Ganzes Heft zum Download (Pdf) - Medien ...
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M&K 49. Jg. 2001/2<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
E 20039 F<br />
<strong>Medien</strong><br />
Kommunikationswissenschaft<br />
&<br />
Themenheft „Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie:<br />
Ursachen, Formen und Folgen“<br />
Gastherausgeber: Otfried Jarren und Werner A. Meier<br />
Werner A. Meier / Otfried Jarren<br />
Ökonomisierung und Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>system.<br />
Einleitende Bemerkungen zu einer (notwendigen) Debatte<br />
Jürgen Heinrich<br />
Ökonomisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive<br />
Gabriele Siegert<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus systemtheoretischer Perspektive<br />
Manfred Knoche<br />
Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus politökonomischer<br />
Perspektive<br />
Klaus-Dieter Altmeppen<br />
Ökonomisierung aus organisationssoziologischer Perspektive.<br />
Der Beitrag der <strong>Medien</strong>unternehmen zur Ökonomisierung<br />
Carsten Winter / Matthias Karmasin<br />
Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer Perspektive.<br />
Ursachen, Formen und Folgen der globalen Kommerzialisierung<br />
medialer Wertschöpfungsprozesse<br />
Lucy Küng<br />
The Internet’s impact on incumbent media firms: a management<br />
perspective<br />
Josef Trappel<br />
Ökonomisierung aus der Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
Andrea Grisold<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus wirtschaftspolitischer<br />
Perspektive<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
Die neue Rundfunk und Fernsehen
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2. Umschlagseite<br />
II
M&K 49. Jg. 2001/2<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
Kommunikationswissenschaft<br />
&<br />
Redaktion:<br />
Hardy Dreier, Uwe Hasebrink, Thorsten Held, Anja Herzog,<br />
Otfried Jarren, Friedrich Krotz, Claudia Lampert,<br />
Christiane Matzen, Eva Rischkau, Hermann-Dieter Schröder,<br />
Wolfgang Schulz, Jutta Simon, Ralph Weiß<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
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Editorial<br />
Mit diesem Themenheft wird ein <strong>Heft</strong> von „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“<br />
erstmals von Gastherausgebern verantwortet: von Otfried Jarren und Werner A. Meier.<br />
Die Möglichkeit einer Gastherausgeberschaft bei M&K basiert prinzipiell auf folgendem<br />
Verfahren: Auf Initiative der Redaktion oder aber auf die eigene Initiative einer/s<br />
oder mehrerer Gastherausgeber/s/in wird ein grobes Konzept für ein Themenheft entwickelt.<br />
Sind sich beide einig, so beauftragt die Redaktion die Gastherausgeber/innen,<br />
ein detailliertes Konzept und Vorschläge für das weitere Verfahren zur Gewinnung potenzieller<br />
Autorinnen und Autoren zu entwickeln, etwa über einen Call for Papers.<br />
Die eingereichten Texte durchlaufen ein doppeltes Evaluationsverfahren nach Maßgabe<br />
der für die Begutachtung von Texten für M&K geltenden Regeln (wie sie in den „Hinweisen<br />
für Autorinnen und Autoren“ aufgeführt sind): Die Manuskripte werden getrennt<br />
von den Gastherausgebern sowie redaktionsinternen und –externen Gutachtern<br />
beurteilt. Auf Basis der Gutachten wird ein gemeinsames Votum erstellt; hierbei soll Einigkeit<br />
zwischen Redaktion und Gastherausgebern hergestellt werden. Sollte ein gemeinsamer<br />
Beschluss über die Publikation nicht möglich sein, so liegt die Entscheidung<br />
bei der M&K-Redaktion. Die weitere organisatorische Betreuung erfolgt über die Redaktion.<br />
Thematisch widmet sich dieses Themenheft den Phänomenen Ökonomisierung und<br />
Kommerzialisierung in den <strong>Medien</strong>, die komplexe soziale Veränderungsvorgänge bewirken.<br />
Sich mit ihnen theoretisch und empirisch auseinander zu setzen, ist eine Aufgabe<br />
für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Die im Folgenden dokumentierten<br />
Beiträge basieren auf Vorträgen, die im Rahmen des Workshops „Ökonomisierung<br />
der <strong>Medien</strong>industrie: Ursachen, Formen, Folgen“ am 6. und 7. Oktober 2000 in<br />
Vitznau am Vierwaldstätter See in der Schweiz gehalten wurden. Die Veranstaltung<br />
wurde durch SwissGIS (Swiss Centre for Studies on the Global Information Society)<br />
ermöglicht und durchgeführt. Die beiden Leiter des Workshops und Gastherausgeber<br />
dieses Themenheftes, Otfried Jarren und Werner A. Meier, möchten an dieser Stelle<br />
nochmals Dank sagen: der Universität Zürich für die finanzielle Zuwendung zur Realisierung<br />
des Projekts und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Österreich, der<br />
Schweiz und Deutschland für ihre Beteiligung.<br />
Die Redaktion<br />
141
eventuell<br />
Anzeige<br />
142
INHALTSVERZEICHNIS<br />
AUFSÄTZE<br />
Werner A. Meier / Otfried Jarren<br />
Jürgen Heinrich<br />
Gabriele Siegert<br />
Manfred Knoche<br />
Klaus-Dieter Altmeppen<br />
Carsten Winter / Matthias Karmasin<br />
Lucy Küng<br />
Ökonomisierung und Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong><br />
und <strong>Medien</strong>system. Einleitende Bemerkungen<br />
zu einer (notwendigen) Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
Ökonomisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus systemtheoretischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />
Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus politökonomischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177<br />
Ökonomisierung aus organisationssoziologischer<br />
Perspektive. Der Beitrag der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
zur Ökonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />
Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer<br />
Perspektive. Ursachen, Formen und Folgen der globalen<br />
Kommerzialisierung medialer Wertschöpfungsprozesse<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />
The Internet’s impact on incumbent media firms: a<br />
management perspective . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218<br />
Josef Trappel Ökonomisierung aus der Sicht der Online-<strong>Medien</strong> 227<br />
Andrea Grisold<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus wirtschaftspolitischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />
LITERATUR<br />
Besprechungen<br />
Heinz Bonfadelli<br />
Ludwig Gramlich<br />
Christina Holtz-Bacha<br />
Horst Pöttker<br />
Hubert Eichmann: <strong>Medien</strong>lebensstile zwischen<br />
Informationselite und Unterhaltungsproletariat,<br />
Frankfurt a. M. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />
Tanja Eisenblätter: Regulierung in der Telekommunikation.<br />
Zum Begriff der Regulierung im TKG<br />
unter besonderer Berücksichtigung der Regulierung<br />
durch Independent Agencies in den USA, Frankfurt<br />
a. M. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />
Jens Wolling: Politikverdrossenheit durch Massenmedien?<br />
Der Einfluss der <strong>Medien</strong> auf die Einstellungen<br />
der Bürger zur Politik, Opladen/Wiesbaden<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252<br />
Bart Pattyn (Ed.): Media ethics. Opening social dialogue,<br />
Leuven 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254<br />
143
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Dieter Stammler<br />
Rudolf Stöber<br />
Barbara Thomaß<br />
Matthias Knothe: Die neuen Institutionen des<br />
Rundfunkstaatsvertrages zwischen Rechtsaufsicht<br />
und Staatsfreiheit, Bargstedt 2000. . . . . . . . . . . . . . . 255<br />
Adelheid von Saldern / Inge Marßolek: Radiozeiten.<br />
Herrschaft, Alltag, Gesellschaft 1924-1960, Potsdam<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />
Julia Morgenthaler: Facts oder Fiction? Kommunikatorstudie<br />
zu den Determinanten für Fakes in<br />
Fernsehboulevardmagazinen, Bochum 2000 . . . . . . 258<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269<br />
English abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />
144
AUFSÄTZE<br />
Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
von <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>system<br />
Einleitende Bemerkungen zu einer (notwendigen) Debatte<br />
Werner A. Meier / Otfried Jarren<br />
Die aktuelle <strong>Medien</strong>entwicklung kann nur vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher<br />
Prozesse betrachtet werden. Vieles deutet darauf hin, dass der Trend zu einer Wirtschaftsgesellschaft<br />
sich vor allem auch bei zentralen Strukturmerkmalen traditioneller<br />
und neuer <strong>Medien</strong> manifestiert. Der Beitrag setzt sich <strong>zum</strong> Ziel, Ursachen, Formen und<br />
Folgen von Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungsprozessen systematisch aufzuspüren.<br />
Die Lancierung einer „Kommerzialisierungsdebatte“ erfolgt vor dem Hintergrund<br />
wissenschaftsdisziplinärer und medienpolitischer Defizite. Während die Publizistik-<br />
und Kommunikationswissenschaft das spannungsgeladene Verhältnis von privatwirtschaftlicher<br />
Institutionalisierung und den in sich widersprüchlichen gesellschaftlichen<br />
Aufgaben aktueller, publizistischer <strong>Medien</strong> schon früh erkannt und debattiert hat,<br />
konzentriert sich die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive auf Mittel und Wege, die<br />
allokative und produktive Effizienz von <strong>Medien</strong>unternehmen zu steigern. Die Dominanz<br />
der Systemtheorie mit der Fokussierung auf funktionale Differenzierung und Autopoesis<br />
hat allerdings dazu geführt, dass die strukturellen Machtkonflikte zwischen<br />
Publizistik, Wirtschaft und Demokratie immer stärker aus dem Blickfeld von Theorie<br />
und Forschung verschwanden. Dieser Befund steht in Kontrast zu den sich real abzeichnenden<br />
Auswirkungen von Kommerzialisierung auf das Leistungspotential von Journalismus<br />
und öffentlicher Kommunikation.<br />
1. Zum Verständnis und zur Bedeutung von Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
im <strong>Medien</strong>sektor<br />
Betrachtet man die gegenwärtige <strong>Medien</strong>entwicklung, so scheint der Prozess der Ökonomisierung<br />
von zentraler Bedeutung zu sein („Allianzen“, globale Unternehmenszusammenschlüsse,<br />
Zunahme der <strong>Medien</strong>konzentration). Allerdings besteht in der<br />
Literatur weder ein Konsens darüber, welche Phänomene mit Ökonomisierung gemeint<br />
sind, noch darüber, ob der Begriff Kommerzialisierung synonym verwendet werden<br />
kann.<br />
Was versteht man umgangssprachlich unter Kommerzialisierung bzw. Ökonomisierung?<br />
Das Wort Kommerz ist ein Synonym für Wirtschaft, Handel und Verkehr; kommerziell<br />
handeln bedeutet demzufolge, sich kaufmännisch bzw. geschäftlich auszurichten.<br />
Kommerzialisieren heißt Geld aus einer Tätigkeit ziehen und dabei die Geschäftsund<br />
Lebenswelt diesem Gewinnstreben unterordnen. Als Kommerzialismus oder Ökonomismus<br />
wird wirtschaftliches Handeln bezeichnet, das auf Gewinnmaximierung ausgerichtet<br />
ist und dabei auch Werte, Dinge und Lebensbereiche einschließt, die nicht <strong>zum</strong><br />
Kernbereich der Wirtschaft gehören. Profitorientiertes Denken und Handeln wird in<br />
der Wirtschaft als Norm sozial akzeptiert, die exklusive Orientierung am Gewinn verliert<br />
aber dann an Legitimation und Akzeptanz, sobald der traditionelle Wirtschaftsbereich<br />
verlassen wird. Dies trifft auch für die <strong>Medien</strong>wirtschaft zu, die nicht ausschließlich<br />
als privates Geschäft, sondern auch als gesellschaftliche Institution betrachtet wird,<br />
die meritorische Leistungen für andere Institutionen erbringt bzw. erbringen sollte.<br />
Diese Sichtweise scheint sich zu verändern.<br />
145
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Was versteht man aus einer kommunikationswissenschaftlich ausgerichteten Perspektive<br />
unter Kommerzialisierung oder Ökonomisierung? Jarren versteht unter Ökonomisierung<br />
ganz allgemein „die Ausweitung des ökonomischen Systems auf Felder,<br />
die vorher anderen Systemimperativen unterlagen“ (Jarren 1998, S. 78), während Heinrich<br />
(vgl. Beitrag in diesem <strong>Heft</strong>) Ökonomisierung als „die Zunahme monetärer und<br />
egoistischer Elemente in der Nutzenfunktion und eine zunehmend striktere Anwendung<br />
des Nutzenmaximierungspostulates“ ansieht. Angesprochen wird damit die<br />
Beobachtung, dass Printmedien, Radio und Fernsehen traditionell in Europa primär<br />
den Systemen Politik und Kultur und erst nachrangig dem System Wirtschaft zugeordnet<br />
wurden. Dieser im Vergleich zu den USA offensichtliche Unterschied bei der Institutionalisierung<br />
der <strong>Medien</strong> hat unter anderem zur Folge, dass der Ökonomisierungsund<br />
Kommerzialisierungsprozess von der amerikanischen Kommunikationswissenschaft<br />
in ungleich geringerem Masse als „Systemproblem“ wahrgenommen wurde und<br />
wird.<br />
Der langsame Wechsel der Systemzugehörigkeit eines Teilbereichs der <strong>Medien</strong>, nämlich<br />
des Rundfunks, von der Kultur zur Wirtschaft kann als eine Art strukturelle Ökonomisierung<br />
bezeichnet werden. Die Etablierung „dualer Rundfunkstrukturen“ führt<br />
zu einer derartigen Veränderung. Mit dem Rückzug des Staates aus Infrastrukturbereichen<br />
(Verkehr wie eben auch Post oder Telekommunikation) und mit dem Abbau staatlicher<br />
Regulierung und Kontrolle zugunsten von Märkten als Koordinationsformen<br />
wird die wachsende Relevanz der Wirtschaft in der gesamten <strong>Medien</strong>branche noch gefördert.<br />
So zählt Kiefer unter dem Oberbegriff Ökonomisierung eine Reihe von entsprechenden<br />
Trends bei der Entwicklung öffentlicher Kommunikationsformen und<br />
<strong>Medien</strong> auf: Deregulierung und Privatisierung, Kommerzialisierung, Internationalisierung<br />
und Globalisierung (vgl. Kiefer 2001, S. 19). Dabei sollen diese Stichworte die<br />
wachsende Ökonomisierung der gesamten <strong>Medien</strong>systeme im Sinne ihrer Unterstellung<br />
unter Kriterien ökonomischer Rentabilität und veränderter politischer Gestaltungsziele<br />
signalisieren. Saxer behauptet ähnliches, bezeichnet diesen komplexen Zusammenhang<br />
aber als Kommerzialisierung: „Als Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong> wird die Verstärkung<br />
ökonomischer Einflüsse, in erster Linie desjenigen der Werbewirtschaft, auf<br />
die Strukturen und Funktionen von <strong>Medien</strong>systemen und deren Konsequenzen für die<br />
<strong>Medien</strong>produktion, die <strong>Medien</strong>mitarbeiter, die Prozesse von <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
und deren Rezipienten sowie allgemein in kultureller, wirtschaftlicher, politischer und<br />
sozialer Hinsicht bezeichnet“ (Saxer 1998, S. 10).<br />
Mit den Begriffen Ökonomisierung wie auch Kommerzialisierung wird <strong>zum</strong> Ausdruck<br />
gebracht, dass ökonomische Prinzipien und Handlungsrationalitäten einen wachsenden<br />
Einfluss bei der Institutionalisierung, Diversifizierung, Produktion und Konsumption<br />
von <strong>Medien</strong> bzw. deren Inhalten haben. Kommerzialisierung kann als<br />
Entmeritorisierung von <strong>Medien</strong>leistungen, als das „Zurückdrängen der gesellschaftlich<br />
erwünschten meritorischen zugunsten der auf Märkten verkäuflichen und einzelwirtschaftlich<br />
rentablen Angebote“ (Kiefer 2001, S. 22) aufgefasst werden. Während Saxer<br />
lediglich von einer Verstärkung ökonomischer Einflüsse unter dem Druck der Werbewirtschaft<br />
spricht und Kiefer die Metamorphose vom Eigennutz <strong>zum</strong> Gemeinwohl im<br />
<strong>Medien</strong>bereich in Frage stellt, geht Altmeppen weiter, indem er auch im Bereich der <strong>Medien</strong><br />
eine Art Allgegenwart und Dominanz der Wirtschaft ausmacht. Dementsprechend<br />
versteht er Kommerzialisierung umfassender, nämlich als einen übergreifenden sozialen<br />
Prozess, „bei dem zunehmend die ökonomischen Regeln kapitalistischer Gesellschaften<br />
gelten und bei dem soziales Handeln weitgehend von ökonomischen Kalkülen geprägt<br />
wird“ (Altmeppen 1996, S. 257).<br />
146
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
Kommerzialisierung als sozio-ökonomischer Prozess wird in anderer theoretischer<br />
Sichtweise lediglich als eine aktuelle Steigerung der produktiven und allokativen Effizienz<br />
der <strong>Medien</strong>unternehmen betrachtet. Für Knoche hingegen geht es um eine weitere<br />
historische Phase der fortschreitenden „Kapitalisierung“ der <strong>Medien</strong>industrie, um<br />
eine radikale Unterordnung des gesamten <strong>Medien</strong>systems unter die allgemeinen Kapitalverwertungsbedingungen,<br />
die mit den Stichworten Profitmaximierung, Konkurrenz,<br />
Akkumulations- und Konzentrationszwang beschrieben werden können (vgl. den Beitrag<br />
von Knoche in diesem <strong>Heft</strong>). Begriffe, Sichtweisen und Definitionen variieren je<br />
nach theoretischem Ausgangspunkt und je nach dem Verständnis von öffentlicher Kommunikation.<br />
Während die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft das spannungsgeladene<br />
Verhältnis von privatwirtschaftlicher Institutionalisierung und den in sich widersprüchlichen<br />
gesellschaftlichen Aufgaben aktueller, publizistischer <strong>Medien</strong> schon früh<br />
erkannt hat und debattiert, konzentriert sich die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive<br />
auf den unternehmerischen Alltag der <strong>Medien</strong>industrie. Der ökonomische Wettbewerb,<br />
das Streben nach Gewinn, nach Steigerung von Marktanteilen und Umsätzen dominiert<br />
das medienunternehmerische Handeln und die betriebswirtschaftliche Perspektive.<br />
„Die Bewertung der Marktergebnisse erfolgt nach der grundlegenden Norm der<br />
Ökonomie, dem individuellen ökonomischen Nutzen, gleich bedeutend mit individueller<br />
ökonomischer Wohlfahrt. (…) In diesem Sinne glaubt die Ökonomie, dass der Markt<br />
nicht nur den individuellen Nutzen maximiert, sondern auch ein Gemeinwohl generiert,<br />
eine Vorstellung, die nachhaltig bereits von Adam Smith entwickelt worden ist“ (Heinrich<br />
1999, 23). Mit anderen Worten: Die Wirtschaftswissenschaft betrachtet Ökonomisierungs-<br />
oder Kommerzialisierungsprozesse deshalb als selbstverständlich, weil es der<br />
Ökonomik im Grundsatz darum geht, Mittel und Wege aufzuzeigen, wie Unternehmen<br />
ihre allokative und produktive Effizienz steigern können. Auch für Kiefer bedeutet<br />
Kommerzialität zunächst einmal nur ein die Geschäftsinteressen wahrnehmendes Handeln,<br />
„also selbstverständliche Kaufmannspflicht, wenn man nicht in Konkurs gehen<br />
will“ (Kiefer 2001, S. 21). Diese Sichtweise hat zur Folge, dass Kommerzialisierung und<br />
Ökonomisierung zu keinem Schlüsselbegriff in der Wirtschaftswissenschaft werden<br />
konnten. Der Begriff taucht weder in Handbüchern noch in einschlägigen Lexika auf.<br />
In der zweibändigen „<strong>Medien</strong>ökonomie“ von Jürgen Heinrich sucht man das Stichwort<br />
Kommerzialisierung vergeblich und bei Kiefer kommt der Begriff nur in der Einleitung<br />
vor.<br />
Ebenso uneinheitlich präsentiert sich die betriebswirtschaftliche Perspektive zu diesem<br />
Phänomen. Während Karmasin/Winter (vgl. Beitrag in diesem <strong>Heft</strong>) die Kommerzialisierung<br />
als Folge von Digitalisierung und Konvergenz als globales Phänomen betrachten,<br />
das von außen in die traditionelle <strong>Medien</strong>wirtschaft hereingebracht worden ist,<br />
bezeichnet Trappel mit Kommerzialisierung die „betriebswirtschaftliche Tatsache, dass<br />
ein immer größerer Erlösanteil auf indirektem Weg erzielt wird“ (Trappel in diesem<br />
<strong>Heft</strong>). Fazit: Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sichtweise ergibt sich in der Regel keine<br />
Problematisierung der Kommerzialisierung, während sich aus publizistikwissenschaftlicher<br />
Perspektive eine intensive Beschäftigung aufdrängt.<br />
Aus der publizistikwissenschaftlichen Perspektive wird Kommerzialisierung eher<br />
problematisiert, da von einem tendenziellen Widerspruch zwischen funktionaler Autonomie<br />
und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgegangen wird (vgl. Altmeppen 2000).<br />
Grund für das Spannungsfeld sind die doppelten Erwartungen, die an die <strong>Medien</strong> geknüpft<br />
sind, nämlich „einerseits ökonomische Gewinnerwartungen der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
und andererseits publizistische Leistungserwartungen der Gesellschaft“ (Alt-<br />
147
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
meppen 2000, 225). Mit der Institutionalisierung der <strong>Medien</strong> als wirtschaftsliberale und<br />
unternehmerische Gegenposition <strong>zum</strong> absolutistischen Herrschafts- und Kontrollstaat<br />
im 19. Jahrhundert hat sich jede moderne Demokratie diesen Grundwiderspruch eingehandelt:<br />
Inwieweit untergräbt das wirtschaftsliberale Modell freier Massenmedien die<br />
eigenen Ideale, wenn der Zugang zu Presse, Radio und Fernsehen durch politische und<br />
wirtschaftliche Macht sowie durch Eigentumsrechte derart eingeschränkt wird, dass oligopolistische<br />
Märkte und die Vermachtung der Öffentlichkeit zu den regelhaften Strukturmerkmalen<br />
moderner Demokratien und <strong>Medien</strong>landschaften gehören. Die Spannung<br />
zwischen der Befriedigung kommerzieller Interessen und der Erfüllung von Aufgaben<br />
und Leistungen für demokratische Entscheidungsprozesse bzw. die gesellschaftliche<br />
Selbstverständigung kann folglich als der zentrale Ausgangspunkt für die publizistikund<br />
sozialwissenschaftliche Theoriebildung ökonomischer Bedingungen von <strong>Medien</strong><br />
und öffentlicher Kommunikation bzw. medienökonomischer Theoriebildung betrachtet<br />
werden.<br />
2. Zur Reflexion der Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungsproblematik<br />
in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft<br />
In diesem Abschnitt geht es darum, im Rahmen der Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungsdebatte<br />
relevante theoretische Zugänge knapp zu inventarisieren und deren<br />
Vor- und Nachteile anzusprechen. Dabei werden systemtheoretische, politökonomische,<br />
kritische sowie organisations- bzw. betriebswirtschaftliche Zugänge unterschieden.<br />
2.1 Die systemtheoretische Betrachtungsweise<br />
In der deutschsprachigen Publizistik- und Kommunikationswissenschaft dominiert seit<br />
Anfang der 80er Jahre die Systemtheorie. Besonders die Luhmann’sche Systemtheorie<br />
entwickelte sich zur dominanten Denkschule. Die Attraktivität dieses Ansatzes liegt<br />
nicht zuletzt darin, dass sie Publizistik bzw. den Journalismus als eigenständiges Funktionssystem<br />
der Gesellschaft betrachtet. Bösartig formuliert kann man sagen, Luhmann<br />
schmeichelt dem Fach, indem er das disziplinäre Erkenntnisobjekt Publizistik zu einem<br />
autonomen System macht. Dabei beruht die in diesem Ansatz behauptete Autonomie<br />
der Publizistik auf ihrer spezifischen problemlösenden Funktion, ihrer exklusiven Zuständigkeit,<br />
ihrer selbstreferenziellen Operationsweise und der Entwicklung eines eigenen<br />
Steuerungsmediums. Als Steuerungsmedium für die Publizistik gilt Publizität; Themen<br />
werden nach dem Code „veröffentlicht/nicht veröffentlicht“ bewertet. Folglich ist<br />
eine Kommerzialisierung der Publizistik gar nicht möglich bzw. nicht vorgesehen, denn<br />
die operativen Codes der Wirtschaft – Geld zahlen/nicht Geld zahlen – können wegen<br />
des Prinzips der Gleichrangigkeit und des jeweils eigenständigen, nicht übertragbaren<br />
Codes im System Publizistik gar keine Wirkung erzielen – höchstens einige Irritationen<br />
auslösen. Wenn der Nachweis der Kommerzialisierung von Publizistik trotzdem gelingt,<br />
so ist das System Publizistik bzw. dessen Autonomie in hohem Maße gefährdet,<br />
da es von der Wirtschaft stark moduliert wird (vgl. Grothe/Schulz 1994). Systemtheoretische<br />
Ansätze leisten relativ wenig zur Beschreibung und zur Erklärung von Ökonomisierungs-<br />
und Kommerzialisierungsprozessen (vgl. Beitrag Siegert in diesem <strong>Heft</strong>),<br />
auch weil sie den Systemcharakter von Publizistik noch nicht hinreichend theoretisch<br />
begründet haben.<br />
148
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
2.2 Die politökonomische Betrachtungsweise<br />
Im Unterschied zur Systemtheorie ist die politische Ökonomie der Kommunikation<br />
schon immer davon ausgegangen, dass bei der <strong>Medien</strong>produktion erwerbswirtschaftliche<br />
Kriterien eine zentrale Rolle spielen. Die politische Ökonomie der Kommunikation<br />
analysiert, wie ein <strong>Medien</strong>system mit seinen Inhalten auf die bestehenden Gesellschaftsstrukturen<br />
einwirkt und wie es die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Beziehungen zwischen den mächtigen gesellschaftlichen Akteuren beeinflusst. Dabei<br />
werden Abhängigkeiten zwischen Eigentums- und Produktionsverhältnissen behauptet.<br />
Übereinstimmend wird dabei festgestellt, dass wenige, global und international agierende<br />
<strong>Medien</strong>-, Unterhaltungs- und Dienstleistungskonzerne aus Nordamerika und<br />
Europa die Qualität der Industrialisierung und Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>produktion<br />
auf regionaler und nationaler Ebene maßgeblich strukturieren sowie gleichzeitig<br />
die Entstehung einer globalen kapitalistischen Netzwerkgesellschaft modellieren<br />
(vgl. bspw. Castells 1996). Besonders die Markt- und Machtkonzentration in der <strong>Medien</strong>industrie,<br />
deren Abhängigkeit bezüglich Kapitalverwertung von anderen Schlüsselindustrien<br />
sowie das wachsende Profitstreben der Kapitaleigner durch Privatisierung (so<br />
die Gründung von Aktiengesellschaften) werden als Ursachen einer zunehmenden Entdemokratisierung<br />
von Gesellschaft betrachtet. Für die publizistischen, politischen und<br />
kulturellen Leistungsdefizite werden die zunehmende Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong>,<br />
Kultur und Politik sowie die stark unter ökonomischen Prämissen sich vollziehende<br />
Ordnungspolitik bis zur selbstinszenierten (Selbst-)Regulierung unter streng marktwirtschaftlichen<br />
Prämissen verantwortlich gemacht. Die damit verbundene <strong>Medien</strong>und<br />
Systemkritik umfasst mindestens folgende Elemente:<br />
• Kommerzielle <strong>Medien</strong> handeln – so diese theoretische Lesart – in der Regel strukturkonservativ,<br />
d. h. kapital- und gesellschaftsverträglich, indem sie hohe unternehmerische<br />
Gewinne erzielen, ein allgemeines Konsumklima schaffen sowie permanent<br />
konkrete Kaufanreize für Konsumgüter und Dienstleistungen ermöglichen, die herrschenden<br />
gesellschaftlichen Institutionalisierungs- und Organisationsprinzipien legitimieren<br />
und gleichzeitig den regenerativen Bedürfnissen der Endverbraucher<br />
nachzukommen versuchen.<br />
• Öffentliche Kommunikation, d. h. die publizistisch-politischen Interessen gesellschaftlicher<br />
Gruppen und die aufklärerischen Bedürfnisse der Bevölkerung werden<br />
systematisch der Nachfrage der werbetreibenden Wirtschaft und den privaten Interessen<br />
der Kapitaleigner untergeordnet. Aus Gründen der Kapitalverwertung und<br />
Rentabilität setzen sich ständig Konzentrationsprozesse fort, die den publizistischen<br />
Wettbewerb und die <strong>Medien</strong>vielfalt verringern und die Demokratie insgesamt gefährden.<br />
• Bedingt durch Gewerbefreiheit, Marktwirtschaft und indirekter Finanzierung sind<br />
herrschende wirtschaftliche und politische Machtgruppen sowie die führenden <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
in der Lage, ihre wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interessen<br />
fallweise auch publizistisch durchzusetzen – beispielsweise durch entsprechenden<br />
Konzern-, Marketing- und Gefälligkeitsjournalismus.<br />
Mit einer solchen Analyse ist es der politischen Ökonomie zwar gelungen, gewisse Mängel<br />
der traditionellen Wirtschaftswissenschaft zu überwinden – vor allem durch Hinweise<br />
auf Faktoren wie Macht und Herrschaft in ökonomischen Beziehungen und durch<br />
empirische Belege <strong>zum</strong> Marktversagen – und das gegenseitige Interventionspotenzial<br />
von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat zu analysieren. Überzeugend wird die Analyse<br />
allerdings erst, wenn es gelingt, den empirischen Zusammenhang zwischen den wirt-<br />
149
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
schaftlichen Produktionsbedingungen und den publizistischen Leistungen herzustellen.<br />
Immerhin steht mit einem konsequent auf die Publizistik ausgerichteten industrieökonomischen<br />
„Structure-Conduct-Performance“-Modell (vgl. McQuail 1992, S. 87) ein<br />
Instrument zur Verfügung, das forschungsleitend umgesetzt werden kann (vgl. van Cuilenberg<br />
2000).<br />
2.3 Die „kritische“ Betrachtungsweise<br />
Mit dem Aufkommen und in der Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Folgen<br />
kommerzieller Massenmedien, die in den USA am konsequentesten marktmäßig<br />
etabliert wurden, entwickelte sich eine materialistische <strong>Medien</strong>- und Rundfunktheorie.<br />
Vor allem Max Horkheimer und Theodor Adorno stellten schon vor, während und nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg die ökonomische Abhängigkeit der kapitalistischen Kulturindustrie<br />
(Film, Radio, Fernsehen) in den Vordergrund und machten auf den Warencharakter<br />
der kulturellen Produkte sowie auf die Verschmelzung der Publizistik mit der<br />
Werbung aufmerksam. Die kritische Theorie erfasst die Kommerzialisierungsprozesse<br />
der Kulturindustrien allerdings auf eindimensionale Weise. Für die beiden Soziologen<br />
Adorno und Horkheimer handelt die Kulturindustrie ausschließlich kapital- und gesellschaftsverträglich,<br />
indem sie hohe unternehmerische Gewinne erzielt, permanent<br />
konkrete Kaufanreize für Konsumgüter ermöglicht, die herrschenden gesellschaftlichen<br />
Prinzipien und Strukturen legitimiert und gleichzeitig den regenerativen Bedürfnissen<br />
der Endverbraucher vordergründig nachkommt. Die Kulturindustrie steht für das Gegenteil<br />
von Aufklärung und Befreiung und verhindert systematisch die Bildung autonomer,<br />
bewusst urteilender Individuen, da sie aggressiv, totalitär und manipulativ wirkt<br />
(vgl. Adorno 1963). Die mit der „Kritischen Theorie“ verbundenen Ansätze weisen, so<br />
bezüglich des Manipulationsverdachts, allerdings empirische Schwächen auf.<br />
2.4 Die organisationswissenschaftliche Betrachtungsweise<br />
Aller Organisiertheit moderner Gesellschaften <strong>zum</strong> Trotz finden sich in der traditionellen<br />
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft bislang nur wenige Arbeiten, die<br />
organisatorische Aspekte von öffentlicher Kommunikation thematisieren (vgl. Theis-<br />
Berglmair 1999, 2000). Die ausgeprägte Konzentration auf das individuelle Kommunikatorhandeln<br />
– meist in der journalistischen Berufsrolle – verhindert die Herausarbeitung<br />
des Konfliktpotenzials und der Widersprüche zwischen professionellen Bedürfnissen<br />
und betrieblichen Interessen. Einen ersten Schritt zur verstärkten Fokussierung<br />
der Meso-Ebene kann durch organisationswissenschaftliche Betrachtungsweisen erfolgen,<br />
die die marktabhängige Produktionsweise journalistischer Organisationen erfassen.<br />
Nach Braczyk begeben sich alle beteiligten Akteure bzw. Organisationen über „distinkte<br />
Modi der Handlungskoordination wie Markt, Hierarchie, Netzwerke und Professionen“<br />
in eine Verhandlungszone (Braczyk 1997, S. 558). In diesen Aushandlungsprozessen<br />
zwischen Journalismus, <strong>Medien</strong> und Markt spielen nach Altmeppen ökonomische<br />
Faktoren eine bedeutende, zuweilen auch dominierende Rolle: „Ökonomischer<br />
Einfluss auf den Journalismus ist aufgrund seiner Geldabhängigkeit (jährlich auszuhandelnde<br />
Etats) stets gegenwärtig“ (Altmeppen 2000, S. 228). Das Bild vom Aushandlungsprozess,<br />
der eben gerade nicht in idyllischen Wechselstuben (Tausch Geld gegen<br />
Geld) stattfindet, erfasst zwar eine Reihe von Ökonomisierungsprozessen, verschleiert<br />
aber die Machtungleichgewichte der Verhandlungspartner und die generelle Subordination<br />
von Redaktionen in – oft hochkomplexen – <strong>Medien</strong>organisationen.<br />
150
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
In der stark betriebswirtschaftlich ausgerichteten Organisationswissenschaft auf der<br />
einen Seite und in den aufkommenden <strong>Medien</strong>managementperspektiven (vgl. Karmasin/Winter<br />
2000) auf der anderen werden die Zusammenhänge gesamtgesellschaftlicher<br />
Ökonomisierung und unternehmerischer Kommerzialisierung – so eine Differenzierung<br />
in Anlehnung an Winter/Karmasin (vgl. Beitrag in diesem <strong>Heft</strong>) – voneinander abgetrennt<br />
und damit werden die außerbetrieblichen Macht- und Herrschaftsverhältnisse<br />
ausgeklammert. Darüber hinaus verschwindet auch die innerbetriebliche Konfliktivität<br />
ökonomischer, publizistischer und gesamtgesellschaftlicher Zielsetzungen aus dem<br />
Blickfeld, wie das Fazit von Maier zur Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>wirtschaft deutlich<br />
macht: „Unter veränderten Wettbewerbsbedingungen und dem Druck nationaler und<br />
internationaler Kapitalstrategien treten ökonomische Begriffe wie Rentabilität, Gewinn,<br />
Kundenanteile, Marktanteile, Marktbeherrschung und Shareholder Value in den Vordergrund.<br />
Diskussionen zur Bedeutung der <strong>Medien</strong> als Kulturgüter scheinen dabei zunehmend<br />
zu verblassen“ (Maier 2000, S. 66). Auch wenn dieser Eindruck zutreffend sein<br />
sollte, kann es im Kontext öffentlicher Kommunikation nicht darum gehen, die „Wertschöpfungskette“<br />
<strong>zum</strong> zentralen Paradigma im Rahmen organisationswissenschaftlicher<br />
Analysen zu erheben, weil dadurch die gesellschaftliche Bedingtheit betrieblicher<br />
Organisationsformen und Strategien weiterhin unterkomplex berücksichtigt wird<br />
(vgl. Bruch 1997). Zudem sind weitere Organisationen, so aus der Politik, Werbe- oder<br />
Media-Wirtschaft, Unternehmer- und Arbeitgeberorganisationen sowie international<br />
agierende Organisationen wie GATT oder WTO zu berücksichtigen, denn sie wirken<br />
als Akteure durch Entscheidungen auf die Institutionalisierungs- und Entwicklungsprozesse<br />
im <strong>Medien</strong>sektor ein (vgl. dazu Jarren 2001).<br />
3. Ursachen, Formen und Folgen von Kommerzialisierung<br />
Geht man von einer zunehmenden Subordination publizistischer Zielsetzungen unter<br />
ökonomischen Kriterien aus, so nehmen folglich die strukturellen Spannungen zwischen<br />
dem wirtschaftlichen und dem publizistischen Wettbewerb zu, da die Maximierung<br />
von Umsatz, Gewinn und Marktanteilen nicht notwendigerweise eine Optimierung<br />
von publizistischer Vielfalt und publizistischer Qualität zur Folge hat. Die verstärkte<br />
Ausrichtung auf Werbung, Sponsoring, Product Placement, Merchandising vor<br />
allem beim Medium Fernsehen und dem elektronischen Handel als Einnahmequellen<br />
(„Home-Shopping“) sowie die zunehmende Dominanz betriebswirtschaftlicher Strategien<br />
und Handlungsmuster zeigen sich im Redaktionsmanagement, das eine konsequente<br />
Ausrichtung auf die Auftraggeber fördert. Die logische Folge betriebswirtschaftlichen<br />
Denkens und Handelns manifestiert sich in der Aussage des Geschäftsführers<br />
der Holtzbrinck Verlagsgruppe Michael Grabner: „Unter den heutigen Gegebenheiten<br />
stelle ich mir unter einem tüchtigen und verantwortungsbewussten Journalisten<br />
jemand vor, der sich als ein unternehmerisch denkender Journalist versteht und der den<br />
betriebswirtschaftlichen Fragen nicht ausweicht. Liefere ich genügend Information,<br />
Wissen, Unterhaltung, die zu einer Kaufentscheidung führen? Welchen Nutzen stifte<br />
ich mit meiner Leistung? Stimmt die Relation zwischen Mitteleinsatz des Mediums und<br />
dem Nutzen für den Leser? Bedienen wir mit unserem Angebot die breitest mögliche<br />
Leser-/Nutzerschaft des jeweiligen Mediums? Diese Fragen sollte sich jeder Journalist<br />
jeden Tag und bei jedem Artikel neu stellen“ (Grabner 2000, S. 163). Mit Modellen des<br />
Redaktions- oder <strong>Medien</strong>managements schleicht sich auch ein neues publizistisches<br />
Grundverständnis ein, wenngleich dieses ambivalent zu beurteilen ist – ähnlich wie bei<br />
der <strong>Medien</strong>forschung (vgl. Siegert 1993). Empirische Publikumsforschung kann einer-<br />
151
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
seits zur Optimierung von publizistischen Produkten genutzt werden. Andererseits<br />
aber können Befunde aus der empirischen Forschung eben auch zur Erbringung von<br />
Anpassungsleistungen an „Marktwünsche“ herangezogen werden. Marr et al. beispielsweise<br />
argumentieren, dass der Journalismus nur dann in der Lage sei, den durch Kommerzialisierung<br />
vorangetriebenen Umbruch aktiv mitzugestalten, wenn in den Redaktionen<br />
auch betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und Managementfähigkeiten systematisch<br />
ausgebildet werden (vgl. Marr et al. 2001, S. 269). Die Frage bleibt offen, in welcher<br />
Weise und mit welchen Zielsetzungen die von der Geschäftsleitung eingesetzten<br />
Redaktionsmanager ihre aktive Mitgestaltung wahrnehmen (können). Die Ambivalenz<br />
des mit <strong>Medien</strong>- oder Redaktionsmanagement betriebenen Vorgehens sollte deutlicher<br />
gesehen und reflektiert werden.<br />
Die zunehmende Unterstellung des gesamten <strong>Medien</strong>systems unter eine wirtschaftliche<br />
Betrachtungsweise manifestiert sich am stärksten auf der Ebene der <strong>Medien</strong>organisation,<br />
konkret bei den journalistischen Produktionsverhältnissen und bei den verbreiteten<br />
publizistischen Inhalten: das strategische Handeln des <strong>Medien</strong>managements,<br />
wachsende Bedeutung der Werbefinanzierung, auf Gewinnmaximierung angelegtes Kostenmanagement<br />
(Kostenbewusstsein/Spardruck auch in der Redaktion, u. a. im Rahmen<br />
der Strategie der Kostenführerschaft), Contentproduktion gemäß betriebswirtschaftlichen<br />
Kriterien, redaktionelles Marketing zur Optimierung der Kundenorientierung<br />
(Schaffung und Befriedigung bestimmter Bedürfnisse bei ausgewählten Publika), Redaktionsmanagement<br />
zur Optimierung der redaktionellen Abläufe, verstärkter Einbe-<br />
Abb. 1: Ausgewählte Ursachen von Kommerzialisierungsprozessen<br />
in der Gesamtgesellschaft:<br />
• Informations-, Wissens- oder Netzwerkgesellschaft als Nährboden für den digitalen<br />
Netzwerkkapitalismus als neue Stufe des Kapitalismus: Wissen wird zur<br />
kommerziell wichtigsten Ressource.<br />
• Deregulierte, globale Markt- und Wirtschaftsordnungen.<br />
• Das Leitbild der nationalen Wirtschaftspolitik wandelt sich: Der Markt als dominantes<br />
Steuerungsinstrument.<br />
• Ökonomismus setzt sich in der Gesamtgesellschaft durch: Das Denken und<br />
Handeln gemäß ökonomischer Rationalität setzt sich auch außerhalb der Wirtschaft<br />
durch.<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie:<br />
• Profitstreben in den <strong>Medien</strong>unternehmen wächst (Shareholder Value).<br />
• Vielfältige Konvergenzprozesse: Wettbewerb wird härter, weil branchenfremde<br />
Händler gegen traditionelle Verleger antreten.<br />
• Vielfältige Konzentrationsprozesse: Größe macht größer.<br />
• Liberalisierung der <strong>Medien</strong>branche: Privatisierung von <strong>Medien</strong>branchen und<br />
-unternehmen.<br />
• Wachstumsstrategien: Die Digitalisierung von Text, Ton, Video, Musik und Daten<br />
schafft neue Märkte, Produkte und ausschließlich kommerziell ausgerichtete<br />
Plattformen.<br />
in den Unternehmen:<br />
• Der elektronische Handel stellt ein neues Business-Modell dar.<br />
152
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
zug von Publikums- und Werbeträgerforschung. Kurz: Die ökonomischen und betriebswirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen insgesamt scheinen immer stärker das journalistische<br />
Handeln von Redaktionen und einzelnen <strong>Medien</strong>schaffenden zu strukturieren.<br />
In einer Befragung von über 500 österreichischen Journalisten wird von drei Vierteln<br />
der Befragten das Überleben am Markt als vordringliches Ziel betrachtet, und über 40<br />
Prozent sagen aus, sie würden alles daran setzen, um unter Konkurrenzbedingungen<br />
„den <strong>Medien</strong>krieg zu gewinnen“ (Weber 2000, S. 142). Bei der Verfolgung wirtschaftlicher<br />
Zielsetzungen kommt es scheinbar zu regelmäßigen „Übergriffen“ auf die Redaktion:<br />
Immerhin zwei Drittel der Befragten berichten von unregelmäßig bis regelmäßig<br />
auftretenden Interessenkonflikten zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion im Berufsalltag<br />
(vgl. Weber 2000, S.149). Rückblickend stellen 83 Prozent der befragten Journalisten<br />
fest, dass der organisationsinterne, direkte oder indirekte Einfluss von Management<br />
und Marketing, von Anzeigen- und Werbeabteilung in den vergangenen fünf Jahren<br />
zugenommen hat.<br />
Auch von außerhalb besteht Abhängigkeit und Druck: 23 Prozent der befragten Journalisten<br />
berichten von einem starken bis sehr starken Einfluss der Werbewirtschaft auf<br />
die journalistische Arbeit (vgl. Weber 2000, S. 150). Wer Anzeigen schaltet, erhält in einzelnen<br />
<strong>Medien</strong>gattungen nicht nur den Zugang zu möglichst kaufkräftigen Zielgruppen,<br />
sondern auch zusätzlich redaktionellen Raum für PR-Veröffentlichungen, was eine Zunahme<br />
der nicht deklarierten PR-Strecken auf Kosten redaktioneller Leistungen zur<br />
Folge hat. Nur 10 Prozent der Befragten in dieser aktuellen Studie widersprechen einer<br />
solchen Praxis und sind der Meinung, dass der Journalismus insgesamt autonomer geworden<br />
sei (vgl. Weber 2000, S. 162). Auch die <strong>Medien</strong>schaffenden scheinen – allen berufsideologisch<br />
bedingten Verdrängungstendenzen <strong>zum</strong> Trotz – die zunehmende Entgrenzung<br />
von Redaktion, Marketing und Werbeabteilung wahrzunehmen.<br />
Befunde zur redaktionellen Struktur und zu den Arbeitsbedingungen beispielsweise<br />
beim privaten Hörfunk in Deutschland bestätigen den Trend: Altmeppen/Donges/Engels<br />
(1999) sprechen in ihrer Studie deshalb von einer „Transformation im Journalismus“.<br />
Es besteht die Gefahr, dass Leistungsanforderungen und Leistungsbewertungssysteme<br />
im Journalismus <strong>zum</strong> Tragen kommen, die in erster Linie wirtschaftliche und erst in<br />
zweiter Linie publizistische Ziele anvisieren. Gewinnmargen oder Auflagezahlen kursieren<br />
immer weniger nur ausschließlich in der Geschäftsleitung, sondern auch Chefredaktion/Ressortleitung<br />
werden in solche Zielsetzungen eingebunden. Auch die „Verarbeitung“<br />
von immer weiteren Daten zur Publikumsforschung bei der täglichen Redaktionsarbeit<br />
wird nur noch aktuell, aber nicht mehr prinzipiell problematisiert, sondern<br />
im Gegenteil als Ausdruck von Professionalität bewertet. 70 Prozent der <strong>Medien</strong>schaffenden<br />
in der Schweiz sind der Meinung, die Publikums- und Leserschaftsforschung<br />
würde für die redaktionelle Arbeit wichtige Informationen liefern. Dabei wäre zusätzlich<br />
zu berücksichtigen, dass die Leserschaftsforschung in erster Linie für die werbetreibende<br />
Wirtschaft und nicht für die Redaktion vorangetrieben wird, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
als Werbemedium, die Attraktivität für Anzeigenkunden zu dokumentieren<br />
(vgl. Marr et. al. 2001).<br />
In der jüngsten Journalistenbefragung in der Schweiz ist es für 21 Prozent aller <strong>Medien</strong>schaffenden<br />
wichtig, in der Rolle als Vermarkter ein nachgefragtes Produkt möglichst<br />
Gewinn bringend abzusetzen und für jeden siebten der fast 2000 befragten Journalisten<br />
ist es wichtig, in der Rolle als Zielgruppenverkäufer ein günstiges Werbeumfeld<br />
zu schaffen (vgl. Marr et. al. 2001, S. 124). Der Marketing- oder Werbeumfeldjournalismus<br />
scheint für jeden fünften <strong>Medien</strong>schaffenden ein anzustrebendes Ideal im Berufs-<br />
153
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Abb. 2: Formen und Folgen der Kommerzialisierung bei offline-<strong>Medien</strong><br />
Formen auf redaktioneller und<br />
individueller Ebene<br />
• strategisches Handeln des Unternehmens<br />
schlägt auf Redaktion<br />
durch<br />
• gewinnmaximierendes Kostenmanagement<br />
wirkt sich im redaktionellen<br />
Handeln aus<br />
• Redaktionsmanagement wird gepflegt<br />
• redaktionelles Marketing wird systematisch<br />
betrieben<br />
• unternehmerische Verantwortung<br />
wird auf allen Stufen in der Redaktion<br />
wahrgenommen<br />
• Marketing- und Werbeabteilung<br />
beeinflussen den redaktionellen Alltag<br />
• Zielgruppen-, Marketing- und Werbeumfeldjournalismus<br />
setzen sich<br />
redaktionsintern durch<br />
• PR- und Gefälligkeitsjournalismus<br />
werden gefordert und fallweise umgesetzt<br />
• Konzernjournalismus wird bei Bedarf<br />
geleistet<br />
• Kooperation bzw. Konflikte zwischen<br />
Redaktion und Geschäftsführung<br />
werden gepflegt und ausgetragen.<br />
Folgen für Journalismus, Öffentlichkeit,<br />
Demokratie und Gesellschaft<br />
• die Dominanz des Kostenwettbewerbs<br />
marginalisiert den publizistischen<br />
Qualitätswettbewerb<br />
• anstelle des innovativen Qualitätswettbewerbs<br />
dominiert der imitatorische<br />
Wettbewerb<br />
• die kulturelle und demokratiepolitische<br />
Bedeutung von <strong>Medien</strong> gerät<br />
bei der redaktionellen Alltagsarbeit<br />
in den Hintergrund<br />
• bezüglich publizistischer Zielsetzungen<br />
treten vermehrt redaktionelle<br />
Autonomie- und publizistische<br />
Qualitätsverluste auf<br />
• genereller und spezifischer Abbau<br />
von journalistischen Kernaufgaben<br />
zugunsten von integrierenden Marketingstrategien<br />
und -aktivitäten<br />
• Wandel der Kernkompetenzen: von<br />
der Recherche/Selektion zu Unterhaltung/Handel<br />
und Verkauf<br />
• vom Sachziel <strong>zum</strong> Formalziel: Information,<br />
Aufklärung und Vielfalt<br />
als meritorisches, gesellschaftlich<br />
wertvolles Gut wird dem Wirtschaftlichkeitsprinzip<br />
und dem Gewinnstreben<br />
systematisch untergeordnet.<br />
alltag zu sein, auch wenn die Interessen der anvisierten Zielgruppe womöglich viel<br />
schwieriger zu identifizieren und publizistisch zu berücksichtigen sind als diejenigen der<br />
werbetreibenden Wirtschaft (vgl. Heinrich 1996, S. 178).<br />
Es besteht die Gefahr, dass sich das Kerngeschäft der <strong>Medien</strong>industrie auf die systematische<br />
Vermarktung von Erlebnissen und Erfahrungen (entertainment- and experience-economy)<br />
konzentriert. Publizistische Produkte und Leistungen werden für bestimmte<br />
Interessen (Werbung, Sponsoring) und/oder für bestimmte soziale Gruppen<br />
produziert. Der Übergang von der Produktorientierung zur Marketingperspektive ist<br />
ein für die Publizistik folgenreicher Prozess. Rifkin (2000) weist auf diesen Wechsel hin,<br />
eine Veränderung, bei der elektronische Kommunikationsnetze als „Vertriebskanäle“<br />
wie auch die neuen Informationsbroker eine große Rolle spielen. Um im Online-Business<br />
Fuß fassen zu können, müssen die traditionellen Verlage allerdings ein neues Selbstverständnis<br />
finden. Es wird ihnen geraten, ihr bisheriges, primär journalistisch-kulturell<br />
154
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
Abb. 3: Ausgewählte Folgen der Kommerzialisierung vor dem Hintergrund von Online-<br />
Aktivitäten<br />
• Konvergenz von E-Commerce und Online-Publizistik, von Marketing und<br />
Publizistik, von Werbung / PR und Publizistik<br />
• Online-<strong>Medien</strong> messen ihre Erfolge und Erfolgsziele an denjenigen der neuen<br />
Ökonomie<br />
• Dienstleistungen und Produkte sind vorwiegend Plattformen für Werbung und<br />
elektronischen Handel<br />
• Wachsende Ansprüche mit der Zunahme und Komplexität der online angebotenen<br />
Dienstleistungen<br />
• Die Online-Welt führt vom Primat der Aufklärung <strong>zum</strong> Primat des Verkaufens<br />
• Verschiebung der Haupttätigkeit von der Recherche zur Selektion, von der Information<br />
zur Unterhaltung, von der Unterhaltung <strong>zum</strong> Erlebnis.<br />
beziehungsweise erzieherisch geprägtes Selbstverständnis im Online-Business zu revidieren<br />
und durch ein Dienstleistungsverständnis zu ersetzen, das eher dem Wesen eines<br />
Brokers von Informationen und Dienstleistungen entspricht.<br />
Dieses neue Geschäftsmodell, für E-Commerce-Lösungen propagiert, ist bspw. bereits<br />
im Multimediakonzern der Tribune Company (Chicago) umgesetzt. Das neuartige<br />
Betriebsmodell, das als Prototyp zu verstehen ist, kann als eine einzige „Informationsverarbeitungsmaschine“<br />
bezeichnet werden. Die multimedial ausgebildeten Journalisten<br />
kennen keinen Redaktionsschluss. Sie verfassen am Morgen einen Artikel zu einem<br />
bestimmten Thema für eine Konzern-Webseite, treten am Mittag mit einem<br />
aktualisierten Thema im konzerneigenen Newssender auf und stellen schließlich am<br />
Nachmittag den entsprechenden Hintergrundartikel für die Konzernzeitung vom kommenden<br />
Tag fertig (vgl. Baumann 2000).<br />
In den neuen Geschäftsmodellen werden die Grenzen zwischen Werbung und redaktionellen<br />
Inhalten durch den elektronischen Handel zunehmend fließend und redaktionelle<br />
Inhalte werden <strong>zum</strong> Marketinginstrument („Zusatznutzen“). Publizistische Inhalte<br />
sollen dem Verkaufszweck dienen. Auch das immer noch als anarchisch gepriesene<br />
Internet wandelt sich <strong>zum</strong> gezielten Marketing- und Verkaufsmedium (vgl. dazu den<br />
Beitrag von Trappel in diesem <strong>Heft</strong>).<br />
4. Kommerzialisierung – auch ein Ergebnis staatlicher Regulierungspolitik<br />
Zweifellos sind die mit Ökonomisierung oder Kommerzialisierung bezeichneten Phänomene<br />
auch das Ergebnis eines Wandels in der staatlichen <strong>Medien</strong>regulierung. Spätestens<br />
mit der Etablierung der so genannten „dualen Rundfunkordnung“ wurden ökonomische<br />
Zielsetzungen <strong>zum</strong> dominanteren Faktor in der gesamten <strong>Medien</strong>politik. Die<br />
Ergebnisse sind bekannt: Privater Rundfunk sollte, so das Versprechen maßgeblicher<br />
politischer Akteure in Deutschland, zur publizistischen Vielfalt beitragen und den<br />
publizistischen Wettbewerb fördern. Dass dieses Ziel erreicht sei, wird heute ernsthaft<br />
niemand behaupten. So zeigt die jüngst von den Landesmedienanstalten publizierte<br />
Programmstudie die Defizite im Bereich der politischen Kommunikation markant auf<br />
(vgl. Weiss/Trebbe 2000).<br />
Mit der Dualisierung der Rundfunkordnung wurde bewusst die Marginalisierung des<br />
155
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
öffentlichen Rundfunks betrieben und zugleich eine neue Wirtschaftsbranche etabliert,<br />
die durch die Lizenzierungspolitik zudem wettbewerbsfeindlich war und ist. Auch dieses<br />
Ergebnis ist bekannt: Die Konzentration ist im deutschen Privatfunk extrem, und<br />
das, obwohl der deutsche Markt aufgrund der Werbe- und Konsumentensituation weltweit<br />
als besonders leistungsstark bewertet wird. Zwei Unternehmen mit ihren „Senderfamilien“<br />
dominieren den Markt, und im Bereich der Rechte an AV-Material gibt es<br />
keinen nennenswerten Wettbewerb mehr. Der Gesetzgeber hat es bislang versäumt, den<br />
Landesmedienanstalten und der „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im<br />
<strong>Medien</strong>bereich“ (KEK) zur Schaffung marktwirtschaftlicher Bedingungen im Radiound<br />
Fernsehsektor die nötigen Instrumente in die Hand zu geben (vgl. dazu Stock 1997).<br />
Die jüngst von der KEK (2000) festgestellte „fortschreitende <strong>Medien</strong>konzentration“<br />
(Titel des Berichts) ist noch nicht an ihrem Endpunkt angelangt, und ein Paradigmenwechsel<br />
in der zuständigen (Landes-)Politik ist auch nicht aus<strong>zum</strong>achen. Politische Akteure<br />
haben damit Konzentrationsprozesse ermöglicht und im Rahmen ihrer so genannten<br />
„Standortpolitik“ auch systematisch gefördert. Damit wurden Ökonomisierungs-<br />
und Kommerzialisierungsprozesse ausgelöst (und von politischer Seite in Kauf<br />
genommen), die sich auf die gesamte Branche auszuwirken beginnen.<br />
Der Staat betätigt sich, das kann am deutschen wie auch dem britischen Beispiel gesehen<br />
werden, als „Wettbewerbsstaat“, indem er die örtlichen Kapitalverwertungsbedingungen<br />
optimiert und Standortvorteile schafft – und das mit nicht marktkonformen<br />
Mitteln wie Subventionen usf. Es sind vor allen die europäischen Wettbewerbsstaaten<br />
England und Deutschland, die in den vergangenen Jahren die wachsende <strong>Medien</strong>konzentration<br />
nicht etwa gestoppt, sondern durch regulatorische Maßnahmen sogar verstärkt<br />
haben, um die Position der eigenen „Global Players“ durch Größenvorteile in den<br />
sich konvergierenden Märkten zu verbessern. Und da auch die EU im Kern nur über<br />
wirtschafts- (und nicht kultur-)politische Instrumente verfügt, hat sie diesen Prozess gefördert<br />
und nur partiell (so im Fall einzelner beabsichtigter Unternehmenszusammenschlüsse)<br />
behindert. Es ist erkennbar, dass sich die staatliche Rolle mehr und mehr auf<br />
eine Rahmenregulierung beschränkt, mit der aber – ausgerichtet an einem vermeintlichen<br />
nationalstaatlichen oder europäischen Wohl – nicht eine Stärkung der publizistischen<br />
Funktion der <strong>Medien</strong> beabsichtigt ist. Zudem ziehen sich die meisten europäischen<br />
Staaten auch aus der Infrastrukturpolitik zurück, was vielfältige neue Probleme<br />
bspw. bei der Regelung des Zugangs zu Netzen oder zu Anbietern (digitale Plattformen)<br />
aufwirft. Die Delegation dieser Aufgaben an neu geschaffene Institutionen (wie Landesmedienanstalten)<br />
macht deutlich, dass der Staat damit an Gestaltungsmöglichkeiten<br />
einbüßt.<br />
Die neue Rolle des Wettbewerbsstaates oder des Regulierungsstaates geht also einher<br />
mit dem Wandel des Leitbildes in der Wirtschaftspolitik insgesamt. Wirtschaftlicher<br />
Wettbewerb wird auch in der <strong>Medien</strong>politik <strong>zum</strong> bevorzugten Instrument, sowohl auf<br />
nationaler als auch auf europäischer Ebene (vgl. Oreja 1998).<br />
In den vergangenen Jahrzehnten hat der Trend in allen westeuropäischen Gesellschaften<br />
in Richtung auf Ökonomisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche<br />
zugenommen. Ökonomisierung und Kommerzialisierung im <strong>Medien</strong>bereich sind<br />
höchst folgenreiche Prozesse, die nicht allein die <strong>Medien</strong>, ihre Organisationsweise, den<br />
Journalismus und die <strong>Medien</strong>inhalte betreffen. <strong>Medien</strong> sind, <strong>zum</strong>al in der „<strong>Medien</strong>gesellschaft“,<br />
für die gesamtgesellschaftliche Selbstverständigung von zentraler Bedeutung.<br />
Die gesellschaftlichen Akteure wie die Bürger im demokratischen Staat sind auf<br />
bestimmte Vermittlungsleistungen und –qualitäten angewiesen. Der offene, chancengleiche<br />
Zugang zu den <strong>Medien</strong> ist für demokratische Prozesse von konstitutiver Bedeu-<br />
156
Meier / Jarren · Einleitende Bemerkungen<br />
tung. Um nur ein Beispiel abschließend aufzugreifen: Allein im Bereich der politischen<br />
Kommunikation zeigen sich unter kommerziellen Bedingungen Risiken. Wenn Parteien<br />
und andere gesellschaftliche Gruppen gezwungen sind, <strong>Medien</strong>leistungen zu kaufen<br />
oder für Vermittlungsleistungen zu bezahlen (Paid Media), so wirkt das auf die Chancengleichheit<br />
im demokratischen Prozess zurück. Jüngste Erfahrungen aus den USA,<br />
aus Italien oder aus Großbritannien weisen auf das Problem der Finanzierung von<br />
Wahlkämpfen und in der Folge auf das Problem der Finanzierung von Parteien hin.<br />
Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen im gesellschaftlichen Vermittlungssystem<br />
bleiben nicht ohne Folgen für demokratische Prozesse.<br />
Literatur<br />
Adorno, Theodor W. (1963): Résumé über Kulturindustrie. In: Claus Pias et al. (Hrsg.) (1999):<br />
Kursbuch <strong>Medien</strong>kultur. Stuttgart, S. 202 – 208.<br />
Altmeppen, Klaus-Dieter (1996): Publizistische und ökonomische Aspekte von <strong>Medien</strong>märkten<br />
und Markthandeln. In: Klaus Dieter Altmeppen (Hrsg.): Ökonomie der <strong>Medien</strong> und des <strong>Medien</strong>systems.<br />
Grundlagen, Ergebnisse und Perspektiven medienökonomischer Forschung. Opladen,<br />
S. 251 – 272.<br />
Altmeppen, Klaus-Dieter (2000): Funktionale Autonomie und organisationale Abhängigkeit. In:<br />
Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Wiesbaden, S. 225 – 239.<br />
Altmeppen, Klaus-Dieter/Donges, Patrick/Engels, Kerstin (1999): Transformation im Journalismus.<br />
Berlin.<br />
Baumann, Marc (2000): Wenn das Marketing die süffige Story ausheckt. In: Die Weltwoche, Nr. 44<br />
vom 2. Nov. 2000, S. 34.<br />
Braczyk , Hans-Jürgen (1997): Organisation in industriesoziologischer Perspektive. In: Ortmann,<br />
Günther/Sydow, Jörg/Türk, Klaus (Hrsg.): Theorien der Organisation. Opladen, S. 530 – 575.<br />
Bruch, Michael (1997): Betriebliche Organisationsform und gesellschaftliche Regulation. In:<br />
Ortmann, Günther/Sydow, Jörg/Türk, Klaus (Hrsg.): Theorien der Organisation. Opladen,<br />
S. 181 – 210.<br />
Castells, Manuel (1996): The Rise of the Network Society. Padstow.<br />
Cuilenberg, Jan van (2000): Media Diversity in a Competitive European Media Market. Paper prepared<br />
for the European Science Foundation Program Changing Media Changing Europe, Il<br />
Ciocco, Italy, 24.- 27. August.<br />
Grabner, Michael (2000): (Eigen-)Werbung im redaktionellen Teil? Synergy at work? In: Ruß-<br />
Mohl, Stephan/Fengler, Susanne (Hrsg.): <strong>Medien</strong> auf der Bühne der <strong>Medien</strong>. Berlin, S. 160 –<br />
168.<br />
Grothe, Thorsten/Schulz, Wolfgang (1994): Steuerungsperspektiven auf das duale Rundfunksystem.<br />
In: Holgersson, Silke/Jarren, Otfried/Schatz, Heribert (Hrsg.): Dualer Rundfunk in<br />
Deutschland. Münster.<br />
Heinrich, Jürgen (1996): Qualitätswettbewerb und/oder Kostenwettbewerb im <strong>Medien</strong>sektor? In:<br />
Rundfunk und Fernsehen 44 (2), S. 165 – 184.<br />
Heinrich, Jürgen (1999): <strong>Medien</strong>ökonomie. Band 2: Hörfunk und Fernsehen. Opladen.<br />
Horkheimer, Max/Adorno, Theodor, W. (1969): Dialektik der Aufklärung. Frankfurt.<br />
Jarren, Otfried (2001): <strong>Medien</strong> als Organisationen – <strong>Medien</strong> als soziale Systeme. In: Jarren, Otfried/Bonfadelli,<br />
Heinz (Hrsg.): Einführung in die Publizistikwissenschaft. Bern/Stuttgart/<br />
Wien (im Druck).<br />
Karmasin, Matthias/Winter, Carsten (2000): Einleitung – Kontexte und Aufgabenfelder von <strong>Medien</strong>management.<br />
In: Matthias Karmasin/Carsten Winter (Hrsg.): Grundlagen des <strong>Medien</strong>managements.<br />
München, S. 15 – 39.<br />
KEK – Kommission zur Ermittlung der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich (2000): Fortschreitende<br />
<strong>Medien</strong>konzentration im Zeichen der Konvergenz. Berlin.<br />
Kiefer, Marie Luise (2001): <strong>Medien</strong>ökonomik. Einführung in die ökonomische Theorie der <strong>Medien</strong>.<br />
München/Wien.<br />
157
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Marr, Mirko/Wyss, Vinzenz/Blum, Roger/Bonfadelli, Heinz (2001): Journalisten in der Schweiz.<br />
Eigenschaften, Einstellungen, Einflüsse. Konstanz.<br />
McQuail, Denis (1992) Media Performance. Mass Communication and the Public Interest. London.<br />
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Weiss, Hans-Jürgen/Trebbe, Joachim (2000): Fernsehen in Deutschland 1998–1999. Berlin.<br />
158
Ökonomisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher<br />
Perspektive<br />
Jürgen Heinrich<br />
Ökonomisierung wird aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive als Zunahme monetärer<br />
und egoistischer Elemente in der Nutzenfunktion der Wirtschaftssubjekte interpretiert.<br />
Die Ursache der Ökonomisierung ist der Wandel des Leitbildes der Wirtschaftspolitik<br />
und der <strong>Medien</strong>politik sowie der zunehmende Wettbewerb. Die Ökonomisierung<br />
ist auf der Ebene des Individuums, der Unternehmung, des Marktes und der<br />
Politik beobachtbar. Wesentliche Folge ist die Zunahme der allokativen und der produktiven<br />
Effizienz der <strong>Medien</strong>industrie.<br />
Ökonomisierung wird von denjenigen beklagt, die schwindendes Einkommen und<br />
schwindenden Einfluss fürchten, und sie wird von denjenigen gefordert, die sich davon<br />
eine Verbesserung ihrer Situation versprechen. Im Folgenden wird das Konzept der<br />
Ökonomisierung im Abschnitt 1 beschrieben, in Abschnitt 2 werden die Ursachen der<br />
Ökonomisierung herausgestellt und in Abschnitt 3 werden die Ebenen und Instrumente<br />
der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie analysiert. Eine sehr kurze Spekulation<br />
über weiter gehende Folgen der Ökonomisierung bietet abschließend der Abschnitt 4.<br />
1. Zum Konzept der Ökonomisierung<br />
Vorab sei betont, dass Ökonomisierung als ein Prozess verstanden werden sollte, als ein<br />
Prozess der Zunahme der Bedeutung des „Ökonomischen“ im Verhalten der Individuen;<br />
