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Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006 ...

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<strong>Danksagung</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>vorliegende</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>wurde</strong> <strong>im</strong> <strong>Wintersemester</strong> <strong>2006</strong>/07 von der Theologischen<br />

Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Dissertation angenommen<br />

und für die Veröffentlichung überarbeitet. An erster Stelle danke ich meinem<br />

Doktorvater Prof. Dr. Helmut Hoping, der die <strong>Arbeit</strong> angeregt und mit großem<br />

Interesse begleitet hat. Prof. Dr. Magnus Striet danke ich für die Übernahme des<br />

Zweitgutachtens. Dankbar bin ich auch für das Promotionsstipdendium, das die<br />

Konrad-Adenauer-Stiftung mir über drei Jahre gewährte. Namentlich Dr. Daniela<br />

Tandecki sei hierfür mein Dank ausgesprochen. Ich danke den Herausgebern Prof. Dr.<br />

Wilhelm Breuning, Prof. Dr. Hans Jorissen, Prof. Dr. Karl-Heinz Menke und Prof. Dr.<br />

Josef Wohlmuth für die Aufnahme in die Reihe der Bonner Dogmatischen Studien.<br />

Für die Druckkostenzuschüsse der Erzdiözese Freiburg sowie des Bistums Osnabrück<br />

danke ich namentlich Weihbischof Prof. Dr. Paul Wehrle und Bischof Dr. Franz-Josef<br />

Bode ganz herzlich. Herzlicher Dank für Ermutigung und Unterstützung gilt zudem<br />

Prof. Dr. Birgit Jeggle-Merz und PD Dr. Jan-Heiner Tück. Dr. Mirja Kutzer und Dipl.<br />

theol. Maria Weiland danke ich für ihre stete Bereitschaft zur theologischen<br />

Diskussion. Beide haben Teile der <strong>Arbeit</strong> kritisch gegengelesen. Meinen Eltern gilt<br />

mein Dank für ihre Ermutigung zur Reflexion des Glaubens von Kindesbeinen an und<br />

die unermüdliche Unterstützung meiner Studien, die dies nach sich zog. Unschätzbare<br />

„logistische“ Hilfe haben vor allem in der Schlussphase meine Schwiegereltern<br />

geleistet. Ihnen danke ich dafür sehr. Ganz besonders danke ich meinen Mann Dr.<br />

Thomas C. Marx, der mir <strong>im</strong> familiären Alltag nach Kräften den Rücken für die<br />

Theologie frei hält.<br />

Bremen, <strong>im</strong> Oktober 2007<br />

Eva Kaufner-Marx


Inhalt<br />

Einleitung<br />

Ein Streit um das Verständnis menschlicher Freiheit<br />

1. Gegenstand – Fragestellung – Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

2. Zur Diskussion zwischen Wolfhart Pannenberg und Thomas Pröpper . . . . . . . 18<br />

3. Eine Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

4. Texte und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Kapitel I<br />

Identität und Freiheit<br />

Grundbegriffe der Anthropologie Wolfhart Pannenbergs<br />

1. Vorbemerkungen zur Theologie von Wolfhart Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

a) Eschatologische Geschichtstheologie<br />

als Grundzug der Theologie Pannenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

b) <strong>Die</strong> Rede von Gott als grundlegende Aufgabe der Theologie . . . . . . . . . . . . 48<br />

c) Zum Verhältnis von Theologie und Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

d) Anfragen an Pannenbergs Verständnis der Philosophie und Theologie . . . . 55<br />

(1) Zum Verständnis von Kants Transzendentalphilosophie . . . . . . . . . . . . . 56<br />

(2) Zur transzendentalen Denkform<br />

und zum Verständnis von Geschichte und Offenbarung . . . . . . . . . . . . . 58<br />

2. Weltoffenheit und Gottebenbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

a) Weltoffenheit und Exzentrizität – Pannenbergs Auseinandersetzung<br />

mit der philosophischen Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

(1) „Weltoffenheit“ und „Exzentrizität“<br />

in der philosophischen Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

(2) Weltoffenheit als Gottoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

(3) Exzentrizität als Grundstruktur menschlichen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

b) Gottebenbildlichkeit – die Sonderstellung des Menschen gemäß der Schrift 78<br />

(1) Zur Gottebenbildlichkeit in Gen 1,26-28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

(2) „Bild Gottes“ <strong>im</strong> Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

c) <strong>Die</strong> eschatologische D<strong>im</strong>ension der Gottebenbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 85


8 Inhalt<br />

(1) Gottebenbildlichkeit <strong>im</strong> Verhältnis zu Schöpfung und Erlösung . . . . . . . 85<br />

(2) Gottebenbildlichkeit und die eschatologische Best<strong>im</strong>mung<br />

des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

d) Gottebenbildlichkeit und das Handeln des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

3. Personalität des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

a) Pannenbergs Kritik am Subjektbegriff der Transzendentalphilosophie . . . 101<br />

(1) Zur Kritik an Kants transzendentaler Apperzeption . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

(2) Zur Kritik an Fichtes Gedanken der Selbstsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

(3) Zur Kritik an Hegels Aufhebung der Substanz in das Subjekt . . . . . . . . 110<br />

b) Pannenbergs Gegenentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

(1) Genese des Ich <strong>im</strong> Prozess der Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

(2) <strong>Die</strong> konstitutive Bedeutung der Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

c) Entfaltung und Plausibilisierung des Personbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

(1) Der dialogische Personalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

(2) George H. Mead: <strong>Die</strong> Identität der Person <strong>im</strong> sozialen Kontext . . . . . . 121<br />

(3) Sigmund Freud: <strong>Die</strong> Stellung des Ich in der Psychoanalyse . . . . . . . . . 125<br />

(4) Erik Erikson: Das Ich in den Stufen der Persönlichkeitsentwicklung . . 127<br />

(5) Grundvertrauen als Gottvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

d) Person als Resultat einer Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

(1) Das Selbst als Basis des Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

(2) Der eschatologisch verstandene Prozess der Identitätsbildung . . . . . . . 133<br />

(3) Personalität und Gottebenbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

(4) <strong>Die</strong> Personalität gründet <strong>im</strong> Christusereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />

e) Anfragen an Pannenbergs Personbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140<br />

4. Zum Verständnis der menschlichen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

a) Personalität und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

(1) <strong>Die</strong> eschatologische D<strong>im</strong>ension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

(2) Skepsis gegenüber dem neuzeitlichen Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

(3) Kritik am Liberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />

b) <strong>Die</strong> Verwirklichung der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

(1) Freiheit ist ermöglicht durch Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

(2) Freiheit realisiert sich in der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

(3) Freiheit der Selbstbest<strong>im</strong>mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />

(4) <strong>Die</strong> Begrenztheit der Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159


Inhalt<br />

9<br />

(5) Keine Wahlfreiheit gegenüber Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

c) Freiheit und das Problem der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />

d) Freiheit in der Anthropologie Pannenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

5. <strong>Die</strong> Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

a) Charakterisierung des Sündenbegriffs von Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

(1) Nicht-Identität als Elend und Entfremdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

(2) Pannenbergs Kritik an Vertretern der Philosophischen Anthropologie . . 172<br />

(3) <strong>Die</strong> Wurzel des Bruchs <strong>im</strong> Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174<br />

b) Sünde als fundamentale Verkehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176<br />

(1) Aspekte des alttestamentlichen Verständnisses von „Sünde“ . . . . . . . . 177<br />

(2) Sünde und Begierde in Röm 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

(3) superbia und concupiscentia bei Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182<br />

c) Pannenbergs Reformulierung der Erbsündenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />

(1) Universalität und Radikalität der Sünde<br />

als bleibende Anliegen einer Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . 185<br />

(2) <strong>Die</strong> Frage nach der Wurzel der Sünde: Pannenbergs eigener Entwurf . . 199<br />

Kapitel II<br />

Freiheit und Angst<br />

Zum Verhältnis von Freiheit und Sünde in der Philosophie Søren Kierkegaards<br />

1. Der Begriff Angst – Das Selbst und der Sprung in die Sünde . . . . . . . . . . . . . 208<br />

a) Eine psychologische Schrift zur Möglichkeit der Sünde . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />

b) Das Selbst vor dem Sprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214<br />

c) <strong>Die</strong> Angst vor dem Sprung: Angst als Voraussetzung der Sünde . . . . . . . . 217<br />

d) Der Sprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219<br />

e) <strong>Die</strong> Angst nach dem Sprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226<br />

f) Angst und Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231<br />

g) Angst und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

2. <strong>Die</strong> Krankheit zum Tode – <strong>Die</strong> Situation des Selbst nach dem Sündenfall . . 240<br />

a) Eine christliche Schrift mit Blick auf die Wirklichkeit der Sünde . . . . . . . 240<br />

b) <strong>Die</strong> Struktur des Selbst und die Formen der Verzweiflung . . . . . . . . . . . . . 244<br />

c) Möglichkeit und Allgemeinheit der Verzweiflung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

d) Verzweiflung und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256


10 Inhalt<br />

e) Freiheit und Verzweiflung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264<br />

3. Freiheit – Sünde – Angst <strong>im</strong> Rahmen einer Lehre vom peccatum originale . 267<br />

Kapitel III<br />

Eine Theologie der Freiheit<br />

Zur Theologie von Thomas Pröpper<br />

1. Der theologische Ansatz von Thomas Pröpper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />

a) <strong>Die</strong> Doppelpoligkeit des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />

b) Theologische Gründe für die Wahl des Freiheitsparadigmas . . . . . . . . . . . 278<br />

c) <strong>Die</strong> faktische Selbstbest<strong>im</strong>mung der Freiheit in der Geschichte . . . . . . . . . 282<br />

d) <strong>Die</strong> transzendentale Freiheitsanalyse von Thomas Pröpper . . . . . . . . . . . . 284<br />

(1) Formelle Freiheit und existierende Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

(2) Freiheit als Selbstbest<strong>im</strong>mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

(3) Anerkennung anderer Freiheit und ihre symbolische Darstellung . . . . . 287<br />

(4) Zur Ambivalenz von Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288<br />

(5) Vollkommene Freiheit und ihre Bedeutung für die endliche Freiheit . . 289<br />

e) Menschlicher Freiheit und Sünde in freiheitsanalytischer Perspektive . . . . 291<br />

(1) Gottes erlösende Selbstmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291<br />

(2) <strong>Die</strong> Freiheit des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

(3) <strong>Die</strong> sittliche Autonomie der menschlichen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

(4) <strong>Die</strong> Sünde des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />

(5) <strong>Die</strong> praktische Vermittlung der Erlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

(6) Zur Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

2. Anfragen an Thomas Pröpper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

a) Anfragen aus Sicht der transzendentalen Freiheitslehre<br />

von Hermann Krings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307<br />

(1) <strong>Die</strong> unterschiedlichen Reflexionsebenen<br />

des einen Freiheitsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307<br />

(2) Anerkennung anderer Freiheit<br />

und die Anerkennung der Freiheit des Anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />

(3) Der systematische Ort von Anerkennung<br />

und Verweigerung von Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316<br />

(4) Zum Verhältnis von Freiheit und System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318


Inhalt<br />

11<br />

(5) Freiheit und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

b) Anfragen aus theologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328<br />

(1) Zum biblischen Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328<br />

(2) Ansprechbarkeit – Anerkennung – Antwortfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

(3) <strong>Die</strong> Freiheit des Menschen zur Mitwirkung an der Erlösung . . . . . . . . . 334<br />

(4) <strong>Die</strong> Verstrickung der menschlichen Freiheit<br />

und die Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

c) Gottes Freiheit und die Freiheit des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340<br />

Kapitel IV<br />

Freiheit zwischen Autonomie und Ohnmacht<br />

1. Pannenbergs Anthropologie und die transzendentale Freiheitslehre –<br />

Ein Vermittlungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343<br />

a) Biblische Aspekte zum Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343<br />

(1) Freiheit bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />

(2) Freiheit in Joh 8,32-36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

b) Pannenberg vs. Pröpper –<br />

zwei fundamental verschiedene Freiheitsbegriffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352<br />

c) Freiheit und Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

d) Freiheit und Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357<br />

(1) Ein Bildungsprozess des Subjekts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357<br />

(2) Zur prozessualen Subjektivität in der Philosophie von <strong>Die</strong>ter Henrich . 359<br />

(3) Der Prozess der Subjektivität als Identitätsbildungsprozess . . . . . . . . . . 363<br />

2. Ein theologisches Verständnis der menschlichen Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 366<br />

a) Personalität und die Best<strong>im</strong>mung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367<br />

b) <strong>Die</strong> Freiheit des Menschen und seine Befreiung durch Christus . . . . . . . . 372<br />

3. Urstand, Fall und Erbsünde –<br />

Schlussfolgerungen für eine Lehre vom peccatum originale . . . . . . . . . . . . . 381<br />

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393


Einleitung<br />

Ein Streit um das Verständnis menschlicher Freiheit<br />

1. Gegenstand – Fragestellung – Vorhaben<br />

<strong>Die</strong> zentrale Frage der folgenden Untersuchung ist die nach der menschlichen Freiheit:<br />

Wie ist aus christlicher Sicht die Freiheit des Menschen zu charakterisieren? Einigung<br />

darüber, wie frei der Mensch ist, besteht ja keineswegs, schließlich kann der Mensch<br />

hinsichtlich seiner Freiheit ganz unterschiedlich verstanden werden: <strong>Die</strong> Vorstellung,<br />

der Mensch sei von Grund auf frei und gut, und man müsse ihn nur frei walten lassen,<br />

damit sich daran nichts ändert, ist ebenso anzutreffen wie die, der Mensch müsse zum<br />

Guten erst erzogen werden, weil er offensichtlich von sich aus nicht gut handelt; ließe<br />

man ihn frei handeln, würde dies nur zu eigennützigem Verhalten führen. 1 Auch die<br />

völlige Leugnung einer Handlungs- und Willensfreiheit verschafft sich zunehmend<br />

Gehör. <strong>Die</strong> jeweilige Überzeugung hat unterschiedliche Konsequenzen für die Ethik<br />

– sei es <strong>im</strong> Bereich der Erziehung oder der Medizin oder des Rechts – und für die<br />

Einschätzung und Beachtung der Freiheitsrechte einer Person. 2 Wie die Frage nach der<br />

menschlichen Freiheit beantwortet wird, hängt wesentlich davon ab, welches Menschenbild<br />

man vertritt. Und umgekehrt lässt sich von den Antworten her auf die<br />

dahinterstehende Anthropologie schließen. So ist es angezeigt, aus christlich-theologischer<br />

Sicht eine Einschätzung vorzunehmen.<br />

Wie frei ist die Freiheit des Menschen? Was ist von der menschlichen Freiheit zu<br />

halten, wenn der Mensch offensichtlich <strong>im</strong>mer wieder fehl geht, wenn er sein Freiheitshandeln<br />

dazu gebraucht, anderen Freiheit zu nehmen? Was ist dies für eine<br />

Freiheit, die ebenso zu gutem und gerechtem Handeln aber eben auch zu bösem<br />

Handeln führen kann? <strong>Die</strong> Frage nach der Freiheit des Menschen führt zu dem Problem,<br />

dass der Mensch offensichtlich in seinem freien Handeln nicht <strong>im</strong>mer das Gute<br />

verfolgt. Zumal wer theologisch nach der Freiheit des Menschen fragt – und dies ist<br />

1 Beide Modelle erwähnt Immanuel Kant in seiner Schrift <strong>Die</strong> Religion innerhalb der Grenzen der<br />

bloßen Vernunft von 1794, wenn er die (mythologische) Vorstellung von einem goldenen Zeitalter<br />

oder einem Leben <strong>im</strong> Paradies, dem allerdings ein „Verfall ins Böse“ folgte, der neueren, „heroischen<br />

Meinung“ (Jean-Jaques Rousseaus) gegenüberstellt, „daß die Welt gerade in umgekehrter Richtung,<br />

nämlich vom Schlechten zum Bessern, unaufhörlich (obgleich kaum merklich) fortrücke, wenigstens<br />

die Anlage dazu in der menschlichen Natur anzutreffen sei“ (KANT, Rel. B 3-4). So hilft uns unsere<br />

Natur selbst, die sittliche Anlage zum Guten auszubilden (vgl. ebd. 5).<br />

2 Vgl. z. B. den Problemaufriss in WENDEL, Saskia, Nicht naturalisierbar: Kants Freiheitsbegriff, in:<br />

Essen, Georg/Striet, Magnus, Kant und die Theologie, Darmstadt 2005, 13-45, hier 13-14.


