20.04.2014 Aufrufe

Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert ...

Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert ...

Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

senz werden heute bereits von einigen Unternehmen angewandt. In Ausnahmefällen führen<br />

zivile Unternehmen bei ausreichenden Gewinnaussichten <strong>im</strong> Falle von lokaler Opposition<br />

selber Aktivitäten zur Eindämmung <strong>und</strong> Bewältigung von Aufständen durch. 55 Dies<br />

lässt sich schlagwortartig auch als „corporate counterinsurgency“ beschreiben. 56 Zu einem<br />

solchen Ansatz gehören gr<strong>und</strong>sätzlich neben einer passiven Sicherheitsd<strong>im</strong>ension,<br />

die den Schutz eigener Infrastruktur umfasst, auch weitere D<strong>im</strong>ensionen wie die gezielte<br />

Verbesserung von Lebensbedingungen der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung, die Steigerung<br />

der Akzeptanz durch die Förderung lokaler Projekte oder die Schaffung von Arbeitsplätzen.<br />

Diese Maßnahmen können insgesamt eine große Bandbreite von Tätigkeiten umfassen<br />

<strong>und</strong> unterliegen keiner klaren <strong>und</strong> eindeutigen Kategorisierung. Das Spektrum denkbarer<br />

Aufgaben schlösse schließlich auch die Ausübung oder direkte Beauftragung <strong>und</strong><br />

Beaufsichtigung eigentlich hoheitlicher Aufgaben staatlicher Gewaltausübung mit ein.<br />

Dies würde jedoch in eine rechtliche Grauzone führen <strong>und</strong> eine weitere Aushöhlung der<br />

staatlichen Souveränität <strong>und</strong> Institutionen bedeuten. 57<br />

Voraussetzung für eine solche Situation ist jedoch <strong>im</strong>mer die Erwartung einer best<strong>im</strong>mten<br />

Gewinnspanne, ohne die ein privates Unternehmen zur weiteren Arbeit in der Konfliktregion<br />

auf Gr<strong>und</strong> seiner gr<strong>und</strong>sätzlichen Philosophie nicht gewillt wäre. 58 Somit sind<br />

kurzfristig Anstrengungen einer „Corporate COIN“- Kampagne <strong>und</strong> Ausgaben für eine<br />

Beruhigung des Umfeldes denkbar, langfristig ist dies nur dann plausibel, wenn die zu<br />

erwartenden Gewinne unter Berücksichtigung der bereits getätigten Investitionen hoch<br />

genug sind. Diese Bedingung kann bei Staatsunternehmen jedoch möglicherweise entfal-<br />

55<br />

Mobile Firmen verlassen entsprechende Gebiete regelmäßig. Unternehmen, die auf Gr<strong>und</strong> von Rohstoffvorkommen<br />

an die Region geb<strong>und</strong>en sind, treffen meist eine Kosten-Nutzen-Abwägung.<br />

56<br />

Vgl. Rosenau, W./ Chalk, P./ McPherson, R./ Parker, M./ Long, A. (2009): Corporations and Counterinsurgency,<br />

RAND, S. 2. Der Begriff „Counterinsurgency“ (COIN) führt in Deutschland <strong>im</strong>mer wieder zu Missverständnissen<br />

<strong>und</strong> Dissens, da ihm verschiedene Übersetzungen <strong>und</strong> unterschiedliche Interpretationen zu<br />

Gr<strong>und</strong>e liegen. Häufig als „Aufstandsbekämpfung“ übersetzt, assoziiert der Begriff ein militärisches Vorgehen<br />

gegen eine Aufstandsbewegung. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der inzwischen anerkannten Einschätzung, dass nur<br />

r<strong>und</strong> 15-20% der Aktivitäten zur Beendigung eines Aufstandes militärischer Natur sind <strong>und</strong> die Führung <strong>und</strong><br />

Mehrzahl der notwendigen Aufgaben <strong>im</strong> zivilen Bereich liegen, ist die Übersetzung als „Aufstandsbewältigung“<br />

vorzuziehen. Hintergr<strong>und</strong> des Dissenses ist die bisher nur ungenügend aufgearbeitete historische Parallelität<br />

zweier Denkschulen der Aufstandsbewältigung. Während das „gegnerzentrierte“ (enemy-centric<br />

COIN) Denken eine Beendigung des Aufstandes mit repressiven polizeilichen, paramilitärischen oder militärischen<br />

Maßnahmen gegen Aufständische suchte, rückte der „bevölkerungszentrierte“ (population-centric)<br />

Ansatz den Schutz der Bevölkerung <strong>und</strong> das Gewinnen seiner Unterstützung <strong>und</strong> darauf aufbauende Legit<strong>im</strong>ität<br />

in den Mittelpunkt. Diese Form hat sich inzwischen durchgesetzt <strong>und</strong> wird auch hier zu Gr<strong>und</strong>e gelegt.<br />

Der Ansatz enthält über offensive Maßnahmen von Sicherheitskräften gegen Aufständische vor allem Fragen<br />

der Regierungsführung, Gewährleistung staatlicher Leistungen <strong>und</strong> Verbesserung der Lebensbedingungen.<br />

57<br />

Wenn die fehlende Präsenz des Staates in den betreffenden Gebieten auf mangelnden Möglichkeiten beruht,<br />

könnte dies zu Konfliktpotenzial zwischen Gaststaat <strong>und</strong> Konzern führen. Da aber gr<strong>und</strong>sätzlich beide<br />

Akteure ein Interesse daran haben, dass der Staat seine Aufgaben selbst wahrn<strong>im</strong>mt, scheint dieses Konfliktpotenzial<br />

jedoch eher kurzfristiger oder rhetorischer Natur zu sein, da von der Möglichkeit einer kooperativen<br />

Lösung bei gleichen Zielen ausgegangen werden darf.<br />

58<br />

Weltanschauliche, politische oder andere Motive von Entscheidungsträgern, die zu einer Übernahme <strong>und</strong><br />

Ausübung von Funktionen auch ohne Gewinn führen, können nicht ausgeschlossen werden. Bei ihnen handelt<br />

es sich jedoch um vereinzelte Fälle, zumal e in Betreiben von Unternehmen ohne Gewinnerzielung nur<br />

eine begrenzte Zeit möglich ist oder anders subventioniert werden müsste.<br />

34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!