Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung
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deN KlientIn wären in der Einrichtung dann nicht mehr gegeben. Dies widerspräche dem Ansatz des „Tabula Rasa Prinzips“, demzufolge es wichtig sei, eigene und aktuelle Eindrücke zu den KlientInnen zu generieren. Dieser Ansatz stellt in Rechnung, dass auch ExpertInnen keineswegs davor gefeit sind, auf Basis von Vorinformationen sich allzu leicht in eine bestimmte Richtung leiten zu lassen; manches Mal – so die Argumentation - ist Nichtwissen gut. Auch wird es als problematisch gesehen, dass strukturierte Fallübergaben soweit führen könnten, dass die wertvolle anfängliche Auseinandersetzung mit dem Klienten/der Klientin zunehmend wegfällt. • Die strukturierte datengestützte Fallübergabe beschränke sich nicht auf die Beschreibung von Problemen, Kompetenzen und Lösungsansätze, sondern würde auch Gefahr laufen, die KlientInnen einzelnen Prognosegruppen zuzuteilen (zB. 5 Kategorien). Dies wird als unzulässige Reduktion von komplexen Tatbeständen gesehen. • Das Potenzial einer datengestützten Fallübergabe für einen „echten“ Dialog über KlientInnen, deren Problemlagen, Bedarfe und Ressourcen wird kritisch gesehen. Ein Teil der InterviewpartnerInnen sieht als Hinderungsgrund für den Aufbau von Dialogstrukturen den Wettbewerb der Einrichtungen untereinander, bzw. die Situation Fördergeber/Auftragnehmer im Falle bzWO/Angebote. Ein anderer Teil vermutet einen hohen Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit einrichtungsübergreifenden Dialogen bzw. einem Dialog mit bzWO, welcher beispielsweise bereits drei Monate nach Eintritt eines Klienten/einer Klientin in das Angebot stattfinden sollte. Ein wiederum anderer Teil der GesprächspartnerInnen sieht in datengestützten Fallübergaben vor allem ein (weiteres) Tool für den Leistungsnachweis, somit primär ein Controlling-Instrument. Hier besteht auch der Verdacht, dass eine strukturierte datengestützte Fallübergabe kaum dazu führen wird, dass die Qualität der sozialen Arbeit besser wird, anstelle dessen stünde lediglich die Leistungsdokumentation im Vordergrund. Argumente für eine strukturierte datengestützte Fallübergabe Argumente zugunsten einer strukturierten datengestützten Fallübergabe wurden in etwa genauso häufig angeführt wie die gegenteilige Meinung. Als Hauptargument wurde der Entfall der wiederholten Anamnese, die Möglichkeit der besseren Betreuung der KlientInnen aufgrund allfälliger Vorinformationen, die Chance, auch Etappenziele als positive Zielerreichung verbuchen zu können, die „Objektivierung“ der Falldialoge aufgrund der weniger vom Tagesgeschehen dominierten Aussagen und die Möglichkeit, Einrichtungsgrenzen zu sprengen angeführt. Zur besseren Nachvollziehbarkeit seien auch hier wiederum die Argumente stichwortartig und ohne Kommentierung aufgelistet. • Wenn KlientInnen im Verlauf der Betreuung drei- oder viermal (d.h. bei jedem Angebotswechsel) sich einer Anamnese unterziehen müssten, sei dies für die Person sicherlich nicht förderlich und unterstütze auch nicht den Aspekt der Niedrigschwelligkeit. Das Ritual des wiederholten Herunterbetens des eigenen Scheiterns sei demnach entwürdigend und sollte soweit möglich vermieden werden. • Das „Tabula Rasa Prinzip“ sei keineswegs ein allgemeines in der Literatur zur Sozialer Arbeit akzeptiertes methodologisches Programm. Auch sei die Grundannahme, dass Fachkräfte der sozialen Arbeit Probleme hätten, eine emanzipatorische Haltung gegenüber den Erstinformationen, eher ein Allgemeinplatz als eine handlungsanleitend relevante These. Unterstützt wird diese Argumentationslinie auch dadurch, dass nicht nur zu Beginn, sondern im gesamten Verlauf der Betreuung die ständige Herausforderung darin besteht, neue Verhaltensweisen zuzulassen und den KlientInnen Raum für Veränderungen zu geben. 173
