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Evaluierung Wiener Wohnungslosenhilfe - L&R Sozialforschung

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heitsbilder ergeben sich als Folge von Alkohol- und Drogenmissbrauch, beispielsweise chronische<br />

Entzündungen (Hepatitis, Gastritis, Nasenschleimhaut) etwa aufgrund von Alkoholismus<br />

oder Kokainkonsum. Zwei HIV-PatientInnen erzählen, sich über Nadeln infiziert zu haben.<br />

Auch die Wohnungslosigkeit wird als (Mit-)Verursacherin identifiziert, etwa von Herzbeschwerden,<br />

Asthma oder Infektionen aufgrund schlechter Wundversorgung (Int.Nr.201).<br />

Bei den psychischen Krankheitsbildern – bei denen sich im überwiegenden Teil um Depressionen<br />

handelt – werden in erster Linie verschiedene persönliche Erlebnisse in der Entstehungsgeschichte<br />

geschildert. Sehr häufig werden traumatische Erfahrungen einerseits in<br />

sozialen Beziehungen benannt (Tod von nahen Angehörigen und FreundInnen, Trennung<br />

und Scheidung, in zahlreichen Fällen auch physische und psychische Gewalt durch PartnerIn<br />

oder Eltern), andererseits gilt oft die prekäre Wohnsituation oder der Wohnungsverlust als<br />

Ursache der Depressionen (s. u.). Neben diesen beiden sehr häufigen Konstellationen und<br />

einer eher allgemeinen Disposition und langfristigen Betroffenheit („von Jugend an“,<br />

Int.Nr.122) kommen noch zahlreiche andere konkrete Auslöser zur Sprache. Eine Person<br />

etwa stürzte in eine Depression als ihr ihre Kinder weggenommen wurden (Int.Nr.106), eine<br />

andere durch die Überforderung durch die Kinder (Int.Nr.7), wieder eine andere aufgrund von<br />

Geldsorgen und Versorgungsängsten (Int.Nr.148), mehrere durch den Jobverlust<br />

(Int.Nr.73,52), usw. In wenigen Fällen stellen sich Depressionen auch als Folge körperlicher<br />

Beschwerden oder deren Behandlung dar, beispielsweise aufgrund der Medikation einer<br />

Hepatitis (Int.Nr.77) oder der Krebserkrankung (Int.Nr.16).<br />

Andere psychische Beschwerden wie Angst- und Panikattacken beruhen zumeist auf massiven<br />

Traumatisierungen, etwa durch Vergewaltigungen (Int.Nr. 24,158) oder in einem Fall<br />

auch durch eine Geiselnahme (Int.Nr.120).<br />

Für die Entstehungsgeschichte von Alkoholismus und Drogenmissbrauch lassen sich ebenfalls<br />

einerseits konkrete Ursachen identifizieren, andererseits entsteht das Konsumverhalten<br />

oftmals in kleinen Schritten und ohne besondere Umstände. Konkrete Anlässe sind vor allem<br />

mit Kummer und Schmerz verbunden. Zum einen geht es häufig um Trennungen oder den<br />

Tod von PartnerInnen und FreundInnen und das Verdrängen von Problemen („Probleme mit<br />

den Eltern verdrängen und in eine andere Welt flüchten“, Int.Nr.77, „Nach der Zwangsheirat<br />

mit 17 und Problemen in der Ehe hab ich mit 18 zu trinken begonnen“ (Int.Nr.132)), zum anderen<br />

um Frustration etwa aufgrund von Jobverlust, dem damit verbundenen Gefühl „unnütz<br />

für die Gesellschaft zu sein (Int.Nr.108), um Einsamkeit (Int.Nr.196) und mehrfach auch um<br />

Langeweile („ich habe zu viel Zeit“, Int.Nr.141).<br />

Auf der anderen Seite wird sehr oft das soziale Umfeld als Auslöser für Alkohol- und Drogenkonsum<br />

erlebt. So erzählt etwa ein/e KlientIn, dass es „in der Arbeit gang und gäbe ist,<br />

zu trinken nach der Schicht“ (Int.Nr.135), mehrere berichten von einem Freundeskreis, in<br />

dem Alkohol, Marihuana oder härtere Drogen „normal“ (Int.Nr.78) sind und Probleme damit<br />

werden oftmals auch nicht als Krankheit eingestuft. Gerade der Konsum von Kokain und<br />

Heroin ist auch mit Neugier (Int.Nr.72) verbunden. Zwei Männer erwähnen das Bundesheer<br />

als wesentlichen Kontext ihres Alkoholkonsums. Zwei Personen erzählen, dass ihr/e WohnungspartnerIn<br />

AlkoholikerIn gewesen ist und er/sie deshalb auch zu trinken begonnen haben,<br />

eine weitere lernte das Trinken bereits im Elternhaus: „schon als Baby habe ich von den<br />

Eltern Alkohol zum Schlafen eingeflößt bekommen, richtig angefangen habe ich dann mit 10<br />

Jahren“ (Int.Nr.166).<br />

Nicht-substanzgebundenes Suchtverhalten betrifft eine relativ kleine Gruppe der KlientInnen,<br />

die Entstehungsgeschichten ähneln jenen von Alkohol- und Drogensucht: Einsamkeit und die<br />

Animation durch Freunde werden hier genannt.<br />

Die häufige Betroffenheit durch mehrere Krankheitsbilder (Durchschnitt von 2,15 Krankheitsbildern)<br />

und die Verzahnung verschiedener Problemfelder führt häufig zu sehr komplexen<br />

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