Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
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7.3.5 Wohnbiographische Bedeutung<br />
Die Betreuung in Angeboten der WWH bzw. der konkreten Angebotsform stellt eine Phase<br />
der Wohnbiographie der KlientInnen dar. Es ist von Interesse, wie diese Phase in der subjektiven<br />
Wahrnehmung der KlientInnen in ihre Wohnbiographie eingebettet ist und welche Bedeutung<br />
dieser Betreuungsphase zugemessen wird. Eine umfassende Einschätzung dieser<br />
Phase würde sich naturgemäß erst retrospektiv ergeben, wenn die ‚Folgen‘ dieser Phase<br />
sichtbar und erlebbar werden und als solche bewertet werden können – etwa wenn durch die<br />
Betreuung durch die WWH die Voraussetzungen für die Erlangung und längerfristige Erhaltung<br />
einer Finalwohnung geschaffen wurden, und/oder wenn eine gesundheitliche Stabilisierung<br />
gelingt, und/oder wenn eine Schuldenregulierung in Wege geleitet wird, etc. Die Zielgruppenbefragung<br />
fokussiert jedoch aus methodischen Gründen auf aktuelle KlientInnen der<br />
WWH und nicht auf ehemalige, weshalb eine retrospektive biographische Beurteilung dieser<br />
gesamten Phase nicht eingeholt werden kann.<br />
Was aktuelle KlientInnen aber zumindest in einer Dimension verorten und beurteilen können,<br />
ist der Moment des Eintritts in die aktuelle Angebotsform in Relation zu ihrer vorherigen Lebenssituation.<br />
Die Frage, ob der Eintritt eine wesentliche Verbesserung der persönlichen<br />
Lebenssituation darstellte, zeigt deutlich unterschiedliche Wahrnehmungen in den Angebotsformen.<br />
Bezüglich der Merkmale Alter und Geschlecht der RespondentInnen bestehen<br />
keine signifikanten Unterschiede. Es ist dabei grundsätzlich im Auge zu behalten, dass die<br />
verschiedenen Angebote der WWH definitionsgemäß mit verschiedenen Ansprüchen verbunden<br />
sind und die KlientInnen in unterschiedlichen Lebenssituationen in die jeweiligen<br />
Angebotsformen eintreten, und die Einschätzungen daher vorsichtig miteinander verglichen<br />
werden sollten. Allgemein festzuhalten ist jedenfalls, dass sämtliche Übergangs- und Dauerwohnformen<br />
stärker als wesentliche Verbesserung der Lebenssituation wahrgenommen<br />
werden als die Schlafmöglichkeit im Nachtquartier (siehe Abbildung 22, Tabelle 170ff).<br />
Von den befragten NächtigerInnen in NQ gibt lediglich ein Drittel an, dass dieser Schlafplatz<br />
eine wesentliche Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation darstellt. Eine etwas<br />
größere Gruppe (39%) sagt hingegen explizit, dass der Eintritt in ein NQ keine Verbesserung<br />
ihrer Situation brachte (17% gar keine, 22% eher keine Verbesserung). Zur Einschätzung<br />
dieser kritischen Bewertung ist aber zu fragen, auf welche vorherige Lebenssituation die allfällige<br />
Verbesserung bei Eintritt bezogen wird beziehungsweise werden kann. Da das NQ für<br />
viele KlientInnen die erste genutzte Angebotsform der WWH darstellt, ist anzunehmen, dass<br />
hier der Vergleich zur unmittelbar zuvor bestehenden (großteils gesicherten, siehe Kapitel<br />
6.2) Wohnsituation gezogen wird – in diesem Fall würde die kritische Beurteilung des NQ<br />
wenig überraschen. Im Falle anderer Übergangswohnformen erfolgt der Vergleich relativ<br />
häufig mit einem vorherigen Nächtigerstatus in einem NQ, sodass der Gewinn an Sicherheit<br />
und Privatsphäre in jeder Form des Übergangswohnens in stärkerem Ausmaß eine Verbesserung<br />
der Lebenssituation gewertet wird. Gleichzeitig deuten die Ergebnisse aber darauf<br />
hin, dass Nachtquartiere in der Praxis nicht nur als die kurzfristige Übernachtungsmöglichkeit,<br />
als die erste Abfederung der Notlage genutzt werden, sondern dass durchaus längere<br />
Aufenthalte in Nachtquartieren anfallen: Von den befragten NQ-KlientInnen sind 40% bereits<br />
länger als zwei Monate in der aktuellen Einrichtung (siehe Kapitel 23.4). 34<br />
34<br />
Eine Sonderauswertung im Rahmen der Längsschnittdatenanalysen kommt ebenfalls zu dem Befund, dass<br />
die Fristen zwischen Eintritt in ein Nachtquartiersangebot und dem Übertritt in ein Angebot des Betreuten<br />
Wohnens doch teilweisere längerer Natur sind (siehe hierzu Kapitel 8.9). Allerdings handelt es sich hierbei, da<br />
die Nachtquartiersdaten mit Lücken behaftet sind, um keine statistisch abgesicherten Ergebnisse.<br />
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