Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
möglich, die betrauten Ärzte für die weiteren Erfordernisse bei Entlassung in der WWH- Einrichtung zu sensibilisieren. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass das derzeitige System der WWH (neben den Angeboten, welche außerhalb der WWH für psychisch kranke Personen vorliegen) eine Reihe von Angeboten bereitstellt, welche Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Aufenthalt ermöglichen. Im Wohnalltag kann es aber der Fall sein, dass psychische Krisen den Rahmen des Möglichen sprengen und zu Hausverboten führen. Dies zeigt sich auch anhand der sog. Debatte zu „SystemsprengerInnen“. Mancherseits wird demnach kritisiert, dass im Falle psychischer Krisen und bei Verletzung der Hausordnung sich nur wenige Handlungsoptionen anbieten, hierunter vor allem die Beendigung des Wohnverhältnisses und damit auch der Gang zurück in die Notunterkünfte (und dementsprechend ein Neueinstieg auf der Stufenleiter als weitere Option). Die Folge ist ein teilweise entwürdigendes „Pendeln“ zwischen unterschiedlichen Einrichtungen, Nachtquartieren und stationären Aufenthalten. Allerdings werden diese krisenbedingten vorzeitigen Ausstiege aus den Angeboten nicht von allen Fachkräften als problematisch gesehen. So wird beispielsweise argumentiert, dass auch bei wiederholten Einrichtungswechseln es durchaus sein kann, dass eine Teilnahme erfolgreich verläuft. Hintergrund: Lebensphasen ändern sich, Einrichtungen gleichen einander nie in allen Punkten. 10.3 Schnittstelle Jugendwohlfahrt / MA 11 Obwohl in den letzten Jahren der Anteil junger Erwachsener (18 bis 30 Jahre) unter den Wohnungslosen kaum Veränderungen erfahren hat und die Verläufe im Wesentlichen den demographischen Entwicklungsverläufen entsprechen (siehe Kapitel 4), beobachten die Fachkräfte der WWH doch mit Besorgnis eine Tendenz der Zunahme des Auftretens junger Erwachsener im Bereich spezifischer Angebotssegmente. Dies kann auch anhand der Längsschnittdaten in dieser Studie untermauert werden. So waren etwa im Jahr 2006 noch 15% der ÜWO-KlientInnen und 30% der ÜWOZG-KlientInnen der Altersgruppe der jungen Erwachsenen zuzurechnen. Vier Jahre später im Jahr 2010 belief sich der Anteil dieser Gruppe bereits auf 20% und 35%. In diesem Zusammenhang wurde seitens der ExpertInnen bereits vor Jahren realisiert, dass das Schnittstellenmanagement zwischen der Jugendhilfe und der WWH eines Überdenkens bedarf. Im Grunde genommen stellt der 18. Geburtstag einen Bruch in der Lebensbiographie dar, der zusätzlich durch die Ablöse der zuständigen Institutionen Jugendhilfe/WWH noch verschärft wird, denn in dieser Altersgruppe ist das System der Jugendhilfe nicht mehr zuständig, die WWH ist noch nicht zuständig. Ein „Zustandsbild“ soll die Problematik in dieser Lebensphase helfen zu verdeutlichen: Ein größerer Teil der Jugendlichen verfügt über keine abgeschlossene Ausbildung und kann auch keinerlei berufliche Erfahrung vorweisen. Ist zudem die Wohnfähigkeit nur eingeschränkt vorhanden, so ist der Rückzug der Jugendhilfe mit dem 18. Lebensjahr problematisch. Lösungsstrategien, welche auf Wohnangebote der Familie und von Freunden/Bekannten zurückgreifen sind suboptimal, weil brüchig und ohne Bestand. Die plötzliche Selbstverantwortung wiederum kann zu einer Überforderung führen, vor allem, wenn die Jugendlichen zuvor in einer voll betreuten Einrichtung der Jugendhilfe mit relativ hohem Betreuungsschlüssel untergebracht waren. 181