grundlegend ökonomisch geprägt ist das Verhalten der Menschen spätestens seit<br />
der Einführung der Tausch- und der Geldwirtschaft schon immer gewesen. Grundlegende<br />
Denkmuster der Ökonomie sind<br />
• die Annahme eines rationalen Handelns der Individuen, konkretisiert in der „ökonomischen<br />
Ethik“ der Kosten-Nutzen-Analyse (Boulding 1973, S. 117) und<br />
• die Akzeptanz des Wettbewerbs als grundsätzlich optimales Verfahren zur Maximierung<br />
der individuellen Wohlfahrt.<br />
Beide Denkmuster sollten das Konzept der Ökonomisierung fundieren, obwohl sie logisch<br />
unterschiedlichen Ebenen zuzuordnen sind: Als Ökonomisierung bezeichne ich<br />
die Zunahme monetärer und egoistischer Elemente in der Nutzenfunktion der Wirtschaftssubjekte<br />
und eine zunehmend striktere Anwendung des Nutzenmaximierungspostulats.<br />
Beides wird durch die Zunahme des Wettbewerbs induziert. Einen Unterschied<br />
<strong>zum</strong> Konzept der Kommerzialisierung zu machen, wie es bisweilen gehandhabt<br />
wird, erscheint mir nicht sinnvoll. Kommerz/Kommerzialisierung scheint mir die bisweilen<br />
abwertend gemeinte Bezeichnung für Ökonomisierung zu sein, meist im Gegensatz<br />
zu Kultur (vgl. z. B. Kunczik 1992 oder Schmitz/Tompert 1995). Eine solche<br />
Wertung ist möglich, trägt indes nicht zu einer Klärung des Konzeptes bei.<br />
Differenziert man nach den Ebenen der Ökonomisierung, so wird das Konzept deutlicher<br />
und operationaler. Die Ökonomisierung manifestiert sich vor allem auf der Ebene<br />
des Individuums, der Unternehmung, des Marktes und der Politik. Auf der Ebene<br />
des Individuums gewinnen im Prozess der Ökonomisierung monetäre und egoistische<br />
Elemente, wie z. B. monetäres Einkommen und persönliche Annehmlichkeit, an Gewicht<br />
gegenüber nichtmonetären und altruistischen Elementen, wie z. B. die Befriedi-<br />
159
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
gung durch die Erfüllung intrinsischer Motivationen <strong>zum</strong> gedachten Wohle der Allgemeinheit<br />
(zur schwierigen Unterscheidung zwischen altruistischem und egoistischem<br />
Verhalten vgl. Kirchgässner 1996, S. 226 ff.). Auf der Ebene der Unternehmung manifestiert<br />
sich die Ökonomisierung in dem Bestreben, die Gewinne durch eine immer billigere<br />
und/oder besser auf die Präferenzen der Konsumenten abgestellte Produktion zu<br />
steigern. Auf der Ebene des Marktes manifestiert sich die Ökonomisierung vor allem in<br />
einer Zunahme des Wettbewerbs und auf der Ebene der Politik in einer zunehmenden<br />
Akzeptanz des Wettbewerbs als Problemlösungsverfahren (vgl. auch Meckel 1999,<br />
S. 129 ff.).<br />
Als Merkmale der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie können mithin folgende<br />
Verschiebungen angesehen werden, die stets als graduelle Veränderungen interpretiert<br />
werden sollten:<br />
• Ein Ersatz der publizistischen Ziele von Aufklärung, Kritik und Kontrolle durch<br />
marktorientierte Ziele,<br />
• eine zunehmende Berücksichtigung von Rezipientenpräferenzen („Umdefinition des<br />
Bürgers <strong>zum</strong> Konsumenten“, Hoffmann-Riem, 1988, S. 59),<br />
• ein Abbau der Quersubventionierung reichweitenschwacher <strong>Medien</strong>angebote,<br />
• eine Annäherung an Kostenpreise (insbesondere durch Pay-Rundfunk),<br />
• eine Annäherung an Gewinnmaßstäbe und ein Ersatz der nichtgewinnorientierten<br />
Erfolgsmaßstäbe durch den Shareholder-Value und<br />
• eine Annäherung an die Zurechnung von Handlungsfolgen vor allem durch die Privatisierung<br />
öffentlicher Institutionen und durch zunehmend exakter werdende<br />
Reichweitenmessungen.<br />
Demgegenüber haben weniger ökonomische Verfahren, wie z. B. die Gebührenfinanzierung<br />
des Rundfunks, eine mehr oder weniger begrenzte Autonomie, die Kosten der<br />
Produktion und/oder die Präferenzen der Rezipienten zu missachten. Sie können andere<br />
Ziele verfolgen, wie z. B. das Gemeinwohl, oder die Ziele umfassend verstandener<br />
Stakeholder, und/oder sie unterliegen als öffentliche Unternehmen nicht den strengen<br />
Regeln des Insolvenzrechts, müssen also nicht alle Handlungsfolgen tragen.<br />
2. Ursachen der Ökonomisierung<br />
Ursache der Ökonomisierung ist vor allem der Wandel des Leitbilds der Wirtschaftspolitik:<br />
Die Abkehr vom konstruktivistischen Rationalismus, der darauf gesetzt hatte,<br />
dass eine rationale politische Steuerung von Marktprozessen notwendig und möglich<br />
sei, und die Hinwendung <strong>zum</strong> offenen Wettbewerb als Entdeckungsverfahren. Dies<br />
Leitbild des offenen Wettbewerbs, der klassischen Wettbewerbsfreiheit, setzt vor allem<br />
und je nach Ausprägung auch ausschließlich auf die Freiheit, Wettbewerb zu veranstalten,<br />
konkret also auf die Freiheit des Marktzutritts. Wichtig ist es in dieser Sicht, Marktzutrittsschranken<br />
abzubauen; die resultierende Marktstruktur ist dann von allenfalls geringer<br />
Bedeutung. Konzentration von Marktmacht ist per se bedeutungslos, sie wird kritisch<br />
nur dann beurteilt, wenn sie eine substanzielle Marktzutrittsschranke darstellt. Exakt<br />
in diesen Kontext ist die neu in das deutsche Kartellrecht aufgenommene „Essential<br />
Facilities Doctrine“ einzuordnen. Als Behinderungsmissbrauch gilt die Weigerung, „einem<br />
anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen<br />
oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen<br />
aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich<br />
ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden<br />
Unternehmens tätig zu werden“ (§19, Abs. 4, Punkt 4 KartellG). Diese Dok-<br />
160
Heinrich · Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive<br />
trin ist sehr wirkungsvoll, um den Marktzutritt von Konkurrenten zu erleichtern, eine<br />
bestehende Verflechtung wird eher ignoriert.<br />
Warum sich das Leitbild der Wirtschaftspolitik gewandelt hat, ist nicht leicht zu<br />
klären. Es ist zu vermuten, dass der geringe Charme der Marktalternativen, also ihre hohen<br />
Kosten und ihre geringe Effizienz, den Wandel des Leitbilds der Wirtschaftspolitik<br />
induziert hat.<br />
Ursache der Ökonomisierung ist <strong>zum</strong> anderen die spezifische Ausprägung des technischen<br />
Fortschritts: die Abnahme der Distanzüberwindungskosten relativ zu den Produktionskosten<br />
und die Digitalisierung der Informationen. Die Abnahme der Distanzüberwindungskosten<br />
führt zu einer Ausdehnung der Märkte bis hin zu einer Globalisierung<br />
von Märkten. Diese Ausdehnung der Märkte verstärkt den Wettbewerb, sie<br />
wirkt wie ein Marktzutritt neuer Wettbewerber. Vor wenigen Jahren war die Deutsche<br />
Bundespost der einzige Anbieter auf dem Markt für Telekommunikation, jetzt konkurrieren<br />
mindestens fünf Anbieter und weitere Marktzutritte sind unschwer möglich. Die<br />
Digitalisierung verstärkt den Wettbewerb noch einmal, weil – etwa durch B 2 B und<br />
B2C – die Markttransparenz erhöht, die Märkte vergrößert und die Macht der Nachfrager<br />
gestärkt werden.<br />
Für die <strong>Medien</strong>industrie ist die Globalisierung indes weniger relevant als für die industrielle<br />
Produktion insgesamt. <strong>Medien</strong>märkte bleiben räumlich stark begrenzte Märkte<br />
und alle Globalisierungsversuche müssen die Präferenzen für räumlich segmentierte<br />
Informationen überwinden. Das Handelsblatt und offenbar auch die Financial Times<br />
müssen in Deutschland produziert werden, um in Deutschland gelesen zu werden, und<br />
dabei ist die Wirtschaft noch der Bereich, der am leichtesten globalisierbar wäre. Die Digitalisierung<br />
allerdings revolutioniert gerade die <strong>Medien</strong>industrie:<br />
• Es ist ihr Rohstoff, mit dem neue Wertschöpfungsprozesse gefüllt werden und der<br />
zur Branchenkonvergenz führt;<br />
• es ist ein neuer Bereich der Wirtschaft entstanden, der von den alten Regulierungsstrukturen<br />
gar nicht tangiert werden konnte und kann und in dem neue Wettbewerbskräfte<br />
freigesetzt worden sind.<br />
Dennoch kann als Ursache der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie vor allem der<br />
Wandel des Leitbilds der Wirtschaftspolitik und nachfolgend der <strong>Medien</strong>politik vermutet<br />
werden. Einer rationalen <strong>Medien</strong>politik muss bewusst werden, dass eine Abweichung<br />
vom Markt bzw. vom Wettbewerbsmodell deswegen nicht durchzuhalten<br />
ist, weil weiteste Teile der <strong>Medien</strong>produktion sich nicht durch ihre Produktion, sondern<br />
erst durch ihre Rezeption legitimieren und weil es Normadressaten für die Rezeption<br />
gesellschaftlich erwünschter <strong>Medien</strong>produktion nicht gibt – allenfalls in der<br />
Schule oder im Gefängnis. Es reicht eben nicht, das Angebot des meritorischen Gutes<br />
„Integrationsrundfunk“ und anderer gesellschaftlich erwünschter <strong>Medien</strong>angebote zu<br />
subventionieren – so wie es vielleicht bei Schulmilch gehandhabt werden kann – um<br />
die Rezeption zu fördern, aber andere Mittel zur Beeinflussung stehen nicht zur Verfügung.<br />
3. Ebenen der Ökonomisierung<br />
Die Ökonomisierung manifestiert sich auf der Ebene des Individuums, der Unternehmung,<br />
des Marktes und der Politik. Diese Trennung erfolgt vor allem aus analytischen<br />
Gründen, in der faktischen Produktion der <strong>Medien</strong>industrien verwischen sich diese<br />
Ebenen. Die Veränderungen in diesen Ebenen werden im Folgenden beschrieben, dabei<br />
liegt der Schwerpunkt auf der Ebene der Unternehmung.<br />
161
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Auf der Ebene des Individuums manifestiert sich die Ökonomisierung in einer immer<br />
strikteren Anwendung der persönlichen Kosten-Nutzen-Analyse und einem entsprechenden<br />
Rückgang von Handlungsweisen, die einer von Boulding so genannten „heroischen<br />
Ethik“ folgen. Boulding unterscheidet drei Hauptformen der heroischen Ethik:<br />
Die militärische Ethik „Frag nicht warum, tu deine Pflicht und stirb“, die religiöse Ethik<br />
„Geben und nicht nach den Kosten fragen, arbeiten und nicht nach der Belohnung verlangen“<br />
als Gebet des Heiligen Franziskus und die sportliche Ethik, die im Grunde mit<br />
der ökonomischen Ethik der Kosten-Nutzen-Analyse nicht in Einklang zu bringen sind<br />
(Boulding 1973, S. 118 ff.). Und auch die alte journalistische Ethik, die etwa durch die<br />
gewissenhafte Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Journalismus (vgl. Branahl 1981)<br />
beschrieben werden kann, entzieht sich der ökonomischen Ethik der strikten Kosten-<br />
Nutzen-Analyse und wird durch andere Berufsnormen ersetzt, die eher einem egoistischen<br />
Nutzenmaximierungskalkül entsprechen. Über diesen Wandel der Berufsauffassung<br />
liegen Studien vor, die genau diese Form individueller Ökonomisierung bei Journalisten<br />
belegen (z. B. Bridges 1991, Weischenberg 1995, S. 330 ff. oder Blöbaum 2000).<br />
Dabei kann in neoklassischer ökonomischer Denktradition (vgl. insbesondere Becker<br />
1993) diese beobachtbare Verhaltensänderung von Journalisten sehr gut – bei Konstanz<br />
der Präferenzstrukturen von Journalisten – mit einer Veränderung von Kosten bzw.<br />
Preisen der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe gegenüber den Kosten bzw. Preisen eines<br />
mehr an Unterhaltung und privatem Nutzwert orientierten Journalismus erklärt<br />
werden: Die Kosten eines Aufklärungsjournalismus steigen relativ, während seine Bezahlung<br />
relativ abnimmt, und für den Unterhaltungs-/Nutzwertjournalismus ist es umgekehrt.<br />
Auf der Ebene der Unternehmung manifestiert sich die Ökonomisierung am deutlichsten.<br />
Hier wird die Ökonomisierung geplant, organisiert und umgesetzt. Movens ist<br />
die immer striktere Anwendung der Kosten-Nutzen-Analyse in der unternehmensspezifischen<br />
Form des Ziels der Gewinnmaximierung oder, wie heute präzisiert wird, in<br />
Form der Maximierung des Shareholder-Values, des Gewinns für die Anteilseigner (vgl.<br />
Matthes 2000). Erzwungen durch die Anlagestrategien der großen Vermögensfonds und<br />
durch die zunehmende Kontrolle der Unternehmung durch Finanz-Analysten spielen<br />
andere Ziele keine Rolle mehr, oder, genauer gesagt, werden dem Shareholder-Value untergeordnet.<br />
Auch die Ansprüche der heute oft genannten Stakeholder, denen früher eine eigenständige<br />
Rolle zuerkannt worden ist, wurden mit der zunehmenden Ökonomisierung<br />
dem Shareholder-Value untergeordnet. Als Stakeholder einer Unternehmung bezeichnet<br />
man jene Gruppen der Gesellschaft, die die Unternehmung beeinflussen und/oder<br />
von ihr beeinflusst werden, also z. B. Kunden, Lieferanten Arbeitnehmer, Kreditgeber<br />
oder der Staat als Subventionszahler und Steuerempfänger. Und es ist durchaus wichtig<br />
für eine Unternehmung, die Beziehungen zu diesen Gruppen befriedigend zu gestalten,<br />
wenn die Unternehmung langfristig auf dem Markt bestehen will (vgl. Zentes 1998,<br />
S. 333). Aber diese Ansprüche werden zunehmend nur soweit berücksichtigt, wie sie der<br />
Maximierung des Shareholder-Values zuträglich sind.<br />
Im Rahmen der Gewinnmaximierung bzw. der Maximierung des Shareholder-Values<br />
lassen sich zwei Bereiche recht gut unterscheiden, die im Prozess der Ökonomisierung<br />
der Unternehmung die entscheidende Rolle spielen:<br />
Zum einen wachsen die Anstrengungen der Unternehmen, die so genannte allokative<br />
Effizienz zu steigern, also durch Produktinnovationen die Produktqualität immer mehr<br />
den Konsumentenpräferenzen anzupassen und/oder durch Werbung die Konsumentenpräferenzen<br />
zu beeinflussen. Dieser Komplex kann dem betrieblichen Funktions-<br />
162
Heinrich · Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive<br />
segment des Marketings zugeordnet werden und kann auch als Qualitätswettbewerb bezeichnet<br />
werden (Heinrich 1996, S. 165).<br />
Zum anderen wachsen die Anstrengungen der Unternehmen, die so genannte produktive<br />
Effizienz zu steigern, also durch Prozessinnovationen einschließlich betrieblicher<br />
Reorganisationen eine effizientere Produktionsweise zu erreichen. Dieser Komplex<br />
kann dem betrieblichen Funktionssegment des Managements zugeordnet werden und<br />
kann auch als Kostenwettbewerb bezeichnet werden (Heinrich 1996, S. 166).<br />
Wird die allokative Effizienz gesteigert, wird stets genauer das produziert, was die<br />
Rezipienten verlangen. Die Rezipienten verlangen einen Informationsnutzen und/oder<br />
einen Animationsnutzen, einen Unterhaltungswert. Es resultiert dann ein Unterhaltungs-<br />
und ein Gebrauchswertjournalismus zu Lasten von Aufklärung und Investigation.<br />
Weischenberg spricht hier von Marketingjounalismus (Weischenberg 1995,<br />
S. 334 ff.). „RTL 2“ und „Focus“ mögen als Beispiele genügen.<br />
Die werbungtreibende Wirtschaft, der zweite und wichtigere Kunde der <strong>Medien</strong>unternehmen,<br />
verlangt ebenfalls einen Nutzen, eine Verbreitungs- und Wirkungswahrscheinlichkeit<br />
von Werbebotschaften: nämlich eine Reichweite, einen Zielgruppenbezug<br />
und ein wirksames Werbeumfeld. Dies ist nicht nur negativ zu werten. Billiger Sex,<br />
Ekel-TV und sehr blutige Gewalt eignen sich nicht als Werbeumfeld, und die Glaubwürdigkeit<br />
des Mediums wird sowohl von der werbungtreibenden Wirtschaft als auch<br />
von den Rezipienten geschätzt. Prinzipiell ist die Orientierung der <strong>Medien</strong>produktion<br />
auf die Werbung indes doch problematisch, weil Umfang und Zielgruppen der Berichterstattung<br />
werblich definiert werden und nicht nach den Präferenzen des Publikums. Es<br />
resultiert ein Werbeumfeldjournalismus, sowohl in bestehenden <strong>Medien</strong> als auch in der<br />
Konzeption neuer <strong>Medien</strong>angebote, insbesondere bei Zeitschriften und bei Spartenprogrammen.<br />
In einem solchen Ökonomisierungsprozess, der auf eine genauere Berücksichtigung<br />
von Rezipientenpräferenzen setzt, schwinden naturgemäß reichweitenschwache Programme<br />
und auch Inhalte, die Rezipientenpräferenzen missachten. Als Beispiel sei die<br />
Entwicklung der „Welt“ aus dem Axel Springer Verlag gewählt, auch, um deutlich zu<br />
machen, dass eine Ökonomisierung nicht per se negativ gewertet werden kann. Die<br />
„Welt“ war (auch) Verbreitungsmedium der konservativen Grundhaltung des Verlegers<br />
Axel Springer, der die Produktion der „Welt“ erheblich mit den Erlösen aus rezipientenfreundlicheren<br />
Blättern subventionierte. Mittlerweile ist die „Welt“ liberaler und<br />
auch erfolgreicher, also ökonomischer geworden, und die zunehmende Liberalität wird<br />
gemeinhin positiv beurteilt.<br />
Wird die produktive Effizienz gesteigert, so wird versucht, billiger zu produzieren.<br />
Insbesondere folgende Maßnahmen sind geeignet, Kosten der <strong>Medien</strong>produktion zu<br />
senken:<br />
• Die Einführung von Kontrollsystemen, etwa die Einführung einer Prozesskostenrechnung,<br />
einer Deckungsbeitragsrechnung oder von Profitcentern, erhöht die Wirtschaftlichkeit<br />
der <strong>Medien</strong>produktion. Jede Maßnahme wird daraufhin zu überprüfen<br />
sein, ob ihr Gren<strong>zum</strong>satz ihre Grenzkosten übersteigt, ob also als Differenz ein Grenzgewinn,<br />
ein zusätzlicher Gewinn erzielt werden kann. Ein solcher Grenzgewinnjournalismus<br />
hat eine Tendenz <strong>zum</strong> Billigjournalismus, weil die Grenzkosten im Regelfall<br />
recht genau kalkuliert werden können; der Gren<strong>zum</strong>satz ex ante hingegen nicht.<br />
• Die Ausgliederung der Produktion in den Markt, das so genannte Outsourcing, spart<br />
Kosten, weil der Markt im Prinzip billiger produziert als die eigene Unternehmung.<br />
Dies führt zu einem Kaufjournalismus, dessen Qualität kaum noch kontrolliert werden<br />
kann und der die publizistische Vielfalt verringert.<br />
163
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
• Der Aufbau von Verwertungsketten im Rahmen eines gut kalkulierten Content Managements<br />
erlaubt die Kosten sparende bzw. einnahmesteigernde Mehrfachverwertung<br />
von Informationsinhalten, die sich in der Rezeption ja nicht verbrauchen. Man<br />
spricht von der Nichtrivalität im Konsum und in der <strong>Medien</strong>industrie von Mehrfachverwertung,<br />
und nachfolgend von Kaskadenjournalismus, eine stete Verbreiterung<br />
und Verflachung gleicher Inhalte (vgl. Heinrich 1999, S. 45).<br />
Die Ökonomisierung auf Unternehmensebene kann ansatzweise empirisch erfasst werden.<br />
Das Endergebnis der Steigerung von allokativer und produktiver Effizienz sollte<br />
eine Steigerung der Profitrate von <strong>Medien</strong>unternehmen sein. Einige deutsche Fernsehveranstalter<br />
verzeichnen mittlerweile jedenfalls beachtliche und steigende Umsatzrenditen.<br />
RTL erzielte 1999 eine Umsatzrendite vor Steuern von 16,7% nach 7,9%, 9,3%,<br />
10,3% und 13,7% in den Jahren 1995 bis 1998. Oder die ProSieben-Gruppe erzielte 1999<br />
eine Umsatzrendite vor Steuern von 16% nach 8%, 11%, 14% und 16% in den gleichen<br />
Vorjahren (Veranstalterangaben von RTL und ProSieben). Allerdings muss beachtet<br />
werden, und methodisch wäre dies schwer zu separieren, dass die Zunahme des Wettbewerbs,<br />
die effizienzsteigernde Maßnahmen erzwingt, langfristig zu einer Nivellierung<br />
der Profitrate führen sollte.<br />
Auf den Vorstufen könnte möglicherweise der Input des Marketing- und Managementaufwands<br />
und ihr jeweiliger Output mit Hilfe geeigneter Indikatoren erfasst werden.<br />
So könnte der Input des Marketingaufwands von <strong>Medien</strong>unternehmen durch den<br />
jeweiligen Anteil der Beschäftigten im Längsschnitt und im Querschnitt ermittelt werden.<br />
Nach den Erhebungen des DIW liegt z. B. der Beschäftigungsanteil für das Marketing<br />
im privaten Rundfunk bei 11 bis 17 Prozent der Beschäftigten und zwar mit steigender<br />
Tendenz (DLM 1997, S. 70 ff.; DLM 2000, S. 59), wohingegen dieser Anteil beim<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk praktisch bei Null Prozent liegt (DLM 2000, S. 83 f.).<br />
Oder der Output zunehmender Marketinganstrengungen könnte durch die Veränderung<br />
der Zahl der Titel von Zeitschriften, die Zunahme der Zahl der Programme, der<br />
Formate und auch der <strong>Medien</strong> selbst, etwa der Online-<strong>Medien</strong>, erfasst werden. Um nur<br />
eine Zahl zu nennen: Allein im März 1998 starteten 38 neue Programmformate im Fernsehen,<br />
z. B. „Brigitte TV“ in der ARD oder „Warm up“ bei DSF (Media Facts 3/1998,<br />
S. 13). Auch die Gestalt und die Inhalte von <strong>Medien</strong>produktionen ändern sich und dies<br />
könnte ansatzweise durch Programmanalysen erfasst werden (vgl. z. B. Krüger 2000<br />
und Weiß 1999).<br />
Der Markt ist die Ebene, die die Ökonomisierung vorantreibt und erzwingt, weil sich<br />
im Wettbewerb diejenigen Unternehmen durchsetzen, die die Ökonomisierung am<br />
schnellsten und umfassendsten umsetzen – bei „Strafe des Untergangs“ (Marx). Im<br />
Markt manifestiert sich die Ökonomisierung vor allem in folgenden Bereichen: In der<br />
Zunahme der Konzentration, die in der rasch expandierenden <strong>Medien</strong>industrie statistisch<br />
noch nicht recht zu erfassen ist, die aber in der Fülle von Unternehmensverbindungen<br />
sichtbar wird (jüngstes Beispiel ist der Zusammenschluss von ProSieben und<br />
SAT.1 und das letztlich resultierende Kirch-Bertelsmann-Duopol). Zahl und Volumen<br />
der M & A-Transaktionen in der <strong>Medien</strong>industrie scheinen kontinuierlich anzusteigen,<br />
so ist die Zahl der M & A-Transaktionen in Europa von 1999 auf 2000 um 164,5 Prozent<br />
gestiegen und das Volumen um 3,5 Prozent (Andersen 2000). In diesen Konzentrationsprozessen<br />
werden <strong>zum</strong> einen Synergieeffekte der Produktion und <strong>zum</strong> anderen<br />
Synergieeffekte der Vermarktung angestrebt und <strong>zum</strong> Teil auch realisiert. Konzernjournalismus<br />
ist die Folge.<br />
Deutlich sichtbar wird im Markt daneben eine Zunahme der Vermarktungsebenen<br />
bzw. der Wertschöpfungsstufen und -ebenen. Zu nennen sind zurzeit die Ausweitung<br />
164
Heinrich · Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive<br />
der Werbung in die nicht-klassische Werbung „below the line“, also Sponsoring, Bartering,<br />
Product Placement, Infomercials, Storymercials, Splitscreen, virtuelle Werbung<br />
usw., sowie eine Zunahme des Merchandising, eine Zunahme der Mehrfachverwertung<br />
und der Versuch, Informationen nach ihrem Wert gestaffelt zu verkaufen.<br />
Auf der Ebene der Politik zeigt sich die Ökonomisierung ganz allgemein in einer sehr<br />
umfangreichen Deregulierung vor allem der Telekommunikation und der Versorgungsunternehmen.<br />
Diese Deregulierung erstreckt sich auch auf die <strong>Medien</strong>industrie, einerseits,<br />
insofern sie Teil des Telekommunikationssektors ist, und andererseits insofern, als<br />
die Regelungen des <strong>Medien</strong>rechts durch die Regelungen des Wirtschaftsrechts insbesondere<br />
des Kartellrechts langsam ersetzt werden bzw. ersetzt werden sollen (vgl. z. B.<br />
Kommunikationsordnung 2000 und Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim<br />
BMWi).<br />
4. Folgen der Ökonomisierung<br />
Folgen der Ökonomisierung sind zunächst einmal die Folgen zunehmenden Wettbewerbs.<br />
Diese sind mit der Zunahme von allokativer und produktiver Effizienz, mit der<br />
Zunahme von Konzentration und Wertschöpfungsebenen und mit dem Wandel der <strong>Medien</strong>politik<br />
zur Wirtschaftspolitik beschrieben worden. Auf der Ebene journalistischen<br />
Handelns ergibt sich ein Trend zu einem Unterhaltungs-, Nutzwert-, Werbeumfeld-,<br />
Grenzgewinn-, Kauf-, Konzern- und Kaskadenjournalismus, wobei fraglich ist, ob so<br />
gekennzeichnete <strong>Medien</strong>produktionen generell noch als journalistische Produktionen<br />
bezeichnet werden sollten. Über weiter gehende Folgen der Ökonomisierung zu spekulieren,<br />
bleibt anderen Disziplinen vorbehalten. Zu vermuten ist, dass damit auch dem<br />
Konzept und der Funktionsweise von Öffentlichkeit eine andere Bedeutung zukommt<br />
(vgl. Imhoff/Jarren/Blum 2000) oder dass die Massenmedien ihre soziale Bildungs- und<br />
Integrationsfunktion verändert erfüllen.<br />
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166
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus<br />
systemtheoretischer Perspektive<br />
Gabriele Siegert<br />
Aus systemtheoretischer Sicht basiert eine Analyse der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> auf<br />
den Systemrationalitäten „Publizität“ und „Geld“. Unter Rückgriff auf die Unterscheidung<br />
zwischen operativer Selbst- und Kontextsteuerung kann eine Ökonomisierung mit<br />
der besonderen Eignung von Geld als Medium der Kontextsteuerung erklärt werden.<br />
Auf der Ebene der <strong>Medien</strong>organisationen lässt sich durch die Verbindung mit der Theorie<br />
rationalen Handelns die Durchsetzungskraft der beiden Rationalitäten diskutieren.<br />
Interaktionen und Konvertierungsprozesse zwischen den beiden Systemen belegen nicht<br />
nur deren intensive Beziehungen zueinander, sondern sind auch Grundlage für Interpenetration.<br />
Interpenetrationszonen sind jene Bereiche, in denen die wechselseitige Anpassung<br />
an die je andere Operationslogik offensichtlich wird. Sie finden sich auf der Inhalteebene<br />
mit PR und Werbung, in der Funktionslogik der Online-Ökonomie und in der immensen<br />
Entwicklung der Organisations- und Unternehmenskommunikation. Daher<br />
lässt sich sowohl eine Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> als auch eine Mediatisierung der Ökonomie<br />
feststellen.<br />
Die Systemtheorie spielt in medienökonomischen Debatten bislang eine eher untergeordnete<br />
Rolle. Sie kann jedoch an die anderen medienökonomischen Theorie-Perspektiven<br />
sowohl auf der gesellschaftlichen Makroebene als auch auf der organisatorischen<br />
Mikroebene wichtige Anknüpfungspunkte aufweisen, an Theorien der <strong>Medien</strong>organisation/-unternehmung<br />
über die Organisationssoziologie und -kommunikation, an die<br />
neoklassische Perspektive, denn der von Adam Smith als „invisible hand“ bezeichnete<br />
Marktmechanismus zielt auf eine systemische Logik, und sogar an den historischen Materialismus,<br />
denn systemtheoretische Konzeptionen fokussieren auf emergente Eigenschaften<br />
von Systemen und analysieren abstrakte Phänomene, wie z. B. den Markt oder<br />
das Kapital (vgl. auch Willke, 1996: 191ff).<br />
Um aufzuzeigen, welchen Beitrag die Systemtheorie zur Ökonomisierungsdebatte<br />
leisten kann, müssen Funktion, Leistung und Logik der Systeme <strong>Medien</strong> und Ökonomie<br />
geklärt und die potenziellen, wechselseitigen Beziehungen zwischen den Systemen<br />
diskutiert werden. Zugleich sind die Möglichkeiten einer Überlagerung der beiden Rationalitäten<br />
und der Vorherrschaft der ökonomischen Systemlogik theoretisch zu erörtern.<br />
Ein systemtheoretisch orientierter, empirischer Nachweis der Ökonomisierung<br />
der <strong>Medien</strong> kann an dieser Stelle nicht erbracht werden. Die verwendeten Beispiele sind<br />
deshalb als argumentative Illustrationen gedacht. 1 167<br />
1 Die empirische Umsetzung systemtheoretischer Konzeptionen ist von vielen Schwierigkeiten<br />
gekennzeichnet. Gleichwohl belegt dies nicht nur die vielkritisierte „Empiriefeindlichkeit“ der<br />
Systemtheorie, sondern auch die Empirieproblematik von Makroanalysen und Theorien höherer<br />
Komplexität.
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
1. Systemtheoretische Grundlagen<br />
Systeme werden anhand der System-Umwelt-Differenz gebildet, die darauf basiert, dass<br />
Systeme mittels systemeigener Steuerungsmedien (Codes) kommunizieren. Dass Systeme<br />
sowohl sinnkonstituiert als auch sinnkonstituierend sind, verdeutlicht, dass die auf<br />
einem spezifischen Sinn aufbauende systeminterne Kommunikation von der anderer Systeme<br />
unterschieden werden kann. Jedes System folgt also seiner Eigenlogik bzw. seiner<br />
eigenen Rationalität. Insofern beobachtet auch jedes Teilsystem das gesellschaftliche Gesamtsystem<br />
und andere Teilsysteme in erster Linie im Rahmen seiner eigenen Rationalität.<br />
Die Abgrenzung des <strong>Medien</strong>systems schließt an die Konzeption von Marcinkowski<br />
(1993) an. Er sieht die besondere Leistung des Systems Publizistik in der „Ausstattung<br />
von Themen mit Publizität“, womit es deren Kommunikationserfolg wahrscheinlicher<br />
macht, also Aufmerksamkeit generiert. Die dazugehörende System-Umwelt-Differenz<br />
liegt in der Unterscheidung „öffentlich – nicht öffentlich“. Dabei stellt er der spezifischen<br />
Themen-Gebundenheit anderer subsystemischer Kommunikation die prinzipielle<br />
Themen-Offenheit des publizistischen Systems gegenüber. Die Primärfunktion des<br />
<strong>Medien</strong>systems für die Gesamtgesellschaft ist es, durch Verarbeitung von Umweltkomplexität<br />
deren Selbstbeobachtung zu ermöglichen und eine Selbstbeschreibung der Gesellschaft<br />
herzustellen. Trotz prinzipieller Themen-Offenheit orientiert es sich an seiner<br />
Veröffentlichungsrationalität, wobei Nachrichtenwerte als Sekundärcodes oder Programme<br />
systemintern Wissen und Erfahrung in Selektionen der Umweltwahrnehmung<br />
konkretisieren können (vgl. u. a. Gerhards, 1994: 89; Westerbarkey, 1995: 154ff.). Die<br />
Tatsache, dass <strong>Medien</strong> sowohl ein autonomes soziales Subsystem als auch ein Metasystem<br />
zur Vermittlung zwischen allen anderen Subsystemen sind, verleiht ihnen einen<br />
grundsätzlichen Doppelcharakter (vgl. Westerbarkey, 1995: 154).<br />
Die Primärfunktion des geschichtlich sehr früh ausdifferenzierten Wirtschaftssystems<br />
(vgl. dazu ausführlich Luhmann 1996b) liegt in der „Vorsorge für die Befriedigung<br />
zukünftiger Bedürfnisse“. Der kommunikative Code ist Geld. Dabei ist Geld in hohem<br />
Maße selektiv, weil es die Ausklammerung von nicht monetarisierbaren Relevanzen erfordert,<br />
d. h. „daß alles, was überhaupt auf wirtschaftliche Verwendung hin angesehen<br />
wird, auf einen Geldausdruck reduziert wird“ (Luhmann, 1996b: 238). Zahlungen als<br />
Letztelemente des Systems, als zugrundeliegende kommunikative Handlungen, koppeln<br />
Selbstreferenz – als Verbindung <strong>zum</strong> Code Geld – und Fremdreferenz – als Verbindung<br />
zu systemfremden Gütern und Dienstleistungen. Über Preise wird eine Information<br />
über Zahlungserwartungen, also eine Beobachtung von Beobachtung, ermöglicht.<br />
Mit den beiden Systemen „<strong>Medien</strong>“ und „Ökonomie“ treffen auch zwei unterschiedliche<br />
Rationalitäten aufeinander: die Veröffentlichungsrationalität des <strong>Medien</strong>systems<br />
und die Geldrationalität des Wirtschaftssystems. Da ein System sich aus den kommunikativen<br />
Handlungen, die seiner eigenen Rationalität entsprechen, zusammensetzt und<br />
die gesellschaftlichen Teilsysteme aufgrund ihrer spezifischen Problemlösungsfunktion<br />
gleichrangig sind, kann es in dieser Perspektive der Systemtheorie Luhmannscher Prägung<br />
keine Ökonomisierung des <strong>Medien</strong>systems geben (vgl. auch Theis-Berglmair,<br />
2000: 311). Analysiert werden kann aber, wie die beiden Systeme ihren wechselseitigen<br />
Leistungsaustausch organisieren. Für einen weiterreichenden Erklärungsbeitrag zur<br />
Ökonomisierungsdebatte kann auf folgende systemtheoretische Konzepte zurückgegriffen<br />
werden:<br />
1. Die Verknüpfung unterschiedlicher Systemrationalitäten kann mit der Unterscheidung<br />
von operativer Steuerung als Selbststeuerung der Systeme und kontextueller<br />
168
Siegert · Systemtheoretische Perspektive<br />
Steuerung als dem Setzen von Bedingungen erklärt werden. Durch die Kontextsteuerung<br />
wird also mehr als nur eine Rationalität für das jeweilige Teilsystem relevant,<br />
dessen Autonomie durch die Selbststeuerung jedoch im Grundsatz erhalten<br />
bleibt. Ein Erklärungsansatz für die Dominanz ökonomischer Rationalität findet sich<br />
in der besonderen Eignung von Geld als Mittel zur kontextuellen Konditionierung<br />
von selbststeuernden Systemen. Geld hat die besondere Eigenschaft, „über die Grenzen<br />
der eigentlichen Ökonomie hinauszuwirken und Transaktionen jeglicher Art mit<br />
dem Virus des ökonomischen Kalküls zu infizieren.“ (Willke, 1998: 186)<br />
2. <strong>Medien</strong>ökonomisch erscheinen vor allem solche System-Konzeptionen erklärungskräftig,<br />
die akteurstheoretische Rekonstruktionen und Anschlüsse bieten und damit<br />
auf Handlungen – und nicht ausschließlich wie Luhmann (1988: 192) auf Kommunikationen<br />
– als Letztelemente von Systemen rekurrieren (vgl. u.a. Schmidt, 1996: 28;<br />
Weischenberg, 1994: 430). Da die Verantwortlichkeit der <strong>Medien</strong>organisationen für<br />
das mediale Angebot, für die Berücksichtigung verschiedenster Interessen sowie für<br />
Vielfalt und Qualität von <strong>Medien</strong>inhalten medienökonomisch eine wichtige Rolle<br />
spielt, müssen analytisch a) Handlungen und Strategien ausgemacht werden können<br />
und b) auf Akteure rückführbar sein. Durch die Verknüpfung der Systemtheorie mit<br />
der Theorie rationalen Handelns (vgl. Schimank, 1985 und 1988) können <strong>Medien</strong>organisationen<br />
als kollektive Akteure begriffen werden. Sie können unter systemisch<br />
gesetzten, strukturellen Restriktionen dennoch auch ihre eigenen, spezifischen Ziele<br />
verfolgen. D. h. Systeme als situationsübergreifende, generalisierte Handlungsorientierungen<br />
konditionieren die Auswahlmöglichkeiten der Akteure, lassen aber Handlungsspielraum<br />
(vgl. Gerhards, 1994: 80f.).<br />
3. Im Konzept der Interpenetration wird die wechselseitige Durchdringung von Systemen<br />
und die entsprechende Vernetzung von Systemlogiken behandelt (vgl. Münch,<br />
1991: 135ff. und 332ff.). Trotz relativer Autonomie der einzelnen Teilsysteme werden<br />
normative Widersprüche, faktische Konflikte, strukturelle Inklusionen, aber<br />
auch unterschiedliche Machtverhältnisse bearbeitbar (vgl. für die Beziehung <strong>Medien</strong><br />
und Politik: Westerbarkey, 1995: 154). Auch hier steht die Organisation des gegenseitigen<br />
Leistungsaustausches, der durch die jeweiligen Codes gesteuert wird, im Mittelpunkt.<br />
Mit der Einführung von Institutionen zur Konvertierung der Codes kann<br />
der wechselseitigen Instrumentalisierung theoretisch begegnet werden.<br />
2. Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Vorausgehend muss darauf hingewiesen werden, dass der Begriff „<strong>Medien</strong>system“ in<br />
medienökonomischen Diskursen meistens in seiner alltäglichen Bedeutung als <strong>Medien</strong>branche<br />
und nicht unter Einbeziehung der Systemtheorie verwendet wird. Dies ist deshalb<br />
explizit zu bedenken, weil die Handlungen der <strong>Medien</strong>branche, abhängig davon,<br />
welche situationsübergreifende, generelle Handlungsorientierung vorherrscht, dem<br />
ökonomischen System, dem <strong>Medien</strong>system, dem Erziehungssystem, dem politischen<br />
System, oder anderen Systemen angehören.<br />
Eine Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie könnte danach nachgewiesen werden,<br />
wenn alle zur <strong>Medien</strong>industrie gehörenden kommunikativen Handlungen – sowohl die<br />
individueller als auch die korporativer Akteure – differenziert, aufgelistet und den entsprechenden<br />
Codes und Systemen zugeordnet werden können und dann eine überproportionale<br />
Zuordnungshäufigkeit <strong>zum</strong> Wirtschaftssystem festgestellt werden würde. Ist<br />
dabei der Anteil der an der Veröffentlichungsrationalität des <strong>Medien</strong>systems orientierten<br />
Handlungen gering, muss die Frage gestellt werden, ob überhaupt genügend Eigen-<br />
169
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
komplexität und Kapazitäten zur gesellschaftlichen Selbstbeobachtung vorhanden sind,<br />
und somit die Komplexität der zu beobachtenden Umwelt verarbeitet, ob also von<br />
einem ausdifferenzierten <strong>Medien</strong>system gesprochen werden kann. Hier sei jedoch auf<br />
verschiedene Ausführungen verwiesen, die die Ausdifferenzierung eines eigenständigen<br />
<strong>Medien</strong>systems nachweisen. 2<br />
Dennoch ist die mit Zahlungen verknüpfte Vermarktung aller dafür geeigneten Veröffentlichungsakte<br />
und Angebote sowie die Orientierung der medialen Produktion an<br />
Zahlungen ein wesentlicher Indikator dafür, dass die ökonomische Rationalität Eingang<br />
in das <strong>Medien</strong>system gefunden hat. Dies soll im Folgenden unter Rückgriff auf die skizzierten<br />
systemtheoretischen Ansätze auf drei Ebenen diskutiert werden. 3<br />
2.1 Selbststeuerndes <strong>Medien</strong>system und Kontextsteuerung durch Geld<br />
Folgende Beispiele sollen die Ökonomisierungsthese illustrieren und zeigen, dass Geld<br />
als Handlungsorientierung für Veröffentlichungsakte an Bedeutung gewinnt: Die Etablierung<br />
des privaten Rundfunks war durch die Ausrichtung der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
auch auf Gewinnmaximierung eindeutig mit der Zunahme von ökonomischen Handlungen<br />
verbunden. Aktuell nehmen ökonomische Akte quantitativ und qualitativ durch<br />
den Börsengang von <strong>Medien</strong>unternehmen zu, der eine zweite Ebene ökonomischer<br />
Orientierung in die Unternehmensführung einführt. Zugleich findet sich eine Ökonomisierung<br />
der Ökonomisierung (vgl. Altmeppen, 2001) durch die wechselseitige Orientierung<br />
der <strong>Medien</strong>unternehmen an den ökonomischen Handlungen und Strategien ihrer<br />
Wettbewerber. Die Einführung und Etablierung individueller Abrechnungssysteme<br />
im digitalen Rundfunk und in der Online-Kommunikation verstärken diesen Trend<br />
(vgl. dazu auch Bruns/Marcinkowski/Nieland/Ruhrmann/Schierl, 1996: 32ff.), weil sie<br />
ehemals nur an der Veröffentlichungsrationalität orientierte Handlungen mit Zahlungen<br />
verknüpfen.<br />
Unterscheidet man die operative Steuerung von Systemen, die immer nur das zu<br />
steuernde System selbst ausführen kann, und die Kontextsteuerung, die nicht in die<br />
interne Operationsweise des Systems eingreift, sondern Bedingungen zur Orientierung<br />
für die eigenen Selektionen setzt, kann die Relevanz einer zweiten Rationalität auch<br />
theoretisch eingeführt werden. Im Kontext der Ökonomisierung kann dies vor allem<br />
damit begründet werden, dass sich Geld als Medium kontextueller Steuerung, bei der<br />
ja auf die Regelung von Einzelheiten verzichtet werden kann, besonders eignet (vgl.<br />
Willke, 1998: 180ff.). Geld generalisiert die mit ihm verbundenen Wahlchancen in<br />
sachlicher Hinsicht, befreit sie also vom direkten Austausch von Gütern zwischen<br />
Käufern und Verkäufern, temporalisiert sie in zeitlicher Hinsicht, überlässt also die<br />
Bestimmungsmacht über die zeitliche Realisierung der Wahlchancen den Akteuren<br />
und macht in sozialer Hinsicht indifferent, abstrahiert also von der Ausrichtung der<br />
Zwecke und von der sozialen Position der Akteure (vgl. Willke, 1998: 200ff.). Die<br />
„Charakterlosigkeit“ des Geldes macht es anscheinend auch für das ansonsten selbststeuernde<br />
<strong>Medien</strong>system <strong>zum</strong> geeigneten Medium der kontextuellen Konditionierung.<br />
2 Vgl. u.a. Rühl, 1980; Saxer, 1992; Marcinkowski, 1993; Blöbaum, 1994; Gerhards, 1994; Luhmann,1996a;<br />
Kohring, 1997; <strong>Medien</strong> Journal Themenheft „Systemtheorie der <strong>Medien</strong>“ 1/1997.<br />
3 Weber (2000: 22f.) unterscheidet in seiner Studie ähnlich eine Gesellschaftsebene, eine Organisationsebene,<br />
eine Interaktionsebene und eine Textebene.<br />
170
Siegert · Systemtheoretische Perspektive<br />
Dabei wird gerade durch die Privatisierung und Deregulierung der <strong>Medien</strong> eine monetäre<br />
Kontextsteuerung gefördert, weil andere Rationalitäten zur Kontextsteuerung<br />
entfallen.<br />
2.2 Sachziel und ökonomisches Ziel von <strong>Medien</strong>organisationen<br />
In den <strong>Medien</strong>organisationen als struktureller Verfestigung des <strong>Medien</strong>systems sind die<br />
Berührungs- und Interaktionsflächen zwischen <strong>Medien</strong>system und ökonomischem System<br />
besonders deutlich, haben doch <strong>Medien</strong>organisationen sowohl ein Sachziel (Veröffentlichung)<br />
als auch ein ökonomisches Ziel (Geld). An der Etablierung des redaktionellen<br />
Managements und Marketings, vor allem aber des <strong>Medien</strong>-Controlling lässt sich<br />
nachvollziehen, dass die am Steuerungsmedium Geld orientierten Handlungen auch in<br />
<strong>Medien</strong>organisationen tendenziell zunehmen.<br />
Wird die Systemtheorie mit der Theorie rationalen Handelns verknüpft, dann können<br />
die jeweiligen ausdifferenzierten Teilsysteme als systemische „constraints“ von<br />
Akteurshandlungen konzipiert werden, die sowohl abstrakte substanzielle Ziele vorgeben<br />
als auch Mittel, um diese Ziele zu erreichen. „,Constraints‘ bezeichnen die strukturellen<br />
Restriktionen, unter denen Akteure ihre Wahlen, ihre ,choices‘ treffen und entsprechend<br />
handeln.“ (Gerhards, 1994: 80) Und dies so tun, dass sie ihre spezifischen<br />
Ziele mit möglichst geringem Aufwand erreichen. Je nachdem, welche generalisierte<br />
Handlungsorientierung (Veröffentlichung oder Geld) bzw. welche Entscheidungsprogramme<br />
(vgl. dazu auch Rühl, 1979) die spezifischen Handlungen der Akteure strukturieren,<br />
lassen sich in <strong>Medien</strong>organisationen Abteilungen in solche, die in erster Linie<br />
dem ökonomischen System zuzurechnen sind, und in solche, die in erster Linie dem<br />
<strong>Medien</strong>system zuzurechnen sind, unterscheiden. Hier finden sich Anknüpfungspunkte<br />
an die medienökonomische Journalismusforschung, in der Programme als Zusammenfassung<br />
von Verfahren und Regeln einen Korridor festgelegter Strukturen bilden, der<br />
jedoch den Journalisten einen gewissen Handlungsspielraum einräumt (vgl. Altmeppen,<br />
2000: 47f.).<br />
Analytisch können also die Steuerungsmedien Geld und Publizität in Bezug auf ihre<br />
jeweilige Durchsetzungskraft als Handlungsorientierung im Organisationssystem untersucht<br />
werden. Ökonomisierung wird hier u.a. deutlich, weil sich der Beruf des Journalisten<br />
mittlerweile in Typen aufteilen lässt, die zu mehr oder weniger großen Teilen<br />
Managementtätigkeit ausüben, und die „Manager“-Journalisten zu gleichem Prozentsatz<br />
wie „Kern“-Journalisten in der oberen Redaktionshierarchie angesiedelt sind, also<br />
Durchsetzungsmacht haben (vgl. Weber, 2000: 117). Zugleich hat in der Einschätzung<br />
befragter Journalisten die Fremdsteuerung durch die Ökonomie auf verschiedenen Ebenen<br />
zugenommen (vgl. Weber, 2000: 146ff.).<br />
2.3 Interaktionen und Konvertierungsprozesse zwischen <strong>Medien</strong> und Ökonomie<br />
Damit ein wechselseitiger Leistungsaustausch zwischen <strong>Medien</strong>- und ökonomischem<br />
System stattfinden kann, müssen die gegenseitigen Leistungen permanent konvertiert<br />
werden. Für das ökonomische System ist der Transport von Werbebotschaften oder die<br />
Veröffentlichung von PR-Beiträgen, also die Ausstattung spezifischer, weil gewünschter<br />
Themen mit Publizität, eine spezifische Leistung, die das <strong>Medien</strong>system erbringt<br />
(Output) und die dann <strong>zum</strong> Input werden kann, wenn sie ökonomische Anschlusskommunikation<br />
im Sinne von Zahlungsverkehr konditioniert. Monetäre Einnahmen als<br />
konkreter Output ökonomischer Akte, z. B. aus dem Verkauf von Eigenproduktionen<br />
171
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
und Werbeschaltungen, werden <strong>zum</strong> Input beim <strong>Medien</strong>system über die Programmproduktion<br />
und damit über die Ausstattung von Themen mit Publizität. In der Beziehung<br />
zwischen <strong>Medien</strong>- und ökonomischem System muss also Geld in Publizität und<br />
Publizität in Geld übersetzt werden, damit die einzelnen Handlungen anschlussfähig<br />
sind. Dies entspricht auch der zunehmenden Vernetzung einzelner Subsysteme, die Beziehungen<br />
über die jeweiligen Systemgrenzen hinaus etablieren und Handeln über Systemgrenzen<br />
hinaus koordinieren und abstimmen müssen. Wie bei anderen Leistungsbeziehungen<br />
müssen dazu Institutionen etabliert werden, die die Konvertibilität unterschiedlicher<br />
Codes und Rationalitäten bewerkstelligen können (vgl. u. a. Münch, 1991:<br />
284ff.; Willke 1996: 227f.).<br />
Die Intensität dieser Konvertierungsprozesse und die Bemühungen, die in den reibungslosen<br />
Ablauf dieser Konvertierungen gesteckt werden, allen voran die Investitionen<br />
in die <strong>Medien</strong>-, Werbe- und Publikumsforschung, belegt die Relevanz der Beziehung<br />
zwischen <strong>Medien</strong>system und ökonomischem System und symbolisiert die Verquickung<br />
der beiden Systemrationalitäten (vgl. Siegert, 1993; Siegert, 1996). Dabei entspricht<br />
die Organisation dieser Forschung in Grundzügen dem, was systemtheoretisch<br />
als Verhandlungssystem bezeichnet wird. Mit der Institutionalisierung von Verhandlungssystemen<br />
werden sowohl die Kontextbedingungen für das Ganze generiert als<br />
auch die Teilsystemautonomien gestärkt (vgl. Willke 1996: 241ff.). Die Zusammensetzung<br />
der verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgemeinschaften der empirischen<br />
<strong>Medien</strong>-, Werbe- und Publikumsforschung aus Akteuren des <strong>Medien</strong>systems und des<br />
ökonomischen Systems verweist auf die Beibehaltung der Teilsystemautonomien, die<br />
Aushandlung von Forschungsrahmenbedingungen und Grenzwerten auf die gemeinsame<br />
Kontextsteuerung. Ergänzt wird sie mittlerweile durch das sich langsam etablierende<br />
<strong>Medien</strong>-Controlling (vgl. u. a. Beiträge im Sammelband Schneider/Knobloch 1999).<br />
Durch diese Institutionen wird einerseits Publizitätsleistung – Programmproduktion<br />
und -verbreitung – in Preise und Kosten umgerechnet, z. B. durch Kennzahlen des operativen<br />
<strong>Medien</strong>-Controlling. Andererseits werden Zahlungen in erwartbare Publizitätsleistungen<br />
konvertiert, indem z. B. mittels Tausender-Kontakt-Preise eingesetzte Gelder<br />
in Kontaktchancen übersetzt werden.<br />
3. Interpenetrationszonen von <strong>Medien</strong> und Ökonomie<br />
Die beispielhaften Ausführungen anhand der drei Ebenen, Selbst- und Kontextsteuerung,<br />
Sach- und ökonomisches Ziel sowie Interaktionen und Konvertierungsprozesse<br />
liefern zahlreiche Indizien für eine Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>. Gleichwohl finden<br />
sich vielfältige Hinweise darauf, dass Publizität als Steuerungsmedium auch übergreifend<br />
an Relevanz gewinnt. Vor allem in der Diskussion um die Aufmerksamkeitsökonomie<br />
(vgl. u. a. Goldhaber, 1997; Franck, 1998) und in der Entwicklung der Online-<br />
Ökonomie (vgl. u. a. European Communication Council, 1999; Latzer, 2000) zeigen<br />
sich Anhaltspunkte, die auf eine „Gleichberechtigung“ der Veröffentlichungsrationalität<br />
und damit des <strong>Medien</strong>systems gegenüber der Geldrationalität und dem ökonomischen<br />
System hindeuten. Insgesamt verknüpfen sich ökonomische mit publizistischen<br />
Relevanzen und überlappen sich die beiden Rationalitäten Geld und Publizität derart,<br />
dass sich mehrere Bereiche ausmachen lassen, die sowohl der Logik des <strong>Medien</strong>systems<br />
als auch der des ökonomischen Systems entsprechen. Auf diese Interpenetrationszonen<br />
soll anhand von drei Beispielen kurz eingegangen werden.<br />
172
Siegert · Systemtheoretische Perspektive<br />
3.1 Interpenetrationszone <strong>Medien</strong>inhalte<br />
Auf dieser Ebene sind die beiden Systemrationalitäten gekoppelt, weil die Arbeitsweise<br />
des <strong>Medien</strong>systems sowohl Selbstreferenz als auch Fremdreferenz sichert. Denn die<br />
Umweltwahrnehmung des <strong>Medien</strong>systems konzentriert sich auf potenziell veröffentlichungswürdige<br />
und -fähige Themen und Personen bzw. reduziert sie auf ihren Veröffentlichungsaspekt<br />
hin, ist dabei aber prinzipiell offen gegenüber Themen aus allen Teilsystemen<br />
des gesellschaftlichen Systems. Dennoch deutet sich an, dass es eine stärkere<br />
Kopplung mit der Geld- als mit jeder anderen Systemrationalität gibt.<br />
Besonders deutlich lässt sich dies am Beispiel PR und Werbung aufzeigen. PR und<br />
Werbung werden an dieser Stelle – auch aufgrund der Abgrenzung des <strong>Medien</strong>systems<br />
– im Gegensatz zu Kohring/Hug (1997: 27ff.) als klassische Beispiele für Interpenetrationszonen<br />
auf der Inhalteebene angesehen, in denen sich die Systemlogiken Publizität<br />
und Geld vermischen (vgl. Westerbarkey 1995: 159ff.). Gleichwohl kann vor allem PR<br />
als Selbstbeobachtung im Gegensatz zu Journalismus als Fremdbeobachtung eingestuft<br />
werden. Ziel ist es, die ökonomisch orientierte PR-Eigenbeobachtung in journalistische<br />
Fremdbeobachtung zu überführen, indem die Aufbereitungs- und Darstellungsformen<br />
denen journalistischer Kommunikationsangebote (Nachrichtenwerte) angeglichen werden<br />
(vgl. Kohring/Hug 1997: 28).<br />
Weitere, aktuelle Entwicklungen können als illustrative Ergänzungen herangezogen<br />
werden: Erstens die sich ausdifferenzierenden Werbesonderformen, wie Sponsoring<br />
oder Product Placement, und zweitens die zunehmende Hybridisierung, d. h. die Vermischung<br />
redaktioneller mit werblichen Inhalten, die sich auch in Begriffen wie „Advertorial“<br />
niederschlägt (vgl. auch Weber, 2000: 23) sowie die symbiotische Verbindung<br />
zwischen <strong>Medien</strong>- und Warenwelt (vgl. auch Saxer, 1992: 98).<br />
3.2 Interpenetrationszone Online-Ökonomie<br />
In Arbeiten zur Online-Ökonomie wird – trotz des ökonomischen Duktus – diskutiert,<br />
ob Aufmerksamkeit als neue Währung zu verstehen ist (vgl. u. a. Goldhaber, 1997; Davenport,<br />
2001), und ob sie als neue Restriktion in der Ökonomie angesehen werden<br />
muss, weil sie auch die Handlungspräferenzen ökonomischer Akteure strukturiert (vgl.<br />
auch Theis-Berglmair, 2000: 321ff.).<br />
Beispielhaft zeigt sich dies an den in der Online-Ökonomie wichtigen Netzwerken:<br />
Einerseits wird die kritische Masse zu einem Schlüsselfaktor in der vernetzten Wirtschaft,<br />
was dazu führt, dass es Ziel von Online-Strategien sein muss, eine bestimmte<br />
Masse an Nutzern, letztlich also eine bestimmte Menge an Aufmerksamkeit, für ein<br />
Online-Angebot zu gewinnen. So kann es ökonomisch sinnvoll sein, seine Produkte<br />
und Leistungen zu verschenken, denn der Wert von Online-Netzwerken liegt weniger<br />
in den angebotenen Leistungen als vielmehr in seiner Größe, also im Umfang von Aufmerksamkeitszirkeln.<br />
Gleichzeitig basieren Online-Netzwerke auf Kommunikation<br />
und Publizität, was den Aspekt, welche Inhalte attraktiv sind und publiziert werden, in<br />
den Mittelpunkt rückt. Dabei erweisen sich gerade solche Strategien als erfolgreich, die<br />
mit „user generated content“ arbeiten, also einen fließenden Übergang zwischen Kommunikation<br />
und Publikation schaffen und die Veröffentlichung „in die Hände der<br />
Nutzer legen“. Letztlich muss sich also das Management von Online-Netzwerken sowohl<br />
an Publizität als auch an Geld orientieren, um überhaupt erfolgreich sein zu können.<br />
173
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
3.3 Mediatisierung der Ökonomie<br />
Dieser Trend lässt sich verallgemeinern, denn die Ökonomie und die ökonomisch<br />
orientierten Industrien werden zunehmend durch Akte bestimmt, die an der Veröffentlichungsrationalität<br />
orientiert sind: „In einer Zeit, in welcher der Markt durch ein riesiges<br />
Netzwerk der ökonomischen Kommunikation überspannt wird, sind Wechselwirkungen<br />
zwischen Kommunikations- und Wirtschaftskonjunktur an der Tagesordnung.<br />
Wie sich die Wirtschaftskonjunktur entwickelt, hängt davon ab, wie über die<br />
Konjunktur gesprochen wird.“ (Münch, 1991: 130)<br />
In dieser Hinsicht lässt sich der Aufschwung der Organisations- und Unternehmenskommunikation<br />
als eine Art „Gegentrend“ zur Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> sehen. Die<br />
bereits in der Politikwissenschaft und der politischen Kommunikation erarbeiteten<br />
Analysen zur wechselseitigen Instrumentalisierung von <strong>Medien</strong> und Politik lassen sich<br />
daher auf das Verhältnis von <strong>Medien</strong> und Ökonomie übertragen. Interpenetration muss<br />
in diesem Zusammenhang als wechselseitige Durchdringung der beiden Systeme <strong>Medien</strong><br />
und Ökonomie mit den je anderen Leistungsanforderungen verstanden werden, die<br />
sich in der gegenseitigen Instrumentalisierung und damit verbunden in der Anpassung<br />
an die Operationslogik des anderen Systems äußert (vgl. Westerbarkey, 1995: 154ff.).<br />
Während <strong>Medien</strong> gezwungen sind, mit „harten“ Kennzahlen – Erlösen, Kosten, monetären<br />
Bewertungen des Programmvermögens etc. – zu operieren und ökonomisch zu<br />
bestehen, sehen sich Unternehmen zunehmend mit den Mängeln ihrer öffentlichen Darstellung<br />
konfrontiert, die es mittels an die Handlungslogik der <strong>Medien</strong> angepasster PR<br />
zu beheben gilt. Dabei scheint die Börsennotierung von (<strong>Medien</strong>-)Unternehmen diese<br />
wechselseitige Durchdringung noch zu intensivieren, denn die Börsen-Performance ist<br />
nicht nur von den klassischen ökonomischen Ergebnissen und Entwicklungen abhängig,<br />
sondern auch und verstärkt von der öffentlichen Präsentation derselben und der begleitenden<br />
Kommunikationsarbeit.<br />
4. Fazit: Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> und Mediatisierung der Ökonomie<br />
Verfolgt man die gesellschaftliche Entwicklung, treffen zwei Phänomene aufeinander:<br />
einerseits die Ökonomisierung, nicht nur des <strong>Medien</strong>systems, sondern vieler gesellschaftlicher<br />
Bereiche, andererseits die steigende Bedeutung von Aufmerksamkeit, die<br />
erst durch Publizität in größerem Umfang generiert und gebündelt werden kann. Aufmerksamkeit<br />
scheint angesichts der Informationsfülle ein ebenso knappes Gut wie Geld<br />
zu sein. 4 Es zeichnet sich nicht nur eine Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> ab, sondern auch<br />
eine Mediatisierung der Ökonomie. Und beide Entwicklungen dehnen sich auf andere<br />
gesellschaftliche Teilsysteme aus, so dass wir letztlich von einer „ökonomisierten <strong>Medien</strong>-<br />
und Informationsgesellschaft“ sprechen müssen. Dieser Entwicklung kann gerade<br />
mit systemtheoretischen Konzepten angemessen begegnet werden, weil sie die Unterscheidung<br />
von Systemrationalitäten und deren wechselseitige Durchdringung thematisieren.<br />
4 Die Argumentation, Aufmerksamkeit wäre das knappe Gut schlechthin, kann nur mit einem<br />
sehr eingeschränkten Blickwinkel aufrechterhalten werden, denn sie ignoriert klassische Disparitäten.<br />
174
Siegert · Systemtheoretische Perspektive<br />
Literatur<br />
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M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
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176
Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus<br />
politökonomischer Perspektive<br />
Manfred Knoche<br />
Ansätze zur Kritik der politischen Ökonomie der gesellschaftlichen Kommunikation<br />
gehören in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu den „vergessenen<br />
Theorien“. Aber angesichts des unübersehbaren Strukturwandels einer durch Deregulierung,<br />
Privatisierung, Digitalisierung, Konzentration, Globalisierung etc. „entfesselten“<br />
<strong>Medien</strong>industrie erscheint es wissenschaftlich notwendig, die Entwicklung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
im engen Zusammenhang mit der ebenso unübersehbaren generellen Entwicklung<br />
eines „entfesselten“ Kapitalismus zu analysieren. In diesem Beitrag wird deshalb<br />
gezeigt, dass es die Analyse der Entwicklungsprozesse des Kapitalismus als dem<br />
zweifellos weltweit herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aus politökonomischer<br />
Perspektive ermöglicht, den Ökonomisierungs- bzw. Kommerzialisierungsprozess<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie hinsichtlich seiner Ursachen, Formen, Folgen und weiteren<br />
Entwicklung wissenschaftlich angemessen zu analysieren, erklären und teilweise zu prognostizieren.<br />
Theoretische Erklärungsansätze hierzu bieten die auf der Marx’schen Kritik<br />
der politischen Ökonomie basierenden Weiterentwicklungen einer aktuellen Kapitalismusanalyse<br />
und –kritik als historisch-materialistische Gesellschaftsanalyse. Dabei werden<br />
die dauerhaft grundlegenden Merkmale, Funktionsweisen und „Gesetzmäßigkeiten“<br />
kapitalistischer Produktionsweise und Gesellschaftsformation in Verbindung mit<br />
den Besonderheiten des aktuellen Kapitalisierungsprozesses in der <strong>Medien</strong>industrie analysiert.<br />
„Heute befindet sich der Kapitalismus meiner Auffassung nach<br />
<strong>zum</strong> erstenmal in einem Zustand, in dem die Kapitallogik genau so rein und<br />
unverfälscht funktioniert, wie Marx das im Kapital beschrieben hat.“<br />
Oskar Negt 1997, 38<br />
Was neuerdings verstärkt auch in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als<br />
Ökonomisierung bzw. Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>industrie thematisiert wird, ist<br />
aus politökonomischer Perspektive grundsätzlich ein altes Phänomen, das als ein wesentliches<br />
Strukturmerkmal privatwirtschaftlich organisierter <strong>Medien</strong>produktion, -distribution<br />
und -konsumtion angesehen werden kann. Die Zugehörigkeit <strong>zum</strong> erwerbswirtschaftlich,<br />
also kommerziell organisierten Sektor der Privatwirtschaft kennzeichnet<br />
die <strong>Medien</strong> in den kapitalistisch organisierten Gesellschaften schon seit ihrem Aufkommen<br />
(vgl. Kiefer 1999, 705). Dennoch ist zu konstatieren, dass die etablierte deutschsprachige<br />
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft erst am Ende des 20. Jahrhunderts<br />
plötzlich und eher verwundert festgestellt hat, dass die Massenmedien und damit<br />
auch die gesellschaftliche Kommunikation mehr und mehr ökonomisiert werden<br />
(vgl. Meier 1997, 173). Diese Verwunderung hätte weniger plötzlich oder <strong>zum</strong>indest<br />
früher sein können, wenn in dieser Wissenschaft nicht – ähnlich wie in allen anderen<br />
Wissenschaften – eine so weit verbreitete Enthaltsamkeit hinsichtlich der Rezeption und<br />
Anwendung der Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie und ihrer aktuellen Weiterentwicklungen<br />
herrschte. Der derzeitig weltweit erkennbare, <strong>zum</strong> Teil neuartige<br />
(nicht neue) Ökonomisierungs- bzw. Kommerzialisierungsschub in der <strong>Medien</strong>industrie<br />
eröffnet wissenschaftlich die Chance, dass dieses alte Phänomen aufgrund seiner<br />
neuartigen, besser sichtbaren und damit weniger bestreitbaren Formen von mehr Wis-<br />
177
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
senschaftlerInnen als bisher in seiner politisch-ökonomischen Grundlegung erkannt<br />
und darauf basierende wissenschaftliche Erkenntnisse anerkannt werden können.<br />
1. Ökonomisierung als Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Der Begriff der „Ökonomisierung“ greift aber in der Perspektive einer kritischen politischen<br />
Ökonomie zu kurz. Denn es geht vielmehr um eine weitere historische Phase der<br />
fortschreitenden „Kapitalisierung“ der privatwirtschaftlichen <strong>Medien</strong>industrie 1 , d. h.<br />
um eine radikale Subsumtion des gesamten <strong>Medien</strong>systems unter die allgemeinen Kapitalverwertungsbedingungen.<br />
Damit wird diese noch stärker als bisher in die spezifische<br />
kapitalistische Produktionsweise, das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen<br />
und die ökonomisch-politische Gesellschaftsformation (vgl. Altvater<br />
1999) eingebunden, welche dem fortgeschrittenen Entwicklungsstand und den weiteren<br />
Bestandserfordernissen des Kapitalismus als dem weltweit herrschendem Wirtschaftsund<br />
Gesellschaftssystem entsprechen. Diese Kapitalisierung bedeutet vor allem: <strong>Medien</strong>produktion<br />
wird noch umfassender als bisher in das gesamtwirtschaftliche System<br />
kapitalistischer Waren- und Mehrwertproduktion einbezogen. Sie ist damit auch intensiver<br />
als bisher den „Bewegungsgesetzen“ und „Zwängen“ von Produktion und Kapitalverwertung,<br />
von Profitmaximierung und Konkurrenz sowie von Akkumulation und<br />
Konzentration unterworfen. Gesamtgesellschaftlich relevant ist die damit zwangsläufig<br />
einhergehende weitere, <strong>zum</strong>eist als „Kommerzialisierung“ bezeichnete Kapitalisierung<br />
von Information, Bildung, Politik, Kultur, Unterhaltung sowie von Arbeits- und Lebensverhältnissen<br />
als Beitrag zur neoliberalen „Durchkapitalisierung“ aller Lebensbereiche<br />
(vgl. Röttger 1997, 18f.).<br />
Es handelt sich um einen neuen Kapitalisierungsschub im dauerhaft fortschreitenden<br />
Kapitalisierungsprozess, der allerdings für die weitere Entwicklung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
auf der Basis der Privatisierung von ursprünglich nicht kapitalisierten Sektoren von<br />
grundsätzlicher Bedeutung ist. Wesentliche Kennzeichen dieses Kapitalisierungsschubs<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie sind<br />
• eine Kapitalisierung über die Privatisierung, Deregulierung und Kommerzialisierung<br />
