Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung

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22.04.2014 Aufrufe

• Der Wechsel vom Jugendhilfssystem zum System der Erwachsenenhilfe hat derzeit den Charakter einer Bruchstelle, die leider in vielen Fällen seitens der Jugendlichen auch nicht durch solide Beziehungen und Netzwerke kaschiert werden kann. Diese Problematik wurde insbesondere von JUCA erkannt und konstruktiv bearbeitet. Seit Herbst 2008 besteht demzufolge eine Kooperation zwischen der MA 11 und JUCA. Ziel der Kooperation ist die Minderung der Bruchstelle zwischen den beiden Systemen, der Jugendhilfe und der Erwachsenenhilfe. Seitens der in die Untersuchung einbezogenen Fachkräfte und ExpertInnen wird dieser Lösungsansatz allerdings nur als „ein Tropfen auf den heißen Stein“ beschrieben. Ein anderer Lösungsansatz wäre ein Konzept eines Zielgruppenübergangswohnhauses für die Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren, welches somit den Bruch um das 18. Lebensjahr abmildert. Die Suche nach niederschwelligen Alternativen zur Vermeidung von Brüchen im Übergang zum Erwachsenenalter führt unter anderem zu einem Konzept in München, der Jugendpension JuP 57 , des Vereins für betreutes Wohnen, Jugendhilfe, Erziehung und Bildung. Hier wird befristeter Aufenthalt für männliche und weibliche Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren angeboten, die entweder vom Jugendamt vermittelt wurden oder sich selbst gemeldet haben. Neben einer 24-stündigen Betreuung durch SozialpädagogInnen wird unter anderem Krisenintervention, Unterstützung bei Jobbewerbungen und Hilfe im Umgang mit den Behörden angeboten. • Junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren haben derzeit einen Anteil unter den KlientInnen der ÜWOZG-Angebote von rund 35%. Gleichzeitig handelt es sich um ein Zielgruppensegment mit überdurchschnittlich stark ausgeprägten Risikolagen (beziehungsbedingt, herkunftsfamilienbedingt, suchtbedingt, verringerte gesellschaftliche Teilhabe). Diese sehr stark ausgeprägten Risikolagen schlagen sich in Form deutlich reduzierter Maßnahmeneffekte im Bereich des Wohnstatus nach Abgang nieder. Dies findet sich in allen Übergangsangeboten, als problematisch sind diesbezüglich aber vor allem ÜWO- und ÜWOZG-Angebotsformen zu benennen. Das Hauptproblem dürfte sein, dass ein sehr großer Teil dieses Alterssegments noch keinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat (und leider sehr oft auch keinen Platz in der Familie). Identitätskrisen sind daher vorprogrammiert. Von daher ist die Aufgabe der WWH-Einrichtungen eine fast nicht zu bewältigende. Speziell auf diese Belange der Zielgruppe abgestimmte Angebote, wie Beispielsweise JUCA der Caritas, kennen diese Problematik. Beziehungsarbeit dürfte eine der wenigen Schlüssel sein, um diese fast unlösbare Aufgabe zu bewerkstelligen. In weiterer Folge wäre zu fragen, in welcher Form noch besser auf die Belange der jungen Erwachsenen eingegangen werden könnte. Den Befunden dieser Studie zufolge muss davon ausgegangen werden, dass vor allem bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen ohne Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe auch die Erfolge im Zusammenhang mit der lebensräumlichen Integrität nur punktuell bzw. temporärer Natur sein werden. Daher wäre zu überlegen, wie eine begleitende aktivierende Unterstützung zur Eingliederung in das Erwerbsleben auf Basis spezifischer auf die Belange der jungen Erwachsenen abgestimmter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen aussehen müsste. Allerdings – so eine Einschränkung - besteht ExpertInnen zufolge die Gefahr, dass zumindest ein Teil der Zielgruppe durch derartige Angebote überfordert sein könnte. Wichtig wäre somit, diese Angebote bedarfsgerecht und selektiv anzubieten. In einem weiteren Punkt sollte der Stimme vieler ExpertInnen und Fachkräfte der WWH Gehör geschenkt werden. Es ist durchaus zu hinterfragen, ob junge Erwachsene in gemischten Einrichtungen, wie zB. den Angeboten den ÜWO, aber auch den Nachtquartie- 57 siehe http://www.wohnhilfe-muenchen.de/jugendhilfe/die-jugendpension-jup.html 221

en am richtigen Platz sind. Freilich – dies wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht – junge Erwachsene haben i.d.R. einen positiven Einfluss auf das Klima in den Einrichtungen. So wird berichtet, dass „Jung“ und „Alt“ einander durchaus immer wieder Gehör schenken und voneinander lernen können, dass die „Quirligkeit“ der Jungen und die „Resignation“ der Alten einander ausgleichen. Ob dies allerdings für die jungen Erwachsenen an sich ein ideales Betreuungs- und Übergangswohnkonzept darstellt, ist noch einmal eine andere Sache. Die relativ geringen Anteile von Übergängen in Finalwohnungen im Bereich des ÜWO-Segments motivieren jedenfalls zur Suche nach Alternativen für junge wohnungslose Erwachsene. Ein interessanter Ansatz zur Begleitung junger Erwachsener wurde von der Arbeitsgruppe „Junge Wohnungslose“ vorgelegt: Um einer Überforderung in den Punkten Alleinverantwortung, Selbstständigkeit, Langeweile und Finanzierung entgegenzuwirken, wurde das Konzept „ambulante Wohnbetreuung“ entwickelt. Dieses sieht einen Rahmenzeitplan für eine Nachbetreuung von ca. 2 Jahren unter Kooperation mit der MA 11 vor. Ziel ist Stabilisierung und Verselbstständigung des Klienten/der Klientin und Übergang des Mietvertrags mit Betreuungsende an die betreute Person (siehe Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2009/2010, 4). • Aus den im Text beschriebenen Gründen wäre eine Verbesserung der WWH-internen Kommunikation bezüglich Unklarheiten und Ermessensspielräume im Zusammenhang mit Zugangskriterien empfehlenswert: Es ist verständlich, dass die Abfassung eines eindeutigen Regelwerks eine nahezu unlösbare Aufgabe darstellen würde. Die Alternative wäre die Veröffentlichung von Regeln seitens des Fördergebers, soweit dies möglich erscheint. Ergänzend wäre die Abfassung von anonymisierten und standardisierten Fallbeispielen anzudenken. Grundsätzlich wäre auch noch zu überlegen, wie ein effizientes Veröffentlichungsprocedere aussehen müsste, um allen Beteiligten einen aktuellen Zugang zu bieten. • Die Evidenz von wiederholten Teilnahmen an ein- und derselben Angebotsform sowie wiederholten internen Umzügen zu anderen Angebotsformen stellt einen Anlass dar, um über die Verbesserung des fallbezogenen Austausches von Basisdaten zwischen den Angeboten im Sinne eines Übergangsmanagements und einer strukturierten Fallübergabe nachzudenken. Der Hintergrund: Im Bereich der KlientInnenarbeit entsteht derzeit stellenweise der Eindruck, es arbeite jede Organisation für sich. Anamnesen werden i.d.R. im Zuge eines Angebotswechsels wiederholt durchgeführt. In der Folge stellt sich die Frage, ob „das Ritual des wiederholten Herunterbetens des eigenen Scheiterns“ in jedem Fall notwendig ist. Seitens der Forschung soll festgehalten werden, dass ein ausdifferenziertes und von einer Angebotsvielfalt geprägtes System, wie jenes der WWH von einem klientInnengerechten und strukturierten Übergangsmanagement profitieren sollte. Ein Good Practice Ansatz für die Implementation eines Übergangsmanagements wird sich durch eine stufenweise Implementation in Verbindung mit einer Begleitforschung oder einer begleitenden Strukturgruppe auszeichnen. Die zentralen Indikatoren eines Übergangsmanagements sollten sich – so unser Vorschlag - aus jenen Themen speisen, welche im Rahmen der Wirkungsanalysen angeführt wurden (Tätigkeitssituation, Einkommenssituation/Lebenssicherung, finanzielle Situation, soziale Einbettung, gesundheitliche Situation, Teilnahme an Angeboten, Austrittsinformationen). • Im Sinne einer Verankerung von Gender Mainstreaming in der KlientInnenarbeit wäre eine nähere Untersuchung zur versteckten Wohnungslosigkeit von Frauen ratsam, wobei aber eingeschränkt werden muss, dass sich diese Problematik der empirischen Forschung weitestgehend entzieht. Angesetzt werden könnte aber an einem damit im Zu- 222

• Der Wechsel vom Jugendhilfssystem zum System der Erwachsenenhilfe hat derzeit den<br />

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besteht demzufolge eine Kooperation zwischen der MA 11 und JUCA. Ziel der Kooperation<br />

ist die Minderung der Bruchstelle zwischen den beiden Systemen, der Jugendhilfe<br />

und der Erwachsenenhilfe. Seitens der in die Untersuchung einbezogenen Fachkräfte<br />

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Stein“ beschrieben. Ein anderer Lösungsansatz wäre ein Konzept eines Zielgruppenübergangswohnhauses<br />

für die Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren, welches somit den<br />

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zu einem Konzept in München, der Jugendpension JuP 57 , des Vereins für betreutes<br />

Wohnen, Jugendhilfe, Erziehung und Bildung. Hier wird befristeter Aufenthalt für männliche<br />

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Jugendamt vermittelt wurden oder sich selbst gemeldet haben. Neben einer 24-stündigen<br />

Betreuung durch SozialpädagogInnen wird unter anderem Krisenintervention, Unterstützung<br />

bei Jobbewerbungen und Hilfe im Umgang mit den Behörden angeboten.<br />

• Junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren haben derzeit einen Anteil unter<br />

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Diese sehr stark ausgeprägten Risikolagen schlagen sich in Form deutlich reduzierter<br />

Maßnahmeneffekte im Bereich des Wohnstatus nach Abgang nieder. Dies findet<br />

sich in allen Übergangsangeboten, als problematisch sind diesbezüglich aber vor allem<br />

ÜWO- und ÜWOZG-Angebotsformen zu benennen.<br />

Das Hauptproblem dürfte sein, dass ein sehr großer Teil dieses Alterssegments noch<br />

keinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat (und leider sehr oft auch keinen Platz in<br />

der Familie). Identitätskrisen sind daher vorprogrammiert. Von daher ist die Aufgabe der<br />

WWH-Einrichtungen eine fast nicht zu bewältigende. Speziell auf diese Belange der Zielgruppe<br />

abgestimmte Angebote, wie Beispielsweise JUCA der Caritas, kennen diese Problematik.<br />

Beziehungsarbeit dürfte eine der wenigen Schlüssel sein, um diese fast unlösbare<br />

Aufgabe zu bewerkstelligen.<br />

In weiterer Folge wäre zu fragen, in welcher Form noch besser auf die Belange der jungen<br />

Erwachsenen eingegangen werden könnte. Den Befunden dieser Studie zufolge<br />

muss davon ausgegangen werden, dass vor allem bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen<br />

ohne Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe auch die Erfolge im Zusammenhang<br />

mit der lebensräumlichen Integrität nur punktuell bzw. temporärer Natur<br />

sein werden. Daher wäre zu überlegen, wie eine begleitende aktivierende Unterstützung<br />

zur Eingliederung in das Erwerbsleben auf Basis spezifischer auf die Belange der jungen<br />

Erwachsenen abgestimmter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen aussehen müsste. Allerdings<br />

– so eine Einschränkung - besteht ExpertInnen zufolge die Gefahr, dass zumindest<br />

ein Teil der Zielgruppe durch derartige Angebote überfordert sein könnte. Wichtig<br />

wäre somit, diese Angebote bedarfsgerecht und selektiv anzubieten.<br />

In einem weiteren Punkt sollte der Stimme vieler ExpertInnen und Fachkräfte der WWH<br />

Gehör geschenkt werden. Es ist durchaus zu hinterfragen, ob junge Erwachsene in gemischten<br />

Einrichtungen, wie zB. den Angeboten den ÜWO, aber auch den Nachtquartie-<br />

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siehe http://www.wohnhilfe-muenchen.de/jugendhilfe/die-jugendpension-jup.html<br />

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