Der Mensch ist ein schönes, böses Tier - zahniportal.de
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DER MENSCH IST EIN<br />
SCHÖNES, BÖSES TIER<br />
Claudia Salwiczek und<br />
Daniela Zierke<br />
>>> Die <strong>ein</strong>zigartige Mischung aus Tanz, Aktionstheater,<br />
Show, interaktiver Ausstellung und kulinarischem<br />
Erlebnis <strong>ist</strong> in <strong>de</strong>m Cross-Genre-Spektakel<br />
„Marquis <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong>“ von Regisseur und Choreograf<br />
Gregor Seyffert seit Pfingsten 2007 wie<strong>de</strong>r zu erleben.<br />
Ein atemberauben<strong>de</strong>s Fest für die Sinne.Erlebnis pur.<br />
„Seit <strong>de</strong>r <strong>Mensch</strong> Städte baut und in Staaten lebt,hat<br />
er es lernen müssen, s<strong>ein</strong>er Natur gegebenen Triebe<br />
zu unterdrücken, er verbannt sie in die finsteren<br />
Winkel s<strong>ein</strong>er Seele,wo sie wie Dämonenbrut hocken<br />
und auf ihre Stun<strong>de</strong> warten – und wehe wenn sie ausbrechen<br />
– wehe <strong>de</strong>m Mitmenschen, welcher das<br />
Opfer entfesselter Triebe wird.Nichts hat <strong>de</strong>r <strong>Mensch</strong><br />
mehr zu fürchten auf dieser Welt als <strong>de</strong>n <strong>Mensch</strong>en.“<br />
Donatien Alphonse Francois Marquis <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong> (1740–<br />
1814), Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Sadismus, hasste die Monarchie,<br />
<strong>de</strong>n Klerus und <strong>de</strong>n Staat, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n menschli-<br />
58 <strong>de</strong>ntalfresh #2 2007
Hauptdarsteller:<br />
Gregor Seyffert,<br />
geboren 1967 in Berlin,<br />
Regisseur und Choreograf sowie<br />
Initiator,<br />
Deutscher Tanzpre<strong>ist</strong>räger 2003<br />
chen Willen kettet und statuierte s<strong>ein</strong>en Ekel und<br />
s<strong>ein</strong>e Abneigung gegen die Gesellschaftsheuchelei<br />
und überkommen<strong>de</strong>n Moralvorstellungen in trotzigen<br />
Exzessen orgiastischer Gewalt. Im eigentlichen<br />
Sinne war <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong> aber <strong>ein</strong> schonungsloser Analytiker,<br />
<strong>ein</strong> ehrlicher Pessim<strong>ist</strong>, <strong>de</strong>r das „Schuttgeröll<br />
<strong>de</strong>s Aberglaubens und <strong>de</strong>r Doppelmoral auf allen<br />
Gebieten wegräumte“ und <strong>de</strong>utlich darlegte, dass<br />
nicht anormale Ausnahmekreaturen, son<strong>de</strong>rn die<br />
allerme<strong>ist</strong>en <strong>Mensch</strong>en zu Bestialität veranlagt sind,<br />
sobald Luxus, Wohlleben und vor allem Mangel an<br />
Ablenkung ihnen dazu Zeit und Raum gewähren. In<strong>de</strong>m<br />
er mit s<strong>ein</strong>en Schriften <strong>de</strong>m Staat erbarmungslos<br />
<strong>de</strong>n Spiegel vorhielt, empfing er Ächtung und<br />
harte Strafen und wur<strong>de</strong> schließlich bis Mitte <strong>de</strong>s<br />
19. Jahrhun<strong>de</strong>rts fast totgeschwiegen.<br />
Die spektakuläre Eröffnung <strong>de</strong>s Cross-Genre-Spektakels<br />
ließ im Rahmen <strong>de</strong>s 1.Internationalen Tanzfestes in<br />
Dessau 2006 das Leben und Wirken von Marquis <strong>de</strong><br />
Sa<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r neu erstrahlen und <strong>ist</strong> auch wie<strong>de</strong>r in<br />
diesem Jahr präsent. Das von Regisseur und Choreograph<br />
Gregor Seyffert initiierte Werk besteht aus Tanz,<br />
Aktionstheater, Show, interaktiver Ausstellung und<br />
kulinarischem Erlebnis zugleich. Inmitten <strong>de</strong>s alten<br />
