Grusswort 16. Ausgabe - Alters- und Pflegeheim Birgli

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B i r g l i - Z i i t i g 1 / 2 0 1 2 A l l t A g s g e s c h i c h t e n A u s d e m B i r g l i Kindheitserinnerung Während meiner Lehr- und Wanderjahre zur Pflegefachfrau traf ich eines Tages Rosa Frohsinn. Sie lebte schon seit ein paar Jahren im Alters- und Pflegeheim. Ihr Zimmer war gemütlich ein- gerichtet. Rosa Frohsinn und ich sind uns sehr schnell näher gekommen. Wir teilten die gleiche Leidenschaft, die Leidenschaft für das Stricken. Ihr Zimmer war über und über mit Wollkörben und diversen begonnen Strickarbeiten vollgestopft. Eines Tages sass Rosa Frohsinn in ihrem Lieblingssessel und hat die Wolle von einem alten Pullover auf zwei Stuhlbeinen aufgerollt und fachfrauisch verknüpft so dass eine wirre Verknotung der Wolle nicht mehr möglich war. Sie löste die Wolle von den beiden Stuhlbeinen und warf sie mit einem Schwung ins Waschbecken, welches mit Wasser und Waschpulver gefüllt war. Ich schaute etwas verwundert und fragte sie, für was das denn gut sei? Rosa Frohsinn meinte: «Ja Meitschi hesch denn du das nu nie gseh…?» Voller Elan begann sie mit den Erklärungen: 18 Alltagsgeschichten «Die Wolle lässt sich reinigen und mit Hilfe des Wassers etwas strecken. Nach dem Trocknen werde ich sie zu Wollknäuel aufrollen und kann sie wieder verarbeiten.» Jetzt wo Rosa Frohsinn mir diese Erklärung abgegeben hat, schleichen sich Bilder aus meiner Kindheit in Gedanken und vor Augen. Ich sehe meine Grossmutter, Mutter wie sie nach der gleichen Art die Wolle zu Wiederverarbeitung vorbereitet haben. Während diesem Praktikumseinsatz habe ich nicht nur meine Kompetenzen als angehende Pflegefachrau erweitert, sondern Einblick in fast Vergessenes, Liebevolles, Vertrautes erhalten. Stundenlang hatte ich meiner Mutter und Grossmutter beim Verarbeiten der Wolle zugeschaut. Auch heute wenn das Stricken und Auflösen eines Pullovers seltener geworden ist, denke ich an die Begegnung mit Rosa Frohsinn zurück.
B i r g l i - Z i i t i g 1 / 2 0 1 2 A l l t A g s g e s c h i c h t e n A u s d e m B i r g l i Alltagsgeschichten Die schnelle Gerti Die schnelle Gerti hat heute Frühdienst auf der Wohngruppe Alpenrose. Ihr erster Morgengruss gilt Violeta Hubacher. Das Lebensmotto von Frau Hubacher lautet «Morgenstund hat Gold im Mund». Sie ist sich gewohnt, wichtige Geschäfte am Morgen zu erledigen und vor den Angestellten im Geschäft zu sein. Jedoch ihre Tätigkeit als Geschäftsfrau liegt Jahre zurück. Frau Hubacher lebt schon Jahre im Altersheim Weitblick. Ihre Gedanken und Gefühle führen sie immer wieder in die vergangenen Jahre mit ihren Erlebnissen zurück. Nun kommt die schnelle Gerti ins Zimmer von Violeta Hubacher. Nanu, das Bett ist leer... Gerti findet Frau Hubacher im Badezimmer. Etwas verloren sitzt sie im Rollstuhl. Gerti hat blitzschnell die Situation erfasst. Sie greift Violeta Hubacher unter die Arme stützt mit der anderen Hand ihr Gesäss und will ihr so auf die Toilette helfen. Violetta Hubacher sitzt da wie der Fels von Gibraltar. Sie bewegt sich keinen Zentimeter. Gerti tritt einen Schritt zurück. Gleichzeitig dreht sich Frau Hubacher mit ihrer vornehmen Art auf die Seite zu Gerti und fragt: «Kann ich ihnen helfen?» Die schnelle Gerti für einmal nicht schnell, kann die Frage nicht beantworten und bricht in Gelächter aus. In diesem Moment bewegt sich Frau Hubacher aus ihrem Rollstuhl zielsicher zur Toilette. Die schnelle Gerti hat heute in kurzer Zeit wieder viel gelernt. Unterschätze nie einen Menschen mit Demenz, gib ihm Zeit für das was er tun möchte und ermögliche ihm immer wieder seine Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Brigitta Venzago, Pflegedienstleitung 19
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