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Vol. 1<br />
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Seiten<br />
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Discographien zu:<br />
Alice Cooper,<br />
David Bowie, Cluster,<br />
Deep Purple, Eloy,<br />
Frijid Pink, Hawkwind,<br />
Jigsaw, Kraftwerk,<br />
Udo Lindenberg, Lords,<br />
Mud, Novalis, Pink Floyd,<br />
Runaways, Shocking<br />
Blue, Slade, String Driven<br />
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NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen
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NikMa Verlag<br />
Fabian Leibfried<br />
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Herausgeber und Chefredakteur:<br />
Fabian Leibfried<br />
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Bonacker, Kirsten Borchardt, Lothar Brandt,<br />
Michael Fuchs-Gamböck, Hans-Jürgen<br />
Günther, Peter Henning, Christian Hentschel,<br />
Teddy Hoersch, Hugo Kastner, Andreas Kötter,<br />
Frank Küster, Bernd Matheja, Kati Naumann,<br />
Helmut Ölschlegel, Thorsten Pöttger, Alexander<br />
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Eckhard Schwettmann, Christian Simon,<br />
Alan Tepper, Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit,<br />
Uli Twelker, Peter Verhoff, Thomas Wachter,<br />
Jürgen Wolff<br />
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Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />
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siehe Seite 83<br />
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Titelfoto:<br />
Twiggy:<br />
© Interfoto/Mary Evans Adams Picture Library<br />
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Leider ist dies nicht in allen Fällen gelungen.<br />
Ggf. möchten bisher unbekannte Urheber<br />
ihre Ansprüche geltend machen. GoodTimes<br />
<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />
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aller in GoodTimes <strong>kult</strong>! erschienenen<br />
Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />
nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />
gestattet.<br />
Gerichtsstand: Stuttgart<br />
Story &<br />
Poster<br />
Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />
Sie halten die mittlerweile zehnte Ausgabe von <strong>kult</strong>! in Händen<br />
– und die Themen gehen nicht aus! Einmal mehr können Sie im<br />
umfassenden Tagebuch" eines Jahres schmökern – diesmal von<br />
"<br />
1964, dem Höhepunkt des Baby Booms – und an Dinge zurückdenken,<br />
die Sie vielleicht selbst miterlebt haben oder aus Erzählungen Älterer kennen.<br />
Genau zehn Jahre später räumten Abba dann beim Grand Prix Eurovision de la<br />
Chanson im englischen Brighton ab, Grund genug, weshalb wir Ihnen das Jubiläum<br />
zusammen mit dem damaligen Augenzeugen Wolfgang Bubi" Heilemann ins<br />
"<br />
Gedächtnis rufen.<br />
Die Schwerpunktthemen Musik, Fußball – wir widmen uns dieses Mal ausführlich<br />
dem FC Schalke 04 –, Film (Kino wie Fernsehen) und Autos liefern wieder exquisites<br />
Reminiszenzen-Lesefutter, mit dem wir uns gemeinsam mit Ihnen auf eine nostalgische,<br />
aber keineswegs verklärende Reise in die Vergangenheit begeben wollen.<br />
Und: Kultiges wurde einst nicht nur im deutschen Westen geschaffen. Auch in der<br />
DDR entstand ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts vieles, was bis heute nachwirkt<br />
und inzwischen längst einen ganz eigenen Kult-Charakter entwickelt hat: Sei es die<br />
bis heute laufende TV-Serie Polizeiruf 110", sei es Spielzeug, das einst vom VEB<br />
"<br />
Kombinat Spielwaren Sonneberg kreiert wurde – beiden widmen wir uns in dieser<br />
Ausgabe ausführlich.<br />
Wer übrigens Teil 3 unserer Mode-Serie vermisst, der braucht sich keine Sorgen zu<br />
machen. In der kommenden Ausgabe 11 von <strong>kult</strong>! geht es mit den 70er Jahren weiter.<br />
Bleiben mir wieder einmal drei Bitten an Sie: Lassen Sie uns wissen, wie Ihnen diese<br />
<strong>kult</strong>!-Ausgabe gefallen hat, erzählen Sie ruhig in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis<br />
von unserem Magazin – und schreiben Sie uns, über welche zum Kult gewordenen<br />
Themen Sie in einer unserer nächsten Ausgaben gerne etwas lesen würden ...<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteur-<br />
www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />
PS: Ab sofort ist <strong>kult</strong>! auch mit einer eigenen Seite bei facebook vertreten. Dort haben<br />
Sie die Möglichkeit, sich mit uns, aber vor allem auch mit anderen <strong>kult</strong>!-Lesern<br />
auszutauschen. Wir sind gespannt, was sich künftig daraus entwickeln wird, und freuen<br />
uns auf Ihre Postings.<br />
<strong>kult</strong>! Nr. 11 erscheint am 17.10.2014<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 3
Ausgabe April 2014<br />
2/2014 (Nr. 10)<br />
INHALT<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial/Impressum<br />
4 Inhaltsverzeichnis<br />
5 Top 5: Sportler<br />
Mitarbeiter & Prominenz<br />
6 News from the past<br />
Altes neu ausgepackt<br />
15 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />
33 <strong>kult</strong>! Shop<br />
83 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />
47 Schalke 04/Abba<br />
Riesenposter<br />
95 Leserbriefe<br />
<strong>kult</strong>!<br />
60er · 70er · 80er<br />
Seite 16<br />
Seite 20 Seite 22<br />
2<br />
16 Mercedes-Benz<br />
30 Jahre C-Klasse<br />
20 Boule & Bill<br />
Auf den Hund gekommen<br />
22 Zigaretten-Reklame der 70er Jahre<br />
Von Weltenbummlern und Lebenskünstlern<br />
26 40 Jahre Playmobil<br />
2,7 Milliarden Franken erobern die Kinderzimmer<br />
29 Sugus<br />
Leckere Reise in die Kindheit<br />
30 Hard Rock Cafe<br />
Mit Eric Claptons Gitarre fing alles an<br />
32 Dem Täter auf der Spur<br />
Mörderjagd als Ratequiz<br />
34 Gesprengte Ketten<br />
Hollywood in Deutschland – Spurensuche vor Ort<br />
37 Jürgen von Manger<br />
Adolf Tegtmeiers Sicht der Dinge<br />
38 Kultbücher<br />
Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
40 Genre Musikfilm<br />
Der Sound der prägenden Jahre: Easy Rider" & Co.<br />
"<br />
44 Abba – 40 Jahre "Waterloo"<br />
Mit dem Grand Prix fing alles an<br />
46 Spuk unterm Riesenrad<br />
Kult-DDR-Fernsehserie der 70er Jahre<br />
56 Yamaha XT 500<br />
Die Mutter aller Enduros<br />
58 VEB Kombinat – Spielwaren Sonneberg<br />
Der ewige Traum der kleinen Mädchen<br />
62 Schalkes 72er-Elf<br />
Junge Wilde" in Königsblau<br />
"<br />
63 Erwin Kremers<br />
Interview<br />
Seite 58<br />
Seite 29<br />
Seite 72<br />
Seite 56<br />
Seite 26<br />
unterm<br />
Riesenrad<br />
Seite 46<br />
110<br />
P L<br />
Seite 68<br />
POLIZEIRUF<br />
S<br />
Seite 96<br />
66 Flammendes Inferno<br />
Wie ein Katastrophenfilm die Kinozuschauer<br />
in Angst und Schrecken versetzte<br />
68 Polizeiruf 110<br />
Tatort"-Konkurrenz aus dem Osten<br />
"<br />
70 Brehms Tierleben<br />
Alfred Brehm und seine sprachgewaltigen<br />
Tierporträts<br />
72 Twiggy<br />
Das ikonografische Gesicht der Sixties<br />
74 Der NAD 3020<br />
Ein HiFi-Verstärker mischt den Markt auf<br />
und wird zur Legende<br />
76 Das Jahr 1964<br />
Beat boomt, Bier fließt, Sepp geht<br />
80 Steiff – Knopf im Ohr<br />
Der Siegeszug der Stofftiere<br />
82 Schnitzler gegen Löwenthal<br />
Der Kalte Krieg auf der Mattscheibe<br />
84 <strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong><br />
Uwe Hübner erinnert sich an die<br />
spannenden Neunziger<br />
86 Lederhosen-Filme<br />
Als die Alm ein Sündenpfuhl war<br />
88 Josef Göhlen<br />
" Biene Maja", Captain Future",<br />
Timm Thaler"<br />
"<br />
& Co.<br />
"<br />
90 Klaus Dill<br />
Der Mann, der die legendären Bessy"-<br />
Titelbilder schuf<br />
"<br />
92 Pin-ups heben die Moral<br />
Über eine oft totgesagte Kunstform,<br />
die in den letzten Jahren ein Revival erlebt<br />
96 Der Rote Kosar<br />
Unter der Totenkopf-Flagge über<br />
die Weltmeere<br />
98 Valerian & Veronique<br />
Reisen in neue Dimensionen<br />
Seite 4 ■ GoodTimes 2/2014
TOP 5<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Sportler<br />
1. Gerd Müller (Fußball)<br />
2. Mark Spitz (Schwimmen)<br />
3. Klaus Fischer (Fußball)<br />
4. Egon Müller (Speedway)<br />
5. Kremers-Zwillinge (Fußball)<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />
2. Bob-Team Jamaika (1988) (Bobsport)<br />
3. Sepp Maier (Fußball)<br />
4. Ulrike Meyfarth (Leichtathletik)<br />
5. Michael Groß (Schwimmen)<br />
Sven Rachner<br />
1. Alberto Juantorena (Leichtathletik)<br />
2. Meinhard Nehmer (Bobsport)<br />
3. Teófilo Cubillas (Fußball)<br />
4. Hans-Joachim Hartnick (Radsport)<br />
5. Günter Netzer (Fußball)<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
1. Sepp Maier (Fußball)<br />
2. Max Morlock (Fußball)<br />
3. Joachim Deckarm (Handball)<br />
4. Heide Rosendahl (Leichtathletik)<br />
5. Erhard Keller (Eisschnelllauf)<br />
Philipp Roser<br />
1. Petar Radenkovic (Fußball)<br />
2. Muhammad Ali (Boxen)<br />
3. Eddy Merckx (Radsport)<br />
4. Martina Navrátilová (Tennis)<br />
5. Sergei Makarow (Eishockey)<br />
Horst Berner<br />
1. Lou Gehrig (Basketball)<br />
2. Muhammad Ali (Boxen)<br />
3. Pelé (Fußball)<br />
4. Magic Johnson (Basketball)<br />
5. Arnold Schwarzenegger (Bodybuilding)<br />
Roland Schäfli<br />
1. Natalja Bestemjanowa / Andrei Bukin (Eiskunstlauf)<br />
2. Scott Hamilton (Eiskunstlauf)<br />
3. Paul Breitner (Fußball)<br />
4. Günter Netzer (Fußball)<br />
5. Steffi Graf (Tennis)<br />
Kathrin Bonacker<br />
1. Günter Netzer (Fußball)<br />
2. Heide Rosendahl (Leichtathletik)<br />
3. Joachim Deckarm (Handball)<br />
4. John McEnroe (Tennis)<br />
5. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />
Oliver Schuh<br />
1. Zinédine Zidane (Fußball)<br />
2. Pelé (Fußball)<br />
3. Jesse Owens (Leichtathletik)<br />
4. Eddy Merckx (Radsport)<br />
5. Hope Solo (Fußball)<br />
Lothar Brandt<br />
1. John Akii-Bua (Leichtathletik)<br />
2. Gabriela Sabatini (Tennis)<br />
3. Abdel-Kader Zaaf (Radsport)<br />
4. Fausto Coppi (Radsport)<br />
5. Jim Clark (Motorsport)<br />
Ulrich Schwartz<br />
1. Wolfgang Graf Berghe von Trips (Motorsport)<br />
2. Michael Schumacher (Motorsport)<br />
3. Muhammad Ali (Boxen)<br />
4. Franz Beckenbauer (Fußball)<br />
5. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />
Teddy Hoersch<br />
1. Franz Beckenbauer (Fußball)<br />
2. Steffi Graf (Tennis)<br />
3. Uwe Seeler (Fußball)<br />
4. Christina Obergföll (Leichtathletik)<br />
5. Jens Lehmann (Fußball)<br />
Christian Simon<br />
1. Die elf 1972 in München ermordeten israelischen Athleten<br />
2. Jacky Icks (Motorsport)<br />
3. Joachim Deckarm (Handball)<br />
4. George Foreman (Boxen)<br />
5. Edwin Moses (Leichtathletik)<br />
Andreas Kötter<br />
1. Muhammad Ali (Boxen)<br />
2. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />
3. Mark Spitz (Schwimmen)<br />
4. Paul Breitner (Fußball)<br />
5. Günter Netzer (Fußball)<br />
Alan Tepper<br />
1. Hans Günter Winkler (Springreiten)<br />
2. Steffi Graf (Tennis)<br />
3. Katarina Witt (Eiskunstlauf)<br />
4. Franziska van Almsick (Schwimmen)<br />
5. Rosi Mittermeier (Skisport)<br />
Andrea Leibfried<br />
1. Steffi Graf (Tennis)<br />
2. Karl-Heinz Förster (Fußball)<br />
3. Michael Schumacher (Motorsport)<br />
4. Carl Lewis (Leichtathletik)<br />
5. Muhammad Ali (Boxen)<br />
Jörg Trüdinger<br />
1. Martin Naumann (Radsport)<br />
2. Muhammad Ali (Boxen)<br />
3. Steffi Graf (Tennis)<br />
4. Katarina Witt (Eiskunstlauf)<br />
5. Mark Spitz (Schwimmen)<br />
Kati Naumann<br />
1. Jochen Rindt (Motorsport)<br />
2. Mark Spitz (Schwimmen)<br />
3. Jackie Stewart (Motorsport)<br />
4. Paul Breitner (Fußball)<br />
5. Muhammad Ali (Boxen)<br />
Jürgen Wolff<br />
1. Claus-Dieter Wollitz (Fußball)<br />
2. Rein van Duijnhoven (Fußball)<br />
3. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />
4. Henri Leconte (Tennis)<br />
5. Jan Åge Fjørtoft (Fußball)<br />
1. Joe Montana (Football)<br />
2. Muhammad Ali (Boxen)<br />
3. Jackie Stewart (Radsport)<br />
4. Bernhard Langer (Golf)<br />
5. Rudi Altig (Radsport)<br />
Thorsten Pöttger<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 5<br />
Rainer<br />
Bonhof<br />
Fotos: © Horstmueller
DVDs + BLU-RAYs<br />
20.000 MEILEN UNTER DEM<br />
MEER<br />
Mit dieser Veröffentlichung erlebt der Stummfilmklassiker<br />
aus dem Jahr 1916 seine deutsch<br />
synchronisierte Weltpremiere. Zur Zeit seiner<br />
Entstehung gehörte dieser<br />
Film mit seinen zahlreichen<br />
Spezialeffekten zu den ersten<br />
Highlights, präsentierte<br />
Universal Studios dem Kinopublikum<br />
schier unglaubliche<br />
Bilder. Die Story: Ein<br />
Team von Wissenschaftlern<br />
untersucht eine Reihe<br />
von Störungen im Meer, von denen man glaubt,<br />
dass sie ein See-Ungeheuer ausgelöst haben<br />
soll. Doch bald finden sie heraus, dass es sich<br />
bei der Ursache für diese Phänomene nicht um<br />
eine Kreatur, sondern um das Unterseeboot des<br />
hasserfüllten Kapitäns Nemo handelt. Klasse<br />
Service: Neben der deutschen Synchronfassung<br />
kann man 20.000 Meilen unter dem Meer" auch<br />
"<br />
in der originalen Stummfilmfassung genießen.<br />
(Starmovie/edel, 2 x 100 Min.)<br />
ROOM 237<br />
Warum trägt der kleine Danny in Stanley Kubricks<br />
The Shining" (1980) einen Apollo-<br />
"<br />
11-Pullover? Warum sind ständig Backpulverdosen<br />
mit einem auffälligen Indianerkopf im<br />
Bild? Was geschah wirklich in Zimmer Nummer<br />
237 des eingeschneiten<br />
Berghotels? Die geheimnisvolle<br />
Verfilmung von<br />
Stephen Kings gleichnamigem<br />
Horror roman (mit<br />
Jack Nicholson, Shelley<br />
Duval u.a.), hat einen Haufen<br />
interpretationswütiger<br />
Bilderdeuter, Cineasten<br />
und Verschwörungstheoretiker auf den Plan<br />
gerufen. Einige von ihnen kommen in der mit<br />
vielen Preisen ausgezeichneten und von Kritikern<br />
hoch gelobten Doku Room 237" (Regie:<br />
"<br />
Rodney Ascher) zu Wort. Wer bisher meinte,<br />
den Kultklassiker gut zu kennen, wird einiges<br />
Erhellendes sehen oder auf wunderbare Art<br />
noch mehr verwirrt werden. Rapid Eye Movies<br />
bringt die Doku nun auf DVD heraus.<br />
(Alive, 99 Min.)<br />
ZWEI WIE PECH UND<br />
SCHWEFEL<br />
Mit "<br />
Zwei wie Pech und Schwefel" gibt es nun<br />
einen der besten Bud-Spencer/Terence-Hill-<br />
Filme auch als Blu-ray in restaurierter HD-<br />
Qualität. In diesem Kinofilm zeigen die beiden<br />
Schauspieler einmal mehr, warum sie in den<br />
70er Jahren das Maß der Dinge waren, wenn es<br />
um Actionkomödien ging. Zusammen mit Top-<br />
Schauspieler Manuel de Blas (als Berufskiller<br />
Paganini) und unterlegt mit<br />
einem genialen Soundtrack<br />
von Oliver Onions gibt es<br />
jede Menge knochentrockene<br />
Prügeleien, coole<br />
Sprüche und verrückte Actionszenen.<br />
Die Story um<br />
die es dabei geht, ist relativ<br />
banal: Die beiden Haudegen<br />
Ben und Kid kommen bei einem Crash-Car-<br />
Rennen gleichzeitig ins Ziel und sollen den Gewinn<br />
eines Strandbuggys durch ein Wettessen<br />
mit Würstchen und Bier klären. Als dann aber<br />
die Schläger eines Möchtegern-Ganoven (John<br />
Sharp) das Vehikel verschrotten, haben diese<br />
ihre Rechnung ohne Ben und Kid gemacht, die<br />
nur eines wollen: einen Buggy, rot mit gelbem<br />
Häubchen!<br />
(3L-homevideo, 101 Min.)<br />
TOMS ABENTEUER<br />
Tom Sawyer ist bekanntermaßen für jeden<br />
Streich zu haben – wenn er seiner Tante Polly<br />
und ihren Standpauken entwischen kann. Und da<br />
geteilter Spaß bekanntlich<br />
doppelter Spaß ist, kommen<br />
ihm die besten Ideen dann<br />
in den Kopf, wenn er zusammen<br />
mit seinem Freund<br />
Huckleberry Finn unterwegs<br />
ist. Aber natürlich haben<br />
die beiden Lausbuben nicht<br />
dauernd Blödsinn im Kopf;<br />
wenn es sein muss, zeigen sie auch bei ernsten<br />
Themen, dass man sich auf sie verlassen kann.<br />
1937 wurde dieser sympathische Film im kalifornischen<br />
Culver City gedreht, hatte in den USA<br />
1938 Premiere und kam 1954 in die deutschen<br />
und österreichischen Kinos.<br />
(Inter-Pathe/edel, 86 Min.)<br />
from the past<br />
THE GREAT AMERICAN<br />
WEST OF JOHN FORD<br />
Mit Hauptdarstellern wie John Wayne, Henry<br />
Fonda, Lee Marvin, James Stewart oder<br />
Richard Widmark, mit Filmen wie Früchte "<br />
des Zorns", Rio Grande", Der schwarze Falke",<br />
Der Mann der Liberty Wallace erschoss"<br />
"<br />
" "<br />
und Das war der Wilde<br />
"<br />
Westen" wurde der 1973<br />
verstorbene amerikanische<br />
Filmregisseur John Ford<br />
schon zu Lebzeiten zur Legende.<br />
Zahlreiche Schauspielerkollegen<br />
und Produzenten<br />
äußern sich in der<br />
1971 entstandenen Doku<br />
The Great American West Of John Ford" zu<br />
"<br />
seinem Lebenswerk, die einen höchst interessanten<br />
Einblick in Fords Arbeitsweise ermöglicht<br />
und damit auch hinter die Kulissen seiner<br />
Westernklassiker blicken lässt.<br />
(Starmovie/edel, 52 Min., dt. und engl.)<br />
CLAN DER SIZILIANER +<br />
CAPONE<br />
Mit diesen beiden Filmen gibt es nun zwei der<br />
bekanntesten Gangsterklassiker erstmals in High<br />
Definition als Blu-ray. Im Der Clan der Sizilianer"<br />
von Henri Verneuils aus dem Jahr 1969<br />
"<br />
spielt Jean Gabin einen einflussreichen<br />
Mafiaboss, den<br />
es zurück zu seiner Familie<br />
nach Sizilien zieht. In seinem<br />
Schlepptau der zum Tode verurteilte<br />
Killer Roger Sartet<br />
(Alain Delon), den der Mafiaboss<br />
mit Hilfe seiner beiden<br />
Söhne aus dem Gefängnis<br />
befreit hat. Kommissar Le Goff (Lino Ventura)<br />
nimmt die Verfolgung der Verbrecher auf, bis es<br />
zum Showdown kommt. Ein<br />
Film, der immer noch durch<br />
seine hervorragende Besetzung<br />
und seine klasse Story<br />
begeistert. Sechs Jahre<br />
später, 1975, widmeten sich<br />
Produzent Roger Corman<br />
und Regisseur Steve Carver<br />
mit Al Capone einem der<br />
legendären Verbrecher der amerikanischen Geschichte.<br />
Ben Gazarra spielt den skrupellosen<br />
Boss, der sich, unterstützt vom Italo-Amerikaner<br />
Frank Nitti (Sylvester Stallone), an die Spitze der<br />
Chicagoer Unterwelt ballert, wo er zum uneingeschränkten<br />
Herrscher über Prostitution, Glücksspiel<br />
und Alkoholschmuggel wird – bis er die<br />
erste Schwäche zeigt ...<br />
(Twentieth Century Fox, 125 + 101 Min.)<br />
SHERLOCK HOLMES<br />
DAS ZEICHEN DER VIER & DER HUND<br />
VON BASKERVILLE<br />
Seit mehr als einem Jahrhundert fasziniert Sherlock<br />
Holmes Krimifans in aller Welt. Zusammen<br />
mit seinem Assistenten Dr. Watson jagt der eigenwillige<br />
Detektiv mit Pfeife und Tweedmütze<br />
Ganoven, Betrüger und Mörder, knackt Codes,<br />
kombiniert, hinterfragt und<br />
verfolgt auch jede noch so<br />
kleine Spur. Die britischen<br />
Verfilmungen der beiden Episoden<br />
Das Zeichen der Vier"<br />
"<br />
und Der Hund von Baskerville"<br />
mit Ian Richardson und<br />
"<br />
David Healy in den Hauptrollen<br />
gehören zu Recht zu den gelungensten<br />
Verfilmungen von Sherlock-Holmes-Fällen.<br />
Nach der 2009er DVD-Veröffentlichung dieses<br />
Doppelpacks erscheinen die beiden spannenden<br />
Kriminalfälle nun erstmals als Full-HD Blu-ray.<br />
(Starmovie/edel, 200 Min.)<br />
Seite 6 ■ GoodTimes 2/2014
SHARK ATTACK<br />
Schier unerschöpflich ist die Flut der Hai- "<br />
Filme", die, inspiriert von Steven Spielbergs<br />
" Der weiße Hai" ( Jaws", 1975), über Kinos<br />
"<br />
und Videotheken hereinbrach. Gigantisch auch<br />
die qualitative Spannweite dieser Streifen, von<br />
billigen B-Movies über halb-dokumentarische<br />
Machwerke bis zu ernsthaften<br />
Herausforderern; zu<br />
Letzteren gehört der 1999<br />
entstandene Film<br />
" Shark<br />
Attack". Darin erhält der<br />
Meeresbiologe Steve Mc-<br />
Kray die Nachricht, dass<br />
sein Freund Mark DeSantis<br />
Opfer eines Hais wurde.<br />
Um sich Klarheit zu verschaffen, reist Mc-<br />
Kray ins afrikanische Port Amanzi, begleitet<br />
von DeSantis hübscher Schwester Corinne. In<br />
der Küstenstadt erfahren die beiden, dass sich<br />
dort in letzter Zeit grausige Hai-Angriffe häufen.<br />
Doch bald stellt sich auch heraus, dass dort<br />
nicht nur die Haie gefährlich sind, ein paar Ganoven<br />
richten mit Chemikalien und Korruption<br />
großes Unheil an.<br />
(Paragon Movies, 92 Min.)<br />
IM LAND DER SIOUX<br />
Zwei Western dieser Dreier-Box stammen aus den<br />
50er Jahren, einer aus den 70ern: 1954 entstand<br />
ohne großes Staraufgebot<br />
Die Rache des Sitting Bull",<br />
"<br />
dessen Titel zwischenzeitlich<br />
in Die letzte Schlacht<br />
"<br />
der Sioux" geändert wurde,<br />
da dieser wohl besser zum<br />
Inhalt passt, der legendären<br />
Schlacht zwischen Colonel<br />
Custer und der Sioux am<br />
Little Big Horn. Ein Jahr später entstand Die vier "<br />
Gesetzlosen", eine klassische Banditengeschichte<br />
um die vier Brüder Frank, John, Clint und Bill<br />
(u.a. dargestellt von Randolph Scott und Forrest<br />
Tucker), die nicht nur Eisenbahnen und Banken<br />
ausrauben sondern auch noch die Bewohner ihrer<br />
kleinen Heimatstadt terrorisieren – bis der<br />
Geheimagent James Barlow ihrem Treiben ein<br />