14<br />

Einleitung<br />

die Motivation der <strong>vorliegende</strong>n Untersuchung –, sieht sich unmittelbar auf die Frage<br />

nach der Sünde verwiesen. <strong>Die</strong> Frage gewinnt ihre ganze Brisanz gerade vom Schöpfungsglauben<br />

her. Würde die Ansicht, der Mensch sei von Grund auf böse, direkt mit<br />

einer Schöpfungslehre verbunden, so hieße das, der Mensch sei bereits von Gott böse<br />

geschaffen, womit die Frage nach dem Bösen auf den Schöpfer verlagert wäre. Eine<br />

solche Anthropologie ginge mit einer Gottesvorstellung einher, die bereits den Schöpfer<br />

dämonisch denkt. <strong>Die</strong>s ist sicher unvereinbar mit dem jüdisch-christlichen Glauben<br />

an Gott, der alles geschaffen hat und alles gut geschaffen hat. Wenn aber der Mensch<br />

gemäß biblischem Glauben von seinem Ursprung als Geschöpf Gottes her gut ist –<br />

warum handelt er entgegen Gottes Willen, warum sündigt er? Wie konnte der Mensch<br />

böse werden?<br />

Ist die theologische Fragestellung nach der Freiheit des Menschen schon untrennbar<br />

mit der Frage nach der Sünde verknüpft, so auch mit dem Problem des Anfangs<br />

der Sünde: Denn wenn der Mensch seinem Ursprung nach gut ist – wo beginnt dann<br />

die Sünde? Ist der Punkt zu fassen, an dem menschliche Freiheit fehl geht? Nichts<br />

anderes will die Fragestellung der Lehre vom peccatum originale. Ein wesentliches<br />

Ziel dieser Lehre ist es, den Anfang der Sünde zu beschreiben, um einzusehen, wie die<br />

Erlösungsbedürftigkeit der Menschen zu denken ist. Je radikaler die Sünde zu verorten<br />

ist, um so radikaler ist auch die Befreiung des Menschen von der Sünde zu verstehen:<br />

Wer nach dem Anfang der Sünde fragt und damit auch ihre Radikalität zu denken<br />

sucht, ist zugleich der Radikalität der Befreiung auf der Spur. 3 Zugleich umschreibt<br />

die Lehre vom peccatum originale die Freiheit des Menschen, denn es geht ihr auch<br />

darum zu formulieren, inwieweit der sündige Mensch (noch) frei handeln kann. <strong>Die</strong><br />

Lehre vom peccatum originale ist folglich untrennbar mit dem Verständnis von Gnade<br />

und Rechtfertigung verbunden. Nur in der Perspektive der Glaubensgewissheit, dass<br />

Christus aus der Sünde befreit, kann die Sünde in ihrer Radikalität bedacht werden.<br />

3 Dass es in der „Erbsündenlehre“ nicht darum geht, eine pess<strong>im</strong>istische Anthropologie, sondern eine<br />

Gnadenlehre und damit einen Aspekt der Christologie zu formulieren, bringt Pesch mit folgenden<br />

Worten auf den Punkt: „Im Zuge eines hermeneutischen Aneignungsvorgangs des paulinischen<br />

Zeugnisses von der Radikalität der Sünde entsteht das Lehrstück von der Erbsünde in Funktion des<br />

Zeugnisses von der Heilsbedeutung Christi. Nicht die Erbsünde als solche beziehungsweise eine<br />

Theorie darüber ist wichtig, sondern die in ihrem Verstehensmodell ausgesagte radikale Erlösungsbedürftigkeit<br />

des Menschen“ (PESCH, Otto Hermann, Frei sein aus Gnade. Theologische Anthropologie,<br />

Freiburg – Basel – Wien 1983, 133).


Gegenstand – Fragestellung – Vorhaben 15<br />

<strong>Die</strong> Frage nach der Freiheit des Menschen, die auch die Frage nach der Sünde<br />

und ihrem Ursprung ist, führt in die Mitte der Gnadenlehre. <strong>Die</strong> zentralen Fragen der<br />

Gnadenlehre drehen sich um das Thema Freiheit: Wer befreit den Menschen – und<br />

warum ist diese Befreiung notwendig? Woraus wird der Mensch befreit – und wie ist<br />

demnach seine Freiheit „zuvor“ zu beschreiben? Wie frei ist der Mensch, wenn er der<br />

Befreiung durch Christus bedarf – und was bedeutet „Freiheit“, zu der er durch die<br />

Befreiung Christi gelangt? <strong>Die</strong>se Fragen zielen in die Mitte des christlichen Glaubens.<br />

Dabei zeigt sich, dass Gnadenlehre und Anthropologie nicht voneinander zu trennen<br />

sind. Ein Fragenkreis greift hier in den anderen. <strong>Die</strong> <strong>vorliegende</strong> Untersuchung wird<br />

sich deshalb auf folgende Fragen konzentrieren: Wie „frei“ ist die Freiheit des Menschen?<br />

Und damit hängt zusammen: Wie ist diese Freiheit des Menschen zu denken,<br />

wenn er doch offensichtlich sündigt? Und warum sündigt der Mensch, wenn er doch<br />

gut geschaffen <strong>wurde</strong>?<br />

Ausgangspunkt ist dabei die Anthropologie von Wolfhart Pannenberg. Seine<br />

Anthropologie in theologischer Perspektive 4 ist unter der ohnehin schon geringen Zahl<br />

systematischer Entwürfe zur theologischen Anthropologie der einzige, der anthropologische<br />

Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften ausdrücklich berücksichtigt<br />

und in seine theologischen Überlegungen einbezieht. 5 Zugleich bündeln sich in diesem<br />

Werk wesentliche Grundzüge von Pannenbergs Theologie: Seine Anthropologie ist<br />

nicht zu trennen von seiner Gotteslehre, seinem Begriff der Universalgeschichte und<br />

seiner Eschatologie, die sich auch in diesem Entwurf widerspiegeln. Seine Anthropologie<br />

folgt aus dem umfangreichen theologischen Werk, das Pannenberg bis dahin<br />

bereits vorgelegt hat. So bildet die <strong>vorliegende</strong> Untersuchung der Anthropologie von<br />

Pannenberg zugleich einen Zugang zu Pannenbergs Theologie, der geleitet ist vom<br />

eigenen gnadentheologisch motivierten Interesse am christlichen Menschenbild und<br />

4 PANNENBERG, Wolfhart, Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983.<br />

5 Pröpper spricht in diesem Zusammenhang von einer „Pioniertat“ und weist darauf hin: „Daß heutige<br />

Theologie, namentlich die theologische Anthropologie, sich ernsthafter auf die Einsichten und die<br />

Theoriebildung der Humanwissenschaften einlassen müsse, gehört zu den Aufgaben, die öfter gefordert<br />

als geleistet zu werden pflegen.“ (PRÖPPER, Thomas, Das Faktum der Sünde und die<br />

Konstitution menschlicher Identität. Ein Beitrag zur kritischen Aneignung der Anthropologie Wolfhart<br />

Pannenbergs, in: ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik,<br />

Freiburg – Basel – Wien 2001, 153-179). Pannenberg hat dies in seiner Anthropologie in<br />

theologischer Perspektive in umfassender Weise durchgeführt. Sein Vorgehen entspricht seinem<br />

Grundverständnis, dass nicht mehr die Philosophie, sondern die empirischen Wissenschaften Dialogpartner<br />

der Theologie sein müssen (vgl. PANNENBERG, Wolfhart, Theologie und Philosophie. Ihr<br />

Verhältnis <strong>im</strong> Lichte ihrer gemeinsamen Geschichte, Göttingen 1996, 17).


16<br />

Einleitung<br />

sich daher auf das Verhältnis von menschlicher Freiheit und Sünde konzentriert. <strong>Die</strong><br />

<strong>vorliegende</strong> Studie greift die Ausführungen Pannenbergs auf, um hinsichtlich der<br />

Frage nach der Freiheit und nach dem Anfang der Sünde eine dem heutige Denken<br />

angemessene Reformulierung des überlieferten Glaubens zu finden.<br />

Nun ist es aber nach dem Urteil von Thomas Pröpper gerade die Freiheit, die<br />

Pannenberg in seiner Anthropologie vernachlässigt. Dabei sind Gottebenbildlichkeit<br />

und Sünde zentrale Themen theologischer Anthropologie 6 , die beide wiederum nur in<br />

ihrem Verhältnis zur Freiheit des Menschen adäquat bedacht werden können. <strong>Die</strong><br />

Theologie von Pröpper dagegen versteht sich selbst ganz vom Begriff der Freiheit<br />

her. 7 Wer von katholischer Seite sich dem Freiheitsbegriff nähert, kommt an der<br />

Theologie Pröppers nicht vorbei. Vor dem Hintergrund seiner Theologie der Freiheit<br />

hat Pröpper, dem das Verdienst zukommt, die transzendentalphilosophische Freiheitslehre<br />

in der Nachfolge von Hermann Krings in die Theologie eingeführt und für die<br />

katholische Soteriologie fruchtbar gemacht zu haben, seine Kritik an der Anthropologie<br />

von Pannenberg formuliert. So kann es an dieser Stelle nicht bei einer Untersuchung<br />

der Anthropologie von Pannenberg bleiben, vielmehr wird <strong>im</strong> Folgenden<br />

Pannenbergs Anthropologie mit der Kritik von Pröpper konfrontiert werden müssen.<br />

<strong>Die</strong> Auseinandersetzung um die theologische Anthropologie erhält so erst ihre eigene<br />

Würze, denn sie wird kontrovers.<br />

Sicher können weder Wolfhart Pannenberg noch Thomas Pröpper auf die Tradition<br />

ihrer jeweiligen Konfession reduziert werden, zumal sich beider Theologie durch<br />

ökumenische Offenheit und Gesprächsbereitschaft auszeichnet. Pannenberg und<br />

Pröpper sollen <strong>im</strong> Folgenden auch keineswegs einfach als Repräsentanten ihrer<br />

jeweiligen Konfessionen verstanden werden. Das würden wohl nicht nur Wolfhart<br />

Pannenberg und Thomas Pröpper, sondern auch ihre Kolleginnen und Kollegen der<br />

theologischen Zunft weit von sich weisen. Gleichwohl zeigt ihr Disput um Freiheit<br />

und Sünde sowie um die Identität des Menschen in knapper Form eine nicht untypische<br />

konfessionelle Differenz. Wenn man zumindest traditionell die Differenz reformatorischer<br />

und katholischer Sündenlehre dahingehend beschreiben kann, dass die<br />

protestantische Seite stärker das Sündersein des Menschen betont, während auf der<br />

6 Vgl. PANNENBERG, Anthropologie 20.<br />

7 Vgl. beispielhaft PRÖPPER, Thomas, Freiheit als philosophisches Prinzip theologischer Hermeneutik,<br />

in: ders., Evangelium und freie Vernunft 5-22.


Gegenstand – Fragestellung – Vorhaben 17<br />

anderen Seite das Konzil von Trient unterstrich, der Mensch sei nicht völlig seiner<br />

Willensfreiheit beraubt, so markieren die Anthropologie von Pannenberg sowie<br />

Pröppers Theologie, die die Handlungs- und Willensfreiheit des Menschen stark zu<br />

machen sucht, durchaus Positionen, die die jeweilige Tradition durchscheinen lassen.<br />

So darf hier der Disput zwischen beiden Theologen als Impuls aufgegriffen werden,<br />

das jeweilige Verständnis der menschlichen Freiheit und der Sünde zu untersuchen,<br />

um schließlich – durchaus in ökumenischer Absicht – eine Vermittlung beider Positionen<br />

zu unternehmen.<br />

So wird <strong>im</strong> Folgenden zunächst die Anthropologie von Pannenberg in Hinblick<br />

auf ihr Verständnis von Person, Freiheit und Sünde dargestellt. <strong>Die</strong> Begriffsklärung,<br />

die dabei erfolgt, soll dazu dienen, die Anthropologie Pannenbergs klarer zu fassen.<br />

Dabei führt der Sündenbegriff Pannenbergs zu den Schriften von Søren Kierkegaard.<br />

Pannenberg zieht den dänischen Philosophen heran, um sein Verständnis von Sünde,<br />

Angst und Freiheit näher zu erläutern. Allerdings beruft sich auch Pröpper in seiner<br />

Verhältnisbest<strong>im</strong>mung von Freiheit und Sünde auf die für dieses Thema einschlägigen<br />

Schriften Der Begriff Angst sowie <strong>Die</strong> Krankheit zum Tode von Kierkegaard. So muss<br />

also zunächst auf diese beiden Schriften eingegangen werden, bevor zu den geradezu<br />

einander entgegengesetzten Interpretationen von Pannenberg und Pröpper Stellung<br />

bezogen werden kann. Dann erst ist der Hintergrund bereitet, vor dem die Kritik von<br />

Pröpper verständlich werden kann. Hierfür ist allerdings auch Pröppers Theologie<br />

daraufhin zu untersuchen, wie sie die Freiheit des Menschen und die Sünde denkt.<br />

Dabei wird auch Pröppers Gewährsmann Hermann Krings zu berücksichtigen sein.<br />

Von der hier vorgestellte Rezeption seiner Freiheitslehre werden sich sowohl einige<br />

