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Mitteilungen Nr. 52 - Hans Henny Jahnn

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<strong>Hans</strong> Kayser und die Harmonik<br />

Von Prof. Ludwig Holtmeier, aus MGG, MusikGeschichte von den Anfängen<br />

bis zur Gegenwart<br />

Kayser, <strong>Hans</strong>, geb. 1. April 1891 in Buchau (Württemberg), gest. 14. April 1964 in Bolligen<br />

bei Bern. Der Sohn eines wohlhabenden Apothekers verbrachte die Schulzeit in<br />

Sigmaringen, erhielt dort auch ersten Musikunterricht. 1911 ging Kayser nach Berlin.<br />

Dort studierte er Musik, u.a. Komposition bei Humperdinck und Musikwissenschaft<br />

bei Kretzschmar. Nachdem er sich mit Humperdinck überworfen hatte, studierte er<br />

wenige Monate bei Joseph Haas in Stuttgart, brach aber dieses Studium ab und kehrte<br />

nach Berlin zurück. Im April 1913 wurde er Schüler Arnold Schönbergs. Auch dieses<br />

Unterrichtsverhältnis hatte nur kurze Zeit bestand. Er promovierte schliesslich<br />

1916 in Kunstgeschichte. Kayser wechselte in dieser Zeit den Beruf (Kinomusiker,<br />

Kritiker, Töpfer, Weber, Setzer und Druckereibesitzer) so häufig wie den Wohnort. Ab<br />

1918 war er Herausgeber der im Insel-Verlag erscheinenden Reihe Der Dom. Bücher<br />

deutscher Mystik (13 Bde.). Über die Beschäftigung mit der Mystik gelangte er zur<br />

«Harmonik». Seit 1920 arbeitete er systematisch und beharrlich an der Reformulierung<br />

des pythagoreischen Denkens. 1924 entstand sein erstes harmonikales Werk (Orpheus.<br />

Vom Klang der Welt). Von einem Schweizer Mäzen gefördert, ging Kayser<br />

1933 in die Schweiz und lebte bis zu seinem Tod als Privatgelehrter in Bolligen bei<br />

Bern.<br />

Kayser versuchte die alte pythagoreische Tradition der Weltenharmonie, die in Johannes<br />

Kepler einen Gipfel- und Endpunkt erreicht hatte und von Albert von Thimus im<br />

19. Jahrhundert wieder aufgegriffen wurde, auf Grundlage neuzeitlicher naturwissenschaftlicher<br />

Methoden als «Harmonik» (Kepler, Harmonice mundi) bzw. «Akróasis»<br />

(Anhörung, als Gegensatz zur «Aisthesis» = Anschauung) wiederzubeleben. Kayser<br />

erweiterte Thimus‘ Harmonik um den Begriff der «Tonzahl». Für ihn beschränkte sich<br />

die pythagoreische Tradition nicht darauf, Qualitatives von Quantitativem (den «erlebten»<br />

Ton von schwingenden Zahlenverhältnissen) abzuleiten, sondern der eigentliche,<br />

esoterische, als «Geheimlehre» weitergegebene Pythagoreismus überführte Quantitatives<br />

in Qualitatives, d.h. das gesamte in «Zahlenverhältnissen» strukturierte Universum<br />

kann in der «Tonzahl» gefühlt oder genauer: in seiner «seelischen Struktur» (Akróasis)<br />

unbewusst «gehört» werden. Die «seelische Struktur» versucht Kayser in aufwendigen<br />

Grafiken (vor allem in seinem Lehrbuch der Harmonik), denen er den schönen Namen<br />

«audition visuelle» gab, zu verdeutlichen. Diesem Grundgedanken schuldet die<br />

Harmonik die Bezeichnung der Lehre vom «Klang der Welt».<br />

Eines der Hauptanliegen der Kayserschen Harmonik (wie der Harmonik überhaupt –><br />

Harmonie) ist es, an immer neuen Beispielen Proportionen als kosmische Normen<br />

nachzuweisen. Kayser sah sich dabei selbst als «exakter» Wissenschaftler. Die Harmonik<br />

beinhaltet eine spekulative «universalistische» Metaphysik, die vermeint, über<br />

historische und kulturelle Grenzen hinweig unterschiedlichste philosophische und<br />

theologische Lehren und Richtungen synthetisieren zu können. Kayser wollte mit Hilfe<br />

der Proportionenlehre den Zusammenhang zwischen verschiedenen Seins- und<br />

Denkformen zeigen und normative Gemeinsamkeiten aufweisen, die mit Verhältnissen<br />

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