Der Wechsel vom Jugendhilfssystem zum System der Erwachsenenhilfe muss somit als Bruchstelle identifiziert werden, die leider in vielen Fällen seitens der Jugendlichen auch nicht durch solide Beziehungen und Netzwerke kaschiert werden kann. Diese Problematik wurde insbesondere von JUCA erkannt und konstruktiv bearbeitet. Seit Herbst 2008 besteht demzufolge eine Kooperation zwischen der MA 11 und JUCA. Ziel der Kooperation ist die Minderung der Bruchstelle zwischen den beiden Systemen, der Jugendhilfe und der Erwachsenenhilfe. Jugendliche erhalten somit bereits einige Monate vor dem 18. Lebensjahr die Möglichkeit, Kontakt mit JUCA aufzunehmen und sich das Haus anzusehen. Ebenso besteht seitens der Jugendhilfe das Angebot, die Betreuung ein wenig über das 18. Lebensjahr zu verlängern, wenn der/die Jugendliche bereits auf der Warteliste der Zielgruppenwohneinrichtung steht. Somit soll vermieden werden, dass Jugendliche in dieser kritischen Phase auf der Straße landen oder Nachtquartiere in Anspruch nehmen (müssen) mit den bekannten Folgeproblematiken. Seitens der in die Untersuchung einbezogenen Fachkräfte und ExpertInnen wird dieser Lösungsansatz allerdings mehrheitlich nur als „ein Tropfen auf den heißen Stein“ beschrieben. Ein anderer Lösungsansatz wäre ein Konzept eines Zielgruppenübergangswohnhauses für die Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren, welches somit den Bruch um das 18. Lebensjahr abmildert (siehe hierzu Kapitel 17). 11 Regeln, Grenzen und Grenzverletzungen In allen Angebotsformen der WWH finden sich Hausordnungen oder Nutzungsregeln mit teilweise unterschiedlicher Feinausrichtung. Festgeschrieben wird hier unter anderem der Umgang mit Alkohol oder Drogenkonsum/Substitution/Drogenhandel, Besuch durch andere Personen, Gewaltverbot inklusive Verbot verbaler Gewalt, Halten von Haustieren, Erfordernis einer Betreuungsbereitschaft bzw. Kooperationsbereitschaft, Vorliegen massiver Verunreinigung bzw. Sachbeschädigung. Eine Grundbedingung für die Nutzung der Wohn- und Schlafangebote ist weiters die Bezahlung des täglichen oder monatlichen Nutzungsentgelts. Dies gilt auch für die Notschlafstellen mit der Gebühr von 4€ (bzw. ab 1. Januar 2012 2€) pro Nacht. Bei den anderen Angebotsformen (BEWO, SOBEWO, ÜWO, ÜWOZG, ÜWOMUKI) fallen je nach Angebotsform unterschiedliche Beträge an. Interessant sind in diesem Zusammenhang die sehr unterschiedlich hohen Anteile an Abgängen aufgrund nicht bezahlter Nutzungsentgelte: Der ÜWO-Bereich steht mit 14% Anteil an den Abgängen 2009/2010 an erster Stelle, gefolgt vom BEWO- Bereich mit rund 10%. Deutlich geringer fallen demgegenüber die Anteilswerte im ÜWOZG- Bereich mit rund 6% und im ÜWOMUKI-Bereich mit sogar nur rund 1% aus. Erfreulicherweise zeigt eine Detailanalyse nach der Verweildauer, dass i.d.R. der Anteil mit steigender Verweildauer geringer wird. So zeigt sich im Bereich BEWO ein deutliches Absinken des Anteilswertes nach 12 Monaten, in den Bereichen SOBEWO und ÜWOZG nach 6 Monaten. Der ÜWOMUKI Bereich sticht insofern heraus, als hier die wenigen Fälle vor allem dem Bereich 7-12 Monate zuzuordnen sind. Abgänge aus ÜWO-Angebotsformen entsprechen leider nicht den aufgezeigten Mustern des deutlichen Absinkens nach 6 oder 12 Monaten. Hier sind auch noch im zweiten und dritten Verbleibsjahr relativ viele Abgänge aufgrund nicht bezahlten Nutzungsentgelts zu sehen (siehe Tabelle 34). Bemerkenswert ist weiters die große Bandbreite je nach Einrichtung bzw. Angebotsform, die wir hinsichtlich der Grenzziehung bei möglichen bzw. tolerierten Rückständen von Nutzungsentgelten vorgefunden haben. Dies sei an zwei beispielhaften Erläuterung dargestellt: Eine Fachkraft meint: „Mietenzahlung? Da fährt die Eisenbahn drüber! Wenn ein Monat 182
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möglich, die betrauten Ärzte für die weiteren Erfordernisse bei Entlassung in der WWH-<br />