von zusätzlichen Sektoren der <strong>Medien</strong>industrie, die bislang in Europa als staatlich<br />
oder öffentlich-rechtlich organisierte (Monopol-)Bereiche noch nicht der direkten<br />
(wohl aber der indirekten) Kapitalverwertung zugänglich waren (Hörfunk, Fernsehen,<br />
Telekommunikation, Internet);<br />
• ein Strukturwandel der <strong>Medien</strong>industrie, der sich vor allem in zunehmender Kommerzialisierung<br />
der <strong>Medien</strong>inhalteproduktion als Warenproduktion, in zunehmender<br />
internationaler ökonomischer und publizistischer Konzentration sowie in ökonomischen<br />
und institutionellen Verflechtungen (vgl. Knoche 1999a, 154ff.) traditioneller<br />
und neuer <strong>Medien</strong>sektoren miteinander und mit den übrigen Industrien zeigt<br />
(<strong>Medien</strong> als Infrastruktur, E-Commerce);<br />
• eine intensivierte „Kapitalisierung“ des Verhältnisses von Staat und <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
sowie der staatlichen <strong>Medien</strong>politik als <strong>Medien</strong>wirtschaftspolitik;<br />
• eine intensivierte „Kapitalisierung“ der ökonomischen und politischen gesamtwirtschaftlichen<br />
und -gesellschaftlichen Funktionserfüllung der <strong>Medien</strong>industrie im<br />
weltweiten Strukturwandel (Transformationsprozess) des Kapitalismus.<br />
1 Spezifische Probleme des ähnlich kommerzialisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden<br />
in diesem Beitrag nicht behandelt.<br />
178
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
Angesichts der unübersehbar umfangreichen – strukturell <strong>zum</strong> Teil neuartigen – „Entfesselung“<br />
der <strong>Medien</strong>industrie durch Deregulierung, Privatisierung, Kommerzialisierung,<br />
Globalisierung, Multimediatisierung, <strong>Medien</strong>- und Industrie-Konvergenz, Digitalisierung,<br />
Konzentration, Anonymisierung des Kapitals, E-Commerce etc. erscheint<br />
es mir als noch angemessener als bisher, die Entwicklung der <strong>Medien</strong>industrie im engen<br />
Zusammenhang mit der ebenso unübersehbaren generellen Entwicklung eines „entfesselten“<br />
Kapitalismus zu analysieren. Dies insbesondere deshalb, weil der gegenwärtige<br />
und höchstwahrscheinlich auch zukünftige Kapitalisierungsprozess in der <strong>Medien</strong>industrie<br />
vor allem dadurch (neuartig) gekennzeichnet ist, dass es zu einer weit gehenden<br />
gegenseitigen Durchdringung von <strong>Medien</strong>industrie und übriger Volkswirtschaft<br />
kommt.<br />
2. Kritik der politischen Ökonomie der <strong>Medien</strong><br />
Die grundsätzliche Bedeutung der fortschreitenden Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
im engen Zusammenhang mit der Entwicklung des kapitalistischen Wirtschafts- und<br />
Gesellschaftssystems weist auf die Notwendigkeit eines kritischen kapital- bzw. kapitalismuszentrierten<br />
Ansatzes (vgl. Knoche 1999a, Prokop 2000) in der Kommunikationswissenschaft<br />
hin, der wissenschaftlich als gegenstandsadäquat gelten kann. Solange jedoch<br />
in der Ost-West-System-Auseinandersetzung nach dem Zweiten Weltkrieg die<br />
Beschäftigung mit Kapitalismuskritik auf der Basis einer Kritik der politischen Ökonomie<br />
im Westen auch im Bereich der Wissenschaften zur „Marginalisierung“, schlechtesten<br />
Falls <strong>zum</strong> Berufsverbot führte 2 , gab es kein günstiges „Klima“ für die Entwicklung<br />
und Rezeption kritischer politökonomischer Ansätze <strong>zum</strong> lange schon erkennbaren<br />
gesellschaftlichen Problem der Ökonomisierung bzw. Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>industrie.<br />
Ansätze einer Kritik der politischen Ökonomie der gesellschaftlichen Kommunikation<br />
bzw. der Massenkommunikation 3 wurden zwar vereinzelt im angelsächsischen<br />
Sprachraum in entsprechenden Arbeiten zur „Political Economy of Communication(s)<br />
(of the Media)“ vorgelegt (vgl. z. B. Mosco 1996, Golding/Murdock 1997, Sussman<br />
1999, McChesney 2000). Auch in Deutschland wurden derartige Ansätze in den 70er<br />
Jahren kurzzeitig entwickelt (vgl. z. B. Berliner Autorenkollektiv Presse 1972, Dröge/Modelmog<br />
1972, Holzer 1973, Hund 1976, Negt/Kluge 1972, Prokop 1974). Aber<br />
politische Ökonomie gesellschaftlicher Kommunikation gehört zweifellos zur „vergessenen<br />
Theorie“ (Robes 1990, vgl. Knoche 1999b, 76ff.) und gilt bis heute kaum als zitierfähig.<br />
Es gibt nur wenige Erinnerungs-, Wiederbelebungs- und aktuelle Anwendungsversuche<br />
für einen politökonomischen Ansatz in der deutschsprachigen Publizistik-<br />
und Kommunikationswissenschaft (vgl. Holzer 1994, Meier 1996/97 u. 1997, Knoche<br />
1999a u. 1999b, Prokop 2000, Steininger 2000, 210ff.).<br />
Der Gegenstandsbereich einer Kritik der politischen Ökonomie ist die kritische theoriegeleitete<br />
empirische Kapitalismusanalyse. Hierbei zeigt sich, dass diese politische<br />
2 Es ist das Verdienst von Wolfgang R. Langenbucher, dass er jüngst im Gedenken an Horst Holzer<br />
mit deutlichen Worten auf die negativen Folgen einer „Hinwendung <strong>zum</strong> politökonomischen<br />
Denken“ in Deutschland hingewiesen hat (vgl. Langenbucher 2000).<br />
3 Hierzu gibt es eine relative Vielzahl divergierender Ansätze in Nordamerika, Großbritannien<br />
und Deutschland. Zur Entwicklung und (gegenseitigen) Kritik der verschiedenen Ansätze vgl.<br />
Mosco 1996, 72ff.<br />
179
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Ökonomie nicht ein Zweig der Wirtschaftswissenschaft, sondern umfassende Gesellschaftswissenschaft<br />
ist (vgl. Kade 1977, Schikora 1992) 4 . Es geht um die Analyse und<br />
Kritik der gesellschaftlichen Voraussetzungen und Strukturbedingungen kapitalistischer<br />
Produktionsweise und damit um deren Funktionsweise und Dynamik (vgl. Conert<br />
1997, 140). Anders ausgedrückt: Es geht um die Analyse und Kritik der „kapitalistischen<br />
Regulierung“ (Kisker 2000a, 66) der Produktions- und Lebensverhältnisse, d. h.<br />
des gesamten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen<br />
menschlichen Lebens. Kapitalismus wird dabei als historisch gewordene, grundsätzlich<br />
veränderbare Produktionsweise und Gesellschaftsform gesehen (vgl. Ganßmann, 1998,<br />
23).<br />
3. <strong>Medien</strong>industrie im Kapitalismus<br />
Für unseren Untersuchungsgegenstand ist also die Brauchbarkeit einer politischen Ökonomie<br />
als wissenschaftliche Theorie und Methode zu prüfen, die sich als auf der<br />
Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie 5 basierende Weiterentwicklung einer aktuellen<br />
Kapitalismusanalyse und –kritik als historisch-materialistische Gesellschaftsanalyse<br />
versteht. Dies wird seit längerem u. a. in Deutschland – auch auf der Basis umfangreicher<br />
Studien der internationalen wissenschaftlichen Literatur – von einigen WirtschaftswissenschaftlerInnen,<br />
SoziologInnen und PolitologInnen geleistet. Im Mittelpunkt<br />
des Interesses steht hierbei die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung<br />
vor allem mit<br />
• dem aktuellen Transformationsprozess des Kapitalismus (vgl. Altvater/Haug/Negt<br />
u. a. 1999, Bischoff 1999, Hickel/Kisker/Mattfeldt/Troost 2000, Hirsch 1990), insbesondere<br />
mit dem Wandel der Rolle des Staates (vgl. Hirsch 1998, Kisker 2000b);<br />
• dem Neoliberalismus (vgl. Bischoff/Deppe/Kisker 1998, Kisker 1998, Schui 2000),<br />
dem Keynesianismus, den Markt-Mythen und Wirtschaftskrisen (vgl. Zinn 1998);<br />
• der aktuellen Wirtschaftspolitik (vgl. Hickel 1998, Huffschmid 1994);<br />
• Konkurrenz und Konzentration (vgl. Bischoff/Boccara/Zinn u. a. 2000, Huffschmid<br />
1994 u. 2000, Kisker 2000b) sowie der Globalisierung (vgl. Altvater/Mahnkopf 1999,<br />
Heinrich/Messner 1998, Kisker 2000a);<br />
• der politischen Ökonomie der Finanzmärkte (vgl. Huffschmid 1999).<br />
Aus politökonomischer Perspektive 6 wird die aktuelle Kapitalisierung der privatwirtschaftlichen<br />
<strong>Medien</strong>industrie im Rahmen dieser aktuellen Entwicklungstendenzen des<br />
gesamten kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems betrachtet und erklärt.<br />
4 Im Gegensatz <strong>zum</strong> Ansatz einer „Neuen Politischen Ökonomie“, der zwar auch gesellschaftliche<br />
und politische Zusammenhänge einbezieht, aber bewusst an der vorherrschenden neoklassischen<br />
Wirtschaftstheorie anknüpft und diese weiterentwickelt (vgl. Kiefer 2001, 53ff.).<br />
5 Es geht also hier nicht um „Marxismus“ im politischen Sinn, sondern um eine kritische Anwendung<br />
und Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Analyse- und Theorieansätzen von<br />
Karl Marx. Zur vielfältigen Literatur zur Kritik der politischen Ökonomie im 20. Jahrhundert<br />
vgl. Heinrich 1999, 196ff.<br />
6 Ziel dieses Beitrags ist es nicht, eine „geschlossene“ politisch-ökonomische Theorie der <strong>Medien</strong><br />
zu präsentieren. Es werden nur einige Aspekte „aus politökonomischer Perspektive“ aufgezeigt,<br />
die mir in analoger Anwendung der umfangreichen, vielfältig empirisch belegten politökonomischen<br />
Analysen der von mir herangezogenen Wirtschafts- und Politikwissenschaftler in<br />
Verbindung mit den verfügbaren Kenntnissen zur Entwicklung der <strong>Medien</strong>industrie als theoretisch<br />
fundiert sowie „empirisch belegt“ oder <strong>zum</strong>indest belegbar erscheinen.<br />
180
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
Aus der Sicht der hochkonzentrierten und international agierenden Privatwirtschaft war<br />
die <strong>Medien</strong>industrie in Europa vor der Phase der europaweiten Privatisierungen und<br />
Deregulierungen ein unterentwickelter „Fremdkörper“, der sich in mehrfacher Hinsicht<br />
als hinderlich für die Kapitalverwertungs- und Expansionsinteressen erwies. Staatlich<br />
(Post- und Telekommunikation) oder öffentlich-rechtlich (Hörfunk und Fernsehen) organisierte<br />
Monopole und nicht-kapitalisierte Sektoren (Internet) waren nicht als Kapitalanlagesphäre<br />
zugänglich, ließen sich nur beschränkt im Rahmen infrastruktureller<br />
technisch-organisatorischer Rationalisierungsmaßnahmen nutzen, waren nur sehr eingeschränkt<br />
„kommerzialisierbar“ und erlaubten keine extensive Einbindung in „globale“<br />
weltweite Marketing-, Werbe- und PR-Strategien. Als hinderlich erwies sich hierbei<br />
auch der „Kapitalisierungs-Rückstand“ der traditionell privatwirtschaftlichen <strong>Medien</strong>sektoren<br />
der Presse- und Buchproduktion, deren „Nachteil“ bis heute in ihrer größtenteils<br />
mittelständischen und nationalen Gebundenheit gesehen wird. Im gesamtwirtschaftlichen<br />
Interesse wurde mit Hilfe weltweit einheitlicher neoliberaler Wirtschaftsund<br />
Gesellschaftspolitik der Nationalstaaten und der EU (Parolen: „Öffnung der Binnenmärkte“,<br />
„Internationale Wettbewerbsfähigkeit“) dieser „Nachholbedarf“ der <strong>Medien</strong>industrie<br />
seit Mitte der 80er Jahre weitgehend gedeckt. Die politisch-ökonomische<br />
„Rückständigkeit“ der <strong>Medien</strong>industrie in Europa war in ähnlicher Weise auch für die<br />
europäischen und vor allem die US-amerikanischen <strong>Medien</strong>konzerne ein Hindernis für<br />
die Realisierung ihrer existenznotwendigen Expansionsstrategien. Auch für aufstrebende<br />
europäische <strong>Medien</strong>konzerne gab es einen „Nachholbedarf“ hinsichtlich der Überwindung<br />
nationalstaatlicher Expansionsgrenzen durch Teilhabe an internationalen Fusionen,<br />
strategischen Allianzen und Unternehmens-Netzwerken der „global players“<br />
(vgl. Knoche 2001).<br />
Art, Umfang, Zeitpunkt und Verlauf der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie werden<br />
demnach von den dauerhaften ökonomischen Interessen und Grundproblemen der <strong>Medien</strong>industrie<br />
in Verbindung mit gleichartigen Interessen und Grundproblemen der<br />
gesamten Wirtschaft bestimmt. Die ökonomischen und darauf bezogenen politischen<br />
Maßnahmen und mittelfristigen Strategien zur Problemlösung, allen voran des Problems<br />
der strukturellen Überakkumulation des Kapitals, führen allerdings regelmäßig<br />
zu neuen zyklischen „Krisen“ und langfristigen Folgeproblemen in Wirtschaft und Gesellschaft<br />
(Abbildung 1).<br />
Die unter dem Druck der strukturellen Überakkumulation des Kapitals vorgenommene<br />
Reduzierung von Erweiterungsinvestitionen (sinkende Investitionsquoten) und<br />
stattdessen (vor allem technische) Rationalisierungsinvestitionen führen regelmäßig <strong>zum</strong><br />
Abbau von Arbeitskräften (Arbeitslosigkeit), zur Intensivierung der Arbeit und zur Senkung<br />
bzw. Stagnation des Lohn- und Gehaltsniveaus. In Verbindung mit dem gleichzeitig<br />
forcierten Abbau des Sozialstaates führt dies zu sinkender Kaufkraft und entsprechendem<br />
Rückgang des Konsums. Dies führt zu verschärfter Konkurrenz zwischen den<br />
Unternehmen in weitgehend gesättigten bzw. stagnierenden Märkten und darüber zu<br />
zyklischen ökonomischen „Krisen“ des gesamten Wirtschaftssystems.<br />
Die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie ist in diesem Kontext unter anderem deshalb<br />
von wachsender elementarer gesamtwirtschaftlicher und -gesellschaftlicher Bedeutung,<br />
weil sie auch eine wichtige Funktion in den notwendigen mittelfristigen Problemlösungsstrategien<br />
der gesamten Wirtschaft hat. Insofern ist es erklärbar, dass die Kapitalverwertungsinteressen<br />
(und deren dauerhafte grundsätzlich krisenhafte Gefährdung) in<br />
der gesamten Wirtschaft in Symbiose mit den spezifischen Kapitalverwertungsinteressen<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie den Kapitalisierungsprozess der <strong>Medien</strong>industrie vorantreiben.<br />
181
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Abbildung 1: Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie als Problemlösungsstrategie für die<br />
gesamte Wirtschaft<br />
Dauerhafte Mittelfristige Langfristige<br />
Grundprobleme Problemlösungen Folgeprobleme<br />
Maßnahmen Strategien Wirtschaft Gesellschaft<br />
↓<br />
Strukturelle Kapitalisierung Umverteilung Umverteilung<br />
Überakkumulation <strong>Medien</strong>industrie Kapital/Profite Güterkonsum<br />
↓ ↓ ↓ ↓<br />
Sinkende <strong>Medien</strong>sektoren Kapitalkonzentration Massen-<br />
Investitionsquoten als Kapitalanlage Kapitalvernichtung arbeitslosigkeit<br />
↓ ↓ ↓ ↓<br />
Rationalisierungs- Investitionen Strukturelle Abbau<br />
investitionen Produktinnovationen Überakkumulation Sozialstaat<br />
↓ ↓ ↓ ↓<br />
Abbau Arbeitskräfte Umverteilung/ Sinkende Soziale<br />
Intensivierung Arbeit Abbau Arbeitskräfte Profitraten Ungleichheiten<br />
↓ ↓ ↓ ↓<br />
Abbau Staatliche Verschärfung Umwelt-<br />
Sozialstaat Förderung Konkurrenz belastung<br />
↓ ↓ ↓ ↓<br />
Sinkende Kaufkraft Ausweitung Ökonomische Gesellschaftliche/<br />
Rückgang Konsum Werbung/PR „Krise“ politische „Krise“<br />
↓<br />
↓<br />
Sinkende Profitraten Förderung<br />
„Konsumklima“<br />
↓<br />
↓<br />
Verschärfung<br />
Förderung<br />
Konkurrenz<br />
„Systemtreue“<br />
↓<br />
↓<br />
Ökonomische<br />
„Krise“<br />
Umverteilung<br />
Konsumausgaben/<br />
Zeitbudgets<br />
Die Interessen von (bislang) medienfremdem Kapital richten sich einerseits auf die <strong>Medien</strong>industrie<br />
als neuer gewinnversprechender Anlagesphäre für überakkumuliertes,<br />
„überschüssiges“ Kapital. Andererseits zielen sie auf die Werbe-, PR- und Kapitalzirkulationsfunktion<br />
der <strong>Medien</strong>, deren intensive Nutzung von der gesamten Wirtschaft<br />
angesichts der Krisen der Überakkumulation, des Kaufkraftrückgangs und der damit<br />
verbundenen Konkurrenzverschärfung als eine notwendige und geeignete Problemlösungsstrategie<br />
angesehen wird.<br />
Diese medienbezogenen Interessen und Strategien prinzipiell der gesamten Wirtschaft,<br />
allerdings hauptsächlich repräsentiert durch die Großunternehmen, sind mit ein<br />
Auslöser für Kapitalisierungsprozesse in der <strong>Medien</strong>industrie. Denn sie bewegten – zusammen<br />
mit den Interessen von <strong>Medien</strong>unternehmen – die Regierungen in den verschiedenen<br />
europäischen Staaten dazu, im gesamtwirtschaftlichen Interesse durch gesetzliche<br />
Privatisierung und Deregulierung der <strong>Medien</strong>sektoren Hörfunk, Fernsehen,<br />
Telekommunikation und Internet Kapitalisierungs- und Kommerzialisierungs-Hindernisse<br />
zu beseitigen. Zum anderen wurde dadurch der Druck auf die in einem hohen<br />
Maße von Werbeeinnahmen abhängigen <strong>Medien</strong>unternehmen erhöht, ihre Werbe-, PRund<br />
Zirkulationsfunktion im Interesse der gesamten Wirtschaft und im existenznot-<br />
182
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
wendigen Eigeninteresse auf der Basis von Kapitalisierung und Kommerzialisierung der<br />
<strong>Medien</strong>produktion noch effektiver als bislang zu erfüllen. In Verbindung damit wuchs<br />
auch die Notwendigkeit bzw. Bereitschaft von <strong>Medien</strong>unternehmen, ihren Kapitalbedarf<br />
verstärkt aus bislang medienfremdem Kapital bzw. durch einen Börsengang zu<br />
decken.<br />
Das grundsätzliche Problem ist jedoch darin zu sehen, dass die Kapitalisierung der<br />
<strong>Medien</strong>industrie – auch in ihrer Nutzung als mittelfristige Problemlösungsstrategie für<br />
die gesamte Wirtschaft – zwangsläufig langfristig zu erheblichen wirtschaftlichen und<br />
gesellschaftlichen Folgeproblemen führt (Abbildung 1). Aufgrund dessen, dass das<br />
handlungsleitende Strategieziel der Gewinnmaximierungsinteressen der Einzelkapitale<br />
als unumstrittenes Basisziel des Kapitalismus politisch legitimiert ist und durchgesetzt<br />
wird, kann es im ebenfalls politisch legitimierten Konkurrenzkampf der Einzelkapitale<br />
systematisch immer nur zu vorübergehenden einzelwirtschaftlichen Problemlösungen<br />
kommen, die in Wirklichkeit zu Problemverschärfungen für die Einzelkapitale und für<br />
die Gesamtwirtschaft führen. Denn es kommt auch über die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
zu einer Umverteilung von Kapital und Profit, die durch zunehmende Ungleichverteilungen<br />
gekennzeichnet ist: mit vorübergehenden „Gewinnern“ (Kapitalkonzentration)<br />
und (<strong>zum</strong> Teil „endgültigen“) „Verlierern“ (Kapitalvernichtung). Aber<br />
dies ist auch für die Gewinner keine dauerhafte Problemlösung, sondern eine Problemverschärfung,<br />
da die genannten dauerhaften Grundprobleme kapitalistischer Wirtschaft<br />
(strukturelle Überakkumulation, sinkende Profitraten, Verschärfung der Konkurrenz)<br />
auf höherem Niveau zwangsläufig zur nächsten ökonomischen „Krise“ führen.<br />
Dies gilt in strukturell ähnlicher Weise auch für die langfristigen gesellschaftlichen<br />
Folgeprobleme, die durch die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie teilweise verstärkt<br />
werden. Es kommt in der Bevölkerung zu einer weit reichenden Umverteilung von Konsumgütern<br />
aller Art, die in Verbindung mit Lohn- und Gehaltseinbußen, Massenarbeitslosigkeit<br />
und Abbau des Sozialstaates zu einer Ausweitung der ökonomischen und<br />
sozialen Ungleichheiten führt. Dies verursacht einerseits, insbesondere aufgrund der damit<br />
verbundenen mangelnden Massenkaufkraft, die nächste ökonomische „Krise“ und<br />
letztendlich die nächste gesellschaftlich-politische „Krise“. Zur Lösung gesamtwirtschaftlicher<br />
und gesamtgesellschaftlicher Probleme, etwa im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen<br />
Verteilungsgerechtigkeit, ist die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie folglich<br />
kaum ein geeignetes Mittel. Im Gegenteil: Sie fördert die weitere Kapitalisierung<br />
und Kommerzialisierung des gesamten sozialen und gesellschaftlichen Lebens mit den<br />
noch näher aufzuzeigenden negativen Folgen.<br />
4. Ursachen, Formen und Folgen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Das intensive Studium der generellen und aktuellen Entwicklungsprozesse des Kapitalismus<br />
ist meines Erachtens eine geeignete Grundlage, um den Kapitalisierungsprozess<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie hinsichtlich seiner Ursachen, Formen, Folgen und weiteren Entwicklung<br />
wissenschaftlich angemessen analysieren, erklären und teilweise prognostizieren<br />
zu können. Konkreter Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die offensichtlich<br />
marktradikal „entfesselte“ <strong>Medien</strong>industrie als integraler Funktionsbereich im Kapitalismus<br />
mit dem derzeitig erkennbaren, ebenfalls „entfesselten“ globalen Transformationsprozess<br />
des Kapitalismus zusammenhängt, der u. a. schlagwortartig als „Turbo“-<br />
Kapitalismus (vgl. Altvater/Haug/Negt u. a. 1999) oder als „Shareholder“-Society (vgl.<br />
Deppe/Detje 1998, 171ff.) oder als „Kapitalismus pur“ (Bischoff/Deppe/Kisker 1998,<br />
225) gekennzeichnet wird.<br />
183
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Abbildung 2: Ursachen, Formen und Folgen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Ursachen Formen Folgen<br />
Kapitalistische<br />
Produktionsweise<br />
Bewegungsgesetze<br />
des Kapitals<br />
Kapitalistische<br />
Gesellschaftsform<br />
Aktuelle „Krise“<br />
Verwertungsprobleme<br />
des Kapitals /<br />
<strong>Medien</strong>kapitals<br />
Kapitalstrategien<br />
„Entfesselung“<br />
Staatliche<br />
Wirtschaftspolitik<br />
„Ökonomisierung“<br />
Kapitalisierungsschub<br />
Privatisierung /<br />
Kommerzialisierung /<br />
Erweiterung<br />
<strong>Medien</strong>industrie<br />
Struktur- und<br />
Funktionswandel<br />
<strong>Medien</strong>industrie<br />
gemäß<br />
Kapitalinteressen<br />
184
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
Aus kritischer politökonomischer Perspektive ist die aktuelle Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
im engen Zusammenhang mit dem generellen Entwicklungsprozess des<br />
Kapitalismus mit den damit verbundenen Kapitalverwertungsproblemen in allen Wirtschaftszweigen<br />
zu sehen. Dabei gilt es jedoch auch, die ökonomisch-politischen Besonderheiten<br />
der <strong>Medien</strong>produktion, -distribution und -konsumtion im Vergleich zu anderen<br />
Wirtschaftsbereichen zu beachten. Sie ergeben sich vor allem durch die zusätzlichen<br />
(über die „normale“ ökonomische Kapitalverwertungsfunktion durch Produktion<br />
und Absatz der <strong>Medien</strong>produkte hinausgehenden) gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlich-politischen<br />
Funktionen, die mit der privatwirtschaftlichen <strong>Medien</strong>produktion<br />
in der Regel erfüllt werden (vgl. Holzer 1994, 195):<br />
• einerseits die unverzichtbaren ökonomischen Funktionen für die gesamte Volkswirtschaft<br />
(allgemeine Werbe- und Warenzirkulationsfunktion, Kapitalverwertungsfunktion<br />
für <strong>Medien</strong>technik, auch als Produktionsmittel),<br />
• andererseits die ebenso unverzichtbaren ideologischen Funktionen für die Legitimation<br />
und Herrschaftssicherung des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems<br />
(Ideologieproduktionsfunktion) in der Bevölkerung,<br />
• und schließlich die Funktionen für die Reproduktion der Arbeitskräfte durch <strong>Medien</strong>konsum<br />
(Regenerationsfunktion).<br />
Der Zusammenhang von Ursachen, Formen und Folgen der gegenwärtigen Kapitalisierung<br />
der <strong>Medien</strong>industrie ist in Abbildung 2 zunächst im Überblick dargestellt. Als drei<br />
Ursachen-Komplexe eines zusammenwirkenden Ursachen-Bündels können unterschieden<br />
werden:<br />
• die dauerhaft grundlegenden Wirkungsfaktoren kapitalistischer Produktionsweise<br />
und Gesellschaftsform sowie der Bewegungsgesetze des Kapitals (vgl. Altvater/<br />
Hecker/Heinrich/Schaper-Rinkel 1999), denen die kapitalistische <strong>Medien</strong>industrie<br />
im Grundsatz in gleicher Weise wie andere Industrien unterworfen ist;<br />
• die Besonderheiten der aktuellen „Krise“ mit den aktuellen Verwertungsproblemen<br />
des Kapitals bzw. des <strong>Medien</strong>kapitals, ursächlich mit dem gegenwärtig zu beobachtenden<br />
Entfesselungs- und Transformationsprozess des Kapitalismus verbunden;<br />
• die konkreten aktuell wirksamen Kapital- bzw. <strong>Medien</strong>kapitalstrategien im Zusammenwirken<br />
mit den Entfesselungsleistungen staatlicher (<strong>Medien</strong>-)Wirtschaftspolitik<br />
(Privatisierung, Deregulierung, Konzentrationsförderung etc.) als Ursachen für Formen<br />
und Folgen des gegenwärtigen Kapitalisierungsschubs in der <strong>Medien</strong>industrie<br />
(vgl. Knoche 1999a, 180ff.).<br />
4.1 Ursachen der Kapitalisierung<br />
In Abbildung 3 werden ausgewählte Ursachen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
detaillierter dargestellt, als erstes die Faktoren, die grundsätzlich kennzeichnend für<br />
die kapitalistische Produktionsweise sind (vgl. u. a. Conert 1997, 141, Kisker 2000a,<br />
66 ff.):<br />
• die spezifische Form des Kapitalverhältnisses: das rechtlich geschützte Privateigentum<br />
an den Produktionsmitteln sowie die daraus abgeleitete Verfügungsmacht über<br />
die abhängig Arbeitenden (Arbeitskraft als Ware) sowie das Recht der alleinigen Bestimmung<br />
der Produktionsziele und der Verwertung der produzierten Waren durch<br />
das Kapital,<br />
• die spezifische Form kapitalistischer Produktionsverhältnisse als Herrschaftsverhältnisse<br />
von Kapital über Arbeit,<br />
185
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
• der spezifische widersprüchliche Zusammenhang von Produktivkräften (Verhältnis<br />
von konstantem Kapital = Produktionsmittel und Rohstoffe sowie variablem Kapital<br />
= Arbeitskraft) und Produktionsverhältnissen,<br />
• die spezifische Form kapitalistischer Warenproduktion als Produktion von Werten<br />
(Gebrauchs- und Tauschwerte), wobei die Tauschwertrealisierung für die Kapitaleigner<br />
die Gebrauchswertinteressen der Konsumenten dominiert,<br />
• die spezifische Form kapitalistischer Mehrwertproduktion durch Aneignung des<br />
durch Mehrarbeit der abhängig Arbeitenden produzierten Mehrwerts durch das Kapital,<br />
• die spezifische Form des Zusammenhangs von Produktions-, Verwertungs- und Profitzwang<br />
mit Konkurrenz, Akkumulation, Konzentration und Zentralisation des Kapitals,<br />
• die spezifische Form kapitalistischer Herrschaftssicherung durch das Zusammenwirken<br />
von Kapitaleignern und Staat (vgl. Nutzinger 1977, 222 ff.),<br />
• die spezifische Form der Kapitalisierung der Gesellschaft über den Zusammenhang<br />
von Produktions- und Reproduktionsprozess der Menschen mit der Ungleichheit<br />
der Güter- und Einkommensverteilung und der damit verbundenen Ungleichheit der<br />
materiellen, politischen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse.<br />
Abbildung 3: Ursachen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Kapitalistische<br />
Produktionsweise<br />
• Privateigentum an<br />
Produktionsmitteln<br />
• Arbeitskraft als Ware<br />
• Warenproduktion<br />
• Mehrwert-Produktion<br />
• Konkurrenz<br />
• Kapitalakkumulation<br />
• Kapitalisierung der<br />
Gesellschaft<br />
„Krise“ des Kapitalismus<br />
/ der <strong>Medien</strong>industrie<br />
• Strukturelle<br />
Überakkumulation<br />
• Unterkonsumtion<br />
• Kapitalentwertung<br />
• Fall der Profitrate<br />
• Wachstumskrise<br />
• Verschärfung Konkurrenz<br />
• Probleme Sicherung<br />
Produktionsverhältnisse<br />
/ Herrschaftssicherung<br />
„Entfesselung“ / Transformation<br />
des Kapitalismus / der<br />
<strong>Medien</strong>industrie<br />
Kapitalstrategien<br />
• Internationalierung /<br />
Globalisierung<br />
• Kapitalkonzentration /<br />
-zentralisation<br />
Staatliche Wirtschaftspolitik<br />
• Privatisierung / Deregulierung<br />
• Liberalisierung der<br />
Finanzmärkte<br />
• Industriepolitik / Wettbewerbspolitik<br />
Berücksichtigt man diese grundlegenden Faktoren der kapitalistischen Produktionsweise,<br />
so wird erklärlich, weshalb alle Sektoren der privatwirtschaftlichen <strong>Medien</strong>industrie<br />
in prinzipiell gleicher Weise einem ständig fortschreitenden Kapitalisierungsprozess<br />
unterworfen sind. Dies gilt für die Sektoren Presse, Buch, Film, Video, Musik, Radio,<br />
Fernsehen, für die im Kontext der Globalisierung der gesamten Wirtschaft und auch<br />
der <strong>Medien</strong>industrie ein neuer Kapitalisierungsschub zu beobachten ist (vgl. Herman/McChesney<br />
1997, 41ff.). Dieser zeigt sich <strong>zum</strong> Beispiel darin, dass einige Großun-<br />
186
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
ternehmen der – verglichen mit anderen Industrien ökonomisch bislang eher unbedeutenden<br />
– <strong>Medien</strong>industrie in ihren Kapitalisierungsstrategien „Anschluss“ an das Kapitalisierungsniveau<br />
anderer Industrien gewinnen. So entwickelte sich <strong>zum</strong> Beispiel die<br />
Bertelsmann AG <strong>zum</strong> „<strong>Medien</strong>konzern mit angeschlossener Investmentbank“ (Jakobs<br />
2001, 110), d. h. der größte Teil des Gewinns wird seit Jahren nicht mit <strong>Medien</strong>produktionen,<br />
sondern mit Börsendeals und dem Kauf/Verkauf von Unternehmen(-santeilen)<br />
erwirtschaftet.<br />
Des Weiteren sind in Abbildung 3 die Faktoren genannt, die im Zusammenhang mit<br />
aktuellen Krisenerscheinungen des Kapitalismus und der <strong>Medien</strong>industrie als relevante<br />
Ursachen für die weitere Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie gelten können. Die Entwicklung<br />
des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist generell in hohem Maße von struktureller<br />
Überakkumulation des Kapitals bestimmt, die als wesentlicher Auslöser für<br />
Wirtschaftskrisen auf der Basis einer disproportionierten Entwicklung (vgl. Zinn 1998,<br />
23) wirkt. Disproportion bedeutet, dass grundsätzlich mehr produziert wird als abgesetzt,<br />
d.h. mit einer als angemessen angesehenen Profitrate verwertet werden kann, beziehungsweise<br />
dass aufgrund der Absatzprobleme weniger produziert wird, so dass es<br />
zu Überkapazitäten bei den Unternehmen kommt. Strukturelle Überakkumulation, die<br />
insbesondere durch Überinvestitionen, Überkapazitäten und Überproduktionen signalisiert<br />
wird, bedeutet, dass zu viel Kapital im Verhältnis zu den realisierbaren Profitraten<br />
akkumuliert wird, so dass es zur Gefahr einer Kapitalentwertung kommt. Das strategische<br />
Handeln der Unternehmen ist folglich darauf gerichtet, Maßnahmen zu ergreifen,<br />
um der mit der Überakkumulation einhergehenden Krisengefahr zu begegnen (vgl.<br />
Kisker 1998, 87ff.). Überakkumulation und Disproportionen sind Folgen der Konkurrenz<br />
zwischen den Unternehmen und den Branchen, die durch Überproduktion über<br />
den grundsätzlich durch mangelnde Kaufkraft beschränkten Bedarf bzw. die durch gesättigte<br />
oder nicht ausgeprägte Bedürfnisse beschränkte Nachfrage (Unterkonsumtion)<br />
hinausgehend im Konkurrenzkampf beim Verkauf ihrer Waren „gewinnen“ wollen.<br />
Ursachen dieser die Kapitalverwertung elementar gefährdenden Wachstumsgrenzen<br />
sind Kaufkraftrückgänge infolge von Senkung des Lohn- und Gehaltsniveaus, Arbeitslosigkeit,<br />
Rückgang der Sozialleistungen, wachsender Sparzwang (Vorsorge, Versicherungen)<br />
sowie weitgehende Sättigung von „absoluten“, lebenswichtigen Bedürfnissen.<br />
Zur Überwindung dieser Wachstumsgrenzen und der damit verbundenen Gefahren der<br />
existenzgefährdenden Gewinnreduzierungen werden im Konkurrenzkampf von Unternehmen<br />
gleicher und verschiedener Branchen regelmäßig folgende Produktionsstrategien<br />
eingesetzt: (Teilweise) Verlagerung der Produktion von existenznotwendigen Gütern<br />
für die Befriedigung absoluter, lebenswichtiger Bedürfnisse hin zur Produkten für<br />
relative Bedürfnisse („Geltungs- bzw. Prestigekonsum“), damit verbunden (teilweise)<br />
Verlagerung der Produktion vom sekundären (industriellen) Sektor auf den tertiären<br />
(Dienstleistungs-)Sektor und (teilweise) Verlagerung der Produktion von materiellen zu<br />
immateriellen Gütern (vgl. Zinn 1998, 28ff.). Für die Anwendung derartiger kombinierter<br />
Unternehmensstrategien wird die <strong>Medien</strong>industrie im Allgemeinen insofern als<br />
wachstumsträchtiges und Gewinn bringendes Geschäftsfeld angesehen, weil sie aufgrund<br />
des Zusammenspiels der drei Produktionsstrategien Wachstumschancen eröffnet.<br />
In diesem Kontext ist der aktuelle Prozess der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
hauptsächlich in dreifacher Weise erklärbar. Die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie ist<br />
• erstens für traditionelle <strong>Medien</strong>unternehmen ein Mittel, ihre mit der Überakkumulation<br />
und der Konkurrenz verbundenen Kapitalverwertungsprobleme zu lösen, u. a.<br />
durch Anlage überschüssigen Kapitals in neuen privatisierten <strong>Medien</strong>sektoren bzw.<br />
in neuen <strong>Medien</strong>märkten oder in <strong>Medien</strong>produktinnovationen,<br />
187
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
• zweitens für Unternehmen aus anderen Industrien/Wirtschaftszweigen/Branchen<br />
ein Mittel, ihre Kapitalverwertungsprobleme durch eine verstärkte absatzfördernde<br />
Werbung und PR über die <strong>Medien</strong> zu lösen und<br />
• drittens für Unternehmen aus anderen Industrien/Wirtschaftszweigen/Branchen ein<br />
Mittel, ihre Kapitalverwertungsprobleme durch Anlage ihres überschüssigen Kapitals<br />
in einer durch die Kapitalisierung erheblich erweiterten <strong>Medien</strong>industrie zu lösen.<br />
Schließlich wird in Abbildung 3 ein weiteres Ursachenbündel vorgestellt, das im Zusammenhang<br />
mit der „Entfesselung“ bzw. Transformation des Kapitalismus und der<br />
<strong>Medien</strong>industrie relevant ist. Von „Entfesselung“ kann man z.B. insofern sprechen, als<br />
sich das <strong>Medien</strong>kapital wie das übrige Kapital durch Internationalisierung und Globalisierung<br />
von den „Fesseln“ der Nationalstaaten befreit. Eine ähnliche „Entfesselung“,<br />
nämlich die Befreiung von Kapitalverwertungshindernissen, wird insbesondere durch<br />
Privatisierung und Deregulierung von Rundfunk, Telekommunikation und Internet im<br />
Zusammenwirken mit staatlicher Wirtschaftspolitik erreicht. Im Rahmen staatlicher<br />
konzentrationsfördernder Industrie-, Standort- und Wettbewerbspolitik wird die <strong>Medien</strong>industrie<br />
zusätzlich von Konzentrationshindernissen befreit (vgl. Knoche 1996).<br />
Schließlich befreit sich das <strong>Medien</strong>kapital im Rahmen neoliberaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik<br />
von den „Fesseln“ des Sozialstaats und der parlamentarischen Demokratie.<br />
Das bedeutet <strong>zum</strong> Beispiel für die <strong>Medien</strong>industrie, dass sie sich von den „Fesseln“<br />
der Reste einer öffentlich-rechtlichen bzw. kulturellen Orientierung der <strong>Medien</strong>produktion<br />
und der <strong>Medien</strong>politik befreit.<br />
4.2 Formen und Folgen der Kapitalisierung<br />
Als Formen des Kapitalisierungsschubs in der <strong>Medien</strong>industrie können wir u.a. die in<br />
Abbildung 4 genannten Bereiche nennen, die in ihrer gegenwärtigen Form Ausdruck<br />
dieses Kapitalisierungsschubs sind, zusätzlich auch Produktdiversifikationen und -innovationen<br />
im Pressebereich. Man kann Formen dieses Kapitalisierungsschubs benennen,<br />
die für verschiedene <strong>Medien</strong>sektoren in gleicher Weise zu beobachten sind, z. B. die<br />
stärkere Einbeziehung der <strong>Medien</strong>produktion in das gesamtwirtschaftliche System kapitalistischer<br />
Waren- und Mehrwertproduktion sowie in das System der Konsumwerbung.<br />
Damit verbunden ist ein intensiverer Einfluss von Produktions- und Kapitalverwertungszwang,<br />
von Profitmaximierungs- und Konkurrenzzwang sowie von Akkumulations-<br />
und Konzentrationszwang. Die prinzipielle Gleichartigkeit (<strong>zum</strong> Teil je<br />
nach Entwicklungsstand des <strong>Medien</strong>sektors ungleichzeitig) der Kapitalisierungsschübe<br />
in den einzelnen <strong>Medien</strong>sektoren ergibt sich aus der prinzipiellen Gleichartigkeit der<br />
aufgezeigten Ursachen hierfür, die sich wiederum aufgrund der Gleichartigkeit der Voraussetzungen<br />
– der privatwirtschaftlichen Organisationsform der <strong>Medien</strong> in einem kapitalistischen<br />
Wirtschafts- und Gesellschaftssystem – ergeben. Zusätzlich zeigt sich die<br />
Gleichartigkeit darin, dass durch technische und ökonomisch-institutionelle Konvergenz<br />
der Kapitalisierungsschub in einer <strong>Medien</strong>industrie wirksam ist, die gerade durch<br />
den zunehmenden Abbau von Besonderheiten einzelner <strong>Medien</strong>sektoren gekennzeichnet<br />
ist.<br />
Darüber hinausgehend kann man auf der Ebene einer differenzierteren Analyse für<br />
verschiedene <strong>Medien</strong>sektoren einer erweiterten <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsindustrie<br />
auch einige spezifische Ursachen, Formen und Folgen dieses Kapitalisierungsschubs<br />
erkennen. Als bedeutsam erscheint mir hierzu die Unterscheidung (vgl. Knoche 1999a,<br />
153ff.) nach:<br />
188
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
• <strong>Medien</strong>kapital, das zur Produktion bzw. Vervielfältigung von Programmen/Inhalten<br />
eingesetzt wird (die <strong>Medien</strong>sektoren Nachrichtenagentur, Presse, Buch, Hörfunk,<br />
Audio, Fernsehen, Film, Video, Online-Produktion), sowie<br />
• medienbezogenem Kapital und <strong>Medien</strong>infrastrukturkapital, das nur – und dies in der<br />
Regel nur teilweise – für die Produktion von medienbezogenen Produktions-, Komprimierungs-/Speicher-,<br />
Übertragungs-, Verschlüsselungs- und Empfangstechniken<br />
eingesetzt wird (Elektronikindustrie, Chemieindustrie, Computerindustrie, Telekommunikationsindustrie,<br />
Kabel- und Satellitenindustrie, Druckindustrie, Papierindustrie,<br />
Maschinenbauindustrie).<br />
Die medienbezogenen Industriezweige haben schon seit längerem den im Kapitalismus<br />
„normalen“ fortschreitenden Kapitalisierungsprozess vollzogen (die Unternehmen dieser<br />
Industriezweige waren <strong>zum</strong> Beispiel auch schon vor der Privatisierung des Telekommunikationsbereichs<br />
Zulieferer von <strong>Medien</strong>technik nach privatwirtschaftlichen<br />
Geschäftsgrundsätzen). Neuartiger, umfassender und politisch wesentlich bedeutsamer<br />
sind die Kapitalisierungsprozesse in den <strong>Medien</strong>sektoren, in denen die Kapitalverwertung<br />
mit programmlicher/inhaltlicher Produktion bzw. Vervielfältigung betrieben wird.<br />
Hier werden alle eingangs erwähnten grundlegenden Kapitalisierungsprozesse wirksam:<br />
von der Kapitalisierung über die Privatisierung, Deregulierung und Kommerzialisierung<br />
von Sektoren der <strong>Medien</strong>industrie, die bislang in Europa staatlich oder öffentlichrechtlich,<br />
größtenteils als Monopole, organisiert waren, über die zunehmende Kommerzialisierung<br />
der <strong>Medien</strong>inhalteproduktion als Warenproduktion in allen <strong>Medien</strong>sektoren,<br />
den zunehmenden Einfluss der Werbewirtschaft und die Einbindung der<br />
<strong>Medien</strong> als Verkaufsmedien (Teleshopping, E-Commerce) bis hin zur gesamtwirtschaftlichen<br />
(Werbung, Absatzfunktion, Konsumklima), politischen (politisches Bewusstsein,<br />
Legitimation des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems)<br />
und gesellschaftlichen (Regeneration der Arbeitskräfte durch Unterhaltung) Funktionserfüllung<br />
der <strong>Medien</strong>produktion im weltweiten Transformationsprozess des Kapitalismus.<br />
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Identifizierung tendenziell differenzierender<br />
Kapitalisierungsprozesse könnte die Finanzierungsart der <strong>Medien</strong>produktion<br />
sein. <strong>Medien</strong>produktionen, die ausschließlich oder überwiegend aus Werbung finanziert<br />
werden, so könnte man meinen, sind einem anderen Kapitalisierungsdruck ausgesetzt<br />
als <strong>Medien</strong>produktionen, die ausschließlich über den Verkauf/Verleih finanziert<br />
werden. Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass <strong>Medien</strong>produktionen wie Film/Video<br />
und Audio (Musik) in weitem Maße auch so produziert werden, dass sie als werbegünstiges<br />
Umfeld bei Radio- und Fernsehsendungen dienen können. Die Kapitalisierung<br />
des Radio- und Fernsehsektors erfolgt nicht nur im Interesse der beteiligten Unternehmen<br />
und der Werbewirtschaft, sondern auch der Film- und Musikindustrie. Durch den<br />
Verkauf von Abspiel-Rechten an private Radio- und Fernsehunternehmen werden<br />
nicht nur zusätzliche Absatzmöglichkeiten geschaffen, sondern es wird auch das Problem<br />
mangelnder Kaufkraft und damit der Überproduktion/Überkapazitäten tendenziell<br />
verringert, da keine materiellen Produkte direkt einzeln an Konsumenten verkauft<br />
werden müssen wie beim CD- oder Video-Verkauf. Eine zusätzliche Variante der Kapitalisierung<br />
des Fernsehsektors, Pay-TV ohne Werbefinanzierung, dient der Lösung<br />
von Kapitalverwertungsproblemen, die sich aus Überkapazitäten an Filmen bzw. Filmrechten<br />
ergeben, für die der Absatz allein über werbefinanzierte Sender nicht ausreichend<br />
ist.<br />
Schließlich lässt eine Unterscheidung in „traditionelle“ und „neue“ <strong>Medien</strong>sektoren<br />
Differenzierungen des Kapitalisierungsprozesses sichtbar werden. Während traditio-<br />
189
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
nelle <strong>Medien</strong>sektoren <strong>zum</strong> Teil schon seit langem auf einer hohen Stufe der Kapitalisierung<br />
angelangt sind (insbesondere Film- und Musikindustrie), ist die Kapitalisierung des<br />
Internet bzw. von Online-<strong>Medien</strong> erst in einer Anfangsphase. „Strategien für die digitale<br />
Wirtschaft“ (European Communication Council Report 1999) gibt es zur Genüge,<br />
und vermutlich wird der Kapitalisierungsprozess der Online-Kommunikation schnell<br />
voranschreiten, da er auf der Basis eines hohen Kapitalisierungsgrades der gesamten interessierten<br />
Wirtschaft, darunter auch der <strong>Medien</strong>industrie, vorangetrieben wird.<br />
Abbildung 4: Formen und Folgen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
Formen<br />
Folgen<br />
Kapitalisierungsschub<br />
• Privatisierung Hörfunk/Fernsehen<br />
• Privatisierung Telekommunikation<br />
• Privatisierung Mobilkommunikation<br />
• Privatisierung Internet<br />
• Pay TV<br />
• Digitalisierung<br />
• Neue Werbeformen/Merchandising<br />
• Produktdiversifikation/Produktinnovation<br />
• Diversifizierte Multimedienunternehmen<br />
• Börsengang/Kapitalbeschaffung<br />
• Aktiengesellschaft<br />
Struktur-/Funktionswandel<br />
gemäß Kapitalinteressen<br />
• Ausweitung Kommerzialisierung<br />
• Massenkommunikation als Ware<br />
• Kapitalkonzentration und -zentralisation<br />
• Internationalisierung/Globalisierung<br />
• Strukturelle Arbeitslosigkeit<br />
• Prekäre Arbeitsverhältnisse<br />
• Warenwerbung/Konsumklima<br />
• Regeneration Bevölkerung<br />
• Legitimation/Herrschaftssicherung<br />
• <strong>Medien</strong>wirtschaftspolitik<br />
Als allgemeinste Folge der weiteren Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie ist zu beobachten,<br />
dass die <strong>Medien</strong>industrie noch stärker als bisher dem allgemeinen und medienspezifischen<br />
Struktur- und Funktionswandel von Wirtschaft und Gesellschaft gemäß<br />
den Kapitalverwertungsinteressen unterzogen wird und diesen gleichzeitig mit beeinflusst.<br />
Die Folgen der damit einhergehenden Ausweitung der Kommerzialisierung<br />
der <strong>Medien</strong>produktion erstrecken sich insbesondere auf<br />
• die Gestaltung der <strong>Medien</strong>produkte als Konsumgüter und als Waren in Konkurrenz<br />
zu anderen Waren,<br />
• den Ausbau der Funktion der <strong>Medien</strong> als Werbe- bzw. Warenzirkulationsmittel für<br />
die gesamte Volkswirtschaft mit entsprechenden Folgen für die Inhalte der <strong>Medien</strong>produkte,<br />
• die Verstärkung internationaler Kapital- und Marktkonzentration sowie der Globalisierung<br />
der <strong>Medien</strong>industrie,<br />
• die Ausbreitung struktureller Arbeitslosigkeit und prekärer Arbeitsverhältnisse auch<br />
in der <strong>Medien</strong>industrie,<br />
• die Regeneration der Arbeitskräfte gemäß den Kapitalinteressen,<br />
• die Beeinflussung der Bevölkerung hinsichtlich eines absatzfördernden „Konsumklimas“<br />
und eines politischen Bewusstseins gemäß den Kapitalinteressen,<br />
• die weitere Ausrichtung staatlicher <strong>Medien</strong>politik an den Kapitalinteressen,<br />
190
Knoche · Politökonomische Perspektive<br />
• die weitere Legitimation und Herrschaftssicherung des internationalen kapitalistischen<br />
Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, insbesondere in der gegenwärtig herrschenden<br />
Form des Neoliberalismus.<br />
5. Fazit<br />
Phänomene der Ökonomisierung und Kommerzialisierung der privatwirtschaftlichen<br />
<strong>Medien</strong>industrie wurden in diesem Beitrag unter Anwendung von Ansätzen der<br />
Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie und ihrer aktuellen Weiterentwicklungen<br />
als fortschreitende Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie betrachtet. Damit wird ein weltweiter<br />
Prozess gekennzeichnet, im Verlauf dessen die <strong>Medien</strong>produktion noch umfassender<br />
als bisher in das gesamtwirtschaftliche System kapitalistischer Waren- und Mehrwertproduktion<br />
einbezogen wird. Die damit verbundene Kapitalisierung von Information,<br />
Bildung, Politik, Kultur und Unterhaltung wird vor allem als Beitrag zur<br />
„Durchkapitalisierung“ aller Lebensbereiche im Zuge neoliberaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik<br />
gesehen. Die Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie folgt den Gesetzmäßigkeiten,<br />
die auch für andere Industriezweige wirksam sind, und sie erfüllt eine nicht<br />
unwesentliche Kapital- und Warenzirkulationsfunktion im Rahmen der Problemlösungsstrategien<br />
der gesamten Wirtschaft über ausgeprägte Werbe-, Marketing- und PR-<br />
Maßnahmen. Besonderheiten der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie sind darin zu sehen,<br />
dass damit zusätzlich zu den ökonomischen Funktionen der Kapitalverwertung unverzichtbare<br />
politisch-ideologische Funktionen der Legitimierung des kapitalistischen<br />
Wirtschafts- und Gesellschaftssystems sowie Regenerationsfunktionen für die Bevölkerung<br />
erfüllt werden. Ursachen, Formen und Folgen der Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie<br />
unterscheiden sich nicht prinzipiell von denjenigen, die in anderen Wirtschaftszweigen<br />
zu beobachten sind. Sie sind im Zusammenhang mit den allgemeinen Kapitalverwertungsproblemen<br />
und den Krisenphänomenen erklärbar, die dauerhaftes Kennzeichen<br />
kapitalistischer Wirtschaften sind. Es wird deutlich, dass die fortschreitende<br />
Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie als irreversibler Prozess kaum ein geeignetes Mittel<br />
ist, demokratietheoretisch wünschbare Funktionserfüllungen der <strong>Medien</strong>produktion<br />
zu fördern.<br />
Literatur<br />
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Ökonomisierung aus organisationssoziologischer<br />
Perspektive: Der Beitrag der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
zur Ökonomisierung<br />
Klaus-Dieter Altmeppen<br />
Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht eine Analyse der Ökonomisierung auf der Ebene<br />
von <strong>Medien</strong>unternehmen. Als Organisationen sind <strong>Medien</strong>unternehmen vor allem<br />
durch Ziele und Strukturen charakterisiert, wobei sie neben dem Profitprinzip auch<br />
publizistische Ziele verfolgen und beide Ziele in Einklang bringen müssen. Da die Ziele<br />
Entscheidungsprämissen der <strong>Medien</strong> darstellen, kann eine Ökonomisierung auf organisationaler<br />
Ebene dann konstatiert werden, wenn wirtschaftliche Ziele die publizistischen<br />
Entscheidungen zunehmend dominieren. Anhand von fünf Thesen wird geprüft, ob die<br />
Ökonomisierung des <strong>Medien</strong>systems auch auf der Organisationsebene festgestellt werden<br />
kann. Thematisiert werden die Ökonomisierung der Entscheidungsprämissen und<br />
somit der Strategien der <strong>Medien</strong>unternehmen, die Ökonomisierung der Planungs- und<br />
Produktionsprozesse und schließlich die Ökonomisierung des Angebots. Im Ergebnis<br />
kann von einer Spirale der Ökonomisierung („Ökonomisierung der Ökonomisierung“)<br />
gesprochen werden. Aufgrund rekursiver Regulierung und Strukturierung treiben die<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen die Ökonomisierung aktiv und mit machtvollen Mitteln voran.<br />
1. Ökonomisierung und Kommerzialisierung: Eine Begriffsbestimmung<br />
aus organisationssoziologischer Perspektive<br />
Ökonomisierung ist kein eindimensionales Phänomen und so kann der Prozess der<br />
Ökonomisierung auf mehreren Ebenen erfasst werden. Auf der Makroebene wird Ökonomisierung<br />
als ein Prozess der De-Regulierung und Liberalisierung von Märkten und<br />
Wettbewerb angesehen. Eine zweite Form der Ökonomisierung entsteht durch das<br />
Handeln von Akteuren oder Akteursgruppen in den <strong>Medien</strong>unternehmen, im Mesobereich<br />
avancieren folglich die <strong>Medien</strong>unternehmen <strong>zum</strong> Untersuchungsobjekt.<br />
<strong>Medien</strong> können, fasst man sie als erwerbswirtschaftliche Einheiten mit Profitstreben,<br />
als Unternehmen im Rahmen der Institutionenökonomie oder als Organisationen im<br />
Rahmen der Organisationssoziologie analysiert werden. Als ökonomische Institutionen<br />
werden <strong>Medien</strong>unternehmen in ihren Wechselwirkungen mit Markt und Wettbewerb<br />
thematisiert (vgl. Kiefer 2001, 72 ff.), dabei stehen die vertraglichen und transaktionsgebundenen<br />
Handlungen der Unternehmen im Vordergrund. Das Interesse der Organisationssoziologie<br />
richtet sich stärker auf Verschränkungen zwischen den Strukturen, die<br />
in der Regel als Aufbauorganisation bezeichnet werden, und den Handlungsprozessen,<br />
also der Prozessgestaltung in Form der Ablauforganisation (vgl. von der Oelsnitz 2000;<br />
Krüger 1994; Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994). Dabei schält sich ein Zweig heraus, dessen<br />
Erkenntnisinteresse darauf gerichtet ist, die rekursiven Verschränkungen von Handeln<br />
und Strukturen zu fokussieren (vgl. Ortmann/Sydow/Windeler 1997). Diese Theorietradition<br />
lehnt sich in starkem Maß an die Strukturationstheorie von Giddens (1997) an,<br />
um ein tragfähiges Fundament für die Möglichkeiten und Restriktionen von Unternehmen<br />
und Akteuren zu schaffen.<br />
Der Mehrwert strukturationstheoretischer Verortung von <strong>Medien</strong>unternehmen liegt<br />
vor allem darin, den aktiven Part von Unternehmen an den ökonomischen Erscheinun-<br />
195
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
gen hervorzuheben. Nicht allein Märkte sind danach die bestimmenden Faktoren des<br />
<strong>Medien</strong>systems, sondern die Unternehmen regulieren diese Märkte aktiv und schaffen<br />
damit Marktstrukturen – und die Unternehmen werden von den Märkten reguliert und<br />
müssen ihre internen Strukturen und ihre Strategien darauf einrichten (vgl. Altmeppen<br />
2001).<br />
Im Folgenden soll die Ökonomisierung unter Rückgriff auf diese organisationssoziologischen<br />
Ansätze analysiert werden. Auf der Mesoebene setzt sich immer mehr die Ansicht<br />
durch, Kommerzialisierung als einen Aspekt der Ökonomisierung anzusehen, da<br />
der Begriff Kommerzialisierung insbesondere auf die Folgen überbordender ökonomischer<br />
Prinzipien auf der Unternehmensebene abzielt (vgl. McQuail 1986). Kommerzialisierung<br />
auf Unternehmensebene wäre dann als „Zurückdrängen der gesellschaftlich erwünschten<br />
meritorischen zu Gunsten der auf Märken verkäuflichen und einzelwirtschaftlich<br />
rentablen Angebote“ (Kiefer 2001, 22) zu verstehen.<br />
Ökonomisierung (der Begriff soll im Rahmen dieses Beitrags beibehalten werden)<br />
findet also auf der Ebene von Organisationen als ein geplanter – wenn auch in den Folgen<br />
nicht immer intendierter –, einem rekursiven Strukturierungs-/Regulierungskonzept<br />
folgender Prozess statt, bei dem für alle <strong>Medien</strong>organisationen zunehmend die ökonomischen<br />
Regeln kapitalistischer Gesellschaften gelten und bei dem publizistisches<br />
Handeln weitgehend von wirtschaftlichen Kalkülen geprägt wird.<br />
Es geht bei der Ökonomisierung nicht um die Frage, ob dies ein neues Phänomen ist.<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen handeln grundsätzlich medienwirtschaftlich, denn für <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
– auch für öffentlich-rechtliche – ist die Geldabhängigkeit konstitutiv, also<br />
die Beschaffung, Bewirtschaftung und Mehrung des Geldes. Die gegenwärtigen Prozesse<br />
der Ökonomisierung verweisen aber auf eine Phase besonders intensiver Dominanz<br />
ökonomischen Kalküls.<br />
So ist die Tatsache, dass es Werbung gibt, kein Beleg für die Ökonomisierung. Ein Beleg<br />
ist aber sehr wohl, dass die <strong>Medien</strong>unternehmen die Werbung ausdehnen (durch Steigerung<br />
der Werbezeiten), intensivieren (durch Erhöhung der Werbeetats), verfeinern<br />
(durch Marktforschung) und konzentrieren (durch Fusionen der Werbeanbieter).<br />
Aufgrund dieser Ökonomisierungstendenzen stellt sich die Frage, worauf die Dominanz<br />
der Ökonomisierung beruht, wo ihre Ursachen auf der Unternehmensebene festgemacht<br />
werden können und welche Merkmale für eine Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
charakteristisch sind. Mit den folgenden Thesen ist daher der Versuch<br />
verbunden, Phänomene der Ökonomisierung aufgrund theoriegeleiteter Hypothesen<br />
auf organisationaler Ebene zu identifizieren. Zu Beginn sollen zuerst die Merkmale von<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen als Organisationen aufgezeigt werden.<br />
2. <strong>Medien</strong>unternehmen als Organisationen – eine begriffliche Konkretisierung<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen können als Systeme organisierten Handelns aufgefasst werden, die<br />
kommunikationsabhängig (Organisationen konstituieren sich über Kommunikation)<br />
sowie entscheidungsfixiert (Entscheidungen sind die zentralen Operationsweisen) und<br />
ressourcengebunden (Geld) sind.<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen sind Leistungsorganisationen des Wirtschaftssystems und agieren<br />
dementsprechend nach wirtschaftlichen Kriterien. Als Wirtschaftsunternehmen handeln<br />
sie nach der Devise von Zahlung/Nichtzahlung, nicht nach dem Code von öffentlich/nicht-öffentlich,<br />
der für den Journalismus die zentrale Handlungsleitung ist. Nicht<br />
die Veröffentlichungen, sondern die über Markthandlungen erfolgenden Zahlungen entscheiden<br />
über den Fortbestand und die künftige Entwicklung der <strong>Medien</strong>unternehmen.<br />
196
Altmeppen · Organisationssoziologische Perspektive<br />
Zu den zentralen organisationalen Charakteristika gehören die Ziele und Strukturen<br />
der <strong>Medien</strong>unternehmen. Üblicherweise gelten das autonome Wirtschaften, das Profitprinzip<br />
und das Privateigentum der Produktionsmittel als Kennzeichen von Unternehmen.<br />
Im Gegensatz zu den meisten anderen Unternehmen müssen <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
jedoch neben dem Profitprinzip auch publizistische Ziele verfolgen und beide Ziele in<br />
Einklang bringen. Da sie sowohl auf dem Rezipienten- wie auf dem Werbemarkt erfolgreich<br />
sein müssen, spiegeln sich die Mechanismen des Verbundproduktes „<strong>Medien</strong>“ (vgl.<br />
Kiefer 2001, 151 ff.) auch in den dichotomen Zielen wider.<br />
Ziele repräsentieren den Sinn von Organisationen, mit den Zielen werden die<br />
Operationen in den <strong>Medien</strong> strukturiert. Ziele stellen in diesem Sinn die Entscheidungsprämissen<br />
der <strong>Medien</strong> dar. Zu diesen Grundlagen des medienunternehmerischen<br />
Handelns gehören die Geschäftsziele sowie die unternehmerischen Strategien auf der<br />
einen und die publizistischen Ziele auf der anderen Seite. In sozialer Hinsicht werden<br />
die Mitarbeiter auf die Entscheidungsprämissen verpflichtet und zu deren Umsetzung<br />
angehalten. Entscheidungsprämissen regulieren als Sollensebene die Regeln und<br />
Verfahren, nach denen <strong>Medien</strong>angebote produziert werden. In sachlicher Hinsicht<br />
legen die Ziele die organisationalen Strukturierungen fest, in zeitlicher Hinsicht regulieren<br />
Ziele die Ereigniszeitpunkte (<strong>zum</strong> Beispiel die Einführung neuer Zeitschriften<br />
oder Programmformate). Im Hinblick auf die Ziele der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
ist eine Ökonomisierung in erster Linie dann zu konstatieren, wenn wirtschaftliche<br />
Ziele die publizistischen Entscheidungen zunehmend dominieren (vgl. Altmeppen<br />
2000).<br />
Analog zu den Zielen bilden <strong>Medien</strong>unternehmen ihre organisationale Gestaltung<br />
aus. Die Strukturen werden aus den Zielen abgeleitet und bestehen aus den Regeln, den<br />
Verfahrensweisen und Ressourcen, denn nachdem „die organisatorischen Zielkriterien<br />
definiert sind, stellt sich als zweites die Aufgabe, organisatorische Instrumentalvariablen<br />
zu finden, durch deren Einsatz organisatorische Ziele unter gegebenen Constraints realisiert<br />
werden können.“ (Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994, 170)<br />
Die „Instrumentalvariablen“ der <strong>Medien</strong>unternehmen bestehen aufbauorganisatorisch<br />
typischerweise in der Einrichtung von Ressorts und Programmredaktionen sowie<br />
den Abteilungen für Werbung und Vertrieb (vgl. Weischenberg 1992, 275ff.) und ablauforganisatorisch<br />
in einer entsprechenden Organisation der Geschäfts- und Produktionsprozesse<br />
nach Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (vgl. von der Oelsnitz<br />
2000, 113; Krüger 1994, 15 ff.). Dies bedeutet einerseits, dass <strong>Medien</strong>unternehmen die<br />
Regeln und Ressourcen ihrer Ablauf- und Aufbauorganisation (die Strukturen) zielorientiert<br />
planen, steuern und kontrollieren (vgl. von der Oelsnitz 2000). In diese Strukturen<br />
ist das publizistische und ökonomische Handeln der <strong>Medien</strong>schaffenden eingebettet.<br />
Die Strukturen ermöglichen erfolgreiches publizistisches Handeln und schränken es<br />
zugleich ein, denn die zeitlichen Abläufe der aktuellen <strong>Medien</strong>produktion beispielsweise<br />
sind ohne konkrete Regeln und Verfahren kaum zu bewältigen. Die aufbau- und ablauforganisatorischen<br />
Instrumente und Verfahrensweisen der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
können als Entscheidungsprogramme bezeichnet werden. Mit den Entscheidungsprogrammen<br />
werden die Ziele der <strong>Medien</strong>unternehmen insoweit konkretisiert, als sie Erwartungen<br />
an das publizistisch-ökonomische Handeln der Organisationsmitglieder formulieren<br />
(vgl. Luhmann 1987, 278 f.; 432 f.).<br />
Die Ermöglichung und Einschränkung medienwirtschaftlichen Handelns resultiert<br />
aus den situativen Bedingungen, den Constraints. Inwieweit die Entscheidungsprogramme<br />
– und damit im weiteren die Organisationsziele – erfolgreich umgesetzt werden<br />
können, entscheidet sich über die situativen Bedingungen. Hierzu gehören <strong>zum</strong> Beispiel<br />
197
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
das Vorhandensein oder Fehlen von Informationen, die Konkurrenzbedingungen und<br />
die Möglichkeit, Ressourcen zu aktivieren.<br />
Die Verfahrensweisen und Regeln in den <strong>Medien</strong>unternehmen werden also nicht einfach<br />
festgesetzt und dann fortgeschrieben, sondern sie werden auch verändert, weil sie<br />
den Umweltbedingungen und den situativen Anforderungen angepasst werden (vgl.<br />
Ortmann/Sydow/Windeler 1997, 318 ff.). Insbesondere die Marktorientierung der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
(vgl. von der Oelsnitz 2000, 13 ff.) fordert permanent dazu heraus, die<br />
Entscheidungsprämissen und die operativen Entscheidungsprogramme zu vergleichen<br />
und möglicherweise anzupassen. Dem medienwirtschaftlichen Handeln ist somit eine<br />
Rekursivität von Regulierungen und Strukturierungen inhärent. Rekursive Regulierung<br />
und Strukturierung bedeutet, dass die Strategie Grundlage, aber auch Folge der<br />
(Markt-)Strukturen sein kann. Grundlage ist sie, wenn durch Strategien Marktstrukturen<br />
geschaffen oder verändert werden. Folge ist sie, wenn Strategien aufgrund von<br />
Marktstrukturen verändert werden (vgl. Ortmann/Sydow/Windeler 1997, 346 ff.; Zimmer/Ortmann<br />
1996, 90). Rekursive Regulierung und Strukturierung bedeutet weiterhin,<br />
dass „gerade dadurch, daß Regulation es an sich hat, das Handlungsfeld von Unternehmen<br />
zu strukturieren – also: zu öffnen und zu verengen –, ein strategisches Interesse und<br />
ein strategisches Bemühen dieser Unternehmungen hervorgerufen wird, ihrerseits auf<br />
die sie betreffenden Regulationen Einfluß zu nehmen.“ (Zimmer/Ortmann 1996, 105)<br />
Den Wettbewerb mit seinen permanent wandelnden Strategien und Strukturen empfinden<br />
die Konkurrenten als Regulierung, die sie strategisch beeinflussen und aktiv gestalten<br />
wollen.<br />
Die Rekursivität ergibt sich insbesondere aus den Unsicherheiten und Risiken der<br />
<strong>Medien</strong>produktion. So können im aktuellen Nachrichtenjournalismus Berichterstattungsereignisse<br />
häufig nicht geplant werden, denn Ereignisse sind nur selten planbar.<br />
