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Individuell und selbstgesteuert lesen und schreiben lernen mit

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Wer wird behindert?<br />

Abweichung bereits mehr als sechs Monate anhält oder <strong>mit</strong> hoher<br />

Wahrscheinlichkeit anhalten wird, so ist nach dem Wortlaut des<br />

Gesetzes als hinreichendes Kriterium zu prüfen, ob auf Gr<strong>und</strong> der<br />

altersuntypischen geistigen Fähigkeit (etc.) der Antragstellerin oder<br />

des Antragstellers deren oder dessen Teilhabe am Leben in der<br />

Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dieses Kriterium stellt den Prüfer<br />

oder die Prüferin, sofern er oder sie sich am genauen Wortlaut des<br />

Gesetzes orientiert, vor eine gewaltige Aufgabe. Denn wann ist die<br />

Teilhabe einer Person am Leben in der Gesellschaft „beeinträchtigt“,<br />

<strong>und</strong> wann ist sie dies nicht? Welche Informationen über die<br />

Teilhabe der Antragstellerin oder des Antragstellers am Leben in<br />

der Gesellschaft müssten mindestens vorliegen, da<strong>mit</strong> eine solche<br />

Beeinträchtigung festgestellt werden könnte? Und wer müsste<br />

diese Informationen bereitstellen? Es ist nicht zu übersehen, dass<br />

eine sorgfältige Prüfung dieses Kriteriums originär sozialwissenschaftliches<br />

Wissen erfordern würde.<br />

Die Behinderungsdefinition des SGB IX zerfällt geradezu in einen<br />

medizinischen <strong>und</strong> einen sozialwissenschaftlichen Teil. Auch dem<br />

zweiten Teil liegt eine Skala zu Gr<strong>und</strong>e, nämlich die der „Teilhabe<br />

am Leben in der Gesellschaft“. Würde der Gesetzgeber tatsächlich<br />

verlangen, dass die am Anerkennungsverfahren beteiligten<br />

Professionellen sich bei der Feststellung einer Beeinträchtigung der<br />

sozialen Teilhabe einer Person an einer wissenschaftlichem<br />

Operationalisierung des Begriffs „soziale Teilhabe“ zu orientieren<br />

haben, dann hätte, wie WALDSCHMIDT (1998, 15) bereits im<br />

Hinblick auf die Definition des Begriffs „handicap“ nach der WHO-<br />

Definition von 1980 konstatiert, „die Medizin ihre Monopolstellung<br />

als Leitdiskurs verloren <strong>und</strong> ihre Definitionsmacht zumindest<br />

teilweise an die Sozialwissenschaft [abgegeben]“. Zugleich würde<br />

sich die Zuweisung des Status „behinderter Mensch“ auch in der<br />

- 9 -<br />

Heilpädagogik online 04/ 04

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