Mitteilungen Nr. 52 - Hans Henny Jahnn
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Die Harmonik in Wien heute<br />
em. Prof. Dr. Rudolf Haase<br />
Wien, 18.11.03<br />
Lieber Walter<br />
Da ich mich in diesen Tagen besser konzentrieren kann, habe ich mich entschlossen,<br />
Deiner Anregung zu folgen und habe also ein paar Zeilen über die Harmonik in Wien<br />
aufgeschrieben, die hoffentlich Deiner Vorstellung entsprechen. Ich habe mich auf das<br />
Wesentliche beschränkt, das für Deinen Zweck sicherlich genügen wird.<br />
Herzliche Grüsse<br />
Dein Rudolf<br />
Aus Anlass des 40. Todestages von <strong>Hans</strong> Kayser wurde ich gebeten, eine Darstellung<br />
der Weiterentwicklung der Harmonik aus meiner Sicht vorzunehmen. Ich folge dieser<br />
Anregung gern, muss jedoch einschränkend bemerken, dass die von mir weiterentwickelte<br />
Harmonik keineswegs mit Kaysers Harmonik identisch ist. Das hat vor allen<br />
Dingen zwei Gründe. Erstens den, dass ich bereits vor meiner Tätigkeit in Wien (1965)<br />
vorwiegend in Deutschland über 100 Vorträge über Harmonik gehalten, sowie zahlreiche<br />
Publikationen mit harmonikalem Inhalt verfasst habe. Der zweite Grund war eine<br />
Folge meiner Berufung an die damalige Akademie für Musik und darstellende Kunst in<br />
Wien mit dem Auftrag, die Harmonik als wissenschaftliches Fach zu etablieren. Dies<br />
war notwendig, weil vom Gesetz in Österreich wissenschaftliche Forschung an Hochschulen<br />
vorgeschrieben ist. Der Versuch ist gelungen; denn heute gibt es eine Musikuniversität<br />
anstelle der früheren Akademie als Folge der von mir und einigen anderen<br />
Kollegen eingeführten Neuerungen.<br />
Die erwähnten harmonikalen Arbeiten hatten mir reiche Erfahrung in der Darstellung der<br />
Harmonik gebracht, jedoch mich auf dringend notwendige Veränderungen<br />
aufmerksam gemacht. Es zeigte sich nämlich, dass die von Kayser angestrebte Verschmelzung<br />
der Harmonik mit der Mystik nicht sehr publikumswirksam war. Ich entschloss<br />
mich daher, die Harmonik anders darzustellen, nämlich mit einer empirischen<br />
Grundlage. Diese Erfahrungen führten schliesslich in Wien dazu, das dort neue Unterrichtsfach<br />
nicht mehr als «Kaysersche Harmonik» anzubieten, sondern als «Harmonikale<br />
Grundlagenforschung». Das wichtigste meiner seither erschienenen Bücher hat<br />
daher den Titel «Der messbare Einklang. Grundzüge einer empirischen Weltharmonik»<br />
(bei Klett-Cotta in Stuttgart 1976). Es kam ferner dazu, dass in diesem Fach auch<br />
Diplom-Arbeiten geschrieben werden konnten, von denen bisher 20 anerkannt wurden.<br />
Die Verbreitung der Harmonik in Wort und Schrift wurde selbstverständlich fortgesetzt,<br />
wobei eine beträchtliche Vergrösserung der Reichweite zu verzeichnen ist. Letztere<br />
betraf sehr wesentlich auch meinen damaligen Assistenten und jetzigen Nachfolger<br />
Prof. Dr. Werner Schulze, der sogar in Indien und Indonesien Vorträge hielt und der<br />
sich darum bemüht, die Harmonik im spanischen Sprachgebiet publik zu machen.<br />
Damit ist der charakteristische Unterschied in der Entwicklung der Harmonik gekennzeichnet;<br />
doch wurde selbstverständlich auch Kaysers Harmonik von mir unterrichtet,<br />
nämlich im 7. und 8. Semester. Es besteht daher nach wie vor die Möglichkeit, sich<br />
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