Andererseits ist auch der Erfolg neuer Fernsehformate nicht prognostizierbar. Daher<br />
müssen die Strategien der <strong>Medien</strong>unternehmen immer wieder an die veränderten Umwelterfordernisse<br />
angepasst werden. Die Schleifen zwischen den internen Organisationsstrukturen<br />
und den Umweltdynamiken verlaufen rekursiv: Umweltveränderungen<br />
können innerorganisationale Restrukturierungen auslösen, wenn beispielsweise der<br />
Kirch-Konzern umfassende Organisationsveränderungen vornimmt, um den Konzern<br />
an die neuen Geschäftsmodelle des Pay-TV anzupassen (vgl. Röper 2001, 2). Andererseits<br />
wirken gerade diese organisationalen Veränderungen auf die Märkte zurück, denn<br />
die Konkurrenten passen ihre Strategien ebenfalls an die neuen Gegebenheiten an.<br />
Wenn nun <strong>Medien</strong>organisationen auf rekursive Weise ihre Ziele und Strukturen verändern,<br />
wenn sie Regeln und Produktionsprozesse anpassen, wenn sie ihre Ressourcen<br />
verlagern und an gewandelte Kundenbedürfnisse anpassen, werden diese Veränderungen<br />
beobachtbar und können möglicherweise als Merkmale der Ökonomisierung gedeutet<br />
werden. Diese Prozesse der Anpassung von publizistisch-ökonomischem Handeln<br />
an Strukturen und der Veränderung von Strukturen durch publizistisches Handeln<br />
sollen im Folgenden thesenhaft illustriert werden.<br />
3. Ökonomisierung der Entscheidungsprämissen<br />
Als erste These kann festgehalten werden, dass eine Ökonomisierung der Entscheidungsprämissen<br />
und somit der Strategien der <strong>Medien</strong>unternehmen beobachtet werden<br />
kann. Mit den Entscheidungsprämissen formulieren die Unternehmen die Rahmenbedingungen,<br />
die publizistischen und die ökonomischen Ziele. In der Strategielehre werden<br />
die möglichen Ziele nach innovativ und reaktiv, nach Kostenführerschaft und Pro-<br />
198
Altmeppen · Organisationssoziologische Perspektive<br />
duktdifferenzierung sowie nach internem und externem Wachstum unterschieden (vgl.<br />
Sjurts 1996, 5). Strategien in <strong>Medien</strong>märkten können jedoch immer weniger langfristig<br />
festgelegt werden. Um auf den <strong>Medien</strong>märkten erfolgreich zu agieren, müssen <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
permanent Entscheidungen über ihr Marktverhalten treffen und ihre Strategien<br />
an veränderte Marktstrukturen anpassen.<br />
Entscheidungsprämissen von <strong>Medien</strong>unternehmen bewegen sich somit immer auf<br />
einem schmalen Grat von publizistischem vs. ökonomischem Erfolg. Beide Erfolgsvarianten<br />
können durchaus deckungsgleich sein, wie etwa das Beispiel der Wirtschaftspresse<br />
verdeutlicht. Der Ausbau dieses Marktsegments, das grundsätzlich eine hohe<br />
Nachfrageflexibilität aufweist (vgl. Sjurts 1996, 71), beruht auf der gesteigerten Nachfrage,<br />
in dessen Folge sowohl neue Titel aufgelegt wie auch bestehende Titel ausgebaut<br />
wurden.<br />
Publizistisch induzierte Entscheidungsprämissen werden jedoch mehr und mehr zur<br />
Ausnahme. Ein zentrales Merkmal der Ökonomisierung liegt somit darin, dass die Entscheidungsprämissen<br />
und Strategien der <strong>Medien</strong>unternehmen im Blick auf ökonomisch<br />
Erfolg versprechende Kriterien ausgerichtet werden, wenn also das Unternehmensergebnis<br />
als Maßstab des Erfolges in den Vordergrund rückt und publizistische Entscheidungsprämissen<br />
verdrängt.<br />
So wird in der Programmplanung der TV-Sender beispielsweise deutlich, dass die<br />
Sendeinhalte zeitlich und inhaltlich nach Markterfolgskriterien gestaltet werden. Die<br />
Entwicklung neuer Formen und Formate (wie Populärjournalismus und Involvement-<br />
TV) resultiert aus differenzierter Marktbeobachtung und Marktforschung, deren Kriterien<br />
nicht aus dem Sachziel publizistischer Wettbewerb resultieren, sondern aus ökonomischen<br />
Gründen. Dies zeigt sich am hohen Anteil imitativer statt innovativer Produktneuerungen.<br />
Innovative Neuschöpfungen im Zeitschriftenmarkt, die maßstabsgetreue<br />
Adaption bestehender Zeitungstitel im WWW, neue Formate im TV: Immer<br />
folgen den innovativen und erfolgreichen Erstlingen regelhaft Imitationen, deren Ziel<br />
nicht in erster Linie darin liegt, ein Qualitäts- oder Alleinstellungsmerkmal zu schaffen,<br />
sondern am Erfolg zu partizipieren, Nischen zu besetzen und Monopole zu verhindern.<br />
Zu den Entscheidungsprämissen, die derzeit in <strong>Medien</strong>märkten dominieren, gehören<br />
des Weiteren die Strategien <strong>zum</strong> Wettbewerb. Konkurrenzverhältnisse werden im <strong>Medien</strong>bereich<br />
zunehmend von strategischen Allianzen (vgl. Altmeppen 1996) und Großfusionen<br />
geprägt. Die <strong>Medien</strong>unternehmen entscheiden nicht alternativ zwischen internem<br />
und externem Wachstum, sondern sie entscheiden anhand der Opportunität in den<br />
jeweiligen Situationen, in welchem Maße Wachstum erfolgen wird. Auch der Bertelsmann-Konzern<br />
verfolgt keine einheitliche Strategie: Im TV-Bereich dominiert eher externes<br />
Wachstum, wie die Fusion der CLT-UFA mit der britischen Pearson-Gruppe<br />
zeigt (vgl. Röper 2001, 2f.), während die Konzerntochter Gruner+Jahr stärker auf internes<br />
Wachstum setzt (vgl. Sjurts 1996, 108). Ein weiterer Beleg für die Ökonomisierung<br />
der Entscheidungsprämissen zeigt sich im – aus Wettbewerbsperspektive wenig<br />
beachteten – Werbesektor. Mit Kirch und Bertelsmann haben sich nicht nur Senderfamilien<br />
etabliert, die jeden weiteren Marktzutritt verhindern können, die beiden Konzerne<br />
haben zudem auch die Werbevermarkter konzentriert und in die Senderfamilien<br />
eingebunden (vgl. Horizont 27/2000, 6.7.2000, 45). Die Entscheidungsprämissen lauten<br />
hier, durch die Senderfamilien die Wertschöpfungskette zu sichern und durch die Konzentration<br />
der Werbepartner eine optimale Vermarktung zu garantieren.<br />
Wenn nun die Entscheidungsprämissen und Strategien ökonomisiert werden, dann<br />
hat das auch Folgen für die Entscheidungsprogramme, also die Planungs- und Produktionsprozesse<br />
in den einzelnen Unternehmensteilen.<br />
199
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
4. Ökonomisierung der Entscheidungsprogramme<br />
Ökonomisierung, so die zweite These, bedeutet auch die verstärkte Ausrichtung der<br />
Entscheidungsprogramme – und damit der Planungs- und Produktionsprozesse – an<br />
wirtschaftlichen Kriterien. Begleitet werden diese Veränderungen vorrangig von der<br />
Hoffnung auf Kostenminimierung und einem verschärften Kostencontrolling.<br />
Gruner + Jahr beispielsweise hat alle Zeitschriftentitel in Profitcentern zusammengefasst,<br />
an deren Spitze ein Verlagsgeschäftsführer steht (vgl. Horizont 26/2000, 29.6.2000,<br />
50). Auf diese Weise soll der Zeitschriftenbereich auf der Managementebene für die Zukunft<br />
fit gemacht werden, da die Profitcenter nach dem Markterfolg bewertet und gesteuert<br />
werden (vgl. zu Profitcentern allgemein: von der Oelsnitz 2000, 53 ff.). Der<br />
Schub an Ökonomisierung, der von Profitcentern ausgeht, resultiert unter anderem daraus,<br />
dass in Profitcentern – die in einem unternehmensinternen Wettbewerb stehen –<br />
kurzfristige Erfolge und übersteigertes Gewinnstreben vor langfristiger Unternehmenssicherung<br />
und innovativer Produktpolitik dominieren (vgl. von der Oelsnitz 2000,<br />
57).<br />
Das Kosten- und Erfolgsprinzip führt auf der Ebene der Produktion – Redaktionen,<br />
Produzenten – dazu, die Produktionsprozesse in höherer Form als in der Vergangenheit<br />
an ökonomischen Prinzipien zu orientieren. Die Effektivierung von Produktionsprozessen<br />
führt beispielsweise bei Tageszeitungen und im Hörfunk dazu, die Ressorts aufzulösen.<br />
Statt dieser thematischen Gliederung der Aufbauorganisation werden großflächige<br />
Bereiche eingerichtet, in denen die Journalistinnen und Journalisten neben der<br />
inhaltlichen Bearbeitung auch für die druckfertigen Vorlagen bzw. die Einhaltung der<br />
Formate zuständig sind (vgl. Moss 1998; Altmeppen/Donges/Engels 1999, 266). In zunehmendem<br />
Maße bestehen die Anforderungen für die Redaktionen darin, ein effizientes<br />
– also kostenorientiertes – Redaktionsmanagement einzurichten und ein gesamtunternehmerisches<br />
Marketing zu betreiben (vgl. Altmeppen 1999, 183 ff.). Insgesamt<br />
werden die Redaktionen nicht nur zu mehr unternehmerischem Denken angehalten,<br />
sondern strukturell (durch Zielsetzungen, Regeln und Ressourcen) ökonomisiert. Da<br />
die Redaktionsorganisation ein Spiegel des publizistischen Ziels von <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
ist, deuten der Rückgang differenzierter redaktioneller Organisation zugunsten<br />
großflächiger Bereiche und die Strukturierungen im Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg<br />
auf einen Vorrang ökonomischer Entscheidungsprogramme vor publizistischen<br />
Operationen.<br />
5. Ökonomisierung der Ressourcenallokation<br />
Ressourcen stellen in mehrfacher Hinsicht einen bedeutsamen Teil medienunternehmerischer<br />
Operationen dar. Zum einen sind allokative Ressourcen – wie Finanzmittel, Güter,<br />
Rechte – konstitutiver Bestandteil des unternehmerischen Handelns. Zum anderen<br />
stellen autoritative Ressourcen, wie etwa Kernkompetenzen (herausragende Fähigkeiten<br />
eines Unternehmens und strategische Vermögenswerte wie Reputation), wichtige<br />
Kriterien für dauerhafte Wettbewerbsvorteile und Gewinn- oder Renditengenerierung<br />
dar (vgl. Habann 1999, 23 ff.).<br />
Die Ressourcenfrage ist also in mehrfacher Hinsicht eng mit der Ökonomisierung<br />
verbunden. Erstens sind allokative Ressourcen, die zur <strong>Medien</strong>produktion notwendig<br />
sind, nur bei anhaltendem Unternehmenserfolg in ausreichendem Maße vorhanden. Für<br />
den Unternehmenserfolg hat die Marktorientierung eine Schlüsselrolle, so dass über die<br />
Ressourcen Unternehmensentscheidungen und Marktverhalten gekoppelt werden.<br />
200
Altmeppen · Organisationssoziologische Perspektive<br />
Zweitens sollen Ressourcen Nutzen stiften, also vor allem Kosten- oder Leistungsvorteile<br />
erbringen. Beobachtbar ist auch im <strong>Medien</strong>bereich eine Ökonomisierung der Ressourcenallokation,<br />
bei der die Frage in den Vordergrund rückt, wie Ressourcen effektiv<br />
gesteuert und verteilt werden können, um das Prinzip der Kostenminimierung zu verfolgen.<br />
Im Zuge dieser Entwicklung werden das Ressourcen- und das Verfahrensmanagement<br />
auf die ökonomischen Herausforderungen abgestimmt (vgl. Altmeppen 2000a). Die Anforderungen<br />
an das Ressourcenmanagement bestehen darin, die Budgets, die sich aus der<br />
Differenz von Kosten und Erlösen ergeben, zu planen, zu steuern und zu verteilen.<br />
Dementsprechend entscheidet das Ressourcenmanagement <strong>zum</strong> Beispiel darüber, welche<br />
Budgets für die Produktionsprozesse und welche für produktbegleitende Prozesse<br />
(Werbung, Marketing) zur Verfügung stehen. Insbesondere die Werbung avanciert derzeit<br />
zu einer wichtigen Ressource, denn mittlerweile sind die <strong>Medien</strong> selbst ihr bester<br />
Werbekunde (vgl. Horizont 43/2000, 26.10.2000, 6).<br />
In engem Zusammenhang mit dem Ressourcenmanagement steht das Verfahrensmanagement,<br />
mit dem die Entscheidungsprogramme koordiniert und die Ressourcen<br />
zielgerecht eingesetzt werden. Vom Verfahrensmanagement sind in erster Linie die Produktionsprozesse<br />
betroffen, die Koppelung von Verfahrens- und Ressourcenmanagement<br />
zeigt sich am deutlichsten am Beispiel des Outsourcing. Dies erfordert ein anderes<br />
Verfahrensmanagement als wenn die <strong>Medien</strong>unternehmen inhouse produzieren.<br />
Beim Süddeutschen Verlag gibt es eine „konsequente Vergabe von nicht <strong>zum</strong> Kerngeschäft<br />
gehörenden Tätigkeiten an externe Stellen und eine extrem schlanke interne Organisation.“<br />
(Schreiber 1999, 246) Die Entscheidung <strong>zum</strong> Outsourcing bedeutet ein verändertes<br />
Verfahrensmanagement, also jener organisationsinternen Handlungspraktiken,<br />
mit denen die Entscheidungsprogramme (Planung und Kontrolle der Produktionsprozesse,<br />
des Marketings und des Personal- und Qualitätsmanagements) umgesetzt werden.<br />
Mit Outsourcing sind andere Formen der Arbeitsgestaltung, der Arbeitsverträge und<br />
der Produktkontrolle verbunden als wenn inhäusig produziert wird. Outsourcing beispielsweise<br />
erfordert höhere Transaktionskosten (Suche nach geeigneten Produzenten<br />
und Inhalten, Gewährleistung der Produktion, Qualitätskontrolle) als die interne Produktion,<br />
es kann aber langfristig – aufgrund der geringeren Fixkosten und der Möglichkeit,<br />
Verträge schneller aufzulösen, – die kostengünstigere Produktionsart sein (vgl.<br />
Heinrich 1999, 157 ff.).<br />
6. Ökonomisierung des Angebotes<br />
Da die <strong>Medien</strong>unternehmen fortwährend das Dreieck von Budget, Quote und Inhalt<br />
austarieren müssen, wird – vor allem unter den Bedingungen hoher Fixkosten, dem<br />
Zwang zu innovativem Unternehmensverhalten sowie der nur sehr bedingt bestimmbaren<br />
Publikumsattraktivität (vgl. Kiefer 2001, 190f.) – die Vermarktung immer wichtiger.<br />
Damit verbunden ist ein weiterer Ökonomisierungsdruck im Hinblick auf das Angebot:<br />
Die <strong>Medien</strong>unternehmen besinnen sich immer weniger auf die Stärkung der publizistischen<br />
Dienstleistung, sondern vermehrt auf eine (absatz-)marktgerechte Produktgestaltung.<br />
Das betrifft <strong>zum</strong> einen die <strong>Medien</strong>angebote selbst, die mittels immer feinerer Methoden<br />
der Marktforschung eingeführt werden. Insbesondere Unterhaltungs- und<br />
Infotainmentprodukte werden vor der Ausstrahlung vielfach getestet: Die Stoffentwicklung<br />
von der Idee <strong>zum</strong> fertigen Drehbuch, das Casting von Darstellern und Moderatoren,<br />
der Sendeplatz und die begleitenden Marketingaktivitäten werden empirisch<br />
201
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
und vor allem im Hinblick auf den Markterfolg evaluiert (vgl. Schmidt/Spieß 1997,<br />
43 ff.; Siegert 2000, 187 ff.).<br />
Die Ergebnisse der Markt- und Meinungsforschung schlagen ebenso wie die zunehmenden<br />
Markenbildungsprozesse unmittelbar bis auf die Produktionsprozesse durch<br />
und verändern die Veröffentlichungsentscheidungen. Bei den unterhaltungsorientierten<br />
<strong>Medien</strong>angeboten wirken sich vor allem die Markenbildungsprozesse aus, durch die<br />
Idee und Umsetzung von <strong>Medien</strong>produkten den Strategien der Markenbildung und des<br />
Marketings unterworfen werden.<br />
Informationsorientierte <strong>Medien</strong>angebote werden zunehmend weniger nach publizistischen<br />
Kriterien ausgewählt und produziert. Die Programmplanung richtet sich nach<br />
vermeintlichen oder tatsächlichen Absatzchancen, redaktionelle Freiheiten werden beschnitten,<br />
da die Produkte nach Vermarktungs- und Wertschöpfungsgesichtspunkten<br />
ausgewählt werden (vgl. Altmeppen 2000). Mit den Schlagworten vom Redaktionsmanagement<br />
und -marketing soll der „Markterfolg auf dem Wege des konzeptionellen, organisatorischen<br />
Personal- und Kostenmanagements“ gesichert werden (Meckel 1999,<br />
22). Im Marketing wird die Marktorientierung von <strong>Medien</strong>unternehmen – und damit die<br />
Anfälligkeit für organisationsinterne Ökonomisierung – in deutlicher Weise erkennbar.<br />
Aufgrund der Entscheidungen und Strategien, der Ressourcen und Verfahren der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
wird, so kann aus den bisherigen Thesen geschlossen werden, das<br />
publizistische Handeln durch wirtschaftliches Handeln überformt. Beschleunigt wird<br />
dieser Prozess der Ökonomisierung, weil die jeweiligen <strong>Medien</strong>angebote sich auf den<br />
Märkten bewähren müssen. Der Markt ist ein öffentlicher Ort, auf dem der Absatz von<br />
Produkten in Form der Akzeptanz des Publikums beobachtet werden kann. Doch nicht<br />
nur die Quoten und Auflagen, sondern auch die dahinter stehenden Unternehmensentscheidungen<br />
werden sichtbar und können von den Konkurrenten beobachtet werden.<br />
Mit der Etablierung neuer Programmformate und neuer Zeitschriftentitel (wie etwa dem<br />
Segment der Wirtschaftszeitungen) und ihrer Akzeptanz durch die Rezipienten werden<br />
neue Marktstrukturen geformt. Die Konkurrenz reagiert auf die beobachteten Prozesse<br />
und die neuen Strukturen wiederum mit eigenen Strategien, indem erfolgreiche Produktlinien<br />
imitiert oder eigene innovative Konzepte umgesetzt werden.<br />
7. Ökonomisierung der Ökonomisierung<br />
Mit der rekursiven Regulierung und Strukturierung kann eine Spirale beschrieben werden,<br />
bei der Strategien und Strukturen der Unternehmen und die Strukturen der Märkte<br />
sich gegenseitig beeinflussen und vorantreiben. Diese Spirale macht zudem deutlich,<br />
dass die Ökonomisierung keinesfalls allein dem Wettbewerb zugeschrieben werden<br />
kann, sondern dass die <strong>Medien</strong>unternehmen aktiv an der Ökonomisierung beteiligt sind.<br />
Dieser Prozess kann als Ökonomisierung der Ökonomisierung definiert werden. Jeder<br />
Schritt eines Unternehmens hin zu vermehrter Marktorientierung wird von den Wettbewerbern<br />
mit konkurrierenden ökonomischen Strategien beantwortet. Der jahrelange<br />
Prozess hin zur TV-Marktbeherrschung durch die Senderfamilien Kirch und Bertelsmann<br />
ist ein ausdrucksstarker Beleg für rekursive Interdependenzen und Anpassungsverhalten<br />
zwischen dem strategischen Handeln und den Strukturen der Unternehmen<br />
und den Märkten und dem aktiven Beitrag der Unternehmen zur Ökonomisierung.<br />
Ökonomisierung wird also „produziert“, sie vollzieht sich keineswegs als Resultat<br />
unbeeinflussbarer Marktkräfte, ganz im Gegenteil wirken die <strong>Medien</strong>unternehmen erheblich<br />
an der Ökonomisierung mit. Der Grad des unternehmerischen Einflusses hängt<br />
davon ab, welche Gestaltungsmacht die <strong>Medien</strong>unternehmen mobilisieren können.<br />
202
Altmeppen · Organisationssoziologische Perspektive<br />
Gestaltungsmacht als Faktor der Ökonomisierung speist sich aus den zwei Komponenten<br />
Verhandlungsmacht und Kapitalmacht. Die Formen beider Komponenten gehen<br />
zurück auf die Ressourcen der <strong>Medien</strong>unternehmen. So entsteht Verhandlungsmacht<br />
im Zusammenhang mit autoritativen Ressourcen. Diese „beziehen sich auf Typen<br />
des Vermögens zur Umgestaltung, die Herrschaft über Personen oder Akteure generieren“<br />
(Giddens 1997, 86) und äußern sich beispielsweise in Reputation, Image und<br />
schließlich im Einfluss. Mit Verhandlungsmacht suchen <strong>Medien</strong>unternehmen beispielsweise<br />
politischen Einfluss geltend zu machen, unter anderem, um die De-Regulierung<br />
von <strong>Medien</strong>märkten voranzutreiben. Auch im ökonomischen System unterstützt die<br />
Verhandlungsmacht erfolgreiche Geschäftsabschlüsse, <strong>zum</strong> Beispiel bei anstehenden<br />
Fusionen.<br />
Das Ausmaß der Verhandlungsmacht hängt in starkem Maße von der Kapitalmacht<br />
der Unternehmen ab. Kapitalmacht entsteht aus der Verfügbarkeit allokativer Ressourcen,<br />
also Formen des Vermögens zur Umgestaltung und der „Herrschaft über Objekte,<br />
Güter oder materielle Phänomene“ (Giddens 1997, 86). Mit der Verbindung von Verhandlungs-<br />
und Kapitalmacht erwachsen den <strong>Medien</strong>unternehmen Möglichkeiten, die<br />
Regulierung und Strukturierung der Wettbewerbsverhältnisse und die Marktergebnisse<br />
in ihrem Sinne zu gestalten.<br />
Am Beispiel Multimedia und Bertelsmann wird erkennbar, wie sich mediale Gestaltungsmacht<br />
entwickelt und wie diese Macht auf rekursiven Regulierungen und Strukturierungen<br />
beruht. In dem Moment, wo Bertelsmann Multimedia als Zukunftsmarkt entdeckte,<br />
wurden zwei Entwicklungsstufen zu zentralen Entscheidungsprämissen des<br />
Konzerns: die zentrale Koordination der Multimedia-Aktivitäten und die Schaffung einer<br />
Produktlinie Multimedia (vgl. Liedl 1999). Diesen Entscheidungsprämissen folgt<br />
nun die Umsetzung über Entscheidungsprogramme in den einzelnen Unternehmensbereichen<br />
– beim Verfahrensmanagement beispielsweise durch umfassendes externes<br />
Wachstum (Aufkauf von oder die Beteiligung an einer Vielzahl von Unternehmen im<br />
Bereich Multimedia) sowie unternehmensintern durch die Einrichtung eines neuen Unternehmensbereiches<br />
„Multimedia“ sowie die Ausrichtung bestehender Bereiche wie<br />
Buchklub auf multimediale Aktivitäten. Zugleich wurde mit dem Rückzug von Bertelsmann<br />
aus dem Pay-TV-Geschäft und der Beendigung der Allianz mit Kirch das Marktverhalten<br />
verändert. Mit diesen Aktivitäten versucht Bertelsmann – ganz im Sinne einer<br />
aktiven, rekursiven Regulierung und Strukturierung – den Markt Multimedia, der derzeit<br />
überhaupt erst einmal geschaffen werden muss, im Sinne der eigenen Strategien (mit)<br />
zu gestalten.<br />
8. Resümee<br />
Mit organisationssoziologischen Studien kann der zentrale Raum der Koordinationsund<br />
Entscheidungsprozesse in den <strong>Medien</strong>unternehmen erfasst und seine Verschränkung<br />
mit anderen Unternehmen und Märkten thematisiert werden. Die medienunternehmerischen<br />
Strategien und die Marktstrukturen stehen in einem Verhältnis rekursiver<br />
Regulierung und Strukturierung, was erheblich zur Ökonomisierung beiträgt. Die Strategien<br />
der <strong>Medien</strong>unternehmen beeinflussen die Marktstrukturen, wie umgekehrt die<br />
Marktstrukturen sich auf die Strategien der Unternehmen auswirken. Mit diesen Verschränkungen<br />
wird die Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> spiralförmig vorangetrieben.<br />
In die Prozesse der Ökonomisierung sind die <strong>Medien</strong>unternehmen aktiv eingebunden.<br />
Durch Verhandlungs- und Kapitalmacht suchen sie nach Möglichkeiten, Märkte<br />
und Wettbewerbsbedingungen in ihrem Sinne zu gestalten. Der aktive Part der Me-<br />
203
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
dienunternehmen an der Ökonomisierung ist nicht die einzige Dimension, aber <strong>zum</strong>indest<br />
doch eine treibende Kraft der Ökonomisierung.<br />
Literatur<br />
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204
Altmeppen · Organisationssoziologische Perspektive<br />
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Wiesbaden, S. 87 – 114.<br />
205
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer<br />
Perspektive<br />
Ursachen, Formen und Folgen der globalen Kommerzialisierung medialer<br />
Wertschöpfungsprozesse<br />
Carsten Winter / Matthias Karmasin<br />
Der Beitrag will eine Lücke zwischen eher allgemeineren Aussagen über die Rolle von<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen in der Kommunikationswissenschaft und spezifischeren im Rahmen<br />
der Betriebswirtschaft und Managementlehre schließen. Dazu ist es notwendig,<br />
zwischen Ökonomisierung, als allgemeinem gesellschaftlichen Prozess, und Kommerzialisierung,<br />
als einem von <strong>Medien</strong>unternehmen vorangetriebenen, zunehmend globalen<br />
Prozess, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird mit einer historisch-systematischen<br />
Darstellung von Ökonomisierung eingeführt. Sodann werden Ursachen für die unternehmensstrategisch<br />
forcierte Kommerzialisierung medialer Kommunikation aufgezeigt<br />
sowie deren Formen im Kontext medialer Wertschöpfungsprozesse beschrieben.<br />
Den Beitrag beschließt ein Fazit, das Folgen der globalen Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong>kultur<br />
in den Kontext von Ökonomisierung und Globalisierung stellt und neu entstehende<br />
Herausforderungen für die Kommunikationswissenschaft aufzeigt.<br />
1. Einleitung<br />
Als in den siebziger Jahren in der Debatte über eine „New World Information and Communication<br />
Order“ (NWICO) und in der UNESCO die moralische, soziale und professionelle<br />
Verantwortung von <strong>Medien</strong>unternehmen herausgestellt wurden, schien eine<br />
globale Regulierung wahrscheinlich. In der NWICO-Debatte vertraten u. a. Vertreter<br />
ehemaliger Kolonialstaaten die Auffassung, dass sich US-amerikanische Werbe- und<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen in ihren Ländern einer spezifischen Form von Kultur-Imperialismus,<br />
eines „<strong>Medien</strong>-Imperialismus“, schuldig machen. 1 Anders als von der großen<br />
Mehrzahl in der UNESCO angenommen, kam es aber nicht zu einer globalen Regulierung,<br />
sondern in der Ära Reagan/Thatcher zu einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen<br />
und bis heute andauernden Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, die<br />
auf der ganzen Welt Bedingungen und Voraussetzungen medialer Kommunikation verändert<br />
haben.<br />
Multinational agierende <strong>Medien</strong>unternehmen, die von dieser Entwicklung unmittelbar<br />
profitierten, wurden indes – was überrascht – im Hinblick auf ihre Rolle in diesem<br />
globalen Wandel der Bedingungen und Voraussetzungen medialer Kommunikation aus<br />
kommunikationswissenschaftlicher Perspektive noch nicht systematisch erforscht. Die<br />
Vervielfachung ihrer Zahl in den letzten zwanzig Jahren 2 deutet aber auf eine Verflechtung<br />
dieser Prozesse hin. So haben etwa international tätige US-basierte <strong>Medien</strong>- und<br />
Werbekonzerne – im Verbund mit Markenartikelherstellern – seit den 60er Jahren im-<br />
1 Vgl. insbes. Tunstall 1977; Tomlinson 1991: 34–67 sowie Hermann/McChesney: 10–40.<br />
2 Die Zahl multinational operierender Unternehmen in den größten 14 Industrieländern stieg von<br />
7.000 im Jahr 1970 auf 24.000 im Jahr 1990. Für 1993 werden mindestens 38.000 multinational<br />
operierende Unternehmen mit mehr als 200.000 Tochtergesellschaften angenommen (Messner<br />
1998).<br />
206
Winter / Karmasin · Unternehmensstrategische Perspektive<br />
mer wieder die Zulassung von Werbung in Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
gefordert. Versuche von <strong>Medien</strong>unternehmen, strategisch Einfluss auf nationale<br />
<strong>Medien</strong>politik zu nehmen, sind vielfach belegt (vgl. Herman/McChesney: 58–64). Es<br />
ist unbestritten, dass multinational engagierte Unternehmen die „primary shaper and<br />
mover“ der Globalisierung sind (Dicken 1998). Insbesondere in <strong>Medien</strong>ökonomien als<br />
economies of scale und economies of scope ergeben sich für transnationale <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
durch Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung vielfältige, neue<br />
strategische Optionen, deren Realisierung Strukturen und Inhalte von <strong>Medien</strong>kulturen<br />
und -ökonomien verändert. Um diese Strategien, die in der Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft<br />
bislang nicht angemessen reflektiert wurden, erforschen zu können,<br />
wird im Beitrag zunächst eine begriffliche Differenzierung zwischen Ökonomisierung<br />
und Kommerzialisierung vorgenommen. Diese Vorarbeit ist notwendig, um Prozesse,<br />
die durch Strategien von Unternehmen induziert sind, von allgemeineren gesellschaftlichen<br />
Prozessen überhaupt unterscheiden zu können. Sodann werden zentrale Ursachen,<br />
typische Formen und strukturelle Folgen der globalen Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong><br />
unter expliziter Berücksichtigung der Sicht von Unternehmen dargestellt und in den<br />
umfassenderen Kontext von Ökonomisierung und Globalisierung gestellt. Damit wird<br />
versucht, eine Lücke zu schließen, die McQuail bereits 1986 aufgezeigt hat, und die nach<br />
wie vor besteht: „Es gibt in der gesamten Kommunikationstheorie keinen einzigen Ansatz,<br />
der sich zentral mit dem Phänomen des ,Comercialism‘ auseinandersetzt“ (Mc-<br />
Quail 1986: 633).<br />
2. Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie?<br />
In der Kommunikationswissenschaft besteht trotz – oder gerade wegen – der weiten<br />
Verbreitung des Ökonomisierungsbegriffs kein Konsens, was unter Ökonomisierung<br />
genau zu verstehen ist, welche empirischen Indikatoren diesen Prozess messen, was dabei<br />
die Wirtschaft und Unternehmen für eine Rolle spielen, was seine Ursachen, Formen<br />
und Folgen sind. Die Frage nach der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie als eines angenommenen<br />
und unterscheidbaren Prozesses kann nur beantwortet werden, wenn ein<br />
angemessener theoretischer Bezugsrahmen und weiter evidente Indikatoren empirisch<br />
plausibel gemacht werden, die etwas über den Grad dieses Prozesses aussagen können.<br />
In dieser wenig zufrieden stellenden Situation führt kein Weg an Jürgen Habermas vorbei.<br />
Er hat mit seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1988/orig. 1981) – insbesondere<br />
in Verbindung mit der eher historischen Arbeit „Strukturwandel der Öffentlichkeit“<br />
(1993/orig. 1962) – einschlägige Arbeiten zu dieser Problematik vorgelegt. 3<br />
Die Theorie des kommunikativen Handelns behandelt Ökonomisierung historisch im<br />
Kontext klassischer Sozialtheorie und systematisch im Kontext der Historisierung der<br />
Systemtheorie. Habermas setzt sich mit Ökonomisierung als der Entstehung des Kapitalismus<br />
aus dem Geist des Protestantismus (Weber 1988) auseinander und zeigt, dass<br />
die Entstehung protestantischer Soziallehren, die funktionale Imperative der kapitalistischen<br />
Ökonomie erfüllen, 4 nur eine historische Form gesellschaftlicher Rationalisierung<br />
3 Es sei daran erinnert, dass Habermas die Theorie des kommunikativen Handelns als Weiterentwicklung<br />
seiner Arbeit <strong>zum</strong> Strukturwandel der Öffentlichkeit versteht (Habermas 1990:<br />
33–44, insb. 34).<br />
4 Das klassische Beispiel ist die calvinistische Doktrin, die den Grand des irdischen Reichtums<br />
mit der Gottwohlgefälligkeit der Lebensführung gleichsetzt.<br />
207
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
darstellt. Diese dürfe nun aber, und das ist das zentrale Argument bei Habermas, nicht<br />
mit gesellschaftlicher Rationalisierung „an sich“ gleichgesetzt werden (Habermas 1988:<br />
299–331, insb. 306). Die Differenzierung der Rationalitätslehre Webers plausibilisiert<br />
Habermas in seiner Arbeit als Entkopplung von System und Lebenswelt historisch und<br />
systematisch im Kontext von Parsons <strong>Medien</strong>theorie. Ökonomisierung ist als einer neben<br />
anderen Rationalisierungsprozessen zu verstehen, in denen Handeln unter die Bedingungen<br />
symbolisch generalisierter Kommunikation gerät – wo also Handeln zunehmend<br />
durch den Einsatz symbolisch generalisierter <strong>Medien</strong> wie Geld, Macht oder Recht<br />
usf. organisiert wird. 5<br />
Die Relevanz symbolisch generalisierter <strong>Medien</strong> und ihre zunehmende Bedeutung<br />
ist empirisch leicht nachvollziehbar. So verändert das Medium Recht die Lebenswelt,<br />
weil es Sachverhalte aus familiären Regelungskontexten in jene z. B. von Straf-, Scheidungs-,<br />
Erbrecht usf. überführt. Wie dieser Verrechtlichungsprozess ist auch der Prozess<br />
der Ökonomisierung zu verstehen, den Habermas freilich pointierter fasst als andere<br />
Autoren: „In dem Maße wie das ökonomische System die Lebensform der privaten<br />
Haushalte und die Lebensführung von Konsumenten und Beschäftigten seinen Imperativen<br />
unterwirft, gewinnen Konsumismus, Besitzindividualismus, Leistungs- und<br />
Wettbewerbsmotive prägende Kraft.“ (Habermas 1988: 480)<br />
Ökonomisierung ist eine in den Sozialwissenschaften eingeführte Kategorie zur Bezeichnung<br />
eines Prozesses, in dem ökonomische (Zweck-)Rationalität als eine gesellschaftlich<br />
legitime und ethisch legitimierte Form der Begründung und der Koordination<br />
von Handlungen an Bedeutung gewinnt. Zur Beschreibung und <strong>zum</strong> Verständnis<br />
oder zur Erklärung von Veränderungen in der <strong>Medien</strong>industrie ist diese Kategorie allerdings<br />
unbrauchbar. Nicht nur, weil sie seit jeher die zentrale Handlungsbegründung<br />
und Handlungskoordination in der Wirtschaft beschreibt, sondern weil sie es nicht<br />
zulässt, wirtschaftliche Prozesse von gesellschaftlichen Prozessen zu differenzieren.<br />
Dies aber wäre zu leisten, wenn die Rolle von <strong>Medien</strong>unternehmen in ihrer Bedeutung<br />
bei der globalen Transformation von weitgehend national regulierten und in Teilen öffentlich-rechtlich<br />
organisierten <strong>Medien</strong>systemen in deregulierte, prinzipiell für unternehmerische<br />
Betätigung offene <strong>Medien</strong>systeme bestimmt werden soll. Was aber ist charakteristisch<br />
für <strong>Medien</strong>unternehmen im Hinblick auf ihre Rolle in der Gesellschaft?<br />
Was sind die Voraussetzungen und Bedingungen des Handelns von <strong>Medien</strong>unternehmen?<br />
Welche Ursachen veränderten in den letzten Jahren aus Sicht der Unternehmen<br />
Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen sie Erfolgspotenziale entwickeln und<br />
Wettbewerbsvorteile erzielen können?<br />
3. Die Kommerzialisierung der globalen <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
Die NWICO-Debatte hatte sich u. a. das Ziel gesetzt, die nationale Zuständigkeit für<br />
<strong>Medien</strong> – und damit ein bewährtes Spannungsfeld – zu erhalten. Dieses bestand zwischen<br />
Ökonomisierung als komplexer ethisch und religiös plausibilisierter Form gesellschaftlicher<br />
Rationalisierung, Publizität i. S. publizistischer Öffentlichkeit und allgemeiner<br />
Zugänglichkeit, und der Intention von <strong>Medien</strong>unternehmen, in und mit diesem<br />
System Gewinne zu erwirtschaften. Diese unternehmerische Intention wird mit dem<br />
Begriff Kommerzialisierung markiert (v. Kommerz, wirtschaftliches, nur auf Gewinn<br />
5 Vgl. zu Parsons <strong>Medien</strong>konzept Habermas 1988; zur Entkopplung von System und Lebenswelt:<br />
233–293, zur Theorie der Steuerungsmedien ebd.: 384–419.<br />
208
Winter / Karmasin · Unternehmensstrategische Perspektive<br />
bedachtes Interesse; Herkunftswörterbuch, Duden, 1989). Die Erforschung von Kommerzialisierung<br />
als der von Unternehmensinteressen geleiteten Veränderung der Prozesse,<br />
Strukturen und Inhalte von <strong>Medien</strong>ökonomie, die – wie McQuail (1986) hervorhebt<br />
– in der Kommunikationswissenschaft keine Tradition hat, rückt nun in das Zentrum<br />
der Darstellung.<br />
Die an der NWICO-Debatte beteiligten Nationalstaaten waren der Auffassung, dass<br />
sie und ihre Organe, die während des 20. Jahrhunderts die Verfassung nationaler <strong>Medien</strong>systeme<br />
sowie entsprechend den Grad an Publizität, Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
in diesem verantworteten, sich bewährt hätten. Diese Annahme bestimmte<br />
1993 auch die 8. Runde der GATT-Verhandlungen, das Allgemeine Zoll- und<br />
Handelsabkommen. Nach sieben Jahren Verhandlungen über Zollsenkungen, Einfuhrbeschränkungen<br />
usf. zwischen am Ende 117 Staaten wurde der Abschluss zuletzt durch<br />
den Streit zwischen den USA und Europa über den Charakter audiovisueller <strong>Medien</strong><br />
blockiert, die schließlich auf Wunsch der Europäer aus den Verhandlungen ausgeklammert<br />
blieben (Brinkemper/Dadelsen et al. 1994: 7).<br />
Die Vorbehalte der Europäer gegenüber der liberalen Auffassung, die in Film und<br />
Fernsehen internationale Handelswaren sieht, kamen freilich zehn Jahre zu spät. Denn<br />
mindestens so lange wurde in allen großen Unternehmen – auch <strong>Medien</strong>unternehmen –<br />
bereits die Diskussion über die Globalisierung der Märkte geführt. 1983 hatte der Wirtschaftswissenschaftler<br />
Theodore Levitt die Globalisierung der Märkte postuliert (Lewitt<br />
1983). Nach dieser These blieben Unternehmen nur dann wettbewerbs- bzw. überlebensfähig,<br />
wenn sie global konkurrieren könnten. Seit Mitte der achtziger Jahre wurden<br />
Internationalisierungs-Aktivitäten ganz erheblich verstärkt (vgl. Apfelthaler 2000) und<br />
es kam weiter – auch aufgrund von Kritik am Kulturimperialismus der USA und des Erfolges<br />
japanischer Unternehmen – zu einer verstärkten Erforschung der Erfolgsbedingungen<br />
interkulturellen Managements (vgl. Winter 2000).<br />
Die Ursachen für die globale Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>wirtschaft sowie für die<br />
Veränderung von Aufgaben und Kontexten von <strong>Medien</strong>management können hier nur<br />
in Stichworten dargestellt werden (vgl. dazu Karmasin/Winter 2000). Als eine der ersten<br />
Ursachen für die Qualität und Quantität der Entwicklung globaler und die Grenzen<br />
von vorherrschenden <strong>Medien</strong>systemen überwindender Kommerzialisierungsstrategien<br />
dürfte durchaus Levitts These gesehen werden. Noch wichtiger wurde aber die Diskussionen<br />
über das Buch „Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten“,<br />
dessen Einfluss auf Strategien von Unternehmen gar nicht überschätzt werden<br />
kann (Porter 1986). Porter hat in diesem Buch mit der Wertkette (value chain) den<br />
grundlegendsten strategischen Rahmen entwickelt. Porter weitet Levitts Annahme über<br />
Märkte auf alle Wertschöpfungsstufen aus und bezieht nicht nur die Allokation, sondern<br />
auch Investition, Wertbestimmung usf. in die strategischen Überlegungen über Erfolgspotenziale<br />
und Wettbewerbsvorteile mit ein. Das folgende Grundmodell einer<br />
Wertschöpfungskette ist an Porter orientiert:<br />
1. Investition<br />
2. Werbestimmung<br />
3. Werterstellung<br />
4. kommunikative Wertvermittlung<br />
5. Allokation<br />
6. Kundendienst<br />
7. Kunde.<br />
Der Moment, in dem die globale Wettbewerbsfähigkeit jeder Werterstellungsstufe für<br />
ein Unternehmen zur strategischen Herausforderung wird, verändert diese erheblich.<br />
209
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Nun entsteht ein sehr viel konkreterer Kommerzialisierungsdruck. Das Management<br />
beginnt nun, systematisch die Leistungsfähigkeit jeder Wertschöpfungsstufe mit der anderer<br />
Unternehmen – weltweit – zu vergleichen und im Hinblick auf Möglichkeiten zur<br />
Optimierung und zu anschlussfähiger Wertschöpfung zu analysieren.<br />
Diese Entwicklung lässt sich für die Unternehmen der <strong>Medien</strong>branche seit Mitte der<br />
achtziger Jahre im Zuge der Bedeutung der so genannten „Komplettierung von Wertschöpfungsketten“<br />
aufzeigen. Sie hat zu konglomerater Konzentration und zu vertikalen<br />
Integrationsbemühungen geführt. 6 Exemplarisch ist etwa die Übernahme von Warner-Communication<br />
durch Time Inc. im Jahr 1989, mit der Bertelsmann als damaliger<br />
Branchenprimus abgelöst wurde. Der neue Vorstand von Time-Warner erläuterte die<br />
Strategie des Unternehmens im Schreiben an die Aktionäre aus dem gleichen Jahr wie<br />
folgt: „Jeder Spieler im <strong>Medien</strong>business wird versuchen, vertikal integrierte Unternehmen<br />
zu schaffen, die mit den neuen Realitäten des globalen Marktes konkurrieren können.<br />
Um diese Herausforderung finanziell zu bewältigen, werden die Unternehmen dramatisch<br />
wachsen müssen. Folglich verfolgen wir zwei Ziele: erstens den Aufbau eines<br />
vertikalen <strong>Medien</strong>konglomerats und zweitens eine aggressive Expansion außerhalb unseres<br />
Landes.“ (zit. n. Dadelsen 1994: 11)<br />
Die Eröffnung strategischer Optionen, wie insbesondere durch die Globalisierung der<br />
Märkte bzw. von Stufen der Werterstellung, darf ohne Zweifel als wichtigste Ursache<br />
für die Erfolge der größten <strong>Medien</strong>unternehmen der Welt und weiter der globalen Kommerzialisierung<br />
der <strong>Medien</strong>kultur angesehen werden. Dies gilt nicht nur auch, sondern<br />
insbesondere im Kontext der Frage nach der Bedeutung von technischen Entwicklungen<br />
für Erfolgspotenziale und Wettbewerbsvorteile. Es ist unbestritten, dass technische<br />
Entwicklungen wie das Satellitenfernsehen und Glasfaserkabel eine Voraussetzung des<br />
globalen Erfolgs von Unternehmen wie Viacom, CNN oder News Corporation waren<br />
(vgl. Herman/McChesney: 70–105). Internationalisierung und Globalisierung erhielt<br />
durch Technikentwicklungen und entsprechende Wettbewerbsvorteile auf eher technologieabhängigen<br />
Stufen der Wertschöpfung enormen Rückenwind. Entscheidend bleibt<br />
aber, dass dieser nur bei entsprechender strategischer Positionierung auch umgesetzt<br />
werden kann. Dass dies selbst „Global Playern“ nicht immer gelingt, zeigen Trends wie<br />
Konvergenz und etwa die Nutzung des WWW zur Entwicklung von Erfolgspotenzialen<br />
überall auf der Welt.<br />
Geostrategische Differenzierung wurde in den letzten Jahren eine immer wichtigere<br />
Managementstrategie – und zwar auch in den traditionellen <strong>Medien</strong>branchen und weiterhin<br />
auch als Strategie im Hinblick auf die Aktivitäten auf jeder Wertschöpfungsstufe.<br />
Sogar der unzugängliche regionale Tageszeitungsmarkt ist von der Globalisierung<br />
eingeholt, wie unlängst der Kölner Zeitungskrieg zeigte. Die globale kommerzielle <strong>Medien</strong>-<br />
und Kommunikationskultur ist längst Realität geworden.<br />
4. Formen der globalen Kommerzialisierung medialer Kommunikation<br />
Die globale Kommerzialisierung medialer Kommunikation hat – wie aufgezeigt – Bedingungen<br />
und Voraussetzungen von Kommunikation auf eine Weise verändert, die mit<br />
abstrakten Begriffen wie Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung nicht adä-<br />
6 Zur Geschichte verschiedener Phasen unternehmerischer Strategien in der deutschen <strong>Medien</strong>branche<br />
vgl. Sjurts 1996: 239–241; zu den Strategien der größten <strong>Medien</strong>unternehmen der Welt<br />
vgl. Sjurts 1998.<br />
210
Winter / Karmasin · Unternehmensstrategische Perspektive<br />
quat erfasst werden können. Neben der Erforschung von Ursachen für diese Entwicklung<br />
stellt deshalb insbesondere die Beschreibung der Formen der globalen Kommerzialisierung<br />
eine Herausforderung für die Kommunikationswissenschaft dar.<br />
McQuail beschreibt Kommerzialisierung in seinem Beitrag von 1986 als doppelten<br />
Druck, der von der Profitorientierung einerseits und dem Publikum andererseits – insbesondere<br />
auf den Kommunikator – ausgeht. 7 Weiter differenziert er verschiedene Formen<br />
von Kommerzialisierung auf den vier Ebenen Gesellschaft, Publikum, Kommunikator<br />
und soziale Handlungsträger hinsichtlich entstehender Vor- und Nachteile. Letztlich<br />
bleibt aber auch bei McQuail der entscheidende Akteur, die Unternehmung, unberücksichtigt.<br />
Dies hängt, wie Prott gezeigt hat, wohl damit zusammen, dass McQuail<br />
annimmt, dass der Gutscharakter eines medialen Angebotes über dessen gesellschaftliche<br />
Bedeutung entscheidet (Prott 1994: 504). Dann wäre aber Kommerzialisierung, wie<br />
Prott resümiert, „nichts anderes als die Umwandlung ,öffentlicher Güter‘ in ,marktfähige<br />
Produkte‘“ (ebd.). McQuails implizite Theorie der Kommerzialisierung baut<br />
dann aber auf der (künstlichen) Unterscheidung zwischen „gesellschaftlich notwendigem“<br />
und „verkäuflichem Wissen“ auf. Wie problematisch diese Grundunterscheidung<br />
ist, dürfte aber auch McQuail aufgefallen sein. Er forderte für die Kommunikationstheorie<br />
am Ende seines Beitrags die „,Entheiligung‘ von Kommunikation für eine differenzierte<br />
Forschung“ und schlägt vor, Alternativen zwischen beiden Polen zu entwickeln<br />
(McQuail 1986: 642f.).<br />
McQuails Grundunterscheidung von „gesellschaftlich notwendigen“ einerseits und<br />
„verkäuflichen“ <strong>Medien</strong>angeboten andererseits ist gleich aus mehreren Gründen problematisch.<br />
Zunächst ist sie viel zu einfach. Sie erlaubt z. B. keine Differenzierung von<br />
Kommerzialisierung. Eine solche Möglichkeit ist aber historisch notwendig, um in der<br />
Geschichte anzutreffende, etwa branchenspezifische Formen von Kommerzialisierung<br />
zu unterscheiden. Habermas hat in seiner Arbeit <strong>zum</strong> Strukturwandel der Öffentlichkeit<br />
bekanntlich gezeigt, dass die kommerzielle Ausrichtung des Verlagswesens mit der<br />
Entstehung der bürgerlichen Presse seit Ende des 17. Jahrhunderts publizistisch unterlaufen<br />
wurde. Damals „trat der erwerbswirtschaftliche Zweck solcher Unternehmen<br />
meist ganz in den Hintergrund; ja sie verstießen gegen alle Regeln der Rentabilität, oft<br />
Verlustgeschäfte von Anbeginn“ (Habermas 1990: 275–292, hier 276). Habermas fasst<br />
zusammen: Die Unternehmer sicherten der Presse eine „kommerzielle Basis, ohne sie<br />
jedoch als solche zu kommerzialisieren“ (ebd.: 277). Ihre Erwerbschancen als auch kommerzielle<br />
Veranstaltung beginnt die Presse erst mehr als hundert Jahre später nach Etablierung<br />
des bürgerlichen Rechtsstaats und einer legalen publizistisch-politischen Öffentlichkeit<br />
verstärkt zu nutzen.<br />
Weiter unterschätzt McQuails Kommerzialisierungs-Grundunterscheidung die<br />
Komplexität des Verhältnisses von Unternehmen zu ihren Anspruchsgruppen auf fast<br />
naive Weise (vgl. insbes. Karmasin 1998: 89–147). Diese Argumente lenken aber von<br />
dem grundsätzlichen Problem ab: Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern darum,<br />
ob und welche Kommunikation öffentlich bereitgestellt werden sollte, und wie dies zu<br />
bewerkstelligen ist. Können es sich Gesellschaften erlauben, kommerzielle <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
bei dieser Frage außen vor zu lassen? Dies anzunehmen, wäre bei der aufgezeigten<br />
Realität der globalen Kommerzialisierung nicht nur naiv, sondern falsch. Eine<br />
7 „Der eine Druck wird als von ,oben‘ kommend gesehen, von einer Organisationsstruktur, die<br />
an maximaler Profitgewinnung orientiert ist, der andere Druck als von ,unten‘ kommend, vom<br />
Bedarf oder unterstellten Bedarf des Massenpublikums.“ (McQuail 1986: 634)<br />
211
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
solche Position würde unterstellen, dass kommerziell verfasste und arbeitende <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
nicht in der Lage wären, öffentliche Kommunikation auf eine der demokratischen<br />
Gesellschaft förderliche Art und Weise zu produzieren. Diese Position wird<br />
in dieser ausschließenden Form – <strong>zum</strong>indest in demokratischen Gesellschaften – nicht<br />
mehr vertreten. Um verstehen zu können, wie Unternehmen an der Konstitution der<br />
bestmöglichen demokratischen öffentlichen Publizität beteiligt werden können, gilt es,<br />
Kommerzialisierungsstrategien sorgfältiger als bisher zu erforschen und dadurch besser<br />
zu verstehen.<br />
Kommerzialisierungsstrategien zielen auf ganz unterschiedliche Stufen und Ebenen<br />
unternehmerischer Leistungserstellung. Es geht nicht mehr nur um Größenvorteile, also<br />
um „vertikale Integration“ und „geostrategische Expansion“, die noch bei der Übernahme<br />
von Warner-Communications durch Time Inc. im Vordergrund standen. Aktuell<br />
gewinnen geostrategisch differenzierte Kleinheits- und Schnelligkeitsvorteile an Bedeutung<br />
(vgl. insbes. Albaran 1998); sowie Vernetzungsvorteile (vgl. z. B. Windeler/<br />
Lutz et al. 2000), die Konzentration auf Kernkompetenzen (vgl. z. B. Habann 2000), die<br />
Verbesserung der organisationalen und personalen Leistungsfähigkeit (vgl. z. B. Deters<br />
1997), spezifische Durchführungskompetenzen (vgl. z. B. Borrmann 1997) und im Zusammenhang<br />
mit Konvergenzphänomenen die Entwicklung und Etablierung von Kommerzialisierungspotenzialen<br />
in neuen Geschäftsfeldern (vgl. etwa Zerdick et al. 1999:<br />
179–217, sowie spezieller etwa Hummel 2000).<br />
Noch nie hatten <strong>Medien</strong>unternehmen so viel Spielraum, Strategien zu entwickeln und<br />
Investitionsentscheidungen zu treffen. Durch die Konvergenz, die Komplexität und<br />
Globalität der Möglichkeiten sind sie aber auch in eine Situation geraten, in der es für sie<br />
immer schwieriger wird, sich im globalen inter- und intramedialen Wettbewerb zu positionieren.<br />
Für die Kommunikationswissenschaft stellt sich daher die Frage, wie Spezifika<br />
von Kommerzialisierung erkannt und dargestellt werden können. Aufgrund der<br />
Kundenorientierung und des analytischen Potenzials sind wir der Auffassung, dass dies<br />
mit der Wertkette am besten gelingt (vgl. auch Zerdick et al. 1999: 50–58).<br />
Die Identifikation und Beschreibung der Formen von globaler Kommerzialisierung<br />
medialer Kommunikation entlang der Wertschöpfungsstufen zeigt eine Vielzahl von<br />
Widersprüchen und Konflikten, die in der Kommunikationswissenschaft nur in der Redaktionsforschung<br />
berücksichtigt werden, die aber auf die Stufe der Werterstellung fokussiert<br />
ist (vgl. Altmeppen 2000) und Konflikte zwischen verschiedenen Interessen,<br />
Kulturen und Begründungsrationalitäten, die sich auf anderen Stufen der medialen<br />
Werterstellung ergeben, unberücksichtigt lässt (vgl. dazu insbes. Winter 2000).<br />
Für die Wissenschaft wird es darauf ankommen, Kommerzialisierungsphänomene<br />
nicht zu vereinfachen, sondern angemessen zu differenzieren. Dies hier zu leisten würde<br />
den Rahmen sprengen. Einige Stichworte mögen die Verschiedenartigkeit und Widersprüchlichkeit<br />
der Formen von Kommerzialisierung andeuten. Im Hinblick auf die<br />
erste Wertschöpfungsstufe „Investition & Finanzierung“ ist Kommerzialisierung z. B.<br />
in Form neuer Finanzierungsmöglichkeiten beobachtbar. Dabei können freilich auch<br />
neue Zwänge entstehen, wie durch eine wertorientierte Unternehmensführung, die verstärkt<br />
M & A-Aktivitäten erforderlich macht, oder IR-Aktivitäten. Hier entstehen für<br />
aktiennotierte Unternehmen völlig neue Refinanzierungsmöglichkeiten. Gleiches gilt<br />
für die Stufe der Wertbestimmung, die als eigenes Profit-Center zu einem Think-Tank<br />
ausgebaut werden könnte. Eine so ausgebaute Stufe könnte die Reaktionen z. B. von<br />
jüngeren Konsumenten auf Angebote des Unternehmens auswerten und intermedial<br />
weiterverwerten usf. Bei der Werterstellung werden Konsumenten über Best-Practice-<br />
Communities in die Weiterentwicklung von Programmformaten eingebunden usf. Das<br />
212
Winter / Karmasin · Unternehmensstrategische Perspektive<br />
gilt aber nicht nur für Konsumenten, sondern auch für die Werbung oder Markenartikler,<br />
die im Rahmen von Kommerzialisierungsstrategien ebenfalls neu integriert werden.<br />
Solche und ähnliche Hinweise ließen sich für alle anderen Stufen der Werterstellung<br />
finden und ausdifferenzieren. Nichts anderes ist strategische Planung (vgl. Maier<br />
2000).<br />
Diese Beispiele zeigen, dass die geläufige Definition, die Kommerzialisierung eng im<br />
Kontext von Kommerz ausschließlich als eine alleinige Gewinnorientierung definiert,<br />
die verschiedenen Formen der Wertschöpfung unberücksichtigt lässt, die aufgrund der<br />
unternehmerischen Wettbewerbs- und Gewinnorientierung freigesetzt werden. Diese<br />
Potenziale stiften ihren Nutzen aber eben in der Regel nicht der Gesellschaft, sondern<br />
nur den Bürgerinnen und Bürgern, die ihn sich leisten können: den Konsumenten. Es ist<br />
die Frage zu stellen, unter welchen Bedingungen Formen von Kommerzialisierung von<br />
Unternehmen Potenziale schaffen, die nicht nur einzelnen Konsumenten, sondern der<br />
Gemeinschaft nutzen.<br />
Für Unternehmen ist bei der Beurteilung ihrer Kommerzialisierungsstrategien aber –<br />
trotz widerstrebender Rationalitäten und Begründungsinteressen – der entstehende<br />
Wettbewerbsvorteil und monetäre Erfolg maßgeblich. Strategien von Unternehmen und<br />
Formen der Kommerzialisierung können dabei sehr unterschiedlich sein, weil ja auch<br />
die Ziele, Märkte, Rationalitäten, Unternehmen, Kernkompetenzen, Visionen, Zielgruppen<br />
u. v. a. m. der Unternehmen sehr unterschiedlich sein können. Es wäre durchaus<br />
denkbar, dass <strong>Medien</strong>unternehmen in den Wettbewerb um Beiträge zur öffentlich<br />
beispielhaften Schöpfung von für die Allgemeinheit wertvollen Potenzialen entlang der<br />
medialen Wertschöpfung treten. Beispiele für entsprechende Wettbewerbe bieten nicht<br />
nur die üblichen Fernsehpreise, sondern öffentliche Ausschreibungen in anderen Branchen<br />
oder sogar Vorausleistungen, die im Hinblick auf Infrastrukturhilfe üblich sind.<br />
Z. B. könnte ein Wettbewerb um neue <strong>Medien</strong>angebote, die etwa der Demokratisierung<br />
der Gesellschaft dienen, Kommerzialisierungsstrategien sogar für die Gesellschaft nutzen.<br />
Die Konzentration auf Formen von Kommerzialisierung auf Seiten der Unternehmen<br />
und insbesondere im Hinblick auf ihre Strategien soll nicht den Eindruck erwecken,<br />
dass es andere Formen der Kommerzialisierung, wie sie etwa McQuail im<br />
Kontext der von ihm differenzierten Ebenen aufgezeigt hat, nicht auch gibt. Insbesondere<br />
zeigen die Cultural Studies, wie Konsumenten mit Angeboten der Kulturindustrie<br />
immer wieder neu und kreativ umgehen können (Featherstone 2000; Bromley 2000;<br />
Fiske 2000). Hier ging es um einen Eindruck von der Vielfalt und Widersprüchlichkeit<br />
von Kommerzialisierung innerhalb kommerzieller medialer Wertschöpfung. Die Qualität<br />
der Diskussion so genannter Folgen von Kommerzialisierung dürfte wesentlich<br />
von der Qualität der Differenzierung ihrer Erscheinungsformen und Widersprüche abhängen.<br />
5. Folgen der globalen Kommerzialisierung medialer Kommunikation<br />
Die Folgen der Kommerzialisierung medialer Kommunikation haben, anders als in den<br />
achtziger Jahren erwartet, zu keiner endlosen konglomeraten Konzentration beigetragen<br />
(vgl. Albarran 1998). Es ist auch keine dem Kulturimperialismus vergleichbare Form<br />
des <strong>Medien</strong>imperialismus beobachtbar, derart, dass bestimmte <strong>Medien</strong>angebote andere<br />
unterdrücken würden, wie fremde Kulturen in Kolonien unterdrückt worden sind (vgl.<br />
Ang 1999). Auch der Albtraum der Kulturindustrie, die Wiederkehr des immer Gleichen,<br />
die Kulturindustriethese, hat sich in der Realität der global kommerzialisierten<br />
213
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
medialen Kommunikation nicht bewahrheitet (vgl. Adorno 1972 und zusammenfassend<br />
Dubiel 1990).<br />
Gleichwohl dürfen der Grad und die Art der Veränderungen – insbesondere vor dem<br />
Hintergrund demokratischer Werte wie Vielfalt, Gleichheit und Solidarität – nicht unterschätzt<br />
werden. Der Wettbewerb auf den <strong>Medien</strong>märkten und die Renditeerwartungen<br />
der Aktionäre oder Eigentümer lassen es kaum mehr zu, dass Kommerzialisierung<br />
quasi von unten publizistisch unterlaufen wird. Der Wettbewerb zeigt sich z. B. sehr<br />
deutlich bei der Diffusion neuer Dienste und Angebote durch kleinere Unternehmen,<br />
die derzeit großen Unternehmen aufgrund ihrer schnelleren Reaktionsgeschwindigkeit<br />
und ihrer geringeren Transaktionskosten erheblich zu schaffen machen. Neben den Integrationsanforderungen<br />
und Folgen aus dem Umfeld von Globalisierung, die in der<br />
<strong>Medien</strong>politik diskutiert werden (vgl. Jarren 2000; Jarren/Meier 1998), setzt in der <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
global ein Strukturwandel ein, der ebenfalls erhebliche Folgen hat, die im<br />
Fach noch überhaupt nicht diskutiert werden. Die Desintegration der vormals konglomeraten<br />
und vertikal integrierten <strong>Medien</strong>wirtschaft in eine zunehmend größere Zahl<br />
von Klein- und Kleinstfirmen auf der einen und schlanken, globalen Händlern und Besitzern<br />
von Rechten, Kapital und Vertriebswegen auf der anderen Seite hat zur Folge,<br />
dass der Staat über Infrastrukturhilfen für die KMUs wieder ins Spiel gebracht wird,<br />
ohne dass er Finanzierung, Personalentwicklung und die Sicherheiten von Konzernen<br />
bietet. Die eine Folge dieser Entwicklung, die zunehmend hervor tritt, ist der rapide<br />
Wandel der Anforderungen an Inhalte und Zielsetzungen der <strong>Medien</strong>ausbildung. Die<br />
Diskussion, die hier über Professionalisierung (vgl. Karmasin/Fried 1998) sowie im<br />
Hinblick auf die Notwendigkeit einer Orientierung am Schnittstellenmanager, dem<br />
Leitbild der Personalauswahl, geführt wird, wird immer dringlicher (vgl. die Beiträge in<br />
Deters/Winter 1997 sowie zuletzt Winter 2000a).<br />
Die Komplexität der Bedingungen und Voraussetzungen des strategischen Handelns<br />
von <strong>Medien</strong>unternehmen sowie die Verschiedenartigkeit von Kommerzialisierung auf<br />
den einzelnen Wertschöpfungsstufen stellt die Forschung vor erhebliche Probleme. Dies<br />
gilt insbesondere für die Kommunikationswissenschaft, die bei der Erforschung unternehmerischer<br />
Werterstellungsprozesse (in ihrer ganzen Länge) sowie der Beschreibung<br />
verschiedener Formen von Kommerzialisierung Neuland betritt. Der Tatbestand, dass<br />
Konzepte der Betriebswirtschaftslehre die Vielfalt der strategischen Optionen, die sich<br />
auf den Stufen medialer Wertschöpfung aus verschiedenen Perspektiven durchaus ergeben<br />
können, nur eindimensional reflektieren, macht diese Herausforderung noch einmal<br />
bewusst. Daher ist die Kommunikationswissenschaft gefordert, einen eigenständigen,<br />
spezifischen Beitrag zu erbringen, der im Kontext der Globalisierungsdiskussion bereits<br />
gefordert wird (Jarren/Meier 1998: 233). Diesen im Hinblick auf die Nutzung von Kommerzialisierungspotenzialen<br />
für die Gesellschaft im Kontext von Globalisierung und<br />
Kulturwandel zu erbringen, sollte für die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
eine willkommene Herausforderung sein. Explizit ließe sich etwa der Stakeholder-Ansatz<br />
nutzen, um kommerzielle Strategien auf den Wertschöpfungsstufen zu analysieren,<br />
aber eben nicht nur vor dem Hintergrund der marktlichen Verwertung, sondern auch,<br />
um etwa neue Möglichkeiten publizistisch wertvoller medialer Wertschöpfung zu entwickeln.<br />
Das zentrale Defizit der zu erbringenden genuin kommunikationswissenschaftlichen<br />
Leistung, den Wandel der <strong>Medien</strong>wirtschaft und insbesondere der Strategien der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
als den zentralen Akteuren im Kontext von Gesellschaftswandel zu<br />
berücksichtigen, besteht in der Unterkomplexität bislang verwendeter Theorien und<br />
Modelle. Diese sind kaum in der Lage, die Rolle zunehmend transnational und glei-<br />
214
Winter / Karmasin · Unternehmensstrategische Perspektive<br />
chermaßen integriert und desintegriert agierender Unternehmen im Kontext von Wandel<br />
und von Gesellschaft zu beschreiben und kritisch zu reflektieren. Um diese Engführungen<br />
zu überwinden, ist eine multiperspektivische, multidisziplinäre und multidimensionale<br />
Vorgehensweise erforderlich. Dabei dürfte eine methodologisch, theoretisch<br />
und empirisch enge Orientierung an (erstens) konkreten Prozessen betrieblicher<br />
Werterstellung, (zweitens) den Ansprüchen von Gruppen an Unternehmen (Stakeholder-Orientierung)<br />
und (drittens) der empirischen Evidenz der Widersprüchlichkeit des<br />
Umgangs mit <strong>Medien</strong>angeboten hilfreich sein. Auf diese Weise wäre einerseits die Nähe<br />
<strong>zum</strong> materialen und formalen Gegenstandsbereich des Faches gewährleistet, andererseits<br />
bliebe es möglich, Kommerzialisierung als konkreten Teilprozess von Ökonomisierung<br />
zu differenzieren und im umfassenden Kontext von Gesellschafts- und Kulturwandel<br />
sowie Globalisierung zu diskutieren.<br />
Die Autoren haben versucht zu zeigen, dass Kommerzialisierung, die Erweiterung der<br />
Re-Finanzierungsmöglichkeiten, nicht nur neue Optionen und Herausforderungen für<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen schafft, sondern auch gesellschaftliche Implikationen hat. Eine der<br />
in diesem Zusammenhang wesentlichsten Herausforderungen ist die zunehmende Globalisierung<br />
medialer Wertschöpfungsprozesse. Transnational tätige Unternehmen versuchen,<br />
Content in verschiedensten kulturellen Kontexten zu verwerten, wobei sie zunehmend<br />
gesellschaftliche Ökonomisierungsprozesse zu unterlaufen beginnen. Im<br />
Kontext von Globalisierung verändert sich das Verhältnis von Ökonomisierung und<br />
Kommerzialisierung (als ursprünglicher Teilprozess von Ökonomisierung). Verstärkt<br />
sollte deshalb der „Economic-Turn“ der Kommunikationswissenschaft in Richtung einer<br />
verstärkten Betrachtung der Rolle der <strong>Medien</strong>unternehmung (also der Meso-Ebene)<br />
auch die Erforschung der Globalisierung medialer Produkte und Dienste im Kontext<br />
der Veränderung der Strukturen und Inhalte von Wertketten integrieren.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Adorno, T. W. (1972): Résumé über Kulturindustrie. In: Prokop, D. (Hrsg.): Massenkommunikationsforschung<br />
1: Produktion. Frankfurt/Main, S. 347 – 354.<br />
Albarran, A. B. (1998): The Coalescence of Power: The Transformation of the Communication Industries.<br />
In: Picard, R. G. (Ed.): Evolving Media Markets: Effects of Economic and Policy<br />
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217
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
The Internet’s impact on incumbent media firms:<br />
a management perspective<br />
Lucy Küng<br />
This article explores the impact of the Internet on incumbent media firms from the perspective<br />
of management theory. It examines how with the arrival of the Internet media<br />
firms have become exposed to a strategically demanding environment characterised by<br />
high levels of uncertainty, not least surrounding the fundamental operating model for online<br />