• Alternativen zur strukturierten Fallübergabe seien unter kritischem Lichte zu betrachten. Oftmals würden hierfür persönliche Kontakte genützt, somit Fachpersonal aus den vormals betreuenden Einrichtungen, welches „man schnell mal anrufe“ und zum Letztstand der Entwicklungen mancher KlientInnen befrage. Diese Praxis sei durchaus üblich, aber in kritischem Lichte betrachtet, keine wirkliche Alternative zu einer strukturierten Fallübergabe. So seien Auskünfte aus solchen Quellen oftmals vom Tagesgeschehen diktiert und hätten auch häufig einen sehr persönlichen, individuellen und subjektiven Charakter, weil der Prozess der Verschriftlichung nicht dazwischengeschaltet sei. Weiters dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass Einrichtungen auch im Sozialsektor zumindest teilweise zueinander unter den Bedingungen des Wettbewerbs stünden und aus diesem Grund die Mitarbeiter anderer Einrichtungen teilweise auch als KonkurrentInnen gesehen würden. Dementsprechend könne auch schon einmal der Aspekt des Datenschutzes als Vorwand dienen, um Fallinformationen an die weiterbetreuende Einrichtung schuldig zu bleiben. In diesem Sinne wurde beobachtet, dass geordnete Fallübergaben am besten innerhalb ein- und desselben Träger funktionieren würden, darüber hinausgehend aber die Bemühungen um Informationen aber nicht immer zum Erfolg führen. • Ein weiteres Argument für eine strukturierte datenbasierte Fallübergabe orientiert sich an der Frage, welche Inhalte und Aspekte denn überhaupt relevant sind für die weitere Betreuung. Hier kommen die Gesprächspartner durchwegs zu dem Befund, dass es eben vor allem die Basisinformationen sind, welche diesbezüglich einen Mehrwert darstellen würden. Somit Informationen abseits des Tagesgeschehens, wie zB. die Fragestellung, ob eine Schuldnerberatung bereits in Angriff genommen wurde, oder ob ein Klient/eine Klientin (bereits) in therapeutischer Behandlung ist. • Manchen Erfahrungen zufolge dürfte es vor der Implementation von bzWO einen gegenüber dem Status Quo intensiveren fallbezogenen Informationstransfer gegeben haben. Erinnerungen zufolge wurde dies als positiv für die KlientInnenarbeit erlebt. • Als äußerst reizvoll schätzen manche Fachkräfte auch die Möglichkeit ein, im Zusammenhang mit einer strukturierten datenbezogenen Fallübergabe in den fachlichen Dialog hinsichtlich Zielvereinbarungen zu treten. Dies gilt besonders für die Konstellation bzWO – Wohnangebot. Ein detailliertes und strukturiertes Kategorienschema sollte demnach auch die Vielfalt möglicher Etappenziele und Teil-Zielvereinbarungen abseits des Primärziels „Finalwohnung“ unterstützen. • Als reizvoll wird die Möglichkeit eingeschätzt, mit einer strukturierten Fallübergabe den Fokus anstelle von Zielgruppen vermehrt auf Problemstellungen und Bedarfe zu richten. Zielgruppendiskussionen würden demzufolge in manchen Fällen eine Art begrifflicher Einbahnstraße darstellen, welche zu vermeiden seien. • Das Argument des gläsernen Menschen ähnlich wie bei der elektronischen Gesundheitsakte wird im Zusammenhang mit der strukturierten datengestützten Fallübergabe nicht gesehen, da im System der WWH explizit danach getrachtet würde, die KlientInnen von der Weitergabe von Basisdaten zu unterrichten. Resümee zur Implementation einer strukturierten datenbasierten Fallübergabe Die obige Auflistung der Argumentationen kann auch gleichzeitig als Gegenüberstellung gelesen werden. Schnell wird ersichtlich, dass zum Thema „strukturierte datenbasierte Fallübergabe“ eine sehr breite Palette von Argumentarien existiert. Da die Basis dieser Erhebung eine qualitative Stichprobe darstellt, kann anhand der vorliegenden Daten keine statistisch-repräsentative Einschätzung gegeben werden, welcher der beiden Standpunkte 174
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Oftmals würden hierfür persönliche Kontakte genützt, somit Fachpersonal aus den vormals<br />
