Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
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Rückstand ist, dann fordert man auf, macht Zahlungsvereinbarungen aus, aber bei mehr ist Schluss. Teilzahlungen schon. Es gibt Gespräche, Ratenvereinbarungen. Konzepte. Bis hin zur Verwarnung.“ (Interviews Fachkräfte WWH, Angebotsform ÜWOMUKI). Eine andere Fachkraft beschreibt die Problematik folgendermaßen: „Wenn jemand seine Miete nicht zahlen kann, werden viele Angebote gemacht mit interner Beschäftigung, mit Stundung. In sehr wenigen Fällen wird alles wegen Heimkosten beendet. Das ist dann der Fall, weil wir fünfmal angelogen wurden und uns immer alles Mögliche erzählt wurde. Das ist dann aber eine Sicherheitsmaßnahme. Sonst muss immer mehr dazugezahlt werden.“ (Interviews Fachkräfte WWH, Angebotsform ÜWOZG). Aus diesen beiden Statements wird bereits ersichtlich, dass in beinahe jedem Angebot ein eigener praxisorientierter Ansatz entwickelt wurde, wie bei nicht bezahlten Nutzungsentgelten zu verfahren ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Kooperationsbereitschaft und eine Art von Bemühen des/der betroffenen Klienten/Klientin. Im derzeitigen System der WWH sind Verstöße gegen die Hausordnung in allen Angebotsformen ein Thema. Bemerkenswert ist allerdings die relativ große Bandbreite des Auftretens dieses Phänomens (exklusive nicht bezahlter Nutzungsentgelte, diese bilden eine eigene Kategorie). So sind Verstöße gegen die Hausordnung im ÜWOZG-Bereich mit rund 11% Anteil unter den Abgängen deutlich höher als etwa im Bereich ÜWOMUKI (7%), SOBEWO (7%), ÜWO (6%) oder BEWO (4%). Genauere Analysen zeigen hier allerdings noch eine andere, intervenierende Variable, das Alter. Junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren sind im ÜWOZG Bereich mit rund 21% Verstößen gegen die Hausordnung weitaus häufiger in dieser Kategorie zu finden als Personen ab 30 Jahren (4-6% Anteil). Der Hintergrund, warum junge Erwachsene so häufig wegen Verstößen gegen die Hausordnung aus dem Angebot abgehen, dürfte komplexer Natur sein. Seitens der Fachkräfte wird der Bereich generell als schnelllebig bezeichnet mit sehr vielen Übergängen auch anderer Natur, wie „vorzeitig ausgezogen“, „nicht erschienen“ oder internen Umzügen. Die lebensbiographische Phase, in der sich die Zielgruppe befindet, ist sehr stark von Emotionen geprägt und auch relativ krisenanfällig. Hinzu kommt, dass der größte Teil der jungen Erwachsenen noch keinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat (es geht somit nicht um eine Form der Reintegration, sondern darum, erstmals eine Integration zu erreichen). Dies bezieht sich auf das Erwerbsleben, auf das Fehlen eines Ausbildungsabschlusses, aber auch oftmals auf das Fehlen einer familiären Anbindung und somit auch auf Identitätskrisen. Seitens der Angebote der WWH hat sich deshalb Beziehungsarbeit als wichtiges Standbein der sozialarbeiterischen Betreuung herausgestellt. Nicht nur bei jungen Erwachsenen, sondern bei allen Altersgruppen sind im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Hausordnung drei weitere Aspekte zu nennen: Gewalt, Drogenmissbrauch und psychische Erkrankungen im Akutstadium. Hier pflegt jede Einrichtung etwas unterschiedliche Grenzsetzungen. In Bezug auf Alkohol etwa reicht die Bandbreite vom vollständigen Verbot von Alkohol bis zur Tolerierung in bestimmten Maßen, solange die Wohnfähigkeit nicht beeinträchtigt wird. Auf die Problematik von DrogenkonsumentInnen geht das System der WWH insofern ein, als in manchen Angeboten ein Betreuungsschwerpunkt für diese Zielgruppe besteht. Dies ist etwa beim Haus R3 des Arbeiter-Samariter-Bundes zu finden. Hier ist bei rund 50% Anteil der KlientInnen eine Drogenproblematik gegeben. Ein anderes Beispiel wäre das Haus Hernals von wieder wohnen mit einem entsprechenden Anteil von rund 23%. Gewalt gegen MitbewohnerInnen und gegen die Fachkräfte der WWH ist in jedem Fall als Grund für ein Hausverbot zu zählen. Eine erwähnenswerte Ausnahme bildet diesbezüglich vielleicht das FrauenWohnZentrum mit seiner Expertise für Frauen mit psychischen Krankheiten. Ausgedrückt wird dies so: „Hier wird versucht, zu differenzieren. Gewalt ist nicht et- 183