Ende macht. 1973 entstand mit Burt Lancaster<br />
in der Hauptrolle der Italowestern Spiel mir das<br />
"<br />
Lied der Rache", in dem er als (typisch guter)<br />
Adoptivsohn eines Ranchers immer wieder auf<br />
die Probe gestellt wird und sich gegen die hinterlistigen<br />
Fallen des (typisch bösen) leiblichen<br />
Sohnes beweisen muss ...<br />
(Starmovie/edel, 258 Min.)<br />
MARYLIN MONROE<br />
COLLECTOR'S EDITION<br />
Kurz vor ihrem Durchbruch, 1951, spielte Marylin<br />
Monroe eine kleine Rolle im amerikanischen<br />
Low-Budget-Drama "<br />
Home-Town-Story". Dieser<br />
Film – in den Hauptrollen Jeffrey Lynn und<br />
Alan Hale Jr. – ist ebenso<br />
Bestandteil dieser DVD-<br />
Box wie die beiden Dokumentationen<br />
The Story Of<br />
"<br />
Marylin Monroe" und Die "<br />
ersten Jahre der Monroe". In<br />
25 bzw. knapp 20 Minuten<br />
konzentrieren sich diese beiden<br />
Dokus vor allem auf die frühen Jahre der<br />
Schauspielerin, zeigen Bilder aus ihrem Privatleben,<br />
ihren Filmen und von ihren Auftritten bei<br />
zahlreichen gesellschaftlichen Anlässen.<br />
(Inter Pathe/edel, 160 Min.)<br />
SAHARA<br />
Dieses Wüstenabenteuer<br />
spielt in den 20er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts.<br />
Dales (gespielt von<br />
Brooke Shields) Vater<br />
stirbt bei einer Testfahrt<br />
mit seinem selbst gebauten<br />
Rennwagen, mit dem er<br />
am härtesten Autorennen der Welt teilnehmen<br />
wollte. Dale beschließt, den Lebenstraum ihres<br />
Vaters zu Ende zu bringen, da Frauen aber<br />
die Teilnahme an diesem Rennen verboten ist,<br />
nimmt sie als Mann verkleidet daran teil. Aus<br />
heutiger Sicht wirkt die 80er-Jahre-Darstellung<br />
des gnadenlosen Konkurrenzkampfes der<br />
Teams, der Hitze, der Sandstürme sowie des<br />
Kriegs der verfeindeten Wüstenstämme fast<br />
unfreiwillig komisch, andererseits sind es ja<br />
genau diese (Hollywood-)Überzeichnungen,<br />
die solch einen Film zum Kultobjekt machen.<br />
Neben Brooke Shields sind in "<br />
Sahara" noch<br />
John Rhys-Davies, Horst Buchholz und Lambert<br />
Wilson (als Scheich) zu sehen, für die<br />
Filmmusik war kein Geringerer als Ennio<br />
Morricone verantwortlich.<br />
(Breu Media, 106 Min.)<br />
POPEYE DER SEEMANN &<br />
SEINE FREUNDE<br />
Popeye, dieser sympathisch bescheidene Held<br />
mit einem Faible für Spinat aus der Dose, wurde<br />
schon 1929 in die Welt gesetzt und gehört<br />
bis heute zu den weltweit beliebtesten Comicfiguren.<br />
Der kantige Seemann ist ein Underdog<br />
mit ebenso niedriger Reizschwelle<br />
wie starkem Gefühl<br />
für Gerechtigkeit und<br />
Fairplay. Über vier Stunden<br />
lang zeigt die Zeichentrickserie<br />
Popeye der Seemann<br />
"<br />
& seine Freunde", wie er<br />
sich für seine Freundin Olivia<br />
einsetzt, wie er zusammen<br />
mit seinen Kameraden Bluto, Swee' Pea und<br />
J. Wellington so manches actionreiche Abenteuer<br />
überstehen muss.<br />
(Starmovie/edel, 283 Min.)<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 7<br />
OLIVER TWIST<br />
Mit Stummfilm-Stars wie Dickie Moore ( "<br />
Die<br />
kleinen Strolche") und Clyde Cook ( "<br />
Dick<br />
und Doof") verfilmte William J. Cowen 1933<br />
in den USA den Charles-<br />
Dickens-Klassiker "<br />
Oliver<br />
Twist". Erzählt wird dabei<br />
die Geschichte des Waisenkindes<br />
Oliver, der als<br />
billige Arbeitskraft zu einer<br />
Familie geschickt wird.<br />
Schnell flüchtet er von dort<br />
und macht sich auf den Weg<br />
nach London. Dort macht er auf der Straße die<br />
Bekanntschaft von The Artful Dodger, der ihn<br />
zu Fagins Bande bringt. Der Junge fühlt sich<br />
schnell heimisch, zum ersten Mal in seinem<br />
Leben kümmern sich Menschen um ihn. Fagin<br />
führt ihn in die Kunst des Taschendiebstahls<br />
ein, für Oliver ist es nicht mehr als ein lustiges<br />
Spiel. Bei einem Diebstahlszug mit der<br />
Bande durch die Stadt wird Oliver dann von<br />
Mr. Brownlow erwischt. Der nette Herr nimmt<br />
Oliver, statt ihn der Polizei zu übergeben, mit<br />
zu sich nach Hause, wo er sich zusammen mit<br />
seiner Nichte Rose rührend um ihn kümmert.<br />
Doch Oliver wird bald von seiner Vergangenheit<br />
eingeholt, und Fagins Diebesbande benutzt<br />
ihn, um bei Mr. Brownlow einzubrechen.<br />
Oliver wird in den Wirren des Einbruchs angeschossen<br />
und muss um sein Leben bangen,<br />
doch am Ende landet die Bande im Gefängnis.<br />
Oliver besucht dort Fagin ein letztes Mal, kurz<br />
vor dessen Hinrichtung. Ein Film, der nicht<br />
nur Dickens' Geschichte klasse erzählt, sondern<br />
der auch mit seiner nostalgischen Atmosphäre<br />
überzeugen kann.<br />
(Inter-Pathe/edel, 65 Min.)<br />
POMPEI – DER UNTERGANG<br />
Tragische Geschichten über Liebe, Krieg,<br />
Morde und Verschwörungen vor der Kulisse<br />
des drohenden Vulkanausbruchs<br />
des Vesuv – der<br />
italienische Regisseur (und<br />
Spezialist für Historienfilme)<br />
Giulio Base packte<br />
2008 allerlei Erzählstränge<br />
in seinen Film Pompei – "<br />
Der Untergang". Neben<br />
Maurizio Aiello, Fabrizio<br />
Bucci und Maria Grazia Cucinotta gibt es dabei<br />
auch ein Wiedersehen mit Giuliano Gemma,<br />
dem legendären italienischen Schauspieler,<br />
der zu seinen Glanzzeiten in den 70er Jahren<br />
( Auch die Engel essen Bohnen") mit einem<br />
"<br />
einzigen Blick aus seinen stahlblauen Augen<br />
ein ganzes Kinopublikum in seinen Bann<br />
schlagen konnte und im Oktober letzten Jahres<br />
nach einem Autounfall in seiner italienischen<br />
Heimat verstorben ist.<br />
(Paragon Movies, 186 Min.)
from the past<br />
GENIE DES BÖSEN<br />
THE MOST DANGEROUS GAME<br />
Bis heute gilt dieser 1932 entstandene Film mit<br />
dem Originaltitel The Most Dangerous Game"<br />
"<br />
als eines der gruseligsten und spannendsten<br />
Frühwerke des Kinos. Endlich<br />
gibt es Genie des Bösen",<br />
so der deutsche Titel<br />
"<br />
(mit der Filmlegende Fay<br />
Wray aus King Kong"<br />
"<br />
in einer Hauptrolle) auch<br />
in der US Special Edition<br />
mit viel Bonus-Material.<br />
Die Story: Dem russischen<br />
Sportjäger Graf Zaroff tappen auf seiner einsamen<br />
Insel ahnungslose Überlebende eines<br />
Schiffbruchs in die Falle. Da der Graf schrecklich<br />
gelangweilt davon ist, immer nur auf Tiere<br />
zu schießen, eröffnet er aus Spaß am Töten die<br />
Jagd auf die Gestrandeten. In diesem wahnsinnigen<br />
Spiel fällt seine erste Wahl auf Robert<br />
Rainsford und Eve Trowbridge. Die Gestrandeten<br />
sind auf der mysteriösen Insel auf sich<br />
alleingestellt und müssen von nun an einen Weg<br />
finden, den wahnsinnigen Grafen in diesem lebensgefährlichen<br />
Spiel auszutricksen. Die Hetzjagd<br />
durch die Nacht nimmt ihren unheilvollen<br />
Lauf! Also genau das Richtige für Fans von Filmen<br />
wie Theater des Grauens", Fleisch" oder<br />
" "<br />
Auf der Jagd". Enthält zwei DVDs, auf der es<br />
"<br />
neben dem Originalfilm (erstmals in Farbe und<br />
in deutscher Sprache) auch noch massig Bonus-<br />
Material gibt, darunter eine restaurierte S/W-<br />
Version mit Audiokommentar, eine Trailershow,<br />
Bildergalerie und Interviews mit Tricktechniker<br />
Ray Harryhausen sowie den Schauspielern John<br />
Morgan und James D'Arc.<br />
(Starmovie/edel, 2 DVDs 253 Min.)<br />
SESAMSTRASSE CLASSICS<br />
DIE 80er JAHRE<br />
Seit 1973 begeistert die "<br />
Sesamstraße" Jung<br />
und Alt, längst ist der Pionier unter den Kindersendungen<br />
Kult geworden. Zu Beginn wurden<br />
die halbstündigen Folgen aus den USA übernommen<br />
und für die deutsche Ausstrahlung lediglich<br />
synchronisiert. Ab Januar 1978 startete<br />
dann eine eigene "<br />
deutsche Sesamstraße" als<br />
Rahmenhandlung, die das<br />
Studio Hamburg des NDR<br />
in Wandsbek produzierte.<br />
Bei dieser neuen Kulisse<br />
handelte es sich aber – im<br />
Gegensatz zum US-Original<br />
– weniger um eine<br />
Wohnstraße als vielmehr<br />
um eine Art offenes Haus.<br />
Der Mittelpunkt war dabei eine Küche mit Theke<br />
und Hockern davor. Auch die Hauptdarsteller änderten<br />
sich, von nun an waren es zwei Menschen<br />
und zwei Puppen. Bei den Menschen handelte<br />
es sich um Schauspieler, die meist mit ihren<br />
wirklichen Vornamen auftraten. Zunächst übernahmen<br />
Henning Venske und Liselotte (Lilo)<br />
Pulver diesen Part, später folgten unter anderem<br />
Ilse Biberti, Gernot Endemann (Schorsch), Manfred<br />
Krug, Uwe Friedrichsen, Hildegard Krekel<br />
(Bettina), Ute Willing und Horst Janson. Für die<br />
beiden Puppen entstanden die Charaktere Samson<br />
und Tiffy – bis 1983 gespielt und geprägt<br />
von Peter Röders und Kerstin Siebmann-Röders.<br />
Weiterhin dabei waren natürlich auch die Einspielfilme<br />
mit (den US-Figuren) Erni und Bert,<br />
Graf Zahl, Grobi, Kermit, Lulatsch, Mumpitz,<br />
Oscar, Robert und Schlemihl, als rein deutsche<br />
Puppen kamen nach und nach Herr von Bödefeld,<br />
Finchen und Rumpel hinzu. Ein fester Bestandteil<br />
des Konzeptes war es, die Zuschauer<br />
hinter die Kulissen des Fernsehens blicken zu<br />
lassen, also die Regie- und Kamera-Arbeit sowie<br />
die (damaligen) Möglichkeiten visueller Trickverfahren<br />
aufzuzeigen und ins Geschehen einzubinden.<br />
So konnten die Sesamstraßen-Stars zum<br />
Beispiel trockenen Fußes auf eine Südseeinsel<br />
wandern und erst danach die Regie bitten, jetzt<br />
das Wasser einzublenden. Auf zwei DVDs präsentiert<br />
"<br />
Sesamstraße Classics – Die 80er Jahre"<br />
nun drei Stunden lang das Beste aus den Jahren<br />
1980 bis 1989, zusätzlich zu den zahllosen Episoden<br />
gibt es noch digital restaurierte Originalfolgen<br />
in ganzer Länge zu sehen. Ein absolutes<br />
Highlight-Programm mit vielen Klassikern von<br />
Ernie, Bert, Samson, Tiffy, Oscar, Grobi, Krümelmonster<br />
und Co., das dicke Booklet liefert<br />
die Hintergrundinformationen dazu.<br />
(Studio Hamburg Entertainment/edel,<br />
180 Min.)<br />
DIE TODESGRUFT DES<br />
DR. JEKYLL<br />
In diesem Low-Budget-Horrorstreifen aus<br />
dem Jahr 1957 vermischt sich die klassische<br />
Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Story<br />
mit allerlei Themen aus<br />
anderen Gruselgeschichten,<br />
von Werwölfen über<br />
einen mysteriösen Fluch<br />
bis zu Vollmond-Alpträumen<br />
(inklusive blutverschmiertem<br />
Nachthemd!).<br />
Ganz klar kann man solche<br />
Filme heutzutage nicht mehr so ernst wie<br />
zu ihrer Entstehungszeit nehmen, doch gerade<br />
diese unfreiwillige Komik, diese Art,<br />
das Böse auf eine heute nicht mehr übliche<br />
Art und Weise darzustellen, macht das Besondere<br />
dieser Produktionen aus, und dafür<br />
ist "<br />
Die Todesgruft des Dr. Jekyll" eines der<br />
besten Beispiele. Die aktuelle DVD liefert<br />
die deutsche Kinofassung erstmals komplett<br />
restauriert und bietet mit Kinotrailer, Fotogalerie<br />
und Filmprogammheft auch zusätzliches<br />
Material.<br />
(Inter-Pathe/edel, 85 Min.)<br />
VATER WIRD ES RICHTEN<br />
Elizabeth Taylor, Spencer Tracy, Joan Bennett<br />
und Don Taylor spielen die Hauptrollen<br />
in dieser amerikanischen Kinokomödie aus<br />
dem Jahr 1951, die ursprünglich unter dem<br />
Titel Ein Geschenk des Himmels" in die<br />
"<br />
deutschen Kinos kam und<br />
eine Fortsetzung der höchst<br />
erfolgreichen<br />
Komödie<br />
Vater der Braut" war. Die<br />
"<br />
nun veröffentlichte DVD-<br />
Version heißt Vater wird "<br />
es richten", und das ist<br />
auch das Motto des Großvaters<br />
in spe (Paraderolle<br />
für Spencer Tracy), dem weder die Liebeswahl<br />
seiner Tochter (Liz Taylor) noch seine<br />
künftige familiäre Position zusagt. Während<br />
alle anderen sehnsüchtig der Ankunft des<br />
neuen Erdenbürgers entgegensehen, muss er<br />
sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen.<br />
Doch nach der Geburt – und nach einem unbeabsichtigten<br />
Ausflug von Opa und Enkel<br />
zur Polizei – ist das Eis gebrochen, nimmt der<br />
Familienpatriarch seine neue Rolle an. Und<br />
richtig glücklich ist er, als er erfährt, dass der<br />
junge Stammhalter sogar seinen Vornamen<br />
tragen soll! Leicht verspielte Komödie in der<br />
"<br />
Nähe des Schwankhaften, glänzend gespielt<br />
und inszeniert", so urteilt das Lexikon des<br />
"<br />
internationalen Films".<br />
(Starmovie/edel, 78 Min.)<br />
ESTHER<br />
ONE NIGHT WITH THE KING<br />
Aus dem Jahr 2006 stammt diese indischamerikanische<br />
Produktion, in der ein wahres<br />
Staraufgebot die biblische<br />
Geschichte um Königin Esther<br />
darstellt. Omar Sharif,<br />
Peter O'Toole, John-Rhys<br />
Davies, Luke Goss, John<br />
Noble und Tiffany Dupont<br />
sind die Hauptpersonen<br />
dieser opulenten Verfilmung,<br />
in der sich Königin<br />
Waschti weigert, ihrem Mann, dem persischen<br />
König Xerxes, zu gehorchen. Sie wird daraufhin<br />
vom Hof verbannt, und König Xeres<br />
sucht im persischen Reich nach einer Frau, die<br />
Waschtis Stelle als Königin einnehmen soll. Er<br />
findet sie in der Waise Hadassa, die von ihrem<br />
Onkel erzogen wird. Hadassa fürchtet sich, als<br />
Jüdin diskriminiert zu werden, und nennt sich<br />
von nun an Esther. Im Palast erfährt sie, dass<br />
der Hauptkämmerer des Königs plant, alle Juden<br />
im persischen Reich zu töten. Doch mit<br />
ihrem Charme und ihrem ganzen Mut gelingt<br />
es ihr, den Plan aufzudecken. Um dieses Ereignisses<br />
zu gedenken, feiern die Juden auch<br />
heute noch alljährlich das Purimfest.<br />
(Starmovie/edel, 118 Min.)<br />
Seite 8 ■ GoodTimes 2/2014
DIE ERSCHAFFUNG DER<br />
WELT<br />
Gott, ein liebenswürdiger alter Mann, entschließt<br />
sich dazu, aus dem absoluten Nichts<br />
innerhalb von sechs Tagen etwas zu erschaffen.<br />
Mit himmlischer Inspiration und unterstützt<br />
von drei Engeln erschafft<br />
er das All, den Himmel und<br />
die Erde, das Wasser, die<br />
Sonne, den Mond und die<br />
Sterne, erfindet Pflanzen,<br />
Tiere und schließlich den<br />
Menschen: Adam und Eva –<br />
und das alles gegen den Widerstand<br />
der listigen kleinen<br />
roten Teufelchen, die nichts unversucht lassen,<br />
um Gottes Werk zu sabotieren. Doch der liebe<br />
Gott lässt sich bei seiner Arbeit nicht beirren<br />
und vollendet seine Schöpfung wie geplant, so<br />
dass er sich am siebten Tag erschöpft in die<br />
Sonntagsruhe zurückziehen kann. Vier Jahre<br />
lang arbeitete Anfang der 50er der 1982 verstorbene<br />
französische Autor und Karikaturist<br />
Jean Effel zusammen mit den Trickfilmstudios<br />
Prag an dieser heiter-ironischen Schöpfungs-<br />
MA BARKER'S<br />
KEINE BANK WAR VOR IHR SICHER<br />
Mit neuem DVD-Titel wird der von Regisseur<br />
Bill Karn 1960 in Szene gesetzte Gangsterfilm<br />
Ma Barker's Killer Brood" nun neu veröffentlicht.<br />
Zuvor war der Schwarz/Weiß-Kultstrei-<br />
"<br />
fen, in dem Ma Barker (Lurene Tuttle) und ihre<br />
vier Söhne in den 30er Jahren mit Kidnapping,<br />
Morden und Überfällen den Süden und den<br />
Mittleren Westen der Vereinigten Staaten unsicher<br />
machten, unter dem<br />
deutschen Titel Die gnadenlosen<br />
Killer" bekannt. "<br />
Ein Film, der sich frei am<br />
Leben der realen Ma Barker<br />
orientiert, die gemeinsam<br />
mit ihrer Familie ab 1930<br />
für zahlreiche Verbrechen<br />
verantwortlich war und<br />
1935 zusammen mit ihrem Sohn Freddie bei<br />
einem 45-minütigen Schusswechsel in Florida<br />
getötet wurde. Für den jungen FBI-Direktor<br />
J. Edgar Hoover damals ein wichtiger Erfolg,<br />
nach eigenen Worten hatte das FBI noch nie so<br />
gefährliche Verbrecher wie die Barker-Bande<br />
gejagt ...<br />
(Starmovie/edel, 90 Min.)<br />
JAMES STEWART<br />
COLLECTION<br />
Prall gefüllt mit über dreieinhalb Stunden<br />
Laufzeit kommt die James Stewart Collection"<br />
daher. Zu sehen gibt "<br />
es drei Filme des amerikanischen<br />
Schauspielers,<br />
Ein ideales Paar" (1939),<br />
"<br />
Die goldene Stunde"<br />
"<br />
(1941) sowie Herrscher "<br />
über deine Flügel" (1942).<br />
Der erste Film zeigt Stewart<br />
als jungen, ambitionierten<br />
Rechtsanwalt in New York. Frisch<br />
verheiratet, hoch verschuldet, dazu noch der<br />
Einzug der Schwiegermutter und eine geplatzte<br />
Beförderung: das alles sorgt für Dauerärger,<br />
der sich dann noch verschärft, als nach der Geburt<br />
des ersten Sohnes seine Frau gezwungen<br />
ist, zur Arbeit zu gehen. Doch James Stewart<br />
wäre nicht James Stewart, wenn er da nicht<br />
herauskäme. Auch im zweiten Film zeigt er<br />
sein Talent für leichte, romantische Rollen, im<br />
dritten Streifen kann man ihn dabei erleben,<br />
wie er Nachwuchs für die Army rekrutiert.<br />
(Inter Pathe/edel, 215 Min.)<br />
ELMO<br />
DAS MUSICAL<br />
Was wäre, wenn Elmo ein Flugzeugpilot, ein<br />
Bergsteiger oder ein Cowboy wäre? Er probiert<br />
es aus. In der Serie "<br />
Elmo – das Musical" schlüpft<br />
er in die unterschiedlichsten Rollen und erlebt in<br />
jeder Folge ein tolles Abenteuer. Dabei besteigt<br />
die beliebte Figur aus der<br />
Sesamstraße" den Mount<br />
" Everest, bereist als Cowboy<br />
den Wilden Westen<br />
oder sucht als Kapitän eines<br />
Segelschiffes den rosafarbenen<br />
Wal Moby Pink"<br />
"<br />
auf den Weltmeeren. Wie es<br />
sich für ein richtiges Musical gehört, ist das Ganze<br />
untermalt von toller Musik, die zum Mitsingen,<br />
Mittanzen und Mitmachen animiert. Zehn Folgen<br />
der aus dem Kinderkanal bekannten Serie gibt es<br />
zu sehen, darunter Der Bergsteiger und der Yeti",<br />
"<br />
" Das Flugzeug zum Südpol", Pizza zum Mars",<br />
"<br />
" Cowboy im Wilden Westen", Der Prinz und der<br />
"<br />
Drache" sowie Elmos Zirkustraum".<br />
"<br />
(Studio Hamburg Entertainment/edel,<br />
125 Min.)<br />
DAS KOM(M)ÖDCHEN<br />
DIE ÄRA KAY UND LORE LORENTZ<br />
Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen gehört ohne<br />
Zweifel zu den renommiertesten Kabarettbühnen<br />
Deutschlands. Seit 1947 deckt die freche<br />
Literatenbühne mit analytischem Spott den<br />
Opportunismus der deutschen Nachkriegsge-<br />
g<br />
sellschaft auf. Hochkarätige<br />
Autoren und Kabarettisten<br />
plädieren für Toleranz<br />
und demokratische<br />
Werte, parodieren engstirnige<br />
Politiker ebenso wie<br />
Wohlstands-berauschte<br />
Wirtschaftswunder-Bürger.<br />
Diese 6-DVD-Edition<br />
zeigt Höhepunkte aus der Ära Kay und Lore<br />
Lorentz aus den Jahren 1960 bis 1989. Und man<br />
glaubt es kaum: Die historischen Programme<br />
erscheinen heute aktueller denn je; was immer<br />
das Kom(m)ödchen aufs Korn nahm – seine<br />
Kritik an Fehlentwicklungen, Irrwegen und<br />
populistischer Anbiederung trifft heute immer<br />
noch zu. Denn Rüstungswahnsinn, Kriminalität,<br />
Neo-Nazis, Umweltverschmutzung, ungerechte<br />
Vermögensverteilung, krankes Gesundheitswesen<br />
und vieles andere mehr sind uns<br />
über all die Jahre erhalten geblieben! Über 17<br />
Stunden erstklassiges Kabarett mit Lachgarantie<br />
und dazu noch ein freudiges Wiedersehen<br />
mit legendären Kabarettisten wie Lore Lorentz,<br />
Ernst H. Hilbich, Thomas Freitag und Harald<br />
Schmidt. Als Extra gibt es ein 40-seitiges<br />
Booklet mit ausführlichen Informationen zu<br />
den politischen Hintergründen der Programme,<br />
gewürzt mit zahlreichen Szenenfotos.<br />
(Tacker Film/Alive, 6 DVDs, 1062 Min.)<br />
DICK & DOOF<br />
MEGABOX LACHPARADE XXL<br />
Ohne neues Material, dafür aber mit rund<br />
20,– € unschlagbar günstig, so präsentiert sich<br />
diese voluminöse 11-DVD-Megabox. "<br />
Dick &<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 9<br />
Doof", unter diesem Namen kennt man das USamerikanische<br />
Komiker-Duo Stan Laurel und<br />
Oliver Hardy. Zwischen 1926 und 1951 drehten<br />
sie zusammen über hundert Filme. Während<br />
Oliver Hardy sich hauptsächlich als Schauspieler<br />
in die gemeinsame Arbeit einbrachte, galt<br />
Stan Laurel als der kreative Kopf des Duos.<br />
Er entwickelte nicht nur zahlreiche der legendären<br />
Gags und Drehbücher,<br />
sondern führte bei den<br />
meisten Filmen auch Regie<br />
und arbeitete am Schnitt.<br />
Die dominierenden Stilmittel<br />
ihrer Komik sind das<br />
vorhersehbare Scheitern an<br />
zumeist lösbaren Aufgaben<br />
sowie die physische<br />
Zerstörung von Inventar. Typisch ist hierbei<br />
auch, dass sich die beiden Protagonisten gegenseitig<br />
großen Schaden zufügen und dieses<br />
jeweils mit stoischer Fassung über sich ergehen<br />
lassen. Mit dem Tod von Oliver Hardy 1957<br />
endete die Karriere des erfolgreichen Duos.<br />
Stan Laurel wurde 1960, fünf Jahre vor seinem<br />
Tod, mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet.<br />
Auf vier DVDs ( Die Schatztruhe", Raritäten",<br />
Frühe Kunstwerke" und Verborgene<br />
" "<br />
" "<br />
Perlen") gibt es zahlreiche Kurzfilme zu sehen,<br />
dazu die Langfilme Der Zauberer von<br />
"<br />
Oz", Der Wes ten von Hot Dog", Robinson-<br />
" "<br />
Crusoe-Land", Fliegende Teufelsbrüder" und<br />
"<br />
"Rache im Wunderland". Zusätzlich sind mit<br />
der Laurel/Hardy-Biografie und Als die Bilder<br />
"<br />
laufen lernten" noch zwei interessante Dokumentationen<br />
enthalten.<br />
(Starmovie/edel, 1000 Min.)
