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Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung

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Hier ist nach Ansicht eines Experten/einer Expertin nicht nur die Inanspruchnahme einer Hilfe<br />

bei Bedarf wenig wahrscheinlich, sondern sogar ein Konzept der nachgehenden Unterstützung<br />

nur bedingt tauglich. Interessanterweise haben sich in solchen Fällen nonverbale,<br />

auf einem Beobachtungssetting basierende Konzepte als eher hilfreich herauskristallisieren<br />

können. Sollte solch ein Ansatz im Rahmen von Housing First zur Anwendung kommen,<br />

müsste auch noch einiges an Entwicklungsarbeit geleistet werden.<br />

Gut gelöst scheint im Ergebnispapier der Perspektivengruppe Housing First die Problematik<br />

des doppelten Mandats der Sozialarbeit, nämlich des Zusammenspiels von Unterstützung<br />

und Kontrolle. Aus diesem Grund ist eine Trennung von Wohnungsverwaltung und persönlicher<br />

Hilfe angedacht. Wohnen soll somit „so normal wie möglich mit den dafür notwendigen<br />

persönlichen Hilfen“ (S. 5) gesichert werden.<br />

Das Betreuungskonzept stellt sicherlich einen der zentralen Bestandteile des Housing First<br />

dar. Dies wird sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch hinsichtlich der Betreuung als flexibel<br />

und maßgeschneidert bzw. an den persönlichen Bedarfen orientiert charakterisiert. Als besonders<br />

reizvoll erscheint der Gedanke, dass die Betreuung auch vor Übergängen nicht Halt<br />

macht und so beispielsweise auch nach einem Wohnungsverlust weitergeführt werden kann.<br />

Das Betreuungsangebot soll durch ein multiprofessionelles Team im Rahmen einer sozialarbeiterischen<br />

Fallführung bereitgestellt werden und soll auch unterschiedlichen Charakter<br />

haben, welcher von „Hilfen, die bei Bedarf in Anspruch“ genommen werden können bis zu<br />

„nachgehender Unterstützung“ im Falle von psychosozialen Krisen, Beschwerden im Wohnumfeld<br />

oder drohendem Wohnungsverlust.<br />

Das zweite Standbein des Housing First ist die Frage der Akquise von leistbarem und dauerhaft<br />

zur Verfügung stehendem dezentralen Wohnraum. Dies findet auch im Ergebnispapier<br />

der Perspektivengruppe seine Erwähnung, wenn gleich auch hierzu noch wenig ausformuliert<br />

wurde. Es findet sich lediglich die Erkenntnis, dass „eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />

betreuenden Einrichtungen und der Immobilienwirtschaft unumgänglich“ (Hammer et<br />

al. 2012, 6) sein wird. Interessanterweise sehen auch die im Rahmen der Studie befragten<br />

ExpertInnen im Bereich Akquise von Wohnraum noch relativ hohen Klärungsbedarf. Vielerseits<br />

wurde die Erfahrung gemacht, dass nicht zuletzt durch den Rückzug öffentlicher<br />

Wohnbauträger der Sektor der Gemeindewohnungen mehr und mehr unter Druck gerät. Der<br />

hierdurch bedingte Engpass wird noch mehr zum Problem, als bei einem Teil der Klientel<br />

aufgrund von Mietschulden diese Option gar nicht zur Anwendung kommen kann. Insgesamt<br />

ist somit die Frage der Akquise von Wohnraum ein wichtiger Bestandteil des Housing First –<br />

Ansatzes. Ohne Partnerschaften mit dem privaten Wohnungsmarkt und die Einbeziehung<br />

der Genossenschaften dürfte das Unterfangen nur von geringem Erfolg sein.<br />

Bemerkenswert ist, dass mit dem Housing First – Ansatz das Schnittstellenmanagement<br />

breiten Raum erhält (siehe Ergebnispapier der Perspektivengruppe Housing First S. 9). Dies<br />

erscheint uns deshalb wesentlich, als die Themen Schnittstellen und Übergänge derzeit im<br />

System der WWH zwar innerhalb der Einrichtungen stark diskutiert und als wichtig erachtet<br />

werden, ein einrichtungsübergreifendes Konzept oder Procedere jedoch nicht gefunden werden<br />

konnte. Im Perspektivenpapier werden Schnittstellen zu medizinischen, psychiatrischen<br />

und pflegerischen Diensten, zur Delogierungsprävention, zum Bereich „Leistbares Wohnen“<br />

(Kooperationen Wohnungswirtschaft, MA 50, MA 40), zum Förderwesen der WWH und zum<br />

Bereich „(miet)rechtlicher Rahmen“ genannt.<br />

Unter diesen Voraussetzungen ist Housing First als ein Konzept zu betrachten, das auf zwei<br />

Ebenen eines Perspektivenwechsels bzw. einer radikalen Neuorientierung bedarf: Zum einen<br />

ist es das Betreuungskonzept mit seiner Alternative zum „treatment first“ – Ansatz, welches<br />

neu auszurichten ist, zum anderen ist es die Schnittstellenfrage, die völlig neu gelöst<br />

werden muss und einen wesentlichen Faktor des Gelingens darstellen wird.<br />

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