Kritikpunkte an Pröpper als auch Anknüpfungspunkte einer transzendentalen Freiheitslehre<br />

an eine Lehre vom peccatum originale ergeben. Schließlich soll die Untersuchung<br />

wieder zur Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper zurückgeführt und<br />

zugleich zugespitzt werden. Nach einer kritischen Überprüfung der Anthropologie<br />

Pannenbergs und der Freiheitstheologie von Pröpper soll eine eigene Position formuliert<br />

werden, die einen Vermittlungsversuch zwischen den Ergebnissen der Anthropologie<br />

von Pannenberg und der transzendentalen Freiheitslehre darstellt.<br />

Aus diesem Grund muss nun zunächst noch näher auf die genannte Diskussion<br />

zwischen Pröpper und Pannenberg eingegangen werden, zeigen sich hier doch die<br />

wesentlichen Streitpunkte zwischen den beiden Ansätzen. Anschließend wird eine


18<br />

Einleitung<br />

Skizze der Lehre vom peccatum originale vorgestellt. Weil die Frage nach der<br />

menschlichen Freiheit <strong>im</strong>mer wieder zum Erbsündendogma führt, muss zunächst<br />

geklärt werden, was <strong>im</strong> Folgenden jeweils unter „kirchlicher Erbsündenlehre“ verstanden<br />

wird. Deswegen wird ein Abriss dieser Lehre <strong>im</strong> Sinne eines Vorbegriffs, der<br />

sich <strong>im</strong> Laufe der Untersuchung zu bewähren hat, vorangestellt. Auf ihn wird am Ende<br />

zurückzukommen sein.<br />

2. Zur Diskussion zwischen Wolfhart Pannenberg und Thomas Pröpper<br />

Thomas Pröpper, der die Anthropologie von Wolfhart Pannenberg vor dem Hintergrund<br />

seines eigenen theologischen Ansatzes kritisiert, ist vorrangig an einer kritischen<br />

Aneignung der Anthropologie Pannenbergs interessiert. Doch bei aller Wertschätzung<br />

des Werkes von Pannenberg gibt es für Pröpper einen wesentlichen Kritikpunkt.<br />

Er wirft seinem evangelischen Kollegen vor, dieser vergesse <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

der Sündenlehre die Freiheit des Menschen: „Es ist mir [...] keine andere Sündenlehre<br />

bekannt, die so umstandslos darauf verzichtet, den Ursprung der Sünde mit der<br />

menschlichen Freiheit zu verbinden.“ 8 Pannenberg vernachlässigt nach Ansicht von<br />

Pröpper die Freiheit als Ursprung der Sünde und setzt die Freiheit als reale Möglichkeit<br />

des Selbstseins an. Dabei beachte er die formale Unbedingtheit der Freiheit nicht.<br />

Folglich bemesse Pannenberg die formale Freiheit am jeweiligen Verständnis von<br />

realer Freiheit und beziehe dementsprechend positive Handlungsmöglichkeiten wie<br />

auch das Sich-Verhalten auf ein vorgegebenes Allgemeines, so Pröppers Kritik. Weil<br />

Pannenberg das Wissen um das göttliche Gehe<strong>im</strong>nis <strong>im</strong>mer schon voraussetzt und die<br />

Beziehung zu Gott in Pannenbergs Anthropologie als Wurzelgrund menschlicher<br />

Identität gilt, kommt bei Pannenberg ein freies Sich-Verhalten nur gegenüber einzelnen<br />

Reflexionsbest<strong>im</strong>mungen der göttlichen Wirklichkeit in Betracht. 9 Ohne dieses<br />

8 PRÖPPER, Das Faktum der Sünde 162. – <strong>Die</strong> Auseinandersetzung entzündete sich an Pröppers Kritik<br />

von Pannenbergs Anthropologie in theologischer Perspektive (1983), die er in der Theologischen<br />

Quartalschrift [170 (1990)] unter dem Titel Das Faktum der Sünde und die Konstitution menschlicher<br />

Identität veröffentlichte. Im selben Heft nahm Pannenberg in dem Artikel Sünde, Freiheit, Identität<br />

dazu Stellung. Beide Beiträge sind inzwischen <strong>im</strong> Rahmen von Aufsatzsammlungen beider Autoren<br />

in Buchform erschienen. Sie werden <strong>im</strong> Folgenden nach diesen Bänden zitiert: PRÖPPER, Thomas, Das<br />

Faktum der Sünde und die Konstitution menschlicher Identität. Ein Beitrag zur kritischen Aneignung<br />

der Anthropologie Wolfhart Pannenbergs, in: ders., Evangelium und freie Vernunft 153-179; PANNEN-<br />

BERG, Wolfhart, Sünde, Freiheit, Identität. Eine Antwort an Thomas Pröpper, in: ders., Beiträge zur<br />

Systematischen Theologie Bd. 2: Natur und Mensch – und die Zukunft der Schöpfung, Göttingen<br />

2000, 235-245.<br />

9 Vgl. PRÖPPER, Das Faktum der Sünde 164 (dort Anm. 15).


Zur Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper 19<br />

freie Sich-Verhalten kann aber die Sünde nicht gedacht werden, denn von Verantwortung<br />

und Schuld kann nur die Rede sein, wo der Mensch frei ist, betont Pröpper.<br />

Sünde sei schließlich „wesentlich ein Freiheitsgeschehen und ihre Geschichte koextensiv<br />

mit der Geschichte der Freiheit, des einzelnen wie aller Menschen“ 10 . Um<br />

Sünde als freien Akt denken zu können, ist nach Pröpper eine transzendentale Freiheitslehre<br />

erforderlich. Pröpper versteht Freiheit als konkrete Fähigkeit zur Transzendenz<br />

einer gegebenen Lebenssituation, die in der jeweiligen Antizipation der realen<br />

Möglichkeit des Selbstseins begründet ist und an ihr bemessen wird. Pannenberg<br />

dagegen vernachlässigt in den Augen von Pröpper in seiner Anthropologie insgesamt<br />

„das eigentlich humane und [...] von Gott selber anerkannte unbedingte Moment<br />

menschlicher Freiheit [...]: ihre ursprüngliche Fähigkeit nämlich, sich zu allem, auch<br />

zu Gott, zum eigenen Dasein und der eigenen Best<strong>im</strong>mung, verhalten zu können“ 11 .<br />

Genau das bezweifelt Pannenberg: „[Z]um einen ist die Freiheit der Stellungnahme<br />

nicht unbegrenzt – sie ist durch unsere eigene subjektive Verfassung und durch<br />

die Art des Gegenstandes bedingt –, und zum andern können wir auch nicht alles, was<br />

zu unserem Dasein gehört, in gleichem Maße vergegenständlichen.“ 12 Dabei bestreitet<br />

Pannenberg keineswegs die Fähigkeit des Menschen zur Distanznahme. Für ihn ist nur<br />

fraglich, ob diese ursprüngliche Fähigkeit formal unbedingt ist und sich gleichermaßen<br />

auf alles erstreckt, wie dies Pröpper betont. 13 Pannenberg stellt demgegenüber die<br />

Endlichkeit der menschlichen Freiheit heraus. Dem Vorwurf, er vernachlässige die<br />

transzendentale Freiheit, obwohl diese erforderlich sei, um Sünde als freien Akt zu<br />

denken, begegnet Pannenberg mit dem Hinweis, dazu müsse zunächst einmal nachgewiesen<br />

werden, dass das Moment unbedingter Freiheit eine Möglichkeitsbedingung<br />

der menschlichen Subjektivität sei. Für Pannenberg ist fraglich, ob denn tatsächlich<br />

die formale Freiheit der eigentliche Grund des faktischen Verhaltens und damit auch<br />

des Ursprung der Sünde ist: „Wenn die formale Freiheit der Wahl <strong>im</strong>mer schon durch<br />

das Bewußtsein des Guten konstituiert ist, wie Kant meint, dann kann sie schwerlich<br />

dem Guten als solchen indifferent gegenüberstehen. Darum bedarf es zur Möglichkeit<br />

der Sünde der Macht der Verführung, die das Böse als das eigentlich Gute vorspie-<br />

10 Ebd. 164-165.<br />

11 Ebd. 164.<br />

12 PANNENBERG, Sünde, Freiheit, Identität 240.<br />

13 Vgl. ebd. 240.


20<br />

Einleitung<br />

gelt.“ 14 Es geht in der Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper also nicht nur um<br />

das Verständnis menschlicher Freiheit, sondern in der Konsequenz auch um das<br />

jeweilige Verständnis von Subjektivität. Beides ist nicht voneinander zu trennen. <strong>Die</strong><br />

Differenz zwischen Pröpper und Pannenberg besteht darin, dass Pröpper das Ich als<br />

eine unableitbare Urgegebenheit auffasst, während Pannenberg es als Ergebnis einer<br />

Genese betrachtet. 15 Nach Ansicht von Pannenberg muss die Subjektivität des mit sich<br />

identischen Ich als eine abgeleitete Größe betrachtet werden und damit als eine Instanz,<br />

die Resultat der Identitätsbildung in der Lebensgeschichte des Individuums ist.<br />

Pröpper sieht dagegen <strong>im</strong> Prozess der Identitätsbildung <strong>im</strong>mer schon ein Ich als<br />

Subjekt seiner Identifikationen gegeben. 16 <strong>Die</strong> transzendentale Freiheitslehre bei<br />

Pröpper ist also mit einem Subjektbegriff verbunden, den Pannenberg ablehnt: Bei<br />

Pröpper erscheint das Subjekt als vorhandene Instanz, Pannenberg betont dagegen das<br />

Prozesshafte der Identitätsbildung: das Ich ist erst Resultat der Identitätsbildung.<br />

<strong>Die</strong> unterschiedlichen Auffassungen von Pröpper und Pannenberg hinsichtlich<br />

der Konstitution des Subjekts führen schließlich zu einer unterschiedlichen Einschätzung<br />

der Freiheit als Ursprung der Sünde. Aus beidem – sowohl aus dem Freiheitsbegriff<br />

als auch aus dem unterschiedlichen Subjektbegriff – sind Konsequenzen für<br />

die Sündenlehre zu ziehen. <strong>Die</strong> menschliche Freiheit und die Verantwortung für<br />

Verfehlungen des Menschen aus dieser Freiheit heraus sind völlig unterschiedlich zu<br />

beurteilen, je nachdem, ob das Subjekt als vorgegebene Instanz gedacht wird oder ob<br />

davon ausgegangen wird, dass das Subjekt erst <strong>im</strong> Laufe der Identitätsbildung entsteht:<br />

Dem Subjekt wird jeweils eine unterschiedliche Freiheit hinsichtlich der Verfügung<br />

über sich selbst eingeräumt. <strong>Die</strong>ser „Spielraum“ ist bei Pröpper weiter als bei Pannenberg.<br />

<strong>Die</strong> Freiheit des Menschen ist bei Pannenberg sehr viel weniger frei als bei<br />

Pröpper. Folglich divergieren beide Theologen auch <strong>im</strong> Verständnis der Sünde. Nach<br />

Auffassung von Pröpper liegen Anfang und Möglichkeit der Sünde <strong>im</strong> Selbstverhältnis<br />

des Menschen, setzen also ein seiner selbst bewusstes Subjekt voraus. Pröpper<br />

lehnt es ab, den Anfang, der jeder persönlichen Stellungnahme vorausgeht, wie<br />

Pannenberg schon als Sünde zu bezeichnen. 17 Demgegenüber hält Pannenberg daran<br />

14 Ebd. 239.<br />

15 Vgl. ebd. 242.<br />

16 Vgl. ebd. 236.<br />

17 Vgl. PRÖPPER, Das Faktum der Sünde 163.


Zur Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper 21<br />

fest, dass der Mensch vor jedem eigenen Handeln, von Geburt an Sünder ist. Mit<br />

Pröppers Ansatz kann nach dem Urteil von Pannenberg dieser Kernbestand des<br />

Erbsündendogmas nicht gewahrt werden. 18<br />

So führt die Diskussion um Freiheit und Subjekt direkt auf eine Diskussion um<br />

die Lehre vom peccatum originale hinaus. <strong>Die</strong> Vorstellung vom Anfang der Sünde<br />

divergiert bei Pannenberg und Pröpper und verdeutlicht dabei die Unterschiede ihrer<br />

jeweiligen Begriffe von „Freiheit“ und „Subjekt“. Sowohl Pröpper als auch Pannenberg<br />

denken Anfang und Ausdruck der Sünde, indem sie auf das Verhältnis von<br />

Freiheit und Angst verweisen. <strong>Die</strong>ses Verhältnis verstehen sie aber unterschiedlich.<br />

Während Pröpper davon ausgeht, dass endliche Freiheit von Angst begleitet ist und<br />

der Mensch deswegen sündigt, betrachtet Pannenberg die Angst bereits als Ausdruck<br />

der Sünde. Dass Freiheit „Angst hat“, zeigt seiner Ansicht nach, dass diese Freiheit<br />

schon von Sünde betroffen ist. Dagegen unterstreicht Pröpper, dass Angst erst Ausdruck<br />

und Erscheinungsform der Sünde sein kann, „sofern sie zum Gesetz des Lebens<br />

eingesetzt <strong>wurde</strong>“ 19 , was ein Subjekt voraussetzt. Angst ist also nicht Ausdruck der<br />

Sünde, sondern gehört nach Pröppers Auffassung wesentlich zur endlichen Freiheit. 20<br />

3. Eine Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale<br />

In der folgenden Skizze soll das den späteren Ausführungen zugrundeliegende Verständnis<br />

der kirchlichen „Erbsündenlehre“ dargestellt werden. Da hier nicht alle<br />

Facetten der Lehre vom peccatum originale entfaltet werden können, konzentriert sich<br />

die folgende Skizze, entsprechend der Orientierung der Untersuchung insgesamt am<br />

Freiheitsbegriff, darauf, inwiefern das peccatum originale als Sünde zu verstehen ist<br />

und deshalb vom Mensch verantwortet werden muss, sowie auf die Frage nach der<br />

„Übertragung“ der Sünde, das heißt auf die Frage, inwiefern alle Menschen davon<br />

betroffen sind. Dabei sollen die Problematik und das Anliegen einer Lehre vom<br />

18 Vgl. PANNENBERG, Sünde, Freiheit, Identität 237.<br />

19 PRÖPPER, Das Faktum der Sünde 167.<br />

20 Dazu Pröpper: „Gerade wenn nun aber jeder Freiheit der Entschluß zu sich selber als stete Aufgabe<br />

bevorsteht und sie deshalb aus der Geborgenheit <strong>im</strong> Unmittelbaren und vielfacher Verfallenheit heraus<br />

muß; gerade wenn sie in der Abstraktheit ihrer Selbstgewißheit zugleich der Unverfügbarkeit ihres<br />

zufälligen Daseins und ihres Sinns gewiß wird und deshalb, um ihre Identität vom freien anderen her<br />

zu finden, es wagen muß, auf ihn (hin) sich zu ‚verlassen‘; gerade wenn sie auch <strong>im</strong> Glauben die<br />

Angst nicht einfach auslöscht, sondern überwindet und auszuhalten lernt: gehört dann Angst nicht<br />

wesentlich zur Freiheit, die sich als endliche weiß?“ (PRÖPPER, Das Faktum der Sünde 167).


