Grusswort 16. Ausgabe - Alters- und Pflegeheim Birgli

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B i r g l i - Z i i t i g 1 / 2 0 1 2 A l l t A g s g e s c h i c h t e n A u s d e m B i r g l i 14 Alltagsgeschichten Der Störenfried Diesen Morgen gab ich mir wirklich Mühe. Immer wieder unterbrach ich die Pflege um nachzusehen, welcher Bewohner wohl nach einer Schwester verlangt. Der Pipser rief fast ununterbrochen, ebenso oft schaute ich nach. Das ist nicht immer so. Ich kann das Geläute grosszügig ausblenden – sehr zum Leidwesen meiner Mitarbeiterinnen. Aber eben, an diesem Morgen war es anders. Wieder unterbrach ich die Pflege bei Emilie. Emilie ist eine ganz besondere Frau. Sie erlebt Zeiten mit einem für sie nicht kontrollierbaren Bewegungsdrang, lebt in einer Welt, von der wir nur Bruchstücke erahnen können. Emilie überrascht mich aber immer wieder mit absolut klaren Antworten, die von einer erstaunlichen momentanen Präsenz zeugen. Heute Morgen jedoch schien Emilie das Geläute und die Unterbrüche unbeeindruckt zu lassen. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, als ich eben den Pipser wieder einmal in die Hosentasche steckte, kam Bewegung in Emilie. Langsam, ganz langsam drehte sie sich zu mir, ihre Augen gross und fragend, ihre Stimme leise aber klar und deutlich. Mich fest anschauend fragte Emilie: «Hesch du jetz Zyyt für mi?» Ursula Roth, Pflege und Betreuung Darf ich bitten Madame… An einem unserer gemeinsamen Anlässe mit Nachtessen war im Vorprogramm Tanz angesagt mit der «Bitschwaldmusik». Die Helferinnen suchen sich einen Tanzpartner oder -partnerin. Ob zu Fuss oder im Rollstuhl, verschiedene freuen sich, sich zu den volkstümlichen Klängen zu bewegen. Wie an jedem Anlass begrüsse ich die Anwesenden. Die einen sitzen am Tisch, andere im Rollstuhl.

B i r g l i - Z i i t i g 1 / 2 0 1 2 A l l t A g s g e s c h i c h t e n A u s d e m B i r g l i Alltagsgeschichten Nun bin ich bei Frau Schumi. Sie sitzt im Rollstuhl, alle Anfragen zum Tanzen lehnte sie ab. Zur Begrüssung gebe ich ihr die Hand. Sie hält diese fest und zieht sich hoch, steht nun auf ihren wackeligen Beinen und beginnt mit mir zu tanzen (wenn sie wüsste wie ungern ich tanze). Welche Überraschung. In ihrem Gesicht strahlt Zufriedenheit und ein kleines Lächeln auf. So gesehen müsste der Titel eigentlich heissen: «darf ich bitten Monsieur». René Rohr, Heimleitung Versuchs mal mit Englisch Frau Moosbrugger war eine sehr liebenswerte, gepflegte alte Dame, die körperlich noch sehr rüstig und beweglich, ja sogar gelenkig war. Auf Grund ihrer rasch fortschreitenden Vergesslichkeit konnte sie ihren Haushalt nicht mehr alleine führen und da sie schon seit etlichen Jahren verwitwet war und ihre Kinder weiter weg wohnten, bezog sie ein gemütliches Zimmer im Birgli, das sie mit eigenen Bildern, Erinnerungsstücken und Hand- arbeiten geschickt zu schmücken wusste. Als es ihr vom Erinnerungsvermögen her noch möglich war, erzählte sie mir einmal von einem 2monatigen Aufenthalt in England, den sie in frühen Jugendjahren von ihren Eltern als Geschenk erhalten hatte. Für die damali- ge Zeit ein recht ungewöhnliches Geschenk, von wahrscheinlich fortschrittlichen und in die Zukunft denkenden Eltern. Sie hatte dort ein bisschen Englisch gelernt, Begrüssungen und Verabschiedungen, «Wie geht’s», konnte nach dem Weg fragen, einfache Fragen beantworten. 15

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Alltagsgeschichten<br />

Der Störenfried<br />

Diesen Morgen gab ich mir wirklich<br />

Mühe. Immer wieder unterbrach ich die<br />

Pflege um nachzusehen, welcher Bewohner<br />

wohl nach einer Schwester verlangt.<br />

Der Pipser rief fast ununterbrochen,<br />

ebenso oft schaute ich nach. Das<br />

ist nicht immer so. Ich kann das Geläute<br />

grosszügig ausblenden – sehr zum<br />

Leidwesen meiner Mitarbeiterinnen.<br />

Aber eben, an diesem Morgen war es<br />

anders. Wieder unterbrach ich die Pflege<br />

bei Emilie.<br />

Emilie ist eine ganz besondere Frau.<br />

Sie erlebt Zeiten mit einem für sie nicht<br />

kontrollierbaren Bewegungsdrang, lebt<br />

in einer Welt, von der wir nur Bruchstücke<br />

erahnen können. Emilie überrascht<br />

mich aber immer wieder mit<br />

absolut klaren Antworten, die von<br />

einer erstaunlichen momentanen Präsenz<br />

zeugen. Heute Morgen jedoch<br />

schien Emilie das Geläute <strong>und</strong> die Unterbrüche<br />

unbeeindruckt zu lassen.<br />

Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, als<br />

ich eben den Pipser wieder einmal in<br />

die Hosentasche steckte, kam Bewegung<br />

in Emilie. Langsam, ganz langsam<br />

drehte sie sich zu mir, ihre Augen<br />

gross <strong>und</strong> fragend, ihre Stimme leise<br />

aber klar <strong>und</strong> deutlich. Mich fest anschauend<br />

fragte Emilie: «Hesch du jetz<br />

Zyyt für mi?»<br />

Ursula Roth, Pflege <strong>und</strong> Betreuung<br />

Darf ich bitten Madame…<br />

An einem unserer gemeinsamen Anlässe<br />

mit Nachtessen war im Vorprogramm<br />

Tanz angesagt mit der «Bitschwaldmusik».<br />

Die Helferinnen suchen<br />

sich einen Tanzpartner oder -partnerin.<br />

Ob zu Fuss oder im Rollstuhl, verschiedene<br />

freuen sich, sich zu den volkstümlichen<br />

Klängen zu bewegen. Wie<br />

an jedem Anlass begrüsse ich die Anwesenden.<br />

Die einen sitzen am Tisch,<br />

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