from the past<br />
geschichte, der die Jury des Dokumentar- und<br />
Kurzfilm-Festivals Venedig 1958 einen Sonderpreis<br />
verlieh, wobei ihn päpstliche Beobachter<br />
in besonderem Maße gotteslästerlich" nannten<br />
"<br />
und in ihm viel eher eine groteske Verhöhnung<br />
der Heiligen Schrift" sahen – heutzuta-<br />
"<br />
ge kann man dies natürlich weit entspannter<br />
sehen. Da vor kurzem die lange verschollene<br />
DDR-Fassung wieder aufgetaucht ist, kann<br />
man sich Die Erschaffung der Welt" in zwei<br />
"<br />
unterschiedlichen Versionen ansehen: entweder<br />
mit der originalen, tschechischen Tonspur oder<br />
in der deutschen Defa-Synchronisation.<br />
(Universal, 83 Min., Deutsch<br />
und Tschechisch)<br />
CLASSIC WESTERN<br />
Riesig ist der Fundus, in dem sich immer wieder<br />
DVD-Neuveröffentlichungen finden lassen.<br />
Häuptling der Apachen" (1957, 73 Min.)<br />
"<br />
kam 1958 (noch mit dem<br />
Titel Rebell der roten<br />
"<br />
Berge") erstmals in die<br />
deutschen Kinos, mit Lex<br />
Barker wartet dieser Film<br />
mit einem prominenten<br />
Hauptdarsteller auf, der<br />
kurz darauf in den Karl-<br />
May-Filmen Old Shatterhand<br />
spielte. Nachdem die Originalsynchronisation<br />
1965 bei einem Brand vernichtet wurde,<br />
existierten nur noch die TV-Tonspuren. Mit<br />
Hilfe verschiedener Kinokopien konnte nun<br />
allerdings fast der komplette Film restauriert<br />
werden, so dass er jetzt<br />
erstmals in der Kino-Synchronisation<br />
von 1958 erscheint.<br />
Joel McCrea spielt<br />
in Duell in Dodge City"<br />
"<br />
(1959, 78 Min.) einen Revolvermann,<br />
der durch den<br />
Tod seines Bruders – der<br />
kurzzeitig den Job des<br />
Sheriffs in Dodge City innehatte – geläutert<br />
wird und alles daran setzt, dem gesetzlosen<br />
und gewalttätigen Treiben in dieser Stadt ein<br />
Ende zu machen. Als DVD/Blu-ray-Doppelpack<br />
sind nun in der gleichen Reihe zwei Filme<br />
mit Lee Van Cleef erschienen. Von Mann zu<br />
"<br />
Mann" (1967, 110 Min.) zeigt ihn als Rachebesessenen<br />
Revolverheld,<br />
der in der Jugend durch<br />
ein Massaker seine gesamte<br />
Familie verloren<br />
hat. Zusammen mit einem<br />
Leidensgenossen macht er<br />
sich auf die Suche nach den<br />
Mördern, die mittlerweile<br />
zu reichen und mächtigen<br />
Bürgern aufstrebender Städte geworden sind.<br />
Auch wenn die beiden darum konkurrieren,<br />
wer seine Rache zuerst ausleben darf, im entscheidenden<br />
Moment halten sie zusammen.<br />
Der wohl bekannteste dieser vier Filme dürfte<br />
Sabata" (1969, 102 Min.) sein, in dem Lee<br />
" Van Cleef von Kollegen<br />
wie William Berger, Pedro<br />
Sanchez, Nick Jordan<br />
und Linda Veras unterstützt<br />
wird. (Italo-)klassisch der<br />
Plot, bei dem ein geheimnisvoller<br />
Fremder (... der<br />
zu viel weiß") in der Stadt<br />
"<br />
auftaucht. Natürlich wollen<br />
ihn die nach außen hin unbescholtenen Bürger<br />
zum Schweigen bringen, allerdings haben sie<br />
die Rechnung ohne seinen schnellen Colt gemacht.<br />
Die Macher dieses Films genießen ihre<br />
"<br />
eigene Gerissenheit, ein Genuss, den sie auf ihren<br />
Titelhelden und damit schließlich auch auf<br />
das Publikum übertragen. Das Rezept, einen<br />
Hauch von Irrealität über den Film zu legen,<br />
indem man alles auf die Spitze treibt, wird hier<br />
mit gutem Erfolg angewendet", schreibt Joe<br />
Hembus in seinem Westernlexikon – dem ist<br />
nichts hinzuzufügen.<br />
(Explosive Media/Alive, 4 DVDs)<br />
RICHARD LÖWENHERZ<br />
Auf zwei DVDs liefert Richard Löwenherz"<br />
"<br />
sämtliche 13 (von insgesamt) 39 Folgen der<br />
britischen TV-Serie Richard The Lionheart",<br />
"<br />
die Anfang der 60er Jahre im deutschen Fernsehen<br />
liefen. Sie spielen in England im zwölften<br />
Jahrhundert, wo schon wenige Tage nach<br />
seiner Krönung der mutige Richard Löwenherz<br />
– rechtmäßiger Thronfolger seines verstorbenen<br />
Vaters König Henry – damit beginnt,<br />
zahlreiche Missstände in seinem Königreich<br />
zu beseitigen. Doch unter der Führung von<br />
Sir Bertram haben sich einige heruntergekommene<br />
Landbarone, die hauptsächlich von<br />
Plünderung und Straßenraub leben, zu einer<br />
Verschwörung zusammengeschlossen. Sie<br />
wollen den neuen König beseitigen, da er ihnen<br />
mit seinen Bestrebungen, Recht und Ordnung<br />
im Lande wiederherzustellen,<br />
ein Dorn im Auge<br />
ist. Doch auch sein Bruder,<br />
der intrigante Prinz John,<br />
trachtet Richard nach dem<br />
Leben, ebenso wie König<br />
Philip von Frankreich und<br />
Leopold von Österreich.<br />
Ebenso herrliche wie nostalgische<br />
Serienunterhaltung,<br />
deren 60er-Jahre-Schwarz/Weiß-Charme hier<br />
so richtig zum Tragen kommt, noch dazu ein<br />
Wiedersehen mit Schauspielern wie Dermot<br />
Walsh (als Richard), Trader Faulkner (als sein<br />
Bruder John bzw. Philip von Frankreich), Sheila<br />
Whittingham (Lady Berengaria) und Francis<br />
De Wolff (Leopold von Österreich).<br />
(Studio Hamburg Enterprises/Alive, 325 Min.)<br />
ÜBER SIEBEN BRÜCKEN<br />
MUSST DU GEHN<br />
Über sieben Brücken musst du gehn", fast jeder<br />
"<br />
kennt diesen Song von Peter Maffay. Dass dieser<br />
im Original von der Band Karat stammt, das<br />
dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben,<br />
doch dass dieses Lied der Titelsong<br />
eines DDR-Fernsehfilmes<br />
aus dem Jahr 1978 war,<br />
dürfte für viele bisher unbekannt<br />
gewesen sein. Helmut<br />
Richter schrieb Mitte der<br />
70er Jahre die tragische Liebesgeschichte<br />
über den Polen<br />
Jerzy, der in der DDR nicht<br />
nur Kühltürme baut, sondern<br />
sich auch in die Kraftwerkslaborantin Gitta verliebt.<br />
Zunächst scheint auch alles problemlos zu<br />
laufen, doch dann kommt die deutsch-polnische<br />
Vergangenheit ins Spiel, werden alte Wunden<br />
neu aufgerissen. Regisseur Hans Werner schlug<br />
für die Filmmusik den Keyboarder und Hauptkomponisten<br />
von Karat, Ulrich Swillms, vor,<br />
der Gittas inneren Kampf, ihre Zerrissenheit<br />
zwischen Kummer und Hoffnung in die mittlerweile<br />
legendären Textzeilen umsetzte. Die gehen<br />
auf eine alte polnische Legende zurück, in der<br />
geschildert wird, dass eine Mutter ihr krankes<br />
Kind über sieben Brücken tragen muss, damit es<br />
wieder gesund wird.<br />
(Studio Hamburg Enterprises/Alive, 80 Min.)<br />
BUD SPENCER<br />
DIE KULT BOX<br />
Wenn einem Schauspieler<br />
schon eine so voluminöse<br />
Kult Box" gewidmet wird,<br />
"<br />
dann muss diese natürlich in<br />
<strong>kult</strong>! kurz vorgestellt werden.<br />
Dass der 1929 in Neapel geborene<br />
Schauspieler Bud Spencer<br />
unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli<br />
1952 als Schwimmer an den Olympischen Spielen<br />
teilgenommen hatte, sah man ihm im Laufe<br />
seiner Filmkarriere nicht mehr an, vielmehr war er<br />
geradezu dazu prädestiniert, in zahlreichen Italo-<br />
Western und (oft zusammen mit Terence Hill) in<br />
jeder Menge Actionkomödien den ebenso dickköpfigen<br />
wie gutmütigen Charakter darzustellen,<br />
der den Großteil seiner Probleme schlagkräftig"<br />
"<br />
löst. Die 10-DVD-Kult-Box beinhaltet zehn Bud-<br />
Spencer-Filme aus den 70er/80er Jahren, von Banana<br />
Joe" (1981) über Bud der Ganovenschreck"<br />
"<br />
"<br />
(1982) und vier Filme seiner Der Dicke ..."-Reihe<br />
bis zu Wenn man vom Teufel spricht (1991).<br />
"<br />
"<br />
Sechs der zehn Filme wurden extra für diese Box<br />
neu digital remastert, dazu gibt es noch auf jeder<br />
DVD das Bonus-Material der jeweiligen Einzelveröffentlichung.<br />
Ideal also, um Sammlungslücken<br />
zu füllen, zumal man mit deutlich unter fünf<br />
Euro pro DVD dabei ist.<br />
(3L Film GmbH, 10 DVDs, 950 Min.)<br />
Seite 10 ■ GoodTimes 2/2014
Bücher + Comics<br />
1001 FILME, DIE SIE SEHEN<br />
SOLLTEN, BEVOR DAS<br />
LEBEN VORBEI IST<br />
Von Steven Jay Schneider<br />
2013, Edition Olms<br />
ISBN 978-3-28301-161-1<br />
960 Seiten; 29,95 Ð<br />
In der beliebten "<br />
1001"-Reihe, in der auch das<br />
empfehlenswerte "<br />
1001 Alben" erschienen ist,<br />
wurde nun die mittlerweile zehnte und aktualisierte<br />
Auflage der "<br />
1001 Filme" publiziert.<br />
Der prächtige Band richtet sich sowohl an den<br />
Filmkenner als auch an den Laien, der sein Wissen<br />
anreichern möchte. Von der Steinzeit ( "<br />
Die<br />
Reise zum Mond", 1902) bis hin zu aktuellen<br />
Blockbustern wie "<br />
Django Unchained" (2012)<br />
oder "<br />
Lincoln" erfährt man nicht nur wichtige<br />
Daten (unter anderem Produzent,<br />
Drehbuch, Musik<br />
Darsteller), sondern erhält<br />
auch eine kritische<br />
Zusammenfassung, die<br />
den jeweiligen Streifen<br />
gerecht wird, ohne dabei<br />
in intellektuelle Gefilde<br />
zu entschwinden. Hunderte<br />
von Abbildungen der Schauspieler oder<br />
von Plakaten unterstreichen die Aussagen und<br />
visualisieren die verschiedensten Genres wie<br />
den Historienfilm, den Krimi, Science Fiction<br />
oder den Liebesfilm. Ein Buch mit einem unschlagbaren<br />
Preis/Leistungsverhältnis.<br />
1001 AUTOS, VON DENEN<br />
SIE TRÄUMEN SOLLTEN,<br />
BEVOR DAS LEBEN VORBEI<br />
IST<br />
Von Simon Heptinstall<br />
2013, Edition Olms<br />
ISBN 978-3-28301-159-8<br />
960 Seiten; 29,95 Ð<br />
Nach einem Vorwort des Pink-Floyd-Drummers<br />
Nick Mason darf der Leser sich auf eine<br />
Reise in die faszinierende Welt der fahrbaren "<br />
Untersätze" begeben. Neben den wichtigsten<br />
technischen Details ergänzen fast immer Fotos<br />
der Modelle den Text und gelegentlich historisches<br />
Bildmaterial wie<br />
<strong>kult</strong>ige Anzeigen oder<br />
Fotos aus der freien " Wildbahn". Eines wird<br />
schnell klar: Nach den<br />
ersten, noch eher unbeholfenen<br />
Versuchen um<br />
circa 1900 punkteten<br />
Design und Praktikabilität<br />
schon ab bden 20er Jahren. Ein Bugato Typ<br />
50, der Alfa Romeo 8C 2900B, ein Studebaker<br />
Speedster oder der unvergessliche Eldorado<br />
Cadillac haben alle das Prädikat sexy verdient.<br />
Doch vergleichbare Prachtexemplare<br />
wurden auch noch bis Mitte der Neunziger<br />
produziert wie zum Beispiel der DeLorean<br />
DMC-12 mit Flügeltüren oder der nur in kleinen<br />
Stückzahlen gefertigte Figaro von Nissan.<br />
Wer nach der Lektüre dieses informativen<br />
und zugleich nostalgischen Bandes moderne<br />
Autos nicht mit einem abgeklärt-spöttischen<br />
Gesichtsausdruck honoriert, hat keinerlei Gespür<br />
für Klasse und Design! Was gab es schon<br />
für leidenschaftlich entworfene und schicke<br />
Automobile – herrlich!<br />
WIR KINDER DER 80er<br />
PORTRÄT EINER UNTERSCHÄTZTEN<br />
GENERATION<br />
Von Christoph Quarch & Evelin König<br />
2013, Riemann Verlag, München<br />
ISBN 978-3-57050-154-2<br />
256 Seiten; 19,99 Ð<br />
Was ist ein Münztelefon? Wie bedient man<br />
einen Plattenspieler? Weckt der Anblick einer<br />
Bravo" nostalgische Gefühle? Wenn man diese<br />
"<br />
Fragen alle mit Ja" beantworten kann, dann<br />
"<br />
gehört man zu der Generation, die zwischen<br />
1960 und 1974 geboren wurde und immer noch<br />
rätselt, was sie tatsächlich<br />
ausmacht. Denn als<br />
die Kinder der 80er"<br />
"<br />
erwachsen wurden, waren<br />
die revolutionären<br />
Zeiten der 68er längst<br />
vorbei, und die nachfolgende<br />
Generation der<br />
Digital Natives" lag<br />
"<br />
noch schreiend in den Windeln. Ihre Jugend war<br />
die Zeit von Punks und Poppern, Müslis (wahlweise<br />
Ökos), von Cliquen, WGs und Interrail,<br />
von Neuer Deutscher Welle, Synthie-Pop<br />
und Kuschel-Rock, von Friedensbewegung,<br />
Tschernobyl ( Atomkraft – Nein Danke!") und<br />
"<br />
autofreien Sonntagen. Wir Kinder der 80er"<br />
"<br />
beleuchtet historische Ereignisse genauso wie<br />
private Begebenheiten, nimmt die Leser mit auf<br />
die Zeitreise in ein – aus heutiger Sicht – fern<br />
scheinendes Jahrzehnt. Mit Hilfe zahlreicher<br />
Spezialisten ( Expertenhearing") zeichnen<br />
"<br />
Christoph Quarch und Evelin König ein Psychogramm<br />
ihrer eigenen Generation, erinnern<br />
an ihre Musik, ihre Filme, ihr Lebensgefühl,<br />
aber auch an die historischen Ereignisse, die sie<br />
in dieser Zeit prägten. Mit vielen Abbildungen<br />
und Fotos, mit einem Lexikon für Nachgeborene",<br />
Prominenten-Fragebögen (u.a. beantwortet<br />
"<br />
von Moderatorin Stefanie Tücking und Sängerin<br />
Nicole) sowie mit Gastbeiträgen von Zeitzeugen<br />
wie Frank Elstner, Christian Schwarz-<br />
Schilling und Frank Laufenberg entsteht so ein<br />
Bild, das klarmacht, dass diese Generation weit<br />
mehr zu bieten hat, als sie selbst glaubt. Hier<br />
kann man dies schwarz auf Weiß nachlesen ...<br />
STUKENBROK<br />
HAUPTKATALOG 1912 & 1926<br />
Olms Verlag, Hildesheim<br />
ISBN 3-48708-047-8 & 3-48708-078-8<br />
237 Seiten & 176 Seiten; jeweils 15,80 Ð<br />
Aus seiner 1890 in Einbeck eröffneten Fahrradhandlung<br />
entwickelte August Stukenbrok relativ<br />
schnell ein weltweit agierendes Unternehmen mit<br />
rund 100 Beschäftigten, das<br />
schon um die letzte Jahrhundertwende<br />
erstmalig<br />
den Gedanken des Versandgeschäftes<br />
in Deutschland<br />
im großen Stil verwirklichte.<br />
Werbung machte das junge<br />
Unternehmen vor allem<br />
durch seine Kataloge, deren<br />
enorme Auflage von rund einer<br />
Million Exemplare kostenlos in ganz Deutschland<br />
verteilt wurde. Anfangs bestand der Katalog<br />
nur aus wenigen Seiten, doch jedes Jahr nahm Stukenbrok<br />
weitere Artikel auf, zunächst nur Radfahrer-Bedarfs-Artikel",<br />
dann aber auch Scheren, "<br />
Taschenmesser, Pfeifen, elektrische Klingelanlagen,<br />
Bürobedarfsartikel, Waschmaschinen,<br />
Gartenschläuche, Leiter- und Kastenwagen,<br />
Fußball- und Tennisartikel, alle Arten von Uhren,<br />
Schmuck, Besteck, Bierkrüge, Grammofone und<br />
Schallplatten, Musikinstrumente, Schusswaffen<br />
und Munition oder Fotographische Artikel" (also<br />
"<br />
Kameras und Fotoapparate). Immer wieder beeindruckend,<br />
mit welcher Detailgenauigkeit die<br />
einzelnen Artikel in den Katalogen abgebildet und<br />
beschrieben sind; sehr zu empfehlen ist auch das<br />
Studieren des Kleingedruckten, damals Lieferungsbedingungen<br />
und geschäftlicher Verkehr" "<br />
genannt, in denen sich Stukenbrok verpflichtet,<br />
nicht gefallene Ware innerhalb von 14 Tagen<br />
eventuell" (!) umzutauschen.<br />
"<br />
ABBA<br />
BACKSTAGE<br />
Von Ingmarie Halling<br />
2014, Heel Verlag, Königswinter<br />
ISBN 978-3-86852-878-7<br />
80 Seiten; 40,00 Ð<br />
Abba – auf kaum eine Popgruppe trifft die Bezeichnung<br />
Kultband" so sehr zu, wie auf das<br />
"<br />
schwedische Quartett aus Anni-Frid, Benny,<br />
Björn und Agnetha. Seit dem sensationellen Sieg<br />
ihres Songs "Waterloo" beim Eurovision Song<br />
Contest in Brighton 1974 begeistert ihre Musik<br />
ganze Generationen – und das weltweit. "Mamma<br />
Mia", "Dancing Queen", "Thank You For<br />
The Music" oder "Super Trouper", das sind nur<br />
einige der Welthits, deren unverwechselbarer<br />
Sound<br />
Abba unsterblich werden<br />
ließ. Ingemarie Halling,<br />
Kuratorin des Stockholmer<br />
Abba-Museums, hat<br />
die Band ab 1977 als Kos-<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 11
from the past<br />
tümbildnerin auf ihren Welttourneen begleitet<br />
und ist bis heute mit allen vier Abba-Mitgliedern<br />
befreundet. Ergänzt durch Anni-Frids, Bennys,<br />
Björns und Agnethas persönliche Erinnerungen<br />
und Anmerkungen erzählt sie spannende Anekdoten<br />
rund um die Plattenaufnahmen, über Kostüme,<br />
Reisen und Live-Auftritte von den Anfängen der<br />
Band bis zu den heutigen Film- und Musicalerfolgen<br />
von "<br />
Mamma Mia!". Mit zahlreichen exklusiven<br />
Privatfotos, herausnehmbaren Reprints von<br />
handgeschriebenen Notizen, Briefen, Songlisten<br />
und Kalendern sowie der 1977er "<br />
Tour-Bibel"<br />
mit allen Namen, Titeln und Auftrittsorten. Dazu,<br />
fein säuberlich in große Umschläge verpackt, gibt<br />
es Nachdrucke von Backstage-Pässen, Gepäckanhänger,<br />
Bühnenskripten, Eintrittskarten, Verträgen<br />
und Lohnabsprachen, Ersatzteillisten und<br />
und und ... Definitiv eine ebenso einzigartige wie<br />
höchst interessante Sammlung für alle Pop-Fans!<br />
DIE BESTEN FILME, DIE SIE<br />
NIE SEHEN WERDEN<br />
Von Simon Brand<br />
2014, Edition Olms, Zürich<br />
ISBN 978-3-28301-174-1<br />
256 Seiten; 29,95 Ð<br />
Ob von Hitchcock, Kubrick,<br />
Peckinpah, Spielberg<br />
oder Fellini, die Filmgeschichte<br />
ist voll von Meisterwerken,<br />
die nie das Licht<br />
des Vorführraums erblickten.<br />
Die besten Filme, die<br />
"<br />
Sie nie sehen werden" erzählt von den faszinierenden<br />
Hintergründen, die dafür verantwortlich<br />
sind. Von den Anfängen des zeitgenössischen<br />
Kinos mit Charlie Chaplins Return From St. Helena"<br />
bis zum Aus für Tony Scotts Potsdamer "<br />
"<br />
Platz" nach dem Selbstmord des Regisseurs im<br />
August 2012, blickt dieses Kompendium hinter<br />
die Kulissen von über 50 verlorenen" Filmen,<br />
"<br />
um nachvollziehbar zu machen, warum sie es nie<br />
bis zum Final Cut" geschafft haben. Beeindruckend<br />
zu lesen, wie akribisch Ray Harryhausens<br />
"<br />
" War Of The World" oder Stanley Kubricks " Napoleon"<br />
vorbereitet waren, nicht minder interessant,<br />
