als PDF - Texte von Dieter Wolf

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21.04.2014 Aufrufe

menhang mit seinen Überlegungen über die Einheit von Darstellung und Kritik schreibt er: »Die Marxsche Theorie gibt eine kritische Darstellung der Kategorien, deren die bürgerliche Ökonomie sich bedient.« 24 Entgegen dem verkürzten methodologischen Selbstverständnis, das Theunissen hier Marx unterstellt, ist die »Kritik der Politischen Ökonomie« keine bloße Kritik der Kategorien, deren sich die klassische Ökonomie bedient; vielmehr ist sie als Darstellung der bürgerlichen Gesellschaft zugleich deren Kritik, d.h. eine Kritik der bürgerlichen Gesellschaft, die nicht von außen an diese herangetragen, sondern durch die Darstellung ihres nach allen Seiten hin widersprüchlichen inneren Zusammenhangs geleistet wird. Bei der Entwicklung der gesellschaftlichen Formen der Arbeit geht es Marx im »Kapital« um Folgendes: Bei allem, was den Individuen in ihrem Verhalten zueinander bewusst ist, bleibt ihnen der die gesellschaftlichen Formen der Arbeit erklärende Entstehungs- bzw. Vermittlungsprozess unbewusst. Was von den gesellschaftlichen Formen der Arbeit im Bewusstsein der Individuen erscheint, ist also sehr viel weniger, als diese in der von den Individuen geschaffenen ökonomisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit sind. Marx hat sich in seinem Forschungsprozess mit der klassischen Ökonomie auseinander gesetzt. Sie hat einen großen Anteil an seiner Einsicht in die bürgerliche Gesellschaft. Dies kann aber nicht, wie Theunissen das tut, so gewendet werden, als sei das »Kapital« die kritische Darstellung der bürgerlichen Ökonomie, wobei dann »auch die reale Basis der kapitalistischen Gesellschaftsformation zugänglich wird«, 25 vielmehr ist und bleibt das Umgekehrte richtig: Die Darstellung und Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsformation, durch die diese nicht nur irgendwie »zugänglich« wird, sondern ihrer inneren Struktur nach vollständig erfasst wird, ist zugleich die »Kritik bürgerlicher Ökonomiewissenschaft«. Wie wenig Theunissen bei einer solchen Einschätzung der Einheit von Darstellung und Kritik behaupten kann, Marx habe die in dieser Einheit eingeschlossene »Methodenproblematik ... auch ... nicht bewältigt«, 26 zeigt sich in aller Deutlichkeit dann, wenn er sich inhaltlich mit der durch die Ware, das Geld und das Kapital in ihrer historisch-spezifischen Form gekennzeichneten gesellschaftlichen Arbeit auseinander setzen muss; denn hierbei legt er eine solche Kenntnis an den Tag, die nicht einmal ausreicht, verständlich zu machen, was »unmittelbare« und was »vermittelte« Gesellschaftlichkeit der Arbeit heißt, geschweige denn deren Unterschied festzuhalten. 27 Auch wenn Theunissen, auf die Einheit von Kritik und Darstellung abhebend, »die Hegelsche Logik ... nach der methodischen Idee, die ihr zugrunde liegt,« als 24 Michael Theunissen, Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik, Frankfurt/ Main 1980, S. 16. 25 Ebd. 26 Ebd., S. 19. 27 Vgl. Teil 5, Anhang der vorliegenden Untersuchung. 20

»Einheit von Kritik und Darstellung der Metaphysik« kennzeichnet, dann denkt er vorschnell an die Kritik des vergangenen und gegenwärtigen philosophisch und nicht-philosophisch gebildeten Bewusstseins. Er berücksichtigt unzureichend, dass es in Hegels »Logik« um Folgendes geht: Hegel hebt, was sowohl die Genesis seiner Philosophie wie auch die spätere systematische Gliederung seines »Systems der philosophischen Wissenschaften« anbelangt, nicht sofort und nicht unmittelbar auf die im Medium des Denkens sich vollziehende Kritik der Denkbestimmungen ab. Den entscheidenden Ausgangspunkt bildet vielmehr die durch die Erzeugung des Gegensatzes von Natur und Geschichte bestimmte Darstellung des inneren Zusammenhangs von Natur-, Gesellschafts- und Denkformen in der mystischidealistischen Gestalt der Einheit des die wechselseitige Gleichgültigkeit der Seiten einschließenden Gegensatzes von »Natur« und »Geist«. Hegel bemüht sich um die inhaltlich bestimmte Entfaltung und Vermittlung dieses Gegensatzes, worin die Denkformen in ein Verhältnis gesetzt sind zu einem von ihnen auch verschiedenen Gegenstand, zu einer auch von ihnen verschiedenen Welt. An einem bestimmten Punkt der Entwicklung seiner Philosophie löst Hegel diesen Gegensatz nach der Seite des Denkens auf. Er verwandelt den absoluten Geist unter der Hand aus einem naturwüchsigen Resultat der durch den Gegensatz bestimmten verkehrten Auffassung von der Wirklichkeit in das diesen Gegensatz ursprünglich produzierende und damit die ganze Welt in sich vereinigende selbständige Subjekt. Aber auch jetzt handelt es sich um einen durch den Nachvollzug der Erzeugung des Gegensatzes von Natur und Geschichte aus den bestimmten materiell-gesellschaftlichen Verhältnissen heraus inhaltlich auszuweisenden Prozess. Aufgrund seines verkürzten Begreifens der gesellschaftlichen Arbeit in den Bestimmungen von »Arbeit« und »Tausch« erzeugt Hegel den Gegensatz von Natur und Geschichte in Form des Gegensatzes von »Natur und Geist«, ein Gegensatz, von dem Hegel, ohne seine wahre Herkunft zu kennen, sagt, dass er gemacht werden müsse. 28 Die Art und Weise, in der Hegel diesen Gegensatz erzeugt, bringt ihn dazu, diesen nach der Seite des Denkens, d.h. in den absoluten Geist als das über Natur und endlichen Geist übergreifende, beiden Extremen gemeinsame Dritte hinein aufzulösen. Hegel erkennt, dass das Begreifen der Wirklichkeit in der Bestimmung der Einheit des Gegensatzes von »Natur« und »Geist« zu schon mit der Descartes’schen Philosophie einsetzenden Auflösung des Gegensatzes nach der Seite des Denkens führt. Die Selbstbewegung der Wirklichkeit gelangt als die Entfaltung und Vermittlung des Gegensatzes von »Natur« und »Geist« im »absoluten Geist« als das den beiden Seiten gemeinsame Dritte an ihr Ziel. Darin muss Hegel 28 G.W.F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, in: G.W.F.Hegel, Bd. 10, Theorie Werkausgabe, Frankfurt/Main 1970, S. 48 (im Folgenden zitiert als: G.W.F. Hegel, Enzyklopädie III, Bd. 10); vgl. hierzu: Dieter Wolf, Hegel und Marx. Zur Bewegungsstruktur des absoluten Geistes und des Kapitals, Hamburg 1979, Kapitel 2, insbes. S. 52ff. (im Folgenden zitiert als: D. Wolf, Hegel und Marx) 21