media. One result has been a shift in organisational priorities within media firms,<br />
specifically in favour of business and commercial issues at the expense of cultural and intellectual<br />
concerns, a development this article terms ‘commercialisation’. The article finds<br />
that this process can be observed at firm and at product level. The article concludes by<br />
suggesting that the emergence of the Internet has served to reinforce commercialisation<br />
processes that were already present in the media industry. It predicts that while the pace<br />
of development in the online field may have slowed, the uncertainties intrinsic to its<br />
strategic context and the challenges associated with its management mean that commercialisation<br />
pressures are likely to persist.<br />
Introduction<br />
The emergence of the Internet has heralded a new era for incumbent media firms. From<br />
a management perspective one of the most noteworthy aspects of this is an increasing<br />
emphasis on financial and commercial concerns at the expense of broader social, intellectual<br />
or cultural ones, a development which is evident at both firm and product (content)<br />
level. Adopting the standpoint of management theory this article explores these<br />
changes.<br />
The St. Gallen Management Model provides the broad structure whereby developments<br />
are analysed at three levels: the strategic context or environment of media organisations,<br />
the media firm itself, and the core product of the media organisation, media<br />
content. In terms of media firms, the article adopts the standpoint of incumbent media<br />
organisations – that is existing media players with their origins in the traditional mass<br />
media, as opposed to ‘insurgent’ new media firms.<br />
The pace of change in the new media arena, the significant intrinsic differences in national<br />
media systems, and the sheer volume of variables at work in the competitive environment<br />
mean that this article can only offer an idealised typology of developments in<br />
the broadest sense. The speed and scope of change creates terminological problems also.<br />
To date the terms ‘new media’ and ‘new economy’, while frequently used, particularly<br />
by practitioners, are ambiguous at best. Unfortunately they can be taken to imply that<br />
that which went before was ‘old’ and by extension antiquated and out of date. This is<br />
not the case with this article where ‘old’ is used in the sense of ‘existing’ or ‘traditional’<br />
and does not carry implicit negative connotations. Similarly ‘new’ is used in the sense of<br />
‘emergent’ and does not per se imply ‘superior’.<br />
A changing strategic context<br />
The online media owe their existence to the emergence of the Internet. Around the<br />
world, uptake of the Internet by businesses and consumers has been extraordinary. It is<br />
218
Küng · management perspective<br />
the world’s fastest growing communications medium (US Department of Commerce,<br />
1998) and as of June 2000 over 300 million people worldwide have online access 1 . From<br />
an environmental perspective the Internet can be viewed as one – arguably dominant –<br />
element in a complex amalgam of entwined technological and political change<br />
commonly termed ‘convergence’, a phenomenon this article understands as the gradual<br />
erosion of structural barriers between the media, telecommunications and information<br />
technology industries and markets (Fidler, 1997; Chakravarthy, 1997; Bradley and<br />
Nolan, 1998; Collis et al., 1997).<br />
The emergence of the Internet placed incumbents under a pressure to embrace online 2<br />
media that with the benefit of hindsight appears extreme. This stemmed from many directions,<br />
from many different stakeholder groups, at once. Arguably at the root of this<br />
sense of urgency was the financial markets’ enthusiasm for the new media sector. From<br />
the mid-1990s to early 2000 extraordinarily high valuations were awarded to businesses<br />
that sought to exploit the potential of the Internet. Those concerned with the provision<br />
of content were some of the most highly rated of all (Gemini, undated). This led in<br />
turn to pressure from shareholders and key executives who wanted to participate in this<br />
bonanza, and was further amplified by a widely held view that the online world was<br />
characterised by powerful order of entry advantages (i. e. that the ‘first mover’ in the Internet<br />
arena would establish an unassailable beachhead, and that laggards would be severely<br />
disadvantaged) (Helmore, 2000). A further imperative came from consumers,<br />
who had adopted the Internet far more speedily than had been anticipated (although<br />
they were in general attracted by communications-based ‘content’ such as chat and e-<br />
mail rather than ‘traditional’ forms of content available over the Internet).<br />
As a result of these pressures Internet-related activities became a strategic priority for<br />
incumbent media firms and many made very significant financial commitments to the<br />
field 3 (Hatlestad, 2000; Deutsche Bank, 1999; Harding, 2000a, 2000b; Ewing, 2000).<br />
They moved aggressively online and in consequence were exposed to a very different<br />
strategic environment. Environmental change is not new to the media industry – from<br />
the 1980s onwards the sector had undergone a series of far-reaching changes. But while<br />
these changes brought with them at times dramatic consequences, they represented in<br />
general incremental, albeit one off, alterations to the status quo – a gradual liberalisation<br />
of markets, a gradual introduction of new transmission technologies for existing categories<br />
of media products, a gradual shift from collective to individual payment systems,<br />
a gradual adoption of PC-based production methods and so on.<br />
Through their engagement with the Internet, incumbents came into contact with an<br />
‘emergent’ strategic context (Porter, 1980), very different to the ‘mature’ one they were<br />
accustomed to. Mature contexts are characterised by slow growth, intense competition<br />
between a known group of well-entrenched players and knowledgeable customers.<br />
Emergent environments, such as those surrounding the high tech and Internet sectors,<br />
1 Figures from Screen Digest, June 2000: 191.<br />
2 Online media are defined as services, interactions or transactions that require continuous connection<br />
to an electronic communications network (Fidler, 1997). The electronic network referred<br />
to in this paper is the Internet.<br />
3 For example during the first quarter of 2000 Reuters announced it had budgeted investments of<br />
£500m over the next four years, Reed Elsiever £600-700m over the next three years, and BSkyB<br />
£250m over the next 18 months. All of these investment programmes have since been scaled back<br />
or cancelled.<br />
219
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
are dynamic ‘highly competitive, high velocity’ contexts (Eisenhardt and Brown, 1998)<br />
where levels of uncertainty are high. Industry boundaries are unclear, new business concepts<br />
emerge rapidly and established ones are equally easily displaced (Robins and<br />
Wiersema, 1999), technology and consumer preferences are uncertain and competition<br />
comes from many directions at once, from start-ups, from other incumbents, and from<br />
new types of substitutes.<br />
Summary 1: Changes to incumbent media firms’ strategic context<br />
‘Traditional’ media industry<br />
‘New media’ industry<br />
incremental: significant but nature of environmental radical: discontinuous,<br />
gradual, episodic change change fast-moving and ongoing<br />
mature: slow growth, intense nature of strategic emergent: technological<br />
competition from entrenched environment uncertainty, competition<br />
players<br />
from new players,<br />
short-term planning horizons<br />
stable, static, knowledgeable nature of markets turbulent, first-time<br />
consumers<br />
buyer markets<br />
Changing management priorities<br />
Emergent contexts present a complex management challenge, particularly for established<br />
players ‘encumbered’ by fixed assets and ‘legacy’ systems and processes. They demand<br />
high levels of management attention, in turn forcing a preoccupation with matters<br />
of management and business from all senior level employees whether they occupy management<br />
or creative functions. When the competitive arena is constantly evolving and<br />
unpredictable, the nature of strategic activity changes. In theoretical terms attention<br />
shifts from the ‘content’ of strategy to the ‘process’ by which it is developed and implemented.<br />
Rather than develop detailed strategies based on extensive competitive analysis,<br />
management must instead ensure the organisation is capable of adapting in step with<br />
evolving markets, through providing scope for autonomous action, by establishing joint<br />
ventures and alliances and acquiring new capabilities. This means they must not only be<br />
creative from a product perspective but from an organisational one too.<br />
The increasing complexity of the management task inevitably deflects attention away<br />
from traditional product-related concerns. In the case of online media, this was compounded<br />
by the financial uncertainties present in the online sector as a whole. These centred<br />
on the issue of ‘business model’. This ubiquitous and loosely-defined term refers to<br />
how a company does business and generates revenue (Porter, 2001). The ‘default’ business<br />
model for traditional media businesses (with the exception of public service broadcasters)<br />
has been that they receive revenue in return for delivering audiences to advertisers,<br />
those audiences having been attracted by the content media products ‘contain’.<br />
Characteristics of this model are that it has a significant component of indirect payment<br />
(a large proportion of costs being born by advertisers or, in the case of public service<br />
broadcasters, by public contributions) and is collective (payment models are based on<br />
aggregating the largest possible number of consumers – a mass audience) and based on<br />
standardised products.<br />
220
Küng · management perspective<br />
In the new media field there are, theoretically, at least three options for funding online<br />
content, advertising, subscription and transaction fees, but as yet however none has<br />
proved entirely successful. It was initially assumed that a business model relying on a<br />
combination of advertising and transaction fees would evolve 4 . This proved not to be<br />
the case and to date online advertising revenues have been modest and unreliable (Warburg<br />
Dillon Read, 2000). Similarly, subscription fees, one of the longest-established<br />
business models for offline content, have been a limited success online. The chief barrier<br />
is simply that Internet users have come to expect information for free, and appear willing<br />
to pay only for certain categories of content, for example ‘adult’ content (pornography),<br />
betting and gaming. Disappointment over advertising and subscription revenues<br />
led to increasing interest in the possibilities of e-commerce as a potential source of revenue.<br />
So far however e-transaction incomes have also been modest (Warburg Dillon<br />
Read, 2000).<br />
As a result, new media divisions came to exert a disproportionately large impact on<br />
their parent organisation, in particular forcing an organisation-wide concentration on issues<br />
of funding and finance. Online media activities are expensive and in the absence of<br />
online revenues these costs must be met through cross subsidisation by offline media activities.<br />
Further, during the late 1990s and early 2000s most public media companies<br />
were seeking an early flotation of their Internet divisions as a means of capitalising on<br />
the high valuations placed on internet-related businesses and providing shares to finance<br />
growth through acquisitions and to compensate key executives. Indeed in the absence<br />
of real profits, an early IPO (initial public offering) became almost the default business<br />
model for online media businesses. This also forced a short-term financial perspective,<br />
since both the IPO process and publicly-listed status are characterised by intense attention<br />
on revenues and market share.<br />
Summary 2: Changes to incumbents’ organisational focus<br />
‘Traditional’ media firm<br />
‘New’ media firm<br />
‘content’ of strategy strategy focus ‘process’ of strategy<br />
incremental – improvements focus of product new to the world<br />
to existing products and innovation products and services<br />
development of new products<br />
along established lines<br />
well-established, proven business model uncertain<br />
product-focused (product management priorities organisation-focused<br />
creativity, marketing)<br />
(technology, strategy,<br />
finance)<br />
4 See, for example, Vogel, 1999.<br />
221
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Changes to media content<br />
At the content level, a process of commercialisation can be observed in the blurring of<br />
boundaries between editorial and commercial elements and in the fact that online commercial<br />
considerations exert a far stronger influence over the nature of content displayed<br />
than in an offline environment.<br />
Content lies at the heart of all media businesses. From a management perspective the<br />
activity of creating content 5 is the sector’s defining ‘core competence’ (Hamel and Prahalad,<br />
1994; Kay, 1993) and the thread that connects the diverse sub-sectors ranging<br />
from scientific publishing to traffic bulletins. The so-called ‘mass paradigm’ has long defined<br />
the ‘mass’ media industries. This refers to the delivery of a universal, identical message<br />
from a powerful and centralised message source to a potentially unlimited audience.<br />
The essential model therefore is a point-to-multipoint one whereby communication is<br />
one way; the receiver of the message is not able to communicate with the sender of the<br />
message using the same media (McQuail, 1987; v. Krogh/Roos, 1986). This paradigm reflects<br />
two linked environmental phenomena prevalent during the emergence of the electronic<br />
mass media. The first, increasingly invalid in the current converging climate, was<br />
that bandwidth was scarce and needed to be rationed, and the second was a conviction<br />
that the mass media had the power to shape public attitudes. Thus the ‘old’ media model<br />
is predicated on a limited number of outlets, a virtually captive audience and scarcity<br />
of product in the face of mass demand (Wolf, 1999a).<br />
The mass media model is linear and highly structured – content is either ‘on’ or ‘off’<br />
and submitted to consumers sequentially according to pre-determined formats (DeFleur<br />
and Dennis, 1998; Makar, 2000). There is a clear distinction between content and the<br />
medium by which that content is delivered to the consumer: the medium is the carrier<br />
of the information and content is the information itself . Further, in the offline space the<br />
economic value of content is important but not all-encompassing – content is also felt to<br />
bestow important non-economic merits, for example to promote an engaged and alert<br />
democracy, to safeguard vulnerable values such as freedom of information and freedom<br />
of speech.<br />
From the content perspective, the emergence of the Internet has given rise to an entirely<br />
new paradigm governing its form and function which reflects the intrinsic characteristics<br />
of the Internet as a communications medium. First, it is an interactive, ‘pull’<br />
technology, meaning that content can be personalised and made available on demand.<br />
The underlying communication model online is that of large numbers of users engaged<br />
in interactive, unmediated, individual media experiences. Second, the medium and message<br />
are inextricably interlinked. Content (the media product being delivered in some<br />
digital form) is inseparable from the technology by which it is generated, and value to<br />
users resides as much technological aspects as in informational ones. Thus online content<br />
is simultaneously a product and a service, and the development of online content is<br />
perhaps closer to software development than journalism, characterised by trial and error,<br />
research, development and debugging. Further, whereas traditional media content<br />
5 The term ‘content’, although a now ubiquitous label for the products produced by media organisations,<br />
only came to be used in that sense around 1996 (Geirland and Sonesh-Kedar, 1999).<br />
Prior to that ‘content’ was a somewhat specialist term for the messages conveyed by media products<br />
and generally used in connection with ‘content analysis’.<br />
222
Küng · management perspective<br />
is produced by professionals for consumers, in an Internet environment the consumers’<br />
role is more pro-active – extending as far as generating content for themselves. 6<br />
As a result, rather than being an extension of the offline content paradigm, online content<br />
is a media form unto itself. Whereas offline content tends to revolve around three<br />
core elements – the ‘Reithian trio’ of information, education and entertainment, online<br />
content defined at its loosest comprises virtually anything that appears on a screen. Chat<br />
room conversations, dating and betting services and file sharing sites such as Napster and<br />
banner adverts all ‘qualify’ to those in the industry as online content. In practice this<br />
broad span of content falls into four categories:<br />
• Information: The narrowband Internet is data-heavy, reflecting the strengths of the<br />
medium as a means of accessing, sorting and customising information, and the<br />
unimaginable range, breadth, depth and diversity (from the thousands of sources) it<br />
offers.<br />
• Communication: One-on-one communication between users has always been an important<br />
element of online activity. Services which allow contact and interaction –<br />
email, chat, interactive bulletin boards – helped fuel the early success of the medium<br />
as a whole and of leading players such as AOL (indeed in the beginning AOL offered<br />
little more than chat). Although these communications activities involve text, they are<br />
essentially extensions of oral communication.<br />
• Community: Community sites built around common interests serve to funnel and<br />
aggregate contact activities, and since the medium’s inception such communities<br />
have matured and become increasingly sophisticated, task-orientated and commercial.<br />
• Commerce: In an online environment content and commerce are converging – media<br />
companies are becoming more commerce orientated and commerce companies are<br />
becoming concerned with developing content (Wolf, 1999b: 205; Forrester, 1999;<br />
Hatlestad, 2000). For example Amazon.com, an e-commerce site, features many elements<br />
– book reviews, synopses, extracts etc.- that are essentially content, and, conversely,<br />
content sites such as Redherring.com offer links to commercial services and<br />
embed advertising in chat rooms that take users directly to e-commerce sites.<br />
There are a number of reasons why overtly-commercial content has become a critical<br />
element of the online content paradigm. First it simply reflects an opportunistic response<br />
to the intrinsic capabilities of Internet as a communications medium. There has always<br />
been a strong natural link between content and commerce – every purchase decision is<br />
based on information (content). On the Internet this link becomes dynamic – users can<br />
move directly from information to purchase. Further, particular types of online content<br />
– search engines, product configurators, user recommendation sites etc. can act as powerful<br />
boosts to the e-commerce process. It also reflects the fact that media companies are<br />
under pressure to exploit the link between content and commerce because of their problems<br />
financing online content.<br />
6 Indeed one of the surprises for incumbents during the early days of the Internet was the lack of<br />
interest in ‘expert’ content produced by well-known brand names (for example Time Warner’s<br />
Pathfinder or Microsoft’s Slate) and the conversely strong attraction in user- generated content.<br />
223
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Summary 3: Changes in the nature of media content<br />
‘Traditional’ media content<br />
‘New’ Media Content<br />
information, education, core customer proposition synthesis of information,<br />
entertainment<br />
communication, community<br />
and commerce<br />
one-to-many, mass basic communication two-way, individual,<br />
paradigm<br />
interactive, on-demand<br />
highly structured, linear, format molecular, orientated<br />
narrative, pre-packaged,<br />
around 3-D hierarchical<br />
transmitted according to fixed<br />
matrix<br />
schedules or formats<br />
message not medium – the relationship between message and medium – the<br />
medium is the carrier of the content and technology information engineering<br />
message, content is the message<br />
(technology) is an intrinsic<br />
itself<br />
element of content<br />
content is the product of scarce who produces content? anything can be content and<br />
creative skills and/or trained minds<br />
content doesn’t have to be<br />
produced by experts – in fact<br />
many users are happiest<br />
producing their own content<br />
Conclusions<br />
The emergence of the Internet has ushered in a new era for incumbent media firms, one<br />
that has served to reinforce and perhaps accelerate the commercialisation processes already<br />
at work in the media world. For media firms their involvement in the online field<br />
has necessitated a focus on financial priorities at the expense of the traditional ‘non-economic’<br />
concerns as intrinsic cultural merit, social integration, democratic empowerment<br />
and public education – on the part of all employees. In terms of content, while content’s<br />
strategic value may have increased (due to its role as the fuel of online business models),<br />
its intrinsic value has fallen. Symbolic, intellectual, artistic elements are still important,<br />
but they are increasingly assessed with a commercial eye. Providing access to consumers<br />
for advertisers has always been an important function of offline content, but this has<br />
been secondary to the primary goal of entertaining, educating or informing them. This<br />
is not so online where ‘traditional’ mass media content is a just one element of a wider<br />
paradigm which includes elements that media industry stalwarts would perhaps not normally<br />
include in a content typology.<br />
Online content is important not because of what it is, because of any cultural, social<br />
or educational benefits it may bestow, but because of what it can do, that is, its ability<br />
to attract users. Online media products are increasingly becoming platforms for advertising<br />
and e-commerce when they are displayed on computer screens (Kehoe, 2000). As<br />
a result conceptions of what constitutes quality have also changed. In an online context<br />
attributes of ‘quality’ include the potential for commerce enablement, the potential for<br />
personalisation, the potential for platform neutrality, and of course ‘stickiness’, that is<br />
the ability to keep users on a site.<br />
224
Küng · management perspective<br />
The collapse of the dotcom sector will inevitably bring further changes for firms engaged<br />
in online media, but it is unlikely to redress the commercialisation process. Ongoing<br />
uncertainties – technological and financial – mean that management attention is<br />
likely to remain focused on matters of management and business. While the accelerating<br />
effect of the ‘dotcom bubble’ may have abated, the continuing absence of a default business<br />
model, the scale, speed and complexity of change, and the uncertainties intrinsic to<br />
the strategic context mean that financial and management issues will remain pressing and<br />
that commercial issues are likely to remain a paramount concern.<br />
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226
Ökonomisierung aus der Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
Josef Trappel<br />
Online-<strong>Medien</strong> sind zu einer eigenständigen <strong>Medien</strong>gattung herangewachsen, die nicht<br />
nur die klassischen Merkmale von Massenmedien aufweist, sondern über diese hinausgeht.<br />
Multimedialität und direkte Interaktion erweitern das Leistungsspektrum der Online-<br />
gegenüber traditionellen <strong>Medien</strong>. Der Beitrag geht der Frage nach, welche Formen<br />
der Ökonomisierung und Kommerzialisierung in dieser neuen <strong>Medien</strong>gattung zu beobachten<br />
sind. Dabei wird zunächst eine begriffliche Unterscheidung vorgenommen. Die<br />
Analyse der einschlägigen Wertschöpfungskette zeigt, dass die Betreiber von Online-<strong>Medien</strong><br />
aufgrund der empfangsseitigen Plattformvielfalt zur Adaptierung ihrer Inhalte gezwungen<br />
sind. Die Digitalisierung der Inhalte ermöglicht die Herstellung endgeräteabhängiger<br />
„Versionen“, verführt aber auch zur Mehrfachverwertung von Inhalten, ohne<br />
den publizistischen Wert zu erhöhen. Der Beitrag kommt <strong>zum</strong> Schluss, dass die bisher<br />
beobachteten Erscheinungsformen der Online-<strong>Medien</strong> einen hohen Kommerzialisierungsgrad<br />
aufweisen und die Tendenz zur Ökonomisierung beschleunigen.<br />
Im vorwissenschaftlichen Verständnis und im herkömmlichen medialen Diskurs wandelt<br />
sich das Image des Internets. Nicht lange ist es her, da galt das Netz der Netze zu<br />
allererst als Eldorado des schöpferischen Chaos, als Selbstverwirklichungsarena kommunikativ<br />
benachteiligter Gruppen und als listige Revanche technisch versierter Habenichtse<br />
über das dröge <strong>Medien</strong>establishment. Heute überwiegt bereits das Image als<br />
E-Commerce-Plattform und – im <strong>Medien</strong>bereich – als verlängerte Werkbank für bereits<br />
anderswo vermarktete Inhalte.<br />
Ein strukturierter Blick auf die neu entstehenden <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsformen<br />
bestätigt die Annahme, das Internet sei ein durchkommerzialisierter Interaktionsraum,<br />
dessen Regeln von dominierenden Akteuren bestimmt werden. Der selbst organisierte<br />
Bereich, der auch in der analogen Welt die etablierten Massenmedien meist unhörbar,<br />
gelegentlich aber auch lautstark begleitet, sieht sich im Internet in die Defensive<br />
gedrängt. Dafür zeichnen nicht zuletzt ökonomische Mechanismen verantwortlich, die<br />
aus dem analogen Wirtschaftsleben bestens bekannt sind. Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
prägen dem jungen Medium längst ihre Stempel auf.<br />
Aus publizistikwissenschaftlicher Perspektive sind jene Teilbereiche des Internets von<br />
besonderem Interesse, die explizit oder implizit mediale Funktionen erfüllen und daher<br />
als Online-<strong>Medien</strong> zu bezeichnen sind. Der Gegenstand der folgenden Betrachtung<br />
bleibt daher auf diejenigen Internetsektoren beschränkt, in denen publizistisch relevante<br />
Leistungen erbracht werden. Zu den Auswirkungen der Ökonomisierung auf solche<br />
Online-<strong>Medien</strong> sollen drei Thesen geprüft werden:<br />
• These 1: Bei den Online-<strong>Medien</strong> erweist sich die Ökonomisierung als dominierendes<br />
Gestaltungsprinzip.<br />
• These 2: Mit Ausnahme hochpreisiger Nischenprodukte übersteigt der Kommerzialisierungsgrad<br />
der Online-<strong>Medien</strong> denjenigen der analogen <strong>Medien</strong>.<br />
• These 3: Aufgrund der bei Online-<strong>Medien</strong> deutlich ausgeprägten Gesetzmäßigkeiten<br />
der „New Economy“ nimmt die Marktmacht führender Marktteilnehmer weiter zu.<br />
Um die Folgen der Ökonomisierung für die Online-<strong>Medien</strong> bzw. deren Beitrag zur<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> näher zu untersuchen, bedarf die verwendete Begrifflichkeit<br />
der näheren Erläuterung.<br />
227
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
1. Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
Für die Analyse der Auswirkungen der Ökonomisierung auf die Online-<strong>Medien</strong> erscheint<br />
eine begriffliche Unterscheidung von Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
hilfreich. Unter Ökonomisierung sei hier die Tendenz verstanden, das wirtschaftliche<br />
Handeln im Bereich der <strong>Medien</strong> immer konsequenter an einem Marktziel (z. B.<br />
Einkommensmaximierung) zu Lasten nicht-marktlicher (z. B. publizistischer) Ziele<br />
auszurichten. Diese Tendenz lässt sich sowohl bei analogen <strong>Medien</strong> als auch im Bereich<br />
der digitalen Online-<strong>Medien</strong> beobachten und belegen. Sie ist also keineswegs ein neues<br />
Phänomen im <strong>Medien</strong>bereich. Ob durch die Digitalisierung diese Tendenz allenfalls eine<br />
Beschleunigung erfährt, soll in diesem Beitrag diskutiert werden.<br />
Im Gegensatz zur Ökonomisierung bezeichnet der Begriff der Kommerzialisierung<br />
hier die einfache betriebswirtschaftliche Tatsache, dass ein immer größerer Erlösanteil<br />
auf indirektem Weg erzielt wird. Mit dem Grad der Kommerzialisierung nimmt also der<br />
Anteil jener Erlöse ab, die als direktes Entgelt für den Konsum der medialen Dienstleistung<br />
entrichtet werden. Auch diese Tendenz lässt sich in der analogen <strong>Medien</strong>welt beobachten,<br />
in extremer Ausprägung etwa bei den Gratiszeitungen („freesheets“), die in<br />
immer mehr europäischen Ballungsräumen <strong>zum</strong> Konsum, nicht aber <strong>zum</strong> Kauf angeboten<br />
werden. Auch das frei empfangbare kommerzielle Fernsehen weist den höchsten<br />
möglichen Kommerzialisierungsgrad auf.<br />
Die beiden Begriffe bezeichnen zwei unterschiedliche Sachverhalte. Der Ausprägungsgrad<br />
von Ökonomisierung und Kommerzialisierung bei Online-<strong>Medien</strong> ist Gegenstand<br />
des vorliegenden Beitrags.<br />
2. Kennzeichen von Online-<strong>Medien</strong><br />
Die im Internet und World Wide Web abgebildete virtuelle Realität hat einen Komplexitätsgrad<br />
erreicht, der eine strikte Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands nahe<br />
legt. Zu verschieden sind Motivation, Kommunikationsziel und Gestaltung der Angebote<br />
im Internet, als dass alle Websites generell dem <strong>Medien</strong>sektor zuzuschlagen wären.<br />
Ebenso wenig wie in der „analogen“ Kommunikationswelt Warenhausprospekte, Postwurfsendungen<br />
und Geschäftsberichte den Massenmedien zuzurechnen sind, sind<br />
E-Commerce-Angebote, Marketing-Mailings und Unternehmens-PR im Internet<br />
ihrem Charakter nach als <strong>Medien</strong> zu qualifizieren.<br />
Im World Wide Web verdient aber jener Sektor publizistikwissenschaftliche Aufmerksamkeit,<br />
der sich durch medienähnliche Dienstleistungen auszeichnet. Solche „Online-<strong>Medien</strong>“<br />
erfüllen zunächst die klassischen Definitionsmerkmale von Massenmedien.<br />
Sie sind öffentlich (potenziell für jedermann empfangbar), technisch vermittelt,<br />
richten sich an ein disperses Publikum, zeichnen sich durch Periodizität aus und weisen<br />
einen Gegenwartsbezug auf. Online-<strong>Medien</strong> weisen darüber hinaus aber noch weitere<br />
konstitutive Merkmale auf. Sie sind multimedial (sie überschreiten die medialen Grenzen,<br />
die den Print- und elektronischen <strong>Medien</strong> gesetzt sind), sie sind digital (und daher<br />
empfangsseitig verarbeit- und verbreitbar) und sie sind interaktiv (gestatten die direkte<br />
Rückkopplung) (vgl. Sennwald 1998, 9f.).<br />
Unter diesem Gesichtspunkt bilden die Online-<strong>Medien</strong> eine eigenständige <strong>Medien</strong>gattung,<br />
deren spezifische Ausprägungen einem raschen Wandel unterliegen und deren<br />
Form sich kontinuierlich verändert. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung<br />
bleibt der Gegenstand auf jene publizistisch relevanten Web-Angebote beschränkt, die<br />
den klassischen Merkmalen der Massenmedien entsprechen und die über reine Unter-<br />
228
Trappel · Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
nehmenskommunikation hinausgehen. Die Materialen der Unternehmens-PR (Newsletter,<br />
Mailinglists etc.) gelten damit nicht als Online-<strong>Medien</strong> und bleiben ausgeschlossen.<br />
Demgegenüber zählen neue Formen wie E-Zine, Webradio und Net-Zeitungen zu<br />
den Online-<strong>Medien</strong>.<br />
Die solchermaßen eingegrenzten Online-<strong>Medien</strong> lassen sich zunächst in zwei Gruppen<br />
kategorisieren. Neben den Online-Ablegern bestehender <strong>Medien</strong> sind neue Unternehmen<br />
in den Markt eingetreten, die keine originäre Bindung zu klassischen <strong>Medien</strong><br />
aufweisen. Zu der ersten rasch wachsenden Gruppe zählen die Online-Ausgaben der<br />
Zeitungen, Zeitschriften und Magazine (eine umfassende Liste deutschsprachiger Zeitungen<br />
ist zu finden unter http://www.zmg.de/homepage/Produkte_und_Services/Zeitungen_im_Internet/)<br />
sowie der Radio- und Fernsehveranstalter (jeweils unter deren<br />
Markennamen im Internet).<br />
Zu der Gruppe der „neuen“ Online-<strong>Medien</strong> zählen nicht nur Start-up Companies<br />
wie beispielsweise die Netzeitung.de (operativ seit November 2000, nach dem Vorbild<br />
der norwegischen Nettavissen.no und mit norwegischem Know-how), sondern auch<br />
medienähnliche Angebote. Solche Angebote kommen häufig von Unternehmen, deren<br />
Geschäftszweck bislang nicht die Versorgung der Öffentlichkeit mit Information, Bildung<br />
oder Unterhaltung war. Beispielsweise hat die Schweizer Post auf ihrem Internet-Portal<br />
einen medienähnlichen Dienst eingerichtet (www.yellowworld.ch), der sich<br />
kaum noch von der Online-Ausgabe einer Tageszeitung unterscheidet. Dieses Portal<br />
wird von einer rund 40-köpfigen journalistischen Redaktion betreut, die angebotenen<br />
Inhalte sind aktuell und journalistisch aufbereitet und wenden sich an ein Massenpublikum.<br />
Portale dieser Ausrichtung werden in unterschiedlicher inhaltlicher Tiefe von einer<br />
Vielzahl von Unternehmen, <strong>zum</strong>eist aus dem Dienstleistungssektor, angeboten. Banken,<br />
Versicherungen, Einzelhandelshäuser, aber auch direkt dem Internet selbst zuordenbare<br />
Unternehmen (Service Provider, Suchmaschinen) versuchen, durch aktuelle Beiträge<br />
ihren Internetauftritt aufzuwerten, Kunden zu gewinnen, „Traffic“ zu generieren und<br />
damit neue Erlösquellen zu erschließen.<br />
Die Gruppe der „neuen“ Online-<strong>Medien</strong> besteht ihrerseits also erneut aus Angeboten,<br />
die von professionellen Journalistinnen und Journalisten mit massenmedialem Anspruch<br />
hergestellt werden, und solchen, die mediale Leistungen lediglich zur Erzeugung<br />
von Aufmerksamkeit für andere Dienstleistungen erbringen.<br />
Hinzu kommt noch eine Ausprägung von Online-<strong>Medien</strong>, die den professionellen<br />
Standards von Massenmedien in der Regel nicht genügen. Solche „Nachrichtencommunities“<br />
(wie z.B. www.shortnews.de) stellen auf eine gemeinsame Website ungefiltert<br />
und ungeprüft Nachrichten, die von Mitgliedern der Community zugeliefert werden.<br />
Das Resultat bezeichnen Beobachter als „Parajournalismus von Laien“ (Neuberger<br />
2000, 310). Solche Laienmedien erfüllen in der Regel die Anforderungen an die branchenüblichen<br />
professionellen Standards (z. B. redaktionelle Bearbeitung nach journalistischen<br />
Grundsätzen) nicht. Sie stellen eine bisher nicht verfügbare Form der Massenkommunikation<br />
dar, deren äußere Form medienähnlich ist, deren innere (Organisations-)Struktur<br />
aber der Liebhaberei näher steht als professionell geführten <strong>Medien</strong>betrieben.<br />
Sie bilden eine Sonderform der Online-<strong>Medien</strong>, die aufgrund der völlig<br />
unterschiedlichen Produktions-, Vermittlungs- und Organisationsstruktur von den<br />
weiteren Betrachtungen ausgeschlossen bleibt.<br />
229
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
3. Wertschöpfungsketten der <strong>Medien</strong> im Wandel<br />
In ökonomischer Hinsicht weisen neue und ausgelagerte Online-<strong>Medien</strong> eine Reihe von<br />
Gemeinsamkeiten mit den herkömmlichen <strong>Medien</strong> auf. Online-<strong>Medien</strong> und herkömmliche<br />
<strong>Medien</strong> sind durch hohe Fixkosten und geringe variable Kosten charakterisiert (die<br />
Kosten für die Herstellung der Inhalte bleiben – unabhängig von der Anzahl der hergestellten<br />
Exemplare, der das Signal empfangenden Zuhörer/-seher oder der Internetnutzer<br />
– gleich), sie können durch Skaleneffekte Wettbewerbsvorteile generieren (höhere<br />
Auflagen, größere Reichweiten, zahlreichere Visits begünstigen den Marktführer überproportional<br />
und können Monopolisierungstendenzen nach sich ziehen), sie agieren in<br />
weitgehend gesättigten Märkten (neu in den Markt eintretende Wettbewerber müssen<br />
die Nutzungszeit/Aufmerksamkeit des Publikums größtenteils auf Kosten bestehender<br />
Wettbewerber erwerben) und ihr Verkaufspreis spielt eine vergleichsweise untergeordnete<br />
Rolle (bei Werbemedien trägt der Kaufpreis nur in Einzelfällen maßgeblich <strong>zum</strong><br />
Gesamterlös bei) (zu den medienökonomischen Grundlagen vgl. Heinrich 1994 und<br />
1999). Dennoch sind bei der Betrachtung der einschlägigen Wertschöpfungsketten Unterschiede<br />
zu erkennen.<br />
Abb. 1: Wertschöpfungskette klassischer <strong>Medien</strong><br />
Inhalte<br />
Verarbeitung<br />
Werterstellung<br />
Vertrieb<br />
Rezeption<br />
Produktion Interaktion Ausstrahlung Endgeräte<br />
Beschaffung Organisation Zustellung Nutzungsgewohnheiten<br />
Rechteerwerb Eigentümer Straßenverkauf Öffentlichkeit<br />
Redaktion Planung Einzelhandel<br />
In der Wertschöpfungskette klassischer <strong>Medien</strong> lassen sich die nachgelagerten Stufen<br />
den generierten Inhalten eindeutig zuordnen. Für die gedruckte Zeitung kommt nur Papier<br />
als Trägermedium in Frage, das durch ein ausgefeiltes Logistiknetz zu den Leserinnen<br />
und Lesern transportiert wird. Ebenso sind Radio- und Fernsehinhalte jeweils einem<br />
einzigen Empfangsgerät zuzuordnen, wobei das Sendesignal auf unterschiedliche<br />
Weise zu den Endgeräten transportiert wird (terrestrisch, Kabel, Satellit). In vielen Fällen<br />
kontrolliert der <strong>Medien</strong>eigentümer die gesamte Kette bis zu den Haushalten, ohne<br />
auf Partnerschaften angewiesen zu sein.<br />
Online-<strong>Medien</strong> weisen grundsätzlich dieselbe Wertschöpfungskette auf, sie ist jedoch<br />
um einige Stufen erweitert (Abb. 2).<br />
Neu schließt das „Packaging“ an die Stufe der Inhaltegenerierung an. Packaging bezeichnet<br />
die meist multimediale Bündelung von Inhalten. So ergänzen Webradio-Anbieter<br />
den aktuellen Musiktitel, der in Streaming-Technologie hörbar gemacht wird,<br />
durch Bild- und Textinformation über Interpret und Musikverlag und bieten so ihren<br />
Hörerinnen und Hörern ein zusätzliches Angebot. Ebenso sind in Net-Zeitungen Hörfiles<br />
enthalten, die beispielsweise den Originalton zu einem als Text vorliegenden Interview<br />
liefern. Oft werden Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu solchen<br />
„Packages“ zusammengefasst.<br />
Durch die Möglichkeit, einmal erzeugte Inhalte in unterschiedlichen Versionen mit<br />
230
Trappel · Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
Abb. 2: Wertschöpfungskette Online-<strong>Medien</strong><br />
Verarbeitung<br />
Inhalte Packaging Werterstellung<br />
Vertrieb Endgeräte<br />
Rezeption<br />
Produktion Inhaltebündel Interaktion Netzwerk Fernsehen Nutzungs-<br />
Beschaffung Anpassung an Organisation Plattform PDA/PC gewohnheiten<br />
Rechteerwerb Plattformen Eigentümer Partner Internet Öffentlichkeit<br />
Redaktion Versioning Planung Portale Mobiltelefon Segmentierung<br />
unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen auf den virtuellen Markt zu bringen, erweitern<br />
Online-<strong>Medien</strong> – scheinbar – ihre Angebotsbreite. Beim „Versioning“ (Begriff von Shapiro/Varian<br />
1998; vgl. auch Zerdick u. a. 1999, 187) etwa werden die Inhalte nicht vermehrt,<br />
sondern lediglich in plattformspezifischen Formen weiterverarbeitet. So kann<br />
beispielsweise ein redaktioneller Textbeitrag in voller Länge in einer Net-Zeitung erscheinen,<br />
in gekürzter Form für die Displays von DAB-Radios aufbereitet werden und<br />
als Kurzmeldung auf WAP-taugliche Mobiltelefone übermittelt werden. Dadurch<br />
nimmt die Angebotsbreite (Präsenz in mehreren Kanälen) zu, nicht jedoch die inhaltliche<br />
Vielfalt. Dennoch entsteht durch die Kompatibilität der Inhalteversionen mit den<br />
Endgeräten jener Mehrwert (Nutzen), der schließlich Userinnen und User <strong>zum</strong> Konsum<br />
solcher Leistungen veranlasst.<br />
Die zweite neue Stufe sind die Endgeräte. Der Konsum von Online-<strong>Medien</strong> setzt die<br />
Verfügbarkeit tauglicher Endgeräte zwingend voraus. Solche Endgeräte sind aber den<br />
Online-<strong>Medien</strong> nicht direkt zuordenbar, so wie das Fernsehgerät dem Fernsehangebot<br />
zuordenbar ist. Vielmehr steht für die Nutzung von Online-<strong>Medien</strong> eine Vielfalt von<br />
Endgeräten zur Verfügung, jedes einzelne mit höchst unterschiedlichen spezifischen<br />
Merkmalen. Nicht einmal die Existenz eines Bildschirms kann vorausgesetzt werden<br />
(z. B. MP3 Player). Daher wird die Auswahl der bedienten Funktionalitäten möglicher<br />
Empfangsgeräte zur strategischen unternehmerischen Entscheidung. Mit dieser Entscheidung<br />
sind Fragen der Kompatibilität der Hard- und Software ebenso verknüpft wie<br />
diejenige nach der Offenheit der eingesetzten Standards. Endgeräte, in der analogen<br />
Wertschöpfungskette noch der Stufe Rezeption zugeordnet, werden für Online-<strong>Medien</strong><br />
also erheblich aufgewertet.<br />
Die Wertschöpfungsstufe „Endgeräte“ entzieht sich der Kontrolle durch die Online-<br />
<strong>Medien</strong>. Ihr Einfluss auf Design und Funktionalität von PCs, Laptops, Subnotebooks,<br />
PDAs, Mobiltelefonen und UMTS-Empfangsgeräten ist gering. Online-<strong>Medien</strong> müssen<br />
also die erforderliche Flexibilität aufbringen, ihr Angebot kontinuierlich den Vorgaben<br />
der Hardware-Industrie anzupassen.<br />
Online-<strong>Medien</strong> sind also, um ihr Publikum zu erreichen, stärker als ihre analogen<br />
Vorfahren von technologischen Systementscheidungen abhängig. Analoge Fernsehund<br />
Radioveranstalter können zwar produktionsseitig ihr Angebot mit den neuesten<br />
Technologien ausstatten, empfangsseitig ist das technische Format seit Jahrzehnten vorgegeben.<br />
Online-<strong>Medien</strong> hingegen sind mit ständig wechselnden Empfangsgeräten mit<br />
unterschiedlichsten Standards konfrontiert, an die das Inhalteangebot kontinuierlich angepasst<br />
werden muss.<br />
Wichtiger als die Verlängerung der Wertschöpfungskette durch zusätzliche Stufen<br />
sind im Hinblick auf die Ökonomisierung und Kommerzialisierung der Online-<strong>Medien</strong><br />
die qualitativen Veränderungen auf jeder einzelnen Stufe.<br />
231
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Inhalte und Packaging: Ausgelagerte Online-<strong>Medien</strong> weisen einen hohen Grad an<br />
inhaltlicher Übereinstimmung mit den analogen Ausgangsmedien auf. In einer vergleichenden<br />
Untersuchung von Papier- und Online-Ausgaben deutschsprachiger Zeitungen<br />
kommt Zürn <strong>zum</strong> Resultat, dass die inhaltliche Breite der Online-Ausgabe nicht mit<br />
derjenigen der Printausgaben Schritt hält. Zwischen 33% und 85% der Artikel der Printausgaben<br />
fanden sich im Internet wieder, exklusive Online-Inhalte fanden sich so gut<br />
wie nie. „In keiner der drei untersuchten Zeitungen konnte ein nennenswerter Anteil an<br />
reinen Onlineartikeln nachgewiesen werden“ (Zürn 2000, 320). Dieses Resultat legt den<br />
Schluss nahe, dass in dieser noch relativ frühen Entwicklungsphase die printbezogenen<br />
Online-<strong>Medien</strong> <strong>zum</strong> überwiegenden Teil durch fremdgenerierte Inhalte gespeist werden.<br />
Für die „neuen“ Online-<strong>Medien</strong> liegen diesbezüglich noch keine Untersuchungsergebnisse<br />
vor.<br />
Die Inhalte der Online-Versionen der elektronischen <strong>Medien</strong> Radio und Fernsehen<br />
nehmen in der Regel engen Bezug auf das ausgestrahlte Programm bzw. die anvisierten<br />
Zielgruppen. Eine erste Sichtung der einschlägigen Websites zeigt, dass Fernsehveranstalter<br />
zwei unterschiedliche Produktstrategien im Netz verfolgen: Für die eine Gruppe<br />
bildet das ausgestrahlte Programm die inhaltliche Leitlinie, je um zielgruppenspezifische<br />
Features ergänzt (z. B. Websites der ARD-Anstalten; Online-Spiele für Unterhaltungsprogramme<br />
wie bei sat1.de und rtl.de); die andere Gruppe baut ihre Webpräsenz zu regelrechten<br />
Informationsportalen aus (z. B. BBC.co.uk; orf.at), deren Inhalte weit über<br />
das ausgestrahlte Programm hinausgehen.<br />
Auch wenn Online-<strong>Medien</strong> (noch) <strong>zum</strong> geringen Teil aus eigenen Inhalten bestehen,<br />
so überwinden sie schon heute mühelos die medialen und kommunikativen Grenzen.<br />
Textbasierte Nachrichten werden durch Audio/Videostreaming ebenso ergänzt wie<br />
durch das Angebot von thematischen Chats und Foren, die von der Redaktion moderiert<br />
werden. Einzelne Online-<strong>Medien</strong> stellen den Leserinnen und Lesern die generierte<br />
Öffentlichkeit zur Verfügung, indem diese online und in Echtzeit für alle anderen lesbare<br />
Kommentare zu den redaktionellen Beiträgen publizieren können.<br />
Auf der Stufe der Inhaltegenerierung erweist sich die Vielzahl der neuen Anbieter aber<br />
auch als problematisch. So konstatiert Christoph Neuberger, im Internet habe sich „eine<br />
Grauzone um den Journalismus herum gebildet“ (Neuberger 2000, 310). In seiner Untersuchung<br />
über den Journalismus im Internet ist Neuberger auf Formen von „Scheinjournalismus“<br />
gestoßen, die sich als Gratwanderung zwischen Unternehmenskommunikation<br />
und Journalismus erweisen. Durch professionelle optische und gestalterische<br />
Aufmachung täuschen manche Online-<strong>Medien</strong> über die dürftige journalistische Leistung<br />
hinweg.<br />
Mit dem Heranreifen der Online-<strong>Medien</strong> könnte sich diese Gratwanderung als temporäres<br />
Phänomen herausstellen. Längerfristig, so ist jedenfalls die bisherige <strong>Medien</strong>geschichte<br />
zu interpretieren, setzen sich jene medialen Angebote durch, die journalistische<br />
Leistung und Glaubwürdigkeit <strong>zum</strong> zentralen Differenzierungsmerkmal erheben.<br />
Dies kann nur gelingen, wenn die journalistischen Fähigkeiten mit der Produktvielfalt<br />
Schritt halten. Online-Journalismus erfordert zusätzliche Fertigkeiten, die über die<br />
herkömmliche Qualifikation hinausgehen. Vor allem der Umgang mit dem direkten<br />
Publikumsresponse in Form von E-Mail, aber auch in der Form moderierter Diskussionsforen,<br />
stellt neue Anforderungen.<br />
Neue Anforderungen werden auch an die Selektionsfähigkeiten von Journalistinnen<br />
und Journalisten gestellt. Aus der Masse der im Netz verfügbaren Informationen die relevanten<br />
Bestandteile auszufiltern, bedarf spezieller Fertigkeiten. Die Versuchung ist dabei<br />
groß, ungeprüft Informationen zu übernehmen und weiterzuverbreiten. Diese jour-<br />
232
Trappel · Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
nalistische Anforderung betrifft Online-Journalismus und herkömmlichen Journalismus<br />
gleichermaßen.<br />
Verarbeitung und Organisation: Online-<strong>Medien</strong> sind fast ausnahmslos privatwirtschaftlich<br />
organisiert. Selbst die Online-Ableger öffentlicher Rundfunkanstalten sind<br />
vielfach in privatrechtliche Organisationen ausgegliedert (vgl. BBC Online). Auch wenn<br />
die Abhängigkeiten von den jeweiligen Stammhäusern vor allem auf der inhaltlichen<br />
Ebene weiterhin als erheblich einzustufen sind, so unterliegen Online-<strong>Medien</strong> dennoch<br />
direkt den Marktmechanismen.<br />
Mit dem Grad der Unabhängigkeit der Online-<strong>Medien</strong> von den Stammhäusern nimmt<br />
die Unterordnung dieser <strong>Medien</strong> unter den ökonomischen Imperativ zu. Börsenkotierte<br />
Online-<strong>Medien</strong> unterziehen sich der Beurteilung durch Analysten, deren Rationalitäten<br />
weniger von der publizistischen Relevanz der Inhalte als von dem Börsenwert des<br />
Unternehmens gesteuert sind. Konstantin Urban, Bereichsleiter Neue <strong>Medien</strong> bei der<br />
Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, stellt fest, dass bei Internetunternehmen andere<br />
ökonomische Grundsätze gelten. „Bei der Bewertung von Internet-Unternehmen<br />
kommen andere Bewertungsmodelle mit anderen Ausprägungen <strong>zum</strong> Tragen, wie Multiples<br />
auf den Umsatz oder die Anzahl der Besucher der Website“ (2000, 2). Solche medienfremden<br />
Bewertungsmodelle beschleunigen den Prozess der Ökonomisierung, indem<br />
sie publizistische Leistungen als Maßstab ausschließen.<br />
Vertrieb: Online-<strong>Medien</strong> sind wie alle <strong>Medien</strong> Informationsgüter. Sie werden digital<br />
hergestellt, verarbeitet und ebenso digital verbreitet. Für die Verbreitung sind nicht die<br />
realen Kosten für den Aufbau und Betrieb eines elektronischen Netzwerkes zu entrichten.<br />
Vielmehr tragen die Nutzerinnen und Nutzer dieser <strong>Medien</strong> den größten Teil der<br />
Vertriebskosten, indem sie an einem der Netze oder Plattformen teilnehmen. Der größte<br />
Teil der Vertriebskosten kann von den <strong>Medien</strong>unternehmen also abgewälzt werden.<br />
Dadurch nimmt das von den analogen <strong>Medien</strong> bekannte Ungleichgewicht zwischen Fixkosten<br />
für die Herstellung der „First Copy“ und den variablen Kosten für den Vertrieb<br />
weiter zu.<br />
Gleichzeitig nimmt aber auch der Aufwand für die Marktkommunikation zu. Je populärer<br />
das Internet insgesamt wird, desto höher werden die Kosten für die Gewinnung<br />
neuer Nutzerinnen und Nutzer. Niedrige Transaktionskosten waren für Online-<strong>Medien</strong><br />
also nur ein temporärer Vorteil, der mit der fortschreitenden Internet-Diffusion in<br />
den Haushalten wieder verschwindet. Höhere Marketingkosten werden schon mittelfristig<br />
die niedrigen Vertriebskosten wieder kompensieren.<br />
Endgeräte: Die Geräte für den Empfang von Online-<strong>Medien</strong> sind in aller Regel nicht<br />
speziell für diese Nutzungsform ausgelegt. Online-<strong>Medien</strong> konkurrieren mit einer Vielzahl<br />
anderer Inhalte um die Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer dieser Geräte.<br />
Die mangelnde Kontrolle der <strong>Medien</strong> über die eingesetzten Endgeräte verschärft tendenziell<br />
den Wettbewerb. Während gedruckte Zeitungen <strong>zum</strong>indest auf dem Trägermedium<br />
Papier keinem intermediären Wettbewerb ausgesetzt waren, neutralisiert die<br />
Technik der digitalen Empfangsgeräte diesen Wettbewerbsvorteil. Online-<strong>Medien</strong> treten<br />
also nicht nur mit anderen (analogen und Online-)<strong>Medien</strong> in Konkurrenz, sondern<br />
bei jedem Nutzungsvorgang zugleich auch mit allen anderen im Internet verfügbaren<br />
Inhalten.<br />
Rezeption: Online-<strong>Medien</strong> erschließen ein bisher nicht bedientes Marktsegment. Sie<br />
sind in der Lage, kleine und mittlere Zielgruppen zu bedienen, die bisher aufgrund der<br />
hohen Vertriebs- und Logistikkosten für Massenmedien unerreichbar blieben. Solche<br />
Nutzergruppen in einer Größenordnung von wenigen hundert bis einigen tausend Personen<br />
(Mesomärkte) können nahezu unabhängig von ihrem physischen Aufenthaltsort<br />
233
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
mit medialen Inhalten versorgt werden. Online-<strong>Medien</strong> beschleunigen den Prozess der<br />
Publikumssegmentierung. Solche mesomarktorientierten Online-<strong>Medien</strong> nehmen die<br />
klassische Massenmedienfunktion der Herstellung von Öffentlichkeit kaum noch wahr.<br />
Mit der zunehmenden Diffusion von Internet-Anschlüssen in den Haushalten (in<br />
Deutschland hat sich die Zahl der Nutzer zwischen 1997 und 2000 auf 18,3 Mio. vervierfacht;<br />
van Eimeren/Gerhard 2000, 339) verschärft sich der Wettbewerb zwischen<br />
Online- und Offline-<strong>Medien</strong>. Bisher konnten allerdings noch keine signifikanten Auswirkungen<br />
der Internet-Nutzung auf die sonstigen <strong>Medien</strong>nutzungsgewohnheiten<br />
nachgewiesen werden. Vielmehr blieb beispielsweise die Fernsehnutzung zwischen 1997<br />
und 2000 stabil. „In der direkten Konkurrenz zueinander scheinen Internet und Fernsehen<br />
unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen. Internet entwickelt sich zu einem<br />
sehr zielgruppengerichteten Medium, von dem Informationen aus sehr verschiedenen<br />
Bereichen nachgefragt werden. Das Fernsehen bleibt offensichtlich das genreübergreifende<br />
Leitmedium (…)“ (ebd., 346).<br />
Trotz der bisher geringen Substitutionstendenzen analoger <strong>Medien</strong> durch Online-<br />
<strong>Medien</strong> ist die Zeit, die den Menschen im Alltag für die Nutzung von <strong>Medien</strong> zur Verfügung<br />
steht, nicht beliebig erweiterbar. Mit steigender Konsumrivalität vor allem zwischen<br />
den Online-<strong>Medien</strong> und anderen Internetinhalten ist daher zu rechnen.<br />
4. Neue Geschäftsmodelle für Online-<strong>Medien</strong><br />
Verschärfter Wettbewerb, inhalteneutrale Rezeptionsplattformen, verschobene Kostenstrukturen<br />
und verändertes Konsumverhalten bei der Nutzung von Online-<strong>Medien</strong> erzwingen<br />
neue Geschäftsmodelle. Als kennzeichnend für Online-Geschäftsmodelle gelten<br />
der Einsatz von vielschichtigen Ertragsnetzwerken, die Erschließung von neuen Erlösquellen<br />
durch Provisionen und Kommissionen und die Verschmelzung von medialer<br />
und individueller Kommunikation. Mit den neuen Erlösmodellen entstehen neue Abhängigkeiten.<br />
Diese lassen sich am Beispiel der Provisionen verdeutlichen. Leitet ein<br />
Online-Medium Kundschaft an einen Online-Shop weiter und führt diese Weiterleitung<br />
zu einem Kaufvorgang, so erhält das Online-Medium einen vereinbarten Prozentsatz<br />
des Kaufpreises als Provision. Nimmt diese Finanzierungsform spürbare Größenordnungen<br />
an, so hat das Online-Medium alles Interesse daran, die Waren und Dienstleistungen<br />
„seiner“ Online-Shops in der Berichterstattung zu begünstigen. Gegenüber der<br />
herkömmlichen Werbefinanzierung besteht ein qualitativer Unterschied: Während im<br />
Fall der Werbung der erzielbare Werbepreis nach Werbeleistung (Kontakten) bemessen<br />
wird, fließen Provisionen erst bei vollzogener Kaufhandlung. Das Risiko der Werbewirkung<br />
wird also von den Werbungtreibenden zu den <strong>Medien</strong> verschoben.<br />
Direkt finanzierte Online-<strong>Medien</strong> sind große Ausnahmen. Geringe Produktdifferenzierung<br />
und nahezu beliebige Verfügbarkeit von Substitutionsprodukten im Internet erschweren<br />
die Etablierung von Preisen für die Inhaltenutzung im Massengeschäft. Lediglich<br />
in Nischenmärkten, in denen erhöhte Anforderungen an Qualität, Aktualität,<br />
Exklusivität oder Verlässlichkeit gelten, können nutzungsbezogene Beiträge realisiert<br />
werden.<br />
5. Ausprägungen der Ökonomisierung<br />
Wenn als Ökonomisierung der Vorrang nicht-publizistischer Ziele vor publizistischen<br />
Zielen verstanden wird, so erweist sich die Ökonomisierung als das dominierende Gestaltungsprinzip<br />
der Online-<strong>Medien</strong>. Die erste der eingangs formulierten Thesen lässt<br />
234
Trappel · Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
sich also bestätigen. Weder Start-up Online-<strong>Medien</strong> noch ausgelagerte Online-<strong>Medien</strong><br />
sind einem spezifischen publizistischen Leistungsauftrag verpflichtet. Vielmehr streben<br />
Online-<strong>Medien</strong> sehr pragmatisch nach neuen Funktionalitäten bzw. nach strategischen<br />
Allianzen, in die sie attraktive Inhalte einbringen. Durch die große Affinität von Online-<br />
<strong>Medien</strong> zu den Finanzmärkten entsteht ein Wettbewerbsdruck in Richtung Marktwertsteigerung.<br />
Die Erfolgsbemessungsmaßstäbe von Online-<strong>Medien</strong> sind diejenigen der<br />
„New Economy“ und nicht verlegerische publizistische Ziele. Die bisher beobachteten<br />
journalistischen Leistungen der Online-<strong>Medien</strong> bleiben hinter denjenigen der analogen<br />
<strong>Medien</strong> zurück oder übernehmen deren Resultate, ohne diese nachhaltig aufzuwerten.<br />
Inhaltebündelung und die Herstellung von rezeptionsgetriebenen Versionen erhöhen<br />
Reichweite, Marktanteil und damit den Ökonomisierungsgrad, der Beitrag zur publizistischen<br />
Vielfalt ist aber gering.<br />
Die zweite These, wonach der Kommerzialisierungsgrad der Online-<strong>Medien</strong> denjenigen<br />
der analogen <strong>Medien</strong> mit Ausnahme hochpreisiger Nischenprodukte übersteigt,<br />
erscheint ebenfalls plausibel. Online-<strong>Medien</strong> werden überwiegend über den Vertriebsweg<br />
Internet transportiert. Die virtuelle Nähe der Online-<strong>Medien</strong> zu allen anderen Internet-Inhalten<br />
zwingt ihnen deren Regeln auf. Indirekte Erlöse, die auf Provisionen,<br />
Werbung und Kommissionen beruhen, bilden die Grundlage der einschlägigen Geschäftsmodelle.<br />
In aller Regel folgen Online-<strong>Medien</strong> dem Geschäftsmodell der indirekten<br />
Erlöse und verzichten auf Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Dienstleistung. Direkte<br />
Erlöse können nur in Einzelfällen erzielt werden. Dies betrifft Angebote mit erhöhten<br />
Anforderungen an Aktualität, Qualität, Verlässlichkeit und Exklusivität oder aber<br />
die Erfüllung spezieller Wünsche, etwa die Nutzung des Online-Archivs eines Mediums.<br />
Die für kostenpflichtige Informationen und Dienstleistungen verlangten Preise<br />
werden von Online-<strong>Medien</strong> im Verhältnis zu ihrer vermuteten Wertigkeit festgesetzt,<br />
was je nach Exklusivität der Information das Preisniveau steigert.<br />
Auch die dritte These, wonach die Marktmacht führender Marktteilnehmer auch nach<br />
dem Auftreten der Online-<strong>Medien</strong> weiter zunimmt, erscheint plausibel. Im Gegensatz<br />
zu den klassischen analogen <strong>Medien</strong>, die im deutschen Sprachraum in der Regel im Eigentum<br />
von untereinander mehr oder weniger verflochtenen <strong>Medien</strong>häusern stehen,<br />
weisen Start-up Online-<strong>Medien</strong> eine deutlich vielfältigere Eigentümerstruktur auf. Sie<br />
konkurrieren eher untereinander als mit den klassischen <strong>Medien</strong> und legen eher Analysten<br />
gegenüber Rechenschaft ab als einer einzelnen Konzernleitung. Ihr mehrschichtiges<br />
Kerngeschäft (Medium, Interaktionsplattform, Aufmerksamkeitsvermittlung) lässt Online-<strong>Medien</strong><br />
sowohl für <strong>Medien</strong>unternehmen als auch für Unternehmen der Telekommunikations-<br />
und der Informatikbranche als Partner attraktiv erscheinen. Heterogen<br />
zusammengesetzte Joint Ventures großer Konzerne sorgen einerseits für eine großzügige<br />
finanzielle Ausstattung (was sich in intensiver Marktbearbeitung bemerkbar macht),<br />
stellen andererseits aber auch hohe Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber dar.<br />
Erfolgreiche Online-<strong>Medien</strong> hatten bisher kaum die Chance, aus eigener Kraft zu relevanten<br />
Wettbewerbern heranzuwachsen. Vielmehr wurden solche Start-ups schon in<br />
der Expansionsphase von mehr oder weniger branchenfremden Investoren übernommen.<br />
Diese Entwicklung führt zu einem hoch konzentrierten Wettbewerb unter einer<br />
relativ kleinen Anzahl von Teilnehmern mit überdurchschnittlicher Marktmacht.<br />
6. Fazit<br />
Online-<strong>Medien</strong> treten in heterogener Form in die <strong>Medien</strong>märkte ein, wobei nur ein Teil<br />
von ihnen die klassischen Anforderungen an Massenmedien erfüllt. Den höchsten Pro-<br />
235
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
fessionalitätsgrad weisen diejenigen Online-<strong>Medien</strong> auf, die direkt oder indirekt mit bestehenden<br />
<strong>Medien</strong> verbunden sind. Unabhängige sowie mit branchenfremden Unternehmen<br />
verbundene Start-up Online-<strong>Medien</strong> bilden ein neues Phänomen, dessen spezifische<br />
Merkmale sich noch in der Ausprägungsphase befinden.<br />
Der überwiegende Teil der bisher etablierten Online-<strong>Medien</strong> leistet im Vergleich zu<br />
den bestehenden analogen <strong>Medien</strong> einer mehr oder weniger deutlich ausgeprägten inhaltlichen<br />
Ausdünnung Vorschub. Dies äußert sich entweder in einem reduzierten inhaltlichen<br />
Umfang der Online-Ausgabe gegenüber der analogen Ausgabe oder im Auftreten<br />
von „Scheinjournalismus“, der sich in der kaum redaktionell bearbeiteten Wiedergabe<br />
von anderswo generierten Inhalten erschöpft.<br />