22<br />

Einleitung<br />

peccatum originale skizziert werden, ohne damit verbundene Schwierigkeiten zu<br />

übergehen, die den Zugang zu dieser Lehre der Kirche <strong>im</strong>mer wieder erschweren. 21<br />

Schon das deutsche Wort „Erbsünde“ ist für viele anstößig – und das aus gutem<br />

Grund, legt doch dieser Ausdruck ein Verständnis nahe, das die Sünde für eine Naturbest<strong>im</strong>mung<br />

des Menschen hält. Angesichts des deutschen Ausdrucks „Erbe“ wird der<br />

Gedanke nahegelegt, bei dieser Sünde handelte es sich um etwas, das <strong>im</strong> biologischen<br />

Sinne vererbt wird wie andere genetische Veranlagungen auch. 22 Wäre dies aber<br />

tatsächlich der Fall, erübrigte sich jede weitere Abhandlung über die Freiheit des<br />

Menschen. Jede Rede von „Verantwortung“, ja die Rede von „Sünde“ selbst, wäre<br />

sinnlos. Um von Sünde sprechen zu können, muss ein Mindestmaß an Freiheit und<br />

eine wie auch <strong>im</strong>mer geartete Form der Verantwortung des Menschen denkbar sein.<br />

Wird die Sünde „in die Gene verlagert“, dann gehört sie zu den natürlichen<br />

Bedingungen, die dem Menschen erst sein Leben ermöglichen, und kann folglich nicht<br />

mehr ethisch qualifiziert werden. <strong>Die</strong> Tatsache des Bösen fiele dann allerdings in die<br />

Verantwortung des Schöpfers zurück. Unser Leiden am Bösen wäre damit ebenfalls<br />

auf den Willen des Schöpfers zurückzuführen. Solche Überlegungen führen zu einem<br />

dunklen und erschreckenden Gottesbild, das sich, je weiter man dem Gedankengang<br />

folgt, um so mehr von den Aussagen der Heiligen Schrift entfernt. Der Gott der Bibel<br />

erscheint dann bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. „Erbe“ muss also ganz offensichtlich<br />

anders verstanden werden – und auch hinsichtlich des Begriffs „Sünde“ wird zu<br />

21 Vgl. hinführend zur Problematik HÜNERMANN, Peter, Erlöste Freiheit. Dogmatische Reflexionen <strong>im</strong><br />

Ausgang von den Menschenrechten, in: ThQ 165 (1985), 1-14; DERS., „Erlöse uns von dem Bösen“.<br />

Theologische Reflexion auf das Böse und die Erlösung vom Bösen, in: ThQ 162 (1982), 317-329;<br />

DERS., Peccatum originale – ein komplexer, mehrd<strong>im</strong>ensionaler Sachverhalt. Entwurf eines<br />

geschichtlichen Begriffs, in: ThQ 184 (2004) 92-107; HOPING, Helmut, Freiheitsdenken und<br />

Erbsündenlehre. Der transzendentale Ursprung der Sünde, in: ThGl 84 (1994), 299-317; DERS., Art.<br />

„Erbsünde, Erbsündenlehre. III. Systematisch-theologisch“, in: LThK ³1995, Bd. III, Freiburg – Basel<br />

– Rom – Wien, 746-747; JONAS, Hans, Augustin und das paulinische Freiheitsproblem. Eine<br />

philosophische Studie zum pelagianischen Streit, Göttingen ²1965; WENZEL, Knut, <strong>Die</strong> Erbsündenlehre<br />

als Theorie kritischer Erinnerung, in: ThPh 78 (2003) 212-231; MALDAMÉ, Jean-Michel, <strong>Die</strong><br />

Erbsünde <strong>im</strong> Spiegel des modernen Denkens, in: Conc (D) 40 (2004) 10-19; GRÄB-SCHMIDT,<br />

Elisabeth, Sünde und Best<strong>im</strong>mung des Menschen. <strong>Die</strong> bleibende Aktualität der Lehre von der<br />

Erbsünde, in: NZSTh 45, 2003, 149-169.<br />

22 So jedenfalls das heutige weit verbreitete Verständnis. Übersehen wird dabei in der Regel, dass „Erbe“<br />

auch juristisch verstanden werden kann. Kleffman geht davon aus, dass „erben“ zunächst <strong>im</strong><br />

juristischen Sinne verstanden <strong>wurde</strong>, während eine isolierte biologische Bedeutung erst <strong>im</strong> 19.<br />

Jahrhundert aufkam. Vgl. KLEFFMANN, Tom, <strong>Die</strong> Erbsündenlehre in sprachtheologischem Horizont.<br />

Eine Interpretation Augustins, Luthers und Hamanns, Tübingen 1994, 30.


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 23<br />

prüfen sein, inwiefern das peccatum originale der Freiheit des Menschen entspringt. 23<br />

Wenn <strong>im</strong> Folgenden statt „Erbsünde“ der Begriff peccatum originale verwendet<br />

wird, so geschieht dies, um einem falschen Verständnis der Sünde <strong>im</strong> Sinne eines<br />

peccatum haereditarium oder gar eines peccatum naturale vorzubeugen. Andererseits<br />

soll durch die Verwendung von peccatum originale nicht darüber entschieden sein, ob<br />

damit notwendigerweise die Vorstellung eines (historischen) Urzustandes und<br />

Sündenfalls einhergeht. <strong>Die</strong> theologische Diskussion um die Erbsünde war <strong>im</strong>mer<br />

wieder durch den Streit um die Historizität des Sündenfalls und des paradiesischen<br />

Urzustandes belastet, so wie durch die Annahme der historischen Abstammung aller<br />

Menschen von einem Elternpaar (Monogenismus). In dem Moment, in dem die<br />

Paläontologie die These eines Polygenismus vertritt, muss eine solche Überzeugung<br />

fragwürdig werden. <strong>Die</strong> Geschichte der Theologie zeigt, dass die Auffassung einer<br />

Erbsündenlehre ins Wanken geriet, sobald an der Historizität des Sündenfalls oder am<br />

Monogenismus Zweifel aufkamen, wie zum Beispiel in der Zeit der Aufklärung oder<br />

eben <strong>im</strong> Zusammenhang moderner Erkenntnisse der Paläontologie. 24 Allerdings ist<br />

eine paläontologische Fragestellung nicht theologisch zu entscheiden. Dabei ist es<br />

möglich, aufgrund theologischer Einsichten zu einem in sich konsistenteren Ergebnis<br />

zu kommen, das zudem nicht den Beigeschmack hat, das veränderte Verständnis des<br />

peccatum originale wäre das Resultat eines Rückzuggefechtes der Theologie gegenüber<br />

den Naturwissenschaften. <strong>Die</strong> heutige Bibelhermeneutik verweist darauf, dass<br />

Gen 3 kein historischer Bericht ist oder sein will. <strong>Die</strong> Erzählungen der Urgeschichte<br />

23 <strong>Die</strong> romanischen Sprachen aber auch das Englische weisen einen Weg, den die deutsche Sprache<br />

verstellt: Indem sie von péché originel, peccato originale oder pecado original bzw. von original sin<br />

sprechen, verweisen sie auf eine Ur-Sünde. <strong>Die</strong>ses Denken hat seine eigenen Schwierigkeiten, wenn<br />

damit die Vorstellung eines historischen Sündenfalls <strong>im</strong> Anfang der Zeit verbunden wird, was jedoch<br />

nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Doch kann péché originel nicht so leicht mit einem<br />

peccatum haereditarium verwechselt werden wie „Erbsünde“ oder „erfzonde“, die eine naturhafte und<br />

damit dem modernen Menschen eine biologische Vorstellung der Weitergabe der Sünde nahelegen.<br />

Nach Kleffmann betonen die romanischen Sprachen mit Augustinus „die allgemeine Präsenz eines<br />

vorausgesetzten, aber nicht eigentlich als geschichtsbildend ausgesagten Ursprunges, der ersten<br />

Sünde“ (KLEFFMANN, <strong>Die</strong> Erbsündenlehre in sprachtheologischem Horizont 28), während der<br />

deutsche Begriff „Erbsünde“ „den geschichtlichen Prozeß der Übertragung, das geschichtliche,<br />

geschichtsprägende Vererben und Erben als solches“ (ebd. 28-29) hervorhebt. Kleffmann betrachtet<br />

den Ausdruck „Erbsünde“ als originelle Bildung der deutschen Sprache (vgl. ebd. 26).<br />

24 Das ist noch an den Beiträgen Karl Rahners abzulesen (vgl. z. B. RAHNER, Karl, Erbsünde und<br />

Monogenismus, in: Weger, Karl-Heinz, Theologie der Erbsünde, Freiburg – Basel – Wien 1969, 176-<br />

223), der bestrebt ist, die kirchliche Erbsündenlehre angesichts der Anfragen, die sich aus der<br />

paläontologischen Forschung ergeben, neu zu formulieren. Dabei gelangt er zu Formulierungen, die<br />

erkennen lassen, dass er sich <strong>im</strong>mer noch an einem historischen Verständnis von Gen 1-3 orientiert.


24<br />

Einleitung<br />

Gen 1-9, in dessen Gesamtzusammenhang Gen 3 zu lesen ist, sind vielmehr als<br />

Paradigma und Ätiologie zu begreifen. 25 Das bedeutet, dass auf erzählerische Weise<br />

eine grundlegende Aussage über das Menschsein gemachten werden soll. Es geht<br />

darum, „was gilt, seit und solange es Menschen gibt und geben wird: was Mensch-<br />

Sein zutiefst ausmacht und best<strong>im</strong>mt“ 26 . Der auf diese Weise veränderte Verstehenshorizont<br />

biblischer Aussagen bedeutet eine Befreiung auch für das Verständnis der<br />

kirchlichen Erbsündenlehre. 27 Im Folgenden wird peccatum originale also <strong>im</strong> Sinne<br />

von „ursprüngliche Sünde“ verwendet.<br />

<strong>Die</strong> theologische Formel vom peccatum originale geht auf Augustinus zurück,<br />

mit dessen Darstellung die klassische Erbsündenlehre eng verknüpft ist. 28 <strong>Die</strong>ser<br />

Begriff findet sich erstmals in seiner ersten antipelagianischen Schrift De peccatorum<br />

meritis et remissione (411-412). Allerdings stellt Augustinus hier nicht seine Sündenlehre<br />

systematisch dar, sondern entfaltet anlässlich der Auseinandersetzung mit<br />

Pelagius und seinen Anhängern ihre Implikationen. <strong>Die</strong> Grundzüge seiner Sündenlehre<br />

sind zu diesem Zeitpunkt bereits entwickelt. Sie ist nicht erst Ertrag des pelagia-<br />

25 Vgl. SMEND, Rudolf, Überlieferung und Geschichte. Aspekte ihres Verhältnisses, in: Gese, Hartmut/<br />

Steck, Odil Hannes (Hg.), Zu Tradition und Theologie <strong>im</strong> Alten Testament, Neukirchen-Vluyn, 1978,<br />

9-26, 16.<br />

26 ZENGER, Erich, Zum biblischen Hintergrund der christlichen Erbsündentheologie, in: Wiedenhofer,<br />

Siegfried (Hg.), Erbsünde – was ist das?, Regensburg 1999, 9-34, 24. Vgl. hierzu auch BIRD, Phyllis<br />

A., Genesis 3 in der gegenwärtigen biblischen Forschung, in: Beintker, Michael (Hg.), Sünde und<br />

Gericht, Neukirchen-Vluyn 1994, 3-24, 7.<br />

27 Im späteren Verlauf der <strong>Arbeit</strong> wird auf das hier skizzierte Problem noch näher eingegangen werden<br />

müssen, an dieser Stelle sei nur angedeutet, dass es ohne weiteres möglich ist, die Erbsünde zu denken,<br />

ohne dafür und wider besseres Wissen an der Historizität von Paradies, Sündenfall und Adam und Eva<br />

festhalten zu müssen. Von daher greift die Behauptung von Baumann, die Paläontologie habe „das<br />

notwendige Fundament für eine ‚Erbsündenlehre‘ restlos und in allen Teilen zerstört“ (BAUMANN, Urs,<br />

Erbsünde? Ihr traditionelles Verständnis in der Krise heutiger Theologie, Freiburg – Basel – Wien<br />

1970, 85) zu kurz. <strong>Die</strong> Voraussetzung, der Urstand sei unter allen Umständen historisch zu denken<br />

und dies sei ein wesentliches Fundament der Lehre, ist so nicht aufrechtzuerhalten. <strong>Die</strong> Erbsündenlehre<br />

ist nicht in der von Baumann unterstellten Zwangsläufigkeit an ein best<strong>im</strong>mtes Weltbild<br />

gebunden, mit dem es nun untergegangen wäre (vgl. ebd. 84).<br />

28 Vgl. zu Folgendem PESCH, Frei sein aus Gnade 88-91; DERS./PETERS, Albrecht, Einführung in die<br />

Lehre von Gnade und Rechtfertigung, Darmstadt ³1994 (1981), 15-34; SCHEFFCZYK, Leo, Urstand,<br />

Fall und Erbsünde. Von der Schrift bis Augustinus, Freiburg – Basel – Wien 1981, 176-229, KÖSTER,<br />

Heinrich, Urstand, Fall und Erbsünde. In der Scholastik, Freiburg – Basel – Wien 1979, DERS.,<br />

Urstand, Fall und Erbsünde. Von der Reformation bis zur Gegenwart, Freiburg – Basel – Wien 1982;<br />

DERS., Urstand, Fall und Erbsünde in der katholischen Theologie unseres Jahrhunderts, Regensburg<br />

1983; GROSS, Julius, Geschichte des Erbsündendogmas, Bd. I, München – Basel 1960, 257-376;<br />

HOPING, Helmut, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch, Innsbruck – Wien 1990, 4-27; BÖTTIGHEIMER, Christoph,<br />

Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld von Sünde und Freiheit. <strong>Die</strong> ökumenische Relevanz der Erbsündenlehre,<br />

St. Ottilien 1994, 30-38.