warum Brazzaville" – die Fortsetzung von<br />
"<br />
Casablanca" – und Steven Spielbergs Science-<br />
"<br />
Fiction-Gruselfilm Night Skies" auf der Strecke<br />
"<br />
blieben. Wie eng Glück und Pech beieinander<br />
liegen, zeigen nicht nur die Autorenfilmer Tim<br />
Burton und Joel & Ethan Coen; auch wenn man<br />
wie Paul Verhoeven beim Kreuzzug-Epos Crusade"<br />
eigentlich alles richtig macht, ist damit noch "<br />
lange nicht klar, ob man diesen Film je offiziell zu<br />
sehen bekommt. Illustriert werden die Geschichten<br />
von mitleidlosen Filmstudios, fragwürdigen<br />
Plots und vorzeitigem Ableben der Stars mit einer<br />
Unmenge von Fotos, Plakaten und Skizzen, dazu<br />
kommen Drehbuchauszüge, Storyboards sowie je<br />
ein fiktives, von modernen Grafikdesignern entworfenes<br />
Filmplakat. Ein Muss für Kinofreaks!<br />
DIE TITANIC BIBEL<br />
SEGEN, SÜNDEN, SAUEREIEN<br />
Von Leo Fischer<br />
2013, Rowohlt<br />
ISBN 978-3-87134-766-5<br />
320 Seiten; 25,00 Ð<br />
Für gläubige Leser, die auf<br />
religiöse Themen mit einer<br />
bestimmten Empfindsamkeit<br />
reagieren, ist dieses<br />
Buch Blasphemie pur.<br />
Andere wiederum werden<br />
die gesammelten Beiträge aus über 30 Jahren<br />
Titanic" (und neue Texte) als berechtigte, satirische<br />
und treffende Kirchenkritik auslegen. Von<br />
"<br />
Seitenhieben auf Papst Benedikt XVI. (Beispiel:<br />
Der Skandal um die Ausgabe Die undichte<br />
"<br />
Stelle ist gefunden") über bitterbös aufbereitete<br />
Themen wie Missbrauch, religiöse Geschichtsverklärung<br />
oder Beschneidung reicht die Palette<br />
der Texte mit den dementsprechenden Illustrationen,<br />
die mit dem für die Titanic" authentischen<br />
"<br />
Stil garniert werden. Umwerfend – wie alle Sonderbände<br />
des Magazins! Autoren wie Wiglaf<br />
Droste, Eckhard Henscheid oder Hans Zippert<br />
garantieren die hohe Qualität der Artikel und sahen<br />
sich nach Erscheinen des Buchs von einigen<br />
bereits in die Hölle verdammt – und das spricht<br />
wiederum für die Brisanz des Themas.<br />
GENERATION POP! ... HEAR<br />
ME, FEEL ME, LOVE ME!<br />
Von Meinrad Maria Grewenig<br />
2013, Edition Völklinger Hütte,<br />
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg<br />
ISBN 978-3-88423-450-1<br />
196 Seiten; 19,70 Ð<br />
Mit rund 1500 Exponaten, Mitmach-Objekten<br />
und Multimedia-Zeugnissen ist Generation Pop"<br />
"<br />
das bedeutendste Ausstellungsprojekt der Gegenwart<br />
zum Phänomen Pop. Sechs Themenräume<br />
zur Pop<strong>kult</strong>ur der 50er, 60er, 70er bis hin zum<br />
21. Jahrhundert lassen das Lebensgefühl der Pop-<br />
Generation erlebbar werden. Für Kult-Objekte<br />
von Künstlern wie Elvis Presley, Elton John, Michael<br />
Jackson oder Eminem bietet die alte Gebläsehalle<br />
des Welt<strong>kult</strong>urerbes Völklinger Hütte<br />
das ideale Ambiente, lässt diese<br />
noch bis zum 15. Juni 2014 andauernde<br />
Ausstellung eine der<br />
wichtigsten Umbruchphasen<br />
unserer Zeit lebendig werden.<br />
Auf fast 200 Seiten bietet das<br />
großformatige Begleitbuch<br />
dieser Ausstellung einen ebenso<br />
bunten wie tiefen Blick auf<br />
das Phänomen Pop, renommierte Autoren wie<br />
Ernst Hofacker und Roland Helm sorgen für authentische<br />
Essays, von Edison ist schuld. Und<br />
"<br />
Elvis lebt." über Die E-Gitarre – Rakete zum<br />
"<br />
Flug in den Pop-Olymp" bis zu Post-Pop und<br />
"<br />
Cyberspace". Daneben laden Zeitschienen, gesellschaftspolitische<br />
Exkurse und Vorstellungen<br />
der Ikonen jedes Jahrzehntes zum ziellosen Blättern<br />
ein. Fazit: ein herrliches Buch, bei dem sich<br />
thematischer Anspruch, hochklassiger Inhalt und<br />
wunderschöne Gestaltung die Waage halten. Allerhöchste<br />
Empfehlung!<br />
DAS IST LEGENDÄR!<br />
DIE 66 BESTEN TV-SERIEN<br />
Von Valerie Höhne & Oliver Hüttmann<br />
2014, Knaur<br />
ISBN 978-3-42678-622-2<br />
320 Seiten; 9,99 Ð<br />
Wer erinnert sich nicht gerne an die alten Serien,<br />
die ab den 50er Jahren über die Mattscheibe<br />
flimmerten? Von Perry Mason" über Simon<br />
Templar", Flipper", Daktari" bis hin zu<br />
" "<br />
" "<br />
den drolligen Tony Randall"<br />
"<br />
und Jack Klugman in Männerwirtschaft",<br />
Die Muppet<br />
"<br />
"<br />
Show" oder Die Profis" reicht<br />
"<br />
der Reigen der von den beiden<br />
Autoren liebevoll zusammengestellten<br />
Übersicht. Neben<br />
einer Kurzbeschreibung fast<br />
aller relevanten Serien werden<br />
zahlreiche Streifen auch näher<br />
unter die Lupe genommen wie zum Beispiel<br />
" Drei Engel für Charlie", Raumschiff Enterprise"<br />
oder Quincy". Darüber hinaus gibt es<br />
"<br />
"<br />
am Ende des Buches ein amüsantes Ranking,<br />
bei dem unter anderem Die cleversten Detektive"<br />
und Die schönsten Kurven" etc. gewählt<br />
"<br />
"<br />
wurden. Positiv ist anzumerken, dass auch die<br />
Neuzeit mit Dr. House" oder Alias" vertreten<br />
" "<br />
ist. Klasse Buch, durch das der Leser einen unschätzbaren<br />
und humorvoll verpackten Informationsfundus<br />
erhält.<br />
WIE ES EINST WAR<br />
Von Thomas Blubacher<br />
2013, Insel<br />
ISBN 978-3-45835-972-2<br />
236 Seiten; 14,99 Ð<br />
Thomas Blubacher präsentiert in seinem Lexikon<br />
längst vergessene und aus heutiger Sicht manchmal<br />
skurril anmutende Gegenstände oder auch<br />
Sachverhalte aus der jüngeren<br />
Vergangenheit. Der Untertitel<br />
Schönes und Nützliches aus<br />
"<br />
Großmutters Zeiten" ist hier<br />
Programm. Neben der obligatorischen<br />
Schellackplatte,<br />
der Kaffeemühle (natürlich<br />
mit Kurbel), dem Donnerbalken,<br />
den Gamaschen oder der<br />
Hutnadel werden auch Berufe<br />
genannt (Besenbinder, Stellmacher), Lehrbücher<br />
zum Musizieren (Zupfgeigenhansel) und ehemals<br />
populäre Persönlichkeiten (Henny Porten,<br />
Hedwig Courths-Mahler). Leider sind nur wenige<br />
Illustrationen berücksichtigt worden. An die-<br />
Seite 12 ■ GoodTimes 2/2014
ser Stelle hätte sich der Leser mehr gewünscht,<br />
doch insgesamt kann der Band überzeugen, und<br />
zudem passt er gut in den "<br />
Affen". (Der Leser<br />
kann sich im Buch informieren, was es denn nun<br />
mit den "<br />
Affen" auf sich hat. Tipp: Er wurde von<br />
den Wandervögeln genutzt.)<br />
DER TATORT UND DIE<br />
PHILOSOPHIE<br />
Von Wolfram Eilenberger (Hrsg.)<br />
2014, Tropen, Stuttgart<br />
ISBN 978-3-60850-327-2<br />
220 Seiten; 17,95 Ð<br />
Neun Millionen Zuschauer sehen regelmäßig<br />
den Tatort", der sich seit dem Beginn in den<br />
"<br />
Siebzigern zu einer medialen Konstante entwickelt<br />
hat. Nun beleuchten Wolfram Eilenberger,<br />
Herausgeber des Philosophie Magazins", und<br />
"<br />
einige Kollegen die Reihe unter verschiedensten<br />
Gesichtspunkten. Das ist manchmal recht harter<br />
Stoff, bietet aber dafür interessante Denkansätze.<br />
Da werden die Titelmelodie<br />
unter die Lupe genommen,<br />
die Ermittler und deren Charakterzüge<br />
in einen gesamtgesellschaftlichen<br />
Zusammenhang<br />
gesetzt oder der kreative<br />
Prozess des Lösens eines Falls<br />
philosophisch thematisiert. Fragen<br />
über den Ursprung des Bösen<br />
und die Entwicklung eines<br />
normalen" Bürgers zu einem Täter oder die alles<br />
"<br />
entscheidende Frage Warum Tatort" werden in<br />
"<br />
dem Band erschöpfend behandelt und eröffnen<br />
Perspektiven. Fazit: Philosophie kann auch unterhaltsam<br />
sein und muss sich nicht im Akademiker-<br />
Fabulieren verlieren.<br />
LUCKY LUKE<br />
EIN STARKER WURF<br />
Von Achdé<br />
2014, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />
ISBN 978-3-77043-765-8<br />
46 Seiten; 12,00 Ð<br />
Lucky Luke, der glorreiche<br />
Westernheld, der schneller<br />
zieht als sein Schatten!<br />
Siegreich in zahllosen<br />
Duellen. Beschützer hilfsbedürftiger<br />
Ladys. Schrecken<br />
aller Viehdiebe und<br />
Falschspieler. Die gefährlichsten<br />
Killer bekommen weiche Knie, wenn<br />
dieser Mustercowboy zur Kanone ... pardon ...<br />
zur Schleuder greift. Zur Schleuder? Ja, denn mit<br />
Band 91, "<br />
Ein starker Wurf", geht Zeichner und<br />
Texter Achdé zurück in die Kindheit von Lucky<br />
Luke, erzählt in kurzen Episoden wie Hufeisen<br />
zu Zahnschmerzen führen können, dass coole<br />
Raucher durchaus heiße Präriebrände verursachen,<br />
sich ein Hase auch mal als Bär entpuppt,<br />
Indianer mit Geigen auf die Jagd gehen und<br />
dass sich ein Pferd die Hufe selbst beschlägt. So<br />
werden die Geschichten von Lucky Kid zur humorvollen<br />
Lehrzeit über die Sitten und Gebräuche<br />
des Wilden Westens lebendig, erklärt dieser<br />
Band anschaulich viele der Gepflogenheiten der<br />
stolzen Pioniere, lässt aber auch genügend Raum<br />
für die Abenteuer des jungen Lucky Kid mit seinen<br />
zahlreichen Freunden.<br />
ENDYMION<br />
Von Dan Simmons<br />
2014, Heyne, München<br />
ISBN 978-3-45331-517-4<br />
1406 Seiten; 21,99 Ð<br />
Der voluminöse Band ähnelt<br />
nicht nur vom Umfang her<br />
der<br />
" Foundation"-Trilogy<br />
von Isaac Asimov, sondern<br />
ist auch ähnlich weitgreifend<br />
angelegt. Er enthält die beiden<br />
Einzelromane Pforten der Zeit" und Die<br />
" "<br />
Auferstehung", also die beiden Werke, die die<br />
so genannte Hyperion-Saga fortführen. In ihnen<br />
beschreibt Simmons, einer der Hoffnungsträger<br />
der neuen Science Fiction, die Entwicklung der<br />
Menschheit, die sich einer Religion unterwirft.<br />
Aenea, die das Menschliche und ein neues<br />
Zeitalter symbolisiert, und ihr Beschützer Raul<br />
Endymion werden verfolgt und müssen fliehen.<br />
Es ist der Beginn einer Galaxien umspannenden<br />
Reise, die von Simmons packend und akribisch<br />
ausgearbeitet geschildert wird. Krankten viele<br />
der so genannten Space Operas der letzten Jahre<br />
unter den übermäßig dargestellten technologischen<br />
Aspekten, werden hier psychologische<br />
Dimensionen ausgeleuchtet. Endymion" hat<br />
"<br />
das Prädikat Moderner Kultklassiker" in allen<br />
"<br />
Bereichen verdient.<br />
1000 FUSSBALLTRIKOTS<br />
2013, edel Germany, Hamburg<br />
ISBN 978-3-84190-227-6<br />
208 Seiten; 14,95 Ð<br />
Da gibt es gar kein großes Drumherum-Gerede:<br />
Dieses farbenprächtige Buch ist Pflicht für Fußballfans!<br />
Denn es sind nicht nur die unzähligen<br />
Abbildungen unterschiedlicher Vereins- und Nationaltrikots<br />
aus allen möglichen Ländern (Finnland!,<br />
Malaysia!!, China!!!, Usbekistan!!!!), nein,<br />
neben dem unglaublichen Augenschmaus liefert<br />
1000 Fußballtrikots" auch die Storys dahinter,<br />
"<br />
warum die deutsche Nationalmannschaft<br />
in schlichtem<br />
Schwarz/Weiß spielt,<br />
was die vier Sterne auf<br />
dem Trikot des FC Bayern<br />
München bedeuten, warum<br />
Real Madrid das Kreuz aus<br />
seinem Wappen getilgt hat,<br />
warum die Italiener blaue<br />
Trikots tragen, warum die brasilianische Nationalmannschaft<br />
nach 30 Jahren ihre Trikotfarben<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 13<br />
ändern musste, wofür die Flammen im Emblem<br />
des Trikots des FC Liverpool stehen. Klasse Geschichten<br />
um die Stoffe, aus denen Fußballträume<br />
gemacht sind, vom langärmeligen, rosafarbenen<br />
"<br />
Fußball-Hemd" mit Krawatte (Juventus<br />
Turin, 1898) bis zum Hightechfaser-Shirt mit<br />
Zebramuster (Sporting Charleroi, 2013) gibt es<br />
hier 1000 der berühmtesten, schrägsten, interessantesten<br />
und <strong>kult</strong>igsten Trikots aus über 100<br />
Jahren und 150 Ländern zu sehen. Wow!<br />
MODE-KATALOG<br />
WARENHAUS A. WERTHEIM<br />
1903/1904<br />
Olms Verlag, Hildesheim<br />
ISBN 3-487-08196-2<br />
184 Seiten; 13,80 Ð<br />
Neben der in dieser Rubrik vorgestellten Firma<br />
Stukenbrok gab es natürlich noch mehr Händler,<br />
die sich vor über 100 Jahren im damals noch in<br />
den Kinderschuhen steckenden Versandbetrieb<br />
tummelten. In den (baulich überaus repräsentativen)<br />
Warenhäusern des Wertheim-Konzerns<br />
gab es die ausgefallensten Accessoires<br />
sowie die modischen<br />
Extravaganzen jener Zeit. Darüber<br />
hinaus bot Wertheim in seinen<br />
Versandkatalogen aber auch<br />
zahlreiche Dinge des täglichen<br />
Lebens an, hatte also neben<br />
allen Arten von Damen- und<br />
Herrenbekleidung auch Tischtücher,<br />
Bettgestelle, Gardinen, Möbel, Geschirr<br />
und Glaswaren, Lampen, Bücher, Portemonnaies,<br />
Hand- und Gürteltaschen, Kunstartikel,<br />
Puppen samt Zubehör, Spiel-Eisenbahnen, Zinnfiguren<br />
und Gesellschaftsspiele im Programm.<br />
So ist dieser Katalog nicht nur eine Reise in die<br />
Vergangenheit, viele Jugendstil-Sammler dürften<br />
durch ihn auch wichtige Aufschlüsse über die Datierung<br />
von so manchem Sammelstück erhalten.<br />
SCHAUPLATZ TATORT<br />
DIE ARCHITEKTUR, DER FILM UND<br />
DER TOD<br />
Von Udo Wachtveitl, Alexander Gutzmer,<br />
Guido Walter und Oliver Elser<br />
2013, Callwey Verlag, München<br />
ISBN 978-3-76672-052-8<br />
192 Seiten; 39,95 Ð<br />
Protzige Villen, düstere Tunnel, verwahrloste<br />
Hafengegenden, triste Wohnsilos: Kaum eine<br />
andere Krimireihe spielt so raffiniert mit Formen<br />
der räumlichen Darstellung wie der "<br />
Tatort".<br />
Dieses großformatige Buch zeigt, wie die<br />
Kultreihe Architektur und Urbanität nicht nur<br />
verarbeitet, sondern oft auch zum Hauptdarsteller<br />
macht. Die vier Autoren (darunter mit Udo<br />
Wachtveitl auch der "<br />
Tatort"-Kriminalhauptkommissar<br />
Franz Leitmayr) begeben sich auf die<br />
architektonische Spurensuche der erfolgreichsten<br />
deutschen Krimiserie. In spannenden Vor-
from the past<br />
Ort-Reportagen, fundierten Interviews (u.a. mit<br />
Architekt Stefan Behnisch sowie Regisseur Dominik<br />
Graf) und großen<br />
Bildstrecken decken sie<br />
auf, welche Rolle Stadt,<br />
Gebäude und Innenräume<br />
für Schimanski,<br />
Odenthal,<br />
Borowski<br />
und Co. schon immer<br />
spielten und bis heute<br />
spielen. Dazu noch Ob-<br />
servationen über die Arbeits- und Wohnsituationen<br />
der aktuellen Tatort"-Kommissare sowie<br />
"<br />
interessantes Insiderwissen der Filmemacher<br />
und wie für sie Architektur zum filmischen Stilmittel<br />
wird. Mal ein ganz anderer Blick auf den<br />
" Tatort"!<br />
80 JAHRE DONALD DUCK<br />
SONDEREDITION 1–4<br />
Von Walt Disney<br />
2014, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />
jeweils 304 Seiten; 8,00 Ð<br />
80 Jahre Donald Duck! Keine Frage, das klingt<br />
nach einer fantastischen Feier. Denn seit mehr<br />
als acht Jahrzehnten sorgt der sympathische Enterich<br />
im Verbund mit seiner Verwandtschaft und<br />
zahlreichen Freunden mit seinen Abenteuern für<br />
humorvolle Unterhaltung. Mit blauem Hut und<br />
Matrosenjäckchen ist er der Mittelpunkt von<br />
Entenhausen, liebevoll unterstützt von seinen<br />
drei Neffen Tick, Trick und Track. Was sie in<br />
dieser langen Zeit alles an Abenteuern erlebt<br />
haben, lässt sich natürlich<br />
nicht komplett in die vier Taschenbücher<br />
packen, die der<br />
Egmont Ehapa Verlag jetzt<br />
zur Feier dieses Jubiläums als<br />
Sonderausgabe veröffentlicht<br />
hat. Dafür wurden zahlreiche<br />
der besten Geschichten für die<br />
vier einzeln erhältlichen Bän-<br />
de ausgewählt, nehmen Donald<br />
Duck & Co. ihre großen und kleinen Leser mit<br />
auf Reisen – und haben für diesen besonderen<br />
Anlass sogar noch die eine oder andere deutsche<br />
Erstveröffentlichung mit im Gepäck!<br />
WORLD CUP 1930–2014<br />
Von Aczel<br />
2014, edel Germany, Hamburg<br />
ISBN 978-3-84190-275-7<br />
240 Seiten; 14,95 Ð<br />
Es gibt Ereignisse der WM-Geschichte, die sich<br />
ins kollektive Gedächtnis ganzer Fußballnationen<br />
eingebrannt haben und bei denen die Fans bis heute<br />
wahlweise Gänsehaut und/oder feuchte Augen<br />
bekommen. Unvergessen bleiben zum Beispiel<br />
die Stimme des Radiomoderators Herbert Zimmermann,<br />
der 1954 den Sieg der deutschen Mannschaft<br />
in Bern verkündete, das umstrittene "<br />
Wembley-Tor"<br />
1966 oder der Kopfstoß von Zinedine<br />
Zidane im WM-Finale 2006. Oder Maradonas<br />
" Hand Gottes" 1986, Frank Rijkaards " Spuckattacke"<br />
auf Rudi Völler 1990, die Frankfurter<br />
Wasserschlacht" gegen Polen bei der WM '74.<br />
"<br />
Pünktlich zur diesjährigen Weltmeisterschaft in<br />
Brasilien gewährt World Cup 1930–2014" einen<br />
"<br />
ganz neuen und vor allem humorvollen Rück- und<br />
Ausblick auf diese und viele weitere Szenen aus<br />
84 Jahren Fußball-WM. Der Karikaturist German<br />
Aczel hat die entscheidenden<br />
Ereignissen und Akteure von<br />
der ersten Weltmeisterschaft<br />
1930 in Uruguay bis heute in<br />
detailreichen, witzigen Comic-<br />
Bildern festgehalten. Sagenhafte<br />
Spielzüge werden da als<br />
action-reiche Bilderfolgen aufskizziert,<br />
Torschützenkönige,<br />
WM-Gewinner-Teams und<br />
legendäre Stars als klasse Kari-<br />
katuren vorgestellt. Dazu gibt es unterhaltsame<br />
Texte mit viel Wissenswertem zu den einzelnen<br />
Austragungsländern, den Rekorden und herausragenden<br />
Spielern – also das perfekte Buch für Groß<br />
und Klein, um sich die Wartezeit auf Brasilien<br />
2014 so kurzweilig wie möglich zu verkürzen!<br />
CDs<br />
MICHAEL SCHANZE<br />
HELL WIE EIN DIAMANT<br />
Brandneu ist diese Wiederveröffentlichung einer<br />
Michael-Schanze-LP aus dem Jahr 1975. Mit<br />
