Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
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nen). Dem gegenüber sind die Suchtthematiken Alkohol und Drogen Bestandteil eher der<br />
männlichen Biographien (Betroffenheit 52% der männlichen, 35% der weiblichen Befragten).<br />
In der Folge trifft auch die Teilnahme an Drogenersatztherapien eher auf Männer zu denn<br />
auf Frauen. Nicht-substanzgebundenes Suchtverhalten (Spielsucht, Kaufsucht, Internetsucht,<br />
etc.) spielt mit einer Betroffenheit von insgesamt 12% eine vergleichsweise geringere<br />
Rolle.<br />
In einem nächsten Block sind Faktoren gruppiert, die als soziale Krisen übertitelt werden<br />
können. Rund 40% der KlientInnen blicken auf eine problematische Zeit im Elternhaus zurück:<br />
je etwa ein Drittel trug heftige Konflikte mit den Eltern aus und ein ebenso großer Anteil<br />
hat Gewalterfahrungen gemacht – wiederum besteht dabei eine starke Überschneidung.<br />
Keine Seltenheit ist es auch, über längere Zeit des Lebens keine Bezugsperson(en) gehabt<br />
zu haben, also keine Personen im persönlichen Umfeld, zu der eine stabile und verlässliche<br />
Beziehung aufgebaut und erhalten werden konnte. Die Erfahrung des Fehlens solch unterstützender<br />
Beziehungen gibt gut ein Drittel der Befragten an. 7 In der Partnerschaft haben<br />
insgesamt 44% bereits heftige Krisen vor ihrem Erstkontakt mit der WWH erlebt, Frauen mit<br />
51% häufiger als Männer.<br />
Erfahrungen, die sich unmittelbarer auf die Wohn- und Unterbringungsformen beziehen, sind<br />
in einem vierten Block gruppiert und weisen vergleichsweise geringere Betroffenheiten auf.<br />
Relativ häufig ist die (Wohn-)Biographie der KlientInnen (39%) von vielen Wohnungswechseln<br />
geprägt, gut jede/r Dritte ist aus der eigenen Vergangenheit also zu einem gewissen<br />
Grad daran gewohnt, nicht langfristig an einem Wohnort/in einer Wohnmöglichkeit zu verbleiben.<br />
8 Bezüglich eines Gefängnisaufenthalts zeigt sich die stärkste geschlechtsspezifische<br />
Differenz unter den KlientInnen: insgesamt haben 30% der Befragten eine Zeit im Gefängnis<br />
verbracht, bevor sie im Zuge ihrer Wohnungslosigkeit mit der WWH erstmals in Kontakt traten,<br />
unter den weiblichen waren es jedoch nur 14%, unter den männlichen hingegen 42%.<br />
Auch ohne einer direkt vergleichbaren Zahl für die Gesamtbevölkerung 9 erscheint dieser<br />
Anteil erstaunlich hoch. Heimaufenthalte, also die Unterbringung in institutionellen Wohnformen,<br />
haben insgesamt 18% der KlientInnen erlebt. Das frühe Ausziehen aus dem Elternhaus<br />
– mit weniger als 16 Jahren – wird in der Literatur mitunter als ganz entscheidender Faktor<br />
wohnbiographischer Prägungen angesprochen (Ravenhill, 2008), in dieser Befragung ist der<br />
Anteil der Betroffenheit mit 15% relativ niedrig. Ähnlich hoch ist der Anteil der SchulabbrecherInnen,<br />
verglichen mit den Zahlen des Schulabbruchs für die Gesamtbevölkerung ist dieser<br />
Anteil deutlich erhöht. 10<br />
Insgesamt kann also davon ausgegangen werden, dass die Personengruppe, die in eine<br />
Situation der Wohnungslosigkeit gerät und in Kontakt mit der WWH tritt, auf eine Vergan-<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Bezogen auf den Befragungszeitpunkt gibt etwa jede/r fünfte KlientIn an, keine Bezugsperson(en) zu haben,<br />
vgl. Kapitel 8.4.1<br />
Was die KlientInnen unter „vielen“ Wohnungswechseln verstehen, wurde weder durch die Fragestellung vorgegeben<br />
noch näher erfragt – es geht um die subjektive Wahrnehmung von „vielen Wechseln“. Auch kann<br />
nichts über die näheren Umstände (un/freiwillig, aktiv/passiv, …) gesagt werden.<br />
Gefängnisbezogene Statistiken errechnen in einer Querschnittsperspektive die Zahl der inhaftierten Personen<br />
pro 1.000 EinwohnerInnen oder als Anteil der Sanktion „unbedingte Freiheitsstrafe“ an den Verurteilungen<br />
beispielsweise eines Jahres. Vergleichbare Daten, welche wie hier einer individualbiographischen Perspektive<br />
folgen (zur Beantwortung der Frage: welcher Anteil einer Kohorte war in seinem Leben schon einmal in Haft)<br />
liegen unseren Recherchen zufolge nicht vor.<br />
Die Diskussion über SchulabbrecherInnen wird vorwiegend auf Basis des EU-Indikators des early-schoolleaving<br />
geführt. Dabei wird definitionsgemäß jener Anteil der Gruppe der 18-24-Jährigen ausgewiesen, der<br />
keinen Abschluss einer Sekundarstufe II oder einer Lehre hat bzw. sonst in keiner Ausbildung ist. Dieser liegt<br />
in Österreich derzeit (2010) bei 8,3% (Statistik Austria). Hochgerechnet auf die gesamte Gruppe der 15-64-<br />
Jährigen ergibt sich damit ein Anteil von etwas mehr als 1%.<br />
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