Kraftwerkes in Vockero<strong>de</strong> erwecken über 75 Darsteller<br />
und 200 Mitwirken<strong>de</strong> das bildgewaltige und mitreißen<strong>de</strong><br />
Gesamtkunstwerk zum Leben. Die <strong>ein</strong>malige<br />
Industriearchitektur verschmilzt mit <strong>de</strong>r aufrütteln<strong>de</strong>n<br />
Gedankenwelt <strong>de</strong>s Marquis <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong>. Fragiler Tanz und<br />
martialer Aktionismus, Musik <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
(Paganini, Mozart) sowie Punkrock und Industriesounds<br />
lassen die akustischen und bildgewaltigen<br />
Gegensätze in <strong>de</strong>r kolossalen Industriekathedrale an<br />
<strong>de</strong>r Elbe auf<strong>ein</strong>an<strong>de</strong>rprallen.<br />
Mittelpunkt <strong>de</strong>s Werkes bil<strong>de</strong>t die Figur Marquis <strong>de</strong><br />
Sa<strong>de</strong> (Gregor Seyffert), zu <strong>de</strong>ren Versinnbildlichung<br />
Seyffert <strong>ein</strong>en zusätzlichen „Drive“ gibt, in<strong>de</strong>m er das<br />
Leben <strong>de</strong>s Sa<strong>de</strong>s rückwärtsgewandt – <strong>de</strong>r Geburt entgegen<br />
– analysiert und somit <strong>de</strong>m unwi<strong>de</strong>rruflich „verkümmerten<br />
Verlauf <strong>de</strong>s <strong>Mensch</strong>enlebens“ <strong>ein</strong>en lebensbejahen<strong>de</strong>n<br />
Akzent gibt: <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong> beginnt s<strong>ein</strong><br />
Leben in <strong>de</strong>r Irrenanstalt, erprobt sich im <strong>ein</strong>samen<br />
Schöpferprozess und allerlei bestialischen Fingerübungen,<br />
die ihn zum En<strong>de</strong> hin für das Leben als Jungbrunnen<br />
und Kind rüsten. Die Kulisse, das Kraftwerk<br />
Vockero<strong>de</strong>,verfügtdabei zusätzlich über jenes kalte,unwirtliche,<br />
f<strong>ein</strong>dliche und brüchige Lebensklima, das<br />
<strong>de</strong> Sa<strong>de</strong> ständig entgegenwehte. „<strong>Der</strong> Zuschauer wird<br />
somit auf <strong>ein</strong>e lange Reise mitgenommen, durch die<br />
Winkel, Abgrün<strong>de</strong> und Seelenlandschaften <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong>s<br />
und <strong>de</strong>s Kraftwerkes“,so Seyffert.<br />
Die knapp dre<strong>ist</strong>ündige Inszenierung fin<strong>de</strong>t in drei<br />
Aktionsräumen (Keller, Kessel-, Maschinenhaus)<br />
statt,die – nach allen Seiten offen – für <strong>de</strong>n Zuschauer,<br />
abhängig von <strong>de</strong>r Szenenfolge, frei begehbar sind.<br />
Zwischen allen drei Akten wird das Publikum zum<br />
nächsten Akt durch das Kraftwerk bewegt. Die dafür<br />
vorgesehenen Wege bieten reichlich Ent<strong>de</strong>ckungsstoff:<br />
verschie<strong>de</strong>ne Lichteffekte lassen das alte, kalte<br />
und morbi<strong>de</strong> Gemäuer mächtig wirken, leises Geflüster<br />
ertönt aus dunkeln Ecken, Kerzen und Fackeln<br />
beleuchten <strong>de</strong>n zarten Pfad zum nächsten Akt.<br />
QUELLE<br />
Fotos: J. Pohl und M. Warmuth<br />
KONTAKT<br />
Gregor Seyffert Compagnie<br />
Dessau<br />
Kraftwerk Vockero<strong>de</strong><br />
06786 Vockero<strong>de</strong><br />
(bei Dessau, Autobahn A9)<br />
Die seltene Kombination aus expressivem Tanz, extraordinären<br />
Kostümen und atemberauben<strong>de</strong>r Kulisse<br />
machen das Werk „Marquis <strong>de</strong> Sa<strong>de</strong>“ zu <strong>ein</strong>em außergewöhnlichen<br />
Me<strong>ist</strong>erwerk. Be<strong>ein</strong>druckend, tiefsinnig<br />
und spannend zugleich. Ein <strong>ein</strong>zigartiges Erlebnis,<br />
was man sich nicht entgehen lassen sollte.