dem Titeltrack und "Du hast geweint" wurden<br />
damals zwei Titel als Single ausgekoppelt, die<br />
jetzige, im Originalaussehen daherkommende<br />
Neuauflage bietet neben<br />
remastertem Klang auch<br />
noch drei Polydor-Singles<br />
aus den Jahren 1968/69:<br />
"Ich bin kein Lord", "Wer<br />
wird denn am Sonntag<br />
weinen" sowie "Keiner<br />
weiß, wie ich dich liebe", jeweils mit der damaligen<br />
B-Seite als Bonus-Track.<br />
(Electrola/Universal)<br />
GITTE<br />
ICH BIN KEIN KIND VON<br />
TRAURIGKEIT<br />
Aktuell immer noch aktiv ist die dänische Sängerin<br />
Gitte Haenning-Johannsson, spätestens seit<br />
1963, mit ihrem Nummer-<br />
1-Hit "Ich will 'nen Cowboy<br />
als Mann", unter ihrem<br />
Vornamen jedem deutschen<br />
Schlagerfan ein Begriff. Ob<br />
als Duo zusammen mit Rex<br />
Gildo, ob 1973 als deutsche<br />
Vertreterin beim Eurovision Song Contest<br />
("Junger Tag", Platz 8) oder mit der eigenen TV-<br />
Show: Es gab (und gibt) nur wenige Künstlerinnen,<br />
die ihre Ausnahmeklasse in so enormer<br />
Bandbreite wie Gitte beweisen konnten. 1975<br />
veröffentlichte sie mit ICH BIN KEIN KIND<br />
VON TRAURIGKEIT eine LP, aus der mit dem<br />
Titelstück sowie mit "Ich hab die Liebe verspielt<br />
in Monte Carlo", "Wie du mir, so ich dir" und<br />
"So schön kann doch kein Mann sein" gleich vier<br />
Singles ausgekoppelt wurden. Neben einer Non-<br />
Album-Single gibt es noch (als CD-Erstveröffentlichung)<br />
ein "Begegnung-mit-Gitte-Medley"<br />
aus sechs Songs, teilweise in Deutsch, Dänisch<br />
und Englisch gesungen.<br />
(Electrola/Universal)<br />
FREDDY QUINN<br />
DU HAST MEIN WORT<br />
1980, als sich Freddy Quinns ganz große Zeit<br />
schon langsam dem Ende näherte, nahm der charismatische<br />
Sänger mit DU<br />
HAST MEIN WORT noch<br />
einmal ein richtig starkes Album<br />
auf. Leo Leandros, der neben<br />
seiner Tochter Vicky auch<br />
seine eigene Band The Five<br />
Tops ("Rag Doll") zu Erfolgen<br />
führte, sorgte nicht nur für eine klasse Produktion,<br />
sondern auch für den Großteil der Kompositionen.<br />
Im Originaloutfit erscheint die damalige LP nun<br />
als (digital remasterte) CD-Premiere, angereichert<br />
mit vier Bonus-Tracks: zwei Singles, aus dem Jahr<br />
1979 stammt "Loreen" (mit der B-Seite "Montag"),<br />
1981 entstand "Der Groschen fällt manchmal<br />
spät", auf der B-Seite das von Freddy Quinn<br />
geschriebene "Es gibt eine Ewigkeit".<br />
(Electrola/Universal)<br />
KATJA EBSTEIN<br />
WILDE ROSEN UND ANDERE<br />
TRÄUME<br />
Im Leben, im Leben geht mancher Schuss<br />
"<br />
daneben", diese Textzeile Katja Ebsteins wurde<br />
Mitte der 70er Jahre zum geflügelten Wort,<br />
nicht zuletzt deshalb, weil das Lied "Es war einmal<br />
ein Jäger", aus dem dieses Zitat stammt,<br />
bis auf Platz 4 in den Verkaufs-Charts und in<br />
der <strong>ZDF</strong>-<strong>Hitparade</strong>" sogar<br />
"<br />
bis auf Platz 1 kletterte. Da<br />
auch der Rest des 1974er<br />
Albums WILDE ROSEN<br />
UND ANDERE TRÄU-<br />
ME aus starken Songs<br />
(größtenteils Kooperationen<br />
von Christian Bruhn<br />
und Michael Kunze) besteht, dürfte diese digital<br />
remasterte CD-Erstveröffentlichung nicht<br />
nur bei Katja-Ebstein-Fans bestens ankommen.<br />
Zwei Bonus-Tracks sind auch dabei, die 1978er<br />
Single "Es war beinah so wie ein Lied" sowie mit<br />
"Willkommen wieder zu Hause" die dazugehörige<br />
B-Seite.<br />
(Electrola/Universal)<br />
Seite 14 ■ GoodTimes 2/2014
MARIANNE ROSENBERG<br />
ICH BRAUCHE DICH ...<br />
Auf dieser 1981 veröffentlichten Platte von<br />
Marianne Rosenberg gibt es mit "Ich hab auf<br />
Liebe gesetzt" und "Nur<br />
Sieger steh'n im Licht" zwei<br />
deutsche Versionen von internationalen<br />
Top-Hits zu<br />
hören: Einmal war "Woman<br />
In Love" von Barbra<br />
Streisand, einmal Abbas<br />
"The Winner Takes It All" die Vorlage. Beide<br />
Titel sind als alternative Fassungen ("Ich hab<br />
auf Liebe gesetzt" als bisher unveröffentlichte<br />
Extended-Version, "Nur Sieger ..." als Singleversion)<br />
als Bonus-Tracks dazugekommen, der Rest<br />
von ICH BRAUCHE DICH ... wurde wie in der<br />
Electrola-Originale-Reihe üblich fein säuberlich<br />
digital remastert, dazu wurde das Aussehen der<br />
damaligen LP liebevoll auf das CD-Format verkleinert,<br />
im herausnehmbaren Booklet finden<br />
sich alle notwendigen Produktionsinfos sowie<br />
die eine oder andere Single-Coverabbildung.<br />
(Electrola/Universal)<br />
ADAM & EVE<br />
WIR BEIDE<br />
Nachdem sich Eve Ende<br />
der 60er von ihrem ersten<br />
Adam (John Christian<br />
Dee, †2004) getrennt<br />
hatte, kam mit Adam<br />
Nummer 2 der Erfolg.<br />
Hartmut Schairer hieß der neue, blonde Gesangspartner<br />
von Eva Bartova, die 1938 in Böhmen<br />
geboren wurde und im September 1989 in<br />
ihrer späteren Heimat Chicago verstorben ist.<br />
Anfang der 70er zog mit einem neuen Plattenvertrag<br />
auch das private Glück für Adam & Eve<br />
ein, 1972 heirateten sie und wurden zu einem der<br />
bekanntesten Schlagerduos Deutschlands. 1975<br />
nahmen sie mit WIR BEIDE eine LP auf, die mit<br />
"Du gehst fort" (... der deutschen Version des<br />
französischen Top-Hits "Tu t'en vas") eine der<br />
erfolgreichsten und mit "Lena (Steig in den Sattel<br />
der Liebe") gleichzeitig eine der skurrilsten Singles<br />
des Duos enthält. Drei Bonus-Tracks begleiten<br />
die neu aufgelegte CD-Premiere, "Darling<br />
du" (B-Seite von "Lena ...") sowie mit "Ein Stern<br />
geht auf" und "Das letzte Glas" sowohl A- als<br />
auch B-Seite einer 1974er Non-Album-Single.<br />
(Electrola/Universal)<br />
Sammelalben<br />
FUSSBALL KLASSIKER<br />
2013, Panini<br />
42 Seiten; 1,95 Ð<br />
Das gute alte Panini-Sammelalbum<br />
wird hoffentlich<br />
nie aussterben! Noch<br />
bis Ende Mai im Handel<br />
(danach dann über das<br />
Internet) gibt es mit dem<br />
11 Freunde"-Sonderheft<br />
"<br />
Sammelalbum Fußball Klassiker"<br />
"<br />
eine tolle Zusammenstellung aus den vielen,<br />
vielen Ausgaben zahlreicher Panini-Jahre. Das<br />
Klebe-Album voller listiger Abwehrspieler und<br />
tollkühner Stürmer, voller Fußballtempel, Legenden<br />
und notorischer Spaßvögel vereint all<br />
das, was man am Fußball so liebt. Wer sich an<br />
ehrwürdige Stadien wie den Mönchengladbacher<br />
Bökelberg, das Münchner Stadion Grünwalder<br />
Straße oder den Aachener Tivoli erinnert, wer<br />
Ausnahmespieler wie Fritz Walter, Uwe Seeler<br />
und Horst Hrubesch würdigt, wer über all die<br />
Brüderpaare staunen kann, die in der Bundesliga<br />
aufliefen, für den ist dieses Sammelalbum genau<br />
das Richtige, um mal wieder in die <strong>kult</strong>ige Welt<br />
des (Bundesliga-)Fußballs einzutauchen. Kleiner<br />
Tipp: Um sich das Tauschen der doppelten Karten<br />
auf dem heimischen Pausenhof zu ersparen,<br />
gibt es im einschlägig bekannten Versandhandel<br />
(für läppische 24,95 €) das komplette Paket an<br />
Klebebildern dazu – einkleben darf man Netzer,<br />
Maier, Magath und Co. dann selbst!<br />
FIFA WORLD CUP<br />
BRAZIL 2014<br />
Ende März hat Panini den Countdown für die<br />
WM in Brasilien gestartet und Deutschlands<br />
Einzelhändler mit der neuesten Stickerkollektion<br />
beliefert. Für zwei Euro gibt es das 80-seitige<br />
Album, das Platz für 640 Sticker bietet. Auf den<br />
einzelnen Klebebildern sind erstmals bei einer<br />
WM-Kollektion von Panini die Spielerdaten wie<br />
Name, Verein, Geburtsdatum, Größe, Gewicht<br />
und Position direkt aufgedruckt. Für 60 Cent gibt<br />
es eine Stickertüte mit fünf Sammelbildern, wer<br />
die Komplettedition auf einen Schlag erwerben<br />
möchte, der sollte sich<br />
im Versandhandel umsehen.<br />
Wie gewohnt dürften<br />
auch wieder Promosticker<br />
in einschlägigen<br />
Zeitschriften, in Supermärkten<br />
oder bei Veranstaltungen<br />
auftauchen –<br />
also Augen auf!<br />
VERLOSUNG<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />
3x Staffeln 1–6<br />
3x DVD-Box<br />
"<br />
Notruf California" a<br />
10x Starterset Sammelalbum*<br />
3x DVD<br />
3x Cover-<br />
Art-Mappe<br />
Stichwort: t: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />
(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendeschluss ist der 15. Juli 2014<br />
Einsendeschluss Sammelalbum ist der *15. Mai 2014<br />
NikMa Verlag Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite<br />
Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />
15<br />
Unsere Gewinner der Verlosung<br />
aus <strong>kult</strong>! Heft 9 – 1/2014:<br />
Stichwort "<br />
<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />
– Josef Schug, Detzem<br />
– Marc Rosenau, Tübingen<br />
– Günther Winkler, Hergisdorf<br />
– Gerda Brinkrolf, Greven<br />
– Christoph Gilles, Raubach<br />
– Klaus Kocherscheidt,<br />
Recklinghausen<br />
– Hans-Jürgen Kewitz, Berlin<br />
– Thorsten Kleinwort, Pinneberg<br />
– Gerald Schlinke, Pinneberg<br />
– Marianne Oetjen, Lüneburg<br />
– Waltraud Sonnenschein,<br />
Meldungen<br />
– Birgit Behrendt, Werdau<br />
– Egon Hagel, Äpfingen<br />
– Kurt Meyer, Schwäbisch Hall<br />
– Robert Kemle, Ulm<br />
– Bernhard Weindauer, München<br />
– Mathias Landau, Seelbach<br />
– Klaus Zander, Schwedt<br />
– André Lingenbach, Bonn<br />
– Markus Durrer,<br />
Hergiswil (Schweiz)<br />
– Reinhold Fricke, Braunschweig<br />
– Manfred Stein, Saulheim<br />
– Carsten Heßler, Bremerhaven<br />
– Helmut Tonk, Marl<br />
– Werner Stein, Ludwigshafen<br />
– Stefan Schmidt, Dresden<br />
– Michael Gatzhammer,<br />
Schnufenhofen<br />
– Hans König, Berlin<br />
– Wilhelm Karg, Rosenheim<br />
– Roland Kosiol, Berlin<br />
– Anton Müller, München<br />
– Ludwig Haller, Pforzheim<br />
– Claus Walther, Hamburg<br />
– Peter Koch, Bingen<br />
– Albert Birke, Koblenz<br />
– Albrecht Maier, Brandenburg
30 Jahre C-Klasse<br />
Gewusst wie:<br />
Aus der Not wird eine Tugend<br />
Die Amis sind an allem schuld. Auch an der<br />
C-Klasse von Mercedes! Denn die Schwaben<br />
waren lange Jahrzehnte durchaus zufrieden mit<br />
dem Selbstverständnis, eine feine, aber kleine<br />
Auswahl an Luxusautos weltweit teuer zu verkaufen.<br />
Unter dem guten Stern von Sindelfi ngen ging<br />
es üppig zu, edel und vor allem durstig.<br />
Da wirbelte die erste und folgenreichste Ölkrise im Herbst<br />
1973 die Konzernbilanzen umso heftiger durcheinander. Die<br />
Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) drosselte<br />
bewusst die Fördermengen, und im Oktober 1973 stieg der<br />
Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über<br />
fünf Dollar – ein Plus von etwa 70<br />
Prozent. Ein Jahr später lag der Barrel-<br />
Preis weltweit gar bei über zwölf<br />
Dollar. Dazu kamen ein erwachendes<br />
Umweltbewusstsein und eine einfache<br />
Gleichung: hoher Benzinverbrauch<br />
plus keine Abgasreinigung gleich reichlich<br />
Dreck aus dem Auspuff.<br />
Im Maßstab 1:5 werden<br />
die zur Wahl stehenden<br />
Entwürfe aus Plastilin<br />
modelliert<br />
So war der kleine Benz nicht unbedingt<br />
ein Kind der Liebe, sondern<br />
schlicht ein Produkt der wirtschaftlichen<br />
Notwendigkeiten. In den<br />
USA, auch damals schon einer der<br />
Hauptmärkte von Mercedes-Benz,<br />
wurden unter Jimmy Carter mit<br />
dem „Clean Air Act" neue und deutlich<br />
niedrigere Grenzwerte für den<br />
Verbrauch eingeführt – und die Idee<br />
des „Flottenverbrauchs". Der über alle Modellreihen berechnete<br />
maximal zulässige Verbrauch von umgerechnet rund 8,5 Liter auf<br />
100 Kilometer war für Mercedes-Benz mit der S-Klasse und dem<br />
Vorläufer der heutigen E-Klasse allerdings nicht zu schaffen. Um<br />
Von Jürgen Wolff<br />
weiter in Nordamerika Autos verkaufen zu dürfen, musste also eine<br />
kleinere Modellreihe her, deren vergleichsweise niedriger Verbrauch den<br />
Durchschnitt unter die neue Grenze trieb. Im Januar 1974 fiel denn<br />
auch aus dieser Not heraus die Entscheidung, die spätere Baureihe „W<br />
201" zu entwickeln, aus der noch später dann die C-Klasse hervorging.<br />
Eine Herausforderung nicht nur für den damaligen Chefdesigner<br />
Bruno Sacco, sondern vor allem auch für den schwäbischen<br />
Tüftlergeist der Ingenieure. Die dann in Bremen und Sindelfingen<br />
produzierte Kompaktklasse machte eine ganze Reihe von technischen<br />
Entwicklungen nötig, um nicht nur sparsamer mit dem Sprit umzugehen,<br />
sondern auch wirtschaftlich bauen zu können.<br />
So setzten die Techniker etwa<br />
auf Leichtbau aus hochfesten<br />
Stahlblechen. Um die Ansprüche an<br />
die passive Sicherheit zu erfüllen, sorgt<br />
unter anderem die Gabelträgerstruktur<br />
des Vorderwagens trotz der kompakten<br />
Außenmaße für ein Crashverhalten auf<br />
dem Niveau der damaligen S-Klasse.<br />
Für das Fahrwerk wurde mit der patentierten<br />
Raumlenkerachse eigens eine<br />
neue Hinterachskonstruktion entwickelt<br />
– „Auto, Motor und Sport" nannte<br />
das Konstrukt damals „Traumlenker-<br />
Achse". Jedes Hinterrad wird dabei von<br />
fünf unabhängigen Lenkern geführt.<br />
Das sorgt nicht nur für eine präzise<br />
und kontrollierte Radführung, sondern<br />
auch für ein deutlich niedrigeres<br />
Gewicht und einen geringeren<br />
Platzbedarf in der kompakten Limousine. Die Raumlenker-Hinterachse<br />
wird übrigens bis heute in der C-Klasse verbaut. Vorne arbeiten die<br />
Ingenieure mit einer an einzelnen Dreiecks-Querlenkern geführten<br />
Dämpferbein-Achse.<br />
Seite 16 ■ GoodTimes 2/2014
Wie flexibel das Konstrukt im Grunde war, zeigen nicht zuletzt<br />
diverse Prototypen, die allerdings nie in Serie gingen. So entstan-<br />
den zum Beispiel ein durchaus elegantes Cabriolet mit vier Sitzen oder<br />
Die ein besonders kompakter<br />
Stadtwagen, der dem<br />
"<br />
kleine C-Klasse" wurde nie gebaut ...<br />
VW Golf ähnelt. Selbst<br />
eine Version mit zwei<br />
22-PS-Elektro motoren<br />
an den Hinterrädern<br />
und Natrium-<br />
Nickelchlorid-Batterien<br />
steht in den Archiven<br />
des Mercedes-Benz<br />
Museums. Die einzige<br />
weitere Karosserieform,<br />
die es während der<br />
ersten Baureihe in die<br />
Serienfertigung schaffte,<br />
war das T-Modell, der<br />
Kombi.<br />
... ebenso wenig wie diese Cabrio-Studie<br />
Als die Stuttgarter den kompakten W 201 nach acht Jahren<br />
Entwicklung im November 1982 im spanischen Sevilla vorstellten,<br />
gab es nicht nur Lob, sondern auch viel Skepsis. Die neue<br />
Baureihe bekam von Anfang an den wenig schmeichelhaften<br />
Beinamen „Baby-Benz" verpasst. Die vom Team<br />
des damaligen Chefdesigners Sacco gezeichneten Typen<br />
190 und 190 E stießen auf viel Zweifel: kompakte Autos<br />
– können die Luxusbauer aus Schwaben so<br />
etwas überhaupt?<br />
Sie konnten. Als der neue Benz auf den<br />
Markt kam, wurde er zunächst mit zwei<br />
Ottomotoren angeboten, die jeweils 1997 ccm<br />
Hubraum mitbringen. Der Grundmotor im 190<br />
leistet dabei 66 kW/90 PS, der 190 E mit seiner<br />
Einspritzanlage KE-Jetronic von Bosch kommt<br />
auf 90 kW/122 PS. In den Jahren danach folgten<br />
ein neu entwickelter Vierzylinder-Diesel mit 53<br />
kW/72 PS, der dank seiner Geräuschkapselung<br />
und Laufruhe nur halb so laut ist wie vergleichbare<br />
Antriebe und so den Spitznamen „Flüsterdiesel"<br />
abbekam. Im 190 E 2.3-16 schließlich arbeitet ein 136 kW/185 PS<br />
starker Vierzylinder mit 2299 ccm Hubraum und Vierventiltechnik.<br />
Allein schon der üppige Flügelspoiler auf dem Heck, von respektlosen<br />
Zeitgenossen als „Frittentheke" belächelt, hätte noch zehn Jahre zuvor so<br />
manch bravem Mercedes-Designer<br />
Herzrhythmusstörungen verursacht.<br />
Speziell für den nordamerikanischen<br />
Markt<br />
entstanden 1983 zwei<br />
Modelle mit größerem<br />
Hubraum, um<br />
die Leistungsverluste<br />
durch den Einbau<br />
einer Abgasrückführungsanlage<br />
im Diesel<br />
und eines Katalysators im<br />
Benziner zu kompensieren.<br />
Trotz aller Inno vationen, die<br />
Daimlers Ingenieure für den<br />
kleinen Benz entwickelten: Viele trauten<br />
dem Kleinen zu Anfang nicht zu, wirklich die Qualität und Leistung<br />
zu bringen, die von Mercedes versprochen wurde. Mitte August<br />
1983 machte sich<br />
Mercedes-Benz auf<br />
der Hochgeschwind igkeitsstrecke<br />
im süditalienischen<br />
Nardò jedoch<br />
daran, die Skeptiker zu<br />
überzeugen (siehe Seite<br />
16). Nach 201 Stunden,<br />
39 Minuten und 43<br />
Sekunden Vollgas auf<br />
der 12,6 Kilometer langen<br />
Kreisbahn hatte das erste der drei<br />
Teams die 50.000 Kilometer hinter sich<br />
gebracht. Weltrekord!<br />
In einer Fahrmaschine wurden<br />
Achskonstruktionen getestet<br />
Baureihe W 204<br />
wurden mehr als<br />
2,3 Millionen<br />
Limousinen,<br />
T-M o d e l l e<br />
und Coupés<br />
v e r k a u f t .<br />
Insgesamt sind<br />
seit der Premiere<br />
des W 201 im<br />
30 Jahre später steht<br />
nun die mittlerweile<br />
fünfte Generation der<br />
C-Klasse vor den Toren.<br />
Und die Skeptiker von<br />
einst sind längst auch<br />
durch die Zahlen widerlegt<br />
worden: Allein<br />
von der noch aktuellen<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 17<br />
Das Armaturenbrett des<br />
Mercedes-Benz 190 E<br />
der Baureihe W 201<br />
Jahre 1982 rund 8,5<br />
Millionen Fahrzeuge<br />
produziert worden.<br />
Ziemlich viel für ein<br />
Auto, das einst aus<br />
der Not heraus entwickelt<br />
wurde.