betreuenden Einrichtungen, welches „man schnell mal anrufe“ und zum Letztstand<br />
der Entwicklungen mancher KlientInnen befrage. Diese Praxis sei durchaus üblich, aber<br />
in kritischem Lichte betrachtet, keine wirkliche Alternative zu einer strukturierten Fallübergabe.<br />
So seien Auskünfte aus solchen Quellen oftmals vom Tagesgeschehen diktiert<br />
und hätten auch häufig einen sehr persönlichen, individuellen und subjektiven Charakter,<br />
weil der Prozess der Verschriftlichung nicht dazwischengeschaltet sei. Weiters dürfe<br />
nicht unberücksichtigt bleiben, dass Einrichtungen auch im Sozialsektor zumindest teilweise<br />
zueinander unter den Bedingungen des Wettbewerbs stünden und aus diesem<br />
Grund die Mitarbeiter anderer Einrichtungen teilweise auch als KonkurrentInnen gesehen<br />
würden. Dementsprechend könne auch schon einmal der Aspekt des Datenschutzes als<br />
Vorwand dienen, um Fallinformationen an die weiterbetreuende Einrichtung schuldig zu<br />
bleiben. In diesem Sinne wurde beobachtet, dass geordnete Fallübergaben am besten<br />
innerhalb ein- und desselben Träger funktionieren würden, darüber hinausgehend aber<br />
die Bemühungen um Informationen aber nicht immer zum Erfolg führen.<br />
• Ein weiteres Argument für eine strukturierte datenbasierte Fallübergabe orientiert sich an<br />
der Frage, welche Inhalte und Aspekte denn überhaupt relevant sind für die weitere Betreuung.<br />
Hier kommen die Gesprächspartner durchwegs zu dem Befund, dass es eben<br />
vor allem die Basisinformationen sind, welche diesbezüglich einen Mehrwert darstellen<br />
würden. Somit Informationen abseits des Tagesgeschehens, wie zB. die Fragestellung,<br />
ob eine Schuldnerberatung bereits in Angriff genommen wurde, oder ob ein Klient/eine<br />
Klientin (bereits) in therapeutischer Behandlung ist.<br />
• Manchen Erfahrungen zufolge dürfte es vor der Implementation von bzWO einen gegenüber<br />
dem Status Quo intensiveren fallbezogenen Informationstransfer gegeben haben.<br />
Erinnerungen zufolge wurde dies als positiv für die KlientInnenarbeit erlebt.<br />
• Als äußerst reizvoll schätzen manche Fachkräfte auch die Möglichkeit ein, im Zusammenhang<br />
mit einer strukturierten datenbezogenen Fallübergabe in den fachlichen Dialog<br />
hinsichtlich Zielvereinbarungen zu treten. Dies gilt besonders für die Konstellation bzWO<br />
– Wohnangebot. Ein detailliertes und strukturiertes Kategorienschema sollte demnach<br />
auch die Vielfalt möglicher Etappenziele und Teil-Zielvereinbarungen abseits des Primärziels<br />
„Finalwohnung“ unterstützen.<br />
• Als reizvoll wird die Möglichkeit eingeschätzt, mit einer strukturierten Fallübergabe den<br />
Fokus anstelle von Zielgruppen vermehrt auf Problemstellungen und Bedarfe zu richten.<br />
Zielgruppendiskussionen würden demzufolge in manchen Fällen eine Art begrifflicher<br />
Einbahnstraße darstellen, welche zu vermeiden seien.<br />
• Das Argument des gläsernen Menschen ähnlich wie bei der elektronischen Gesundheitsakte<br />
wird im Zusammenhang mit der strukturierten datengestützten Fallübergabe nicht<br />
gesehen, da im System der WWH explizit danach getrachtet würde, die KlientInnen von<br />
der Weitergabe von Basisdaten zu unterrichten.<br />
Resümee zur Implementation einer strukturierten datenbasierten<br />
Fallübergabe<br />
Die obige Auflistung der Argumentationen kann auch gleichzeitig als Gegenüberstellung gelesen<br />
werden. Schnell wird ersichtlich, dass zum Thema „strukturierte datenbasierte Fallübergabe“<br />
eine sehr breite Palette von Argumentarien existiert. Da die Basis dieser Erhebung<br />
eine qualitative Stichprobe darstellt, kann anhand der vorliegenden Daten keine statistisch-repräsentative<br />
Einschätzung gegeben werden, welcher der beiden Standpunkte<br />
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