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 25<br />

nischen Streits, vielmehr ist dieser ihre Bewährungsprobe und so kommt es in dessen<br />

Verlauf zu Zuspitzungen best<strong>im</strong>mter Aspekte. 29 Hatte die Frage nach dem Ursprung<br />

des Bösen Augustinus für mehrere Jahre zu den Manichäern geführt, so entdeckt er<br />

mit seiner Bekehrung zum Christentum Gott als Herrn der Geschichte und guten<br />

Schöpfergott. <strong>Die</strong>s steht dem metaphysischen Dualismus der Manichäer, die das Böse<br />

letztlich als etwas dem Menschen Äußerliches betrachten, diametral entgegen.<br />

Während der Manichäismus den Kosmos als gefallen und die menschliche Seele<br />

dagegen als gut, weil aus dem h<strong>im</strong>mlischen Bereich stammend, betrachtete, so ist die<br />

Welt nach christlichem Glauben zunächst einmal gute Schöpfung Gottes. 30 Gegenüber<br />

dem schicksalshaften Menschenbild des Manichäismus kommt nun ein Menschenbild<br />

zum Tragen, das durch freien Willen und Verantwortung best<strong>im</strong>mt ist. Insofern<br />

beginnt das theologische Denken des Augustinus mit seiner Auseinandersetzung mit<br />

den Manichäern. In seiner Freiheitsschrift De libero arbitrio (388; 391-395) distanziert<br />

sich Augustinus vom Manichäismus und verteidigt diesem gegenüber die<br />

Willensfreiheit des Menschen. Wenn aber gemäß des christlichen Schöpfungsglaubens<br />

diese Schöpfung Gottes grundsätzlich gut ist, dann kann der Ursprung des Bösen nicht<br />

in Gott liegen, sondern nur in etwas Geschaffenem, das zum Bösen fähig ist – <strong>im</strong><br />

seiner selbst bewussten Menschen. Das Böse denkt Augustinus also als Tat des<br />

Menschen, nicht als etwas Substanzielles. Sie entspringt dem Willen des Menschen. 31<br />

Als Wesen und Anfang der Sünde best<strong>im</strong>mt Augustinus die superbia des Menschen. 32<br />

So sehr Augustinus gegenüber dem Manichäismus auf der Freiheit des Willens<br />

besteht, so wenig vertritt er einen Freiheitsopt<strong>im</strong>ismus wie etwa Pelagius. <strong>Die</strong><br />

Willensfreiheit des Menschen besteht nach Augustinus nicht völlig ungebrochen.<br />

Schon in De libero arbitrio unterscheidet er zwischen der „eigentlichen Sünde“, die<br />

aus freiem Willen geschieht, und dem Sündhaften, „was als Strafe bereits mit<br />

29 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 89. Auch HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 19-20 geht davon aus,<br />

dass Augustins Lehre vom peccatum originale schon vor dieser Auseinandersetzung in ihren<br />

Grundzügen entwickelt ist, anders dagegen BAUMANN, Erbsünde? 31.<br />

30 „Es ist insbesondere der christliche Schöpfungsglaube, der auch die Frage des Bösen in andrer Weise<br />

als die Gnosis beantworten läßt: Das Böse ist kein Sein, sondern ein Tun, ist nicht die Welt, sondern<br />

kommt mit dem Menschen in die Welt, ist kein tragisches Geschick, sondern das Ergebnis menschlichen<br />

Wollens.“ (WIEDENHOFER, Siegfried, <strong>Die</strong> Lehre der Kirche von der Erbsünde. Geschichtliche<br />

Entwicklung und heutiges Verständnis, in: ders., Erbsünde – was ist das? 35-65, hier: 47-48).<br />

31 Vgl. AURELIUS AUGUSTINUS, De libero arbitrio II 1/CCL 29,236f; III 16,46/CCL 29,302 und III<br />

17,48/CCL 29,303.<br />

32 Vgl. AURELIUS AUGUSTINUS, De peccatorum meritis et remissione II 17,27/CSEL 60,99.


26<br />

Einleitung<br />

Notwendigkeit sich aus jener ersten Sünde ergibt“ 33 . Auf diese Weise erweitert<br />

Augustinus den Begriff der Strafe und bezieht das Moment des Schuldigseins mit<br />

ein. 34 In ähnlicher Weise unterscheidet Augustinus die eigentliche Natur des Menschen,<br />

in der er unschuldig geschaffen <strong>wurde</strong>, von jener Natur, in der er geboren und<br />

als Strafe für die erste Sünde schuldig gesprochen <strong>wurde</strong>, wie für ihn aus Eph 2,3<br />

hervorgeht. 35 <strong>Die</strong>se Strafe für den Sündenfall bezeichnet Augustinus als peccatum,<br />

wenn auch nicht <strong>im</strong> eigentlichen Sinne, denn es handelt sich nicht um eine individuelle<br />

Sünde (proprium peccatum), 36 sondern um einen allgemeinen Sündenfall. Nicht allein<br />

ein einzelner Mensch hat nach der Vorstellung des Augustinus <strong>im</strong> Paradies gesündigt,<br />

sondern die Natur des Menschen. 37 Insofern handelt es sich bei diesem peccatum um<br />

ein peccatum naturae <strong>im</strong> Sinne des platonischen Universalienrealismus. Hier klingt<br />

bereits die für die Sündenlehre des Augustinus entscheidende Vorstellung von den<br />

zwei Naturen an, der paradiesischen natura propria einerseits und der nachparadiesischen<br />

natura aliena andererseits. Den paradiesischen Menschen stellt Augustinus<br />

sich als rein geistlichen Menschen vor, dem der an<strong>im</strong>alische Mensch nach dem<br />

Sündenfall gegenübersteht. 38 Durch die Sünde Adams ist die ursprüngliche Natur des<br />

Menschen (natura prorpia) zu einer natura aliena geworden, zu der auch die Dialektik<br />

des Willens gehört, das Gute zu erkennen, aber das Böse zu tun. So wird die Sünde<br />

zu einer Naturbest<strong>im</strong>mung, wenn sie auch ursprünglich eine Tat der Freiheit bleibt. 39<br />

33 Vgl. AUGUSTINUS, De lib. arb. III 19,54/CCL29,307.<br />

34 Vgl. SCHEFFCZYK, Urstand, Fall und Erbsünde 202.<br />

35 Vgl. AUGUSTINUS, De lib. arb. III 19,54/CCL 29, 306-307.<br />

36 Vgl. auch später AUGUSTINUS, De pecc. et mer. I 10,11/CSEL 60,12. Insofern kann hier nicht davon<br />

die Rede sein, Augustinus vertrete in De libero arbitrio eine Erbübellehre (gegen BAUMANN,<br />

Erbsünde? 26), auch wenn eine Erbsündenlehre <strong>im</strong> formellen Sinn noch nicht erreicht ist: Er spricht<br />

von Sünde (peccatum). <strong>Die</strong> natura aliena hat also nicht lediglich Straf-, sondern Sündencharakter.<br />

37 Vgl. HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 18.<br />

38 Keinesfalls darf „Natur“ hier jedoch <strong>im</strong> scholastischen Sinne verstanden werden. Natur und Gnade<br />

sind nicht geschieden (vgl. SCHEFFCZYK, Urstand, Fall und Erbsünde 208). Auch Kleffman<br />

unterstreicht, dass auch „die schon augustinische Formulierung von der Übertragung des peccatum<br />

originale durch die menschliche Natur – qua Zeugung bzw. Geburt – nicht gleich biologisch<br />

mißzuverstehen“ sei: Der ältere Naturbegriff umfasse „das Geistig-Seelische, das Leibliche und ihr<br />

Verhältnis“ (KLEFFMANN, <strong>Die</strong> Erbsündenlehre in sprachtheologischem Horizont 30). Unter Natur<br />

versteht Augustinus das Ursprüngliche am Menschen. So kann er gerade den Anfangszustand des<br />

Menschen als Natur bezeichnen. Wenn er von der Sünde als natura vitiata bzw. corrupta oder natura<br />

filii irae spricht, so ist weder <strong>im</strong> ersten Fall gemeint, „daß die Gnade ein Erfordernis der Natur sei“,<br />

noch <strong>im</strong> zweiten Fall, „daß die Sünde zur menschlichen Wesenheit gehöre“ (SCHEFFCZYK, Urstand,<br />

Fall und Erbsünde 207). Natur ist alles, was Gott zu schaffen vermag (vgl. ebd.).<br />

39 Vgl. auch AURELIUS AUGUSTINUS, De natura et gratia 3,3/CSEL 60, 235.


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 27<br />

Im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift, vor allem mit den<br />

paulinischen Schriften, gelangt Augustinus zu einem vertieften Gnadenverständnis. 40<br />

So unterstreicht er in De diversis quaestionibus ad S<strong>im</strong>plicianum (396) die Unverdienbarkeit<br />

der Gnade. Bestand Augustinus gegenüber den Manichäern darauf, dass das<br />

Böse durch ein Tun des Menschen in die Welt kommt, also Sünde ist, so muss<br />

angesichts der Gratuität der Gnade Gottes zugleich unterstrichen werden, dass der<br />

Mensch nicht in der Lage ist, sich selbst zu befreien. Dabei ist jeder Mensch auf die<br />

Erlösung Gottes angewiesen, denn alle Menschen werden in der natura aliena<br />

geboren. 41 Für Augustinus bedeutet dies nicht, jeder von uns hätte persönlich in Adam<br />

gesündigt. 42 Das peccatum originale, das alle Menschen betrifft, besteht nicht<br />

aufgrund einer persönlichen, individuellen Willensentscheidung, sondern aufgrund der<br />

gemeinsamen Abstammung. Insofern kann er von einem allgemeinen Sündenfall<br />

sprechen, was bedeutet, dass jeder Mensch bereits vor seiner persönlichen Sünde,<br />

Sünder ist.<br />

In diesem Sinne muss die Formel propagatione, non <strong>im</strong>itatione 43 , die Augustinus<br />

geprägt hat, verstanden werden. Augustinus hält daran fest, dass alle Menschen von<br />

der Sünde betroffen sind aufgrund der Geschlechterfolge, das heißt der Fortpflanzung.<br />

44 <strong>Die</strong> Pointe dabei ist der Gedanke der Einheit des Menschengeschlechts. 45<br />

40 Insofern ist die Darstellung von Baumann, die Gnadenlehre des Augustinus sei nur aus dem persönlichen<br />

Erlebnis der Gnade und Barmherzigkeit Gottes verstehbar (vgl. BAUMANN, Erbsünde? 41),<br />

verkürzt.<br />

41 „Für Augustinus besteht nach dem Fall eine bis in die natura humana hineinreichende innere Zerissenheit<br />

des liberum arbitrium, so daß dieses, obwohl es als Vermögen der Wahlfreiheit weiter intakt<br />

bleibt, aus sich heraus das Gute nicht mehr zu tun vermag. <strong>Die</strong> corruptio libertatis ist für Augustinus<br />

schlechthin radikal. Sie hat ihren Grund in der durch Fortpflanzung weitergegebenen natura humana<br />

vitiata.“ (HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 23).<br />

42 Augustinus geht es darum, mittels des Naturbegriffs die reale Einheit des Menschengeschlechts zu<br />

betonen. Alle Menschen, so Augustinus, haben in Adam gesündigt, wie sich für ihn aus Röm 5,12<br />

ergibt. Augustinus missversteht – aus heutiger Sicht – das in quo omnes peccaverunt, indem er es<br />

relativisch statt kausal interpretiert. Alle haben <strong>im</strong> ersten Menschen gesündigt, weil alle damals in ihm<br />

waren. Vgl. SCHEFFCZYK, Urstand, Fall und Erbsünde 213.<br />

43 Vgl. AUGUSTINUS, De pecc. mer. et rem. I 9,10/CSEL 60,11, aber auch I 15,19/CSEL 60,21.<br />

44 Für Augustinus beweist Röm 5,12 zum einen die Existenz des peccatum originale, des weiteren aber<br />

auch, dass die Sünde nicht durch Nachahmung, sondern durch Fortpflanzung weitergegeben wird (vgl.<br />

AUGUSTINUS, De pecc. mer. et rem. I 9/CSEL 60,10f sowie I 10,11/CSEL 60, 12f).<br />

45 Um diesen Gedanken festzuhalten, spricht Augustinus in De lib. arb. III 20,56/CCL 29,307 von einer<br />

mystische Seeleneinheit. Es findet sich bei ihm aber auch eine juridische Vorstellung der Übertragung<br />

der Sünde, die allerdings offen lässt, wie es dann zu einer Umgestaltung der Natur des Menschen<br />

kommen kann (vgl. SCHEFFCZYK, Urstand, Fall und Erbsünde 215).


28<br />

Einleitung<br />

Gegenüber Pelagius besteht Augustinus darauf, dass die Sünde nicht durch das<br />

schlechte Beispiel Adams und seine Nachahmung in die Menschheit kommt.<br />

Allerdings denkt Augustinus damit tatsächlich das peccatum originale als eine Naturbest<strong>im</strong>mung<br />

des Menschen. Der natura humana vitiata der Nachkommen Adams<br />

haftet das peccatum originale an, deren corruptio sich in der concupiscentia carnis<br />

äußert. 46 In der Verknüpfung des Naturbegriffs mit dem peccatum originale liegt<br />

allerdings nun auch die Aporie der augustinischen Sündenlehre. 47<br />

In den Augen des Augustinus vertrat dagegen Pelagius einen Gnadenbegriff,<br />

demzufolge die menschliche Freiheit durch das Gesetz Gottes und das Vorbild Christi<br />

erzogen wird. Pelagius traut also ganz <strong>im</strong> Gegensatz zu Augustinus und dessen<br />

Lebenserfahrung der Freiheit des menschlichen Willens zu, Gott nachzuahmen.<br />

Aufgrund der Gottebenbildlichkeit des Menschen liegt die Möglichkeit dazu <strong>im</strong><br />

liberum arbitrium, das für Pelagius zur natura humana gehört. 48 Das Können gründet<br />

nach Pelagius in der natura humana, das Wollen, wozu auch das posse malum facere<br />

gehört, dagegen <strong>im</strong> arbitrium. <strong>Die</strong> natura humana hat sich nach Pelagius – ganz <strong>im</strong><br />

Gegensatz zur Vorstellung des Augustinus – durch die Sünde Adams nicht verändert.<br />

Nach Pelagius bleibt das liberum arbitrium <strong>im</strong> Wesentlichen intakt. 49 Dass der<br />

Mensch sündigt, ist in den Augen des Pelagius auf schlechte Gewohnheit zurückzuführen.<br />

Demgegenüber betont Augustinus, dass die Natur des Menschen zu verderbt ist,<br />

als dass „bloße“ Erziehung helfen könnte. „Der Wille des Menschen ist unter diesem<br />

Betracht nicht frei, sondern versklavt. Er bedarf einer Gnade, die ihn innerlich<br />

herumwirft und verwandelt.“ 50 So werden in der Taufe auch nicht einzelne, zurück-<br />

46 Vgl. BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld 37.<br />

47 Vgl. ebd. 31, sowie 39 und 40.<br />

48 „Von dieser Konzeption her kann Pelagius schon die Problemstellung Augustinus nicht verstehen,<br />

geschweige denn seine Lösung. <strong>Die</strong> Gnade muß nicht erst kommen, sie ist <strong>im</strong>mer schon gegeben und<br />

überdies seit Christus mit der Vergebung aller früheren Sünden verbunden. Und sie muß eine ‚äußere‘<br />

