Mitteilungen Nr. 52 - Hans Henny Jahnn
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logien zwischen verschiedenen Gebieten aufzuzeigen, Querverbindungen zu schaffen,<br />
die von den einzelnen Spezialwissenschaften nicht bemerkt werden können, die aber<br />
in der Natur offenbar eine erhebliche Rolle spielen. Ausserdem sind die Gesetzmässigkeiten<br />
auch im menschlichen Gehör veranlagt, worüber nun zu sprechen ist.<br />
Gehördisposition und Intervallwahrnehmung<br />
Schon in der griechischen Antike wurde behauptet, dass eine Harmonie von Leib und<br />
Seele besteht, und dass diese Harmonie auf die harmoniai der Musik, auf die<br />
«Fügung» der Töne in den Skalen abgestimmt ist. KEPLER, der grosse Platoniker der<br />
Barockzeit, vertrat eine ähnliche Ansicht: In der Seele befinden sich die Urbilder<br />
solcher Harmonien.<br />
Für die harmonikale Forschung war es eine wichtige Aufgabe, der Frage nach einer<br />
solchen «Abgestimmtheit» nachzugehen und dabei aktuelle Forschungsergebnisse<br />
einzubeziehen. Dabei konnte an empirische Untersuchungen des Gehörs durch HEIN-<br />
RICH HUSMANN angeknüpft werden. HUSMANN hat festgestellt, dass die Anatomie des<br />
Ohres (Nichtlinearität) den am Trommelfell ankommenden Tönen weitere, im Ohr entstehende<br />
Klänge hinzufügt, und zwar von jedem Einzelton wiederum dessen Oberton-<br />
«Säule» (Ohr- oder subjektive Obertöne); bei zwei Tönen treten ausserdem, eine<br />
Mindestlautstärke der Primärtöne vorausgesetzt, Kombinationstöne auf (Summationstöne,<br />
Differenztöne). Durch diese komplexen Ober- und Kombinationstonmuster<br />
ergeben sich für jedes Intervall typische Charakteristika, insbesondere eindeutig abgestufte<br />
Sonanzgrade. (In Wahrheit ist der Weg vom physikalischen Reiz über die physiologische<br />
Sinneserregung bis zur psychischen Hörleistung und zur bewusstseinsmässigen<br />
Klassifizierung und Sinn-Gebung weitaus komplexer und nur zum allergeringsten<br />
Teil mathematisch fassbar.) Es zeigt sich: Die auf ganzzahligen Proportionen<br />
beruhenden Intervalle werden vom Ohr bevorzugt.<br />
Sie werden wie in einem Glissando, bei<br />
Liegenlassen des ersten Intervalltons und bei<br />
kontinuierlichem Anstieg des zweiten, vom Hörbewusstsein<br />
wie «herausleuchtende Punkte»<br />
wahrgenommen. Dass die Intervallproportionen<br />
seit Antike verwendet werden, hat folglich nicht<br />
nur einen mathematischen Grund. Auch Phänomene<br />
wie die Diatonik, die Chromatik oder<br />
die Dur-Skala erhalten also bereits durch den<br />
Bau des Ohres und den Übertragungsweg vom<br />
(physischen) Reiz über die (physiologische) Erregung<br />
und (psychische) Wahrnehnung bis hin<br />
zur (bewusstseinsmässigen) Klassifizierung ihre<br />
Prägung.<br />
Die psychische Gehörsdisposition liegt vor allem<br />
Pythagoras<br />
in der Ermöglichung der Abweichung von den<br />
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