was, das man wegsperren muss. Zwar Gesellschaftlich ja, aber nicht in dieser Einrichtung. Sondern ist ein Mittel, um sich mit der Frau auseinanderzusetzen. D.H es muss differenziert, welche Form der Gewalt findet statt.“ (Interviews Fachkräfte WWH). In den meisten Fällen sind die VerursacherInnen von Gewalt Männer. Hier bestehen kaum Handlungsspielräume für die betreuenden Teams, teilweise wurden Anti-Gewalt-Trainings in Erwägung gezogen. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt wurde, bestünde in solchen Situationen – vor allem im Zusammenspiel mit psychischen Erkrankungen – Bedarf an einer Krisenintervention. Psychische Erkrankungen im Akutstadium sind nach Aussage vieler Fachkräfte mit ein Grund für Verletzungen der Hausordnung und in der Folge für den Ausschluss aus dem Wohnangebot. Offensichtlich wird dies, wenn Selbst- und/oder Fremdgefährdung vorliegt und damit in der Regel auch einhergehend keine Krankheitseinsicht mehr gegeben ist. Hier stoßen auch die ExpertInnen des PSD an ihre Grenzen, da in solchen Fällen die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Arzt nur mehr eingeschränkt oder gar nicht mehr gegeben ist. Seitens vieler Fachkräfte der WWH besteht die Ansicht, dass diese Gruppe von KlientInnen, teilweise auch umschrieben als „SystemsprengerInnen“ mit den derzeitigen Angeboten des Stufensystems nicht in bester Weise wohnversorgt sind. Ein Gesprächspartner aus dem ÜWO-Bereich beschreibt dies folgendermaßen: „Menschen mit besonderen Bedürfnissen, also Drogenklienten und psychisch Kranke passen hier tatsächlich nicht so recht hinein, die können unser Grundkonzept kippen.“ (Interview Fachkräfte WWH, Angebotsform ÜWO). Besonders größere Einrichtungen mit geringerem Betreuungsschlüssel dürften hier eher gefährdet sein. Demgegenüber gilt etwa das FrauenWohnZentrum als Spezialangebot und genießt auch allseits einen ausgezeichneten Ruf für die Wohnunterbringung dieser Zielgruppe. Mit Ausnahme dieser Einrichtung bleibt aber der Eindruck bestehen, dass die Gruppe der „SystemsprengerInnen“ belegt mit Hausverboten und pendelnd zwischen unterschiedlichen Einrichtungen, Nachtquartieren und stationären Aufenthalten, im System der WWH kein strukturiertes Angebot vorfindet. 12 „Leistbares Wohnen“ / Soziale Wohnungsvergabe Das Thema „leistbarer Wohnraum“ wurde im Rahmen der qualitativen Interviews mit Fachkräften der WWH und ExpertInnen in unterschiedlichen Begründungszusammenhängen thematisiert. Überraschend häufig fand sich eine Erwähnung im Zusammenhang mit dem Thema Housing First. Demzufolge sei Housing First ein Ansatz für KlientInnen, welche primär mit der Suche nach leistbarem Wohnraum überfordert seien und hier Unterstützung benötigen würden, eine darüber hinausführende Betreuung aber nicht notwendig sei. Argumentationen dieser Art können als Beleg dafür dienen, dass (zumindest zum Zeitpunkt unserer Erhebungen) das Thema Housing First mit dem diesem Thema eigenen Paradigmenwechsel und der Abkehr vom „treatment first“ – Ansatz noch nicht flächendeckend kommuniziert wurde. Anstelle dessen wird Housing First in die Nähe der Thematik „leistbarer Wohnraum“ gerückt. Es ist allerdings zu erwarten, dass diese Argumentationslinie mit fortschreitender Sensibilisierung für das Thema Housing First in den Hintergrund treten wird. Ein anderer Begründungszusammenhang, in dem das Thema „leistbares Wohnen“ aufgetaucht ist, beschreibt die Problematik von KlientInnen mit Delogierungen oder Mietrückständen im Bereich der Gemeindewohnungen. Überschreiten Mietrückstände ein gewisses Maß, 184