C-Klasse-Rekordfahrt<br />
Im Kreisverkehr zum Erfolg<br />
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Image aufpolieren und<br />
für großes Aufsehen sorgen. Bei der C-Klasse von Mercedes war es<br />
gar nur ein Päckchen Zigaretten ...<br />
Gut Ding will Größe haben. Und solide, erprobte Technik. Für beides<br />
stand Mercedes-Benz über viele Jahrzehnte. Fette Limousinen, fette<br />
Preise – wer den Stern vor sich herfuhr, der hatte es geschafft. Da passte<br />
der kompakte „Baby-Benz" der neuen Baureihe W 201 nicht so recht ins<br />
Bild. Trotz aller Innovationen, die Daimlers Ingenieure für den kleinen<br />
Benz entwickelten – viele trauten dem Kleinen nicht zu, wirklich die<br />
Qualität und Leistung zu bringen, die von Mercedes-Benz versprochen<br />
worden waren.<br />
Die Weltrekordfahrt von drei identischen Mercedes-Benz 190 2.3-<br />
16, angetrieben von den damals neuen M 102-Vierventilmotoren,<br />
sollte Mitte August im süditalienischen Nardo zeigen, dass die<br />
Schwaben sehr wohl konnten. Vier Wochen nach dem Rekord auf dem<br />
Rundkurs sollten sie auf der IAA in Frankfurt erstmals<br />
öffentlich präsentiert werden. Der einfacheren<br />
Unterscheidung wegen hatte man die Wagen<br />
mit großen farbigen Punkten im hinteren n<br />
Seitenfenster kenntlich gemacht und die<br />
Teams jeweils nach der Farbe getauft: Rot,<br />
Weiß und Grün.<br />
Die technischen und optischen<br />
Spezifikationen der Nardò-Autos entsprachen<br />
weitgehend der geplanten Serienversion<br />
– inklusive der Motorleistung von 185 PS: 2299<br />
Kubikmeter Hubraum, eine Beschleunigung g von 0<br />
auf 100 km/h binnen 7,5 Sekunden. Nur die mögliche<br />
Höchstgeschwindigkeit lag deutlich über den 230 km/h der<br />
ersten Serienversionen.<br />
Die meisten optischen und technischen Veränderungen<br />
waren eher marginal. Um die Insekten von den Lüftungen n<br />
fernzuhalten, wurde zum Beispiel der komplette Kühlergrill mit<br />
Fliegengitter verkleidet, und auf den Kühllüfter hatte man ganz<br />
verzichtet, da bei den hohen Geschwindigkeiten der normale Fahrtwind<br />
für die Kühlung des Motors ausreichte. Die Scheinwerfer waren tagsüber<br />
abgedeckt und die Außenspiegel der besseren Aerodynamik wegen<br />
abmontiert – auf Verkehr von hinten musste man auf dem 12,6 Kilometer<br />
Die Daten wurden live ausgewertet langen Rundkurs eh nicht achten.<br />
Und da man auf der kreisrunden<br />
Bahn auch nicht groß<br />
zu lenken brauchte, war statt<br />
einer Servo- eine mechanische<br />
Lenkung eingebaut.<br />
Nach 201 Stunden, 39<br />
Minuten und 43 Sekunden<br />
Kreisverkehr war der Weltrekord<br />
geschafft – bei Temperaturen<br />
von tagsüber 40 Grad Celsius<br />
außen und mehr als 50 Grad<br />
Celsius im Inneren der Fahrzeuge.<br />
Die Rekord -<br />
fahrzeuge<br />
waren<br />
vollgestopft<br />
mit Mess -<br />
instru menten<br />
So ganz nebenbei fielen<br />
unterwegs auch noch<br />
die Weltrekorde über<br />
25.000 Kilometer und<br />
über 25.000 Meilen sowie<br />
neun Klassenrekorde.<br />
Die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
des<br />
Siegerteams: sagenhafte<br />
247,939 km/h! Dank der<br />
permanent gefahrenen<br />
Höchstgeschwindigkeit h i bei Motordrehzahlen um<br />
6000 U/min. lag der Verbrauch knapp über 22<br />
Liter auf 100 Kilometer.<br />
Nacheinander rasten alle drei Teamfahrzeuge<br />
durchs Ziel – der „Baby-Benz" hatte gezeigt,<br />
dass er auch unter extremen Fahrbedingungen<br />
durchhielt wie ein Großer.<br />
Und kein einziger Ausfall trübte das Bild. Womit<br />
wir wieder bei der Zigarettenschachtel wären. Denn fast<br />
hätte es doch noch einen Schönheitsfehler gegeben: Im<br />
„grünen" 190er brach kurz vor Schluss der Rekordfahrt der<br />
Verteilerfinger, erinnert sich der damalige Mercedes-Chef<br />
Werner Breitschwerdt: „ein Teil, das praktisch nie kaputtgeht<br />
und<br />
das wir deshalb auch nicht als Ersatzteil an Bord hatten."<br />
Repariert werden durfte nach den Regeln der FIA aber<br />
nur mit Werkzeug und Material, das im Auto selbst mitgeführt<br />
wurde. Der rettende Einfall: Da der Fahrer des Wagens Raucher war<br />
und ein Päckchen Zigaretten mit auf die Strecke genommen hatte,<br />
wurde der Verteilerfinger mit<br />
Rekord: 50.000 Kilometer sind geschafft<br />
dem Alupapier aus der<br />
Zigarettenpackung notdürftig<br />
geflickt – und der Mercedes<br />
schaffte so auch noch die<br />
letzten paar hundert Meter bis<br />
über die Ziellinie.<br />
Seite 18 ■ GoodTimes 2/2014
© Pressefotos<br />
Die Kunst der Mimikry<br />
Das passte: Als im Mai 1984 der<br />
neue Grand-Prix-Kurs auf dem<br />
Nürburgring eröffnet wurde, hatte in<br />
diesem Rahmen auch die Mercedes<br />
C-Klasse ihre Renn-Premiere. 20 identische<br />
190 E 2.3-16 gingen auf den<br />
Rundkurs. Am Steuer das internationale<br />
„Who's who" der damaligen<br />
Motorsportwelt. Sieger wurde damals<br />
Ayrton Senna, gefolgt von Niki Lauda<br />
und Carlos Reutemann.<br />
Dabei waren es anfangs vor allem<br />
noch private Teams, die den 190er<br />
schnell als Rennmaschine entdeckten.<br />
In Frankreich etwa beteiligte<br />
sich der Snobeck Racing Service<br />
(SRS), unterstützt von Mercedes-Benz<br />
France, 1985 an der französischen<br />
Tourenwagenmeisterschaft – und<br />
schaffte auf Anhieb den zweiten Platz.<br />
Ein Jahr später wurde Volker Weidler<br />
auch in der DTM Vizemeister.<br />
Grund genug, dass die Stuttgarter<br />
auch ganz offiziell die Chancen nutzten, die sich da fürs Image des<br />
kleinen Benz auftaten: Mit Edzard Reuter, Werner Niefer und Jürgen<br />
Hubbert trafen sich Ende 1987 denn gleich drei Vorstandsmitglieder zur<br />
mehrtägigen Klausur in Sachen Motorsport. Einen Monat später war der<br />
Beschluss auch formal gefasst: Mercedes-Benz mischt künftig offiziell bei<br />
den Touren- und den Rennsportwagen mit! Und noch im selben<br />
Jahr gingen mit AMG, BMK und IPS drei<br />
Teams mit Werksunterstützung in<br />
die Rennen.<br />
Heute tun DTM-<br />
Rennwagen<br />
allenfalls noch<br />
optisch so,<br />
als hätten sie<br />
mit normalen<br />
Serienfahrzeugen AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II von 1992<br />
etwas zu tun: Unter der Leichtbauhülle allerdings steckt reinste<br />
Renntechnik. Mitte der 1980er Jahre allerdings sahen die Rennwagen in<br />
der DTM nicht nur aus wie aufgebrezelte Serienfahrzeuge – sie waren es<br />
auch noch in weiten Teilen. Um 1989 den 190 E 2.5-16 Evolution so zu<br />
modifizieren, dass er fit zum Siegen war, mussten nach dem Reglement<br />
weitere 500 Fahrzeuge mit den gleichen Änderungen gebaut werden<br />
– auf Wunsch gab es ihn sogar mit dem Luxus einer Klimaanlage. Das<br />
war die Geburtsstunde des „Evo": größere Bereifung, weiter ausgestellte<br />
Radhäuser, größere Bremsscheiben, die eigentlich aus dem SL stammten,<br />
dazu ausladende Spoiler an Bug und Heck, ab 1990 sogar Renn-ABS.<br />
Auch der Motor musste modifiziert werden, um die Drehzahl von 10.000<br />
U/min. zu überstehen.<br />
1992 war es dann geschafft: Mit 16 Siegen entschied die „C-Klasse"<br />
in der DTM sowohl die Team- als auch die Markenwertung für sich; Klaus<br />
Ludwig gewann den Meistertitel. Zum letzten Mal ins Rennen ging der 190<br />
E in der DTM-Saison 1993. Danach brach die Ära der „Silhouette Cars" an.<br />
Sie sehen zwar – schon allein aus Marketinggründen – wie Tourenwagen<br />
aus, haben aber weder in<br />
der Motor- noch in der<br />
Fahrwerk skonstruktion<br />
große Gemeinsamkeiten<br />
mit einem Serientourenwagen.<br />
Die 6-Zylinder-<br />
Motoren muss-<br />
Die Evolution der<br />
C-Klasse in der DTM<br />
ten nur noch von<br />
einem mindestens<br />
2500 Mal verbauten<br />
Serienmodell<br />
des Herstellers<br />
„abgeleitet" sein.<br />
Für den DTM-<br />
Einsatz wurden dem<br />
Serien-V8 zwei<br />
Zylinder abgeschnitten, und<br />
das Ganze ist dann auf bis<br />
zu 470 PS getrimmt worden.<br />
Getriebe und Lichtmaschine<br />
wurden, der besseren<br />
Gewichtsverteilung wegen,<br />
ins Fahrzeugheck verlegt.<br />
Offenbar mit Erfolg: Auch<br />
in den Folgejahren räumten<br />
Mercedes und seine Fahrer die DTM-Titel ab. Bis 1995. Da war dann erst<br />
einmal Schluss mit der DTM. Die Kosten waren explodiert, immer weniger<br />
Teams konnten sich die Teilnahme leisten. Eine Denkpause war angesagt.<br />
Als die DTM unter dem Namen „Deutsche Tourenwagen Masters"<br />
im Jahr 2000 wiederbelebt wurde, hatten die Autos mit Serienmodellen<br />
nur noch ein paar äußere Merkmale gemein. Technisch sind sie<br />
reine Sportwagen-Prototypen. Wie wichtig die Mimikry allerdings für<br />
die Markenpflege ist, zeigte sich schnell. Ursprünglich imitierten die<br />
„Silhouette Cars" zweitürige Coupés einer Modellreihe – etwas schwierig<br />
zu erklären, wenn den potenziellen Kunden dort eigentlich vor allem viertürige<br />
Limousinen präsent sind wie bei der C-Klasse. Also vollzog die DTM<br />
2004 den Schwenk: Als Basis dienten nun viertürige Limousinen. Erst seit<br />
2012 ist man wieder in zweitürigen Coupés unterwegs.<br />
Dafür stecken heute unter der Markenhaut bei allen drei DTM-<br />
Herstellern Mercedes-Benz, Audi und BMW viele Gleichteile: Kohlefaser-<br />
Einheitsmonocoque mit Crashboxen vorne, hinten und an beiden Seiten,<br />
Frontsplitter, Heckflügel, Getriebe und Kardanwelle. In der DTM gilt also<br />
längst: Nicht alles, was nach C-Klasse aussieht, ist auch C-Klasse. Und<br />
mitunter nicht einmal Mercedes ...<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 19
Die Familiensaga<br />
Seit bald<br />
55 Jahren bringt die Reihe<br />
" Boule & Bill " mit ihrem verschmitzten<br />
Humor junge wie alte Leser zum Schmunzeln. Von<br />
Jean Roba im Jahr 1959 auf dem Papier zum Leben<br />
erweckt, wird die Gute-Laune-Serie heute von dessen ehemaligem<br />
Assistenten Laurent Verron fortgeführt. "<br />
Boule &<br />
Bill" – ursprünglich in deutscher Fassung als "<br />
Schnieff und<br />
Schnuff" bekannt geworden, mittlerweile längst aber auch<br />
bei uns unter dem Originaltitel veröffentlicht – ist ein<br />
Klassiker der franko-belgischen Comic-Literatur,<br />
dem auch hier zu Lande das Publikum<br />
treu geblieben ist.<br />
Auf den<br />
Hund<br />
gekommen<br />
Weit über 1400 Geschichten, wovon die meisten eine witzige<br />
Handlung in vier Streifen auf jeweils einer Seite in Szene<br />
setzen, haben der temperamentvolle Cocker Bill und sein<br />
Herrchen, der kleine Junge Boule, bereits erlebt. Im<br />
französischen Sprachraum liegen die gesammelten<br />
Episoden in nicht weniger als 34 Alben vor, die ein<br />
Bestseller des Genres sind. So wurde der letzte Band<br />
„Un amour de Cocker" 2013 vom französischen<br />
Verlag Dargaud mit der beeindruckenden Startauflage<br />
von 180.000 Exemplaren in den Handel gebracht.<br />
Seinen ersten Auftritt hatte das quietschfidele Duo<br />
in der Nummer 1132 des belgischen Comicmagazins<br />
„Spirou" vom 24. Dezember 1959, und zwar in einem<br />
der legendären „Mini-Récits". Das waren zugeheftete<br />
Beilagen, die gefaltet ein kleinformatiges 48-seitiges<br />
Heftchen ergaben. „Boule contre les mini-requins"<br />
hieß die von Maurice Rosy (1927–2013) getextete<br />
und von Jean Roba gezeichnete Erzählung, die als<br />
„Boule gegen die Mini-Haifische" erst knapp fünf f<br />
Jahrzehnte später ihre deutschsprachige Premiere im ersten Band der<br />
vom Eckart Schott Verlag veröffentlichten Albumreihe „Boule & Bill"<br />
erlebte.<br />
Jean Roba, am<br />
28. Juli 1930<br />
in Schaerbeek bei<br />
Brüssel geboren,<br />
zählt zusammen<br />
mit André Franquin<br />
(„Gaston"), Morris<br />
(„Lucky Luke"), Peyo<br />
(„Les Schtroumpfs"/<br />
„Die Schlümpfe")<br />
und etlichen anderen zur Generation der stilbildenden Künstler<br />
bei „Spirou". Ihre Comics, die der so genannten École Marcinelle<br />
zugeordnet werden, sind Teil einer glanzvollen Vergangenheit, die<br />
allerdings bis in die Gegenwart nichts von ihrer<br />
Strahlkraft verloren hat. Speziell „Boule & Bill", als<br />
Serie über Jahrzehnte regelmäßig im Heft präsent,<br />
machte Roba in der<br />
Gunst der Leser zu<br />
einem der beliebtesten<br />
Autoren. Seine<br />
klar gestalteten<br />
Bildfolgen zu alltäglichen<br />
Themen,<br />
in denen sich alle<br />
wiedererkennen<br />
können, vereint<br />
mit einem Gespür<br />
für originelle Gags,<br />
machen den besonderen<br />
Reiz der sympathischen<br />
Familiensaga aus.<br />
In deren Mittelpunkt stehen neben den Titelhelden die Eltern von<br />
Boule. Der Vater, mit einem Hang zum Werken und Basteln, ist<br />
mehr Freund als strenger Erzieher, während die Mutter das Idealbild<br />
einer Hausfrau abgibt und fast beiläufig den Haushalt schmeißt.<br />
Dazu gesellen sich eine Reihe von weiteren kuriosen Figuren wie die<br />
ebenso zum Haushalt zählende Schildkröte Caroline (in der deutschen<br />
Fassung: Fräulein Klara), Boules Kumpel Plouf (Pit), der Polizist an<br />
der Ecke oder die schneidige Nachbarin mit der kecken Katze Caporal<br />
(Capo). Das Besondere an den quirligen Abenteuern, die meist in<br />
und rund um das traute Heim sowie im Viertel der Stadt spielen,<br />
ist, dass die Herausforderungen des Lebens aus der Perspektive eines<br />
Seite 20 ■ GoodTimes 2/2014
Abbildungen: © Studio Boule & Bill 2014 / Eckart Schott Verlag 2014<br />
kleinen Jungen und eines Hundes erzählt<br />
werden. Während für Boule die Freizeitbeschäftigung<br />
g mit den Freunden das<br />
Wichtigste ist,<br />
dreht sich bei<br />
V<br />
Bill fast alles<br />
ums leibliche<br />
Wohl.<br />
Klar, dass der<br />
Metzger zu<br />
seinen besten<br />
Freunden<br />
zählt. Und<br />
wenn die<br />
ganze Familie<br />
mal in Urlaub<br />
fährt – oft in die Berge, meist aber ans<br />
Meer –, geschieht das bis auf den heutigen<br />
Tag im <strong>kult</strong>igen roten 2 CV.<br />
Hiesigen Lesern erschloss sich die Welt<br />
von „Boule & Bill" zunächst ab 1964<br />
in diversen Heftreihen, die der Verleger Rolf Kauka herausgab, darunter<br />
„Lupo modern" oder „Fix und Foxi". Freilich hießen da die<br />
beiden noch „Schnieff und Schnuff". Unter demselben Titel startete<br />
1979 Todos den Versuch, das Material in Form von Alben am Markt<br />
zu<br />
etablieren.<br />
Offenkundig<br />
ohne Erfolg,<br />
denn nach nur Die Nr. 3741 von<br />
zwei Bänden<br />
kam das frühe<br />
Aus. Größeren<br />
Zuspruch fand<br />
die Serie, als<br />
der Delta Verlag<br />
1987 ihre<br />
Geschicke in<br />
die Hand nahm<br />
und unter dem<br />
Originaltitel bis ins Jahr 1996 17 Alben publizierte. Aktueller<br />
Stand in dieser bis dahin etwas verworrenen Editionsgeschichte<br />
ist: Seit 2003 legt der Eckart Schott Verlag die deutschsprachige<br />
Ausgabe von „Boule & Bill" auf. Hervorstechendes Merkmal dabei<br />
ist der erstmalige Abdruck der Geschichten in der Chronologie<br />
ihres Entstehens, was die Lizenzgeber durch eine Neuordnung des<br />
gesamten Materialbestandes ermöglicht haben. In die Wege geleitet<br />
wurde das nicht zuletzt durch den Verlagswechsel von Roba im<br />
Jean Roba (1930–-–2006) Laurent Verron (++* *1962)<br />
Jahr 1987 und die Tatsache, dass im Original Band 1 bis 24 von<br />
Dupuis in Belgien, die Titel ab Band 25 von Dargaud in Frankreich<br />
veröffentlicht wurden.<br />
Jean Roba, der Zeit seines Lebens „Boule & Bill" quasi im<br />
Alleingang gestaltete, hat bereits früh entschieden, dass die<br />
Serie auch nach seinem Tod weitergeführt werden soll. Mit dem<br />
am 25. Mai 1962 in Grenoble geborenen<br />
Laurent Verron hat er einen Assistenten<br />
eingearbeitet, der seit Band 29 („So ein<br />
Zirkus!") als sein Nachfolger tätig ist.<br />
Verron gelingt es nicht nur, den Charme<br />
des beliebten Funny-Klassikers zu erhalten,<br />
er hält ihn mit Themen unserer Tage<br />
Die Nr. 3561 von „Spirou" vom 12. Juli<br />
"<br />
2006 ist dem verstorbenen Jean<br />
Roba gewidmet.<br />
„Spirou" vom 23. Dezember 2009 erscheint als<br />
"<br />
Boule & Bill".<br />
Sonderausgabe zum 50. Geburtstag der Serie „<br />
"<br />
auch weiter auf Erfolgskurs. Jean<br />
Roba, im Alter von 75 Jahren am<br />
14. Juni 2006 verstorben, weiß seine<br />
Figuren in guten Händen.<br />
Horst Berner<br />
Am 27. Februar 2013 kommt der<br />
von Alexandre Charlot und<br />
Franck Magnier realisierte<br />
Realf ifi lm „„Boule & Bill" in die<br />
"<br />
Kinos, der in Deutschland<br />
aber keinen Verleih fi f ifi ndet.<br />
Boule & Bill" im Eckart Schott Verlag:<br />
"<br />
1. Boule & Bill 1<br />
2. Boule & Bill 2<br />
3. Boule & Bill 3<br />
4. Boule & Bill 4<br />
5. Boule & Bill 5<br />
6. Boule & Bill 6<br />
7. Boule & Bill 7 (erscheint 2014)<br />
28. Die vier Jahreszeiten<br />
29. So ein Zirkus!<br />
30. Bills Bande<br />
31. Volle Kanne!<br />
32. Mein bester Freund<br />
33. Klar zum Entern!!<br />
34. – Ein Schatz von einem<br />
Cocker (erscheint 2014)<br />
– Sonderband: Boule & Bill:<br />
Das Familienalbum<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 21
Zigaretten-Reklame<br />
der 70er Jahre:<br />
Von Weltenbummlern<br />
und Lebenskünstlern<br />
In den 60er Jahren rauchte man starkes Zeug, je kräftiger, desto besser, desto<br />
männlicher. Wenige Jahre später aber waren Reyno- und R6-Zigaretten<br />
plötzlich so leicht, dass sogar die Augen davon heller wurden! Jedenfalls<br />
könnte sich dieser Eindruck einstellen, wenn man die attraktiven Helden in den<br />
Anzeigen sieht, die weiche, himmelblaue Blicke in die Kamera werfen. So zeigt<br />
sich der <strong>kult</strong>urelle Wertewandel der 70er Jahre auch in der Werbung ...<br />
Von Kathrin Bonacker<br />
Keine Rede davon, dass Raucher vor die Tür<br />
mussten, damals. Geraucht wurde bei Partys, im<br />
Büro, zu Hause, in Fernsehsendungen aller Art und<br />