Die Organisationsform der Online-<strong>Medien</strong> als eigenständige Profitcenter bestehender<br />
Unternehmen (medialer oder medienfremder Provenienz) begünstigt die Fokussierung<br />
auf marktliche Ziele. Mit der Nähe zu den Finanzierungsgrundlagen der „New<br />
Economy“ durch Venture Capital nimmt der Druck zur Erwirtschaftung überdurchschnittlicher<br />
Renditen zu.<br />
Ebenso verschärft die gelungene Abwälzung der Vertriebskosten der Online-<strong>Medien</strong><br />
auf die Nutzerinnen und Nutzer den von den analogen <strong>Medien</strong> hinlänglich bekannten<br />
Effekt zur Unternehmenskonzentration, weil in gesättigten Märkten bei hohen Fix- und<br />
geringen variablen Kosten der Monopolist am effizientesten wirtschaftet.<br />
Die Finanzierungsbasis der Online-<strong>Medien</strong> schließlich besteht nahezu zur Gänze aus<br />
indirekten Erlösen. Die direkte Zahlungsbereitschaft von Nutzerinnen und Nutzern<br />
lässt sich bislang nur in kleinen Marktnischen abschöpfen und kommt für die Finanzierung<br />
von Online-<strong>Medien</strong> mit massenmedialem Anspruch nicht in Betracht. Die technisch<br />
ermöglichte Zusatzfinanzierung durch die Erzielung von Provisionen bei vollzogener<br />
Kaufhandlung von weitergeleitetem „Traffic“ verschärft die als Kommerzialisierung<br />
beschriebene Problematik.<br />
Die eingangs aufgeworfene Frage, ob durch die Digitalisierung die Tendenzen der<br />
Ökonomisierung und Kommerzialisierung eine Beschleunigung erfahren, ist im Hinblick<br />
auf die Strukturen der bisher in den <strong>Medien</strong>markt eingetretenen Online-<strong>Medien</strong><br />
zu bejahen.<br />
Literatur<br />
Heinrich, Jürgen (1994): <strong>Medien</strong>ökonomie Band 1: <strong>Medien</strong>system, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt.<br />
Opladen.<br />
Heinrich, Jürgen (1999): <strong>Medien</strong>ökonomie Band 2: Hörfunk und Fernsehen. Opladen.<br />
Neuberger, Christoph (2000): Journalismus im Internet: Auf dem Weg in die Eigenständigkeit? In:<br />
Media Perspektiven H. 7, S. 310 – 318.<br />
Sennwald, Nicola (1998): Massenmedien und Internet. Zur Marktentwicklung in der Pressebranche.<br />
Wiesbaden.<br />
Shapiro, Carl; Varian, Hal (1998): Information Rules. A Strategic Guide to the Network Economy.<br />
Harvard.<br />
Urban, Konstantin (2000): Fremde Welten. Weshalb sich klassische Verlagsunternehmen mit der<br />
Internet-Ökonomie schwertun. In: Handelsblatt Nr. 69 vom 6. April 2000.<br />
van Eimeren, Birgit; Gerhard, Heinz (2000): ARD/ZDF-Online-Studie 2000: Gebrauchswert entscheidet<br />
über Internetnutzung. In: Media Perspektiven H. 8, S. 338 – 349.<br />
Zerdick, Axel; Picot, Arnold; Schrape, Klaus u. a. (1999): Die Internet-Ökonomie. Strategien für<br />
die digitale Wirtschaft. Heidelberg/New York.<br />
Zürn, Matthias (2000): Print- und Onlinezeitungen im Vergleich. In: Media Perspektiven H. 7,<br />
S. 319 – 325.<br />
236
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus<br />
wirtschaftspolitischer Perspektive<br />
Andrea Grisold<br />
Eine Betrachtung der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus wirtschaftspolitischer Perspektive<br />
führt <strong>zum</strong> in seiner wechselseitigen Bedingtheit komplexen und widersprüchlichen<br />
Verhältnis von Ökonomisierung und Wirtschaftspolitik: Viele wirtschaftspolitische Maßnahmen<br />
beschleunigen die Ökonomisierung des <strong>Medien</strong>sektors, andererseits verlangt<br />
eine größere Ökonomisierung – die mit erhöhter Marktausrichtung auch zu gesellschaftlich<br />
unerwünschten Ergebnissen führen kann – nach erhöhten (wenngleich anders<br />
ausgerichteten) wirtschaftspolitischen Eingriffen. Dieser Artikel stellt die unterschiedlichen<br />
ökonomischen Zugänge zu Wirtschaftspolitik und deren Ausrichtung dar, gibt eine<br />
Darstellung derjenigen wirtschaftspolitischen Aktivitäten, die der Ökonomisierung förderlich<br />
waren oder sind, und schließt mit einem Katalog an wirtschaftspolitischen Instrumenten,<br />
die als countervailing power zu den negativen Effekten einer verstärkten<br />
Ökonomisierung aus ökonomischer Perspektive heraus wünschenswert und sinnvoll<br />
wären.<br />
Analysegegenstand dieses Artikels ist das Verhältnis zwischen Wirtschaftspolitik und<br />
Ökonomisierung am <strong>Medien</strong>sektor. Dieses Verhältnis stellt, soweit sei die Konklusio<br />
gleich vorweggenommen, kein monokausales, sondern durchaus ein in sich widersprüchliches<br />
dar: Wirtschaftspolitische Maßnahmen sind es, die die Ökonomisierung<br />
des <strong>Medien</strong>sektors durchaus befördern, andererseits verlangt eine größere Ökonomisierung<br />
nach erhöhten (wenngleich auch anders gelagerten) wirtschaftspolitischen Eingriffen.<br />
Ich werde das Thema der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus wirtschaftspolitischer<br />
Perspektive im Folgenden mit einer Begriffsklärung von Wirtschaftspolitik<br />
und Ökonomisierung beginnen, mit einem theoretisch-ökonomischen Diskurs<br />
zu Notwendigkeit und Aufgaben von Wirtschaftspolitik fortführen, und danach auf das<br />
– <strong>zum</strong>indest auf den ersten Blick – widersprüchliche Verhältnis von Wirtschaftspolitik<br />
und Ökonomisierung des <strong>Medien</strong>sektors eingehen.<br />
1. Wirtschaftspolitische Grundlagen: Ziele, Funktionen und Instrumente<br />
In einer ersten Definition kann Wirtschaftspolitik als „Durchführung von Maßnahmen,<br />
mit denen bestimmte ökonomische und soziale Ziele verfolgt werden sollen“ (Altmann<br />
2000, 4) bezeichnet werden. Dies wird in einer grundsätzlich marktwirtschaftlich ausgerichteten<br />
ökonomischen Ordnung dann notwendig, wenn der privatwirtschaftliche<br />
Prozess nicht die gewünschten Resultate erbringt, also etwa bei wirtschaftlichen Instabilitäten<br />
wie Rezessionen, Arbeitslosigkeit, Inflation. Politische Eingriffe können sich<br />
auch aus sozialpolitischen Umverteilungsbestrebungen des Ergebnisses von Marktprozessen<br />
ergeben oder daraus, dass das Ausschlussprinzip der Nutzung von spezifischen<br />
Gütern nicht erwünscht ist. Weiter können auch negative externe Effekte (privates Handeln<br />
verursacht Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen) wirtschaftspolitische<br />
Maßnahmen erforderlich machen.<br />
Als oberstes Ziel einer Theorie der Wirtschaftspolitik wird „gesellschaftliche Wohlfahrt“<br />
definiert (z. B. in Berg/Cassel 1995 oder Nowotny 1997). Wenn diese „gesellschaftliche<br />
Wohlfahrt“ von kritischen Stimmen gleichermaßen zu Recht wie zu Unrecht<br />
237
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
als Leerformel bezeichnet wurde, so will das kurz erläutert werden: Wirtschaftspolitik<br />
bedient sich immer auch idealistischer Zielsetzungen. Selbst wenn diese aufgrund starker<br />
Interessensdominanzen nicht in eine entsprechende Praxis umzusetzen sind, so darf<br />
doch auf diese Zielsetzungen nicht verzichtet werden im Sinne von Leitwerten, an denen<br />
es das Ergebnis von wirtschaftspolitischer Arbeit zu messen gilt.<br />
Im so genannten „Magischen Vieleck“ werden die wirtschaftspolitischen Ziele folgendermaßen<br />
aufgelistet: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches<br />
Gleichgewicht und hohes Wirtschaftswachstum als Hauptziele; weitere<br />
Ziele sind Verteilungsgerechtigkeit, Umweltschutz, etc. Die Politikfelder und Instrumente,<br />
die damit einhergehen, sind vielgestaltig und werden an dieser Stelle nur beispielhaft<br />
angeführt, nicht vollständig aufgezählt: So unterschiedliche Bereiche wie<br />
Fiskalpolitik, Wettbewerbspolitik, Agrarpolitik, Geld- und Währungspolitik, Strukturpolitik<br />
etc. zählen dazu.<br />
Für die hier betrachtete <strong>Medien</strong>wirtschaftspolitik sind vor allem die Ziele Wirtschaftswachstum,<br />
hoher Beschäftigungsstand und Verteilungsgerechtigkeit relevant, wie sich<br />
<strong>zum</strong> anderen auch die Bereitstellung öffentlicher Güter, hoher Konzentrationsgrad bei<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen, externe Effekte wie generell Informationsasymmetrien als Gründe<br />
für <strong>Medien</strong>wirtschaftspolitik anführen lassen.<br />
Der Rolle der Wirtschaftspolitik kommt je nach volkswirtschaftlicher Schule unterschiedliche<br />
Funktion zu. Zwei Prototypen ökonomischer Schulen lassen sich unterscheiden<br />
(Rothschild 1996): Die neoklassische und die keynesianische Sichtweise. Ergänzt<br />
werden kann dies noch durch die regulationstheoretische Sichtweise, die Ökonomien<br />
immer als ein Set an unterschiedlichen regulatorischen Maßnahmen begreift, von<br />
denen Wirtschaftspolitik einen Maßnahmenkatalog darstellt, welcher aktiv ins Wirtschaftsgeschehen<br />
eingreifen kann 1 .<br />
Die Neoklassik schreibt alleine dem Markt als Allokationsmechanismus Effizienz zu,<br />
und begründet dies mit den Defizienzen jeglicher anderer denn Marktregulierungsformen.<br />
Der neoklassische Zugang sieht grundsätzlich mit einer Ökonomisierung alle regulatorischen<br />
Erfordernisse erfüllt, denn endlich können sich die – selbstverständlich<br />
positiven – Marktkräfte frei entfalten und über Konsumentensouveränität die Wünsche<br />
der Nachfrager befriedigen. Doch sind auch im neoklassischen Denkgebäude unerwünschte<br />
Wirkungen des Marktes nicht gänzlich ausgeschlossen („Marktversagen“),<br />
der Wirtschaftspolitik kommt dann die Funktion eines Gegengewichtes zu, welches die<br />
negativen Effekte der rein ökonomischen Behandlung gesellschaftlicher Güter auszugleichen<br />
hat.<br />
Eine grundlegend andere Funktion messen die in einer postkeynesianischen Tradition<br />
stehenden VertreterInnen der Politischen Ökonomie der Wirtschaftspolitik bei, für<br />
die öffentliche Institutionen aus mehreren Gründen von zentraler Bedeutung sind<br />
(Arestis/Sawyer 1998, 8): Erstens ist der öffentliche Sektor als Träger von Wirtschaftspolitik<br />
traditionellerweise Bereitsteller wichtiger Dienstleistungen wie Bildung oder<br />
1 Die anderen Sets neben den Formen der Intervention des Staates in das Marktgeschehen sind<br />
das Geld- und Kapitalverhältnis (wie die Klärung gesellschaftlicher Besitzverhältnisse, die<br />
Strukturen des Finanzmarktes, der Horizont der Kapitalverwertung …), das Lohnverhältnis<br />
(Form der Arbeitsorganisation und gesellschaftlicher Arbeitsteilung, Arbeitsplatzsicherheit<br />
und Mobilität, Formen der Lohnbestimmung), das Konkurrenzverhältnis der einzelnen Kapitalteile<br />
(Markt- und Betriebsstrukturen, Formen der Marktregulierung) und das Verhältnis zwischen<br />
nationalem und internationalem Regime (Boyer 1986).<br />
238
Grisold · Wirtschaftspolitische Perspektive<br />
Gesundheit, Infrastruktur oder Zentralbanken, die den Finanzsektor stabilisieren; zweitens<br />
wird dem öffentlichen Sektor eine zentrale Rolle darin zugeschrieben, privatwirtschaftlichen<br />
Institutionen ihre Rahmenbedingungen aufzubereiten. Im Gegensatz zur<br />
Neoklassik werden rechtliche Rahmenbedingungen alleine als nicht ausreichend erachtet,<br />
sondern es bedarf einer umfassenden Palette an Regulierungsaktivitäten. Ein wesentlicher<br />
Unterschied zwischen der Neoklassik und der Politischen Ökonomie manifestiert<br />
sich also darin, welche Rolle dem Markt zugeschrieben wird, und welche<br />
Wichtigkeit demgegenüber der Wirtschaftspolitik zukommt. Wenn der Markt nur im<br />
Ausnahmefall zu produktiver und allokativer Effizienz führt, wenn ein allgemeines<br />
Gleichgewicht nicht herstellbar ist 2 , dann kommt der Wirtschaftspolitik eine elementar<br />
wichtigere Rolle zu als im neoklassischen Denkgebäude (Rothschild 1996, 45f). 3<br />
Während eine keynesianische Wirtschaftspolitik Regulierungen aufgrund von umfassendem<br />
Marktversagen begründete und entsprechende marktregulierende Eingriffe vornahm,<br />
ist die neoliberale Regulierungsdiskussion auf die Beseitigung von Staatsversagen<br />
konzentriert. Ausgangspunkt neoklassischer Regulierungstheorien ist, dass staatliche<br />
Eingriffe zeitlich unexakt, nicht effizient und damit gegenstandslos bis kontraproduktiv<br />
wirken. Von regulierungstheoretischer Seite wird auch oft argumentiert, dass Regulierungen<br />
vorrangig bis ausschließlich großen Lobbying-Gruppen zu Gute kommen 4 .<br />
Die an die neoklassische Tradition anknüpfenden Regulierungstheorien werden üblicherweise<br />
in normative und positive unterteilt. Während normative Regulierungstheorien<br />
darstellen, wann reguliert werden soll, gehen positive von der Fragestellung aus,<br />
wer, wann und wie reguliert; Regulierer agieren im zweiten Fall sicher nicht neutral,<br />
sondern interessengeleitet. Nun ist die Annahme, die Regulierten würden ihre Regulierungsformen<br />
mitbestimmen, keineswegs falsch. Die Schlussfolgerung, gerade aus diesem<br />
Grund den Markt als neutrale Instanz wirken zu lassen, stellt aber ein <strong>zum</strong>indest<br />
ebenso utopisches Konzept dar; nicht auf Grund mangelnder Durchsetzbarkeit auf der<br />
politischen Ebene, sondern weil die idealen Marktbedingungen, die dafür notwendig<br />
wären, nicht vorzufinden und auch nicht erzeugbar sind. Sollen Regulierungsmaßnahmen<br />
festgelegt werden, ist von Verhandlungen und einem Tauziehen verschiedener Interessengruppen<br />
auszugehen. Dabei stellt sich das Problem, welche Gruppen über adäquate<br />
Artikulationsweisen und Durchsetzungsmacht verfügen und welche nicht. Dies<br />
ist der Ausgangspunkt von theoretischen Ansätzen, die Regulierung nicht mehr als Sonderfall<br />
und nicht mehr als dem Funktionieren des ökonomischen Prozesses hinderlich<br />
darstellen.<br />
Wenn das Nichtzutreffen neoklassischer Annahmen nun nicht mehr die Ausnahme<br />
darstellt, wie dies im Falle von „Marktversagen“ bereits im Terminus anklingt, sondern<br />
– wie etwa in der keynesianischen Theorie oder der französischen Regulationstheorie –<br />
als signifikantes Bestimmungsmerkmal des ökonomischen Systems selbst identifiziert<br />
wird, so sind Regulierungsaktivitäten ebenso nicht mehr nur in vielen Ausnahmefällen<br />
notwendig, sondern müssen als wesentliches Moment für das effiziente Funktionieren<br />
unserer kapitalistisch strukturierten Ökonomie angesehen werden.<br />
2 … die Suche danach daher aussichtslos …<br />
3 Für eine Zusammenfassung unterschiedlicher Regulierungstheorien in Bezug auf die <strong>Medien</strong>industrie<br />
siehe Grisold (1996 oder 1998).<br />
4 Siehe dazu an Standardwerken: Stigler (1971) oder Peltzman (1976); als Überblick an aktueller<br />
Literatur: Stigler (1995).<br />
239
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
2. Begriff und Ursachen der Ökonomisierung<br />
Der Begriff der Ökonomisierung kann von unterschiedlichen Seiten her gesehen werden:<br />
Über Individuen betrachtet, versteht man darunter eine stärkere Nutzenorientierung<br />
und individuelle Nutzenmaximierung; produktionsorientiert wird darunter der<br />
optimale Einsatz von Ressourcen verstanden; und als Politikorientierung heißt es ein<br />
verstärktes Vertrauen auf Marktkräfte und die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs.<br />
Die Herausbildung individueller Verhaltensweisen ausklammernd 5 kann für eine<br />
wirtschaftspolitische Perspektive der Begriff der Ökonomisierung wie folgt aufgeschlüsselt<br />
werden:<br />
1. Wie Güter und Dienstleistungen bei gegebenen Inputfaktoren am besten produziert<br />
werden, ohne Ressourcen zu vergeuden. Dies ist eine sehr neutrale Definition von<br />
Ökonomie, Ökonomisierung könnte als Weg zu diesem Idealzustand beschrieben<br />
werden. 6<br />
2. Ein verstärktes Rekurrieren auf den „Markt“ als bestes Allokationssystem:<br />
Unternehmensziele wandeln sich zur vorrangigen Profitorientierung (dies wird in<br />
der <strong>Medien</strong>wissenschaft oft auch als „Kommerzialisierung“ bezeichnet), Marktbeziehungen<br />
weisen eine stärkere Wettbewerbsorientierung auf. 7 Wenn der Wandel der<br />
Unternehmensziele aufgrund der Änderungen von öffentlichen zu privatwirtschaftlichen<br />
Eigentumsverhältnissen bedingt wurde, so war damit immer eine wirtschaftspolitische<br />
Entscheidung verknüpft. Ob <strong>Medien</strong>produkte über ein marktliches Instrumentarium<br />
am besten bereitgestellt werden können, wird im Folgenden zu diskutieren<br />
sein. Die Veränderung der Marktsituation auf gesamtgesellschaftlichem Niveau<br />
wird durch Wirtschaftspolitik <strong>zum</strong>indest begleitet, wenn nicht geleitet. 8<br />
Eine verstärkte Marktorientierung und damit Profitorientierung ist als positiv einzustufen,<br />
wenn über erhöhten Effizienzdruck Kostensenkungen erreicht und diese auch<br />
auf die Preise überwälzt werden. Sie ist dann als negativ anzusehen, wenn der Markt als<br />
unvollkommener dazu führt, dass Produkte, für die es eine Nachfrage gäbe, nicht angeboten<br />
werden bzw. nur zu überhöhten Preisen, ebenso dann, wenn der Markt zu Unternehmenskonzentration<br />
führt und dazu, dass gesellschaftliche Funktionen von Gütern<br />
und Dienstleistungen vernachlässigt werden.<br />
Dies vorausgesetzt, wird die verstärkte Ausrichtung auf den Markt als bestes Allokationssystem,<br />
verbunden mit erhöhter Profitorientierung, Einfluss der Werbewirtschaft<br />
und dem Bemühen um Effizienzsteigerung im Folgenden als Ökonomisierung bezeichnet.<br />
Im Rundfunksektor kann Ökonomisierung im Sinne einer zunehmenden Dominanz<br />
der über den Markt angebotenen Rundfunkprodukte als Folge von Privatisierungen<br />
verstanden werden. Da sich die Ursachen der Ökonomisierung für die unterschiedlichen<br />
<strong>Medien</strong>branchen durchaus unterschiedlich darstellen, möchte ich an dieser Stelle<br />
5 Siehe dazu z. B. Pirker (1999), wie auch den Artikel von Heinrich in diesem Band.<br />
6 Wobei diese Handlungsanleitung in der Praxis so eindeutig nicht ist: Wer definiert, welche<br />
Inputfaktoren das „beste“ Ergebnis bringen? So ist das Billigste nicht immer auch mit dem Besten<br />
gleichzusetzen, oder, anders ausgedrückt, stellen z. B. Kreativität und Effizienz zwei widerstrebende<br />
Zielkriterien dar.<br />
7 Welcher dieser beiden Faktoren zuerst initiierend den anderen bedingte, muss an dieser Stelle<br />
unbeantwortet bleiben.<br />
8 Über den Abbau von Handelshemmnissen, über vorrangige Wettbewerbsförderung, über fehlende<br />
flankierende Maßnahmen zur sozialen Verträglichkeit etc.<br />
240
Grisold · Wirtschaftspolitische Perspektive<br />
den Rundfunksektor als Beispiel heranziehen, um aus wirtschaftspolitischer Perspektive<br />
die Ökonomisierungsursachen darzustellen: 9<br />
• Politikausrichtung: Zunehmende Wirkungsmächtigkeit neoliberaler Politik, besonders<br />
auch innerhalb der Europäischen Union, wie dies im Katalog der vier Grundfreiheiten<br />
des Binnenmarktes (freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen<br />
und Kapital) bereits formuliert ist.<br />
• Ausrichtung der Wirtschaftspolitik: Über eine Verschiebung des Problembewusstseins<br />
von Marktversagen hin zu Staatsversagen ergab sich eine Auffassungsänderung<br />
über Rolle, Funktion und Gestaltung von Wirtschaftspolitik. 10<br />
• Marktveränderungen über Gewinnerwartungen: Rundfunk wurde, über eine Erhöhung<br />
der gesamtwirtschaftlichen Werbeaufwendungen, als profitabler Wirtschaftszweig<br />
erkannt; die Einführung privatwirtschaftlicher Unternehmen führte zu<br />
neuen Marktverhältnissen.<br />
• Entwicklung am Technologiesektor: Neue Technologien ermöglichten die vermehrte<br />
Einrichtung neuer Rundfunkstationen: Mehr Frequenzen stehen zur Verfügung,<br />
Kabel und Satelliten-Verteilsysteme, gekoppelt mit der Entwicklung im Telekommunikationsbereich,<br />
führen zu effizienterer Übertragungstechnik: Dies galt noch vor<br />
der Einführung der Digitalisierung bereits für die Breitband-Technologie.<br />
• Soziale Bewegungen als neue politische Größe: Die politische und kulturelle Aufbruchstimmung<br />
der späten 60er Jahre markierte den Beginn der Ära der „Liberalisierung“<br />
des Rundfunks in Österreich: Neue soziale Bewegungen gründeten nichtkommerzielle<br />
Stationen als Gegenbewegung zu staatlicher Dominanz (speziell im<br />
Radiobereich). Wenn dies auch keineswegs aus ökonomischen Gründen geschah, so<br />
trug es dennoch in der Folge zur Ökonomisierung bei, da sich die Stationen aus betriebswirtschaftlichem<br />
Kalkül bald zusammenschlossen, zu ihrer Finanzierung auf<br />
Werbung nicht verzichten wollten oder konnten und so – indirekt und unintendiert<br />
– die Ökonomisierung des Rundfunksektors beförderten. 11<br />
Für die Betrachtung von Ökonomisierung aus wirtschaftspolitischer Perspektive stellt<br />
sich somit erstens die Frage, wie über Wirtschaftspolitik die Ökonomisierung am <strong>Medien</strong>sektor<br />
konkret befördert wurde und wird, sowie zweitens, wie die zu beobachtenden<br />
negativen Auswirkungen der Ökonomisierung – wenn marktliche Bereitstellung<br />
der <strong>Medien</strong>güter nicht zu optimalen Ergebnissen führt – am <strong>Medien</strong>sektor durch wirtschaftspolitische<br />
Instrumente zu verringern wären.<br />
3. Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>branche durch Wirtschaftspolitik<br />
Jenes Verständnis von Ökonomisierung, das dem Markt vorrangige Gestaltungskompetenz<br />
zuweist, hat seinen Niederschlag nicht zuletzt auch im wirtschaftspolitischen Bereich<br />
gefunden: Erstens theoretisch im Sinne einer Beschränkung von Wirtschaftspolitik<br />
auf Wettbewerbspolitik, welche sich in der Praxis <strong>zum</strong>eist aber als Ermöglichung<br />
großer Unternehmenseinheiten darstellt. So ist eine reduzierte Rolle von Wirtschaftspolitik<br />
als gesellschaftlich gestalterisches Element auf die Etablierung funktionierender<br />
9 Ich stütze mich dabei auf Collins/Garnham/Locksey (1988), McQuail (1998), und Altvater<br />
(1997).<br />
10 Siehe dazu detaillierter: Kapitel 3 und 4.<br />
11 Dieser Punkt wurde angeführt, um auch ein Beispiel für indirekte Ökonomisierung aufzuzeigen.<br />
241
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Unternehmenseinheiten am Beispiel des österreichischen Privatradiogesetzes ohne<br />
Schwierigkeiten nachzuweisen (Götschl 1998). Zweitens fand und findet unter den so<br />
geschaffenen veränderten Rahmenbedingungen eine Verschiebung der Eigentumsstrukturen<br />
im Rundfunk zugunsten vermehrt privatwirtschaftlich geführter Unternehmen<br />
statt. Drittens schließlich ist ein Abrücken der Wirtschaftspolitik von der Überzeugung,<br />
Massenmedienprodukte seien als öffentliche bzw. meritorische Güter zu behandeln,<br />
festzustellen 12 . Damit verbunden ist, dass das Problem des öffentlichen Interesses an diesen<br />
Produkten von Seiten der Wirtschaftspolitik nur mehr nachrangig behandelt wird.<br />
Da Wirtschaftspolitik immer auch Interessenpolitik darstellt, wirft sich die Frage auf,<br />
wie solche Interessen vertreten werden können, die weder in Kaufkraft noch in politischem<br />
Lobbying <strong>zum</strong> Ausdruck kommen. 13 Massenmedien schreiben sich selbst gerne<br />
die Funktion einer „countervailing power“ (Gegenmacht) zu, die sie, wenn überhaupt,<br />
am nachdrücklichsten gegenüber der Politik einsetzen. Sind ökonomische Interessen respektive<br />
Interessensgruppen angesprochen, treten <strong>Medien</strong> hingegen viel weniger deutlich<br />
in Erscheinung (z. B. in unternehmenskritischer Berichterstattung 14 ).<br />
Welche wirtschaftspolitischen Instrumente werden nun im Sinne der Beförderung einer<br />
Ökonomisierung am <strong>Medien</strong>sektor eingesetzt? Im Folgenden soll anhand von unterschiedlichen<br />
wirtschaftpolitischen Instrumenten am Beispiel des audiovisuellen Sektors<br />
die Problematik dargestellt werden.<br />
Derzeit reduziert sich Wirtschaftspolitik oftmals auf Wettbewerbspolitik, mit dem als<br />
Ideal formulierten Ziel, eine Vielzahl von kleinen, nicht marktmächtigen Unternehmen<br />
am Markt operieren zu haben. Kann dieser Idealzustand hergestellt werden, so sorgen<br />
die positiven Kräfte des Wettbewerbs für ein reibungsloses Funktionieren des Marktes.<br />
Aufgrund der Kostenstrukturen und spezifischen Gütereigenschaften ist diese Wettbewerbsform<br />
allerdings am <strong>Medien</strong>sektor ökonomisch oft ineffizient bzw. nicht zu erreichen,<br />
die vorrangige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Wettbewerbspolitik daher<br />
wenig sinnvoll.<br />
Realiter wird unter dem Terminus Wettbewerbspolitik oft Standortpolitik betrieben<br />
(besonders für einen Wirtschaftssektor wie etwa den der elektronischen <strong>Medien</strong>, der<br />
12 Kiefer (1997) nennt dies „Entmeritorisierung“ von <strong>Medien</strong>leistungen: ein Zurückdrängen der<br />
gesellschaftlich erwünschten meritorischen Güter zu Gunsten der auf Märkten verkäuflichen,<br />
wirtschaftlich rentablen Angebote.<br />
13 Wobei ich hier annehme, dass Massenmedien sich um alle kaufkräftigen Schichten kümmern,<br />
was sehr wohl auch in Frage gestellt werden kann. Peterson (1982) tut das im „Production of<br />
Culture“-Ansatz, der Produktionsbedingungen in den Kulturindustrien als angebotsdeterminiert<br />
sieht; Brown (1996, 8) spricht von Minoritäten, welche für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse<br />
zwar eine hohe Zahlungsbereitschaft hätten, diese aber nicht adäquat kommunizieren können.<br />
Wenn in mittlerem Alter stehende kaufkräftige Mittelschichten z. B. am Radiosektor so gar<br />
nicht bedient werden (nicht nur in Österreich, sondern auch z. B. in Irland oder in weiten Teilen<br />
Großbritanniens), weil sie entweder nicht als Zielgruppe definiert werden oder andere Werbeträger<br />
als adäquater für die zu bewerbenden Produkte angesehen werden, so kann das in einer<br />
weiteren Auslegung des Wortes als Marktversagen gesehen werden.<br />
14 So ist z. B. in Zeitungen der Politikteil auch moralisch-kritisch gegenüber ebendieser Politik,<br />
von der berichtet wird, ausgerichtet, wohingegen der Wirtschaftsteil derselben Zeitungen sehr<br />
wenig wirtschaftskritisch in Erscheinung tritt. Dies ist über Interessen leicht erklärbar: Der Politikteil<br />
wird nicht vorrangig für Politiker geschrieben, der Wirtschaftsteil dient aber hauptsächlich<br />
– <strong>zum</strong>indest im Selbstverständnis der Zeitungen – der Information für Aktionäre bzw.<br />
Wirtschaftstreibende.<br />
242
Grisold · Wirtschaftspolitische Perspektive<br />
derzeit als Wachstumsbranche schlechthin dargestellt wird). Diese Standortpolitik erfolgt<br />
aufgrund von regionalem Wettbewerb. Da der <strong>Medien</strong>bereich als Zukunftsbranche<br />
gehandelt wird, bemühen sich die Regionen verstärkt darum, Unternehmen aus dieser<br />
Branche anzusiedeln. Mittels Subventionen werden die Kosten der Unternehmen der<br />
Massenmedienindustrien verringert, über Multiplikatorwirkungen weitere Wachstumsund<br />
Beschäftigungseffekte zu erreichen gesucht.<br />
Der Dynamik unserer Wirtschaftsform immanent ist die Bildung unternehmerischer<br />
Konzentrationsformen. Kartellrechtliche Regelungen als Teil der Wettbewerbspolitik<br />
sollen derlei negative Machtkonzentrationen nach Möglichkeit hintanhalten. Ihre Möglichkeiten<br />
sind jedoch klar limitiert: Unmittelbare wirtschaftliche Interessen nicht nur<br />
der betroffenen Unternehmen, sondern auch der Region, der Nation im Wettbewerb mit<br />
anderen Regionen respektive Nationen werden einer strikten Auslegung von Anti-Trust-<br />
Regelungen immer entgegenstehen. Damit fallen kartellrechtliche Regelungen üblicherweise<br />
unter den Oberbegriff „Kosmetik“ und werden nur in den seltensten Fällen auch<br />
exekutiert 15 . Auf EU-Ebene stellt das Verbot des Zusammenschlusses von Bertelsmann,<br />
Kirch und Deutscher Telekom für den Pay-TV-Sektor im Mai 1998 eine der wenigen<br />
Ausnahmen dar. Im Gegensatz dazu wurde z. B. die Beteiligung von Murdochs BSkyB<br />
an KirchPayTV nicht untersagt. 16 Auf nationaler Ebene sind die in Österreich geplanten<br />
Veränderungen im Regionalradiogesetz ein Beispiel für die Lockerung kartellrechtlicher<br />
Maßnahmen: Nicht nur von Regierungsseite wird eine Aufhebung der Eigentumsbeschränkungen<br />
geplant, auch die Opposition hat dagegen nichts einzuwenden 17 .<br />
Wenn Massenmedienprodukte öffentliche Güter 18 darstellen, und als Ziel definiert ist,<br />
die Inhalte von Massenmedien pluralistisch zu produzieren, so sind dafür Eigentumsrechte<br />
von zentraler Bedeutung. Sie sichern den Zugriff auf Produktion und Verteilung<br />
von Inhalten: Eigentumsrechte an den Distributionskanälen auf der einen, an den potenziellen<br />
Inhalten der Massenmedien auf der anderen Seite. Bei öffentlichen Gütern<br />
stellt sich die Frage, ob sie öffentlich produziert werden sollen oder privatwirtschaftlich,<br />
dann aber unter öffentlicher Kontrolle. Privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen<br />
haben spezifische Interessenlagen, die über private Massenmedien verstärkt transportiert<br />
werden, die Generierung von Shareholder-Value steht pluralistischer Kommunikation<br />
entgegen. Eine wirtschaftspolitische Ausrichtung, die den Anteil der privatwirtschaftlichen<br />
TV-Stationen erhöht und eine Konzentration darin nicht verhindert, wird<br />
zur Folge haben, dass nicht Gewinn bringend absetzbare Inhalte nicht mehr produziert<br />
und gesendet werden.<br />
Fiskalpolitik als Einnahmen- und Ausgabenpolitik staatlicher Bürokratien beinhaltet<br />
die Erhebung von Steuern und Abgaben ebenso wie die Vergabe von Subventionen. Förderungen<br />
können unterteilt werden in allgemeine, generell der Branche zugute kommende,<br />
und solche mit explizit normativen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen. Sind<br />
15 Bagdikian (1997) oder Herman/McChesney (1997) bringen eine Fülle an Beispielen für den USamerikanischen<br />
Raum.<br />
16 Für eine genaue Begründung siehe KEG (2000).<br />
17 Derzeit bestehende Einschränkungen des Crossownerships von marktbeherrschenden Zeitungen<br />
und Radiounternehmen in einer Region werden ebenso fallen wie Beschränkungen der Eigentumskonzentration<br />
am kommerziellen Radiosektor generell.<br />
18 Öffentliche Güter werden über das Nicht-Ausschlussprinizip vom Konsum und über die<br />
Nicht-Rivalität im Konsum definiert; aus beiden Gründen ist eine direkte, eindeutig zuordenbare<br />
Bepreisung dieser Güter nicht möglich.<br />
243
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
zu zweiteren die Regelungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkunternehmen zu zählen,<br />
haben branchenfördernde finanzpolitische Maßnahmen (wie ein geringerer Mehrwertsteuersatz,<br />
geringere Postgebühren beim Versand für den Pressesektor etc.) höhere Förderungswirkung<br />
bei großen, marktbeherrschenden Unternehmen der <strong>Medien</strong>industrie.<br />
4. Wirtschaftspolitik als Folge der Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>branche<br />
Die Folgewirkungen des Prozesses der Ökonomisierung sind kaum mehr reversibel:<br />
Massenmedienprodukte werden nach rein ökonomischen Profiterfordernissen ausgerichtet,<br />
und über die Entwicklung des Marktes betrifft dies auch öffentliche Unternehmen.<br />
Dies sei am Beispiel der catch-22-Situation für öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
durch die „Liberalisierung“ erläutert: Die einfachste Möglichkeit, konkurrieren zu können,<br />
ist die, gleichsam selbst zur kommerziellen Station zu mutieren (eine Strategie, die<br />
von den meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen auch verfolgt zu werden<br />
scheint, siehe Blumler 1992, Achille/Miege 1994, Burgelmann 1997). Damit verlieren sie<br />
aber ihre Legitimation für den Bezug von Rundfunkgebühren („Wieso für etwas zahlen,<br />
das man umsonst von Privaten kriegen kann?“). Zugleich aber verlieren sie diese Legitimation<br />
auch dann, wenn sie ein Programm anbieten, das keine großen Zuseherzahlen<br />
anzieht; wobei die Argumentation dann in die Richtung geht, dass solche Programme<br />
eben nicht gewünscht würden.<br />
Der Nobelpreisträger Ronald Coase hat bereits in den 60er Jahren in seiner Einschätzung<br />
von werbefinanzierten Rundfunkprogrammen eine einfache ökonomische Realität<br />
dargelegt: „With commercial broadcasting, the person who pays for the broadcast of a<br />
program is the advertiser. It follows that the programs broadcast are those which maximise<br />
the profits to be derived from broadcasting“ (Coase 1966, 446). Der Chicago-Ökonom<br />
schlägt als Gegenmaßnahme die Entfaltung des Marktmechanismus schlechthin<br />
vor: Die Einführung von Pay-per-View, und damit die Ermöglichung des Wirkens des<br />
Preismechanismus, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen und so<br />
Konsumentensouveränität herzustellen. Wenn allerdings nicht von derart idealistischen<br />
Annahmen bezüglich der Verteilungsgerechtigkeit ausgegangen wird, sondern von sozialer<br />
Hierarchisierung, unterschiedlichen Einkommens- und Bildungsniveaus, von Informationsasymmetrien<br />
etc., so wird eine aktive und gestaltende Wirtschaftspolitik als<br />
Regulativ notwendig.<br />
Damit stellt sich die Frage, welche Aufgaben von wirtschaftspolitischer Seite am <strong>Medien</strong>sektor<br />
vorrangig zu übernehmen wären im Sinne ökonomischer und sozialer Ziele,<br />
wenn in einer grundsätzlich marktwirtschaftlich ausgerichteten ökonomischen Ordnung<br />
der privatwirtschaftliche Prozess nicht die gewünschten Resultate erbringt. Allgemein<br />
formuliert sind das ein freier Zugang zu Information, ein Ausgleich für die zunehmende<br />
Privatisierung öffentlicher Güter und ein Gegengewicht zur Standardisierung<br />
der Inhalte:<br />
• Infrastrukturmaßnahmen: Wirtschaftspolitik gegenüber Massenmedien soll sicherstellen,<br />
dass ein universeller Zugang zu Massenmedienprodukten ermöglicht wird.<br />
Solch eine Infrastrukturmaßnahme kann sich nicht an marktwirtschaftlichen Kriterien<br />
orientieren.<br />
• Wirtschaftspolitische Maßnahmen am Massenmediensektor haben sich auf die Inhalte<br />
der Massenmedien zu richten, d. h. den symbolischen Gehalt ebendieser Produkte<br />
in Rechnung zu stellen. So müsste, um eine funktionierende Gegenmacht der<br />
Massenmedien zu gewährleisten, Wirtschaftspolitik, mit Kulturpolitik gekoppelt,<br />
eine Diversifizierung der Inhalte anstreben.<br />
244
Grisold · Wirtschaftspolitische Perspektive<br />
• Die Preise für solche Güter festzulegen, deren Bepreisung über den Markt nicht möglich<br />
ist, ist eine weitere Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Preispolitik als fiskalische<br />
wirtschaftspolitische Maßnahme ist im audiovisuellen Bereich auf die Gebührenordnung<br />
für öffentlichen Rundfunk wie auch indirekt auf die Regulierung der Werbezeiten<br />
beschränkt. Auf der Gebührenseite wären aus effizienztheoretischer ökonomischer<br />
Perspektive Steuereinnahmen 19 den derzeit vorherrschenden Gebührensystemen<br />
<strong>zum</strong>indest nicht unterlegen. Für eine Bereitstellung von öffentlichen Gütern<br />
ist es nicht von Bedeutung, ob die Gelder dafür aus Gebühren oder Steuereinnahmen<br />
kommen: Es kann sogar argumentiert werden, dass Steuereinnahmen effizienter sind,<br />
da keine zusätzlichen Kosten der Erhebung anfallen. Von nicht-ökonomischer Seite<br />
wird die Erhebung über Steuern kritisiert, da erstens eine direkte politische Beeinflussung<br />
möglich würde und sie zweitens kein direktes Zurechnungssystem zwischen<br />
NutzerInnen und Anbietenden bedeute (was bei einer Dichte an Rundfunkgeräten<br />
in Haushalten von an die 100% kaum mehr ins Gewicht fällt; auch Gebührenfinanzierung<br />
stellt nur eine Annäherung dar: wer konsumieren könnte, wird zur Gebührenabgabe<br />
verpflichtet, eine Kontrolle ist nur schwer möglich).<br />
• Bei privatwirtschaftlicher Organisation von Rundfunkunternehmen hätte sich Fiskalpolitik<br />
als diskretionäre Förderung bewusst auf Maßnahmen zu konzentrieren,<br />
die Vielfalt fördern. 20 Dabei muss aber in Rechnung gestellt werden, dass dies aufgrund<br />
der Kostensituation zu Lasten der technischen Effizienz des Sektors geschehen<br />
kann; dies gilt dann, wenn große Unternehmen kostengünstiger produzieren<br />
könnten als mehrere kleine.<br />
Eine Diversifizierung der Inhalte von Massenmedien ist aber mit wirtschaftspolitischen<br />
Maßnahmen alleine nicht zu erreichen. Für das Beispiel des Fernsehsektors sind die Eigentumsrechte<br />
an bestehendem Programmmaterial privatwirtschaftlich hochkonzentriert;<br />
daher steigen mit zunehmender Nachfrage durch mehr TV-Stationen auch die<br />
Preise für Programme, die Finanzierungserfordernisse der einzelnen TV-Stationen erhöhen<br />
sich dementsprechend, während als Alternative nur die Verbilligung anderer Programmteile<br />
verbleibt.<br />
Wenn Wirtschaftspolitik als oberstes Ziel „gesellschaftliche Wohlfahrt“ hat, dann<br />
reicht der Markt als Allokationsmechanismus nicht aus, jene Vielfalt der <strong>Medien</strong>inhalte<br />
zu garantieren, die Grundlage sowohl für eine funktionierende Demokratie als auch zur<br />
Zielerreichung der Wirtschaftspolitik notwendig ist, insbesondere auf der Ebene der inhaltlichen<br />
Gestaltung der Produkte. Meiner Einschätzung nach stellt das immer wieder<br />
propagierte Gegenkonzept der Zivilgesellschaft, auf so hochkomplexe Bereiche wie die<br />
<strong>Medien</strong>industrie angewandt 21 , keinen praktikablen Lösungsansatz dar, sondern eine sowohl<br />
zeitliche wie auch inhaltliche Überforderung der diese Zivilgesellschaft tragenden<br />
citoyen. Wirtschaftspolitik als nur die Ökonomisierung befördernd abzuqualifizieren<br />
hieße andererseits, sich eines gesellschaftlichen Instrumentariums zu berauben, das nicht<br />
19 Wie derzeit z. B. in den Niederlanden öffentlich-rechtlicher Rundfunk finanziert wird.<br />
20 In Großbritannien oder Irland wird dies durch einen Anteil der Fremdproduktion von Fernsehstationen,<br />
der an unabhängige Produzenten vergeben werden muss, zu erreichen versucht.<br />
Dass dies weder zu verbesserten Arbeitsbedingungen, noch zu geringeren Abhängigkeiten zwischen<br />
Produzenten und Rundfunkstationen, noch zu diversifizierteren Inhalten geführt hat,<br />
zeigen Saundry/ Nolan (1998) für Großbritannien.<br />
21 Wie auch gleichermaßen als Beispiel die Regulierung von Finanzmärkten angeführt werden<br />
könnte.<br />
245
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
nur durch ein anderes keineswegs adäquat ersetzt werden kann, sondern dessen differenzierter<br />
und kalkulierter Einsatz eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Formation<br />
(und das Funktionieren) solcher Zivilgesellschaften bildet.<br />
5. Konklusio<br />
Die verstärkte Ausrichtung auf den Markt als bestes Allokationssystem, verbunden mit<br />
erhöhter Profitorientierung, Einfluss der Werbewirtschaft und dem Bemühen um Effizienzsteigerung<br />
wurde als Ökonomisierung bezeichnet. Dies wird nicht zuletzt durch<br />
die neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik als Ermöglicher von Marktbedingungen<br />
erreicht. Somit reduziert sich Wirtschaftspolitik oftmals (auf die positiven Kräfte<br />
des Wettbewerbs vertrauend) darauf, ein reibungsloses Funktionieren des Marktes sicherzustellen.<br />
Noch stärker als in anderen Industrien ist am Massenmediensektor, aufgrund<br />
der Kostenstrukturen und spezifischen Gütereigenschaften (Kiefer 2001, Heinrich<br />
1999), diese Wettbewerbsform allerdings ökonomisch nicht zu erreichen (bzw. sind<br />
Konzentrationen weitaus effizienter, gibt es hohe Marktmacht der Anbieterseite, ein<br />
Fehlen von Konsumentensouveränität und daher eine eingeschränkte Produktpalette).<br />
Damit ist die vorrangige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Wettbewerbspolitik<br />
wenig sinnvoll. Die Verschiebung der Eigentumsstrukturen im Rundfunk zugunsten<br />
privatwirtschaftlich geführter Unternehmen wie auch ein Abrücken der Wirtschaftspolitik<br />
von der Überzeugung, Massenmedienprodukte seien als öffentliche bzw. meritorische<br />
Güter zu behandeln, führt dazu, dass ein öffentliches Interesse an diesen Produkten<br />
von Seiten der Wirtschaftspolitik nur mehr nachrangig behandelt wird.<br />
Wenn die „Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>“ in ihrer Bedeutungszuschreibung aus obigen<br />
Gründen nicht in eindeutig positiver Konnotation verortet ist, so sind wirtschaftspolitische<br />
Maßnahmen notwendig und – auf die öffentliche Aufgabe und öffentliche<br />
Guteigenschaften fokussiert – auch von Nutzen. Wirtschaftspolitik wird gebraucht, um<br />
den Marktgesetzen – die durch Ökonomisierung stärker in die <strong>Medien</strong>industrie eingreifen<br />
– andere ökonomische oder soziale Ziele entgegenzuhalten. Hier darf die Wirtschaftspolitik<br />
nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden.<br />
Die neoklassische Theorie geht davon aus, dass der Markt, sich selbst überlassen, die<br />
beste Allokationsform der Ökonomie darstellt. Dies wird von sowohl keynesianischen<br />
Ansätzen wie auch der französischen Regulationstheorie widerlegt, vor allem aber von<br />
empirischen Befunden: Regulierungsaktivitäten (wie Wirtschaftpolitik) sind daher für<br />
das effiziente Funktionieren unserer kapitalistisch strukturierten Ökonomie notwendig.<br />
Selbstredend ist Politik (und daher auch Wirtschaftspolitik) nicht unabhängig, sie<br />
braucht vielmehr wieder Kontrolle und klare (in unserem Falle: wirtschaftspolitische)<br />
Zielvorgaben, kann aber als Gegengewicht <strong>zum</strong> Markt fungieren und somit die negativen<br />
Auswirkungen des Marktes regeln. Dass die Politik wieder von Massenmedien abhängig<br />
ist, wie <strong>Medien</strong> von Profitinteressen abhängig sind, darf ebenso wenig außer Acht<br />
gelassen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Massenmedien sowohl Objekte als<br />
auch Träger von Wirtschaftspolitik 22 sind; zweiteres, indem sie Präferenzen zwar keineswegs<br />
ausschließlich bilden, so doch über die zur Verfügung gestellten Informationen<br />
beeinflussen. Den Massenmedien kommt ihre ökonomische Bedeutung innerhalb der<br />
Gesamtwirtschaft nicht aufgrund ihrer herausragenden Wirtschaftskraft zu (gemessen<br />
22 Ewald Nowotny (1997, 27f.) nennt <strong>Medien</strong> als Träger von Wirtschaftspolitik neben den politischen<br />
Parteien, Interessensgruppen und der staatlichen Bürokratie.<br />
246
Grisold · Wirtschaftspolitische Perspektive<br />
am Anteil des Bruttoinlandsproduktes, der mit einigen wenigen Prozent für die gesamte<br />
<strong>Medien</strong>industrie wenn schon nicht marginal, so doch wenig bedeutend ist), sondern<br />
vielmehr aufgrund ihres symbolischen Gehalts, ihrer Gestaltungskraft. Wirtschaftspolitik<br />
müsste den Spagat schaffen, auf Rahmenbedingungen zur Inhaltsproduktion regulierend<br />
einzugreifen, ohne inhaltlich zu regulieren. Wie dies ablauftechnisch zu bewerkstelligen<br />
wäre, ist damit noch keineswegs beantwortet. Ein intensiverer wissenschaftlicher<br />
Diskurs wäre allenfalls notwendig, um die Frage, wie dies gewährleistet<br />
werden könnte, hinlänglich beleuchten zu können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass<br />
ökonomische Entwicklungen einer anderen Eigenlogik folgen und eine andere Dynamik<br />
nehmen, als gesellschaftspolitische Anforderungen an die <strong>Medien</strong>branche dies tun.<br />
Hier die notwendigen Kongruenzen herzustellen, ist gleichermaßen eine Herausforderung<br />
für die Politik und für die Wissenschaft.<br />
Literatur<br />
Achille, Y./Miège, B. (1994): The limits to the adaptation strategies of European public service television.<br />
In: Media, Culture and Society, vol. 16, No. 1, S. 31 – 46.<br />
Altmann, Jörn (2000): Wirtschaftspolitik, Stuttgart.<br />
Altvater, Elmar (1997): Die Zukunft des Marktes, Münster.<br />
Arestis, Philip/Sawyer, Malcolm (Hrsg.) (1998): The Political Economy of Economic Policies.<br />
Houndsmills u. a.<br />
Bagdikian, Ben H. (1997): The Media Monopoly. 5. Aufl., Boston, Mass.<br />
Berg, Hartmut/Cassel, Dieter (1995): Theorie der Wirtschaftspolitik; in: Bender u. a. (Hrsg.): Vahlens<br />
Kompendium der Wirtschaftstheorie und Politik, München, S. 163 – 238.<br />
Blumler, Jay G. (Hrsg.) (1992): Television and the Public Interest. Vulnerable Values in West European<br />
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Boyer, Robert (1986): La théorie de la régulation: Une analyse critique, Paris.<br />
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Burgelmann, Jean Claude (1997): Issues and Assumptions in Communications Policy and Research<br />
in Western Europe: A critical Analysis. In: Corner, John/Schlesinger, Philip/Silverstone, Rodger<br />
(Hrsg.): International Media Research. A Critical Survey, London/New York, S. 123 – 153.<br />
Coase, Ronald (1966): The Economics of Broadcasting and Government Policy. In: American Economic<br />
Review 2/1966, S. 440 – 447.<br />
Collins, Richard/Garnham, Nicholas/Locksley, Gareth (1988): The Economics of Television. The<br />
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Götschl, Herbert (1998): Monopole fallen langsam. Vom Ende des ORF-Monopols und von der<br />
neuen Vielfalt am Hörfunksektor. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 2,<br />
S. 117 – 128.<br />
Grisold, Andrea (1996): Regulierungsreformen am <strong>Medien</strong>sektor. Der „Fall“ Österreich, Frankfurt<br />
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Grisold, Andrea (1998): Kopf oder Zahl? Konzentrationsprozesse und Regulierungsreformen am<br />
<strong>Medien</strong>sektor. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 2, S. 129 – 142.<br />
KEG (2000): Merger Procedure Article 6(1)(b) Decision, Case No COMP/JV.37 – BSkyB/Kirch-<br />
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Heinrich, Jürgen (1999): <strong>Medien</strong>ökonomie. Band 2: Hörfunk und Fernsehen, Opladen.<br />
Herman, Edward/Mc Chesney, Robert (1997): The Global Media. The New Missionaries of Corporate<br />
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Kiefer, Marie-Luise (2001): <strong>Medien</strong>ökonomik, München.<br />
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Nowotny, Ewald (1997): Grundlagen und Institutionen der Wirtschaftspolitik. In: Nowotny,<br />
247
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Ewald/Winckler, Georg (Hrsg.): Grundzüge der Wirtschaftspolitik Österreichs, Wien, S. 11 –<br />
48.<br />
Peltzman, Sam (1976): Toward a more General Theory of Regulation. In: Journal of Law and Economics,<br />
19, S. 211 – 240.<br />
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Market, Organizational Structure and Occupational Careers. In: Journal of Popular Culture,<br />
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Pirker, Reinhard (1999): Die Ökonomisierung des öffentlichen Diskurses oder: Woher kommt die<br />
neoliberale Rhetorik? In: Schmee, Josef/Weissel, Erwin (Hrsg.): Die Armut des Habens, Wien,<br />
27 – 37.<br />
Rothschild, Kurt (1996): Bemerkungen zur Ökonomie, Politik und Ethik des Wohlfahrtsstaates.<br />
In: Kurswechsel 3/1996, S. 37 – 60.<br />
Saundry, Richard/Nolan, Peter (1998): Regulatory change and performance in TV production, in:<br />
Media, Culture and Society 2/1998, S. 409 – 426.<br />
Stigler, George (1971): The Theory of Economic Regulation. In: Bell Journal of Economics, Vol. 2,<br />
S. 3 – 21.<br />
Stigler, George (Hg. 1995): Chicago studies in political economy, Chicago.<br />
248
LITERATUR<br />
Besprechungen<br />
Hubert Eichmann<br />
<strong>Medien</strong>lebensstile zwischen Informationselite<br />
und Unterhaltungsproletariat<br />
Frankfurt: Lang. 2000. – 397 S.<br />
(Reihe Koinon: Sozialwissenschaftliche interdisziplinäre<br />
Studien; 5)<br />
ISBN 3-631-35243-3<br />
Die an der Universität Wien im Fach Soziologie<br />
eingereichte, aber interdisziplinär angelegte<br />
Dissertation versucht <strong>zum</strong> einen, den<br />
Strukturwandel zur Informationsgesellschaft<br />
unter dem Aspekt „Struktur der sozialen Ungleichheit“<br />
analytisch wie empirisch in den<br />
Griff zu bekommen, und <strong>zum</strong> anderen die sich<br />
daraus ergebenden Konsequenzen bezüglich<br />
der differenziellen Nutzung der klassischen<br />
<strong>Medien</strong> – Printmedien und Fernsehen –, aber<br />
auch der neuen <strong>Medien</strong> – Computer und Online-<strong>Medien</strong><br />
– zu bestimmen. Weil es sich dabei,<br />
wie der Autor selbst konstatiert (13), um<br />
ein noch weitgehend unstrukturiertes Forschungsfeld<br />
handelt, werden unterschiedlichste<br />
Theoriebausteine bzw. nebeneinander verlaufende<br />
Diskurse aufgegriffen und zu einem<br />
Gesamtbild zusammengefügt, das leider der<br />
Rezeption der Studie nicht <strong>zum</strong> Vorteil gereicht,<br />
fehlen doch bspw. klar strukturierte<br />
Synthesen am Ende der jeweiligen Kapitel.<br />
Demgegenüber muss die nur zehn Seiten umfassende<br />
Zusammenfassung am Ende des Buches<br />
als unterkomplex bezeichnet werden,<br />
werden doch die unzähligen Einzelbefunde<br />
und Einsichten in gerade mal sechs fast banale<br />
Thesen verdichtet, wie bspw. „Politische Partizipation<br />
setzt die Befähigung zur Mitwirkung<br />
voraus“ (367).<br />
Im ersten Kapitel werden Basiskonzepte wie<br />
Information, Kommunikation, Wissen und Informationsvermittlung<br />
über <strong>Medien</strong> diskutiert<br />
und in einen Zusammenhang mit Informatisierung<br />
und Mediatisierung als reflexive Modernisierung<br />
gebracht, wobei vor dem Hintergrund<br />
von Ausführungen zur Wirklichkeitskonstruktion<br />
durch die <strong>Medien</strong> die These formuliert<br />
wird, dass „<strong>Medien</strong>kompetenz immer äußerst<br />
ungleich verteilt war und ist, und dass nur wenige<br />
Anzeichen für Veränderungen erkennbar<br />
sind.“ (58) Unterschiedliche mediale Kompetenzen<br />
spielen aber nach Ansicht von Eichmann<br />
eine immer größere Rolle in Bezug auf<br />
die Position der Individuen im Gefüge sozialer<br />
Ungleichheit.<br />
Im zweiten Kapitel (59ff.) liegt der Fokus auf<br />
der Sozialstruktur moderner Gesellschaften.<br />
Thematisiert wird die Reproduktion der gegenwärtigen<br />
Ungleichheitsstruktur, wobei unterschiedliche<br />
soziologische Modelle der sozialen<br />
Ungleichheit – Egalisierungsthese vs. Persistenzthese<br />
vs. Disparitätsthese – einander gegenübergestellt<br />
werden und mit empirischen<br />
Befunden aus österreichischen, deutschen und<br />
OECD-Studien zu Kerndimensionen sozialer<br />
Ungleichheit konfrontiert werden. Die Analyse<br />
der vertikal-hierarchischen Ungleichheitsmuster<br />
wird sodann in einem zweiten Schritt<br />
ergänzt (109ff.) durch Konfrontation mit Befunden<br />
zur Entkoppelung von sozialen Lagen<br />
und subjektiven Mentalitäten bzw. Lebensstilen,<br />
wobei hier weitgehend auf der doch recht<br />
schmalen Basis der Studie von Gerhard Schulze<br />
zur Erlebnisgesellschaft argumentiert wird.<br />
Als Fazit wird festgehalten, dass bei den am<br />
häufigsten rezipierten Autoren – Beck, Bourdieu,<br />
Schulze – der Weiterbestand strukturierter<br />
sozialer Ungleichheiten eine unbestrittene<br />
Größe sei. Nach Eichmann muss darum die in<br />
Lebensstilanalysen formulierte Verabschiedung<br />
strukturierter sozialer Ungleichheit in<br />
westlichen Industrienationen „gelinde gesagt<br />
als voreilige Einschätzung“ (118) bezeichnet<br />
werden. Die zentrale Bedeutung von Bildung<br />
als Humankapital, d.h. als Ressource im Arbeitsmarkt<br />
und als generalisierte Kompetenz<br />
im Alltagsleben – Kulturfähigkeit –, scheint<br />
nach wie vor gegeben zu sein. Unter einer verkürzten<br />
kulturalistischen Perspektive bestehe<br />
darum „die Gefahr, gewissermaßen das Kind<br />
mit dem Bade auszuschütten.“ (119) Lebensstile<br />
stehen zusammenfassend also nach wie vor in<br />
bedeutsamer und im Vergleich zu früher sogar<br />
in verschärfter Weise in Verbindung mit der<br />
sozialen Lage eines Individuums. Stichwort:<br />
„Modernisierungsverlierer“. Obwohl der beschleunigte<br />
soziale Wandel zu offeneren Gesellschaften<br />
führt, verschärfen sich die Benachteiligungen<br />
der bereits Minderprivilegierten,<br />
und es wächst gleichzeitig das Risiko des sozialen<br />
Absturzes.<br />
Das dritte Kapitel leitet über zur Nutzung<br />
von Printmedien und Fernsehen, wobei anhand<br />
von zugänglichen empirischen Datenquellen –<br />
bspw. der Langzeitstudie Massenkommunikation<br />
für Deutschland und Fessel+GfK Life Style<br />
für Österreich – gezeigt wird, dass einerseits<br />
249
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
die Nutzung der Printmedien zurückgegangen<br />
ist, andererseits vielfältige empirische Belege<br />
für eine bildungsabhängige Segmentierung der<br />
Bevölkerung sowohl in eine Informationselite<br />
als auch in ein Unterhaltungsproletariat (149)<br />
vorhanden sind. Allerdings, und darauf weist<br />
Eichmann auch hin, lässt sich daraus noch nicht<br />
unmittelbar auf eine Verschärfung von Wissensunterschieden<br />
schließen (153). Um hier<br />
doch noch argumentieren zu können, folgt ein<br />
leider nicht sehr differenzierter Abstecher<br />
in die <strong>Medien</strong>wirkungsforschung – Stichwort<br />
Theorie der Wissenskluft –, ergänzt durch Ergebnisse<br />
aus der empirischen Leseforschung<br />
einerseits und der genreorientierten Fernsehnutzungsforschung<br />
andererseits.<br />
Kapitel vier bringt analog <strong>zum</strong> dritten Kapitel<br />
sekundäranalytische Befunde zur differenziellen<br />
Nutzung von Computern und Online-<br />
<strong>Medien</strong>, wobei aufgrund von österreichischen<br />
Studien (262ff.) nicht überraschend dargelegt<br />
wird, dass sich bspw. die Unterschiede im Informationsinteresse<br />
für EDV-Software und<br />
Hardware zwischen den verschiedenen Bildungsgruppen<br />
zwischen 1994 und 1997 nicht<br />
abgebaut, sondern sogar noch verstärkt haben.<br />
Auch hier kann dieser Befund differenztheoretisch<br />
erklärt werden, indem EDV-Interesse<br />
und EDV-Wissen vermutlich in der Irrelevanz<br />
dieses Themas für den täglichen Lebensvollzug<br />
bestimmter sozialer Segmente begründet sind.<br />
Konkret: Älteren Personen, die außerdem<br />
schon in Pension sind, erwachsen vermutlich<br />
durch ihre EDV-Abstinenz keine gesellschaftlichen<br />
Nachteile (265). Die Befunde <strong>zum</strong> Bereich<br />
EDV werden sodann ergänzt durch Daten<br />
zur Internet-Nutzung in Österreich, wobei<br />
auch hier signifikante Disparitäten bezüglich<br />
Geschlecht, Alter, Bildung und beruflicher<br />
Stellung zu konstatieren sind.<br />
Das letzte, fünfte Kapitel (293ff.) steht unter<br />
der Frage bezüglich Heterogenisierung und<br />
Fragmentierung in der wettbewerbsorientierten<br />
Kontrollgesellschaft. Hinterfragt werden<br />
dabei u. a. die versprochenen „Freiheitszugewinne<br />
im Cyberspace“, aber auch die Partizipationspotenziale<br />
von virtuellen Gemeinschaften<br />
und Teledemokratie, wobei freilich kaum<br />
noch auf empirischer Basis.<br />
Zusammenfassend erweist sich die Stärke<br />
dieser Arbeit gleichzeitig auch als deren Schwäche.<br />
Weil der bearbeitete Forschungsbereich<br />
sehr breit bzw. zu breit angelegt ist, leidet die<br />
Systematik der Argumentation. Der Leser ertrinkt<br />
in der Fülle des Materials, das zu wenig<br />
stringent miteinander verbunden wird und dessen<br />
Relevanz vielfach unklar bleibt. Es erstaunt<br />
darum nicht, dass vieles additiv und fragmentarisch<br />
bleibt und ein eigener tragender theoretischer<br />
Unterbau fehlt. In empirischer Hinsicht<br />
hat die Breite zur Folge, dass gerade aus der<br />
Perspektive der Publizistikwissenschaft viele<br />
Studien nicht zur Kenntnis genommen werden.<br />
Insbesondere ist ärgerlich, dass praktisch keine<br />
Studien aus dem angelsächsischen Bereich rezipiert<br />
werden, was gerade bezüglich der differenziellen<br />
Nutzung von PC und Internet etwas<br />
provinziell anmutet. Schließlich wird sich der<br />
<strong>Medien</strong>praktiker oder <strong>Medien</strong>politiker darüber<br />
ärgern, dass bei einem Umfang von fast<br />
400 Seiten die Hauptbefunde der Untersuchung<br />
nicht in Syntheseform rasch zugreifbar<br />
sind, sondern an vielen Orten mehr oder weniger<br />
mühsam zusammengesucht werden müssen.<br />
Heinz Bonfadelli<br />
Tanja Eisenblätter<br />
Regulierung in der Telekommunikation<br />
Zum Begriff der Regulierung im TKG unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Regulierung<br />
durch Independent Agencies in den USA<br />
Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2000. – 321 S.<br />
ISBN 3-631-36834-8<br />
Die von H. P. Bull und K. H. Ladeur betreute<br />
Hamburger Dissertation will „das Phänomen<br />
,Regulierung‘ anhand des konkreten Beispiels<br />
der Telekommunikation erforschen und die<br />
Frage ,Was heißt ›Regulierung‹ im deutschen<br />
TKG?‘ beantworten“ (S. 15).<br />
In einem ersten Teil „Grundlagen“ bemüht<br />
sich die Autorin zunächst (§ 1) um eine „theoretische<br />
Annäherung an das Rechtsinstitut“,<br />
nicht zuletzt um eine (im Vergleich zu § 3<br />
Nr. 13 TKG) „genaue(re) Definition der Regulierung“,<br />
die sie in Anlehnung an Müller/<br />
Vogelsang (1979) als „staatliche dauerhafte<br />
Verhaltensbeeinflussung von Unternehmen in<br />
einem begrenzten Wirtschaftsbereich zur<br />
Durchsetzung nicht nur allgemeiner Regeln“<br />
(S. 28) begreift. Diese konstitutiere sich aus vier<br />
Merkmalen: Sektorspezifik, regulierungstypische<br />
Instrumente, Existenz einer Regulierungsbehörde<br />
und schließlich eines Regulierungsgesetzes.<br />
Hierauf aufsetzend stellt Eisenblätter in<br />
250
Besprechungen<br />
§2 zwei ökonomische Regulierungstheorien –<br />
die „normative“ und die „positive“ – dar; beide<br />
ließen sich „– wenn auch nur begrenzt – auf die<br />
Entstehung und den Ausbau des Postmonopols<br />
übertragen“ (S. 48). Bei der Errichtung in<br />
Deutschland hätten jedoch „ebenso fiskalische,<br />
macht- und sicherheitspolitische wie auch militärische<br />
Gründe eine Rolle“ gespielt (S. 49),<br />
die Theorien bestätigten sich hier kaum. Sodann<br />
grenzt die Autorin (in § 3) De-Regulierung<br />
und Privatisierung ein und gegeneinander<br />
ab; es sei „sowohl eine Privatisierung, die nicht<br />
dereguliert, als auch eine Deregulierung ohne<br />
Privatisierung denkbar. Dazwischen existiert<br />
eine Schnittmenge“ (S. 58). Im Anschluss<br />
hieran (§ 4) fragt sie (etwas unvermittelt), ob<br />
die (deutsche) Verfassung solche Deregulierung(en)<br />
deckt, sie fordert oder ihr vielmehr<br />
Schranken zieht. Konstatiert wird letztlich eine<br />
gewandelte Verantwortlichkeit des Gemeinwesens,<br />
eine aus Sozialstaatlichkeit und als Privatisierungsfolge<br />
erwachsende „Regulierungsverantwortung“<br />
gerade im Telekommunikationssektor,<br />
bei der der Staat die „ausreichende<br />
Versorgung durch private Anbieter“ gewährleistet<br />
und „lediglich die Auffangnetze bereit“<br />
stellt (S. 88). Zum Abschluss des ersten Teils arbeitet<br />
Eisenblätter die Notwendigkeit einer<br />
(„Theorie“ der) Re-Regulierung beim „Übergang<br />
in den Wettbewerb“ heraus und skizziert<br />
(zunächst ohne juristische Untermauerung) deren<br />
optimale „instrumentelle Umsetzung“ in<br />
der Telekommunikation, in Form von Marktstruktur-,<br />
Marktverhaltens- und (sehr kurz)<br />
Produktregulierung.<br />
Der 2. Teil des Buches behandelt die „Regulierung<br />
durch das TKG“. Hier steht nunmehr<br />
die konkrete Ausgestaltung der (Re-)Regulierungsinstrumente<br />
in diesem Regulierungsgesetz<br />
vom Sommer 1996 (BGBl. I, 1120) am Anfang<br />
(§ 6), wobei die Autorin in ihrer Skizze<br />
(ohne weitere Begründung) Probleme der<br />
Nummerierung, der Frequenzordnung, des<br />
Zulassungswesens und der Wegerechte nicht<br />
weiter anspricht. Sodann werden die beiden<br />
anderen begriffstypischen Kriterien – spezifische<br />
Behörde (§ 7) und Verhältnis der TKG-<br />
Regelung zur allgemeinen Wettbewerbsaufsicht<br />
(§ 8) – näher, wenn auch nicht bis in alle<br />
Details beleuchtet. Vom Aufbau her wäre es<br />
wohl besser gewesen, vor der deutschen zunächst<br />
die US-Entwicklung als Quelle von Regulierungstheorien<br />
und –regelungen darzustellen;<br />
dies unternimmt Eisenblätter jedoch erst in<br />
Teil 3. Bereits in der Überschrift hierzu – auch<br />
von einem der beiden Kapitel (§ 10) – wird die<br />
herausragende Rolle der „Independent Agencies“<br />
deutlich. Lesenswert ist nicht nur die differenzierte<br />
Analyse von deren Eigenarten, sondern<br />
auch (zuvor, in § 9) die entwicklungsgeschichtlich<br />
verdeutlichte Unterscheidung mehrerer<br />
Regulierungstypen, deren Schicksale<br />
dann in der Deregulierungsphase der 80er Jahre<br />
durchaus verschieden verliefen (S. 172 ff.).<br />
Vergleichsweise knapp ausgefallen ist der für<br />
eine Einschätzung von Stand und Perspektiven<br />
der deutschen TK-Regulierung wichtigste,<br />
vierte Teil: Ein „Strukturvergleich“, in dem die<br />
Autorin „eingehend betrachte(n)“ wollte, „inwieweit<br />
Beeinflussungen oder Übernahmen ins<br />
deutsche Recht möglich sind“ (S. 18). Eisenblätter<br />
hält zu Beginn ihres Vergleichs dafür, in<br />
Deutschland werde sich Regulierung „auf die<br />
Bereiche begrenzen, in denen eine spezifische<br />
Verantwortung des Staates dahingehend vorhanden<br />
ist, daß er aus sozialstaatlichen Gründen<br />
eine erhöhte Verantwortlichkeit für das<br />
Funktionieren des Bereiches trägt“; dies seien<br />
„die klassischen Price-and-Entry-Bereiche“<br />
(S. 256), also Marktzutritts- und Preiskontrollen.<br />
Zu folgen ist der Autorin sicherlich darin,<br />
dass zentrale Verfassungsbestimmungen (wie<br />
Art. 80 I 2 GG, das Rechtsstaatsprinzip, ein von<br />
den USA abweichendes Verständnis von Funktionenteilung<br />