Wirklichkeit sein und bleiben, denn als innere, in die Personhaftigkeit des Menschen eindringende<br />

Wirklichkeit würde sie ja gerade die Freiheit aufheben, an die sie appelliert“ (PESCH/PETERS,<br />

Einführung 27).<br />

49 Letztlich ging es bei der Auseinandersetzung auch um verschiedene Paulusinterpretationen. Zugleich<br />

stehen sich mit Pelagius und Augustinus auch Exponenten zweier unterschiedlicher christlicher<br />

Mentalitäten gegenüber, die divergierende Lebenserfahrungen gemacht haben. Während für Augustinus<br />

das Scheitern seiner eigenen ethischen Bemühungen prägend ist, so kann Pelagius von der<br />

Erfahrung ausgehen, dass solches Bemühen erfolgreich ist. Vgl. PESCH/PETERS, Einführung 28-29.<br />

50 PESCH, Frei sein aus Gnade 89.


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 29<br />

liegende Sündentaten vergeben, vielmehr wird nach Augustinus der Mensch in der<br />

Taufe aus der Schuldverhaftung (reatus) des peccatum originale befreit. <strong>Die</strong><br />

concupiscentia verliert in der Taufe ihren Schuldcharakter. Doch auch hier muss<br />

unterstrichen werden: Den Sündencharakter wie auch den Strafcharakter der Begierde<br />

versteht Augustinus in einem uneigentlichen Sinn. <strong>Die</strong> Begierde wird nicht deswegen<br />

Sünde genannt, weil sie Sünde ist, sondern weil sie durch die Sünde entstanden ist. 51<br />

Sie ist Sünde sofern sie „aus der Sünde kommt, die Sünde überträgt und zu neuer<br />

(aktueller) Sünde anstachelt“ 52 . <strong>Die</strong> Begierde ist nach Augustinus ihrem Wesen nach<br />

ein Übel, etwas, das vor Gott nicht sein soll und insofern Sünde. Dabei ist sie jedoch<br />

nicht mit dem peccatum originale identisch, sondern dessen Folge.<br />

<strong>Die</strong> Sündenlehre des Kirchenvaters Augustinus hat sich in der Folge als äußert<br />

wirkmächtig erwiesen. Dabei wird allerdings häufig übersehen, dass seine Lehre nicht<br />

in vollem Umfang von der Kirche rezipiert worden ist. 53 Wenn die 2. Synode von<br />

Orange (529) der kirchlich rezipierte Augustinus ist 54 , so fällt auf, dass sich diese<br />

Versammlung nicht zur Konkupiszenz und nicht zur Art und Weise der Übertragung<br />

(transmissio) der Sünde äußert. 55 Im Mittelpunkt stehen die Ursünde und die Gnade<br />

Gottes. Dabei spitzen die Texte von Orange „das paulinische Verständnis von der<br />

Sünde unter dem Druck der Kontroverse mit Pelagius, den Pelagianern und schließlich<br />

den Semipelagianern zu“ 56 . Es ist nun nicht die Rede von einzelnen Sündentaten,<br />

sondern vom Sündenverhängnis. Nur was der Mensch kraft der Gnade Gottes tun<br />

kann, wird <strong>im</strong> einzelnen beschrieben. 57<br />

51 Vgl. AUGUSTINUS, De pecc. mer. et rem. II 22,36/CSEL 60,107f sowie DERS., De nuptiis et<br />

concupiscentia I 23,25/CSEL 42,237f.<br />

52 SCHEFFCZYK, Urstand, Fall und Erbsünde 220.<br />

53 Vgl. BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld 39.<br />

54 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 91. Faktisch sind mit Orange II wesentliche Aspekte der augustinischen<br />

Lehre vom peccatum originale rezipiert worden, was allerdings nicht bedeutet, den Texten<br />

käme dogmatischen Rang zu. Vgl. hierzu BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld 39 sowie 42;<br />

PESCH, Frei sein aus Gnade 128-129, PESCH/PETERS, Einführung 39.<br />

55 Vgl. zum Folgenden BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld 41-43; PESCH/PETERS,<br />

Einführung 34-42; PESCH, Frei sein aus Gnade 128-133.<br />

56 PESCH, Frei sein aus Gnade 129. Zum Begriff „Semipelagianer“ vgl. PESCH/PETERS, Einführung 34-<br />

35.<br />

57 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 129.


30<br />

Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Synode hält fest, dass der ganze Mensch von der Sünde betroffen ist, 58<br />

sodass seine Freiheit nicht ungebrochen fortbesteht. 59 Der freie Wille ist durch die<br />

Sünde Adams verdorben. 60 Von dieser Sünde Adams ist nicht Adam allein betroffen,<br />

sondern alle Menschen (omnis genus humanum; mit Verweis auf die Adam-Christus-<br />

Parallele Röm 5,12). <strong>Die</strong> Freiheit des Menschen ist so geschwächt, dass es dem<br />

Menschen ohne Gottes Gnade nicht möglich ist, diese Gnade zu erflehen. 61 Schon jede<br />

Neigung zur Gläubigkeit und dann auch Anfang und Wachstum des Glaubens sind<br />

Geschenke der Gnade. Damit wird jede Form eines natürlichen Glaubens abgewiesen.<br />

62 Allein die Taufe kann die geschwächte Willensfreiheit wiederherstellen. 63 Doch<br />

schon das Verlangen, die Taufe zu empfangen, ist nur aufgrund der Gnade möglich. 64<br />

Der Mensch kann sich nicht Gottes Barmherzigkeit durch gute Werke verdienen,<br />

sondern umgekehrt ist es ihm nur möglich Gutes zu tun aufgrund der Einhauchung des<br />

Heiligen Geistes. 65 Auch die Getauften bleiben auf den Beistand Gottes angewiesen,<br />

um <strong>im</strong> guten Werk verharren zu können. 66 So kann niemand gerettet werden, wenn<br />

Gott sich nicht erbarmt. 67 Zugleich wird die Vorstellung einer Prädestination zur Verdammnis<br />

abgelehnt. 68 Den Gedanken einer massa damnata übern<strong>im</strong>mt die Kirchenversammlung<br />

von Augustinus also nicht. Auch eine Gleichsetzung von sexueller<br />

Begierde und Erbsünde übergeht Orange schweigend. Es äußert sich zum peccatum<br />

originale und zur Gnade, nicht aber zur Konkupiszenz. Hinsichtlich der Übertragung<br />

der Sünde auf das Menschengeschlecht wird einfach festgestellt, dass dies gemäß Röm<br />

5,12 so ist. Zur Art und Weise der Übertragung äußert sich die Synode von Orange<br />

nicht. Anders gesagt: Ob der Mensch durch die Geburt Sünder ist, wird offen<br />

gelassen, jedenfalls ist er aber mit der Geburt, also von Geburt an, Sünder. 69<br />

58 Vgl. DH 371; 385.<br />

59 Vgl. DH 371; 378.<br />

60 Vgl. DH 378.<br />

61 Vgl. DH 373.<br />

62 Vgl. DH 375; 376.<br />

63 Vgl. DH 383; 385.<br />

64 Vgl. DH 378; 374.<br />

65 Vgl. DH 376f.; 379; 381; 388; 390; 395.<br />

66 Vgl. DH 380.<br />

67 Vgl. DH 389.<br />

68 Vgl. DH 397.<br />

69 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 132.


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 31<br />

Auch Trient 70 geht davon aus, dass der ganze Mensch sich durch die Ursünde<br />

zum Schlechteren gewandelt hat 71 und dass diese Sünde das ganze Menschengeschlecht<br />

betrifft. 72 Das Konzil geht mit Augustinus von einer allgemeinen, das heißt<br />

die gesamte Menschheit umfassenden Schuldverfallenheit des menschlichen Daseins<br />

vor aller individuellen Schuld und Sünde aus. 73 Der Mensch ist nicht in der Lage, sich<br />

selbst aus dieser Schuld zu befreien. 74 <strong>Die</strong>s vermögen allein Glaube und Taufe. 75<br />

Trient misst dem Glauben eine hervorragende Rolle bei – und sucht doch zugleich eine<br />

Abgrenzung von einem zu vordergründigen Verständnis des sola fide, indem es betont,<br />

dass zum Glauben auch die Bußfertigkeit und die Gesetzeserfüllung gehören, und dass<br />

der Glaube von Hoffnung und Liebe ergänzt werden soll und zur Taufe hingeordnet<br />

ist. 76 So kann die Ursünde nur durch die Taufe hinweggenommen werden. 77 In diesem<br />

Zusammenhang greift das Konzil die augustinische Formel auf, wonach diese Sünde<br />

durch Fortpflanzung, nicht durch Nachahmung übertragen wird (propagatione, non<br />

<strong>im</strong>itatione transfusum) und allen innewohnt, eine jedem eigen (omnibus inest unicuique<br />

proprium). <strong>Die</strong> Stoßrichtung des Anathema richtet sich gegen die Meinung, es<br />

gäbe andere Mittel der Tilgung dieser Sünde als die Taufe. In diesem Sinne wird auch<br />

die Vorstellung zurückgewiesen, Kinder müssten nicht zur Vergebung der Sünden<br />

getauft werden. 78 Gemäß der Lehre des Konzils wird in der Taufe die Strafwürdigkeit<br />

der Ursünde (reatus originalis peccati) vergeben. Allerdings bleibt auch <strong>im</strong> Getauften<br />

die Begierde (concupiscentia) als Zündstoff (fomes) bestehen. Das Konzil weist<br />

zugleich eine Identifizierung der concupiscentia mit der Sünde ab: Paulus habe diese<br />

70 Vgl. zu Folgendem MARTIN-PALMA, José, Gnadenlehre. Von der Reformation bis zur Gegenwart,<br />

Freiburg – Basel – Wien 1980, 48-66; BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld 56-63;<br />

PESCH/PETERS, Einführung 169-209; PESCH, Frei sein aus Gnade 147-151.<br />

71 Vgl. DH 1511.<br />

72 Vgl. DH 1512.<br />

73 Vgl. HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 27.<br />

74 Vgl. DH 1521; DH 1551; DH 1553.<br />

75 Trient geht in diesem Punkt nicht hinter die Tradition zurück. Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 151:<br />

„Trient bedeutet nicht nur keine vorsichtige Rückkehr zu pelagianischen oder semipelagianischen<br />

Positionen, sondern überhaupt keine.“ Anders sieht dies JÜNGEL, Eberhard, Das Evangelium von der<br />

Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens. Ein theologische Studie in<br />

ökumenischer Absicht, Tübingen 2004, 164-167.<br />

76 Vgl. MARTIN-PALMA, Gnadenlehre 58.<br />

77 Vgl. DH 1513; sowie DH 1523-24; DH 1529; vgl. des weiteren DH 1604-8; DH 1618; sowie DH<br />

1623.<br />

78 Vgl. DH 1514; vgl. auch DH 1626.


32<br />

Einleitung<br />

zwar bisweilen peccatum genannt, was aber nicht bedeute, dass sie wahrhaft und<br />

eigentlich Sünde sei. Vielmehr werde damit ausgesagt, dass sie aus der Sünde ist und<br />

zur Sünde geneigt macht. 79<br />

Wie Orange hält auch Trient daran fest, dass keine Rechtfertigung ohne die<br />

Gerechtigkeit Christi möglich ist. 80 Schon für die Vorbereitung des Erwachsenen auf<br />

die Rechtfertigung ist die Intitative Gottes unbedingt erforderlich, denn sie hat ihren<br />

Anfang nicht <strong>im</strong> Menschen, sondern von Gottes Gnade (praeveniente gratia): Durch<br />

den Ruf Christi werden die Menschen – „ohne dass ihrerseits irgendwelche Verdienste<br />

vorlägen“ – zur Umkehr gerufen und durch seine helfende und rettende Gnade darauf<br />

vorbereitet, „sich durch freie Zust<strong>im</strong>mung und Mitwirkung mit dieser Gnade zu ihrer<br />

eigenen Rechtfertigung zu bekehren; wenn also Gott durch die Erleuchtung des<br />

Heiligen Geistes das Herz des Menschen berührt, tut der Mensch selbst, wenn er diese<br />

Einhauchung aufn<strong>im</strong>mt, weder überhaupt nichts – er könnte sie ja auch verschmähen<br />

– noch kann er sich andererseits ohne die Gnade Gottes durch seinen freien Willen auf<br />

die Gerechtigkeit vor ihm zubewegen“ 81 . Auch das Verharren in der Gerechtigkeit ist<br />

ohne Gottes Hilfe unmöglich, mit ihm ist es aber möglich. 82 Trient lehrt also einerseits<br />

die Angewiesenheit des Menschen auf den Beistand Gottes. Der menschliche Wille<br />

vermag nicht aus sich heraus Gottes Barmherzigkeit zu verdienen, 83 sie wird ihm<br />

geschenkt. Andererseits ist der freie Wille nicht ausgelöscht worden, 84 auch wenn er<br />

in seinen Kräften geschwächt und gebeugt war. Er ist nicht in dem Sinne rein passiv<br />

wie etwas Lebloses. 85 Insofern versucht das Konzil, sich in gleicher Weise vom<br />

Pelagianismus zu distanzieren wie auch von den Reformatoren: 86 Der von Gott<br />

79 Vgl. DH 1515. <strong>Die</strong> Konzilsmehrheit sprach der Konkupiszenz einen wirklichen Sündencharakter ab.<br />

Dem stand die augustinische Minderheit gegenüber, die darauf hinwies, dass die Konkupiszenz Gott<br />

missfällt und folglich als Sünde zu begreifen ist (vgl. MARTIN-PALMA, Gnadenlehre 51).<br />

80 Vgl. DH 1560.<br />

81 DH 1525.<br />

82 Vgl. DH 1572.<br />

83 Vgl. DH 1552.<br />

84 Vgl. DH 1521.<br />

85 Auch eine zu vordergründige Ablehnung guter Werke weist das Konzil ab (vgl. DH 1574-78; DH<br />

1581-82): Glaube ohne Werke ist tot und müßig (vgl. DH 1531; vgl. auch DH 1539; DH 1545 und DH<br />

1548).<br />

86 Vgl. MARTIN-PALMA, Gnadenlehre 51. Damit ist das Problem des gesamten Konzils benannt: Es will<br />

den verschiedenen innerkatholischen Meinungen Rechnung tragen zugleich aber die katholische Lehre<br />

von derjenigen der Reformatoren abgrenzen (vgl. ebd. 66).


