Mitteilungen Nr. 52 - Hans Henny Jahnn
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Weltharmonie auf der Basis musikalischer Gesetze vertraut, und man schrieb über<br />
dieses Thema mit einer gewissen «Gläubigkeit», die keiner rechtfertigenden Reflexion<br />
bedurfte; als Autoritäten, auf die man sich hierbei berufen konnte, galten vor allem<br />
PYTHAGORAS und PLATON, aber auch lateinische Autoren wie CICERO oder CHALCIDIUS.<br />
Ein grosser Denker der Barockzeit machte sich zur Lebensaufgabe, die alte Lehre von<br />
der Weltharmonie ins Zentrum seines wissenschaftlichen Bemühens zu rücken und sie<br />
mit den ihm vorliegenden Beobachtungsdaten der Planetenbewegungen zu verknüpfen:<br />
JOHANNES KEPLER, der berühmte Mathematiker und Astronom, der in seinen Fünf<br />
Büchern von der Weltharmonik (Harmonices mundi libri V) davon sprach, dass in den<br />
Planetenbahnen harmonikal deutbare Proportionen angenähert werden. Zu KEPLERS<br />
Lebzeit wurden seine Bemühungen freilich missdeutet, später sogar verlacht. Am<br />
Ende der Barockzeit, mit dem beginnenden Triumphzug der Naturwissenschaften,<br />
geriet die Lehre von der pythagoreischen Weltharmonie wieder in Vergessenheit.<br />
Dieser Sachverhalt änderte sich erst vor etwa hundert Jahren, nachdem der Privatgelehrte<br />
ALBERT VON THIMUS die alten Ideen wieder aufgegriffen und sich insbesondere<br />
der verschütteten antiken Quellen angenommen hatte. Er verfasste ein zweibändiges<br />
Werk mit dem Titel Die harmonikale Symbolik des Altertums, in dem er allerdings<br />
zutreffende Deutungen mit ausufernden Spekulationen vermischte, zu denen er durch<br />
die Symbolik der alten Hochkulturen inspiriert worden war. Seinem Lebenswerk wäre<br />
kaum ein nennenswerter Erfolg beschieden gewesen, hätte nicht der deutsch-schweizerische<br />
Privatgelehrte HANS KAYSER (1891–1964) THIMUS‘ harmonikalen Denkansatz<br />
aufgegriffen und mit neuen Erkenntnissen verbunden. Diese sogenannte «Kaysersche<br />
Harmonik» war eine Synthese der pythagoreischen Tradition, eingekleidet in eine<br />
eigenwillige, mystisch gefärbte Metaphysik. Die moderne Harmonik ging aus ihr hervor,<br />
freilich unter Ausklammerung des spekulativen Moments bei gleichzeitiger Akzentuierung<br />
einer induktiven Methodik.<br />
Harmonikale Naturgesetze<br />
Die harmonikale Tradition überliefert aus der Antike, dass die Zahlengrundlagen der<br />
Musik, die Proportionen der Rhythmen und Intervalle, auch als Naturgesetze zutage<br />
treten und im Menschen verankert und als psychische Qualitäten erlebt werden. Welcher<br />
Art sind diese Gesetze, die auf diese Weise Quantitäten und Qualitäten verbinden?<br />
Die Intervalle der Musik sind untrennbar mit niedrigzahligen Proportionen verbunden:<br />
Die Oktave hat die Proportion 2:1, die Quinte 3:2, die Quarte 4:3, die grosse<br />
Terz 5:4, die kleine Terz 6:5, und so weiter. Diese Verknüpfung von Intervall-Qualitäten,<br />
die – als Wahrnehmungsinhalte – psychisch erlebbar sind, mit Proportions-Qualitäten,<br />
die – als mathematische Entitäten – rational verstehbar sind, kann am Monochord auf<br />
einfache Weise hör- und sichtbar gemacht werden.<br />
Die mathematischen Gesetze der musikalischen Grundlagen sind zugleich allgemeine<br />
Naturgesetze – so dachte man bereits in der Antike, und die moderne harmonikale<br />
Forschung verfolgt denselben Weg. Jene naturwissenschaftliche Disziplin, in der uns<br />
die harmonikalen Gesetze unmittelbar begegnen, ist die Akustik; Obertöne erklingen<br />
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