wie von parlamentarischer Demokratie)<br />
es schwerlich erlauben, (etwa) die<br />
Regulierungsbehörde für Telekommunikation<br />
und Post (RegTP) nach dem Vorbild der<br />
Federal Communications Commission zu modellieren,<br />
auch und gerade wenn die bisherige<br />
Regulierungspraxis durchaus Affinitäten im<br />
prozeduralen Bereich zeigt (z.B. Anhörungen<br />
beteiligter Kreise, Publikation von Entscheidungsentwürfen<br />
und vorläufigen Auslegungen<br />
einzelner TK-Bestimmungen seitens der Behörde;<br />
s. Gramlich CR 1999, S. 489 ff. und<br />
2000, S. 509 ff.). Plausibel sind auch die Überlegungen<br />
zu einem (letztlich wohl nicht vorhandenen,<br />
auch von ihrer Leitung stets in Abrede<br />
gestellten) Beurteilungsspielraum der<br />
RegTP sowie dem (tunlichst nicht zu aktualisierenden)<br />
ministeriellen Weisungsrecht (S.<br />
275 ff., 280). Deshalb ist der letzte Satz der<br />
„Konklusion“ (§ 12) durchaus missverständlich,<br />
in dem es heißt, dass von einem deutschen<br />
Modell Regulierung durch Regulierungsbehörden<br />
deshalb noch nicht gesprochen werden<br />
könne, weil die Praxis der Regulierung genau<br />
251
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
wie in den USA „erst in ihrer Anwendung ihrer<br />
Ausprägung finden“ werde (S. 288) – einer allzu<br />
engen Anlehnung an das Muster aus Übersee<br />
sind (vielmehr) einfach-gesetzliche, verfassungs-<br />
und wohl auch, was Eisenblätter leider<br />
kaum erörtert, europarechtliche Schranken gesetzt.<br />
Die Untersuchung ist durchweg anregend<br />
und informativ, auch wenn das Verhältnis von<br />
Ökonomie und Recht zuweilen eher additiv<br />
und nicht optimal wechselseitig verknüpft erscheint.<br />
Ein inhaltliches Manko mag man darin<br />
sehen, dass Eisenblätter den föderalen Aspekt<br />
allenfalls streift, obgleich auch hier – in puncto<br />
Regulierungsbehörde und -gesetz – der Blick<br />
auf Parallelen und Unterschiede zwischen zwei<br />
Bundesstaaten aufschlussreich hätte sein können.<br />
Gewichtiger erscheint der Einwand, dass<br />
sie offenbar das vom Regulierer verfolgte „öffentliche<br />
Interesse“ („public interest“) des Öfteren<br />
in einen Gegensatz <strong>zum</strong> – hier wie dort<br />
demokratischen! – politischen Prozess bringt<br />
und (damit) Unabhängigkeit als bloßen Sachverstand<br />
(miss-)versteht, ohne das Problem der<br />
Akzeptanz und der Legitimität aufzuwerfen.<br />
Zudem spart die Autorin die (<strong>zum</strong>indest partielle)<br />
Verwandtschaft der deutschen Regulierung<br />
im TK- und im Postsektor zu speziellen<br />
Instrumentarien der Wirtschaftsaufsicht (insbesondere<br />
über Finanzmärkte) fast durchweg<br />
aus. Speziell die Lizenzierungsvorschriften<br />
(§§ 6 ff. TKG) können jedoch ihre Herkunft<br />
aus dem Gewerbe(polizei)recht nicht verleugnen,<br />
selbst wenn sie auch einen gleitenden<br />
Übergang der früheren (Netz- und Telefondienst-)Monopole<br />
in künftige schiere Überwachung<br />
(mit einem staatlichen Eingreifen allein<br />
ex post) intendier(t)en. Endlich sollte sich eine<br />
Arbeit über Regulierung in der „Telekommunikation“<br />
auch etwas eingehender mit – im<br />
TKG (§§ 85 ff.) durchaus ausführlich behandelten<br />
– Spezifika des Mediums, nämlich der<br />
(gebotenen) Vertraulichkeit der Kommunikation<br />
(einschließlich des Schutzes der informationellen<br />
Selbstbestimmung) befassen; spätestens<br />
im Blick auf Art. 10 GG zeigt sich, dass der Telekommunikations-<br />
eben kein x-beliebiger<br />
Markt ist. Die immer wieder erhobenen Forderungen<br />
nach Abbau der (asymmetrischen) Regulierung<br />
dürften daher nicht allein sozialstaatliche<br />
Belange gering schätzen, sondern auch<br />
spezifische grundrechtliche Schutzpflichten<br />
verkennen, wenn sie denn nicht allein auf die<br />
(in der Tat schon rein praktisch höchst diffizile)<br />
Preisregulierung abzielen. Da hiervon allein<br />
marktbeherrschende Unternehmen betroffen<br />
sind, scheint sich die Debatte ohnehin zunehmend<br />
auf die Frage der richtigen Abgrenzung<br />
der sachlich und/oder räumlich relevanten<br />
Märkte zu verlagern. Auch dies belegt, dass –<br />
anders als dies wohl Eisenblätter sieht – Regulierung<br />
in der Telekommunikation (wie im<br />
Postsektor) in Deutschland ein Amalgam aus<br />
Gewerbe-, Kartell- und Privatisierungsfolgenrecht<br />
bildet, wobei nur der letzte Bestandteil<br />
temporärer Art sein dürfte.<br />
Nur schade, dass die Arbeit über kein Sach-<br />
/Personenverzeichnis verfügt, das ihren Ertrag<br />
besser erschließt.<br />
Ludwig Gramlich<br />
Jens Wolling<br />
Politikverdrossenheit durch Massenmedien?<br />
Der Einfluss der <strong>Medien</strong> auf die Einstellungen<br />
der Bürger zur Politik<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999. – 287<br />
S.<br />
ISBN 3-531-13404-3<br />
Politikverdrossenheit ist der populäre Begriff<br />
für ein Syndrom verschiedener Einstellungen<br />
der Bürgerinnen und Bürger <strong>zum</strong> politischen<br />
System, seinen Strukturen und dem Handeln<br />
der politischen Akteure. In der Politikwissenschaft<br />
erlebt das Thema seit einigen Jahren eine<br />
gewisse Konjunktur. Da wird über Begrifflichkeit,<br />
Messung und Messbarkeit, über Ursachen<br />
und Folgen diskutiert. Wenn nach den Ursachen<br />
gefragt wird, beweist die Politikwissenschaft<br />
indessen einmal mehr einen ihrer blinden<br />
Flecken. Zum einen verschließt sie sich der Tatsache,<br />
dass die Bevölkerung Politik überwiegend<br />
in der Vermittlung der Massenmedien<br />
wahrnimmt und diese daher bei der Suche nach<br />
den Auslösern von Politikverdrossenheit oder<br />
als intervenierende Variable unbedingt zu<br />
berücksichtigen sind. Daraus folgt dann <strong>zum</strong><br />
anderen, dass der diesbezügliche Forschungsstand,<br />
den es in der Kommunikationswissenschaft<br />
gibt, ebenfalls kaum herangezogen wird.<br />
Im Zentrum der Studie von Jens Wolling,<br />
und das sagt ja auch der Titel des Buches (was<br />
übrigens immer weniger selbstverständlich ist),<br />
steht eben die Frage nach dem Einfluss der <strong>Medien</strong><br />
auf Politikverdrossenheit. So weit wie<br />
252
Besprechungen<br />
möglich repliziert er damit eine Untersuchung<br />
der Rezensentin, die – damals inspiriert durch<br />
die weit umfangreichere, aber gewiss nicht<br />
übertragbare US-amerikanische Forschung zu<br />
diesem Thema – Ende der achtziger Jahre<br />
durchgeführt wurde. Nach mehreren kleineren<br />
Studien, die alle auf Sekundäranalysen beruhen,<br />
ist Wollings Arbeit die erste größere Untersuchung,<br />
die das duale Rundfunksystem berücksichtigt.<br />
Das ist vor allem deshalb wichtig, weil<br />
durch die Veränderungen <strong>zum</strong>al der politischen<br />
Angebote im dualen System – negative –<br />
Auswirkungen auf die Einstellungen der Bevölkerung<br />
zur Politik erwartet wurden.<br />
Wolling leitet sein Buch ein mit einer Diskussion<br />
verschiedener Dimensionen von Politikverdrossenheit.<br />
Dafür sichtet er zunächst die<br />
vorliegenden, überwiegend aus den USA stammenden<br />
theoretischen Konzepte und empirische<br />
Indikatoren. Später systematisiert er diese,<br />
indem er sie den drei Dimensionen der Politik<br />
(policy, polity, politics) zuordnet. Obwohl,<br />
wie Wolling selber schreibt, diese Unterteilung<br />
nicht ganz trennscharf ist, gelingt die danach<br />
vorgenommene Systematisierung recht gut und<br />
kann im Übrigen auch dazu dienen, nach der<br />
Sichtung des Forschungsstandes Forschungslücken<br />
zu identifizieren.<br />
Das Fazit nach der Auseinandersetzung mit<br />
deutschen Untersuchungen, die dem Zusammenhang<br />
zwischen <strong>Medien</strong>nutzung und Einstellungen<br />
zur Politik nachgegangen sind, muss<br />
kritisch ausfallen. Die wenigen Studien, die zu<br />
diesem Thema vorliegen, sind heterogen in ihrer<br />
Vorgehensweise, die Variablen, die verwendet<br />
werden, wechseln und sind oft nicht genügend<br />
differenziert; schließlich werden Analysen<br />
vorgelegt, die auf den Einsatz multivariabler<br />
Verfahren verzichten, obwohl das bei<br />
einem so komplexen Beziehungsgeflecht relevanter<br />
Faktoren unerlässlich ist.<br />
Wollings eigene Untersuchung, die im zweiten<br />
Teil des Buches präsentiert wird, basiert<br />
im Wesentlichen auf einer Bevölkerungsbefragung<br />
in Dresden (1996) sowie einer Inhaltsanalyse<br />
von Fernsehnachrichtensendungen<br />
und Tageszeitungen (1996). Ergänzend wurde<br />
eine Sekundäranalyse von drei repräsentativen<br />
Bevölkerungsbefragungen (1995, 1996) vorgenommen.<br />
Indem Wolling Umfrage und Inhaltsanalyse<br />
verbindet, also nicht nur Variablen<br />
der <strong>Medien</strong>nutzung mit Einstellungen<br />
zur Politik zusammenführt, trägt er einem<br />
weiteren Kritikpunkt Rechnung, der sich auf<br />
die bisherige Forschung richtet. Vermutungen<br />
über einen Einfluss der <strong>Medien</strong> auf politische<br />
Einstellungen betreffen eigentlich immer die<br />
Angebote, die genutzt werden, kaum eine Untersuchung<br />
hat aber bisher tatsächlich diese<br />
Angebote analysiert, sondern lediglich mit<br />
Nutzungsvariablen – mehr oder weniger plausible<br />
– Vermutungen über die genutzten Inhalte<br />
verbunden.<br />
Aus der Vielzahl der Detailergebnisse seien<br />
hier nur ein paar herausgegriffen. Erstens: Für<br />
die Videomalaise-Hypothese, die in den siebziger<br />
Jahren aus den USA kam und die dem Fernsehen,<br />
und zwar spezifisch der Nutzung informierender<br />
Angebote, einen negativen Effekt<br />
zuschreibt, gibt es hier keine Unterstützung.<br />
Zweitens: Wie schon in früheren Untersuchungen,<br />
zeigen sich Zusammenhänge zwischen der<br />
Nutzung von unterhaltenden <strong>Medien</strong>angeboten<br />
und politischen Einstellungen. Aber: Hier<br />
geht intensiver Konsum unterhaltender <strong>Medien</strong><br />
und Inhalte mit einem positiveren Politikbild<br />
einher. Nur bezüglich der eigenen Einflussüberzeugung<br />
gibt es einen negativen<br />
Zusammenhang zur Nutzung unterhaltender<br />
Zeitungsinhalte. Drittens: Die persönlichen Erfahrungen<br />
der Rezipienten spielen eine wichtige<br />
Rolle für die Einstellungen zur Politik. Diese<br />
sollten also mit berücksichtigt werden, wenn<br />
wir Politikverdrossenheit untersuchen. Allerdings<br />
gibt es dabei aber wohl auch zu bedenken,<br />
dass sich das, was als unmittelbare Erfahrung<br />
bezeichnet wird – nämlich, wie in dieser<br />
Studie, Beurteilung der Wirtschaft oder Defizite<br />
der Politik – mit Eindrücken und Bewertungen<br />
vermischt, die aus den <strong>Medien</strong> übernommen<br />
werden. Das zeigt sich wohl auch darin –<br />
und damit wird ein vierter Befund herausgegriffen<br />
–, dass gerade die Wirtschaftsberichterstattung<br />
in den <strong>Medien</strong> Zusammenhänge zu<br />
den politischen Einstellungen aufweist.<br />
Insbesondere mit seinen konzeptionellen<br />
Überlegungen hat Wolling neue Perspektiven<br />
für die weitere Forschung in diesem Bereich<br />
eröffnet, und methodisch hat er mit seinem<br />
konsequent (und notwendigerweise) multivariaten<br />
Vorgehen Maßstäbe gesetzt. Wenn es an<br />
der Studie etwas zu kritisieren gibt, ist es ihre<br />
Beschränkung auf eine ostdeutsche Großstadt.<br />
Wir wissen, dass das <strong>Medien</strong>nutzungsverhalten<br />
ebenso wie die hier untersuchten Einstellungen<br />
zur Politik in den ostdeutschen Bundesländern<br />
<strong>zum</strong> Teil deutlich anders sind als im Westen.<br />
Die vorliegenden Befunde zu verallgemeinern,<br />
253
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
ist also problematisch; Wolling selbst scheint<br />
das gelegentlich zu vergessen.<br />
Christina Holtz-Bacha<br />
Bart Pattyn (Ed.)<br />
Media ethics<br />
Opening social dialogue<br />
Leuven: Peeters, 2000. – 422 S.<br />
ISBN 90-42909-02-1<br />
Der Band resultiert aus dem „Core Materials<br />
Project“ zur Entwicklung von Basismaterial<br />
für die berufsethische Ausbildung, das vom<br />
„European Ethics Network“ betrieben und<br />
von der Europäischen Kommission finanziell<br />
unterstützt wird. Johan Verstraeten formuliert<br />
im Vorwort die Prämissen des Projekts zur<br />
Berufsethik im Allgemeinen: Sie setze das<br />
Verständnis der Aufgabe und des sozialen<br />
Kontextes des jeweiligen Berufes voraus; es<br />
gebe keine neutrale Berufsethik, sie sei stets<br />
von spezifischen Kulturtraditionen beeinflusst;<br />
berufsethische Bildung bedeute vor allem<br />
ein Training in gesellschaftlicher Verantwortung,<br />
ein Bewusstmachen der sozialen<br />
Folgen des beruflichen Handelns; und berufsethische<br />
Bildung müsse mit der Entwicklung<br />
zur mündigen Person einhergehen. Zusammengefasst<br />
sei berufsethische Bildung ein globales<br />
pädagogisches Vorhaben, in dem es nicht<br />
nur um die Vermittlung von ethischen Kenntnissen<br />
durch Spezialisten, sondern auch um<br />
deren praxisnahes Erproben in einem sozialen<br />
Zusammenhang gehe, in dem Berufsethos vorgelebt<br />
wird. Entsprechend wenden sich die aus<br />
dem Projekt hervorgehenden Materialien zugleich<br />
an Ethiker und an Praktiker auf verschiedenen<br />
Gebieten, in diesem Fall an die<br />
Professionellen der <strong>Medien</strong> und auch an deren<br />
Nutzer.<br />
Über die allgemeinen Prämissen hinaus erläutert<br />
Herausgeber Bart Pattyn in der Einleitung<br />
medienspezifische Aspekte, die den Texten<br />
des Bandes gemeinsam sind. Dass die normative<br />
Basis der <strong>Medien</strong>ethik mit der Idee des<br />
demokratischen Dialogs, des offenen gesellschaftlichen<br />
Gesprächs innerhalb von Kulturen<br />
oder zwischen ihnen korrespondiert, lassen<br />
tatsächlich alle Beiträge erkennen. Besonders<br />
wichtig erscheint Pattyns Hinweis, dass für die<br />
Beurteilung von <strong>Medien</strong> weniger wichtig ist,<br />
was sie ans Licht bringen, als was sie verbergen.<br />
Daraus kann man eine professionelle Grundpflicht<br />
<strong>zum</strong> Publizieren ableiten.<br />
Entsprechend dem in Vorwort und Einleitung<br />
formulierten Programm ist der Band in<br />
vier Abschnitte gegliedert: Mit Geschichte und<br />
philosophischen Grundlagen der <strong>Medien</strong>ethik<br />
befassen sich Clifford G. Christians, Robert A.<br />
White, Kaarle Nordenstreng, Michele Nicoletti<br />
und Cees J. Hamelink. Den kulturellen und<br />
ökonomischen Kontext fassen Luc Van<br />
Poecke, Walter Lesch, Bart Pattyn und Hilde<br />
Van den Bulck ins Auge. Es folgt der Abschnitt,<br />
der dem Praxisanspruch am meisten gerecht<br />
wird, nämlich die Ethik der professionell<br />
in den <strong>Medien</strong> Tätigen. In diesem zentralen Teil<br />
schreibt Barbara Thomaß über das journalistische<br />
Berufsethos; Huub Evers problematisiert<br />
medienethische Kodizes und diskutiert deren<br />
Vor- und Nachteile; Robert A. White stellt<br />
Thesen darüber auf, woran ein ethisch einwandfrei<br />
handelnder öffentlicher Kommunikator<br />
zu erkennen ist, und erinnert in diesem Zusammenhang<br />
an die Qualität der demokratischen<br />
Kommunikation; Cees J. Hamelink<br />
bringt die <strong>Medien</strong>ethik mit dem Problem der<br />
moralischen Wahlfreiheit in Zusammenhang;<br />
Grundzüge einer Ethik des Umgangs mit<br />
Computern skizziert Porfirio Barroso; mit den<br />
Mischformen der Marketing-Kommunikation<br />
und dem Verschwinden der Grenze zwischen<br />
Information und Geschäft befassen sich Aagje<br />
Geerardyn und Guido Fauconnier; Marcel<br />
Becker problematisiert den Vormarsch des Privaten<br />
in der Öffentlichkeit und fragt, was er mit<br />
der journalistischen Freiheit zu tun hat; und<br />
Barbara Thomaß schließlich vergleicht in ihrem<br />
zweiten Beitrag, mit welchen Inhalten und<br />
nach welchen Methoden journalistische Berufsethik<br />
in den drei Ländern Deutschland,<br />
Frankreich und Großbritannien gelehrt wird,<br />
wobei sie auf eine mehr oder weniger repräsentative<br />
Umfrage an Journalistenschulen zurückgreift.<br />
Im vierten großen Abschnitt befassen<br />
sich Cees J. Hamelink und Rüdiger Funiok mit<br />
einem relativ selten behandelten Thema, nämlich<br />
der Ethik der <strong>Medien</strong>nutzung.<br />
Stärken und Schwächen des Bandes sind angesichts<br />
der internationalen Autorenschaft erwartbar,<br />
wobei ich nicht auf Einzelheiten eingehen<br />
kann. Ein großer Gewinn für den Leser<br />
liegt darin, dass er über den engen Horizont der<br />
medienethischen Debatte im eigenen Land hinauszuschauen<br />
lernt. Kaarle Nordenstrengs Beitrag<br />
beispielsweise listet Basisinformationen<br />
254
Besprechungen<br />
über Presseräte und berufsethische Kodizes<br />
in 35 europäischen Ländern auf, was einen<br />
Überblick vermittelt, der die üblichen Vergleichsstudien<br />
zwischen einigen Ländern aufwertet.<br />
Zu den Schwächen gehört, dass die Aufsätze<br />
durchweg abstrakt bleiben und wenig Bezug<br />
zur <strong>Medien</strong>praxis haben. Angesichts der Unterschiedlichkeit<br />
der <strong>Medien</strong>kulturen, auf die<br />
sie Bezug nehmen könnten, ist das kaum anders<br />
zu erwarten. Dass das Projekt nur „Core Materials“,<br />
Kernmaterialien, für die Entwicklung<br />
von berufsethischen Kursen bereitstellen will,<br />
wird durch seinen interkulturellen Charakter<br />
erzwungen.<br />
Wer nach einer praktischen, für Journalisten,<br />
Öffentlichkeitsarbeiter oder Werbeleute akzeptablen<br />
Berufsethik sucht, wird außerdem<br />
mehr Verständnis dafür vermissen, dass das<br />
Bemühen, mit dem Medium bei einem möglichst<br />
zahlreichen Publikum anzukommen,<br />
nicht nur vom kommerziellen Kalkül, sondern<br />
auch vom publizistischen Ethos nahegelegt<br />
wird. Neugier und Sensationsbedürfnis der Rezipienten<br />
können ja wertvolle Hilfen bei der<br />
Aufgabe sein, Öffentlichkeit herzustellen,<br />
wenn die <strong>Medien</strong> sie als Vehikel für die Informationsverbreitung<br />
zu nutzen verstehen. Und<br />
er wird vielleicht, hier wie in vielen anderen<br />
medienethischen Texten, auch mehr Verständnis<br />
dafür vermissen, dass die Entscheidung darüber,<br />
was im öffentlichen Interesse liegt,<br />
schwerlich vom einzelnen Journalisten, sondern<br />
nur von der Öffentlichkeit selbst getroffen<br />
werden kann. Auch diesem Band hätte es gut<br />
getan, wenn neben Theologen, Philosophen<br />
und Sozialwissenschaftlern mehr Autoren aus<br />
der <strong>Medien</strong>praxis beteiligt worden wären.<br />
Ob überhaupt welche dabei sind, lässt sich<br />
schwer sagen, weil die Autoren entgegen einem<br />
mittlerweile Standard gewordenen Usus nicht<br />
vorgestellt werden. Das wäre angesichts der<br />
kulturellen Vielfalt der Autorenschaft gerade<br />
hier wichtig. Leider fehlt auch ein Register, und<br />
in den Literaturverzeichnissen der Aufsätze<br />
finden sich Lücken und Fehler. Lassen die europäischen<br />
Mittel nicht mehr editorische Sorgfalt<br />
zu?<br />
Horst Pöttker<br />
Matthias Knothe<br />
Die neuen Institutionen des Rundfunkstaatsvertrages<br />
zwischen Rechtsaufsicht<br />
und Staatsfreiheit<br />
Bargstedt: Brand, 2000. – 307 S.<br />
Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2000<br />
ISBN 3-925106-14-6<br />
Mit dem am 01.01.1997 in Kraft getretenen 3.<br />
Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde die<br />
bundesweite Rundfunkordnung einer grundlegenden<br />
Reform unterzogen. Kernpunkte bildeten<br />
<strong>zum</strong> einen die Neuregelung des Verfahrens<br />
der Gebührenfestsetzung für den öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk, mit der die Länder die<br />
Vorgaben des Gebührenurteils des BVerfG<br />
umsetzten; <strong>zum</strong> anderen die Umstellung der<br />
rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle<br />
vom Modell der Begrenzung von Unternehmensbeteiligungen<br />
zu dem der Marktanteilsbegrenzung.<br />
In beiden Bereichen gingen die Änderungen<br />
der materiellen Rechtsvorschriften<br />
einher mit tief greifenden institutionellen<br />
Änderungen: Die Kommission zur Überprüfung<br />
und Ermittlung des Finanzbedarfs der<br />
Rundfunkanstalten (KEF) wurde „entstaatlicht“.<br />
Für die Konzentrationskontrolle wurden<br />
zwei neue Organe, die Kommission zur<br />
Ermittlung der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich<br />
(KEK) und die Konferenz der Direktoren<br />
der Landesmedienanstalten (KDLM) geschaffen,<br />
die innerhalb des von der jeweils zuständigen<br />
Landesmedienanstalt verantworteten Lizenzierungsverfahrens<br />
die spezifisch konzentrationsrechtlichen<br />
Prüf- und Entscheidungsbefugnisse<br />
wahrnehmen.<br />
Die vorliegende, als rechtswissenschaftliche<br />
Dissertation verfasste Arbeit hat diese neuen<br />
bzw. reformierten Institutionen <strong>zum</strong> Gegenstand.<br />
Dem Autor kommt dabei zustatten, dass<br />
er als Rundfunkreferent des Landes Schleswig-<br />
Holstein selbst an diesem Gesetzgebungsprozess<br />
mitgewirkt hat und die rechtswissenschaftliche<br />
Betrachtung daher durch interessante<br />
Einblicke in die Entstehungsgeschichte<br />
und ihre politischen Hintergründe ergänzen<br />
kann.<br />
In den Mittelpunkt seiner Untersuchung<br />
stellt Knothe die Frage, inwieweit die Ausgestaltung<br />
der neuen Institutionen den Grundsätzen<br />
der Rundfunkfreiheit, insbesondere dem<br />
Gebot der Staatsunabhängigkeit, entspricht<br />
und welche Funktion dabei der staatlichen<br />
255
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Rechtsaufsicht zukommt. In detaillierten, gelegentlich<br />
ins Akribische gehenden Untersuchungsschritten<br />
handelt er diese Fragestellung<br />
im Blick auf die Zusammensetzung und das Berufungsverfahren<br />
der jeweiligen Institution,<br />
ihre Finanzierung sowie die Verfahrensabläufe<br />
ab. Entscheidendes inhaltliches Kriterium ist<br />
nach seinem Verständnis die Programmrelevanz<br />
des jeweiligen Organhandelns bzw. die<br />
Sicherung der Programmgestaltungsfreiheit gegenüber<br />
auch nur mittelbarem staatlichem Einfluss.<br />
Knothe legt dabei relativ strenge Maßstäbe<br />
an und kommt daher im Einzelfall zu durchaus<br />
kritischen Befunden: Problematisch erscheint<br />
ihm insbesondere das Verfahren der Berufung<br />
der KEF-Mitglieder durch die Ministerpräsidenten.<br />
Auch wenn er nicht <strong>zum</strong> Verdikt der<br />
Verfassungswidrigkeit kommt, rät er zu einer<br />
Modifikation dahingehend, die Berufung an<br />
ein Vorschlagsrecht gesellschaftlicher Gruppen<br />
zu binden und zur Vermeidung von „Domestifizierungseffekten“<br />
eine Wiederwahl auszuschließen,<br />
bei gleichzeitiger Verlängerung der<br />
Amtszeit. Als problematisch für die Unabhängigkeit<br />
der KEF sieht er auch ihre organisatorische<br />
und finanzielle Anbindung an die Staatskanzlei<br />
Rheinland-Pfalz.<br />
Schwer nachvollziehbar allerdings ist, dass<br />
im Fall der KEK das Berufungsverfahren durch<br />
die Ministerpräsidenten frei von verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken sein soll, weil hier die<br />
Expertenfunktion im Vordergrund stehe. Und<br />
während Knothe bei der Berufung der Mitglieder<br />
der KEK für strikte Unabhängigkeit von<br />
den Landesmedienanstalten eintritt (wie er die<br />
KEK überhaupt lieber als ein von den Landesmedienanstalten<br />
rechtlich unabhängiges Organ<br />
gesehen hätte) hat er bezüglich ihrer finanziellen<br />
Abhängigkeit von den <strong>Medien</strong>anstalten<br />
keine Bedenken. Problematisiert wird von ihm<br />
auch die Zusammensetzung der KDLM, da<br />
die doppelte Organstellung der Direktoren als<br />
Mitglieder der KDLM und als Exekutivorgane<br />
der <strong>Medien</strong>anstalten zu Rollenkonflikten<br />
führen könne.<br />
Eingehend befasst sich Knothe mit der Frage<br />
nach Inhalt und Grenzen der staatlichen<br />
Rechtsaufsicht, die er als Gegengewicht zur<br />
Autonomie der Rundfunkinstitutionen in jedem<br />
Fall für notwendig erachtet. Mangels normativer<br />
Ausgestaltung der Rechtsaufsicht über<br />
KEF, KEK und KDLM im Rundfunkstaatsvertrag<br />
müsse insoweit auf allgemeine Rechtsgrundsätze<br />
zurückgegriffen werden, die <strong>zum</strong>indest<br />
rechtsaufsichtliche Informations- und<br />
Hinweisbefugnisse als zulässig erscheinen lassen.<br />
Weiter gehende Eingriffsbefugnisse bedürften<br />
jedoch einer Konkretisierung im<br />
Rundfunkstaatsvertrag. Den Rückgriff auf allgemeine<br />
kommunalrechtliche Regelungen hält<br />
der Autor insoweit für unzulässig.<br />
Die Reformvorschläge Knothes dürften jedoch<br />
schon heute in vielen Punkten von der<br />
Entwicklung der juristischen und politischen<br />
Diskussion überholt sein, die sich nicht mehr<br />
auf eine Reform der bestehenden Institutionen<br />
beschränkt, sondern das bestehende Regulierungsmodell<br />
als <strong>Ganzes</strong> kritisch in Frage stellt.<br />
Hierauf geht der Autor am Ende seiner Arbeit<br />
selbst, wenn auch nur sehr kursorisch, ein,<br />
wenn er sich mit neuen Modellen staatlicher<br />
Rundfunkregulierung befasst, wobei er sich<br />
insbesondere auf das von Hoffmann-Riem entwickelte<br />
Konzept der „regulierten Selbstregulierung“<br />
bezieht.<br />
Die äußerst kenntnis- und materialreiche<br />
Darstellung der Institutionen des Rundfunkstaatsvertrags<br />
und ihrer politischen Hintergründe,<br />
verbunden mit einer detaillierten Auffächerung<br />
der rechtlichen Probleme im Spannungsverhältnis<br />
zwischen den Prinzipien der<br />
Staatsunabhängigkeit einerseits, der staatlichen<br />
Ausgestaltungs- bzw. Funktionsgewährleistungspflicht<br />
andererseits, verspricht auch dem<br />
sachkundigen Leser manchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.<br />
Es spricht für die wissenschaftliche<br />
Unabhängigkeit des Autors, dass er<br />
mit kritischen Bemerkungen zu manchen Regelungen<br />
des Rundfunkstaatsvertrags nicht<br />
spart – auch wenn er sie im Ganzen, gemessen<br />
an der Latte des Verfassungsrechts, an keinem<br />
Punkt für unzulässig erachtet.<br />
Dieter Stammler<br />
Adelheid von Saldern / Inge Marßolek<br />
Radiozeiten<br />
Herrschaft, Alltag, Gesellschaft 1924 – 1960<br />
Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg, 1999.<br />
– 275 S.<br />
(Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs;<br />
25)<br />
ISBN 3-932981-44-8<br />
Sammelwerke haben es heute schwer. Es erscheint<br />
jede Woche ein neuer Band, jede Ta-<br />
256
Besprechungen<br />
gung ist erst eine gelungene Tagung, wenn sie<br />
sich in einer Publikation niedergeschlagen hat.<br />
Zum vorliegenden Sammelband wurde 1997 in<br />
Bad Homburg über das Thema „Massenmedien<br />
im Kontext von Herrschaft, Alltag und Gesellschaft.<br />
Eine Herausforderung an die Geschichtsschreibung“<br />
getagt. Die Herausgeberinnen<br />
sind Professorinnen in Bremen und<br />
Hannover und haben ein Forschungsprojekt<br />
<strong>zum</strong> Verhältnis von Rundfunk und Geschlechterordnung<br />
bearbeitet. Beide Herausgeberinnen<br />
sind sich sicher: „Bis vor wenigen Jahren<br />
bildete <strong>Medien</strong>geschichte einen weißen Fleck<br />
auf der Landkarte historiographischer Forschung:<br />
Erst allmählich scheint sich auch in<br />
der deutschen Geschichtswissenschaft die Erkenntnis<br />
durchzusetzen, daß insbesondere für<br />
das 20. Jahrhundert die <strong>Medien</strong> einen größeren<br />
Platz in der sozial- und alltagsgeschichtlichen<br />
Forschung einnehmen sollten.“ (S. 11) Diese<br />
Einschätzung ist selbst dann falsch, wenn mit<br />
den Herausgeberinnen nur die klassische Geschichtsforschung<br />
fähig erscheint, <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationsgeschichtsschreibung zu betreiben.<br />
Damit werden alle bisherigen Ergebnisse<br />
der <strong>Medien</strong>- und speziell der Rundfunkgeschichtsschreibung<br />
ignoriert. Arbeiten von<br />
Hans Bausch, Ansgar Diller, Arnulf Kutsch<br />
und vielen anderen scheinen in ihren Augen<br />
nichts zu gelten. An dem hohen Anspruch<br />
muss sich der Sammelband messen lassen.<br />
Um es vorweg zu nehmen. Der Band wird<br />
der vollmundigen Einleitung nicht gerecht. Das<br />
wäre von knapp 300 Seiten auch zu viel verlangt.<br />
Der Sammelband ist in sechs Abschnitte<br />
eingeteilt. Zwei Einleitungen, von den Herausgebern<br />
und eine zweite instruktive von Konrad<br />
Dussel, geben den Auftakt. Der zweite Abschnitt<br />
widmet sich „Herrschaft, Politik und<br />
Gesellschaft“, der dritte „Inszenierung, Präsentation<br />
und Vermittlung“, der vierte den<br />
„Publika“, der fünfte der „Zielgruppe Jugend“<br />
– wenn die Jugend nicht <strong>zum</strong> Publikum gehört,<br />
wie kann sie dann Zielgruppe sein? Der letzte<br />
Abschnitt „Quellen“ wird von Joachim-Felix<br />
Leonhard allein bestritten.<br />
Der Band enthält einige interessante Beiträge,<br />
andere sind belanglos. Leider gilt das insbesondere<br />
für einen Beitrag, der vom Titel besonders<br />
interessant zu werden versprach. Inge<br />
Marßoleks im dritten Abschnitt platzierter Beitrag<br />
„Aus dem Volke für das Volk. Die Inszenierung<br />
der Volksgemeinschaft um und durch<br />
das Radio“ (S. 121–135) ist allenfalls impressionistisch.<br />
Etwas ausführlicher wird der 1. Mai<br />
1933, sehr knapp die Olympiade von 1936 und<br />
die Weihnachtsringkonferenz von 1942 behandelt.<br />
Der Beitrag Adelheid von Salderns<br />
„Rundfunkpolitik, Nationalidee und Volkskultur<br />
(1926–1932)“ (Abschnitt 2) ist da erheblich<br />
konzentrierter. Allerdings muss man<br />
sich fragen, warum ausgerechnet im Beitrag<br />
einer Historikerin aus zweiter Hand zitiert<br />
wird: Tucholskys Beitrag zur Rundfunkzensur<br />
ist sicherlich einschlägig, aber muss er sechsmal<br />
Erwähnung finden? Der Hinweis sei gestattet:<br />
Veröffentlicht wurde der Artikel in der<br />
Weltbühne am 17.4.1928 (24. Jg., Nr. 16,<br />
S. 590–593).<br />
Lesenswert ist der Beitrag von Daniela Münkel<br />
zur „Herrschaftspraxis im Rundfunk der<br />
SBZ/DDR“ (S. 83–100) (Abschnitt 2), in dem<br />
sie sich einer Quelle, die heikel ist, den Stasi-<br />
Unterlagen, annimmt. Man hätte sich aber in<br />
anderen Beiträgen die weiten Bestände von Gestapo<br />
und SD, <strong>zum</strong>al sie vorzüglich ediert sind,<br />
analog zur NS-Zeit ausgewertet gewünscht.<br />
Daniela Münkel untersucht vornehmlich die<br />
Personalpolitik, weniger die Programmpolitik.<br />
Auch der anschließende Beitrag von Monika<br />
Pater „Chiffre für geordnete Verhältnisse“ ist<br />
aus den Quellen gearbeitet (S. 101–117). In<br />
Abschnitt 3 betrachten Uta C. Schmidt den<br />
„Volksempfänger“ (S. 136–159) und Lu Seegers<br />
die „HörZu!“ (S. 160–180). Der Beitrag<br />
zur „HörZu!“ ist sauber geschrieben, wichtigste<br />
Quelle ist die Programmzeitschrift selbst,<br />
wenngleich auch Akten im Unternehmensarchiv<br />
des Axel-Springer-Verlags eingesehen<br />
wurden. Allerdings bleibt Eduard Rheins Rolle<br />
merkwürdig blass. Unorthodoxer und mit<br />
breiterem Blick behandelt Uta C. Schmidt den<br />
Volksempfänger.<br />
In Abschnitt 4 beschreibt Elisabeth Klaus<br />
„Macht und Ohnmacht des Publikums“<br />
(S. 183–205), Carsten Lenk den „Rundfunk in<br />
der Weimarer Republik“ unter der Fragestellung<br />
des Zusammenhangs von Freizeit- und<br />
Konsumverhaltens (S. 206–217) und Kate Lacey<br />
den Weimarer Rundfunk als Medium der<br />
Zerstreuung (S. 218–230). Der Beitrag von Elisabeth<br />
Klaus wurde in leicht anderer Fassung<br />
schon in Rundfunk und Fernsehen veröffentlicht,<br />
der Beitrag von Carsten Lenk ist ein Auszug<br />
aus seiner Dissertation. So gut beide Artikel<br />
sind, sie machen das Dilemma etlicher<br />
Sammelbände deutlich, Foren für Mehrfachverwertungen<br />
zu sein.<br />
257
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Abschnitt 5 befasst sich mit dem interessanten<br />
Zusammenhang von Radio- und Jugendkultur.<br />
Angela Dinghaus hat den Nachlass von<br />
Carola Hersel im DRA ausgewertet und beschreibt<br />
das Programm der „Jungmädchenstunde“<br />
bis 1933 (S. 233–250). Sie stellt fest,<br />
dass die Publikumsorientierung der Sendung<br />
im Weimarer Rundfunk einzig dastand. Axel<br />
Schildt untersucht den Radiokonsum des jugendlichen<br />
Publikums zwischen den 1920er<br />
und den 1960er Jahren (S. 251–266). Der Artikel<br />
enthält etliche Angaben zu Reichweite<br />
und Geräteausstattung. Nebenbei wird deutlich,<br />
dass so simple Veränderungen wie die Einführung<br />
des Transistors in den 1950ern auf<br />
Programm und Programmkonsum einschneidende<br />
Auswirkungen hatte: Das Kofferradio<br />
wurde ubiquitär nutzbar, die Zweit- und Drittausstattung<br />
mit kleinen Geräten entzog dem<br />
Pater Familias die Aufsicht über den Radiokonsum,<br />
und das blieb nicht ohne Rückwirkung<br />
auf das Programm, das sich seit den späten<br />
1950er Jahren verstärkt der Wünsche des<br />
jugendlichen Publikums annahm.<br />
In Abschnitt 6 erfahren wir schließlich von<br />
Joachim-Felix Leonhard, dass Neil Postman<br />
die Sentenz, das Medium sei die Botschaft, formuliert<br />
habe und dass die Vinylscheibe die<br />
Vorläuferin der Schellackplatte war. So enthält<br />
der Band Licht und Schatten. Er ist erheblich<br />
besser, als der erste Satz befürchten ließ, ein<br />
Aufbruch zu neuen Ufern der Rundfunkgeschichte<br />
ist er nicht.<br />
Rudolf Stöber<br />
Julia Morgenthaler<br />
Facts oder Fiction?<br />
Kommunikatorstudie zu den Determinanten<br />
für Fakes in Fernsehboulevardmagazinen<br />
Bochumer Universitätsverlag 2000. – 237 S.<br />
(Kommunikatorstudie Aktuell; 1)<br />
ISBN 3-934453<br />
Als Michael Born in Folge der gefälschten<br />
Fernsehbeiträge, die er an mehrere renommierte<br />
Magazine verkauft hatte, verurteilt wurde, da<br />
wurde – insbesondere in der Kritik an dem Urteil<br />
– deutlich, dass dieser Skandal nicht nur der<br />
Schuld eines einzigen Mannes zuzuschreiben,<br />
sondern den Fehlern und Versäumnissen Vieler<br />
innerhalb der komplexen Redaktionsstrukturen<br />
geschuldet war. Dieser Gedanke, dass ein<br />
ganzes Bedingungsgefüge innerhalb der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
und die Herausforderungen<br />
des <strong>Medien</strong>systems, die in einem harten Konkurrenzkampf<br />
um Einschaltquoten münden, so<br />
genannte Fakes ermöglichen bzw. befördern,<br />
hat Julia Morgenthaler ihrer Magisterarbeit zugrunde<br />
gelegt: „Facts oder Fiction?“ stellt sie<br />
als Frage über ihre „Kommunikatorstudie zu<br />
den Determinanten für Fakes in Fernsehboulevardmagazinen“.<br />
Dies ist eine klare Abgrenzung<br />
des Untersuchungsgegenstandes, die sie<br />
durch sorgfältige Bestimmungen der zentralen<br />
Begriffe fundiert.<br />
Dabei wird nicht ein Einzelphänomen isoliert<br />
herausgegriffen, sondern deutlich gemacht,<br />
dass der „Fake“, also eine vorsätzliche<br />
Fälschung eines Sachverhaltes durch Journalisten,<br />
nur das Ende einer Skala von Erscheinungen<br />
ist, die im Rahmen der Konstruktion von<br />
Wirklichkeit im Journalismus Realitätsveränderungen<br />
bewirken. Allerdings – und dies<br />
macht den Fake dann doch zu einer besonderen<br />
Gattung – wird hier der Rubikon zur beabsichtigten<br />
Fehlinformation der Rezipienten überschritten.<br />
Und die Tatsache, dass TV-Boulevardmagazine,<br />
ein Genre, das zu einem wesentlichen<br />
Mittel im Kampf um die Einschaltquoten<br />
geworden ist, besonders anfällig für Fakes<br />
sind, weist Morgenthaler durch die Analyse des<br />
Formats nach, die sie mit normativen Anforderungen<br />
an den Wahrheitsgehalt journalistischer<br />
Berichterstattung konfrontiert. Die theoretische<br />
Ableitung der Determinanten für Fakes in<br />
den Fernseh-Boulevardmagazinen runden den<br />
ausführlichen theoretischen Teil der Arbeit ab.<br />
Morgenthalter sieht sie – in Anlehnung an Modelle<br />
von Donsbach und Weischenberg, die die<br />
Einflussfaktoren zwischen Journalisten und<br />
<strong>Medien</strong>inhalten bzw. die Kontexte des Journalismus<br />
beschreiben – in der Ökonomie, den<br />
medialen Möglichkeiten, den organisatorischen<br />
Zwängen und Abhängigkeiten sowie dem journalistischen<br />
Rollenselbstverständnis.<br />
Die sich anschließende empirische Untersuchung<br />
dient dem Ziel, die Hypothese zu überprüfen,<br />
dass es vor allem die ökonomischen<br />
Faktoren und der Druck, sensationelle Bilder zu<br />
liefern, sind, die sich handlungsleitend auf die<br />
Produktion von Boulevardbeiträgen auswirken<br />
und somit zu den wichtigsten Einflussfaktoren<br />
für Fakes werden. Interessante Erweiterung ist,<br />
dass Morgenthaler dabei auch der Frage nachgeht,<br />
ob diese Determinanten bei Journalisten<br />
verschiedener Hierarchieebenen variieren.<br />
258
Besprechungen<br />
Die empirische Basis ist – angesichts der aufwändigen<br />
Vorgehensweise und dem begrenzten<br />
Rahmen, der einer Magisterarbeit zur Verfügung<br />
steht – eher schmal: Drei verantwortliche<br />
Redakteure von Boulevardmagazinen wurden<br />
mit Leitfadengesprächen befragt, denen<br />
Interviews mit drei Journalisten freier Produktionsfirmen,<br />
die unter anderem für diese Magazine<br />
tätig sind, gegenübergestellt werden.<br />
Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse<br />
folgt den Fragekomplexen des Interviewleitfadens<br />
und schließt viele Originalzitate ein.<br />
Diese Darstellung bietet eine atmosphärische<br />
Dichte und Illustration, die manchmal eine<br />
gewisse (unfreiwillige?) Komik annimmt – so,<br />
wenn ein verantwortlicher Redakteur den Boulevardjournalismus<br />
beschreibt: „Darunter stelle<br />
ich mir bildlich gesehen eine große breite<br />
Straße vor, auf der alles passiert, was das<br />
menschliche Leben zu bieten hat. Dort werden<br />
politische Entscheidungen gefällt, dort passieren<br />
Skandale, dort werden Leute vergewaltigt,<br />
dort werden Leute ermordet, dort tauchen Promis<br />
auf, (…) dort ist Geld, dort ist Schicksal,<br />
dort sind Kinder, dort sind Tiere (…)“ (S. 139).<br />
Morgenthaler behält ihre Distanz zu derartigen<br />
Äußerungen und analysiert sie nüchtern und<br />
präzise gemäß ihren gewählten Kategorien.<br />
In der Bewertung ihrer Ergebnisse zieht sie<br />
auch Konsequenzen für mögliche berufspraktische<br />
Forderungen. Weil – so das allerdings<br />
nicht ganz überraschende Ergebnis – die fortschreitende<br />
Ökonomisierung des Fernsehmarktes<br />
die Qualität der journalistischen Arbeit<br />
in den TV-Boulevardmagazinen deutlich<br />
negativ beeinflusst, sind die professionellen<br />
Anforderungen an die Boulevardredaktionen,<br />
die die freien Produzenten stärker kontrollieren<br />
müssten, wesentlich höher zu schrauben.<br />
Dafür – so die Vorschläge der Autorin – seien<br />
nicht nur Einrichtungen von Kontrollinstanzen<br />
zur selektiven Überprüfung von Filmbeiträgen<br />
sinnvoll. Weil der in Deutschland<br />
freie Berufszugang gerade in diesem <strong>Medien</strong>sektor<br />
zunehmend Journalisten hervorgebracht<br />
habe, die mit unzureichender Ausbildung nicht<br />
über das notwendige Wissen professioneller<br />
und ethischer Standards verfügen, fordert sie,<br />
dass nur fachlich ausgebildete Journalisten diesen<br />
Beruf ausüben dürften. Die Auseinandersetzung<br />
um diese Forderung in Deutschland<br />
hat schon eine lange Geschichte und ihre Umsetzung<br />
ist aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken<br />
höchst problematisch; dies wäre eine<br />
Erwähnung wert gewesen.<br />
Dass die Arbeit als eine Magisterarbeit entstanden<br />
ist, stellt keine Einschränkung dar,<br />
sondern im Gegenteil einen Vorteil, denn die<br />
Sorgfalt, mit der Morgenthaler ihr Vorgehen<br />
dokumentiert, kann beispielhaft und anregend<br />
für ähnliche Arbeiten wirken, <strong>zum</strong>al sie mit ihrer<br />
qualitativen Untersuchungsmethode ein<br />
Vorgehen gewählt hat, das besondere Anforderungen<br />
an Methodensensibilität und Kreativität<br />
stellt. Die Einzelschritte der Untersuchung<br />
und auch die Grenzen, die ihr gestellt<br />
sind, werden einsichtig und nachvollziehbar<br />
dargestellt. Schade nur, dass der Interviewleitfaden<br />
(obwohl im Text auf einen Anhang verwiesen<br />
wurde) in der veröffentlichten Buchfassung<br />
nicht zu finden ist – er hätte diesen Wert<br />
der Transparenz der Untersuchung wesentlich<br />
erhöht. Zur Vollständigkeit hätten Angaben<br />
zur Dauer der Interviews gehört. Auch das<br />
Problem, dass eine verdeckte Befragung gewählt<br />
wurde, die das Forschungsinteresse nicht<br />
erkennen lassen sollte, um unvorbelastete Antworten<br />
der Interviewpartner zu generieren,<br />
hätte anhand des Leifadens besser dokumentiert<br />
und verteidigt werden können – ein Vorgehen,<br />
das im Rahmen einer Arbeit, in der es<br />
um normative Standards geht, durchaus problematisiert<br />
werden kann. Schließlich lassen<br />
sich auch für die Forschungsmethodik ethische<br />
Anforderungen formulieren, die durchaus mit<br />
dem Forschungsinteresse in Konflikt stehen<br />
können.<br />
Insgesamt hat Morgenthaler mit dieser Fallstudie<br />
eine innovative Arbeit vorgelegt, die die<br />
Leistungsfähigkeit operationalisierbarer qualitativer<br />
Methoden zeigt und die Diskussion um<br />
Standards im Journalismus bereichert.<br />
Barbara Thomaß<br />
259
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Zeitschriftenlese<br />
AfP<br />
Jg 32 (2001) Nr 1<br />
von Gerlach, Jürgen: Persönlichkeitsschutz<br />
und öffentliches Informationsinteresse im internationalen<br />
Vergleich. – S. 1 – 8<br />
Der Verfasser setzt aus Anlass zweier Entscheidungen<br />
des Bundesgerichtshofes, in denen es um ein länderübergreifendes<br />
Agieren der Presse ging und in denen<br />
beachtliche Unterschiede in der Handhabung der Persönlichkeitsrechte<br />
zu Tage treten mit den Divergenzen<br />
in der Handhabung der Persönlichkeitsrechte in<br />
Europa und den USA auseinander. Näher betrachtet<br />
wird dabei insbesondere das von der Presse wahrgenommene<br />
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.<br />
Schließlich wird dargelegt, inwieweit in Europa für<br />
den Persönlichkeitsschutz Harmonisierungsbedarf<br />
besteht.<br />
Hoeren, Thomas: AGB-rechtliche Fragen <strong>zum</strong><br />
Wahrnehmungsvertrag der VG Wort. – S. 8 –<br />
13<br />
Osthaus, Wolf: Die Renaissance des Privatrechts<br />
im Cyberspace: Hilft das international<br />
koordinierte Privatrecht gegen Regulierungsdefizite<br />
im Internet?. – S. 13 – 23<br />
„Der Staat stößt bei der Verhaltensregulierung im Internet<br />
mit den Mitteln des öffentlichen Rechts zunehmend<br />
– im wahrsten Sinne des Wortes – an seine<br />
Grenzen. Da die Regulierungsgewalt der einzelnen<br />
Staaten grundsätzlich auf ihr Staatsgebiet beschränkt<br />
ist, das Internet aber einen ‚virtuellen Raum von globaler<br />
Ubiquität‘ darstellt, in dem Staatsgrenzen keine<br />
Rolle mehr spielen, erodiert folgegemäß die Grundlage<br />
des bisherigen Systems staatlicher Regulierung.<br />
Der Beitrag schildert differenziert, wo das Privatrecht<br />
ein alternatives Mittel zur Regulierung im Cyberspace<br />
sein kann und wo auch nicht. Als Resümee wird festgehalten,<br />
das zukünftig die Privatrechtsordnung nicht<br />
allein, aber neben Selbstregulierung und direkter<br />
staatlicher Regulierung im Mix als ein wichtiger<br />
Rechtsbetandteil dazu beitragen wird, den neuen Herausforderungen<br />
wirksam zu begegnen.“<br />
Libertus, Michael: Rechtsschutz gegen die<br />
staatsvertragliche Rundfunkgebührenfestsetzung.<br />
– S. 23 – 28<br />
Der Beitrag setzt sich mit der Frage des möglichen<br />
Rechtsschutzes der öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />
sowie von Rundfunkteilnehmern gegen die staatsvertragliche<br />
Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühren<br />
auseinander. Der Verfasser kommt zu dem<br />
Ergebnis, dass zwar die Anstalten, nicht aber die Teilnehmer<br />
beschwerdebefugt für eine Verfassungsbeschwerde<br />
sind. Unter engen Voraussetzungen könnten<br />
die Teilnehmer in Ausnahmefällen eine Beschwerde<br />
auf die Informationsfreiheit gründen.<br />
Communication Research<br />
Jg 28 (2001) Nr 1<br />
Kellermann, Kathy; Park, Hee Sun: Situational<br />
Urgency and Conversational Retreat: When<br />
Politeness and Efficiency Matter. – S. 3 – 47<br />
Eveland, William P.; Dunwoody, Sharon: User<br />
Control and Structural Isomorphism or Disorientation<br />
and Cognitive Load?: Learning<br />
From the Web Versus Print. – S. 48 – 78<br />
Canary, Daniel J.; Cupach, William R.; Serpe,<br />
Richard T.: A Competence-Based Approach to<br />
Examining Interpersonal Conflict: Test of a<br />
Longitudinal Model. – S. 79 – 104<br />
Walther, Joseph B.; Slovacek, Celeste L.; Tidwell,<br />
Lisa C.: Is a Picture Worth a Thousand<br />
Words?: Photographic Images in Long-Term<br />
and Short-Term Computer-Mediated Communication.<br />
– S. 105 – 134<br />
Es geht um die Frage, ob sich Internetkooperationen<br />
verbessern, wenn sich die Teilnehmer von Angesicht<br />
zu Angesicht kennen, oder verschlechtern. Die Autoren<br />
machen dazu ein Feldexperiment unter Teilnehmern<br />
virtueller internationaler Arbeitsgruppen, die<br />
<strong>zum</strong> Teil erst kurz, <strong>zum</strong> Teil schon lange zusammenarbeiten.<br />
Es stellt sich als Ergebnis heraus, dass es bei<br />
neu zusammen arbeitenden Gruppen Gefühle und soziale<br />
Anziehung auslöst, wenn Fotographien der anderen<br />
Teilnehmer verteilt werden. Bei schon lange zusammen<br />
operierenden Gruppen wird dadurch allerdings<br />
die Beteiligung geringer.<br />
Communication Theory<br />
Jg 11 (2001) Nr 1<br />
Cronen, Vernon E.: Practical Theory, Practical<br />
Art, and the Pragmatic-Systemic Account of<br />
Inquiry. – S. 14 – 35<br />
McComas, Katherine A.: Theory and Practice<br />
of Public Meetings. – S. 36 – 55<br />
Foot, Kirsten A.: Cultural-Historical Activity<br />
Theory as Practice Theory: Illuminating the<br />
Development of a Conflict-Monitoring Network.<br />
– S. 56 – 83<br />
Tracy, Karen; Muller, Heidi: Diagnosing a<br />
School Board’s Interactional Trouble: Theorizing<br />
Problem Formulating. – S. 84 – 104<br />
Pearce, Kimberly A.; Pearce, W. Barnett: The<br />
Public Dialog Consortium’s School-Wide Dialogue<br />
Process: A Communication Approach to<br />
Develop Citizenship Skills and Enhance School<br />
Climate. – S. 105 – 123<br />
260
Zeitschriftenlese<br />
Computer und Recht<br />
Jg 17 (2001) Nr 2<br />
Röhrborn, Jens; Sinhart, Michael: Application<br />
Service Providing: juristische Einordnung und<br />
Vertragsgestaltung. – S. 69 – 77<br />
Lünenbürger, Simone: Rückwirkende Entgeltgenehmigungen<br />
im Telekommunikationsrecht.<br />
– S. 84 – 91<br />
Sester, Peter: Vertragsabschluss bei Internet-<br />
Auktionen. – S. 98-108<br />
Satzger, Helmut: Strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />
von Zugangsvermittlern: Eine Untersuchung<br />
der Verantwortlichkeit für rechtswidrige<br />
Inhalte im Internet vor dem Hintergrund<br />
der neuen E-Commerce-Richtlinie der EG. –<br />
S. 109 – 117<br />
Jg 17 (2001) Nr 3<br />
Schmitt, Hansjörg: „Intangible Goods“ in Online-Kaufverträgen<br />
und der Anwendungsbereich<br />
der CISG. – S. 145-155<br />
Zimmer, Anja; Büchner, Wolfgang: Konvergenz<br />
der Netze – Konvergenz des Rechts?: Das<br />
Nebeneinander von rundfunkstaatsvertraglichen,<br />
telekommunikations- und kartellrechtlichen<br />
Regelungen beim Zugang <strong>zum</strong> Breitbandkabel.<br />
– S. 164 – 174<br />
Bosak, Jan Michael: Urheberrechtliche Zulässigkeit<br />
privaten <strong>Download</strong>ings von Musikdateien.<br />
– S. 176 – 181<br />
Lindhorst, Hermann: Bald Realität – Amtliche<br />
Online-Handelsregister. – S. 198 – 200<br />
Computer und Recht international<br />
Jg 2 (2001) Nr 1<br />
Dreyfuss, Rochelle Cooper: Examining State<br />
Street Bank: Developments in Business Method<br />
Patenting. – S. 1 – 5<br />
Dumortier, Jos; Rinderle, Regina: Umsetzung<br />
der Signaturrichtlinie in den europäischen Mitgliedstaaten.<br />
– S. 5 – 10<br />
Blume, Peter: Data protection issues with respect<br />
to e-commerce. – S. 11 – 17<br />
Cultural studies<br />
Jg 15 (2001) Nr 1<br />
Lloyd, David: Regarding Ireland in a post-colonial<br />
frame. – S. 12 – 32<br />
Wills, Clair: Women, domesticity and the family:<br />
Recent feminist work in Irish cultural studies.<br />
– S. 33 – 57<br />
Graham, Colin: ‘Blame it on Maureen O’Hara’:<br />
Ireland and the trope of authenticity. – S. 58-75<br />
Negra, Diane: Consuming Ireland: Lucky<br />
charms cereal, Irish spring soap and 1-800-<br />
Shamrock. – S. 76 – 97<br />
Kane, Katie: ‘Will come forth in tongues and<br />
fury’: Relocating Irish cultural studies. – S. 98 –<br />
123<br />
Conrad, Kathryn: Queer treasons: homosexuality<br />
and Irish national identity. – S. 124 – 137<br />
Steele, Karen: Biography as promotional discourse:<br />
The case of Maude Gonne. – S. 138 –<br />
160<br />
Hale, Anthony: Nanny/Mammy: Comparing<br />
Lady Gregory and Jessie Fauset. – S. 161 – 172<br />
Backus, Margot Gayle; Doan, James: Riverine<br />
crossings: Gender, identity and the reconstruction<br />
of national mythic narrative in THE CRY-<br />
ING GAME. – S. 173 – 191<br />
European Journal of Communication<br />
Jg 16 (2001) Nr 1<br />
Kepplinger, Mathias; Knirsch, Kerstin: The Relevance<br />
of Weberian Ethics for Contemporary<br />
Journalism. – S. 5 – 23<br />
„Max Weber’s distinction between expedient and value<br />
rationality and an ethic of responsibility and of ultimate<br />
ends is regarded as a theoretical tool to analyse<br />
the relationship between the mass media and politics<br />
in democracies. Weber considers journalists as an example<br />
of the combination of value-based rationality<br />
and adherence to an ethic of ultimate ends. In contrast,<br />
he considers politicians as an example of the combination<br />
of expedient action and ethics of responsibility.<br />
Intending to test one part of Weber’s theory – his assumptions<br />
about journalists – the authors examined<br />
two aspects of journalistic predispositions – general<br />
views on journalistic rules of conduct and specific<br />
judgements on behaviour in concrete situations. In an<br />
experimental design six groups of newspaper editiors<br />
were confronted with different options. Their reactions<br />
indicate that journalists generally and in concrete<br />
situations make value-based decisions when deciding<br />
whether to print a story or not. In contrast, journalists<br />
generally claim to adhere to an ethic of responsibility<br />
261
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
although they base their arguments on an ethic of<br />
ultimate ends in concrete situations. The consequences<br />
of this contradiction are discussed.“<br />
Deacon, David; Monk, Wendy: Quangos and<br />
the ‘Communications Dependent Society’: Part<br />
of the Process or Exceptions to the Rule?. –<br />
S. 25 – 49<br />
de Bens, Els; de Smaele, Hedwig: The Inflow of<br />
American Television Fiction on European<br />
Broadcasting Channels Revisited. – S. 51 – 76<br />
„The results of our programme analysis from 1997, in<br />
which the origin of films and series on 36 public and<br />
commercial channels from six European countries was<br />
traced, confirmed (1) the importance of fiction on European<br />
television, (2) the dominant position of American<br />
fiction and (3) the limited distribution of European<br />
fiction in Europe. This is not self-evident considering<br />
the efforts of the European Union since the end<br />
of the 1980s to counter these tendencies (quota for European<br />
productions, support measures for the audiovisual<br />
industry). Our findings also clearly confirm<br />
the distinction between public and commercial channels,<br />
according to which public channels broadcast a<br />
wider range of national, non-national European and<br />
American fiction. American series cannot touch the<br />
popularity of domestic series, which oust the American<br />
series in prime-time on both public and commercial<br />
channels. The American movie, however, is predominant<br />
also in prime-time. US fiction succeeds in<br />
breaking through all cultural barriers in Europe,<br />
whereas in the distribution of European fiction, language<br />
and cultural proximity continues to play a decisive<br />
role.“<br />
Hourigan, Niamh: New Social Movement<br />
Theory and Minority Language Television<br />
Campaigns. – S. 77 – 100<br />
Human Communication Research<br />
Jg 27 (2001) Nr 1<br />
White, Cindy H.; Burgoon, Judee K.: Adaption<br />
and Communicative Design: Patterns of Interaction<br />
in Truthful and Deceptive Conversations.<br />
– S. 9 – 37<br />
Dillard, James Proce; Peck, Eugenia: Persuasion<br />
and the Structure of Affect: Dual Systems<br />
and Discrete Emotions as Complementary<br />
Models. – S. 38 – 68<br />
Flanagin, Andrew J.; Monge, Peter; Fulk, Janet:<br />
The Value of Formative Investment in Organizational<br />
Federations. – S. 69 – 93<br />
Shrum, L. J.: Processing Strategy Moderates the<br />
Cultivation Effect. – S. 94 – 120<br />
Der Text stellt ein Experiment zur Cultivation Theory<br />
vor. 122 Studenten mussten unter verschiedenen<br />
Bedingungen Verbrechensraten etc. schätzen. Dabei<br />
musste eine Gruppe heuristisch im Sinne von nicht<br />
weiter elaboriert vorgehen, eine zweite wurde zu einem<br />
systematischen Vorgehen und zu einer Begründung<br />
ihrer Vermutungen angehalten, eine Kontrollgruppe<br />
erhielt keine weiteren Anweisungen. Kultivierungseffekte<br />
traten nicht in der systematischen, sondern<br />
nur in den beiden anderen Gruppen auf. Es wird<br />
daraus geschlossen, dass der Cultivation effect vor allem<br />
dann wirksam wird, wenn die Quelle nicht systematisch<br />
berücksichtigt wird.<br />
Mulac, Anthony; Bradac, James J.; Gibbons,<br />
Pamela: Empirical Support for the Gender-as-<br />
Culture Hypothesis: An Intercultural Analysis<br />
of Male/Female Language Differences. – S. 121<br />
– 152<br />
Die Autoren beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit<br />
Unterschiede in der Verwendung von Sprache<br />
zwischen Männern und Frauen als Hinweis darauf<br />
verstanden werden können, dass die Zugehörigkeit zu<br />
einem sozialen Geschlecht ähnlich der Zugehörigkeit<br />
zu einer Kultur ist. Auf der Basis früherer Studien, in<br />
denen sie 16 Unterschiede der Sprachverwendung<br />
identifiziert haben, führen Sie mehrere Detailuntersuchungen<br />
durch. Ihre Ergebnisse stützen ihre Ausgangshypothese.<br />
Flanagin, Andrew J.; Metzger, Miriam J.: Internet<br />
Use in the Contemporary Media Environment.<br />
– S. 153 – 181<br />
Die Autoren fragen danach, wie sich die Nutzung spezifischer<br />
Internet-Funktionen (Information retrieval,<br />
information giving und conversation capabilities) in<br />
die traditionellen <strong>Medien</strong>umgebungen der Menschen<br />
einfügen. Auf der Basis einer Untersuchung von 684<br />
Individuen gelangen sie zu dem Schluss, dass das Internet<br />
als multidimensionale Technologie verstanden<br />
werden muss, die in einer Weise genutzt wird, die ähnlich<br />
ist wie die Nutzung der „alten“ <strong>Medien</strong>.<br />
Kommunikation & Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 2<br />
Zahrt, Michael: Cyberbusiness, Urheber- und<br />
Wettbewerbsrecht: Bestandsaufnahme und<br />
Praxisüberblick. – S. 65 – 74<br />
Schmechel-Gaumé, Adrian: § 31 Abs.4 UrhG<br />
und der Arbeitnehmerurheber – ein Spannungsfeld:<br />
Im Blickpunkt: Ist die Einräumung<br />
von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten<br />
in Arbeitsverhältnissen zulässig?. –<br />
S. 74 – 82<br />
Lütcke, Jens; Bähr, Martina: Outsourcing-Verträge<br />
und Service Level Agreements in der IT-<br />
Branche: Gestaltungsvarianten für die Praxis. –<br />
S. 82 – 87<br />
Koch, Robert: Einbeziehung und Abwehr von<br />
Verkaufs-AGB im b2b-commerce. – S. 87 – 91<br />
Okonek, Andreas: Factory Outlet Center: Eine<br />
neue Chance durch E-Commerce?. – S. 91 – 96<br />
262
Zeitschriftenlese<br />
Lubitz, Markus: Electronic Contracts: A view<br />
across the Channel: The English Perspective. –<br />
S. 96-103<br />
Jg 4 (2001) Nr 3<br />
Habersack, Mathias: Die besondere Missbrauchsaufsicht<br />
gemäß § 32 PostG – Teil I. –<br />
S. 121 – 131<br />
„§ 32 PostG sieht eine sektorspezifische Aufsicht über<br />
das Verhalten marktbeherrschender Postdienstunternehmen<br />
vor. Der vorliegende Teil I des Beitrags führt<br />
zunächst in Regelungshintergrund, Konzeption und<br />
Zielsetzung des PostG ein, stellt sodann die einzelnen<br />
Regulierungsinstrumentarien des PostG dar, um<br />
schließlich den Anwendungsbereich des § 32 PostG<br />
zu bestimmen. Tatbestand und Rechtsfolgen des § 32<br />
PostG sowie einzelne Missbrauchstatbestände sind<br />
Gegenstand von Teil II des Beitrags, der in einem der<br />
nächsten <strong>Heft</strong>e erscheinen wird.“<br />
Schmidt, Kurt: Flatrate für die Internet-Zuführung.<br />
– S. 131 – 139<br />
„Auf dem Gebiet der neuen elektronischen <strong>Medien</strong><br />
hat in den vergangenen zwölf Monaten ein aufstrebender<br />
Geschäftszweig kaum mehr Bekanntheit<br />
erlangt und Aufmerksamkeit angezogen als das Internet.<br />
Bei der Frage, was diese zukunftsweisende<br />
Dienstleistung kostet, stößt man regelmäßig auf den<br />
Begriff des Pauschalpreises bzw. der Flatrate. Von ihm<br />
verspricht man sich wahre Wunderdinge. Zu einer gewissen<br />
Ernüchterung, Versachlichung und fachlichen<br />
Aufklärung soll die nachfolgende Veröffentlichung<br />
dienen. Nach einer allgemeinen Einführung in die<br />
Thematik wird die Flatrate aus preistheoretischer und<br />
kommunikationsrechtlicher Sicht charakterisiert sowie<br />
deren mögliche wirtschaftliche Folgen beschrieben.<br />
Darauf folgend werden die Entstehung, der Hintergrund<br />
und erste Reaktionen auf die Kammerentscheidung<br />
der Regulierungsbehörde geschildert um<br />
die Flatrate-Entscheidung vom 15.11.2000 schließlich<br />
in einen Zusammenhang mit anderen Untersuchungsgegenständen<br />
der Behörde zu stellen, die ebenfalls den<br />
Internetbereich betreffen.“<br />
Nolte, Norbert; Junghanns, Volker: Flatrate<br />
für alle?: Anmerkungen zu RegTP, Beschluss<br />
vom 15.11.2000, K&R 2001, 176 Ls. – S. 139 –<br />
144<br />
„Die Flatrate-Entscheidung der RegTP vom 15.11.<br />
2000 ist allgemein als Schritt in die richtige Richtung<br />
begrüßt worden. Die Einführung einer Wholesale-<br />
Flatrate, mit der Internet-Service-Providern der Einkauf<br />
von Internetzugangsdienstleistungen des marktbeherrschenden<br />
Unternehmens zu nutzungsunabhängigen<br />
Entgelten ermöglicht werden soll, wird<br />
allgemein als Voraussetzung für effektiven Wettbewerb<br />
auf dem Markt der Internet-Zugänge für Endkunden<br />
angesehen. Allerdings hat die RegTP die<br />
Höhe der Flatrate offen gelassen, so dass weiterer<br />
Streit vorprogrammiert sein dürfte. Die Autoren erläutern<br />
nachfolgend die wesentlichen Aussagen der<br />
Flatrate-Entscheidung der RegTP und wagen eine<br />
erste Einschätzung, inwieweit der Weg <strong>zum</strong> ,Internet<br />
für alle’ durch die Entscheidung der RegTP geebnet<br />
worden ist.“<br />
Mass Communication & Society<br />
Jg 4 (2001) Nr 1<br />
Ball-Rokeach, Sandra J.: The Politics of Studying<br />
Media Violence: Reflections 30 Years After<br />
The Violence Commission. – S. 3 – 18<br />
In einem persönlichen Rückblick auf dreißig Jahre<br />
<strong>Medien</strong>gewaltforschung reflektiert die Verfasserin, in<br />
welcher Weise politische Interessen in verschiedenen<br />
Phasen Einfluss auf die betreffende Forschung genommen<br />
haben.<br />
Lin, Carolyn A.: Audience Attributes, Media<br />
Supplementation, and Likely Online Service<br />
Adoption. – S. 19 – 38<br />
„Trotz des erheblichen Wachstumspotenzials für Einnahmen<br />
aus dem Internet, dokumentieren wissenschaftliche<br />
Untersuchungen, dass die Werbeindustrie<br />
hinsichtlich der Frage, wie sie die Konsumenten über<br />
dieses neue Medium erreichen soll, noch sehr unsicher<br />
ist. Auf der Basis einer synoptischen Literaturstudie,<br />
die sich auf Theorien zur Diffusion, Motivation und<br />
zur Verdrängung alter durch neue <strong>Medien</strong> bezieht,<br />
werden potenzielle Prädiktoren für die Akzeptanz<br />
verschiedener Online-Dienstleistungen erkundet.<br />
Kognitive und affektive Gratifikationen erweisen sich<br />
als stärkste Prädiktoren für die Nutzung von Online-<br />
Dienstleistungen. Demgegenüber spielen Personenmerkmale<br />
nur eine mäßige, Merkmale der <strong>Medien</strong>nutzung<br />
und der bisherigen Adoption von technischen<br />
Diensten nur eine sehr geringe Rolle bei der Vorhersage<br />
der Adoption von Online-Dienstleistungen.“<br />
Lauzen, Martha M.; Dozier, David M.; Hicks,<br />
Manda V.: Prime-Time Players and Powerful<br />
Prose: The Role of Women in the 1997-1998<br />
Television Season. – S. 39 – 59<br />
„Mit einem theoretischen Ansatz, der sowohl Markteinflüsse<br />
als auch das wahrgenommene Einflusspotenzial<br />
kreativer <strong>Medien</strong>schaffender berücksichtigt, geht<br />
diese Studie dem Zusammenhang zwischen Frauen<br />
in den Produktionsbetrieben und der Darstellung von<br />
Frauen auf dem Bildschirm nach. Empirische Grundlage<br />
stellen die 64 in den USA erfolgreichsten<br />
Prime-Time-Serien der ersten zwölf Wochen der<br />
Fernsehsaison 1997/98 dar. Konkret gilt die Fragestellung<br />
dem Zusammenhang zwischen der Präsenz von<br />
