Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung

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22.04.2014 Aufrufe

uchstückhaft, können hier also auch kaum Unterstützung liefern. Identitätskrisen sind daher vorprogrammiert. Speziell auf diese Belange der Zielgruppe abgestimmte Angebote, wie Beispielsweise JUCA der Caritas, kennen diese Problematik. Beziehungsarbeit dürfte eine der wenigen Schlüssel sein, um diese fast unlösbare Aufgabe zu bewerkstelligen. Dies deckt sich auch ganz gut mit den Ergebnissen der Zielgruppenbefragung im Rahmen dieser Studie: Junge Erwachsene orientieren sich eher an der prinzipiellen Verfügbarkeit von BetreuerInnen bzw. SozialarbeiterInnen und legen großen Wert auf Kontakte mit Personen in ähnlicher Situation. In Bezug auf die soziale Kompetenz der Fachkräfte, die Möglichkeit der Bearbeitung akuter Probleme mit den Fachkräften, der Planung des Wegs zu einer eigenen Wohnung – der ihnen subjektiv noch länger erscheint als anderen Teilgruppen – und der Informationen über Angebote sind sie aber vergleichsweise weniger zufrieden (siehe Tabelle 147). Die große Problematik des Übergangs vom Jugendalter zum Alter der jungen Erwachsenen wurde in dieser Studie bereits an anderer Stelle besprochen (siehe Kapitel 10.3). Dementsprechend fällt auch die Einschätzung der Wartezeit auf einen Wohnplatz vergleichsweise kritisch aus. Hier dürfte durch die in letzter Zeit verstärkten Kooperationsbemühungen von Einrichtungen der WWH mit der MA 11 ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden sein. Somit wäre zu fragen, in welcher Form noch besser auf die Belange der Jugendlichen eingegangen werden könnte. Hier liefern die vorhandenen Daten und Dokumente zwei Anhaltspunkte. Zum einen muss davon ausgegangen werden, dass vor allem bei der Zielgruppe der jungen Erwachsenen ohne Verbesserung der in vielen Fällen prekär beschaffenen gesellschaftlichen Teilhabe auch die Erfolge im Zusammenhang mit der lebensräumlichen Integrität nur punktuell bzw. temporärer Natur sein werden. Dies führt zum Thema Erwerbsintegration. Junge Erwachsene schneiden hier schlechter ab als etwa die Altersgruppe der 30-39- Jährigen (siehe Tabelle 406). Wo aber vielleicht für ältere Wohnungslose die Option eines Lebens gestützt durch Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung noch eine Möglichkeit darstellt, die durchaus auch für die Person verkraftbar ist, hat dies bei vielen jungen Erwachsenen einen problematischen Beigeschmack. Ähnlich wird auch in der einschlägigen Fachliteratur auf die hohe Bedeutung der Erwerbsintegration für die gesellschaftliche Teilhabe verwiesen (siehe zB. Fink et. al. 2010). Daher wäre zu überlegen, wie eine begleitende aktivierende Unterstützung zur Eingliederung in das Erwerbsleben auf Basis spezifischer auf die Belange der jungen Erwachsenen abgestimmter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen aussehen müsste. Allerdings besteht ExpertInnen zufolge auch die Gefahr, dass zumindest ein Teil der Zielgruppe durch derartige Angebote überfordert sein könnte. Wichtig wäre somit, diese Angebote bedarfsgerecht und selektiv anzubieten. Auch ist unter dem Gesichtspunkt des hohen Arbeitskräfteandrangs im Bereich niedrigqualifizierter Tätigkeiten zu diskutieren, inwiefern in diesem Zusammenhang der Begriff der Tätigkeit weiter zu denken ist als nur dem Feld der klassischen Erwerbstätigkeit zugehörig (Stichworte: Tagesstruktur, Dritter Sektor, Überbrückungsjobs). In einem weiteren Punkt sollte der Stimme vieler ExpertInnen und Fachkräfte der WWH Gehör geschenkt werden. Es ist durchaus zu hinterfragen, ob junge Erwachsene in gemischten Einrichtungen, wie zB. den Angeboten den ÜWO, aber auch den Nachtquartieren am richtigen Platz sind. Freilich – dies wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht – junge Erwachsene haben i.d.R. einen positiven Einfluss auf das Klima in den Einrichtungen. So wird berichtet, dass „Jung“ und „Alt“ einander durchaus immer wieder Gehör schenken und voneinander lernen können, dass die „Quirligkeit“ der Jungen und die „Resignation“ der Alten einander ausgleichen. Ob dies allerdings für die jungen Erwachsenen an sich ein ideales Betreuungsund Übergangswohnkonzept darstellt, ist noch einmal eine andere Sache. Die relativ gerin- 191