Einrichtung zu sensibilisieren.<br />
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass das derzeitige System der WWH (neben<br />
den Angeboten, welche außerhalb der WWH für psychisch kranke Personen vorliegen) eine<br />
Reihe von Angeboten bereitstellt, welche Menschen mit psychischen Erkrankungen einen<br />
Aufenthalt ermöglichen. Im Wohnalltag kann es aber der Fall sein, dass psychische Krisen<br />
den Rahmen des Möglichen sprengen und zu Hausverboten führen. Dies zeigt sich auch<br />
anhand der sog. Debatte zu „SystemsprengerInnen“. Mancherseits wird demnach kritisiert,<br />
dass im Falle psychischer Krisen und bei Verletzung der Hausordnung sich nur wenige<br />
Handlungsoptionen anbieten, hierunter vor allem die Beendigung des Wohnverhältnisses<br />
und damit auch der Gang zurück in die Notunterkünfte (und dementsprechend ein Neueinstieg<br />
auf der Stufenleiter als weitere Option). Die Folge ist ein teilweise entwürdigendes<br />
„Pendeln“ zwischen unterschiedlichen Einrichtungen, Nachtquartieren und stationären Aufenthalten.<br />
Allerdings werden diese krisenbedingten vorzeitigen Ausstiege aus den Angeboten<br />
nicht von allen Fachkräften als problematisch gesehen. So wird beispielsweise argumentiert,<br />
dass auch bei wiederholten Einrichtungswechseln es durchaus sein kann, dass eine<br />
Teilnahme erfolgreich verläuft. Hintergrund: Lebensphasen ändern sich, Einrichtungen gleichen<br />
einander nie in allen Punkten.<br />
10.3 Schnittstelle Jugendwohlfahrt / MA 11<br />
Obwohl in den letzten Jahren der Anteil junger Erwachsener (18 bis 30 Jahre) unter den<br />
Wohnungslosen kaum Veränderungen erfahren hat und die Verläufe im Wesentlichen den<br />
demographischen Entwicklungsverläufen entsprechen (siehe Kapitel 4), beobachten die<br />
Fachkräfte der WWH doch mit Besorgnis eine Tendenz der Zunahme des Auftretens junger<br />
Erwachsener im Bereich spezifischer Angebotssegmente. Dies kann auch anhand der<br />
Längsschnittdaten in dieser Studie untermauert werden. So waren etwa im Jahr 2006 noch<br />
15% der ÜWO-KlientInnen und 30% der ÜWOZG-KlientInnen der Altersgruppe der jungen<br />
Erwachsenen zuzurechnen. Vier Jahre später im Jahr 2010 belief sich der Anteil dieser<br />
Gruppe bereits auf 20% und 35%.<br />
In diesem Zusammenhang wurde seitens der ExpertInnen bereits vor Jahren realisiert, dass<br />
das Schnittstellenmanagement zwischen der Jugendhilfe und der WWH eines Überdenkens<br />
bedarf. Im Grunde genommen stellt der 18. Geburtstag einen Bruch in der Lebensbiographie<br />
dar, der zusätzlich durch die Ablöse der zuständigen Institutionen Jugendhilfe/WWH noch<br />
verschärft wird, denn in dieser Altersgruppe ist das System der Jugendhilfe nicht mehr zuständig,<br />
die WWH ist noch nicht zuständig.<br />
Ein „Zustandsbild“ soll die Problematik in dieser Lebensphase helfen zu verdeutlichen: Ein<br />
größerer Teil der Jugendlichen verfügt über keine abgeschlossene Ausbildung und kann<br />
auch keinerlei berufliche Erfahrung vorweisen. Ist zudem die Wohnfähigkeit nur eingeschränkt<br />
vorhanden, so ist der Rückzug der Jugendhilfe mit dem 18. Lebensjahr problematisch.<br />
Lösungsstrategien, welche auf Wohnangebote der Familie und von Freunden/Bekannten<br />
zurückgreifen sind suboptimal, weil brüchig und ohne Bestand. Die plötzliche<br />
Selbstverantwortung wiederum kann zu einer Überforderung führen, vor allem, wenn die Jugendlichen<br />
zuvor in einer voll betreuten Einrichtung der Jugendhilfe mit relativ hohem Betreuungsschlüssel<br />
untergebracht waren.<br />
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