Skizze der kirchlichen Lehre vom peccatum originale 33<br />

bewegte und erweckte freie Wille des Menschen wirkt durch seine Zust<strong>im</strong>mung zu der<br />

Erweckung dazu mit, sich auf den Empfang der Rechtfertigungsgnade zuzurüsten. Der<br />

freie Wille könnte Gottes Gnade ja auch widersprechen. 87 <strong>Die</strong>s bedeutet keinen<br />

sachlichen Widerspruch zu Orange: Während Orange libertas und liberum arbitrium<br />

augustinisch als Freiheit von der Sünde und als Freiheit für Gott verstand, geht Trient<br />

auf die psychologische Wahlfreiheit ein. <strong>Die</strong> Freiheit von der Sünde ist verloren, doch<br />

die Wahlfreiheit besteht selbstverständlich nach wie vor. 88 „An keiner Stelle sagt aber<br />

das Konzil, daß dieses Vermögen der freien Wahl von sich aus etwas zum Heil<br />

beiträgt. Wo es so klingt, handelt es sich <strong>im</strong>mer um die schon zuvor von Gottes Gnade<br />

berührte Freiheit. <strong>Die</strong> Fortexistenz des freien Willens auch <strong>im</strong> Sünder bedeutet positiv<br />

nicht mehr als die Personalität des Adressaten der Gnade, nichts anderes als dies, daß<br />

es überhaupt – durch Gottes gnädigen Willen! – noch einen Empfänger möglicher<br />

Gnade weiterhin gibt.“ 89 Handelt der Gerechtfertigte aber gut, so ist dies durch<br />

Christus ermöglicht, nicht durch menschliche Kräfte. 90 <strong>Die</strong> Gerechtigkeit, die sich in<br />

den guten Werken zeigt, ist nicht unsere Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit<br />

Gottes uns gegenüber. 91 <strong>Die</strong> Wahlfreiheit des Menschen wird also nicht bestritten.<br />

Dem Menschen ist Freiheitshandeln möglich. Hinsichtlich der Rechtfertigung wird<br />

aber an der Initiative Gottes und dem Sakramentsgeschehen festgehalten. 92<br />

Trient hält also die Argumentationsstruktur der Tradition ein: <strong>Die</strong> Lehre von<br />

Sünde und Erbsünde werden in ihrer Einbindung in die Soteriologie weiterentwickelt,<br />

insbesondere in ihrer Funktion für die Rechtfertigungslehre. 93 <strong>Die</strong> inhaltlichen<br />

Aussagen von Orange werden weitgehend übernommen. Neu ist der Nebensatz des<br />

87 Vgl. DH 1554; vgl. auch DH 1556.<br />

88 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 150.<br />

89 Ebd.<br />

90 <strong>Die</strong>se Form der Passivität wird noch einmal dadurch unterstrichen, dass entsprechend der<br />

aristotelischen Schulung der Theologie die Ursachen der Rechtfertigung folgendermaßen unterschieden<br />

werden: So ist die Zweckursache (causa finalis) die Ehre Gottes und Christi sowie das ewige<br />

Leben; die Wirkursache (causa efficiens) ist Gott; die Verdienstursache (causa meritoria) ist Christus;<br />

die Instrumentalursache (causa instrumentalis) ist die Taufe und die einzige Formalursache (causa<br />

formalis) ist die Gerechtigkeit Gottes (DH 1529). Ob solche Unterscheidungen das Wesen der<br />

Rechtfertigung treffen, mag fraglich sein, in jedem Fall ist in keiner Weise der Mensch <strong>im</strong> Sinne einer<br />

aristotelischen causa beteiligt. Vgl. hierzu auch JÜNGEL, Das Evangelium von der Rechtfertigung 44-<br />

145.<br />

91 Vgl. DH 1546-47.<br />

92 Vgl. auch zum Verhältnis von Taufe und Buße DH 1701-1702, sowie zu Buße und Strafe DH 1712.<br />

93 Vgl. PESCH, Frei sein aus Gnade 149.


34<br />

Einleitung<br />

dritten Kanons, der die Formel propagatione non <strong>im</strong>itatione aufgreift, ohne sie allerdings<br />

zu definieren. Insofern hat allein die Vorstellung einer universalen Schuldverfallenheit<br />

der Menschen vor aller individuellen Sünde als irreformabel zu gelten. 94<br />

Der Kern der kirchlichen Erbsündenlehre besteht folglich darin, zum einen die<br />

Sünde als allgemeine Tatsache in jedem Menschen zu betrachten und sie zum anderen<br />

als vorgängig zu jeder Handlung des Menschen anzusehen. „Vorgängig zu jeder<br />

Handlung des Menschen“ bedeutet aber nichts anderes, als dass der Mensch von<br />

Anfang an – also von Geburt an – Sünder ist. Er wird es nicht erst durch Nachahmung.<br />

<strong>Die</strong>s ist offensichtlich die Stoßrichtung des dritten Canon des Dekretes über das<br />

peccatum originale des Konzils von Trient: <strong>Die</strong> Auffassung, bloße Nachahmung führe<br />

zur Sünde, wird abgewiesen. Inhaltliche Mitte dieser Canones ist die Verurteilung der<br />

Vorstellung, der Mensch könne durch menschliche Kräfte oder Mittel gerettet werden<br />

ohne den Mittler Jesus Christus und ohne Taufe. In diesem Zusammenhang wird die<br />

Weitergabe der Sünde propagatione erwähnt, um das bloße <strong>im</strong>itatione abzuwehren.<br />

Der Punkt, um den es DH 1513 geht, ist nicht pr<strong>im</strong>är die Festschreibung der Sündenweitergabe<br />

durch Fortpflanzung, sondern das Abwehren eines zu wenig radikalen<br />

Sündenverständnisses, das meint, der Mensch werde durch schlechtes Beispiel zur<br />

Sünde verleitet. <strong>Die</strong>ses Sündenverständnis wird für die dann folgende Verurteilung<br />

vorausgesetzt, ohne das Sündenverständnis selber festzuschreiben. Wenn aufgezeigt<br />

werden kann, dass Sünde radikal und unabhängig von der Vorstellung einer biologischen<br />

Fortpflanzung gedacht, zugleich aber die Richtung von DH 1513 eingehalten<br />

werden kann, also die Weitergabe der Sünde nicht als bloße Nachahmung zu denken<br />

ist, dann bleibt das Anliegen von Trient gewahrt. Mit der Formulierung „vorgängig zu<br />

jeder Handlung“ ist zugleich gesagt, dass die Erbsünde von den Tatsünden, die auf sie<br />

folgen, zu unterscheiden ist. Dennoch ist das peccatum originale „Sünde“, allerdings<br />

nicht individuelle Sünde. Folglich ist sie auch nicht <strong>im</strong> Sinne einer Tatsünde zurechenbar.<br />

Soll die Sünde – und nur dann behielte das Reden von ihr einen Sinn – als<br />

Freiheitsbest<strong>im</strong>mung gedacht werden, kann nicht jede Form der Zurechenbarkeit<br />

aufgehoben sein. 95<br />

94 Vgl. HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 27.<br />

95 Vgl. HOPING, Freiheit <strong>im</strong> Widerspruch 49: „Da das peccatum originale keine individuelle Sünde ist,<br />

kann es auch nicht in diesem Sinne zurechenbar sein. Das Prinzip der individuellen Zurechenbarkeit<br />

scheitert am Begriff des peccatum originale. Mit ihm darf aber nicht jede Form der Zurechenbarkeit<br />

aufgehoben werden, weil er sonst mit dem Begriff der Freiheit unvereinbar und als ein Begriff von


Texte und Literatur 35<br />

Für die gegenwärtige Rede vom peccatum originale, die die folgenden Überlegungen<br />

zur Freiheit des Menschen ständig begleiten wird, sind demnach folgende<br />

Aspekte zu beachten: Zum einen muss zwischen dem peccatum originale und den<br />

aktuellen Tatsünden unterschieden werden, zum anderen ist die Übertragung des<br />

peccatum originale nicht <strong>im</strong> Sinne einer Nachahmung (non <strong>im</strong>itatione), <strong>im</strong> Sinne des<br />

schlechten Beispiels zu denken, sondern tiefer <strong>im</strong> Menschen zu fassen. Dabei kann die<br />

Übertragung sicher nicht isoliert biologisch verstanden werden. Daraus ergibt sich die<br />

Aufgabe, das peccatum originale, soll es Sünde genannt werden können, mittels des<br />

Freiheitsbegriff zu beschreiben. Dabei wird <strong>im</strong> Blick zu behalten sein, dass „Sünde“<br />

hier analog zu verstehen ist. Es ist Ziel dieser <strong>Arbeit</strong>, Ähnlichkeit und Unähnlichkeit<br />

dieser Analogie von Tatsünde und peccatum originale näher zu best<strong>im</strong>men. Auch das<br />

Verständnis von „Verantwortung“ muss in diesem Zusammenhang neu bedacht<br />

werden. Soll das peccatum originale hinsichtlich seines Ursprungs wie auch hinsichtlich<br />

seiner Allgemeinheit – das bedeutet dann auch hinsichtlich der Übertragung<br />

– als Freiheitsbest<strong>im</strong>mung denkbar sein, so ist es erforderlich, auch die reale Einheit<br />

der Menschheit mittels des Freiheitsbegriffs zu denken.<br />

4. Texte und Literatur<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung von Pannenbergs Anthropologie geht zwar von seinem Werk<br />

Anthropologie in theologischer Perspektive 96 aus, kann sich aber natürlich nicht<br />

darauf beschränken. Erste Überlegungen zu einer theologischen Anthropologie hat<br />

Pannenberg bereist 1962 in der Schrift Was ist der Mensch? 97 vorgestellt. Hinzu<br />

kommen die Schriften Gottesgedanke und menschliche Freiheit 98 sowie <strong>Die</strong> Best<strong>im</strong>mung<br />

des Menschen 99 , die bereits in ihren Titeln wesentliche Aspekte der Anthropologie<br />

von Pannenberg anklingen lassen. Schon hier zeigt sich, dass Pannenbergs<br />

Personenbegriff nicht von seiner Eschatologie und von seinem Verständnis der<br />

Geschichte als Universalgeschichte und seinem Offenbarungsbegriff zu trennen sind.<br />

Sünde widersprüchlich ist.“<br />

96 PANNENBERG, Wolfhart, Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983.<br />

97 PANNENBERG, Wolfhart, Was ist der Mensch? <strong>Die</strong> Anthropologie der Gegenwart <strong>im</strong> Lichte der<br />

Theologie, Göttingen 8 1962.<br />

98 PANNENBERG, Wolfhart, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, Göttingen 1972.<br />

99 PANNENBERG, Wolfhart, <strong>Die</strong> Best<strong>im</strong>mung des Menschen. Menschsein, Erwählung und Geschichte,<br />

Göttingen 1978.


36<br />

Einleitung<br />

Grundlegende Artikel für Pannenbergs Theologie, gerade aber auch zu seinem<br />

Personbegriff sind in den Grundfragen systematischer Theologie 100 veröffentlicht.<br />

Schließlich ist auch Pannenbergs Systematische Theologie 101 zu berücksichtigen, deren<br />

zweiter Band die Anthropologie beinhaltet. Parallel zum Aufbau der Systematik von<br />

Pannenberg ist inzwischen die dreibändige Aufsatzsammlung Beiträge zur Systematischen<br />

Theologie erschienen, die verschiedene Artikel zum Thema leicht zugänglich<br />

macht. 102<br />

Von Thomas Pröpper liegen zwar nicht <strong>im</strong> gleichen Umfang wie von Pannenberg<br />

Veröffentlichungen zu einer theologischen Anthropologie vor. Steht aber wie <strong>im</strong><br />

Folgenden das Verhältnis von menschlicher Freiheit und Sünde <strong>im</strong> Zentrum anthropologischer<br />

Überlegungen, so wird deutlich, dass ein freiheitstheologischer Ansatz<br />

wie der von Pröpper <strong>im</strong> Kern eine Anthropologie enthält, die den Ausführungen von<br />

Pannenberg gegenüber gestellt werden kann, zumal Pannenbergs Anthropologie nicht<br />

in ihrer Gesamtheit, sondern ebenfalls in der gewählten Perspektive aufgegriffen und<br />

entfaltet wird. Ausgangspunkt und Hintergrund bleibt dabei die beschriebene<br />

Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper. Hier argumentiert Pröpper ganz von<br />

seinem spezifischen theologischen Ansatz aus, den er vor allem in Erlösungsglaube<br />

und Freiheitsgeschichte 103 vorgestellt hat. <strong>Die</strong> Weiterführung seines Ansatzes und<br />

Auseinandersetzungen um seine Theologie dokumentiert sehr gut Pröppers Aufsatzsammlung<br />

Evangelium und freie Vernunft 104 , die für das Verständnis der Freiheitstheologie<br />

von Pröpper herangezogen werden muss. In diesem Zusammenhang ist auch<br />

eigens auf die transzendentale Freiheitslehre von Hermann Krings einzugehen, von der<br />

her Pröpper sein theologisches Denken formuliert. Hierfür sind vor allem die Aufsatz-<br />

100 PANNENBERG, Wolfhart, Grundfragen systematischer Theologie, Göttingen Bd. 1 1967, Bd. 2 1980.<br />

101 PANNENBERG, Wolfhart, Systematische Theologie, (3 Bde), Göttingen Bd. 1 1998. Bd. 2 1991, Bd. 3<br />

1993; für die Anthropologie vgl. v. a. Bd. 2.<br />

102 PANNENBERG, Wolfhart, Beiträge zur Systematischen Theologie (3 Bde), Göttingen Bd. 1 1999, Bde<br />

2 u. 3 2000; für die Anthropologie vor allem relevant Bd. 2: Natur und Mensch – und die Zukunft der<br />

Schöpfung, Göttingen 2000.<br />

103 PRÖPPER, Thomas, Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte. Eine Skizze zur Soteriologie, München<br />

(1988) ³1991.<br />

104 PRÖPPER, Thomas, Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik,<br />

Freiburg – Basel – Wien 2001.