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was, das man wegsperren muss. Zwar Gesellschaftlich ja, aber nicht in dieser Einrichtung.<br />
Sondern ist ein Mittel, um sich mit der Frau auseinanderzusetzen. D.H es muss differenziert,<br />
welche Form der Gewalt findet statt.“ (Interviews Fachkräfte WWH).<br />
In den meisten Fällen sind die VerursacherInnen von Gewalt Männer. Hier bestehen kaum<br />
Handlungsspielräume für die betreuenden Teams, teilweise wurden Anti-Gewalt-Trainings in<br />
Erwägung gezogen. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt wurde, bestünde in solchen Situationen<br />
– vor allem im Zusammenspiel mit psychischen Erkrankungen – Bedarf an einer<br />
Krisenintervention.<br />
Psychische Erkrankungen im Akutstadium sind nach Aussage vieler Fachkräfte mit ein<br />
Grund für Verletzungen der Hausordnung und in der Folge für den Ausschluss aus dem<br />
Wohnangebot. Offensichtlich wird dies, wenn Selbst- und/oder Fremdgefährdung vorliegt<br />
und damit in der Regel auch einhergehend keine Krankheitseinsicht mehr gegeben ist. Hier<br />
stoßen auch die ExpertInnen des PSD an ihre Grenzen, da in solchen Fällen die Bereitschaft<br />
zur Zusammenarbeit mit dem Arzt nur mehr eingeschränkt oder gar nicht mehr gegeben ist.<br />
Seitens vieler Fachkräfte der WWH besteht die Ansicht, dass diese Gruppe von KlientInnen,<br />
teilweise auch umschrieben als „SystemsprengerInnen“ mit den derzeitigen Angeboten des<br />
Stufensystems nicht in bester Weise wohnversorgt sind. Ein Gesprächspartner aus dem<br />
ÜWO-Bereich beschreibt dies folgendermaßen: „Menschen mit besonderen Bedürfnissen,<br />
also Drogenklienten und psychisch Kranke passen hier tatsächlich nicht so recht hinein, die<br />
können unser Grundkonzept kippen.“ (Interview Fachkräfte WWH, Angebotsform ÜWO).<br />
Besonders größere Einrichtungen mit geringerem Betreuungsschlüssel dürften hier eher gefährdet<br />
sein. Demgegenüber gilt etwa das FrauenWohnZentrum als Spezialangebot und genießt<br />
auch allseits einen ausgezeichneten Ruf für die Wohnunterbringung dieser Zielgruppe.<br />
Mit Ausnahme dieser Einrichtung bleibt aber der Eindruck bestehen, dass die Gruppe der<br />
„SystemsprengerInnen“ belegt mit Hausverboten und pendelnd zwischen unterschiedlichen<br />
Einrichtungen, Nachtquartieren und stationären Aufenthalten, im System der WWH kein<br />
strukturiertes Angebot vorfindet.<br />
12 „Leistbares Wohnen“ / Soziale<br />
Wohnungsvergabe<br />
Das Thema „leistbarer Wohnraum“ wurde im Rahmen der qualitativen Interviews mit Fachkräften<br />
der WWH und ExpertInnen in unterschiedlichen Begründungszusammenhängen<br />
thematisiert. Überraschend häufig fand sich eine Erwähnung im Zusammenhang mit dem<br />
Thema Housing First. Demzufolge sei Housing First ein Ansatz für KlientInnen, welche primär<br />
mit der Suche nach leistbarem Wohnraum überfordert seien und hier Unterstützung benötigen<br />
würden, eine darüber hinausführende Betreuung aber nicht notwendig sei. Argumentationen<br />
dieser Art können als Beleg dafür dienen, dass (zumindest zum Zeitpunkt unserer<br />
Erhebungen) das Thema Housing First mit dem diesem Thema eigenen Paradigmenwechsel<br />
und der Abkehr vom „treatment first“ – Ansatz noch nicht flächendeckend kommuniziert wurde.<br />
Anstelle dessen wird Housing First in die Nähe der Thematik „leistbarer Wohnraum“ gerückt.<br />
Es ist allerdings zu erwarten, dass diese Argumentationslinie mit fortschreitender Sensibilisierung<br />
für das Thema Housing First in den Hintergrund treten wird.<br />
Ein anderer Begründungszusammenhang, in dem das Thema „leistbares Wohnen“ aufgetaucht<br />
ist, beschreibt die Problematik von KlientInnen mit Delogierungen oder Mietrückständen<br />
im Bereich der Gemeindewohnungen. Überschreiten Mietrückstände ein gewisses Maß,<br />
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