Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung

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22.04.2014 Aufrufe

Tabelle 179): Es sind KlientInnen der Nachtquartiere deutlich unzufriedener mit ihrer Situation als jene in den anderen Angebotsformen. Am zufriedensten mit ihrer Situation zeigen sich BewohnerInnen aus dem Bereich des SOBEWO, in ähnlichem Maß zufrieden sind aber auch BEWO-KlientInnen. Das Betreute Wohnen in Wohnungen wird diesbezüglich also deutlich am besten von den Übergangswohnformen bewertet, während im allgemeinen ÜWO mit etwa einem Drittel der vergleichsweise größte Teil explizit (eher) nicht zufrieden mit der Situation ist. Deutlich ist der Zusammenhang der Zufriedenheit wieder mit der Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation: Wenn die individuellen Bedürfnisse sehr gut abgeholt werden, zeigen sich zwei Drittel zufrieden, wenn dies nicht der Fall ist, nur 23%. Mit der Beantwortung der vorigen Frage nach der Verbesserung der Lebenssituation durch den Eintritt in die Angebotsform besteht derselbe Zusammenhang (jene mit positiver diesbezüglicher Einschätzung sind zu 65% sehr zufrieden, jene mit (eher) negativer Einschätzung sind zu 22% sehr zufrieden). Bemerkenswert ist aber, dass eben immerhin auch etwa ein Viertel mit der Situation zufrieden ist, obwohl die individuellen Bedürfnisse nicht befriedigend abgedeckt werden. 35 Abbildung 23: Zufriedenheit mit der Situation, nach aktueller Angebotsform NQ 22% 28% 19% 28% 3% ÜWO 42% 26% 22% 10% ÜWOZG/MUKI 51% 38% 4% 4% 2% BEWO 78% 15% 8% SOBEWO 80% 17% 3% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% sehr eher eher nicht gar nicht weiß nicht/keine Angabe Quelle: L&R Datafile ‘WWH KlientInnen Befragung’, 2012, Interviews n=201 Bei beiden Fragen zur wohnbiographischen Bedeutung spielt die Verbleibsdauer in der jeweiligen Angebotsform eine wesentliche Rolle. KlientInnen, die erst seit kurzer Zeit in der jeweiligen Angebotsform wohnen, sehen am seltensten eine Verbesserung ihrer Lebenssituation durch ihren Eintritt gegeben. Dieser Anteil steigt mit längerer Nutzungsdauer an: von 44% bei erst kürzlich eingetretenen KlientInnen (max. 2 Monate) auf etwa 60% bei jenen, die seit höchstens einem Jahr hier wohnen auf bis zu 74% im zweiten Jahr in der Angebotsform. Auch die Zufriedenheit steigt mit zunehmender Verbleibsdauer (siehe Tabelle 176): KlientInnen, die erst unlängst in die aktuelle Angebotsform eingetreten sind, sind mit 19% deutlich seltener mit ihrer Situation sehr zufrieden als jene die bis zu einem Jahr hier wohnen (rund 50%) oder länger (rund 60%). Dieses Ergebnis behält seine Gültigkeit auch dann, wenn nur die Übergangswohnformen ÜWO, ÜWOZG, BEWO betrachtet werden (siehe Tabelle 177). 35 Die aktuelle Belastungssituation und allfällige frühere Betreuungsphasen in der jeweiligen Angebotsform zeigen – wider Erwarten – keinen signifikanten Einfluss auf die Beurteilung einer Verbesserung der Lebenssituation seit Eintritt. 77

Diese mit der Zeit zunehmend positive Einschätzung des Eintritts im Sinn einer Verbesserung der Lebenssituation deutet darauf hin, dass im Lauf der Betreuung längerfristige Prozesse in Gang kommen. Nicht sofort, sondern erst mit etwas zeitlichem Abstand lässt sich dieser biographische Bruch (in ein Übergangswohnhaus zu ziehen, in ein Nachtquartier zu gehen, etc.) als subjektiv positive Entwicklung erfassen. Gleichzeitig stellt sich vor diesem Hintergrund aber die Frage nach dem Charakter der Zufriedenheit mit der aktuellen Situation. Ist es ein pragmatisches Arrangieren mit den augenblicklichen Rahmenbedingungen, eine Zufriedenheit im Sinn von „besser als die Alternativen“, oder ist es ein „Sich-Einrichten“ in der Einrichtung, eine Zufriedenheit im Sinn von „gar nichts anderes (mehr) wollen“ – was etwa im SOBEWO-Bereich zu vermuten ist. Inwieweit die positiven Bewertungen in den anderen Angebotsformen auf ein ‚sich-einrichten‘ verweisen und mit Vorbehalten gegenüber kommenden Brüchen verbunden sind, lässt sich nicht näher eruieren. Wohnzukunft Neben der retrospektiven war auch der prospektive Blick Thema der Interviews. Wie sehen die künftigen Wohnpläne der KlientInnen aus? Die Antwort fällt relativ klar aus: Die weit überwiegende Mehrheit der InterviewpartnerInnen (über 80%) wünscht sich in einer längerfristigen Perspektive wieder ein selbstständiges Wohnen in einer eigenen Wohnung (siehe Abbildung 24). Eine Ausnahme stellt der SOBEWO-Bereich dar, der auf die langfristige Unterbringung der KlientInnen ausgerichtet ist. Hier überwiegt erwartungsgemäß der Wunsch, künftig eher oder sicher keine eigene Wohnung mehr zu bewohnen (70%), wenngleich damit aber auch fast jede/r dritte SOBWO-KlientIn das Bedürfnis einer eigenen Wohnung zum Ausdruck bringt. Sonst dominiert der Wunsch nach einer eigenen Wohnung in der Zukunft. Im direkten Vergleich der Angebotsformen ist im ÜWO der Anteil derer mit einer diesbezüglich skeptischen Einschätzung am größten, denn 14% der ÜWO-BewohnerInnen sehen sich künftig eher oder sicher nicht (mehr) in einer eigenen Wohnung, sondern blicken eher in Richtung SOBEWO oder einer sonstig betreuten Wohnform. Dieser Wunsch nach einer eigenen Wohnung variiert nicht mit dem Alter (wenn SOBEWO- und NQ-Angebote ausgeschlossen werden, siehe Tabelle 182): Ähnlich wie bei den Überlegungen zu einer Housing-First-Alternative (siehe Kapitel 15) besteht auch in den künftigen Wohnvorstellungen der KlientInnen kaum die Option einer externen Unterstützung in der eigenen Wohnung – diese Möglichkeit ist den KlientInnen kaum präsent. Fast jede/r, der/die sich das Leben in einer eigenen Wohnung in Zukunft vorstellt, sieht sich dabei gänzlich autonom und allein was die Haushaltsführung betrifft. Nur 8% planen ein, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, 4% geben an, die eigene Wohnung gemeinsam mit einer anderen Person zu erhalten zu wollen. Dies ist wohl in erster Linie als Spiegel allgemeiner gesellschaftlicher Bilder zu interpretieren: Die allgemeine Vorstellung von Wohnen sieht dies als individuell und autonom zu bewerkstelligende Aufgabe der Gesellschaftsmitglieder vor. 78

