Mitteilungen Nr. 52 - Hans Henny Jahnn
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andern nicht Unrecht zu tun, wenn ich bekenne, dass ich mit besonderem Genuss auf<br />
<strong>Hans</strong> Kaysers Cello hörte. Einmal erhob die Geigerin Einspruch, wohl mit einigem<br />
Recht: ‘Ich komme mit meinen schönen Ornamenten zur Melodie des Cellos nicht auf.<br />
Sollten Sie nicht ein wenig mit dem Forte zurückhalten?’ Dr. Kayser antwortete, er<br />
führe hier mit dem Thema, alles andere ranke sich darum und habe eben lediglich zu<br />
dienen. Aber im Ganzen fügte man sich willig seiner Auffassung und Interpretation.<br />
Hier wie auch bei Beethoven-Sätzen gewann ich den Eindruck, dass der Cellist voller<br />
Liebe zur klassischen Musik war, die sich mehr und mehr verbindet mit dem Geiste<br />
der Romantik. Der stattliche Mann mit dem vornehmen Gesicht, umrahmt von grauen<br />
Locken, mutete mich an wie ein später Vertreter des begeisterungsfähigen Geschlechtes,<br />
das einen Schubert und Hölderlin hervorbrachte. Wenig später folgte ich seiner<br />
Einladung, ihn in seinem Hause am Pappelweg – am Rande von Ostermundigen<br />
gegen das damals noch freie, offene Feld hin – zu besuchen. Er war zur Predigt<br />
gekommen, die ich ausnahmsweise in Ostermundigen gehalten hatte. Er wartete auf<br />
mich, da wir denselben Weg zu gehen hatten. Er äusserte sich über die gehörte<br />
Predigt. Aber auch später sass er nicht selten in der Kirche, wenn ich den Dienst<br />
verrichtete; vor allem, als er durch den Umzug nach Bolligen, wo er ein Haus nach<br />
seinen Bedürfnissen hatte bauen lassen, mein Nachbar geworden war. Wenige haben<br />
mir wie <strong>Hans</strong> Kayser durch Fragen und spürbare Anteilnahme bei meiner Arbeit geholfen<br />
und mir Mut gemacht, mir selber immer neu das Letzte abzufordern. Solange er<br />
in Ostermundigen wohnte, wurde es mir beinahe zur Gewohnheit, auf dem Heimweg<br />
bei ihm anzuklopfen, wenn ich dort einen Dienst verrichtet hatte. Das fiel einem alten<br />
Fabrikarbeiter auf, der Kaysers Nachbar war. Als ich wieder einmal dem Hause von<br />
Dr. Kayser zusteuerte, sprach der Mann mich an: ‘Ich sage immer zu meiner Frau:<br />
Respekt vor dem Bolligenpfarrer, dass er zum Dr. Kayser geht. Der ist nämlich ein<br />
freundlicher Herr und dazu noch ein Gelehrter. Aber er grüsst mich immer freundlich,<br />
und darum muss ich euch sagen, dass eure Besuche bei ihm mich freuen.’<br />
Eisenbahn vor Philosophie<br />
Nun ging es bei meinen vorerst flüchtigen Besuchen nicht so zu, wie der treuherzige<br />
alte Mann es sich wohl vorstellte. Denn <strong>Hans</strong> Kayser empfing mich auch deshalb gern,<br />
weil ich mich für sein Eisenbahnmodell interessierte, das er in seinem grossen, etwas<br />
verwilderten Garten aufmontiert hatte. Die Schienen mit Doppelgeleisen und Ausweichstellen<br />
liefen über selbstgegossene Betonpfähle. Leider befand sich die kleine<br />
Gotthard-Lokomotive ständig in Reparatur. Sie soll mit den angehängten Güter- und<br />
Personenwagen früher lustig auf den Schienen und Nebengeleisen herumgedampft<br />
sein. Doch das zu sehen war mir nicht vergönnt, auch nicht im kleinern Gärtlein in Bolligen,<br />
wo die Schienen mit Kurven die Steigungen des Geländes überwanden. Doch<br />
ich traf ihn auch in Bolligen in seiner Werkstätte an beim Löten des Kessels, beim<br />
Schweissen, Feilen, immer in Gedanken an Enkelkinder, die er mit seinem Werk erfreuen<br />
wollte. Diese Liebhaberei führte <strong>Hans</strong> Kayser in den Kreis von Herstellern ähnlicher<br />
Eisenbahnmodelle; fröhlich erzählte er, wie er mit dem von ihm mitbegründeten<br />
‘Schweizerischen Modell-Eisenbahn-Club’ beim Jubiläum der Spanisch-Brötlibahn die<br />
lustige Eröffnungsfahrt im Aargau mitgemacht habe. Nicht die Musik, sondern diese<br />
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