gen Anteile von Übergängen in Finalwohnungen im Bereich des ÜWO-Segments motivieren jedenfalls zur Suche nach Alternativen für junge wohnungslose Erwachsene. 14.2 Frauen Genderspezifische Analysen zur Nutzung von Angeboten und Wirkungseffekten belegen nur in wenigen Bereichen signifikante Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts. Positiv erwähnenswert wären in diesem Zusammenhang Abgänge aus SOBEWO-Angeboten. Den Längsschnittdatenanalysen zufolge haben Frauen in diesem Fall deutlich bessere Chancen des Abgangs in eine Finalwohnung als Männer (Frauen: 11%, Männer: 3%). Dem gegenüber sind geschlechtsspezifische Analysen der Abgänge aus ÜWOZG-Angeboten zu stellen: hier sind Frauen nach dem Abgang seltener als Männer in Finalwohnungen zu finden (21% vs. 29%. (beides siehe Kapitel 8.9). Indes belegen viele andere Analysen keine nennenswerten geschlechtsspezifischen Unterschiede. Frauen sind allerdings durch ein deutlich höheres Aufkommen von psychischen Problemen als Männer zu charakterisieren (siehe Tabelle 252). So trifft dies bei Frauen der eigenen Einschätzung nach zu rund 49% zu, bei Männern zu rund 32%. Wenngleich im Zuge der Teilnahme von den betroffenen Frauen etwas mehr als ein Drittel (39%, siehe Tabelle 272) hier auch eine Verbesserung seit Eintritt in das System der WWH erfahren hat, so führt uns dies dennoch zu zwei Themenbereichen, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden: Zum einen handelt es sich um ein Problem, das sich der empirischen Forschung weitestgehend entzieht – die versteckte Wohnungslosigkeit der Frauen. Zum anderen geht es darum, der weiblichen Klientel wenigstens im Rahmen der WWH allfällige genderspezifische Barrieren aus dem Weg zu schaffen. Versteckte Wohnungslosigkeit und das Thema „Wartezeiten überbrücken“ Einer Reihe von ExpertInnen zufolge bestünde die Gefahr, dass Frauen die auch derzeit in den meisten Fällen erforderlichen Wartezeiten auf Übergangs- oder Dauerwohnplätze „weniger gut“ überbrücken könnten als Männer. Nachtquartiere als Überbrückungslösung werden von Frauen weniger gut angenommen 45 , in der Folge würden Frauen eher in Lagen ungesicherten Wohnens verbleiben, oftmals in Situationen, in denen sie vor Gewalt nicht sicher sind und letztlich großen psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Aus dieser Beschreibung wäre zu folgern, dass das Kriterium der Niederschwelligkeit im Zugang zum System der WWH im Falle wohnungsloser bzw. ungesichert wohnender Frauen zwar formal besteht, faktisch aber die Chance für Frauen auf eine Verbesserung der Wohnsituation eine reduzierte ist. Demzufolge wäre zu fragen, wie die Herstellung von Chancengleichheit weiblicher Wohnungsloser/Obdachloser im Sinne eines Gender Mainstreamings erzielt werden kann. Das auch im Rahmen der Interviews mit Fachkräften der WWH geäußerte Argument des Gebotes der Gleichbehandlung aller Antragstellenden ist jedenfalls in diesem Hinblick wenig zielführend, da das Paradigma der Gleichbehandlung in der Fachdiskussion zur Chancen- 45 Der Vollständigkeit halber darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass es derzeit eine Reihe von Notquartieren (nicht Notbetten) gibt, die spezifische Angebote für Frauen darstellen. Dies wären etwa die Nachtquartiere Gänsbachergasse und Hermine von wieder wohnen (16 Betten und 20 Betten). Seither wurde allerdings das Notquartier Hermine geschlossen und anstelle dessen wurden Akutzimmer für Frauen eingerichtet. Die Problematik, dass Frauen Notquartiere weniger akzeptieren als Männer, bleibt allerdings trotz dieser frauenspezifischen Angebote bestehen. 192

