Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
gleichheitsdebatte als bereits längst überholt anzusehen ist. Anstelle dessen wäre zu fragen, welche Maßnahmen einen Beitrag leisten zur Gleichstellung der AntragstellerInnen könnten. Es empfiehlt sich jedenfalls im Sinne einer Verankerung von Gender Mainstreaming in der KlientInnenarbeit eine nähere Untersuchung dieses Problemfeldes (d.h. der Problemfeldannahme, dass Frauen während längerer Wartezeiten wieder abspringen und in prekäre Lagen zurückgehen, durchaus auch mit dem Risiko der fortschreitender psychischer Destabilisierung). Hierzu wäre es notwendig, über einen gewissen Zeitraum alle Erstkontakte aufzuzeichnen und mit der Struktur der Anamnesegespräche abzugleichen. Anderen Beobachtungen zufolge gibt es Härtefälle, bei denen Unklarheiten bestehen: Ein Beispiel: Eine schwangere Frau im 5. Monat wird beim Erstkontakt davon in Kenntnis gesetzt, dass sie 12 Wochen Wartezeit hat. Hierzu gab es zwei ähnliche (nicht aktuelle) Fälle, die Beschwerde liegt dem FSW vor. Genauere Informationen konnten nicht recherchiert werden, allerdings wäre zu vermuten, dass diese Fälle unter anderem auch mit den Zugangskriterien, wie Beginn des Mutterschutzes, in Verbindung stehen. Die Dominanz der Männer in gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen Seitens der für den Themenbereich „Frauen und Wohnungslosigkeit“ sensibilisierten Fachkräfte wurde mehrfach beobachtet, dass es nicht immer gegeben ist, dass Frauen in gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen zu „ihren Rechten“ kommen. Zu diesen Einrichtungen zählen etwa Angebote aus dem Bereich des Übergangswohnens und der Tageszentren (Gruft, JOSI, Ganslwirt). Diesen Ausführungen zufolge ist darauf Bedacht zu nehmen, ob Frauen in gemischtgeschlechtlichen Wohnangeboten gleichermaßen die Möglichkeit haben, öffentliche Räume zu nutzen und bestmöglich in der Entfaltung der Fähigkeiten gefördert werden. So war wieder zu beobachten, dass öffentliche Räume in gemischtgeschlechtlichen Häusern, wie Kantinen oder Aufenthaltsräume zum großen Teil von männlichen KlientInnen in Anspruch genommen werden. Frauen stehen somit vor gewissen Barrieren. Dies wird zum Teil auch dadurch zu begründen sein, dass der Frauenanteil in vielen gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen Größenwerte von einem Viertel bis einem Drittel nicht überschreitet. Frauen sind somit rein von der Verteilungsstruktur in der Minderheit. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen als Verursacher von Gewalt Männer auftreten. In der Folge ziehen sich Frauen eher in die eigenen Zimmer zurück und beanspruchen den ihnen zugedachten öffentlichen Raum weniger, schließen sich aber somit auch aus sozialen Netzwerken aus. Eine mögliche Problemlösung wäre die Öffnung der Gemeinschaftsräume zu bestimmten Tageszeiten nur für weibliche KlientInnen. Erfahrungen mit diesem Vorgehen waren aber eher negativer Art, da seitens der männlichen KlientInnen lautstarke Proteste die Folge waren. Alternativ bliebe zu überlegen, ob Wohnangebote mit eigenen Bereichen, die für Frauen reserviert sind, ausgestattet werden. In diesen eigenen Bereichen sollten dann die Gemeinschaftsräume spezifisch den Frauen zur Verfügung stehen. 193
15 Housing First – eine Alternative zum Wiener Stufenplan? Das Wiener Modell des Stufenplans kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine langjährige Tradition zurückblicken. Das Ergebnis dieses Ansatzes ist ein ausdifferenziertes Angebotsspektrum mit den Kernbestandteilen Nachtquartier, Übergangswohnen, Betreutes Wohnen in Wohnungen und Sozial Betreutes Wohnen. Letzteres Angebot für Obdachlose stellt einen wichtigen methodischen Baustein des Wiener Stufenplans dar. Zusätzliche betreuende Einrichtungen bilden einen weiteren Schwerpunkt. Die Tageszentren für Obdachlose sind nicht nur als Aufenthaltsorte konzipiert, sie haben auch die Funktion, den Obdachlosen den problemlosen und auf Wunsch auch anonymen Zugang zu weiteren Betreuungsschritten zu ermöglichen. Flankierende Maßnahmen des Stufenplanes sind mobile ärztliche Versorgung und Streetwork, also das direkte Aufsuchen und Ansprechen der Obdachlosen auf der Straße, um auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. 46 Weitestgehend sind sich alle im Rahmen dieser Studie befragten ExpertInnen und Fachkräfte einig, dass der Stufenplan im Wiener System weniger stringent eingehalten werden muss als etwa bei unseren bundesdeutschen Nachbarn, dass somit auch einzelne Stufen übersprungen werden können und somit Direkteinstiege und gleitende Übergänge eine mögliche Option darstellen. Allerdings kann das Argument, dass dieses Stufensystem teilweise unnötige Aufstiegshürden bergen würde, dennoch nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Auch sind weitere Kritikpunkte am Wiener Modell zu diskutieren. So ist einerseits zu hinterfragen, ob Nachtquartiere mit den oftmals längeren Verweilzeiten 47 aufgrund der Einstiegsfunktion in das Stufensystem, geringen Betreuungsangeboten sozialer Arbeit, reduzierter Privatsphäre und dem täglichen Stress auf der Straße nicht zum größeren Teil durch andere Modelle ersetzt werden können (Stichwort Akutzimmer bzw. Direkteinstieg). Weiters muss überlegt werden, ob das Segment des Übergangswohnens eine zeitgemäße Angebotsform auf dem Weg in eine finale Wohnung darstellt. Im Rahmen dieser Studie wurde diese Frage auf breiter Ebene mit ExpertInnen diskutiert und auch auf Basis der Interviews mit den KlientInnen bearbeitet. Thema sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Hospitalisierungseffekte, die durch den längeren Verbleib im Segment des Übergangswohnens entstehen könnten. Den empirischen Befunden zufolge ist diese Gefahr zwar gegeben, aber relativ selten direkt nachweisbar. Entsprechende Beobachtungen fokussieren beispielsweise darauf, dass KlientInnen es im Lauf der Zeit schätzen lernen, wenn sie im Bedarfsfall Betreuungsangebote nützen können, Hilfen bei der Antragstellung etwa im Bereich BMS in Anspruch nehmen können oder auch nur um die Verfügbarkeit eines persönlichen Ansprechpartners/einer persönlichen Ansprechpartnerin im Falle persönlicher Krisen wissen. Diese Effekte sind aber nicht unbedingt mit Hospitalisierungseffekten gleichzusetzen, sondern sind eher ein Hinweis darauf, dass der Unterstützungsbedarf durchaus auch längerfristig sein kann, keineswegs exakt mit dem Auszug aus dem Übergangwohnen endet, sondern vielleicht auch erst mit dem Einzug in die Finalwohnung sehr intensiver neuer Bedarf entstehen kann. Das Argument der Hospitalisierung ist daher von eher geringerem Stellenwert. Dies ist auch umso eher der Fall, als in vielen Häusern mit Angeboten zum Übergangswohnen explizite Em- 46 47 siehe hierzu http://www.bestpractices.at/main.php?page=vienna/best_practices/participation/homeless&lang=de. Eine Analyse der Fristen zwischen dem Eintritt in ein Nachtquartiersangebot und der Aufnahme in ein Angebot des Betreuten Wohnens findet sich in Kapitel 8.9. Allerdings handelt es sich hierbei, da die Nachtquartiersdaten mit Lücken behaftet sind, um keine statistisch abgesicherten Ergebnisse. 194
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15 Housing First – eine Alternative zum<br />
<strong>Wiener</strong> Stufenplan?<br />
Das <strong>Wiener</strong> Modell des Stufenplans kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine langjährige<br />
Tradition zurückblicken. Das Ergebnis dieses Ansatzes ist ein ausdifferenziertes Angebotsspektrum<br />
mit den Kernbestandteilen Nachtquartier, Übergangswohnen, Betreutes Wohnen in<br />
Wohnungen und Sozial Betreutes Wohnen. Letzteres Angebot für Obdachlose stellt einen<br />
wichtigen methodischen Baustein des <strong>Wiener</strong> Stufenplans dar. Zusätzliche betreuende Einrichtungen<br />
bilden einen weiteren Schwerpunkt. Die Tageszentren für Obdachlose sind nicht<br />
nur als Aufenthaltsorte konzipiert, sie haben auch die Funktion, den Obdachlosen den problemlosen<br />
und auf Wunsch auch anonymen Zugang zu weiteren Betreuungsschritten zu<br />
ermöglichen. Flankierende Maßnahmen des Stufenplanes sind mobile ärztliche Versorgung<br />
und Streetwork, also das direkte Aufsuchen und Ansprechen der Obdachlosen auf der Straße,<br />
um auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. 46<br />
Weitestgehend sind sich alle im Rahmen dieser Studie befragten ExpertInnen und Fachkräfte<br />
einig, dass der Stufenplan im <strong>Wiener</strong> System weniger stringent eingehalten werden muss<br />
als etwa bei unseren bundesdeutschen Nachbarn, dass somit auch einzelne Stufen übersprungen<br />
werden können und somit Direkteinstiege und gleitende Übergänge eine mögliche<br />
Option darstellen. Allerdings kann das Argument, dass dieses Stufensystem teilweise unnötige<br />
Aufstiegshürden bergen würde, dennoch nicht ganz von der Hand gewiesen werden.<br />
Auch sind weitere Kritikpunkte am <strong>Wiener</strong> Modell zu diskutieren. So ist einerseits zu hinterfragen,<br />
ob Nachtquartiere mit den oftmals längeren Verweilzeiten 47 aufgrund der Einstiegsfunktion<br />
in das Stufensystem, geringen Betreuungsangeboten sozialer Arbeit, reduzierter<br />
Privatsphäre und dem täglichen Stress auf der Straße nicht zum größeren Teil durch andere<br />
Modelle ersetzt werden können (Stichwort Akutzimmer bzw. Direkteinstieg). Weiters muss<br />
überlegt werden, ob das Segment des Übergangswohnens eine zeitgemäße Angebotsform<br />
auf dem Weg in eine finale Wohnung darstellt. Im Rahmen dieser Studie wurde diese Frage<br />
auf breiter Ebene mit ExpertInnen diskutiert und auch auf Basis der Interviews mit den KlientInnen<br />
bearbeitet. Thema sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Hospitalisierungseffekte,<br />
die durch den längeren Verbleib im Segment des Übergangswohnens entstehen könnten.<br />
Den empirischen Befunden zufolge ist diese Gefahr zwar gegeben, aber relativ selten<br />
direkt nachweisbar. Entsprechende Beobachtungen fokussieren beispielsweise darauf, dass<br />
KlientInnen es im Lauf der Zeit schätzen lernen, wenn sie im Bedarfsfall Betreuungsangebote<br />
nützen können, Hilfen bei der Antragstellung etwa im Bereich BMS in Anspruch nehmen<br />
können oder auch nur um die Verfügbarkeit eines persönlichen Ansprechpartners/einer persönlichen<br />
Ansprechpartnerin im Falle persönlicher Krisen wissen. Diese Effekte sind aber<br />
nicht unbedingt mit Hospitalisierungseffekten gleichzusetzen, sondern sind eher ein Hinweis<br />
darauf, dass der Unterstützungsbedarf durchaus auch längerfristig sein kann, keineswegs<br />
exakt mit dem Auszug aus dem Übergangwohnen endet, sondern vielleicht auch erst mit<br />
dem Einzug in die Finalwohnung sehr intensiver neuer Bedarf entstehen kann. Das Argument<br />
der Hospitalisierung ist daher von eher geringerem Stellenwert. Dies ist auch umso<br />
eher der Fall, als in vielen Häusern mit Angeboten zum Übergangswohnen explizite Em-<br />
46<br />
47<br />
siehe hierzu<br />
http://www.bestpractices.at/main.php?page=vienna/best_practices/participation/homeless&lang=de.<br />
Eine Analyse der Fristen zwischen dem Eintritt in ein Nachtquartiersangebot und der Aufnahme in ein Angebot<br />
des Betreuten Wohnens findet sich in Kapitel 8.9. Allerdings handelt es sich hierbei, da die Nachtquartiersdaten<br />
mit Lücken behaftet sind, um keine statistisch abgesicherten Ergebnisse.<br />
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