Diese mit der Zeit zunehmend positive Einschätzung des Eintritts im Sinn einer Verbesserung<br />

der Lebenssituation deutet darauf hin, dass im Lauf der Betreuung längerfristige Prozesse<br />

in Gang kommen. Nicht sofort, sondern erst mit etwas zeitlichem Abstand lässt sich<br />

dieser biographische Bruch (in ein Übergangswohnhaus zu ziehen, in ein Nachtquartier zu<br />

gehen, etc.) als subjektiv positive Entwicklung erfassen. Gleichzeitig stellt sich vor diesem<br />

Hintergrund aber die Frage nach dem Charakter der Zufriedenheit mit der aktuellen Situation.<br />

Ist es ein pragmatisches Arrangieren mit den augenblicklichen Rahmenbedingungen,<br />

eine Zufriedenheit im Sinn von „besser als die Alternativen“, oder ist es ein „Sich-Einrichten“<br />

in der Einrichtung, eine Zufriedenheit im Sinn von „gar nichts anderes (mehr) wollen“ – was<br />

etwa im SOBEWO-Bereich zu vermuten ist. Inwieweit die positiven Bewertungen in den anderen<br />

Angebotsformen auf ein ‚sich-einrichten‘ verweisen und mit Vorbehalten gegenüber<br />

kommenden Brüchen verbunden sind, lässt sich nicht näher eruieren.<br />

Wohnzukunft<br />

Neben der retrospektiven war auch der prospektive Blick Thema der Interviews. Wie sehen<br />

die künftigen Wohnpläne der KlientInnen aus? Die Antwort fällt relativ klar aus: Die weit<br />

überwiegende Mehrheit der InterviewpartnerInnen (über 80%) wünscht sich in einer längerfristigen<br />

Perspektive wieder ein selbstständiges Wohnen in einer eigenen Wohnung (siehe<br />

Abbildung 24). Eine Ausnahme stellt der SOBEWO-Bereich dar, der auf die langfristige Unterbringung<br />

der KlientInnen ausgerichtet ist. Hier überwiegt erwartungsgemäß der Wunsch,<br />

künftig eher oder sicher keine eigene Wohnung mehr zu bewohnen (70%), wenngleich damit<br />

aber auch fast jede/r dritte SOBWO-KlientIn das Bedürfnis einer eigenen Wohnung zum<br />

Ausdruck bringt. Sonst dominiert der Wunsch nach einer eigenen Wohnung in der Zukunft.<br />

Im direkten Vergleich der Angebotsformen ist im ÜWO der Anteil derer mit einer diesbezüglich<br />

skeptischen Einschätzung am größten, denn 14% der ÜWO-BewohnerInnen sehen sich<br />

künftig eher oder sicher nicht (mehr) in einer eigenen Wohnung, sondern blicken eher in<br />

Richtung SOBEWO oder einer sonstig betreuten Wohnform. Dieser Wunsch nach einer eigenen<br />

Wohnung variiert nicht mit dem Alter (wenn SOBEWO- und NQ-Angebote ausgeschlossen<br />

werden, siehe Tabelle 182):<br />

Ähnlich wie bei den Überlegungen zu einer Housing-First-Alternative (siehe Kapitel 15) besteht<br />

auch in den künftigen Wohnvorstellungen der KlientInnen kaum die Option einer externen<br />

Unterstützung in der eigenen Wohnung – diese Möglichkeit ist den KlientInnen kaum<br />

präsent. Fast jede/r, der/die sich das Leben in einer eigenen Wohnung in Zukunft vorstellt,<br />

sieht sich dabei gänzlich autonom und allein was die Haushaltsführung betrifft. Nur 8% planen<br />

ein, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, 4% geben an, die eigene Wohnung<br />

gemeinsam mit einer anderen Person zu erhalten zu wollen. Dies ist wohl in erster Linie als<br />

Spiegel allgemeiner gesellschaftlicher Bilder zu interpretieren: Die allgemeine Vorstellung<br />

von Wohnen sieht dies als individuell und autonom zu bewerkstelligende Aufgabe der Gesellschaftsmitglieder<br />

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