Frauen als Produzentinnen oder Drehbuchautorinnen<br />
und der Verwendung „machtvoller Sprache“ durch<br />
die weiblichen Charaktere – als Kennzeichen für<br />
machtvolle Sprache wurden Imperative, Unterbrechungen<br />
sowie das erste und das letzte Wort in einem<br />
Gespräch definiert. Die Mitarbeit sowohl von Produzentinnen<br />
als auch von Autorinnen ging den<br />
Ergebnissen zufolge mit einer höheren Zahl weiblicher<br />
Charaktere einher; auch für die Verwendung<br />
machtvoller Sprache zeigte sich ein entsprechender<br />
Zusammenhang.“<br />
Hofstetter, C. Richard; Zuniga, Stephen; Dozier,<br />
David M.: Media Self-Efficacy: Validation<br />
of a New Concept. – S. 61 – 76<br />
„Die Studie bietet Evidenz für die Konstruktvalidität<br />
für Maße zur Bestimmung der Selbst-Wirksamkeit<br />
(self-efficacy) bei der Nutzung von Fernsehen, Zei-<br />
263
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
tungen und interpersonaler Kommunikation zur Information<br />
über Politik. Die Daten basieren auf einer<br />
Befragung unter Studierenden (n=576). Self-efficacy<br />
ist eine Moderator-Variable in der sozialen Lerntheorie,<br />
sie bezieht sich auf die Überzeugung, dass man<br />
Aufgaben bewältigen kann und dass eine erfolgreiche<br />
Ausführung dieser Aufgaben erwünschte Folgen hat.<br />
Die verschiedenen Subskalen eines Messinstruments<br />
wurden mit Merkmalen der <strong>Medien</strong>nutzung, gesuchten<br />
Gratifikationen, intellektueller Stimulation,<br />
Glaubwürdigkeit, politischer Wirksamkeit und Partizipation<br />
korreliert; die Befunde stützen die Konstruktvalidität<br />
des verwendeten Instruments.“<br />
Warren, Ron: Do As I Say, Not As I Do: Video<br />
Stores and Parental Mediation of Children’s<br />
Video Consumption. – S. 77 – 101<br />
„In den letzten vier Jahrzehnten wurde das elterliche<br />
Erziehungsverhalten im Hinblick auf die Fernsehnutzung<br />
von Kindern intensiv untersucht. Vertreter der<br />
Cultural Studies haben dabei dafür plädiert, <strong>Medien</strong>nutzung<br />
als integralen Bestandteil des Familiensystems<br />
zu untersuchen. Ein Verständnis von <strong>Medien</strong>nutzung<br />
als Prozess häuslichen Konsums wirft interessante<br />
Fragen hinsichtlich des potenziellen Einflusses<br />
von <strong>Medien</strong>organisationen auf das elterliche Erziehungsverhalten<br />
auf. In dieser Studie werden zwei<br />
Wege der Zugangsregulierung analysiert, wie sie in<br />
Videotheken zu beobachten sind. Die entsprechenden<br />
Maßnahmen werden als strukturelle Bedingungen für<br />
die inhaltsbezogene Diskussionen zwischen Eltern<br />
und Kindern aufgefasst. Obwohl viele Eltern diese<br />
Vorgaben akzeptieren, zeigen sich erhebliche Unterschiede<br />
nach sozialem Milieu im Hinblick auf das Bewusstsein<br />
von den betreffenden Regeln und auf die<br />
spezifische Art, sich diese anzueignen oder sie abzulehnen.“<br />
Perry, Stephen D.: Commercial Humor Enhancement<br />
of Program Enjoyment: Gender<br />
and Program Appeal As Mitigaiting Factors. –<br />
S. 103 – 116<br />
Media, Culture & Society<br />
Jg 23 (2001) Nr 1<br />
Tettey, Wisdom J.: The media and democratization<br />
in Africa: contributions, constraints<br />
and concerns of the private press. – S. 5 – 31<br />
Sawhney, Harmeet: Dynamics of infrastructure<br />
development: The rule of metaphors, political<br />
will and sunk investment. – S. 33 – 51<br />
van den Bulck, Hilde: Public service television<br />
and national identity as a project of modernity:<br />
the example of Flemish television. – S. 53 – 69<br />
Der Artikel untersucht die Art und Weise wie der flämische<br />
Public Service Fernsehsender versuchte, eine<br />
nationale Identität zu kreieren und zu erhalten, indem<br />
eine uniforme Hochkultur als Vehikel benutzt wurde,<br />
um das Publikum dazu zu „erziehen“, „Bürger“ einer<br />
Gemeinschaft zu sein. Die Hypothese ist, dass die kulturelle<br />
Elite des flämischen Public Service Fernsehens<br />
lange Zeit versuchte, die Bekanntheit und die Entwicklung<br />
flämischer Identität und Kultur zu fördern,<br />
indem eine uniforme flämische Kultur präsentiert<br />
wurde. Dafür wird das Programm dieses Senders von<br />
1953 bis 1960 analysiert.<br />
Cooper, Jon; Harrison, Daniel M.: The social<br />
organization of audio piracy on the Internet. –<br />
S. 71 – 89<br />
Im Artikel wird die Entwicklung einer Audiopiraterie-Subkultur<br />
(MP3) im Internet beschrieben und analysiert<br />
– eine „virtuelle Gemeinschaft“, die die Produktion<br />
populärer Musik revolutioniert. Dabei wird<br />
sowohl die interne soziale Struktur der MP3-Gemeinschaft<br />
betrachtet als auch mögliche Auswirkungen auf<br />
das globale Netzwerk der Musik-Produktion und<br />
-Distribution. Es werden die Rollenstrukturen der<br />
Subkultur untersucht sowie Fragen sozialer Konflikte<br />
und Lösungen.<br />
Kim, Young-han: The broadcasting audience<br />
movement in Korea. – S. 91 – 107<br />
Preston, Paschal; Kerr, Aphra: Digital media,<br />
nation-states and local cultures: the case of<br />
multimedia ‘content’ production. – S. 109 – 131<br />
Der Artikel befasst sich mit der Rolle von Nationalstaat<br />
und kulturellen Faktoren bei der Globalisierung<br />
insbesondere bei Multimediainhalten. Multimedia-<br />
Anwendungen werden als neues Feld der <strong>Medien</strong>industrie<br />
und als neue kulturelle Formen betrachtet, die<br />
potenziell einen neuen öffentlichen Raum zur Aushandlung<br />
kultureller Werte und Formen der Identität<br />
anbieten. Mittels einer Analyse der Situation der IT-<br />
Branche in Irland und der Fallstudie eines multinationalen<br />
Softwareunternehmens, das dazu überging auch<br />
Online-Inhalte weltweit anzubieten, wird gezeigt,<br />
dass erstens eine Homogenisierung der Kulturen aufgrund<br />
einer Globalisierung nicht abzusehen ist. Zweitens<br />
erscheint es auf Grundlage der Analyse angeraten<br />
in der Globalisierungsdiskussion Technologie und Inhalte<br />
gesondert zu betrachten.<br />
Jg 23 (2001) Nr 2<br />
Johnson, Kirk: Media and social change: the<br />
modernizing influences of television in rural<br />
India. – S. 147 – 169<br />
Törrönen, Jukka: Between public good and the<br />
freedom of the consumer: negotiating the space,<br />
orientation and position of US in the reception<br />
of alcohol policy editorials. – S. 171 – 193<br />
Freedman, Des: What use is a public inquiry?:<br />
Labour and the 1977 Annan Committee on the<br />
Future of Broadcasting. – S. 195 – 211<br />
Hampton, Mark: ‘Understanding media’: theories<br />
of the press in Britain, 1850-1914. – S. 213-<br />
231<br />
Hibberd, Matthew: The reform of public service<br />
broadcasting in Italy. – S. 233 – 252<br />
264
Zeitschriftenlese<br />
Media Lex<br />
(2001) Nr 1<br />
Canevascini, Matthieu: „Big Brother“: triomphe<br />
de la liberté ou esclavage moderne?. – S. 5 –<br />
6<br />
Lindenberg, Katrin: Neue Entwicklungen im<br />
schwedischen <strong>Medien</strong>recht. – S. 8 – 9<br />
de Werra, Jacques: Droit d’auteur et Internet:<br />
une question de „business models“?. – S. 10 –<br />
11<br />
Born, Christoph: Wann haften <strong>Medien</strong>schaffende<br />
für die Wiedergabe widerrechtlicher Äußerungen<br />
Dritter?. – S. 13 – 20<br />
Moreillon, Laurent: Nouveaux délits informatiques<br />
sur Internet. – S. 21-26<br />
Zulauf, Rena: Informationsqualität – ausservertragliche<br />
Qualitätsregeln. – S. 27 – 34<br />
Media Perspektiven<br />
(2001) Nr 2<br />
Teletext – das unterschätzte Medium: Ergebnisse<br />
einer quantitativen und qualitativen Nutzerstudie<br />
zu Rezeption und Zukunft von Teletext.<br />
– S. 54 – 64<br />
Die repräsentative Studie der ARD-<strong>Medien</strong>kommission<br />
untersucht das Zukunftspotential von Teletext<br />
(früher Videotext). Nach den Ergebnissen der Untersuchung<br />
werde Teletext auf längere Sicht nicht allein<br />
im analogen Fernsehen einen breiten Markt haben:<br />
Als direkt mit der Programmnutzung verknüpftes Informationsmedium<br />
habe es auch im digitalen Markt<br />
gute Weiterentwicklungschancen. Hierfür spreche<br />
ebenfalls das beim Teletext im Vergleich <strong>zum</strong> Fernsehen<br />
deutlich jüngere Publikum.<br />
Gerhards, Maria; Klingler, Walter: Jugend und<br />
<strong>Medien</strong>: Fernsehen bleibt dominierend: Nutzung<br />
und Bedeutung des Fernsehens für Jugendliche<br />
im Jahr 2000. – S. 65 – 74<br />
Die Autoren analysieren GfK-Daten und gelangen zu<br />
dem Ergebnis, dass für Jugendliche das Fernsehen<br />
auch im Jahr 2000 das wichtigste Medium sei. Im<br />
Durchschnitt verbrächten Zwölf- bis 19-Jährige täglich<br />
knapp zwei Stunden vor dem Bildschirm. Die Studie<br />
vergleicht die Nutzung verschiedener <strong>Medien</strong>, differenziert<br />
das Nutzungsverhalten verschiedener Altersgruppen<br />
innerhalb der jugendlichen Fernsehzuschauer<br />
und betrachtet die am meisten genutzten<br />
Programmkategorien.<br />
Eggert, Susanne: Fernsehen als Informationsmedium<br />
Jugendlicher: Präferenzen und Barrieren:<br />
Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung<br />
bei Zwölf- bis 17-Jährigen. – S. 75 – 83<br />
Der Forschungsbeitrag von Susanne Eggert thematisiert<br />
die familiäre Prägung von Jugendlichen in Bezug<br />
auf deren <strong>Medien</strong>umgang. Beeinflusst von Faktoren<br />
wie Bildung und Sozialstatus der Eltern, Weltbild und<br />
Peer-Group unterscheidet die Autorin zwei Gruppen<br />
von Jugendlichen: Diejenigen, die für die Allgemeinheit<br />
relevante Informationen klar von Einzelpersonen<br />
betreffenden Schicksalen zu unterscheiden vermögen,<br />
und diejenigen, die diese Fähigkeit nicht besitzen.<br />
Diese Kluft müsse Politik, Pädagogik und die <strong>Medien</strong><br />
<strong>zum</strong> Handeln auffordern.<br />
Barthelmes, Jürgen: Funktionen von <strong>Medien</strong><br />
im Prozess des Heranwachsens: Ergebnisse einer<br />
Längsschnittuntersuchung bei 13- bis 20-<br />
Jährigen. – S. 84 – 89<br />
Der Beitrag wertet eine Längsschnittuntersuchung<br />
aus, in deren Mittelpunkt die Frage nach den genutzten<br />
<strong>Medien</strong>inhalten Jugendlicher steht. Aus dieser<br />
Studie gehe hervor, dass ein deutlicher Zusammenhang<br />
zwischen den Lebensthemen der Jugendlichen<br />
und den genutzten Inhalten bestehe. Dieser These zufolge<br />
sei es möglich, die Lieblingsfilme der 13- bis 20-<br />
Jährigen als Schlüssel zur persönlichen Situation der<br />
Befragten zu begreifen. Für Jugendliche seien <strong>Medien</strong>inhalte<br />
ein Vehikel, eigene Probleme zu kommunizieren,<br />
für die Eltern eine Möglichkeit, Zugang zu<br />
den Fragen ihrer Kinder zu finden.<br />
Franzmann, Bodo: Lesezapping und Portionslektüre:<br />
Veränderung des Leseverhaltens, besonders<br />
bei Jugendlichen. – S. 90 – 98<br />
Media psychology<br />
Jg 3 (2001) Nr 1<br />
Sotirovic, Mira: Effects of media use on complexity<br />
and extremity of attitudes toward the<br />
death penalty and prisoners’ rehabilitation. –<br />
S. 1 – 24<br />
Rubin, Alan M.; West, Daniel V.; Mitchell,<br />
Wendy S.: Differences in aggression, attitudes<br />
toward women, and distrust as reflected in popular<br />
music preferences. – S. 25 – 42<br />
Busselle, Rick W.: Television exposure, perceived<br />
realism, and exemplar accessibility in the<br />
social judgment process. – S. 43 – 68<br />
Cupchik, Gerald C.: Aesthetics and emotion in<br />
entertainment media. – S. 69 – 89<br />
Multimedia und Recht, Beilage<br />
Jg 4 (2001) Nr 2<br />
Rhein, Tilman: Das Breitbandkabelnetz der<br />
Zukunft: Der Business Case. – S. 3 – 12<br />
Ausgehend vom derzeitigen Stand des Verkaufsprozesses<br />
der Breitbandkabelnetze werden die Aufgaben<br />
265
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
der Investoren wie die Aufrüstung der Netze, die<br />
Überwindung der Trennung zwischen der Netzebene<br />
3 und der Netzebene 4, die Umkehrung des Transportmodells<br />
bei der Einspeisung von Rundfunkprogrammen,<br />
die Einführung des digitalen Fernsehens<br />
und die Einführung breitbandigen Internetzugangs<br />
beschrieben. Der Verfasser kommt zu dem Schluss,<br />
dass sich der Business-Plan der Regionalgesellschaften<br />
nur rechnen wird, wenn es ihnen gelingt, das komplette<br />
Bündel aus Fernseh-, Internet- und Telefonangeboten<br />
anzubieten, bevor sich das „window of opportunity“<br />
schließt. Als Handicap könnte sich dabei<br />
seiner Ansicht nach die verbleibende Sperrminorität<br />
der Telekom erweisen.<br />
Möschel, Wernhard: Die Öffnung der Breitbandkabelnetze<br />
für den Wettbewerb: Die Sicht<br />
der Monopolkommission. – S. 13 – 19<br />
Der Verfasser legt aus wettbewerbspolitischer Sicht<br />
dar, inwieweit Regulierungsbedarf zur Entwicklung<br />
eines Infrastrukturwettbewerbs zwischen Telefonund<br />
Breitbandkabelnetzen besteht. Die Notwendigkeit<br />
des umfangreichen Ausbaus des Kabels erfordert<br />
nach seiner Einschätzung eine wettbewerbsfördernde<br />
Eigentums- und Marktstruktur, damit Infrastrukturwettbewerb<br />
ermöglicht wird.<br />
Schütz, Raimund: Nutzung von Breitbandkabelnetzen<br />
im Spannungsfeld von Netzbetreiberfreiheit,<br />
offenem Netzzugang und hoheitlicher<br />
Kabelallokation. – S. 20 – 27<br />
„Der derzeitige kommunikationsrechtliche Ordnungsrahmen<br />
für die Breitbandkommunikation ordnet<br />
nicht, sondern schafft Rechtsunsicherheit. [...] Der<br />
Beitrag unternimmt mit sechs Thesen den Versuch,<br />
einen Weg durch das Spannungsfeld von Netzbetreiberfreiheit,<br />
offenem Netzzugang und medienrechtlicher<br />
Kabelallokation aufzuzeigen.“<br />
Wagner, Christoph: Wettbewerb in der Kabelkommunikation<br />
zwischen Transport- und Vermarktungsmodell.<br />
– S. 28 – 33<br />
Für die Gewährleistung von Netzzugang und chancengleicher<br />
Kapazitätsverteilung ist neben dem „Ob“<br />
auch das „Wie“ des Zugangs entscheidend. Der Verfasser<br />
stellt die möglichen Vertragsbedingungen und<br />
Vermarktungsmodelle vor und prüft sie insbesondere<br />
im Hinblick auf die Entgelte auf ihre rechtliche Zulässigkeit.<br />
Hillig, Hans-Peter: Urheberrechtliche Fragen<br />
des Netzzugangs in der Kabelkommunikation.<br />
– S. 34 – 40<br />
Der Beitrag untersucht die für die Einspeisung terrestrischer<br />
und satellitengestützter Fernseh- und Hörfunkprogramme<br />
in Kabelnetze erforderlichen Urheber-<br />
und Leistungsschutzrechte und die derzeitigen<br />
vertraglichen Vereinbarungen zwischen Verwertungsgesellschaften<br />
bzw. Sendeunternehmen und Kabelunternehmen.<br />
Die urheberrechtlichen Bedingungen<br />
der Verträge der DTAG mit den Rundfunkveranstaltern<br />
über die Kabeleinspeisung ihrer Satellitenprogramme<br />
stehen nach Auffassung des Verfassers nicht<br />
im Einklang mit dem 4. UrhÄndG.<br />
Multimedia und Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 2<br />
Bröhl, Georg M.: EGG – Gesetz über rechtliche<br />
Rahmenbedingungen des elektronischen<br />
Geschäftsverkehrs: Erläuterungen <strong>zum</strong> Referentenentwurf.<br />
– S. 67 – 71<br />
„Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt,<br />
die EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr<br />
bis <strong>zum</strong> Sommer 2001 in deutsches<br />
Recht umzusetzen. Von besonderer Bedeutung ist dabei<br />
das in der Richtlinie geregelte Herkunftslandprinzip<br />
mit der Folge der gegenseitigen Anerkennung der<br />
Rechtsordnungen in den einzelnen Mitgliedstaaten.<br />
Der konkrete Zeitpunkt für das In-Kraft-Treten des<br />
Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen des<br />
elektronischen Geschäftsverkehrs (EGG) ist noch offen<br />
und hängt vom Verlauf der Beratungen in Bundesrat<br />
und Bundestag ab. Der Beitrag gibt einen<br />
Überblick über die Struktur und wesentliche Regelungen<br />
des zurzeit von der Bundesregierung vorbereiteten<br />
Gesetzentwurfs.“<br />
Bickerstaff, Steve: Telecommunications and<br />
Internet Law: Recent Developments in the<br />
United States. – S. 72 – 80<br />
Der Beitrag beschreibt die jüngsten Entwicklungen<br />
des Telekommunikations- und Internetrechts in den<br />
USA mit Blick auf mögliche internationale Auswirkungen.<br />
Schwerpunkte legt der Verfasser dabei auf<br />
den Fall Microsoft, die Entwicklung der Rundfunkverbreitung<br />
und interaktiver Dienste, den Zugang zu<br />
Kabelnetzen, die Probleme des Digital Divide sowie<br />
die Auswirkungen des Internet auf das Urheberrecht.<br />
Die Regelungen des 1996 Telecommunications Act<br />
und 1998 Digital Millennium Copyright Act belegen<br />
seiner Ansicht nach die Öffnung der elektronischen<br />
Kommunikationsmärkte für den Wettbewerb und für<br />
marktnahe Lösungen von Konflikten.<br />
Koenig, Christian; Kühling, Jürgen: Reformansätze<br />
des deutschen Telekommunikationsrechts<br />
in rechtsvergleichender Perspektive. –<br />
S. 80 – 86<br />
„Die vollständige Liberalisierung der Telekommunikations(TK)-Märkte<br />
vom 1.1.1998 liegt nunmehr drei<br />
Jahre zurück, und immer häufiger wird die Frage nach<br />
Korrekturen am deutschen TK-Recht aufgeworfen.<br />
Zudem hat die EG-Kommission mit ihrem Review<br />
1999 und den folgenden Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen<br />
die Diskussion um die Neugestaltung<br />
des TK-Rechts auch auf nationaler Ebene neu<br />
entfacht. [...] Der Beitrag versucht [...] , einige der diskutierten<br />
Reformansätze in rechtsvergleichender Perspektive<br />
daraufhin zu untersuchen, ob ausländische<br />
Erfahrungen für ihre Verwirklichung sprechen. Ausgangspunkt<br />
sind die institutionellen Reformbedürfnisse.<br />
Aber auch die damit verknüpften materiellrechtlichen<br />
Probleme werden erörtert. Parallel ist stets<br />
der Blick auf die gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen<br />
zu richten, in deren Vorgaben sich das deutsche<br />
TK-Recht einzufügen hat.“<br />
266
Zeitschriftenlese<br />
Krajewski, Markus F.: Werbung über das Handy:<br />
Zur Zulässigkeit kommerzieller SMS-<br />
Nachrichten. – S. 86 – 89<br />
„Der [...] Beitrag beleuchtet die wirtschaftlichen und<br />
rechtlichen Aspekte der Werbung per Short Message<br />
Service (SMS). [...] Bei der Verwendung dieses neuen<br />
Kommunikationsmittels ergeben sich wettbewerbsrechtliche<br />
Fragen, deren Beantwortung aus einem kritischen<br />
Vergleich mit der Rechtslage, die für die Werbung<br />
mit anderen neuen Kommunikationsmitteln<br />
entwickelt worden ist, versucht werden soll. Auch die<br />
EU-Fernabsatzrichtlinie ist in diesem Zusammenhang<br />
zu erwähnen.“<br />
Grünwald, Andreas: Analoger Switch-Off: Auf<br />
dem Weg zur Digitalisierung des terrestrischen<br />
Fernsehens. – S. 89 – 94<br />
„Die Digitalisierung des Fernsehens macht auch vor<br />
seiner terrestrischen Übertragung nicht halt und wird<br />
mittelfristig <strong>zum</strong> sog. analogen Switch-Off führen.<br />
Dies erfordert <strong>zum</strong> einen den vollständigen Austausch<br />
der Endgeräte, <strong>zum</strong> anderen stellen digitale Kompressionsverfahren<br />
die Verwaltung von Rundfunkfrequenzen<br />
vor neue Herausforderungen. Es gilt daher,<br />
die Übergangsphase aktiv auszugestalten und regulatorisch<br />
zu begleiten. Der Beitrag analysiert die hierzu<br />
in der Bundesrepublik jüngst vorgelegten Regelungsvorschläge<br />
und vergleicht sie mit den entsprechenden<br />
US-amerikanischen Konzepten.“<br />
Moritz, Hans-Werner: Vervielfältigungsstück<br />
eines Programms und seine berechtigte Verwendung:<br />
§ 69d UrhG und die neueste BGH-<br />
Rechtsprechung. – S. 94 – 97<br />
Jg 4 (2001) Nr 3<br />
Welzel, Stephan: Zwangsvollstreckung in Internet-Domains.<br />
– S. 131 – 139<br />
Gassner, Ulrich M.: Internet-Handelsplattformen<br />
im Spiegel des Kartellrechts. – S. 140-144<br />
„Eine der wichtigsten Erscheinungsformen des E-<br />
Commerce, die in jüngster Zeit auch in Europa große<br />
wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat, ist der Online-<br />
Handel zwischen Unternehmen (Business to Business,<br />
kurz: B2B) auf virtuellen Marktplätzen. [...] Kartellrechtliche<br />
Probleme entstehen [...] vor allem dann,<br />
wenn die Nachfragen mehrerer Unternehmen gebündelt<br />
werden, die Markttransparenz sich nur für eine<br />
Marktseite erhöht oder bestimmten Unternehmen der<br />
Zugang verweigert wird. Die bisher ergangenen Entscheidungen<br />
der Kartellbehörden zu Internet-Handelsplattformen<br />
fielen – im Ergebnis zu Recht – positiv<br />
aus. Damit ist elektronischen Marktplätzen aber<br />
keine generelle kartellrechtliche Absolution erteilt<br />
worden. Vielmehr müssen auch im B2B-E-Commerce<br />
die traditionellen Grenzen des Kartellrechts beachtet<br />
werden.“<br />
Herwig, Volker: Zugang und Zustellung in<br />
elektronischen <strong>Medien</strong>. – S. 145 – 149<br />
„Die Abgabe elektronischer Willenserklärungen und<br />
hier vor allem ihr Zugang und die Beweisbarkeit dieses<br />
Zugangs durch den Sendenden sind zentrale Fragen<br />
bei Handlungen im Internet. Im Rahmen dieses<br />
Beitrags werden ausgehend von der Rechtsprechung<br />
<strong>zum</strong> Telefax diese Fragen im Hinblick auf privatrechtlich<br />
abgegebene Willenserklärungen und Willenserklärungen<br />
öffentlicher Verwaltungen behandelt.<br />
Dabei wird deutlich, dass sich durch die Rückkopplungsmechanismen<br />
des Internet erstmals Möglichkeiten<br />
des Beweises für den Zugang von Willenserklärungen<br />
in elektronischen <strong>Medien</strong> ergeben. Diese<br />
Möglichkeiten werden vor allem in technischer Hinsicht<br />
dargestellt und bewertet. Hier erweist sich insbesondere<br />
der Einsatz spezieller Programme, die den<br />
Zugang einer E-Mail durch verschlüsselt und digital<br />
signierte Bestätigungsnachrichten dokumentieren, als<br />
geeignet. [...]“<br />
Schmitz, Peter: Inhalt und Gestaltung von Telekommunikationsverträgen.<br />
– S. 150 – 158<br />
Political Communication<br />
Jg 17 (2000) Nr 4<br />
Das <strong>Heft</strong> 4/2000 enthält zahlreiche Aufsätze <strong>zum</strong><br />
Thema sozialer Wandel. Untersucht wird der Einfluss<br />
der <strong>Medien</strong> und der Kommunikation auf gesellschaftliche<br />
Wandlungsprozesse und auf die Selbstbeschreibungen<br />
der in ihr lebenden Menschen.<br />
Bennett, W. Lance: Introduction; Communication<br />
and Civic Engagement in Comparative<br />
Perspective. – S. 307 – 312<br />
Chomsky, Daniel: Advance agent of the Truman<br />
doctrine: the United States, The New<br />
York Times, and the Greek Civil War. – S. 415<br />
– 432<br />
Bloch, Linda-Renée: Setting the public sphere<br />
in motion: the rhetoric of political bumper<br />
stickers in Israel. – S. 433 – 456<br />
Smith, Craig Allen; Smith, Kathy B.: A rhetorical<br />
perspective on the 1997 British Party Manifestos.<br />
– S. 457 – 473<br />
Jg 18 (2001) Nr 1<br />
Sigelman, Lee: The Presentation of Self in Presidential<br />
Life: Onstage and Backstage With<br />
Johnson and Nixon. – S. 1 – 22<br />
„This is a dual case study of the strategic use of presidential<br />
rhetoric, drawing on sociological and socialpsychological<br />
treatments of self-presentation and impression<br />
management. Comparison of the „onstage“<br />
and „backstage“ language of Lyndon Johnson and<br />
Richard Nixon provides an unprecedented opportunity<br />
to analyze presidential impression management<br />
strategies. The primary question posed here is the extent<br />
which the tendency to engage in impression management<br />
is observable in the two presidents’ major<br />
public appearances. The secondary questions are<br />
wether the two presidents pursued different self-presentation<br />
strategies, projecting positive but distinctive<br />
267
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
personas, or converged toward a common presidential<br />
profile and the extent to which their distinctive personalities<br />
came through in their private conversations.<br />
On the three dimensions examined heere, the onstage<br />
Johnson and Nixon projected more „presidential“<br />
personas than their backstage counterparts. Backstage,<br />
their personas differed considerable. Onstage,<br />
they appeared very similar.“<br />
Brown, Clyde; Waltzer, Herbert; Waltzer, Miriam<br />
B.: Daring to Be Heard: Avertorials by<br />
Organized Interests on the Op-Ed Page of The<br />
New York Times, 1985-1998. – S. 23 – 50<br />
Galasinsiki, Dariusz; Skowronek, Katarzyna:<br />
Naming the Nation: A Critical Analysis of Names<br />
in Polish Political Discourse. – S. 51 – 66<br />
Kruse, Corwin R.: The Movement and the Media:<br />
Framing the Debate Over Animal Experimentation.<br />
– S. 67 – 87<br />
Hasian, Marouf: Vernacular Legal Discourse:<br />
Revisiting the Public Acceptance of the „Right<br />
to Privacy“ in the 1960s. – S. 89 – 105<br />
Public Opinion Quarterly<br />
Jg 64 (2000) Nr 3<br />
Chanley, Virginia A.; Rudolph, Thomas J.;<br />
Rahn, Wendy M.: The origins and consequences<br />
of public trust in government: A time analysis.<br />
– S. 239 – 256<br />
Box-Steffensmeier, Janet; Jacobson, Gary C.;<br />
Grant, J. Tobin: Question wording and the<br />
house vote choice: some experimental evidence.<br />
– S. 257 – 270<br />
McCarty, John A.; Shrum, L. J.: The measurement<br />
of personal values in survey research: A<br />
test of alternative rating procedures. – S. 271 –<br />
298<br />
Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
Jg 45 (2001) Nr 2<br />
Renck-Laufke, Martha: Das bayerische <strong>Medien</strong>modell<br />
und Bundesrecht. – S. 89 – 94<br />
Kreile, Johannes; Breistroff, Guy: Filmförderung<br />
in Luxemburg unter steuerlichen, arbeitsrechtlichen<br />
und urheberrechtlichen Gesichtspunkten.<br />
– S. 94 – 104<br />
Renck, Ludwig: Das gesetzliche Drittsendungsrecht<br />
der Bekenntnisgemeinschaften. – S.<br />
104 – 116<br />
Schippan, Martin: Harmonisierung oder Wahrung<br />
der nationalen Kulturhoheit?: Die wundersame<br />
Vermehrung der Schrankenbestimmungen<br />
in Art.5 der „Multimedia-Richtlinie“.<br />
– S. 116 – 128<br />
Nordemann, Axel; Heise, Friedrich Nicolaus:<br />
Urheberrechtlicher Schutz für Designleistungen<br />
in Deutschland und auf europäischer Ebene.<br />
– S. 128 – 146<br />
Mohr, Karin; Scherer, Frank: Business TV:<br />
Moderne Unternehmenskommunikation und<br />
<strong>Medien</strong>recht. – S. 147 – 154<br />
Die Autoren untersuchen in Bezug auf unterschiedliche<br />
Formen des Business-TV (Business TV im originären<br />
Sinne, Infomercials, Kunden-TV, Verlags TV,<br />
Firmen TV, Zielgruppen TV), inwieweit diese rechtlich<br />
als zulassungs- und anmeldefreier <strong>Medien</strong>dienst<br />
oder als zulassungsbedürftiger Rundfunkdienst einzuordnen<br />
sind. Bei den Formen, die sie als Rundfunk<br />
einordnen, gehen sie ferner der Frage nach, ob die<br />
Vorschriften zur Werbung, <strong>zum</strong> Sponsoring und zu<br />
Eigenwerbekanälen anwendbar sind.<br />
Jg 45 (2001) Nr 3<br />
Mestmäcker, Ernst-Joachim: Unternehmenskonzentration<br />
und Urheberrechte in der alten<br />
und „neuen“ Musikwirtschaft. – S. 185 – 194<br />
Ory, Stephan: Rechtspolitische Anmerkungen<br />
<strong>zum</strong> Urhebervertragsrecht. – S. 195 – 199<br />
Sieber, Stefanie; Nöding, Toralf: Die Reform<br />
der elektronischen Unterschrift. – S. 199 – 210<br />
In Umsetzung europäischer Richtlinien (E-Commerce-Richtlinie,<br />
Signatur-Richtlinie) wird das deutsche<br />
Signaturgesetz reformiert und es wird das Gesetz zur<br />
Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an<br />
den modernen Geschäftsverkehr erlassen. Die Autoren<br />
geben einen Überblick über die Gesetzesentwürfe.<br />
Grunert, Eike Wilhelm: Götterdämmerung,<br />
Iphigenie und die amputierte Csárdásfürstin:<br />
Urteile <strong>zum</strong> Urheberrecht des Theaterregisseurs<br />
und die Folgen für die Verwertung seiner<br />
Leistung. – S. 210 – 218<br />
268
Literaturverzeichnis<br />
Literaturverzeichnis<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
21 Kommunikationswissenschaft und -forschung<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
31 Kommunikation<br />
32 Kommunikationspolitik<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
Haushaltsplan 2001/ Hessischer Rundfunk<br />
(Hrsg.). – Frankfurt: HR, 2001. – getr. S.<br />
Jahres- und Geschäftsbericht 99/ Saarländischer<br />
Rundfunk, SR (Hrsg.). – Saarbrücken:<br />
SR, 2001. – 82 S.<br />
Jahresbericht 1999/2000/ Gemeinsame Stelle<br />
Werbung der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten,<br />
ALM (Hrsg.). – Dresden:<br />
ALM, 2001. – 98 S.<br />
Wirtschaftsplan 2001/ Radio Bremen, RB<br />
(Hrsg.). – Bremen: RB, 2001. – getr. S.<br />
21 Kommunikationswissenschaft und -forschung<br />
Eberlein, Klaus D.: Möglichkeiten und Grenzen<br />
der Meinungsforschung: kritische Betrachtungen<br />
zu Geschichte, Methoden und Interpretationsweisen.<br />
– Berlin: Frieling, 2001. – 406 S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
52 Neue Technologien. Multimedia<br />
61 Internationale Kommunikation<br />
62 Europa Kommunikation<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
75 Rundfunk<br />
76 Werbung<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
Giesler, Stephan: dmmv-Gehaltsspiegel 2001:<br />
die Gehaltsstruktur der Internet- und Multimedia-Branche.<br />
– München: Hightext Verlag,<br />
2001. – 42 S.<br />
Gysin, Nicole: Der direkte Draht zur Welt: eine<br />
Untersuchung über Auslandskorrespondentinnen<br />
und -korrespondenten Deutschschweizer<br />
Printmedien. – Bern: Institut für <strong>Medien</strong>wissenschaft,<br />
2000. – 124 S. (Berner Texte zur<br />
<strong>Medien</strong>wissenschaft; 5)<br />
Hickethier, Knut: <strong>Medien</strong>kultur und <strong>Medien</strong>wissenschaft,<br />
das Hamburger Modell: Vorgeschichte,<br />
Entstehung, Konzept. – Hamburg:<br />
Zentrum für <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kultur, 2001.<br />
– 93 S. (Hamburger <strong>Heft</strong>e zur <strong>Medien</strong>kultur; 1)<br />
Informatik und Multimedia: Studieren in<br />
Hamburg. – Hamburg: Freie und Hansestadt<br />
Hamburg; Behörde für Wissenschaft und Forschung,<br />
2000. – 61 S.<br />
online-Journalismus: Perspektiven für Wissenschaft<br />
und Praxis/ Altmeppen, Klaus-Dieter;<br />
Bucher, Hans-Jürgen; Löffelholz, Martin<br />
(Hrsg.). – Opladen: Westdeutscher, 2001. –<br />
374 S.<br />
Straßner, Erich: Journalistische Texte. – Tübingen:<br />
Niemeyer, 2000. – 105 S. (Grundlagen der<br />
<strong>Medien</strong>kommunikation; 10)<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien:<br />
Abschlußbericht des Sonderforschungsbereichs<br />
240 und Arbeits- und Ergebnisbericht<br />
für den fünften Bewilligungsabschnitt<br />
1997 bis 2000 (Kurzfassung). – Siegen:<br />
Universität-GH, 2000. – 303 S. (Arbeitshefte<br />
Bildschirmmedien; 79)<br />
Informationswissenschaft an der Freien Universität<br />
Berlin: ein Fazit über 30 Jahre/ Schuck-<br />
Wersig, Petra (Hrsg.). – Aachen: Shaker, 2000.<br />
– 97 S.<br />
31 Kommunikation<br />
Farrell, Thomas J.: Walter Ong’s contribution<br />
to cultural studies: the phenomenology of the<br />
word and I-Thou communication. – Cresskill:<br />
Hampton Press, 2000. – 309 S.<br />
269
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
Die Anstaltsversammlung der ULR: dritte<br />
Amtszeit 1995-2000. – Kiel: ULR, 2000. –<br />
105 S. (ULR-Schriftenreihe; 15)<br />
Kranen, Marion; Schoor, Irene: Expertise „Interkulturelle<br />
Jugendmedienarbeit in NRW“. –<br />
Düsseldorf: Ministerium für Frauen, Jugend,<br />
Familie und Gesundheit des Landes NRW,<br />
2000. – 112 S.<br />
Meißner, Bettina; Ruhrmann, Georg: Das Ausländerbild<br />
in den Thüringer Tageszeitungen<br />
1995-1999: eine quantitative und qualitative Inhaltsanalyse.<br />
– Jena: Universität Jena, 2000. –<br />
88 S.<br />
Reichert, Steffen: Transformationsprozesse:<br />
der Umbau der LVZ. – Münster: Lit, 2000. –<br />
295 S. (<strong>Medien</strong>wandel in Ostdeutschland; 1)<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
Schmitt-Beck, Rüdiger: Politische Kommunikation<br />
und Wählerverhalten: ein internationaler<br />
Vergleich. – Opladen: Westdeutscher, 2000.<br />
– 448 S.<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
<strong>Medien</strong>, Migration, Integration: elektronische<br />
Massenmedien und die Grenzen kultureller<br />
Identität. – Berlin: Vistas, 2001. – 169 S. (HAM-<br />
Schriftenreihe; 19)<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
Lull, James: Media, communication, culture: a<br />
global approach. – London: Polity Press, 2000.<br />
– 207 S.<br />
Prix Europa: Yearbook 2000. – Berlin: Prix Europa,<br />
2000. – getr. S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
Campbell, Penny; Dries, Josephine; Gilligan,<br />
Rosemarie: The older generation and the European<br />
information society: access to the information<br />
society: final project report. – Düsseldorf:<br />
The European Institute for the media,<br />
1999. – 28 S.<br />
Hillebrand, Annette: Zwischen Rundfunk und<br />
Telekommunikation: Entwicklungsperspektiven<br />
und regulatorische Implikationen von<br />
Webcasting. – Bad Honnef: WIK, 2000. – 75 S.<br />
(Diskussionsbeiträge; 211)<br />
Internationaler Vergleich der TK-Märkte in<br />
ausgewählten Ländern: ein Liberalisierungs-,<br />
Wettbewerbs- und Wachstumsindex. – Bad<br />
Honnef: WIK, 2001. – 62 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
216)<br />
Public communication and the new media/<br />
Losseff-Tillmanns, Gisela; Kops, Manfred<br />
(Hrsg). – Köln: Institut für Rundfunkökonomie,<br />
2000. – 94 S. (Arbeitspapiere des Instituts<br />
für Rundfunkökonomie an der Universität zu<br />
Köln; 131)<br />
Slevin, James: The Internet and society. – Cambridge:<br />
Polity, 2001. – 266 S.<br />
Vogelsang, Ingo: Die räumliche Preisdifferenzierung<br />
im Sprachtelefondienst: wettbewerbsund<br />
regulierungspolitische Implikationen. –<br />
Bad Honnef: WIK, 2001. – 52 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
217)<br />
52 neue Technologien. Multimedia<br />
Bertelsmann Briefe; Management des Wandels.<br />
– Gütersloh: Bertelsmann, 2001. – 75 S. (Bertelsmann<br />
Briefe; 144)<br />
Große Holtforth, Dominik: Öffentlicher<br />
Rundfunk im digitalen Zeitalter. – Köln: Institut<br />
für Rundfunkökonomie, 2000. – 21 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 135)<br />
A guide to digital television. – Stockholm: Swedish<br />
Radio and Television Authority, 2000. –<br />
95 S.<br />
Schössler, Julia: Die Digitalisierung von Fernsehprogrammen:<br />
Perspektiven für private Veranstalter.<br />
– Wiesbaden: DUV, 2001. – 398 S.<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945: Personen,<br />
Positionen, Perspektiven; Festschrift für<br />
Ursula E. Koch/ Behmer, Markus (Hrsg.). –<br />
Münster: Lit, 2000. – 433 S. (Kommunikationsgeschichte;<br />
11)<br />
Sahner, Heinz: Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung:<br />
über Diskrepanzen: Unterschiede<br />
zwischen dem was ist, und dem, was darüber<br />
berichtet wird. – Halle: Institut für Soziologie,<br />
2000. – 20 S. (Der Hallesche Graureiher;<br />
3/2000)<br />
270
Literaturverzeichnis<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
Fichtner, Jörg; Günnel, Traudel; Weber, Sigrid:<br />
Handlungsorientierte <strong>Medien</strong>pädagogik im<br />
Bürgerradio: Forschungsergebnisse eines Modellprojekts<br />
mit ArbeitnehmerInnen und dessen<br />
Implikationen für die medienpädagogische<br />
Diskussion. – München: Kopäd, 2001. – 237 S.<br />
Internet in Entwicklungsländern: Chance oder<br />
Chimäre?. – Hamburg: Deutsches Übersee-Institut,<br />
2000. – getr. S. (Nord-Süd aktuell; 3)<br />
Vollbrecht, Ralf: Einführung in die <strong>Medien</strong>pädagogik.<br />
– Weinheim: Beltz, 2001. – 236 S.<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
BVV-Business-Report 2000/2001: der deutsche<br />
VHS- und DVD-Markt. – Hamburg: Vereinigung<br />
der Video-Programmanbieter Deutschlands,<br />
2001. – 21 S.<br />
Filmförderung in Deutschland und der EU. –<br />
Amsterdam: KPMG, 2001. – 157 S.<br />
Wirtz, Bernd W.: <strong>Medien</strong>- und Internetmanagement.<br />
– Wiesbaden: Gabler, 2001. – 274 S.<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
Aschenbrenner, Andreas: Deregulierungszwang<br />
im Fernsehkabelnetz?: zu den rundfunkrechtlichen<br />
Auswirkungen des Privatisierungsgebots<br />
nach Art. 87 f Abs.2 Satz 1 GG. –<br />
Baden-Baden: Nomos, 2000. – 230 S. (Materialien<br />
zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
38)<br />
Bericht 2000. – Hamburg: Datenschutzbeauftragter,<br />
2001. – 40 S. (Hamburgische Datenschutzrechte)<br />
Fernsehen und neue <strong>Medien</strong> in Europa: Regulierung,<br />
Liberalisierung, Selbstkontrolle. –<br />
München: Jehle Rehm, 2001. – 145 S. (Schriftenreihe<br />
des Instituts für europäisches <strong>Medien</strong>recht;<br />
22)<br />
Gersdorf, Hubertus: Kabeleinspeisung von<br />
Programmbouquets: Zugang digitaler Programmbouquets<br />
des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks <strong>zum</strong> breitbandigen Kommunikationsnetz;<br />
Rechtsgutachten im Auftrag von<br />
ARD und ZDF. – Berlin: Vistas, 2000. – 258 S.<br />
(Vistascript; 15)<br />
Hamburgisches Datenschutzrecht. – Hamburg:<br />
Hamburgischer Datenschutzbeauftragter,<br />
2001. – 110 S. (Hamburgische Datenschutzrechte)<br />
Holznagel, Bernd; Grünwald, Andreas: Meinungsvielfalt<br />
im kommerziellen Fernsehen:<br />
medienspezifische Konzentrationskontrolle in<br />
Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien,<br />
den USA und auf der Ebene von Europarat<br />
und Europäischer Gemeinschaft; Studie im<br />
Auftrag der DLM und der KEK. – Berlin:<br />
Vistas, 2001. – 169 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />
19)<br />
Kops, Manfred: Ist der Markt ein geeignetes<br />
Verfahren zur Bestimmung der Einkommen<br />
von Fußballspielern?. – Köln: Institut für<br />
Rundfunkökonomie, 2000. – 15 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie an<br />
der Universität zu Köln; 140)<br />
Rundfunk und Fernsehen im digitalen Zeitalter:<br />
die Sicherung von <strong>Medien</strong>freiheit und <strong>Medien</strong>vielfalt<br />
im deutschen und europäischen<br />
Recht/ Schwarze, Jürgen; Hesse, Albrecht<br />
(Hrsg.). – Baden-Baden: Nomos, 2001. – 167 S.<br />
(Schriftenreihe Europäisches Recht, Politik<br />
und Wirtschaft; 242)<br />
Treyde, Tanja: Kabelfernsehen in Deutschland<br />
im Licht des Europäischen Gemeinschaftsrechts.<br />
– Osnabrück: Rasch, 2000. – 242 S.<br />
(Schriften <strong>zum</strong> Europäischen und Internationalen<br />
Recht; 6)<br />
Wegmann, Winfried: Regulierte Marktöffnung<br />
in der Telekommunikation: die Steuerungsinstrumente<br />
des Telekommunikationsgesetzes<br />
(TKG) im Lichte „regulierter Selbstregulierung“.<br />
– Baden-Baden: Nomos, 2001. – 417 S.<br />
(Law and economics of international telecommunications;<br />
45)<br />
75 Rundfunk<br />
Hoff, Dieter: Aktuelle und zukünftige rundfunktechnische<br />
Entwicklungen. – Köln: Institut<br />
für Rundfunkökonomie, 2000. – 8 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 141)<br />
Information, Emotion, Sensation: wenn im<br />
Fernsehen die Grenzen zerfließen/ Paus-Haase,<br />
Ingrid; Schnatmeyer, Dorothee; Wegener,<br />
Claudia (Hrsg.). – Bielefeld: GMK, 2000. – 260<br />
S. (Schriften zur <strong>Medien</strong>pädagogik; 30)<br />
Leistungspläne für Fernsehen und Hörfunk<br />
2001. – Frankfurt: HR, 2001. – 18 S., 25 S.<br />
Löcher, Uta; Rosenstein, Doris: Zur Geschichte<br />
der Fernsehserie in der DDR. – Siegen: Universität-GH,<br />
2001. – 93 S. (Arbeitshefte Bildschirmmedien;<br />
78)<br />
271
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Television news research: recent European approaches<br />
and findings/ Renckstorf, Karsten;<br />
McQuail, Denis; Jankowski, Nicholas (Hrsg).<br />
– Berlin: Quintessenz, 2001. – 406 S. (The<br />
Communications; 2)<br />
76 Werbung<br />
Schrape, Klaus; Hürst, Daniel; Braun, Ulrike:<br />
Werbemarkt 2010: wie e-commerce die Werbeindustrie<br />
verändert: eine Langfristprognose zur<br />
Entwicklung der Werbeträger in Deutschland.<br />
– Unterföhring: SevenOne Media, 2000. – 87 S.<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
Perse, Elizabeth M.: Media effects and society.<br />
– Mahwah: Erlbaum, 2001. – 331 S.<br />
Röser, Jutta: Fernsehgewalt im gesellschaftlichen<br />
Kontext: eine cultural studies-Analyse<br />
über <strong>Medien</strong>aneignung in Dominanzverhältnissen.<br />
– Opladen: Westdeutscher, 2000. –<br />
362 S.<br />
Wicks, Robert H.: Understanding audiences:<br />
learning to use the media constructively. –<br />
Mahwah: Erlbaum, 2001. – 241 S.<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
Buckingham, David: After the death of childhood:<br />
growing up in the age of electronic media.<br />
– Cambridge: Polity, 2001. – 245 S.<br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Berger, Arthur Asa: Ads, fads, and consumer<br />
culture: advertising’s impact on American character<br />
and society. – Oxford: Rowan & Littlefield,<br />
2000. – 166 S.<br />
Goss, Brian Michael: „All our Kids get better<br />
jobs tomorrow“: the North American Free<br />
Trade Agreement in „The New York Times“. –<br />
Columbia: AEJMC, 2001. – 45 S. (Journalism<br />
& Communication Monographs; 2001/1)<br />
Helvetisches Stiefkind: schweizerische Außenpolitik<br />
als Gegenstand der <strong>Medien</strong>vermittlung/<br />
Bonfadelli, Heinz; Nyffeler, Bettina; Blum,<br />
Roger (Hrsg). – Zürich: IPMZ, 2000. – 264 S.<br />
(Reihe Diskussionspunkt; 38)<br />
Holman, JoAnne; McGregor, Michael A.:<br />
„Thank you for taking the time to read this“:<br />
public participation via new communication<br />
technologies at the FCC. – Columbia: AEJMC,<br />
2001. – 202 S. (Journalism & Communication<br />
Monographs; 2001/4)<br />
Imholz, Kathleen; Koci, Elina; Rittler, Robert:<br />
The law of broadcasting enterprises in Albania.<br />
– Wien: Institute for Central and Eastern European<br />
Business Law, 2001. – 143 S. (Country reports<br />
on the Law of Broadcasting enterprises)<br />
Radio and television systems in Europe:<br />
2000/2001. – Straßburg: European Audiovisual<br />
Observatory, 2000. – 365 S.<br />
Reuter, Christoph; Seebold, Irmtraud: <strong>Medien</strong><br />
und Meinungsfreiheit in Palästina. – Hamburg:<br />
Deutsches Orient-Institut, 2000. – 155 S.<br />
(Hamburger Beiträge, <strong>Medien</strong> und politische<br />
Kommunikation; 1)<br />
Smit, Hilke: Regulierung und Wettbewerbsentwicklung<br />
auf dem neuseeländischen Postmarkt.<br />
– Bad Honnef: WIK, 2001. – 152 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
212)<br />
272
English Abstracts<br />
Werner A. Meier / Otfried Jarren: Economicisation and commercialisation of the<br />
media and the media system. Introductory observations on a (necessary) debate<br />
(Ökonomisierung und Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>system. Einleitende<br />
Bemerkungen zu einer (notwendigen) Debatte), pp. 145 – 158<br />
Current media developments must be viewed against the background of overall societal<br />
processes. A great deal indicates that the trend towards a commercial society also manifests<br />
itself primarily in central structural features of traditional and new media. The article<br />
sets out to systematically identify the causes, forms and consequences of processes<br />
of economicisation and commercialisation. A ‘commercialisation debate’ has been<br />
launched against the background of deficits in scientific disciplines and media policy.<br />
Whereas journalistic and communication research recognised and discussed the conflictladen<br />
relationship between private-enterprise institutionalisation and the self-contradictory<br />
societal tasks of current, journalistic media at an early stage the economics perspective<br />
concentrates on ways and means of enhancing the allocative and productive efficiency<br />
of media enterprises. The dominance of the systems theory with its focus on<br />
functional differentiation and autopoesis, however, has led to a situation in which the<br />
structural power conflicts between journalism, industry and democracy increasingly<br />
moved out of the focus of theory and research. This observation is in contrast to the actually<br />
emerging effects of commercialisation on the performance potential of journalism<br />
and public communication.<br />
Jürgen Heinrich: Economicisation from an economics perspective (Ökonomisierung<br />
aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive), pp. 159 – 166<br />
From an economics perspective, economicisation is interpreted as the increase in monetary<br />
and egotistical elements in the utility function of economic transactors. The cause<br />
of economicisation is the change in the model of economic and policies and the growing<br />
competition. Economicisation can be observed at the level of the individual, the enterprise,<br />
the market and politics. The main consequence is the increase in the allocative<br />
and productive efficiency of the media industry.<br />
Gabriele Siegert: Economicisation of the media from a systems theory perspective<br />
(Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus systemtheoretischer Perspektive), pp. 167 – 176<br />
From a systems theory perspective an analysis of the economicisation of the media is<br />
based on the systems rationalities ‘publicity’ and ‘money’. Falling back on the differentiation<br />
between operative self- and context-management, an economicisation can be explained<br />
with the special suitability of money as the medium of context management. At<br />
the level of media organisations, the assertive power of the two rationalities can be discussed<br />
through the combination with the theory of rational action. Interactions and conversion<br />
processes between the two systems not only confirm their intensive interrelationships,<br />
but are also a basis for interpenetration. Interpenetration zones are those areas<br />
in which the mutual adaptation to the respectively other operational logic becomes<br />
apparent. They occur at the content level through PR and advertising, in the functional<br />
logic of the online economy, and in the immense development of organisational and cor-<br />
273
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
porate communication. Both an economicisation of the media and a mediatisation of the<br />
economy, therefore, can be confirmed.<br />
Manfred Knoche: Capitalisation of the media industry from a political economy<br />
perspective (Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus politökonomischer Perspektive),<br />
pp. 177 – 194<br />
Formulations of criticism of the political economy of societal communication rank<br />
among the ‘forgotten theories’ in journalistic and communication sciences. However, in<br />
view of the apparent structural change of a media industry that has been ‘unshackled’<br />
through deregulation, privatisation, digitalisation, concentration, globalisation, etc., it<br />
does seem scientifically necessary to analyse the development of the media industry in<br />
the close interrelationship with the equally apparent general development of an ‘unshackled’<br />
capitalism. This article, therefore, shows that the analysis of the development<br />
processes of capitalism, as the indisputably prevalent economic and societal system<br />
worldwide, from a political economy perspective enables an appropriate scientific analysis,<br />
explanation, and, to a certain extent, forecasting of the process of economicisation<br />
and/or commercialisation in the media industry with respect to its causes, forms, effects,<br />
and further development. Further developments of a current analysis and criticism of<br />
capitalism as an historical-materialist analysis of society – based on the Marxian criticism<br />
of the political economy – offer theoretical explanatory approaches for this purpose.<br />
The fundamental long-term characteristics, functional features and ‘laws’ of the<br />
capitalist mode of production and societal formations are analysed in conjunction with<br />
the specific characteristics of the current process of capitalisation in the media industry.<br />
Klaus-Dieter Altmeppen: Economicisation from an organisation sociology perspective.<br />
The contribution of media enterprises to economicisation (Ökonomisierung<br />
aus organisationssoziologischer Perspektive. Der Beitrag der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
zur Ökonomisierung), pp. 195 – 205<br />
The article focuses on an analysis of economicisation at the level of media enterprises.<br />
As organisations, media enterprises are above all characterised by goals and structures,<br />
pursuing publicity-orientated goals alongside the profit principle and subject to the need<br />
to bring both goals into accord. As the goals represent decision-making premises of the<br />
media an economicisation at an organisational level can be confirmed if economic goals<br />
increasingly dominate publicistic decisions. With reference to five theses the article examines<br />
whether the economicisation of the media system can also be confirmed at the<br />
organisational level. The economicisation of decision-making premises and thus of the<br />
strategies of media enterprises, the economicisation of planning and production processes,<br />
and, finally, the economicisation of what is offered are singled out as central themes.<br />
In the final analysis, it is fair to refer to a spiral of economicisation (‘economicisation of<br />
economicisation’). Due to recursive regulation and structuring the media enterprises are<br />
actively fostering economicisation via powerful means.<br />
274
Carsten Winter / Matthias Karmasin: Economicisation from a corporate strategy<br />
perspective. Causes, forms and effects of the global commercialisation of media value<br />
creation processes (Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer Perspektive.<br />
Ursachen, Formen und Folgen der globalen Kommerzialisierung medialer Wertschöpfungsprozesse),<br />
pp. 206 – 217<br />
The article seeks to close a gap between the rather general statements on the role of media<br />
enterprises in communications sciences and the more specific statements in the<br />
frame of business management and management instruction. This makes it necessary to<br />
differentiate between economicisation as a general societal process and commercialisation<br />
as an increasingly global process that is fostered by media enterprises. This differentiation<br />
is introduced by an historical-systematic presentation of economicisation.<br />
The causes for the commercialisation of media communication intensified by corporate<br />
strategy are then outlined as well as the forms they take in the context of media value<br />
creation processes. The article ends with a conclusion that puts the effects of the global<br />
commercialisation of the media culture in the context of economicisation and globalisation<br />
and which describes the newly emerging challenges for communications research.<br />
Lucy Küng: The Internet’s impact on incumbent media firms: a management perspective,<br />
pp. 218 – 226<br />
This article explores the impact of the Internet on incumbent media firms from the perspective<br />
of management theory. It examines how with the arrival of the Internet media<br />
firms have become exposed to a strategically demanding environment characterised by<br />
high levels of uncertainty, not least surrounding the fundamental operating model for<br />
online media. One result has been a shift in organisational priorities within media firms,<br />
specifically in favour of business and commercial issues at the expense of cultural and intellectual<br />
concerns, a development this article terms ‘commercialisation’. The article<br />
finds that this process can be observed at firm and at product level. The article concludes<br />
by suggesting that the emergence of the Internet has served to reinforce commercialisation<br />
processes that were already present in the media industry. It predicts that while the<br />
pace of development in the online field may have slowed, the uncertainties intrinsic to<br />
its strategic context and the challenges associated with its management mean that commercialisation<br />
pressures are likely to persist.<br />
Josef Trappel: Economicisation as viewed by the online media (Ökonomisierung aus<br />
der Sicht der Online-<strong>Medien</strong>), pp. 227 – 236<br />
Online media have become a media genre in their own right, which not only reveals the<br />
classic features of mass media, but extends beyond this characterisation. Multimediality<br />
and direct interaction extend the activity spectrum of online media in comparison with<br />
traditional media. The article turns to the question of which forms of economicisation<br />
and commercialisation can be observed in this new media genre. It begins with a conceptual<br />
differentiation. The analysis of the relevant value creation chain shows that the<br />
operators of online media are forced by the recipient-side diversity of platforms to adapt<br />
their contents. The digitalisation of content enables the production of terminal-dependent<br />
‘versions’, but also encourages the multiple use of contents without enhancing the<br />
publicistic value. The article comes to the conclusion that the manifestations of online<br />
275
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
media observed so far reveal a high level of commercialisation and accelerate the tendency<br />
towards economicisation.<br />
Andrea Grisold: Economicisation of the media industry from an economic policy<br />
perspective (Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus wirtschaftspolitischer Perspektive),<br />
pp. 237 – 248<br />
A look at the economicisation of the media from an economic policy perspective reveals<br />
a relationship between economicisation and economic policy which is complex and contradictory<br />
in its mutual dependence: many economic policy measures accelerate the economicisation<br />
of the media sector; on the other hand, a greater economicisation – which<br />
can also lead to undesirable results from society as a whole on account of the greater<br />
market orientation – in accordance with increased (albeit with a different orientation)<br />
economic policy intervention. This article presents the various economic accesses to economic<br />
policy and their orientation, outlines those economic policy activities which were<br />
or are conducive to economicisation, and concludes with a list of economic policy instruments<br />
which would be desirable and meaningful from an economic perspective as a<br />
countervailing power to the adverse effects of growing economicisation.<br />
276
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es<br />
Dr. Klaus-Dieter Altmeppen, Institut für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft,<br />
TU Ilmenau · Prof. Dr. Heinz Bonfadelli, Institut für Publizistikwissenschaft<br />
und <strong>Medien</strong>forschung der Universität Zürich · Prof. Dr. Ludwig Gramlich, Öffentliches<br />
Recht und öffentliches Wirtschaftsrecht, TU Chemnitz · Dr. Andrea Grisold, Institut<br />
für Volkswirtschaftstheorie und -politik, Wirtschaftsuniversität Wien · Prof. Dr.<br />
Jürgen Heinrich, Institut für Journalistik, Universität Dortmund · Prof. Dr. Christina<br />
Holtz-Bacha, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz ·<br />
Prof. Dr. Otfried Jarren, Institut für Publizistikwissenschaft und <strong>Medien</strong>forschung der<br />
Universität Zürich · Prof. Dr. Dr. Matthias Karmasin, Institut für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft,<br />
Universität Klagenfurt · Prof. Dr. Manfred Knoche, Institut<br />
für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg · Dr. Lucy Küng, mcm Institut<br />
für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsmanagement, Universität St. Gallen · Dr. Werner<br />
A. Meier, Institut für Publizistikwissenschaft und <strong>Medien</strong>forschung der Universität<br />
Zürich · Prof. Dr. Horst Pöttker, Institut für Journalistik, Universität Dortmund<br />
· Dr. Gabriele Siegert, Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg<br />
· Dr. Dieter Stammler, Datenschutzbeauftragter DeutschlandRadio, Köln · PD<br />
Dr. Rudolf Stöber, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, FU<br />
Berlin · Dr. Barbara Thomaß, Arbeitsstelle <strong>Medien</strong> und Politik, Universität Hamburg<br />
· Dr. Josef Trappel, Prognos, <strong>Medien</strong> und Kommunikation, Basel · Carsten Winter,<br />
M.A., Institut für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft, Universität Klagenfurt ·<br />
277
M&K 49. Jahrgang 2/2001<br />
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“<br />
(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft“)<br />
wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />
und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />
und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft.<br />
Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ kommen folgende<br />
Textsorten in Betracht:<br />
• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />
theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />
• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />
medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />
• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines wissenschaftlichen<br />
Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />
Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />
• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />
Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />
eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />
Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />
publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />
die den in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ üblichen inhaltlichen und<br />
formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die wissenschaftliche Diskussion zu<br />
fördern, werden im nächstmöglichen <strong>Heft</strong> publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />
Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />
einer Erwiderung ein.<br />
Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ eingereicht<br />
werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />
nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />
Im Sinne der Förderung des wissenschaftlichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />
sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />
besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />
Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />
sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />
bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />
Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />
für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />
die verwendeten Daten bei wissenschaftlich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />
gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />
Formalien:<br />
• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />
• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />
erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />
der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />
Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />
278
Matzen / Herzog · Chronik der <strong>Medien</strong>entwicklung 2000<br />
• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />
Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />
Beitrags vermittelt.<br />
• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />
• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />
und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />
• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />
(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />
• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />
• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />
a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />
Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />
Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />
b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />
der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />
Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />
die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />
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die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />
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<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft<br />
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ISSN 1615-634X<br />
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Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />
die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2001. Printed in Germany.<br />
Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 <strong>Heft</strong>e jährlich), Jahresabonnement 98,– DM, Jahresabonnement<br />
für Studenten 50,– DM (gegen Nachweis), Einzelheft 29,– DM, jeweils zuzügl. Versandkosten<br />
(inkl. MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich <strong>zum</strong><br />
Jahresende. Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und<br />
Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />
Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />
Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.<br />
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M&K 2001/2 <strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft