>in</strong> (CAV-Schema) und<br />
e<strong>in</strong>e Anwendung <strong>in</strong> sechs Zyklen<br />
empfohlen.<br />
Nur die Doxorubic<strong>in</strong>-haltigen<br />
Präparate folgen<strong>der</strong> Firmen<br />
dürfen für diese off-label-Indikation<br />
verordnet werden:<br />
--<br />
Activis Group PTC ehf<br />
--<br />
Cell Pharm GmbH<br />
--<br />
EBEWE Pharma GmbH Nfg.<br />
KG<br />
--<br />
Hexal AG<br />
--<br />
HIKMA Farmaceutica (Portugal)<br />
S.A.<br />
--<br />
Medac Gesellschaft für kl<strong>in</strong>ische<br />
Spezialpräparate mbH<br />
--<br />
Medicopharm AG<br />
--<br />
Neocorp AG<br />
--<br />
Pharmachemie BV<br />
--<br />
TEVA GmbH<br />
Off-Label-Verordnung von<br />
Etoposid bei Ew<strong>in</strong>g-Tumoren<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Komb<strong>in</strong>ationen<br />
zulässig<br />
Der Bundesausschuss hat den<br />
Wirkstoff Etoposid bei Patienten<br />
mit Ew<strong>in</strong>g-Sarkomen des<br />
Knochens, extraossären Ew<strong>in</strong>g-<br />
Sarkomen und malignen peripheren/primitiven<br />
neuroekto<strong>der</strong>malen<br />
Tumoren (PNET) <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er alternierenden Komb<strong>in</strong>ation<br />
mit an<strong>der</strong>en Wirkstoffen (so<br />
genanntes VACA-IE-Schema) <strong>in</strong><br />
Teil A <strong>der</strong> Anlage VI <strong>der</strong> Arzneimittel-Richtl<strong>in</strong>ie<br />
aufgenommen.<br />
Die Präparate folgen<strong>der</strong> Hersteller<br />
können für diese Indikation<br />
verordnet werden:<br />
--<br />
BERAGENA Arzneimittel<br />
GmbH<br />
--<br />
Cell Pharm GmbH<br />
--<br />
HEXAL AG<br />
--<br />
HIKMA Farmaceutica (Portugal),<br />
S.A.4.<br />
--<br />
Medac Gesellschaft für kl<strong>in</strong>ische<br />
Spezialpräparate mbH<br />
--<br />
Neocorp AG<br />
--<br />
Pharmachemie BV<br />
--<br />
TEVA GmbH<br />
Unzulässiger Off-Label-Use<br />
Der Off-Label- Use von Dapson<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Monotherapie zur<br />
Behandlung <strong>der</strong> Pneumocystitis<br />
car<strong>in</strong>ii Pneumonie ist nicht<br />
zulässig. Ebenso wurde <strong>der</strong><br />
Off-Label-Use von Aldesleuk<strong>in</strong><br />
(auch als Adjuvans) bei HIV/AIDS<br />
als unzulässig e<strong>in</strong>gestuft.<br />
Beide Wirkstoffe wurden für<br />
die genannten Anwendungen<br />
<strong>in</strong> den Teil B <strong>der</strong> Anlage VI <strong>der</strong><br />
Arzneimittelrichtl<strong>in</strong>ien aufgenommen.<br />
Sie s<strong>in</strong>d somit für diese<br />
Indikationen nicht zu Lasten<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Krankenkasse<br />
verordnungsfähig.<br />
Die Beschlüsse im Internet:<br />
www.g-ba.de<br />
Ansprechpartner<strong>in</strong>nen für<br />
Fragen zu Arzneimitteln:<br />
Abteilung <strong>Praxis</strong>beratung<br />
Reg<strong>in</strong>a Lilje, Tel. 22802-498<br />
Barbara Spies, Tel. 22802-564<br />
18<br />
B r e n n p u n k t A r z n e i KVH-Journal 12/11
IQWiG besche<strong>in</strong>igt Ticagrelor (Brilique © ) „beträchtlichen<br />
Zusatznutzen für bestimmte Patienten“<br />
JJ<br />
Abschließende Bewertung des Bundesausschusses liegt noch nicht vor<br />
Um Blutger<strong>in</strong>nseln vorzubeugen,<br />
steht bei e<strong>in</strong>er akuten Durchblutungsstörung<br />
des Herzmuskels<br />
zusätzlich zu Acetylsalicylsäure<br />
(ASS) seit Anfang 2011 auch<br />
<strong>der</strong> Wirkstoff Ticagrelor zur<br />
Verfügung. Das neue Konkurrenzpräparat<br />
zu Clopidogrel<br />
beziehungsweise Prasugrel ist<br />
bei gleichzeitiger E<strong>in</strong>nahme von<br />
ASS zugelassen zur Prävention<br />
atherothrombotischer Ereignisse<br />
bei erwachsenen Patienten<br />
mit e<strong>in</strong>em akuten Koronarsyndrom<br />
(<strong>in</strong>stabile Ang<strong>in</strong>a pectoris<br />
und Myocard<strong>in</strong>farkt ohne o<strong>der</strong><br />
mit ST- Streckenhebung). Die<br />
Indikation umfasst sowohl medikamentös<br />
behandelte Patienten<br />
als auch Patienten, bei denen<br />
e<strong>in</strong>e percutane Koronar<strong>in</strong>tervention<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e aortokoronare<br />
Bypass-Operation durchgeführt<br />
wurde. (1)<br />
Der geme<strong>in</strong>same Bundesausschuss<br />
(G-BA) hatte das IQWiG<br />
beauftragt, e<strong>in</strong>e Nutzenbewertung<br />
des Wirkstoffs Ticagrelor<br />
zu erstellen. Es ist die erste sogenannte<br />
frühe Nutzenbewertung,<br />
die das IQWiG gemäß <strong>der</strong><br />
Vorgaben im AMNOG durchführt<br />
(§35a SGB V). Die Bewertung erfolgte<br />
auf Basis e<strong>in</strong>es Dossiers,<br />
das <strong>der</strong> pharmazeutische Unternehmer<br />
zur Verfügung stellen<br />
muss.<br />
• Clopidogrel + ASS bei Patienten<br />
mit <strong>in</strong>stabiler Ang<strong>in</strong>a<br />
pectoris und Myokard<strong>in</strong>farkt<br />
ohne ST-Streckenhebung (IA/<br />
NSTEMI),<br />
• Clopidogrel + ASS bei Patienten<br />
mit Myokard<strong>in</strong>farkt mit<br />
ST-Streckenhebung (STEMI)<br />
bei medikamentöser Behandlung,<br />
• Prasugrel + ASS bei Patienten<br />
mit STEMI, bei denen e<strong>in</strong>e<br />
perkutane Koronar<strong>in</strong>tervention<br />
(PCI) durchgeführt wurde,<br />
• ASS-Monotherapie bei Patienten<br />
mit STEMI, bei denen<br />
e<strong>in</strong>e aortokoronare Bypass-<br />
Operation (CABG) durchgeführt<br />
wurde.<br />
Zusammenfassend kommt das<br />
Gutachten zu folgenden Ergebnissen:<br />
• Es gibt e<strong>in</strong>en Beleg für e<strong>in</strong>en<br />
beträchtlichen Zusatznutzen<br />
von Ticagrelor + ASS gegenüber<br />
Clopidogrel + ASS für<br />
Patienten mit e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stabilen<br />
Ang<strong>in</strong>a pectoris und Myocard<strong>in</strong>farkt<br />
ohne ST-Streckenhebung.<br />
Die Ergebnisse im E<strong>in</strong>zelnen:<br />
Für die Gesamtmortalität, sowie<br />
die kardiovaskuläre Mortalität<br />
ergibt sich e<strong>in</strong> Beleg<br />
für e<strong>in</strong>en Zusatznutzen.<br />
Für den Endpunkt Myokard<strong>in</strong>farkt<br />
wird ke<strong>in</strong> Beleg son<strong>der</strong>n<br />
nur e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf<br />
e<strong>in</strong>en Zusatznutzen gesehen<br />
(ke<strong>in</strong> Unterschied bei <strong>der</strong><br />
Anzahl tödlicher Myokard<strong>in</strong>farkte).<br />
Für den Endpunkt Schlaganfall<br />
gilt e<strong>in</strong> Zusatznutzen als<br />
nicht belegt.<br />
• E<strong>in</strong> Zusatznutzen ist nicht belegt<br />
gegenüber <strong>der</strong> jeweiligen<br />
zweckmäßigen Vergleichstherapie<br />
Clopidogrel + ASS,<br />
Prasugrel + ASS beziehungsweise<br />
ASS-Monotherapie für<br />
die Patienten mit e<strong>in</strong>em Myokard<strong>in</strong>farkt<br />
mit ST-Streckenhebung<br />
(STEMI) unabhängig<br />
davon, ob sie medikamentös<br />
behandelt wurden o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Stent o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Bypass erhielten.<br />
Die Bewertung des IQWiG ist<br />
Anfang Oktober <strong>in</strong>s Stellungnahmeverfahren<br />
gegangen.<br />
Die endgültige Bewertung des<br />
Zusatznutzens nimmt <strong>der</strong> G-BA<br />
vor. (2) Die Beschlussfassung f<strong>in</strong>det<br />
voraussichtlich Mitte Dezember<br />
statt.<br />
Quellen: (1) Fach<strong>in</strong>formation zu Brilique (2)<br />
Ticagrelor – Nutzenbewertung; www.g-ba.de<br />
Die Nutzenbewertung von Ticagrelor<br />
+ ASS erfolgte gegenüber<br />
KVH-Journal 12/11<br />
B r e n n p u n k t A r z n e i<br />
19
Nützlich? Überflüssig? Schädlich?<br />
JJ<br />
In dieser Rubrik <strong>in</strong>formieren wir Sie über Stellungnahmen <strong>der</strong> Arzneimittelkommission<br />
<strong>der</strong> deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neuen Arzneimitteln.<br />
Neu zugelassene Arzneimittel werden von den Herstellerfirmen oftmals <strong>in</strong>tensiv beworben. Zum<br />
Zeitpunkt <strong>der</strong> Markte<strong>in</strong>führung ist es für Ärzte aber noch schwierig, sich e<strong>in</strong> Urteil zu bilden. Es liegen<br />
lediglich die Ergebnisse <strong>der</strong> Zulassungsstudien vor. Die Beurteilung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Relevanz im Vergleich<br />
zu an<strong>der</strong>en Arzneimitteln gleicher Indikation ist schwierig. Außerdem fehlen Langzeitstudien,<br />
Erkenntnisse über unerwünschte Nebenwirkungen, Interaktionen o<strong>der</strong> Ähnliches.<br />
Um die zur Verfügung stehenden Informationen leichter zugänglich zu machen, berichten wir <strong>in</strong> dieser<br />
Rubrik über Stellungnahmen <strong>der</strong> Arzneimittelkommission <strong>der</strong> deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neuen<br />
Arzneimitteln. Diese Stellungnahmen werden relativ schnell nach <strong>der</strong> Zulassung auf Grundlage des<br />
Europäischen öffentlichen Beurteilungsberichts (EPAR) über neu zugelassene Arzneimittel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
EU erarbeitet.<br />
Wir kürzen diese Stellungnahmen auf die für den Alltag <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> wichtigen Aussagen. Falls<br />
vorhanden, fügen wir außerdem Preisvergleiche h<strong>in</strong>zu, die von Prof. Dr. Ulrich Schwabe an <strong>der</strong> Universität<br />
Heidelberg erstellt wurden.<br />
Wir bitten Sie, diese Informationen auch im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Verordnungsweise zu<br />
berücksichtigen. Bei Arzneimitteln, zu denen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>same Bundesausschuss (G-BA) e<strong>in</strong>e Nutzenbewertung<br />
abgibt, kann sich <strong>der</strong> Preis auch nach längerer Zeit nochmals än<strong>der</strong>n. Arzneimittel,<br />
für die <strong>der</strong> G-BA ke<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Zusatznutzen feststellt und die gegenüber <strong>der</strong><br />
Vergleichstherapie teurer s<strong>in</strong>d, können bis zur Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Erstattungsbetrages als unwirtschaftlich<br />
angesehen werden. Außerdem kann es zu Verordnungse<strong>in</strong>schränkungen kommen.<br />
Neue Arzneimittel<br />
Eliquis ® (Apixaban)<br />
Indikation<br />
Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven<br />
Hüft- o<strong>der</strong> Kniegelenkersatzoperationen.<br />
Bewertung<br />
Nach elektivem Hüft- o<strong>der</strong> Kniegelenkersatz tritt unter e<strong>in</strong>er Thromboembolieprophylaxe mit<br />
Apixaban <strong>der</strong> komb<strong>in</strong>ierte primäre Endpunkt (asymptomatische o<strong>der</strong> symptomatische tiefe<br />
Venenthrombosen (TVT), nichttödliche Lungenembolie o<strong>der</strong> Tod je<strong>der</strong> Ursache) seltener auf als<br />
unter Enoxapar<strong>in</strong>. Apixaban führt aber nicht zu e<strong>in</strong>er Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung symptomatischer Thromboembolien,<br />
Lungenembolien o<strong>der</strong> Todesfällen. Die Rate schwerer Blutungen unterscheidet sich<br />
zwischen Apixaban und Enoxapar<strong>in</strong> nicht. Bei Unverträglichkeit o<strong>der</strong> Kontra<strong>in</strong>dikation gegenüber<br />
e<strong>in</strong>em nie<strong>der</strong>molekularen Hepar<strong>in</strong> kann e<strong>in</strong> direkter Faktor-Xa-Inhibitor e<strong>in</strong>gesetzt werden, dabei<br />
zeigt <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkte Vergleich Vorteile von Rivaroxaban gegenüber Apixaban.<br />
20<br />
B r e n n p u n k t A r z n e i KVH-Journal 12/11
RoActemra ® (Tocilizumab) – neu zugelassene Indikation<br />
Indikation<br />
Zur Behandlung von Patienten im Alter von zwei Jahren und älter mit aktiver systemischer juveniler<br />
idiopathischer Arthritis (sJIA) zugelassen, die nur unzureichend auf e<strong>in</strong>e vorangegangene<br />
Behandlung mit nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAs) und systemischen Kortikosteroiden<br />
angesprochen haben. Es kann (falls e<strong>in</strong>e Methotrexat(MTX)-Unverträglichkeit vorliegt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Therapie mit MTX unangemessen ersche<strong>in</strong>t) als Monotherapie o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit MTX<br />
verabreicht werden.<br />
Bewertung<br />
Auch für Tocilizumab fehlen vergleichende Untersuchungen zu an<strong>der</strong>en biologischen DMARDs.<br />
Wie alle DMARDs führt es nicht zur Heilung <strong>der</strong> sJIA, kann aber e<strong>in</strong>e Verlangsamung des<br />
Krankheitsprozesses (radiologische Progression, fortschreitende Gelenkzerstörung) bewirken.<br />
Die Behandlung mit Tocilizumab sollte von e<strong>in</strong>em Facharzt mit Erfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnose und<br />
Behandlung <strong>der</strong> sJIA e<strong>in</strong>geleitet und überwacht werden. Die schwerwiegenden Nebenwirkungen<br />
(Leukopenie, Thrombozytopenie, Hyperlipidämie, bakterielle und virale Infektionen, erhöhte<br />
Suszeptibilität gegenüber tuberkulösen Neu<strong>in</strong>fektionen, Hepatotoxizität) und die hohen Kosten<br />
s<strong>in</strong>d zu beachten. Da Tocilizumab die Akut-Phase-Reaktion unterdrückt (fehlen<strong>der</strong> CRP-Anstieg),<br />
kann <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Infektion verschleiert werden. Bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die ihre<br />
Beschwerden oft nicht präzise schil<strong>der</strong>n können, ist deshalb höchste Aufmerksamkeit auf die<br />
Frühsymptome e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Infektion zu verwenden. Wenn nach zwölf Wochen ke<strong>in</strong>e<br />
Besserung erzielt wird, ist e<strong>in</strong>e Weiterbehandlung nicht gerechtfertigt.<br />
Die kompletten Stellungnahmen <strong>der</strong> AKdÄ e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Literaturangaben f<strong>in</strong>den Sie unter<br />
www.akdae.de → Neue Arzneimittel. Die öffentlichen Europäischen Beurteilungsberichte (EPAR),<br />
auf <strong>der</strong>en Grundlage die Stellungnahmen erarbeitet wurden, f<strong>in</strong>den Sie unter www.ema.europa.eu.<br />
Weitere Informationen zu den Arzneimitteln (unter an<strong>der</strong>em zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen,<br />
Risiken) entnehmen Sie bitte <strong>der</strong> Fach<strong>in</strong>formation <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweils aktuellen Fassung:<br />
www.fach<strong>in</strong>fo.de<br />
Ansprechpartner: Abteilung <strong>Praxis</strong>beratung, Tel: 22802-571 o<strong>der</strong> -572<br />
Flunitrazepam-Präparate gelten ohne Ausnahme<br />
als Betäubungsmittel<br />
Seit 1. November 2011 unterliegt<br />
Flunitrazepam (zum<br />
Beispiel Rohypnol ® ) ohne<br />
Ausnahme dem Betäubungsmittelrecht<br />
(das unter an<strong>der</strong>em<br />
die Verschreibung auf e<strong>in</strong>em<br />
Betäubungsmittel-Rezept sowie<br />
die gesicherte Aufbewahrung<br />
vorschreibt). Vor diesem<br />
Stichtag konnten Präparate<br />
mit bis zu 1 Milligramm Flunitrazepam<br />
als „ausgenommene<br />
Zubereitungen“ auf e<strong>in</strong>em<br />
normalem Rezept verordnet<br />
werden. Wegen des „erheblichen<br />
Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzials“<br />
wurden<br />
die Anfor<strong>der</strong>ungen mit <strong>der</strong> 25.<br />
Betäubungsmittelrechts-Än<strong>der</strong>ungsverordnung<br />
(BtMÄndV)<br />
verschärft.<br />
KVH-Journal 12/11<br />
B r e n n p u n k t A r z n e i
Steckbrief – Für Sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vertreterversammlung<br />
Dr. med. Volker Lambert<br />
Geburtsdatum: 26.9.1945<br />
Fachrichtung: Innere Mediz<strong>in</strong>, Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
Weitere Ämter: Zweiter Vorsitzen<strong>der</strong> Hausärzteverband Hamburg<br />
Haben sich die Wünsche und Erwartungen, die mit Ihrer Berufswahl verbunden<br />
waren, erfüllt? Ja, was die Arbeit im engeren mediz<strong>in</strong>ischen Sektor anbetrifft,<br />
die Arbeit als Diagnostiker, als Therapeut, als Lotse und Berater. Lotse ist<br />
spannend und vollauf zufriedenstellend. Ne<strong>in</strong>, was das Umfeld anbetrifft. Die<br />
bürokratischen Anfor<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d zeitaufwändig, oft redundant und selten<br />
nützlich.<br />
Welche berufspolitischen Ziele würden Sie gerne voranbr<strong>in</strong>gen? Die Stärkung<br />
<strong>der</strong> Hausarztmediz<strong>in</strong> sowohl im wissenschaftlichen (auch universitären) Rahmen<br />
als auch durch Akzeptanz <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Hausarztmediz<strong>in</strong>. Solange<br />
die Majorisierung durch an<strong>der</strong>e ärztliche Berufsgruppen nicht durch e<strong>in</strong>en<br />
politischen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz gedämpft wird, s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e echten Fortschritte<br />
zu erwarten.<br />
Sollte das Gesundheitssystem reformiert werden? Und welche Rolle sollte<br />
die KV spielen? Das Gesundheitssystem ist <strong>der</strong>maßen komplex, dass es wohl<br />
ohne ständige Reformen nicht funktionieren könnte. Ob e<strong>in</strong>e „echte“, das heißt<br />
umfassende Reform überhaupt möglich ist, bezweifle ich. Die KV hat nur dann<br />
e<strong>in</strong>e Zukunft, wenn sie sich um e<strong>in</strong>e gute ärztliche Versorgung kümmert, diese<br />
dann auch f<strong>in</strong>anziell e<strong>in</strong>igermaßen gerecht absichert und nicht weiter e<strong>in</strong>em<br />
Institutionsegoismus frönt. (Tendenz aller Behörden, sich für unersetzlich zu<br />
halten.)<br />
Welchen Politiker / Prom<strong>in</strong>enten würden Sie gerne e<strong>in</strong>mal treffen und was würden<br />
Sie ihn fragen? Im Moment steht mir nicht so recht <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n nach Politikern.<br />
Welchen Traum möchten Sie gerne verwirklichen? Ich habe im Urlaub <strong>in</strong> Portugal<br />
e<strong>in</strong>en alten, halb zerfallenen Turm direkt am Meer gesehen. Daneben e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />
Baracke. Dies alles <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em halb-touristisch geprägten Dorf. Restaurieren,<br />
e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Rente dort verbrauchen.<br />
22<br />
K V i n t e r n KVH-Journal 12/11
Term<strong>in</strong>kalen<strong>der</strong><br />
JJ<br />
Qualitätsmanagement-Sem<strong>in</strong>are<br />
QEP ® -E<strong>in</strong>führungssem<strong>in</strong>are für Arztpraxen<br />
Nach e<strong>in</strong>em bundesweit e<strong>in</strong>heitlichen Schulungscurriculum werden<br />
<strong>Praxis</strong><strong>in</strong>haber und -mitarbeiter befähigt, das QM-System „QEP ® -<br />
Qualität und Entwicklung <strong>in</strong> Praxen“ ohne externe Hilfe e<strong>in</strong>zuführen.<br />
Das Sem<strong>in</strong>ar wird von KBV-lizensierten QEP ® -Tra<strong>in</strong>ern durchgeführt.<br />
Fr 11.05.2012 (15:00-21:00 Uhr) / Sa 12.05.2012 (08:30-16:30 Uhr)<br />
Teilnahmegebühr:<br />
Erster Teilnehmer e<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> € 220, je<strong>der</strong> weitere € 160<br />
QEP ® -Vertiefungssem<strong>in</strong>are für Arztpraxen<br />
Unterstützt durch Mustervorlagen und anhand vieler Beispiele wird im<br />
Sem<strong>in</strong>ar e<strong>in</strong> praxis<strong>in</strong>dividuelles, CD-gestütztes QM-Handbuch nach<br />
QEP ® erarbeitet. Zielsetzung des Sem<strong>in</strong>ars ist die Zertifizierungsreife<br />
– wobei die Zertifizierung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.<br />
5-teiliges Blocksem<strong>in</strong>ar 2012<br />
Teil 1: Mi 15.08.2012 (15:00-20:00 Uhr)<br />
Teil 2: Mi 12.09.2012 (15:00-20:00 Uhr)<br />
Teil 3: Mi 17.10.2012 (15:00-20:00 Uhr)<br />
Teil 4: Mi 14.11.2012 (15:00-20:00 Uhr)<br />
Teil 5: Mi 12.12.2012 (15:00-20:00 Uhr)<br />
16 Punkte<br />
QEP ® -Refresher-Kurs<br />
(mit Umstieg auf die neue QEP-Version)<br />
Nach fünf Jahren Anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> wurde das QM-System<br />
QEP überarbeitet. Das Sem<strong>in</strong>ar soll e<strong>in</strong>erseits Kenntnisse aus zurückliegenden<br />
QEP-E<strong>in</strong>führungssem<strong>in</strong>aren auffrischen und den<br />
Teilnehmern dabei helfen, ihr QEP auf die neue Version umzustellen.<br />
Mi 22.02.2012 (9:00-17:00 Uhr)<br />
Teilnahmegebühr:<br />
Erster Teilnehmer e<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong> € 180,<br />
je<strong>der</strong> weitere € 130<br />
<strong>in</strong>kl. Verpflegung und neuer QEP-Unterlagen<br />
QEP ® -Zertifizierungsvorbereitung<br />
In diesem Sem<strong>in</strong>ar können Sie überprüfen, ob Ihre <strong>Praxis</strong> zertifizierungsreif<br />
ist und an welchen Stellen gegebenenfalls noch nachgebessert<br />
werden muss.<br />
Mi 06.06.2012 (09:30–17:00 Uhr)<br />
10 Punkte<br />
Teilnahmegebühr: € 395 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
34 Punkte<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
Datenschutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong><br />
Hier wird aufgezeigt, was <strong>in</strong> puncto Datenschutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> zu<br />
beachten ist, wann e<strong>in</strong> Datenschutzbeauftragter benannt werden<br />