natürlich auch im Restaurant. Nichtraucher pafften<br />
notfalls „zur Gesellschaft" eine mit, wer nicht wollte,<br />
konnte ja an die frische Luft gehen. Aschenbecher in<br />
allen Preisklassen waren das klassische Geschenk für<br />
jede Altersgruppe, Kinder töpferten sie gar für ihre<br />
Eltern, Onkel und Tanten im Werkunterricht, da alle<br />
rauchten. So war der Zigarettenmarkt heiß umkämpft,<br />
und für die Werbewelt stellten „Tabakwaren" eine<br />
solide Einkommensquelle dar: Die prominentesten<br />
(und teuersten) Seiten des „Spiegel" – wie die<br />
Rückseite und oft auch die Innenseite des Covers<br />
– waren über Jahre fest für Zigarettenwerbung<br />
gebucht. Stuyvesant machte sogar in einem Slogan<br />
das Viel-Rauchen zum Ziel. „Frankfurt Tokyo, 21<br />
Stuyvesant" titelten die Werber 1971: „Die erste<br />
noch in Frankfurt. Eine zweite zünden wir schon<br />
in<br />
der Luft. Die vierte hinter Hamburg. Zur achten<br />
sind wir bereits über dem Nordpol (…) So messen<br />
wir Raucher die Welt (…)" Mit dem „Duft der<br />
großen weiten Welt" hatte die Marke ihr Image<br />
als Zigarette für Weltenbummler gefunden, ein<br />
Image, das mit der boomenden Tourismusbranche<br />
der 70er Jahre vortrefflich einherging. Grenzenlose<br />
Mobilität und der Wunsch nach Erlebnissen standen<br />
im Mittelpunkt der Sehnsüchte; die heimlichen<br />
Unworte dieser Jahre hießen „Stubenhocker"<br />
und „Miesepeter"!<br />
Bereits seit 1954 gab es den „Marlboro-<br />
Mann" als Teil eines zunächst amerikanischen,<br />
später weltweiten Werbekonzepts der<br />
Seite 22 ■ GoodTimes 2/2014
legendären Chicagoer Agentur Leo Burnett. Er<br />
hat bis heute Kultstatus. Der einsame Cowboy<br />
ritt und rauchte, zähmte Pferde und lehnte lässig an Zäunen, um ihn<br />
herum nur Landschaft und Feuer ... Der „Marlboro-Mann", nie ohne<br />
Hut und Stiefel, ist der Prototyp einer geglückten Image-Kampagne,<br />
allerdings erst seit 1971 auch in Deutschland (wo bis dahin wilde Hippie-<br />
Collagen die Reklame für Zigaretten bestimmten). 1972 war Marlboro<br />
übrigens die meistverkaufte Zigarette der Welt.<br />
Der Slogan „Ich geh' meilenweit für eine Camel" (im Original<br />
„I'd walk a mile for a Camel") wurde sogar schon seit 1921<br />
benutzt und war ebenfalls sehr erfolgreich. Der „Camel-Mann"<br />
ist dagegen verhältnismäßig jung (die Zigarette, obwohl seit 1913<br />
auf dem amerikanischen Markt, wurde hier zu Lande erst 1968<br />
eingeführt). Den entsprechenden Werbetext kombinierte man<br />
mit durchgelaufenen Schuhen, die der sympathische Typ dem<br />
Betrachter quasi als Beweis für seine Obsession entgegenstreckte:<br />
Die in der Regel heißgeliebten hellbraunen Camel-Schuhe, die<br />
(noch ohne Löcher in den Sohlen) seit Ende der 70er Jahre auch in<br />
den Schuhgeschäften zu erwerben waren, bildeten das Tüpfelchen<br />
auf dem i für die Raucher der Zigaretten mit dem symbolischen<br />
Dromedar, das „Kamel" genannt wurde. In den Anzeigen trugen<br />
zunächst verschiedene Männer die kaputten Treter und erkundeten<br />
damit fremde Länder, erst ab 1975 wurde der lockige<br />
Schnauzbart Bob Beck das<br />
Gesicht der Kampagne und<br />
blieb es bis 1985.<br />
Camel und Marlboro beherrschten<br />
nebeneinander Anzeigen-,<br />
Plakat- und Kinowerbung der<br />
70er Jahre in ähnlich offensichtlicher<br />
Konkurrenz wie Adidas und<br />
Puma: Man musste sich zwischen<br />
den beiden entscheiden,<br />
oder man rauchte ganz andere<br />
Sorten. Viele von diesen waren<br />
Eintagsfliegen und überlebten<br />
ihr Einführungsjahr nicht,<br />
ihre Namen sind längst vergessen.<br />
Im Ausstellungskatalog<br />
„Werbewelten made in Hamburg.<br />
100 Jahre Reemtsma" heißt es:<br />
„Zwischen 1967 und 1979 brachte Reemtsma fast 160 neue Marken auf<br />
den Markt und versuchte, neue Zielgruppen zu erreichen. Damit reagierte<br />
das Unternehmen auch auf die zunehmende Individualisierung und<br />
das Entstehen unterschiedlicher Lebensstile, Milieus und Alltags<strong>kult</strong>uren<br />
nach der 68er-Bewegung. Unter den Neuentwicklungen waren ,Silva'<br />
für die moderne Frau, ,Leo' für den studentischen Lebenskünstler oder<br />
,Morgan' in der wetterfesten Kunststoffbox für den Naturliebhaber als<br />
direkte Konkurrenz zur erfolgreichen ,Camel'."<br />
A uch die moderne Raucherin war inzwischen<br />
eine feste Größe unter den<br />
Zielgruppen: In den 70er Jahren habe das Rauchen von Frauen den<br />
„verruchten Charakter" verloren und sei in der Reklame zu einem<br />
„äußeren Signal der Emanzipation stilisiert" worden, erläutern die<br />
Herausgeber der Untersuchung „1945 bis 1995. 50 Jahre Werbung in<br />
Deutschland". Sie zeigen dazu eine Anzeige für die Zigarette Kim, die<br />
„schlank und rassig" Frauen ansprechen soll: „Für Männerhände viel<br />
zu chic!", erklärt die Kampagne von 1972 dazu. Vergleichbar waren<br />
auch Candida oder Eve: Bei beiden war<br />
die Packung (bei Eve sogar die Zigarette<br />
selbst) mit bunten Regenbogen- bzw.<br />
Blümchen-Motiven dekoriert –, offenbar<br />
dachten die Macher, man müsse<br />
eine Frauenzigarette unbedingt romantisieren<br />
und mit einem Frauennamen<br />
belegen, weil das bei den Groschen-<br />
Romanen so gut funktionierte ...<br />
Die größte Errungenschaft der 70er<br />
Jahre waren bei den Zigaretten<br />
interessanterweise die „Leichten" oder<br />
„Milden". In den Sechzigern war die Kritik<br />
aus dem Gesundheitsbereich aufgrund<br />
neuer Studien so laut geworden, dass die<br />
Tabakwarenindustrie reagieren musste (ab<br />
1974 galt ein erstes Tabak-Werbeverbot<br />
für Radio und Fernsehen). Zu den prominentesten Nikotingegnern<br />
gehörte die Deutsche Krebshilfe, die die Ärztin Mildred Scheel 1974<br />
gegründet hat. Ihr Mann Walter bekleidete von 1974 bis 1979 das Amt<br />
des Bundespräsidenten, und das Paar war – außer bei B.A.T., Reemtsma,<br />
Reynolds, Haus Neuerburg und Co. – sehr beliebt.<br />
Zunächst mit Filterzigaretten und dann mit reduzierten Teerwerten<br />
in den „Light"-Zigaretten gaben sich die Firmen den Anschein, tatsächlich<br />
gesundheitsbewusster zu denken; faktisch hatte das Ganze aber<br />
sogar eine Ausweitung des Marktes zur Folge, und die Reklame zeigte<br />
skurrile Auswüchse: Für Astor special erfand man 1970 tatsächlich eine<br />
„Airmix-Zone" und titelte frech: „Die<br />
Cigarette, die atmet"!<br />
Gerade für die als „stark" bekannten<br />
Sorten wie Roth-Händle war<br />
es jedoch zunächst ein großer Schritt.<br />
Da hieß es noch 1969 beschwörend<br />
über die neue Zigarette: „Sie hat das<br />
Filtermundstück bekommen und den<br />
Roth-Händle-Tabak behalten", weil<br />
die alte Kundschaft nicht vergrault<br />
werden sollte. Gauloises dagegen<br />
gab es jahrelang mit und ohne Filter.<br />
Und viele andere boten ebenfalls<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 23
ihre Ware so oder so und später als „Lights" an und konnten damit ihr<br />
Angebot effektiv erweitern.<br />
Menthol wiederum erreichte als aromatisierende Beigabe, dass der<br />
Rauch beim Einatmen milder wirkte. Die Menthol-Zigaretten der<br />
70er Jahre, allen voran Reyno, setzten in der Werbung auf „Erfrischung",<br />
auf den Reklamebildern assoziativ mit Wasser, Kühle oder grünen<br />
Pflanzen verbunden.<br />
Auch erste Reflexionen der<br />
„Zurück zur Natur"-Bewegung<br />
waren zu erkennen. Tom Selleck<br />
saß in Jeans im Gras und<br />
rauchte Reyno (zum Serienstar<br />
Thomas Magnum wurde er erst<br />
später), und die Helden der<br />
Gauloises-Kampagne, die immer<br />
etwas Verrücktes anstellten,<br />
dümpelten mit irgendwelchen<br />
Gefährten auf dem Wasser oder<br />
machten Picknicks im Grünen.<br />
Gegen Ende der Dekade<br />
boomten dann die<br />
Selbstgedrehten, schließlich war<br />
Handarbeiten ohnehin groß<br />
in Mode: Die einen machten<br />
Makramee oder Ikebana, die<br />
anderen rollten ihre Kippen, so<br />
ließ sich das Rauchen in den<br />
Hobby-Sektor integrieren ... Hier<br />
gab es Bison, Samson, Javaanse,<br />
Roth-Händles Schwarze Hand<br />
oder Drum, sämtlich vor<br />
allem mit jungen Leuten als<br />
Zielgruppe. Natürlich war der<br />
Tabak ebenfalls für den Bau von<br />
Joints beliebt, aber das durfte<br />
aus naheliegenden Gründen<br />
in der Reklame auf gar keinen<br />
Fall zur Sprache kommen,<br />
auch wenn das Drogen-Mekka<br />
Holland als Ursprungsland<br />
besonders gerne betont wurde.<br />
Die jungen Männer und Frauen wurden meist in der Gruppe oder<br />
als Pärchen gezeigt, redend, politisierend und rauchend, oft mit Gitarre<br />
oder Büchern, immer zwanglos in Jeans und rauchend. In einer Drum-<br />
Anzeige hängt sogar ein Plakat an der Wand der Redaktions-Szenerie,<br />
das verdächtig nach dem Vietnam-Revolutionär Ho Chi Minh aussieht,<br />
die Studentenbewegung hinterließ hier ihre Spuren. Für Samson warb<br />
dann auch der eine oder andere Promi: Sowohl Didi Hallervorden als<br />
auch Paul Breitner zierten die Anzeigen, und ihre frechen Wuschelköpfe<br />
suggerierten den erstrebenswert unbeugsamen Geist.<br />
Mit Blick auf die Werbekonzepte lief besonders eine Serie ausgesprochen<br />
lange: Das „HB-Männchen" war abgelöst worden von einer<br />
Gruppe fröhlicher junger Menschen, die in den 70er Jahren gemeinsam<br />
ihren Hobbys nachgingen und ihre Freizeit (natürlich HB rauchend)<br />
miteinander verbrachten. Da ist dann alles im Einsatz: das Tandem, der<br />
Hopseball, Wurfspiele oder ein Riesenschachspiel. Die unbekümmerte<br />
Gruppe und ihre kindlichen Accessoires sind in einem gelben Rahmen<br />
vor einen weißen Hintergrund gesetzt, im Vordergrund ist immer die<br />
HB-Schachtel mit ihrem gekrönten rot-gelben Logo in Zeltform zu<br />
sehen, als Signatur im Rahmen findet sich außerdem das alte „Haus<br />
Bergmann"(= HB)-Logo.<br />
Eine andere Serie mit ebenso hohem Wiedererkennungswert war<br />
die Atika-Reihe, in der jeweils ein Paar bummeln geht (heute<br />
hieße es „shoppen") und alle möglichen Gegenstände gemeinsam<br />
aussucht: Sie kaufen Spiegel, Koffer oder orientalische Laternen,<br />
sind im Lampengeschäft oder wählen Schuhe aus. Und obwohl es<br />
1971 noch im Text<br />
dazu hieß: „Es war<br />
schon immer etwas<br />
teurer, einen besonderen<br />
Geschmack<br />
zu haben", war klar:<br />
Einig im Geschmack<br />
sind sie sich sowieso!<br />
Auch wenn ihre<br />
Einkäufe und ihre<br />
Zigaretten teuer sind<br />
... Es war die „schöne<br />
neue Welt des<br />
Genießens" (so der<br />
Slogan von 1973).<br />
Erst gegen Ende<br />
der Dekade wurde<br />
das geschmackvolle<br />
Paar dann durch<br />
eine lockere Gruppe<br />
abgelöst. Jetzt hieß<br />
der Slogan: „Wir<br />
lieben's leicht."<br />
Die Luxus-Schiene war bei anderen Sorten allerdings noch ausgeprägter:<br />
„Erste Sorte" umgab den Raucher in Rolli und Lederweste<br />
mit poliertem Holz, Stuck und Marmor – hier hieß „Stil" dann selbstverständlich<br />
„le style"! Benson & Hedges oder Dunhill setzten ebenfalls auf<br />
altmodische Kostbarkeiten. Erstere kooperierten dazu sogar mit British<br />
Leylands Jaguar und feierten beides, Auto und Zigarette, als „British<br />
European Style". Dunhill präsentierte sich auf edlem roten Leder mit goldenem<br />
Feuerzeug oder ausgesuchtem Schreibgerät ganz hochherrschaftlich.<br />
Die Philipp-Morris-Kampagne allerdings zeigte die Packung gleich<br />
in Kombination mit Austern, Champagner, Goldmünzen, Diamanten oder<br />
gar der Blauen Mauritius. Hier<br />
wurde die Assoziation „Luxus"<br />
quasi mit dem Holzhammer vermittelt.<br />
John Player Special (JPS)<br />
dagegen bot dekadenten<br />
Lebensstil mit sexueller<br />
Komponente: Eine schwarzweiß<br />
fotografierte Fotoserie<br />
zeigte in der Regel eine attraktive<br />
Frau von hinten, so dass<br />
ihr Po (gerne in knallengen<br />
Lederhosen oder Hotpants) mit<br />
einer anzüglichen Bemerkung<br />
dabei zum Bildmittelpunkt<br />
wurde: „Lernen Sie jemanden<br />
kennen, der John Player Special<br />
raucht. Vielleicht bleibt sie nicht<br />
standhaft", war zum Beispiel zu<br />
einer Skaterin getextet, deren<br />
Unterwäsche im Gegenlicht<br />
lockend durch ein transparentes<br />
Kleidchen schien ....<br />
Die seit dem Ende der<br />
60er Jahre gelaufene<br />
Gauloises-Reihe trumpfte auf<br />
eine ganz andere Art mit möglichst<br />
humorvollen, unkonventionellen<br />
Motiven auf, die den<br />
Individualismus des Frankreich-<br />
Fans unterstreichen sollte, und<br />
die direkte Konkurrenz, Gitanes,<br />
machte sich die Popularität von<br />
Naiver Kunst zunutze. Beide<br />
Seite 24 ■ GoodTimes 2/2014
vermittelten Frankreich als Land des Genusses<br />
und des Savoir vivre.<br />
Stuyvesant bot 1971 bis 1973 wiederum<br />
etwas ganz Neues: eine<br />
Unikat-Kampagne, wie sie später auch<br />
Jägermeister mit seinen Porträts startete.<br />
Durchnummerierte Fotos von Landschaften<br />
eröffneten einen Blick auf die durch den<br />
vereinfachten Flugverkehr endlich erreichbare<br />
ganze Welt aus Sicht der Fernreisenden. Die<br />
Bilder verbanden so die Marke mit der Reise<br />
an sich, ohne dass der Flugkapitän noch –<br />
wie zu Beginn der 70er Jahre – unbedingt<br />
gezeigt werden musste.<br />
Parallel zur Fotoserie behielt Stuyvesant<br />
übrigens auch traditionelle Werbegrafik<br />
im Programm, mit der Reval und Lord Extra<br />
so erfolgreich waren. Für Reval gestalte-<br />
te der Grafiker Gerd Grimm die<br />
Anzeigen 1961–1971 und 1975,<br />
indem er ausgesprochen farbige<br />
Figuren oder Porträts von Rauchern<br />
und Raucherinnen vor einen blauen oder orange-gelben<br />
Hintergrund setzte. Grimm war gelernter Modezeichner,<br />
und sein unverwechselbarer Stil als Künstler hob die<br />
Kampagne aus der übrigen Reklame hervor.<br />
Einerseits waren in ästhetischer Hinsicht die<br />
meis ten Anzeigen, in den typischen 70er-<br />
Farben gehalten, ein Augenschmaus in Braun-Grün<br />
und vor allem sonnigem Orange, andererseits genoss<br />
man die relativ junge Möglichkeit des Farbfotodrucks<br />
– und gerade die Reiseserie von Stuyvesant erinnerte<br />
doch<br />
sehr an die zeitgenössischen Endlos-Dia-Abende<br />
mit „Mutti vor Sonnenuntergang".<br />
Gleichzeitig gab es eine Nostalgiewelle: Beliebt waren gestalterische<br />
Anklänge an die Jahrhundertwende wie bei Roth-<br />
Händle, zumal eben diese 1970 ihren hundertjährigen Geburtstag<br />
feiern konnten. Die verschnörkelten Grafiken in<br />
Pink vor schwar-<br />
zem<br />
Hinter grund<br />
(höchstens gelegentlich<br />
mit royal-blauen<br />
Elementen) wirkten<br />
durch den starken<br />
Kontrast gleichzeitig<br />
altmodisch und frech<br />
und konnten so das<br />
alte Firmen-Emblem,<br />
die Hand, in etwas<br />
Zeitgemäßes integrieren.<br />
Literatur:<br />
Wer noch mehr<br />
Aufmerk samkeit<br />
erheischen wollte, musste<br />
etwas bieten. Gewinnspiele<br />
eigneten sich ideal zur<br />
Kundenbindung,<br />
und<br />
Preisausschreiben<br />
sowie<br />
bestellbare Werbeprodukte<br />
gab es von vielen Marken.<br />
Typisch waren dabei Autos<br />
(wie der Gauloises-R4) oder<br />
Reisen, Küchenutensilien<br />
und Spiele. Krone gab sogar<br />
im<br />
honorigen Hoffmann<br />
&<br />
Campe-Verlag ein Buch<br />
mit Spielanleitungen für<br />
Erwachsene<br />
heraus, bei der Firma ASS<br />
(Altenburg-Stralsunder Spielkartenfabriken)<br />
erschienen sowohl das Krone-Spiel „Coup" als<br />
auch „Battel", „Würfeljoker" oder „Zock". Für<br />
HB warb die ganze Reihe der HB-Bildatlanten<br />
(und machte mit aktuellen Karten und Fotos<br />
den bis dato konkurrenzlosen „Merian"-<br />
Heften das Leben schwer), Kartenspiele gab<br />
es von ganz vielen Marken.<br />
Auf der Nostalgiewelle<br />
schwammen dazu die<br />
„Barspiegel"; Bierdeckel und<br />
Aschenbecher als Klassiker des<br />
Zubehörs zierten die Tische:<br />
Wer sich an eine typische<br />
Kneipeneinrichtung der 70er<br />
Jahre erinnert, hat diese Details vielleicht nur<br />
unbewusst wahrgenommen. Immer aber stand<br />
irgendwo das Gerät zum Ziehen der Kippen,<br />
für das extra die „Automatenpackung"<br />
geschaffen worden war, wie man sie heute<br />
kennt. 20 Stück für zwei Mark kann sich<br />
allerdings wohl keiner mehr vorstellen!<br />
1945 bis 1995. 50 Jahre Werbung in Deutschland"<br />
"<br />
Joachim Kellner, Ulrich Kurth, Werner Lippert (Hg.)<br />
Ingelheim (Westermann), 1995<br />
Werbewelten made in Hamburg.<br />
"<br />
100 Jahre Reemtsma, Hamburg"<br />
Stefan Rahner / Museum der Arbeit (Hg.)<br />
Junius Verlag, 2010<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 25
40 Jahre<br />
2,7 Milliarden Franken<br />
erobern die Kinderzimmer<br />
Als die ersten Playmobil-Figuren<br />
1974 die Verkaufsregale der Spielwarengeschäfte<br />
erreichten, konnte ihr<br />
Hersteller „geobra Brandstätter" bereits auf<br />
eine fast hundertjährige Firmengeschichte<br />
zurückblicken. Der Schlosser Andreas<br />
Brandstätter hatte sich 1876 in Fürth selbstständig<br />
gemacht und stellte in der nach ihm<br />
benannten Firma mit einigen Mitarbeitern<br />
Schatullenbeschläge und -schlösser her. 1908<br />
Die ersten Playmobil-Figuren 1974.<br />
wurde das Unternehmen in „Metallfabrik<br />
Georg Brandstätter" umbenannt. Georg war<br />
der Sohn des Firmengründers. Er hatte den<br />
Betrieb übernommen und zog 1921 ins<br />
etwa fünf Kilometer entfernte Zirndorf, wo<br />
noch heute die Zentrale ihren Sitz hat.<br />
Damals stellte man bereits neben Metallwaren<br />
auch Spielzeuge her, etwa Utensilien für<br />
Kaufmannsläden, Spielzeugtelefone und<br />
Spardosen. (Brandstätter war übrigens nicht<br />
der erste Spielzeugfabrikant Zirndorfs, schon<br />
1880 war hier die Firma Lorenz Bolz – die<br />
Erfinder des Brummkreisels (1913) – an den<br />
