Seite 1 / 32 - Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution
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Sein Konzept gilt dem konkreten <strong>Handel</strong>n oder Entscheiden in der aktuellen Arbeitssituation auch aus rechtlicher Sicht. Rasmussen (1983) schlug eine Fehlertaxonomie vor,<br />
die sich an Unterschieden zwischen erwartetem <strong>und</strong> aktuellem Verhalten orientiert. Allerdings ist Rasmussens Arbeit nicht für alltägliche Arbeitssysteme, sondern die<br />
Untersuchung komplexer industrieller Abläufe geeignet. Reasons (1990) Fehlerklassifizierung unterscheidet Verhaltens- <strong>und</strong> Kontextebenen. Diese Kontextabhängigkeit wurde<br />
in der Zwischenzeit vielfach untersucht <strong>und</strong> nach Hudson (2003) zur Basis modernen Sicherheitsmanagements. Es ist praktische Ausprägung vorherrschender<br />
Sicherheit im Motorradhandel<br />
Sicherheitskultur (INSAG 1991). Hudson (ebda) unterscheidet fünf Evolutionsstufen in Abbildung 36:<br />
Abbildung 36: Evolutionsstufen der Sicherheitskultur (Käppler et al 2008)<br />
• Negativ: Gründet in der aus heutiger Sicht pathologischen Vorstellung, dass vernünftige Menschen keine Fehler machen, frei nach Palmström: "...weil, so schließt er<br />
messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf" (Morgenstern 1910)<br />
• Reaktiv: Erkennt Sicherheit als Problem <strong>und</strong> agiert nach dem Eintreten von Vorfällen<br />
• Kalkulativ: Ist gekennzeichnet von hierarchischer Kommunikation <strong>und</strong> bürokratischer Verwaltung <strong>und</strong> Analyse großer Datenmengen. Typische Feststellung: "Da konnte<br />
man also nichts machen."<br />
• Proaktiv: Involviert die Arbeitsebene <strong>und</strong> implementiert Präventionsmaßnahmen aufgr<strong>und</strong> von Risiko- oder Gefährdungsanalysen, ohne dass Schäden aufgetreten sind<br />
• Generativ: Versteht Sicherheit als unverzichtbaren Teil des Geschäfts z.B. neben Gewinnmaximierung <strong>und</strong> lebt von aktiver Teilnahme aller auf den Organisationsebenen<br />
Strategie, Management <strong>und</strong> Arbeit in Abbildung 37 (INSAG 1991).<br />
Abbildung 37: Sicherheitskultur <strong>und</strong> Organisation (Käppler et al 2008)<br />
Modernes Sicherheitsmanagement ist proaktiv <strong>und</strong> befördert generative Sicherheitskultur, siehe Abbildung. Auf der Arbeitsebene wird fragend vorsichtig agiert, auf der<br />
Managementebene fallen Entscheidungen in demokratischen Prozessen, neben Qualitätsmanagement <strong>und</strong> Überwachung unterstützen Anreize Reports eigener Fehler. Auf der<br />
Strategieebene setzen Leitbilder Ziele, zu denen beispielsweise die Schonung von Ressourcen gehört.<br />
Senders & Moray (ebda) stellten fest, dass ohne Fehlertheorie <strong>und</strong> Klassifizierung – wie in anderen Bereichen auch – die formale Analyse, Modellierung, Vorhersage <strong>und</strong><br />
Prävention nicht möglich seien. Ohne Klassifizierung könnten Natur <strong>und</strong> Ursprünge der Fehler nicht verstanden werden. Dieses Verstehen basiere auf eindeutiger <strong>und</strong><br />
umfassender Klassifikation der Phänomene, die untersucht werden <strong>und</strong> der Ziele, die verfolgt werden. Viele weitere, an psychologischen Mechanismen orientierte<br />
Klassifikationen von Reason <strong>und</strong> anderen machen klar, dass die Klassifikationen so unterschiedlich sind wie die Systeme, denen sie gelten. Altman (1966), modifiziert <strong>und</strong><br />
zitiert nach Senders & Moray (1991) sowie Senders & Moray (ebda), stellen demzufolge eine Meta-Klassifizierung vor, die lediglich die Klassifizierung selbst einordnet. Sie<br />
unterscheiden vier Ebenen der Komplexität des Verhaltens mit unterschiedlichen Fehlerarten <strong>und</strong> Modi für jede Ebene:<br />
• Phänomenologisch (wie z.B. Unterlassung)<br />
• Hypothetische interne Prozesse (wie z.B. Befangenheit, Überlastung)<br />
• Neuro-psychologische Mechanismen (wie z.B. Aufmerksamkeit, Stress)<br />
• Externe Prozesse (wie z.B. mangelhafte Ausrüstung).<br />
Vorhersage <strong>und</strong> Prävention werden erschwert, weil zwischen Fehlern <strong>und</strong> ihren Ursachen kein kausaler, sondern ein probabilistischer Zusammenhang besteht. Senders &<br />
Moray schlugen deshalb Kausalketten aus Fehlern dieser vier Ebenen vor, die mit gewissen Wahrscheinlichkeiten zu Unfällen führen. So führt in Abbildung 35 - verkürzt<br />
betrachtet - überhöhte Geschwindigkeit zum Unfall, die genaue Analyse zeigt jedoch, dass es Abkommen von der Fahrbahn war.<br />
Diese Betrachtungen zeigen, dass zwar Auftreten <strong>und</strong> Auswirkung von Fehlern vermindert, Fehler aber nicht eliminiert werden können. "Dies sei auch nicht unbedingt<br />
wünschenswert, denn Fehler, die nicht mehr auftreten, werden auch nicht mehr erwartet. Wenn sie auftreten, sind wir schlecht auf den Umgang mit ihnen vorbereitet <strong>und</strong><br />
können kaum Folgen mindern oder ganz verhindern" (Bainbridge 1987). Sie hat dies elegant als Ironien der Automatisierung komplexer technischer Systeme beschrieben:<br />
Schaltwarten von Kernkraftwerken, so ihr Beispiel, werden von kompetenten Experten überwacht. Bekannt ist, dass selbst hoch motivierte Operateure nicht unbegrenzt<br />
aufmerksam sein können. Im seltenen Falle des Ausfalls automatischer Überwachungssysteme müssen aber schnellstmöglich sicherheitsrelevante Entscheidungen <strong>und</strong><br />
Handlungen erfolgen, die gar nicht oder lange nicht geübt werden konnten...<br />
<strong>Berufsgenossenschaft</strong> <strong>Handel</strong> <strong>und</strong> <strong>Warendistribution</strong> www.bghw.de <strong>Seite</strong> 23 / <strong>32</strong>