muss und welche Aufgaben er übernimmt.<br />
Mi 21.03.2012 (09:30–17:00 Uhr)<br />
QEP ® -Arbeitsschutz<br />
In e<strong>in</strong>er Arztpraxis muss das Arbeitsschutz- und das Arbeitssicherheitsgesetz<br />
beachtet werden. In diesem Workshop lernen Sie<br />
den Umgang mit Gefahrstoffen, wie Sie Personal und Patienten vor<br />
Unfällen schützen können und wie e<strong>in</strong>e Gefährdungsbeurteilung<br />
durchgeführt wird.<br />
Mi 13.06.2012 (09:30-17:00 Uhr)<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
QEP-Hygiene <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arztpraxis<br />
Die meisten Praxen müssen e<strong>in</strong>en Mitarbeiter zum Hygienebeauftragten<br />
bestellen. Im Sem<strong>in</strong>ar wird erläutert, welche Aufgaben hierbei<br />
anfallen, wie Hygiene-, Hautschutz- und Re<strong>in</strong>igungspläne erstellt<br />
werden und welche Gesetze zu beachten s<strong>in</strong>d . E<strong>in</strong> Überblick darüber,<br />
was bei e<strong>in</strong>er <strong>Praxis</strong>begehung durch die verschiedenen Behörden<br />
passiert rundet das Thema dieses Sem<strong>in</strong>ars ab.<br />
Mi 29.08.2012 (09:30-17:00 Uhr)<br />
QEP ® -Personalführung für Ärzte<br />
Der Arzt ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> gleichzeitig Führungskraft und muss sich mit<br />
Personalfragen wie beispielsweise Personalauswahl, E<strong>in</strong>stellungsmodalitäten,<br />
Motivation und Konfliktbewältigung ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.<br />
Hier erfahren Sie, wie Sie damit umgehen können und was beachtet<br />
werden muss.<br />
Mi 31.10.2012 (09:30–17:00 Uhr)<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
QEP ® -Beschwerde- und Fehlermanagement<br />
Das Sem<strong>in</strong>ar zeigt, wie man mit Patientenbeschwerden souverän<br />
umgeht, diese schon im Vorfeld vermeiden kann – und wie e<strong>in</strong> Fehlermanagement<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Praxis</strong> aufgebaut wird.<br />
Mi 28.11.2012 (09:30–17:00 Uhr)<br />
Teilnahmegebühr: € 149 <strong>in</strong>kl. Verpflegung<br />
10 Punkte<br />
Ort: Ärztehaus, Humboldtstraße 56, 22083 Hamburg<br />
Infos zur Anmeldung: www.kvhh.de → Qualität → Qualitätsmanagement<br />
Telefonische Auskunft und Anmeldung:<br />
Ursula Gonsch Tel: 22802-633<br />
Birgit Gaumnitz Tel: 22802-889<br />
KVH-Journal 12/11<br />
K V i n t e r n<br />
23
Infocenter <strong>der</strong> KVH<br />
Bei allen Fragen rund um<br />
Ihren <strong>Praxis</strong>alltag<br />
Sie haben Fragen zur<br />
vertragsärztlichen Tätigkeit?<br />
Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des Infocenters <strong>der</strong><br />
KVH helfen Ihnen schnell und kompetent.<br />
Was bieten wir Ihnen?<br />
• schnelle und verb<strong>in</strong>dliche Auskünfte <strong>in</strong><br />
allen Fragen, die die vertragsärztliche<br />
Tätigkeit und das Leistungsspektrum<br />
<strong>der</strong> KVH betreffen<br />
• schnellstmöglichen Rückruf, falls die<br />
gewünschte Information nicht sofort<br />
erteilt werden kann<br />
• zügige Beantwortung Ihrer schriftlichen<br />
Anfragen per Post, Fax o<strong>der</strong> eMail<br />
Wie erreichen Sie uns?<br />
Infocenter <strong>der</strong> KVH<br />
Humboldtstraße 56<br />
22083 Hamburg<br />
Telefon: 040/22 802 900<br />
Telefax: 040/22 802 420<br />
E-Mail: <strong>in</strong>focenter@kvhh.de<br />
Wann s<strong>in</strong>d wir für Sie da?<br />
Montag, Dienstag, Donnerstag<br />
8.00 – 17.00 Uhr<br />
Mittwoch 8.00 – 12.30 Uhr<br />
Freitag 8.00 – 15.00 Uhr<br />
Foto: Felix Faller