menhang mit seinen Überlegungen über die Einheit <strong>von</strong> Darstellung und Kritik<br />

schreibt er: »Die Marxsche Theorie gibt eine kritische Darstellung der Kategorien,<br />

deren die bürgerliche Ökonomie sich bedient.« 24 Entgegen dem verkürzten methodologischen<br />

Selbstverständnis, das Theunissen hier Marx unterstellt, ist die »Kritik<br />

der Politischen Ökonomie« keine bloße Kritik der Kategorien, deren sich die<br />

klassische Ökonomie bedient; vielmehr ist sie <strong>als</strong> Darstellung der bürgerlichen<br />

Gesellschaft zugleich deren Kritik, d.h. eine Kritik der bürgerlichen Gesellschaft,<br />

die nicht <strong>von</strong> außen an diese herangetragen, sondern durch die Darstellung ihres<br />

nach allen Seiten hin widersprüchlichen inneren Zusammenhangs geleistet wird.<br />

Bei der Entwicklung der gesellschaftlichen Formen der Arbeit geht es Marx im<br />

»Kapital« um Folgendes: Bei allem, was den Individuen in ihrem Verhalten zueinander<br />

bewusst ist, bleibt ihnen der die gesellschaftlichen Formen der Arbeit erklärende<br />

Entstehungs- bzw. Vermittlungsprozess unbewusst. Was <strong>von</strong> den gesellschaftlichen<br />

Formen der Arbeit im Bewusstsein der Individuen erscheint, ist <strong>als</strong>o sehr<br />

viel weniger, <strong>als</strong> diese in der <strong>von</strong> den Individuen geschaffenen ökonomisch-gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit sind.<br />

Marx hat sich in seinem Forschungsprozess mit der klassischen Ökonomie auseinander<br />

gesetzt. Sie hat einen großen Anteil an seiner Einsicht in die bürgerliche<br />

Gesellschaft. Dies kann aber nicht, wie Theunissen das tut, so gewendet werden,<br />

<strong>als</strong> sei das »Kapital« die kritische Darstellung der bürgerlichen Ökonomie, wobei<br />

dann »auch die reale Basis der kapitalistischen Gesellschaftsformation zugänglich<br />

wird«, 25 vielmehr ist und bleibt das Umgekehrte richtig: Die Darstellung und Kritik<br />

der kapitalistischen Gesellschaftsformation, durch die diese nicht nur irgendwie<br />

»zugänglich« wird, sondern ihrer inneren Struktur nach vollständig erfasst<br />

wird, ist zugleich die »Kritik bürgerlicher Ökonomiewissenschaft«.<br />

Wie wenig Theunissen bei einer solchen Einschätzung der Einheit <strong>von</strong> Darstellung<br />

und Kritik behaupten kann, Marx habe die in dieser Einheit eingeschlossene<br />

»Methodenproblematik ... auch ... nicht bewältigt«, 26 zeigt sich in aller Deutlichkeit<br />

dann, wenn er sich inhaltlich mit der durch die Ware, das Geld und das Kapital<br />

in ihrer historisch-spezifischen Form gekennzeichneten gesellschaftlichen Arbeit<br />

auseinander setzen muss; denn hierbei legt er eine solche Kenntnis an den Tag, die<br />

nicht einmal ausreicht, verständlich zu machen, was »unmittelbare« und was »vermittelte«<br />

Gesellschaftlichkeit der Arbeit heißt, geschweige denn deren Unterschied<br />

festzuhalten. 27<br />

Auch wenn Theunissen, auf die Einheit <strong>von</strong> Kritik und Darstellung abhebend,<br />

»die Hegelsche Logik ... nach der methodischen Idee, die ihr zugrunde liegt,« <strong>als</strong><br />

24<br />

Michael Theunissen, Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik, Frankfurt/<br />

Main 1980, S. 16.<br />

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Ebd.<br />

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Ebd., S. 19.<br />

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Vgl. Teil 5, Anhang der vorliegenden Untersuchung.<br />

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