gen Anteile von Übergängen in Finalwohnungen im Bereich des ÜWO-Segments motivieren<br />

jedenfalls zur Suche nach Alternativen für junge wohnungslose Erwachsene.<br />

14.2 Frauen<br />

Genderspezifische Analysen zur Nutzung von Angeboten und Wirkungseffekten belegen nur<br />

in wenigen Bereichen signifikante Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts. Positiv erwähnenswert<br />

wären in diesem Zusammenhang Abgänge aus SOBEWO-Angeboten. Den Längsschnittdatenanalysen<br />

zufolge haben Frauen in diesem Fall deutlich bessere Chancen des<br />

Abgangs in eine Finalwohnung als Männer (Frauen: 11%, Männer: 3%). Dem gegenüber<br />

sind geschlechtsspezifische Analysen der Abgänge aus ÜWOZG-Angeboten zu stellen: hier<br />

sind Frauen nach dem Abgang seltener als Männer in Finalwohnungen zu finden (21% vs.<br />

29%. (beides siehe Kapitel 8.9). Indes belegen viele andere Analysen keine nennenswerten<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede.<br />

Frauen sind allerdings durch ein deutlich höheres Aufkommen von psychischen Problemen<br />

als Männer zu charakterisieren (siehe Tabelle 252). So trifft dies bei Frauen der eigenen Einschätzung<br />

nach zu rund 49% zu, bei Männern zu rund 32%. Wenngleich im Zuge der Teilnahme<br />

von den betroffenen Frauen etwas mehr als ein Drittel (39%, siehe Tabelle 272) hier<br />

auch eine Verbesserung seit Eintritt in das System der WWH erfahren hat, so führt uns dies<br />

dennoch zu zwei Themenbereichen, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden:<br />

Zum einen handelt es sich um ein Problem, das sich der empirischen Forschung weitestgehend<br />

entzieht – die versteckte Wohnungslosigkeit der Frauen. Zum anderen geht es darum,<br />

der weiblichen Klientel wenigstens im Rahmen der WWH allfällige genderspezifische Barrieren<br />

aus dem Weg zu schaffen.<br />

Versteckte Wohnungslosigkeit und das Thema „Wartezeiten überbrücken“<br />

Einer Reihe von ExpertInnen zufolge bestünde die Gefahr, dass Frauen die auch derzeit in<br />

den meisten Fällen erforderlichen Wartezeiten auf Übergangs- oder Dauerwohnplätze „weniger<br />

gut“ überbrücken könnten als Männer. Nachtquartiere als Überbrückungslösung werden<br />

von Frauen weniger gut angenommen 45 , in der Folge würden Frauen eher in Lagen ungesicherten<br />

Wohnens verbleiben, oftmals in Situationen, in denen sie vor Gewalt nicht sicher<br />

sind und letztlich großen psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Aus dieser Beschreibung<br />

wäre zu folgern, dass das Kriterium der Niederschwelligkeit im Zugang zum System<br />

der WWH im Falle wohnungsloser bzw. ungesichert wohnender Frauen zwar formal besteht,<br />

faktisch aber die Chance für Frauen auf eine Verbesserung der Wohnsituation eine reduzierte<br />

ist.<br />

Demzufolge wäre zu fragen, wie die Herstellung von Chancengleichheit weiblicher Wohnungsloser/Obdachloser<br />

im Sinne eines Gender Mainstreamings erzielt werden kann. Das<br />

auch im Rahmen der Interviews mit Fachkräften der WWH geäußerte Argument des Gebotes<br />

der Gleichbehandlung aller Antragstellenden ist jedenfalls in diesem Hinblick wenig zielführend,<br />

da das Paradigma der Gleichbehandlung in der Fachdiskussion zur Chancen-<br />

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Der Vollständigkeit halber darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass es derzeit eine Reihe von Notquartieren<br />

(nicht Notbetten) gibt, die spezifische Angebote für Frauen darstellen. Dies wären etwa die Nachtquartiere<br />

Gänsbachergasse und Hermine von wieder wohnen (16 Betten und 20 Betten). Seither wurde allerdings das<br />

Notquartier Hermine geschlossen und anstelle dessen wurden Akutzimmer für Frauen eingerichtet. Die Problematik,<br />

dass Frauen Notquartiere weniger akzeptieren als Männer, bleibt allerdings trotz dieser frauenspezifischen<br />

Angebote bestehen.<br />

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