Texte und Literatur 37<br />

sammlung System und Freiheit 105 sowie die Transzendentale Logik 106 von Hermann<br />

Krings zu berücksichtigen. Wesentliche Aspekte von Pröppers theologischem Ansatz<br />

sind allerdings bereits vor seiner Begegnung mit Krings’ Philosophie auszumachen. 107<br />

Pröpper greift den Ansatz von Krings auf, weil er dort formuliert findet, was er aus<br />

theologischer Motivation und Perspektive auszuarbeiten sucht. Der Philosophie von<br />

Krings wird der theologische Entwurf Pröppers gegenübergestellt, um aus der<br />

kritischen Aneignung eines transzendentalphilosophischen Freiheitsbegriffs, diesen<br />

mit der Sündenlehre von Pannenberg zu vermitteln.<br />

<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit den beiden Schriften Der Begriff Angst und <strong>Die</strong><br />

Krankheit zum Tode von Søren Kierkegaard erfolgt vor dem Hintergrund der<br />

beschriebenen theologischen Fragestellung. Da sie sich auf die Frage nach Freiheit<br />

und Sünde konzentriert und beschränkt, so muss sie sich auch auf Einführungen in die<br />

Philosophie Kierkegaards 108 sowie auf Untersuchungen zu diesem Thema 109 stützen.<br />

Von besonderen Interesse ist hier die <strong>Arbeit</strong> von Michael Bongardt 110 . Zum einen steht<br />

er hinsichtlich seines Freiheitsbegriffs Pröpper nahe und geht auch am Rande auf die<br />

Diskussion zwischen ihm und Pannenberg ein, ohne sie allerdings über das von beiden<br />

105 KRINGS, Hermann, System und Freiheit. Gesammelte Aufsätze, Freiburg – München 1980.<br />

106 KRINGS, Hermann, Transzendentale Logik, München 1964. Vgl. des weiteren zur Philosophie von<br />

Hermann Krings: BAUMGARTNER, Hans Michael (Hg.), Prinzip Freiheit. Eine Auseinandersetzung um<br />

Chancen und Grenzen transzendentalphilosophishen Denkens, Freiburg – München 1979.<br />

107 Vgl. PRÖPPER, Thomas, Der Jesus der Philosophen und der Jesus des Glaubens. Ein theologisches<br />

Gespräch mit Jaspers, Bloch, Kolakowski, Gardavsky, Machovec, Fromm und Ben-Chorin, Mainz<br />

1976.<br />

108 THEUNISSEN, Michael/GREVE, Wilfried (Hg.), Materialien zur Philosophie Søren Kierkegaards,<br />

Frankfurt a. M. 1979; RINGLEBEN, Joach<strong>im</strong>, <strong>Die</strong> Krankheit zum Tode von Søren Kierkegaard.<br />

Erklärung und Kommentar, Göttingen 1995; GRØN, Arne, Angst bei Søren Kierkegaard. Eine<br />

Einführung in sein Denken, Stuttgart 1999; PIEPER, Annemarie, Søren Kierkegaard, München 2000.<br />

109 BÖSCH, Michael, Søren Kierkegaard: Schicksal – Angst – Freiheit, Paderborn – München – Wien –<br />

Zürich 1994; DISSE, Jörg, Kierkegaards Phänomenologie der Freiheitserfahrung, Freiburg – München<br />

1991; BLAß, Josef L., <strong>Die</strong> Krise der Freiheit <strong>im</strong> Denken Sören Kierkegaards. Untersuchungen zur<br />

Konstitution der Subjektivität, Ratingen 1968; FONK, Peter, Zwischen Sünde und Erlösung.<br />

Entstehung und Entwicklung einer christlichen Anthropologie bei Søren Kierkegaard, Kevelaer 1990;<br />

sowie Veröffentlichungen von Theunissen zum Begriff der Verzweiflung und des Selbst bei<br />

Kierkegaard: THEUNISSEN, Michael, Der Begriff Ernst bei Søren Kierkegaard, Freiburg – München<br />

1958, ³1982; DERS., Selbstverwirklichung und Allgemeinheit. Zur Kritik des gegenwärtigen<br />

Bewußtseins, Berlin – New York 1982; DERS., Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung.<br />

Kierkegaards negativistische Methode, Frankfurt a. M. 1991; DERS., Der Begriff Verzweiflung.<br />

Korrekturen an Kierkegaard, Frankfurt a. M. 1993.<br />

110 BONGARDT, Michael, Der Widerstand der Freiheit. Eine transzendentaldialogische Aneignung der<br />

Angstanalysen Kierkegaards, Frankfurt a. M. 1995.


38<br />

Einleitung<br />

Theologen bereits Gesagte hinauszuführen. Zum anderen zielt er auf eine Vermittlung<br />

zwischen dem Denken Kierkegaards und dem transzendentaldialogischen Denken.<br />

Zur Theologie von Wolfhart Pannenberg liegen zahlreiche <strong>Arbeit</strong>en vor, die sich<br />

allerdings fast ausschließlich mit seinem Begriff der Universalgeschichte, seinem<br />

Offenbarungsbegriff, seiner Eschatologie oder Christologie beschäftigen, während<br />

seine Anthropologie bisher kaum Berücksichtigung gefunden hat. Da für das<br />

Verständnis seiner Anthropologie aber seine gesamte Theologie <strong>im</strong> Blick zu behalten<br />

ist, kann für die folgenden Ausführungen auf entsprechende Studien zur Theologie<br />

Wolfhart Pannenbergs zurückgegriffen werden. 111<br />

<strong>Arbeit</strong>en, die Pannenbergs Anthropologie aufgreifen, können in zwei Gruppen<br />

eingeordnet werden: Während die einen die Anthropologie bzw. den Personbegriff<br />

untersuchen, konzentrieren sich die anderen auf die Sündenlehre, die mit der<br />

Anthropologie verbunden ist. Zur erstgenannten Gruppe gehört die <strong>Arbeit</strong> von Vasile<br />

Cristescu 112 , der Pannenbergs Anthropologie knapp vorstellt, um sie mit der von<br />

Dumitru Staniloae zu vergleichen und die christologische Begründung theologischer<br />

Anthropologie bei beiden Autoren zu verdeutlichen. Elisabeth <strong>Die</strong>ckmann untersucht<br />

in ihrer Studie Personalität Gottes – Personalität des Menschen 113 Pannenbergs Verständnis<br />

der menschlichen Personalität sowie sein Verständnis von Person in der<br />

Gotteslehre, um Pannenbergs Personbegriff zu erhellen, der nie isoliert anthropologisch<br />

verstanden werden darf, sondern stets mit dem trinitarischen Personbegriff<br />

verbunden ist. <strong>Die</strong>se innere Verbindung von Anthropologie und Gotteslehre steht auch<br />

111 Vgl. v. a. GREINER, Sebastian, <strong>Die</strong> Theologie Wolfhart Pannenbergs, Würzburg 1988; KOCH, Kurt,<br />

Der Gott der Geschichte. Theologie der Geschichte bei Wolfhart Pannenberg als Paradigma einer<br />

philosophischen Theologie in ökumenischer Perspektive, Mainz 1988; TUPPER, E. Frank, The<br />

Theology of Wolfhart Pannenberg, London 1973; GRIMMER, Karl F., Geschichte <strong>im</strong> Fragment.<br />

Grundelemente einer Theologie der Geschichte, Stuttgart – Berlin – Köln 2000; FRAIJÓ, Manuel, Das<br />

Sprechen von Gott bei W. Pannenberg (Diss. MS), Tübingen 1976; GÓ D , Krzysztof, Jesus Christus<br />

als Sinn der Geschichte bei Wolfhart Pannenberg, Regensburg 1988; EQUINA, L<strong>im</strong>uel, Faith and<br />

History. The Significance of the Historical Jesus in the Systematic Theologies of Paul Tillich, Wolfhart<br />

Pannenberg and Jon Sobrino (Diss. MS), Regensburg 1998. Als Einführung in Pannenbergs Theologie<br />

kann schließlich das Buch seines Schülers WENZ, Gunther, Wolfhart Pannenbergs Systematische<br />

Theologie. Ein einführender Bericht, Göttingen 2003 herangezogen werden.<br />

112 CRISTESCU, Vasile, <strong>Die</strong> Anthropologie und ihre christologische Begründung bei Wolfhart Pannenberg<br />

und Dumitru Staniloae, Frankfurt a. M. 2003.<br />

113 DIECKMANN, Elisabeth, Personalität Gottes – Personalität des Menschen. Ihre Deutung <strong>im</strong><br />

theologischen Denken Wolfhart Pannenbergs, Altenberge 1995.


Texte und Literatur 39<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt der <strong>Arbeit</strong> von Franz-Josef Overbeck. In Der gottbezogene Mensch 114<br />

geht er sowohl auf die Anthropologie als auch die Gotteslehre Pannenbergs ein, um<br />

die Best<strong>im</strong>mung des Menschen nach Pannenberg zu skizzieren, vor allem dessen<br />

Verständnis der „Selbstverwirklichung“ Gottes. Sehr präzise stellt er das Gesamtkonzept<br />

von Pannenbergs Denken dar und macht auf Probleme von Pannenbergs<br />

Geschichtstheologie aufmerksam. Demgegenüber sieht er in einem Denken wie dem<br />

von Pröpper, das den Glauben in Kategorien der Freiheit auslegt, eine schlüssigere<br />

Denkform. Eine ähnlich kritische Auseinandersetzung wie mit Pannenberg untern<strong>im</strong>mt<br />

Overbeck allerdings nicht auch noch mit der Theologie Pröppers. <strong>Die</strong>s wird <strong>im</strong><br />

Rahmen der <strong>vorliegende</strong>n Untersuchung zu unternehmen sein. Overbeck erwähnt die<br />

Diskussion zwischen Pannenberg und Pröpper, führt sie aber weder <strong>im</strong> Rahmen seiner<br />

<strong>Arbeit</strong> weiter, noch geht er näher auf die unterschiedlichen Interpretationen von<br />

Kierkegaard ein. Wenn in vielerlei Hinsicht an Overbecks Untersuchung angeknüpft<br />

werden kann, so wird genau dies <strong>im</strong> Folgenden zu leisten sein: Eine Klärung der unterschiedlichen<br />

Kierkegaardinterpretationen bei Pannenberg und Pröpper, sowie auch ein<br />

kritischer Vergleich der Theologie Pröppers und des freiheitsanalytischen Ansatzes<br />

Krings’. Vielversprechend für einen Vermittlungsversuch zwischen einem geschichtstheologischen<br />

und einem transzendentalen Ansatz erscheint zunächst auch die<br />

vergleichende Studie Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt von Heinrich<br />

Springhorn 115 , der sowohl die Theologie von Wolfhart Pannenberg als auch von Karl<br />

Rahner in Hinblick auf das jeweilige Verständnis der Offenbarung Gottes untersucht.<br />

Allerdings geht Springhorn nicht auf Pannenbergs grundsätzliche Skepsis gegenüber<br />

der transzendentalphilosophischen Denkform ein, weshalb der Ertrag für die hier<br />

untersuchte Frage gering ausfällt. Hinsichtlich grundlegender Aussagen des<br />

christlichen Glaubens konstatiert er eine große Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen den unterschiedlichen<br />

Ansätzen von Rahner und Pannenberg.<br />

Unter den <strong>Arbeit</strong>en, die sich auf Pannenbergs Sündenlehre konzentrieren, ist an<br />

erster Stelle die Studie Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld von Sünde und Freiheit von<br />

114 OVERBECK, Franz-Josef, Der gottbezogene Mensch. Eine systematische Untersuchung zur<br />

Best<strong>im</strong>mung des Menschen und zur „Selbstverwirklichung“ Gottes in der Anthropologie und<br />

Trinitätstheologie Wolfhart Pannenberg, Münster 2000.<br />

115 SPRINGHORN, Heinrich, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen<br />

Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, Hamburg 2001.


40<br />

Einleitung<br />

Christoph Böttighe<strong>im</strong>er 116 zu nennen. Böttighe<strong>im</strong>er vergleicht theologisch-anthropologische<br />

Entwürfe von evangelischen und katholischen Theologen hinsichtlich ihrer<br />

<strong>im</strong>plizierten Lehre vom Sünder vor dem Hintergrund der jeweiligen Sündentheologie<br />

und des Ur- und Erbsündenverständnisses. Weil es in der evangelisch-katholischen<br />

Kontroverse <strong>im</strong>mer um das Verständnis von Rechtfertigung ging, kommt dem<br />

jeweiligen Sündenverständnis eine große Bedeutung zu, denn es ist zuinnerst mit der<br />

Rechtfertigungslehre verbunden. <strong>Die</strong> „Erbsünde“ oder Ursünde kommt in der <strong>Arbeit</strong><br />

„Bekannte Sünde“ von Hanns-Stephan Haas 117 nur am Rande vor, denn er untern<strong>im</strong>mt<br />

eine systematische Untersuchung zur theologischen Rede von Sünde. In diesem<br />

Zusammenhang untersucht er unter anderem den Begriff der Sünde bei Pannenberg,<br />

ohne jedoch auf das Verhältnis von Freiheit und Sünde näher einzugehen. Letztlich<br />

strebt Haas einen Verständigungsprozess an, der von den seiner Auffassung nach<br />

theologischen Orientierungsschwierigkeiten <strong>im</strong> gegenwärtigen Reden von Sünde<br />

ausgeht, um schließlich zu einer Vergewisserung der theologischen Aufgabe einer<br />

Sündenlehre sowie einer Klärung der Rede von der Sünde zu gelangen. Dabei knüpft<br />

er unter anderem an Pannenbergs Sündenlehre an, setzt sich aber in best<strong>im</strong>mten<br />

Punkten auch kritisch ab. 118<br />

Das Hauptinteresse der <strong>vorliegende</strong>n <strong>Arbeit</strong> richtet sich dagegen in erster Linie<br />

auf das Verständnis der menschlichen Freiheit. Im Folgenden wird zunächst Pannenbergs<br />

Personbegriff dargestellt, auf dessen Basis sein Verständnis von Freiheit und<br />

Sünde erst verständlich wird. Im Anschluss daran werden die Begriffe „Freiheit“ und<br />

„Sünde“ in Pannenbergs Anthropologie herausgearbeitet, um sie ins Gespräch mit<br />

Pröpper zu bringen. Weil es in der Kontroverse zwischen Pannenberg und Pröpper<br />

auch um unterschiedliche Interpretationen von Kierkegaard geht, auf dessen Werke<br />

sich beide Theologen beziehen, muss auf das Sündenverständnis dieses Philosophen<br />

eingegangen werden, bevor sich die Untersuchung der Theologie von Pröpper zuwen-<br />

116 BÖTTIGHEIMER, Der Mensch <strong>im</strong> Spannungsfeld. – Böttighe<strong>im</strong>er referiert zwar die Diskussion<br />

zwischen Pannenberg und Pröpper und greift transzendentalphilosophische Anfragen an das<br />

Freiheitsverständnis von Pannenberg auf, ohne sie aber weiter zu diskutieren (vgl. ebd. 376-380).<br />

117 HAAS, Hanns-Stephan, „Bekannte Sünde“. Eine systematische Untersuchung zum theologischen<br />

Reden von der Sünde in der Gegenwart, Neukirchen-Vluyn 1992.<br />

118 So besteht ein Hauptvorwurf von Haas gegenüber Pannenberg darin, dass dieser die Vorstellung des<br />

totus peccator vernachlässige. Sünde drohe bei Pannenberg zu einer Partialbest<strong>im</strong>mung zu werden<br />

(vgl. HAAS, „Bekannte Sünde“ 178). Hinzu kommt nach dem Urteil von Haas, dass Pannenberg die<br />

Unverstehbarkeit der Sünde ausblende, während dies für Haas ein zentrales Anliegen der theologischen<br />

Tradition ist (ebd. 179).


Texte und Literatur 41<br />

den kann. Abschließend soll auf die Differenz zwischen Pannenberg und Pröpper<br />

eingegangen und der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Erkenntnisse von<br />

Pannenberg von einer transzendentalphilosophisch arbeitenden Theologie aufgegriffen<br />

werden können.

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