Start gegangen.)<br />
1952 begann dann der heutige<br />
Firmenchef Horst Brandstätter mit der<br />
Ausbildung zum Formenbauer seine<br />
Laufbahn im Familienunternehmen<br />
„geobra Brandstätter", wie die Firma seit<br />
Beginn der 1930er<br />
Jahre hieß. In den<br />
Fünfzigern spezialisierte man sich auf<br />
Spielzeug aus Kunststoff, zum Ende<br />
des Jahrzehnts gelang mit der<br />
Herstellung von Hula-<br />
Hoop-Reifen ein<br />
Noch weit weg vom Playmobil-Männchen:<br />
eine der ersten Skizzen von Hans Beck.<br />
großer Coup: „geobra Brandstätter" wurde<br />
zum europäischen Marktführer der wieder in<br />
Mode gekommenen Reifen. Breit aufgestellt<br />
mit einer umfangreichen Produktpalette vom<br />
Wasserski bis zum Plattenspieler manövrierte<br />
man sich erfolgreich durch die Sechziger.<br />
Doch die Nase vorn zu behalten, wurde<br />
ein immer schwierigeres Unterfangen, nicht<br />
zuletzt angesichts des Kostendrucks aus<br />
Niedrigpreisländern. „geobra" trat also die<br />
Seite 26 ■ GoodTimes 2/2014
Flucht nach vorn an, 1969 wurde im 25<br />
Kilometer entfernten Dietenhofen<br />
ein neues Fabrikgebäude gebaut,<br />
zwei Jahre später auf Malta gar<br />
die erste Auslandsproduktion<br />
begründet. Die Produktpalette e<br />
sollte auf Deckenpaneelen und<br />
Kunststoffmöbel ausgeweitet<br />
werden, doch die aufkommende<br />
Ölkrise und der damit verbundene<br />
Rohstoffmangel ließen den einstigen Hula-<br />
Hoop-Marktführer in die roten Zahlen schlittern.<br />
Wenn man so will, haben wir Playmobil der<br />
Ölkrise zu verdanken! Erfunden wurden die<br />
Nasen, die dann aber ersatz-<br />
los gestrichen und letztlich<br />
auch von niemandem<br />
vermisst wurden. Beck<br />
wirkten seine Figuren<br />
mit Nase zu clownesk.<br />
1972 wurde schließ-<br />
lich das Patent angemel-<br />
det. In der ursprünglichen<br />
Konstruktionszeichnung hat das Playmobil-<br />
Männchen noch gegenbewegliche Beine,<br />
doch in der Praxis zeigte es sich, dass die<br />
Standfestigkeit nicht die beste war. Also<br />
wurde dieser Ansatz wieder verworfen, denn<br />
bis heute hat die Funktionalität oberste<br />
Figuren entstanden entsprechende Welten.<br />
Waren es im Startjahr nur Pferde, einige<br />
Verkehrsschilder und ein Tipi, zogen Ritter<br />
alsbald in Burgen sowie Cowboys in den<br />
Saloon ein, und Polizisten verfügten fortan<br />
über einen Fuhrpark. Obwohl Playmobil<br />
schon damals seinen bis heute anhaltenden<br />
Siegeszug antrat, war insbesondere in den<br />
Siebzigern noch eine Hürde zu nehmen. Im<br />
benachbarten Fürth begann 1975 die BIG<br />
Spielwarenfabrik die Produktion eines verblüffend<br />
ähnlichen Systemspielzeugs. Unter<br />
dem Claim Play-Big entstanden vergleichbare<br />
Figuren, die nur geringfügig größer<br />
waren und auch mal ernst oder traurig<br />
70er Jahre 80er Jahre 90er Jahre 2000er Jahre<br />
kleinen Figuren mit den beweglichen Armen<br />
und Beinen vom gelernten Tischler Hans<br />
Beck aus Greiz. 1958 hatte der Thüringer, der<br />
Priorität: Kinder sollen beim Spielen mit<br />
Playmobil nicht gefrustet werden. Das Patent<br />
ist übrigens schon 1990 erloschen, doch<br />
Playmobil-Chef Horst Brandstätter und sein die Figuren genie-<br />
Mustermacher" Hans Beck Mitte der Siebziger ßen weiterhin<br />
"<br />
beim Fachsimpeln über ein Kultspielzeug Plagiatsschutz.<br />
Sie sind nämlich<br />
als Kunstwerk<br />
anerkannt,<br />
und<br />
somit greift das<br />
Urheberrecht bis 70<br />
Jahre nach dem<br />
Tod des Schöpfers.<br />
Hans Beck verstarb<br />
einige Jahre zuvor nach Franken übergesiedelt<br />
war, sich bei „geobra" als Entwickler<br />
– damals hieß es noch Mustermacher<br />
– beworben. Ausschlaggebend für seine<br />
Anstellung soll sein Faible für den<br />
Modellbau gewesen sein. Zwölf<br />
Jahre später stellte der Vater der<br />
Playmobil-Figuren, wie Beck von<br />
den Medien genannt wird, seinem<br />
Chef die ersten Prototypen vor:<br />
einen Ritter, einen Indianer und<br />
einen Bauarbeiter. Brandstätter ließ<br />
Beck machen, denn es war klar, dass ein<br />
Spielzeug, das gut in eine Kinderhand<br />
passt, in der Herstellung weniger<br />
Rohstoffe benötigt. In der ersten Skizze<br />
von Hans Beck hatten die Figuren noch<br />
2009, zweifelsohne<br />
lebt er jedoch in seinen<br />
Figuren weiter.<br />
Für die Nürnberger<br />
Spielwarenmesse im<br />
Frühling 1974 stellte<br />
Beck die erste<br />
Musterkollektion her. Mal abgesehen von<br />
einem Großauftrag aus den Niederlanden<br />
war die Reaktion des Handels auf das erste<br />
Sortiment mit 19 verschiedenen Artikeln<br />
aber nicht unbedingt euphorisch. Anders<br />
die Reaktion der Konsumenten: Ende<br />
des Jahres waren schon drei Millionen<br />
D-Mark umgesetzt. Passend zu den<br />
schauten. „geobra" zog<br />
vor Gericht, doch der<br />
Bundes gerichtshof wollte<br />
den Plagiatsvorwurf nicht<br />
bestätigen. Im abschließenden<br />
Urteil zugunsten<br />
der Firma<br />
BIG hieß es,<br />
dass „Play-Big-<br />
Figuren den Eindruck<br />
eines<br />
selbstbewussten,<br />
sportlichen,<br />
aggressiven<br />
Mannes vermitteln,<br />
wohingegen das Playmobil-<br />
Männchen die Wirkung von einem Kind, nett<br />
und noch unsicher auf den Beinen", habe.<br />
Der jahrelange Zwist wurde schließlich von<br />
den Käufern entschieden, Play-Big konnte<br />
sich am Markt nicht etablieren, 1979 wurde<br />
die Produktion der Play-Welten wieder eingestellt.<br />
Um die Fürther Spiel waren fabrik<br />
braucht man sich dennoch keine Sorgen zu<br />
machen, mit dem heute legendären Bobby-<br />
Car gelang ihr schon 1972 ein großer Wurf.<br />
1976 gab es die ersten weiblichen Playmobil-<br />
Figuren in bewährter Größe (noch ohne<br />
Busen, aber mit flottem Minikleid), und fünf<br />
Jahre später folgte der erste Nachwuchs:<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 27
Mädchen- und Jungenfiguren mit 5,5<br />
Zentimetern Länge. 1984 kamen Babys mit<br />
beachtlichen 3,5 Zentimetern hinzu. Zu dieser<br />
Zeit gab es längst auch austauschbare<br />
Brillen und Bärte, 1986 die ersten dicken<br />
Männer (der Piratenkapitän), wenig später<br />
Frauen mit Brüsten und seit 2012 gar die<br />
schwangere<br />
Playmobil-Figur.<br />
Die Vielseitigkeit t scheint seit<br />
Ende der Achtziger schöpflich. Es gibt nack-<br />
te Füße, verschiedene<br />
Schuhe,<br />
unterschiedliche<br />
Rocklängen,<br />
Jacken, Westen, en,<br />
uner-<br />
Mützen, lange<br />
Haare,<br />
kurze<br />
Haare ... 2006<br />
kamen<br />
Fußballer<br />
aus unzähligen Nationen<br />
mit eigenem Stadion<br />
auf den Markt, ein Jahr später sogar<br />
Damenteams (übrigens hieß das Stadion<br />
des realen Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth<br />
von 1997 bis 2010 Playmobil-Stadion). 2010<br />
folgten die ersten Figuren in Bikini und<br />
Badehose. Eine absolute Innovation im<br />
letzten Jahr war das Shopping Center,<br />
denn die Shopping-Figuren lassen<br />
sich an-, aus- und umziehen.<br />
Parallel dazu entstanden<br />
immer weitere Spielwelten:<br />
Gebäude, Autos, Tiere ... Ein<br />
wahres Highlight war 1978<br />
das erste Piratenschiff, innerhalb<br />
eines Jahres enterten<br />
100.000 Exemplare die<br />
Badewannen. Im selben Jahr<br />
entstand auch „Playmobil Color"<br />
– Figurensets zum Selbstanmalen,<br />
eine Idee, der man bis 1993 nachging.<br />
Die Weltraum- und Kosmonauten-<br />
Kollektionen bekamen in den Achtzigern<br />
einen eigenen Begriff sowie ein Sonderlogo<br />
verpasst: Playmo Space.<br />
Mittlerweile sind sämtliche<br />
Packungen wieder<br />
einheitlich blau und<br />
mit weißem Schriftzug<br />
versehen.<br />
Lediglich<br />
ein paar Artikel aus<br />
den in erster Linie für<br />
Mädchen gedachten<br />
Puppenhaus-<br />
und<br />
Schlösser-Linien<br />
befinden sich in rosa<br />
Schachteln, und in<br />
gelben Kartons kommt<br />
die Reihe „Playmobil<br />
1.2.3." daher. Weil sich<br />
das Spielzeug aufgrund<br />
vieler Kleinteile erst<br />
an eine Zielgruppe ab<br />
vier Jahre wandte, entschloss<br />
man sich 1990<br />
für eine zusätzliche<br />
Serie für die Kleinsten –<br />
ein weiterer erfolgreicher<br />
Schachzug des fränkischen<br />
Unternehmens. Seit 2011<br />
gibt es darüber hinaus als<br />
„Fi?ures" noch nicht montierte<br />
Sammelfiguren in<br />
Überraschungstüten.<br />
Die Playmobil-Welten<br />
sind meistens ein<br />
Abbild der Realität.<br />
So haben beispiels-<br />
weise unlängst<br />
die<br />
Polizeifiguren ihren<br />
Farbcode<br />
gewech-<br />
selt, als fast alle<br />
Bundesländer im<br />
Zuge einer<br />
euro päischen<br />
Harmonisierung<br />
blau-silberne<br />
bzw.<br />
blau-<br />
weiße Autos und<br />
Uniformen einführten.<br />
Nun werden die bunten<br />
Spielfiguren, denen 1974<br />
keine große Zukunft vorausgesagt<br />
wurde, 40 Jahre alt und<br />
haben an Attraktivität nichts büßt. Im Gegenteil: Erstmals in der<br />
einge-<br />
40-jährigen Geschichte konnte ein<br />
weltweiter Jahresumsatz von 532<br />
Millionen Euro erzielt werden. Die<br />
komplette Brandstätter-Gruppe knackte kt sogar<br />
erstmals die 600-Millionen-Euro-Marke, denn<br />
mit Fertigung und Vertrieb der Lechuza-<br />
Pflanzsysteme hat der mittlerweile 80-jährige<br />
Alleininhaber Horst Brandstätter einen weiteren<br />
Trumpf im Ärmel. Neben der Zentrale in<br />
Zirndorf, die 1990 neu errichtet wurde und<br />
an die sich seit 2000 der große Playmobil-<br />
FunPark anschließt, und dem Hauptwerk in<br />
Dietenhofen gibt es eine weitere Fabrik in<br />
Selb; im fränkischen Herrieden wird derweil<br />
ein neues Logistikzentrum gebaut. Zudem<br />
verfügt „geobra" über Auslands fertigungen<br />
© Historisches Museum der Pfalz Speyer<br />
Mit dieser Zeichnung<br />
wurde 1972 das Playmobil-<br />
Patent angemeldet.<br />
Dieses überdimensionale Playmobil-<br />
Schiff steht derzeit im Historischen<br />
Museum der Pfalz in Speyer.<br />
auf Malta, in Tschechien und<br />
Spanien.<br />
Im Festjahr wird es 147 Neuheiten en<br />
geben, darunter Sets mit einem<br />
so genannten Jubiläumsbonus. s.<br />
Highlights werden ein kompletter<br />
Freizeitpark mit beleuchtetem<br />
Kettenkarussell und Riesenrad<br />
sowie die erste Playmobil-Kita sein.<br />
Einen interessanten Rückblick k<br />
auf die letzten vier Dekaden bie-<br />
tet das Historische Museum der<br />
Pfalz in Speyer. Noch<br />
bis zum 22. Juni<br />
2014 werden auf etwa<br />
2000 Quadratmetern ern<br />
Ausstellungsfläche<br />
e<br />
detailreiche, zum Teil<br />
raumfüllende<br />
Installationen<br />
zu historischen und aktuellen<br />
Themenwelten zu sehen sein.<br />
So<br />
gibt es eine Dinosaurier-<br />
Forschungsstation, ein Ozeaneum<br />
sowie den Zug zum Hambacher Schloss 1832.<br />
Damals pilgerten etwa 30.000 Pfälzer zur<br />
als Volksfest getarnten Protestkundgebung,<br />
Sinnbild früher Demokratiebemühungen in<br />
Deutschland. Eine der interessantesten Figuren<br />
aus den letzten Jahren ist dort aber nicht zu<br />
sehen. Als Horst Seehofer einmal „Playmobil"<br />
besuchte, machte man ihm spontan eine Figur<br />
zurecht, die als Angela Merkel durchgehen<br />
konnte. Ob er die Merkel-Figur an exponierter<br />
Stelle aufbewahrt oder wutentbrannt weggeworfen<br />
hat, ist indes nicht bekannt ...<br />
Christian Hentschel<br />
Fotos: © Geobra Brandstädter/Playmobil<br />
Seite 28 ■ GoodTimes 2/2014
Von Sven Rachner<br />
Leckere Reise<br />
in die Kindheit<br />
Es muss Ende der 70er Jahre gewesen sein: Da gab es<br />
diese unverschämt gut schmeckenden Kaubonbons. Sie<br />
waren klein, quadratisch und klebten immer am Gaumen<br />
– und sie hatten einen wahnsinnig fruchtigen Geschmack.<br />
Es gab sie in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen:<br />
Ananas, Himbeere, Orange und Zitrone – Sugus" von<br />
"<br />
Suchard. Zugegeben: Wir haben damals so einiges an<br />
Süßigkeiten verschlungen, von Esspapier bis hin zu<br />
Schleckmuscheln, aber Sugus" waren einfach<br />
anders. Und das hatte seinen Grund …<br />
"<br />
Einem gewissen Monsieur Hans-Conrad<br />
Lichti habe ich, zusammen mit vielen anderen,<br />
wohl einen Teil dieser unvergesslichen<br />
Kindheitserinnerungen zu verdanken. Der<br />
Generaldirektor der Schokoladenfabrik Suchard<br />
machte sich im Jahr 1929 auf die Suche<br />
nach Alternativen zu Kakao und Schokolade.<br />
Hintergrund war der damals desolate Zustand<br />
der Schweizer Wirtschaft, was derartige Konsumgüter<br />
rar und nahezu unerschwinglich machte. Fündig wurde Lichti schließlich<br />
in der polnischen Niederlassung von Suchard in Krakau. Dort<br />
stellte man ein für damali-<br />
ge<br />
Zeiten völlig neuartiges<br />
weiches Kaubonbon her. Er<br />
erwarb die Herstellungslizenz<br />
und kehrte mit der Rezeptur<br />
in<br />
der Tasche zurück in die<br />
Schweiz. Da die Produktion<br />
der Kaubonbons im Vergleich<br />
zur Schokoladenherstellung<br />
deutlich günstiger war und<br />
sie zudem im Sommer keine<br />
" Sugus"-<br />
Verpackung 1931<br />
Kühlung benötigten, konnte<br />
er den Verwaltungsrat von<br />
Suchard schließlich davon überzeugen.<br />
So wurde ab dem Jahr 1931 im Winter<br />
vorrangig Schokolade produziert – und in den Sommermonaten<br />
erstmals die neuen Kaubonbons<br />
mit dem Namen „Sugus".<br />
Sugus"<br />
entwickelte<br />
„ sich zum absoluten<br />
Liebling der Schweizer, so<br />
dass 1945 erstmalig der<br />
Export in verschiedene<br />
Länder Afrikas,<br />
Asiens und<br />
Südamerikas erfolgte. Ab 1960 eroberte „Sugus"<br />
nach und nach auch mehrere europäische Länder,<br />
darunter Deutschland. 1991 wurde Suchard<br />
dann von Kraft Foods übernommen, und zwei<br />
Jahre später erfolgten die ersten Änderungen:<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 29<br />
Die Produktion wurde von der Schweiz nach Frankreich<br />
verlagert, die Geschmacksrichtung Himbeere durch Erdbeere<br />
ersetzt und schließlich auch die Rezeptur noch leicht verändert,<br />
so dass die „Sugus" etwas härter und nicht mehr so klebrig waren.<br />
Inzwischen gehört „Sugus" dem Weltkonzern Wrigley, der die<br />
Marke im Jahr 2005 kaufte und ein Jahr später<br />
– zum 75-jährigen Jubiläum – schließlich<br />
auch noch die<br />
Form der „Sugus"<br />
veränderte und<br />
seitdem insgesamt elf weitere<br />
Geschmacks richtungen auf den<br />
Markt brachte.<br />
So sehr mich persönlich auch<br />
die erfolgten Änderungen treffen,<br />
so wenig haben sie anscheinend<br />
Auswirkungen auf die<br />
Erfolgsgeschichte von „Sugus": Einer<br />
Umfrage zufolge gehört „Sugus" zu<br />
den 20 beliebtesten Marken der Schweiz,<br />
und täglich werden über 300.000<br />
„Sugus" alleine in der Schweiz verzehrt. Kein Wunder, dass<br />
Wrigley daher weiterhin auf die Traditionsmarke setzt. Neben<br />
einem Onlineshop (Lieferung leider nur innerhalb der Schweiz<br />
und nach Liechtenstein) und einer eigenen Facebook-Seite<br />
gibt es zwischenzeitlich sogar auch ein „Sugus"-Spiel fürs<br />
iPhone ...<br />
Neue Verpackung,<br />
neues Maskottchen,<br />
gleicher Inhalt<br />
© Wrigley
MIT ERIC CLAPTONS<br />
GITARRE FING ALLES AN<br />
Was machen zwei Amerikaner in London, wenn sie vergeblich nach ihrem<br />
Lieblingsessen suchen? Sie eröffnen ein Restaurant und braten die Burger<br />
selbst. Als so simpel entpuppt sich letztlich die Gründungsgeschichte der<br />
Hard-Rock-Cafe-Kette, als 1971 in der Old Park Lane das erste Bier über den<br />
Tresen ging. Mittlerweile ist das Unternehmen in der ganzen Welt präsent: In<br />
über 55 Ländern gibt es an die 175 Lokale und fast 20 Hotels. Und überall<br />
regiert der Rock’n’Roll.<br />
Hard Rock Cafes sind ein<br />
Abenteuer. Zumindest für<br />
Rockfans. Egal, wo auf<br />
der Welt man eine der<br />
Lokalitäten mit dem schlichten, aber<br />
auffälligen Logo ansteuert – es erwartet<br />
einen eine Reise durch die Welt der<br />
populären Musik. Ein Motorrad von Elvis zu finden, unter<br />
Presley, eine handgeschriebene Setlist von<br />
der Lederjacke<br />
Jerry García (Grateful Dead), ein Ticket<br />
von Bruce<br />
für jenes Led-Zeppelin-Konzert, das<br />
es wegen des plötzlichen Todes von<br />
Dickinson<br />
(Iron Maiden)<br />
John Bonham nie gegeben hat, oder<br />
wurde eine<br />
John Lennons Brille – kein Rock’n’Roll-<br />
rt vie-<br />
von Steve Vai<br />
Originalklampfe<br />
Museum der Welt kann mit derart<br />
Das Mutterhaus" aller Hard Rock Cafes steht in London an der Old Park Lane.<br />
"<br />
len und einzigartigen Zeugnissen der<br />
Rockhistorie aufwarten. Manchmal stehen<br />
Besucher staunend vor den Vitrinen<br />
und fragen sich ungläubig flüsternd,<br />
ob das da wohl alles echt sei. Und<br />
nicht jeder traut sich gleich, neugierig g<br />
jeden Winkel zu erkunden, sich dabei<br />
womöglich zwischen Tische zu<br />
drängeln und andere Gäste<br />
beim Essen zu stören …<br />
Vor allem die Cafes<br />
platziert. Memphis, Tennessee, punktet<br />
t mit Memorabilia vom King, erinnert<br />
an die großen Zeiten der Sun-Studios<br />
und des Hauses Stax; New Orleans,<br />
Louisiana, lässt die Jazzfans staunen;<br />
in Nashville, Tennessee, und Atlanta,<br />
Georgia, können Country- und<br />
Gesehenes, während sie im Reiseführer blättert<br />
t<br />
oder in der Getränkekarte. Ein Stück weiter<br />
ist die Stimmung ausgelassener, sitzen fünf<br />
angeduselte Mittdreißiger in der Runde, haben<br />
keinen blassen Schimmer, was da alles über die<br />
Mattscheiben flimmert, wackeln trotzdem bei<br />
jeder Nummer im Rhythmus und singen bei<br />
AC/DC laut und falsch mit.<br />
Das Personal weiß indes mit allen umzugehen.<br />
Ob etwas zurückhaltender (eher selten) oder<br />
leutselig (häufiger) – die Kellner geben jedem<br />
in den USA sind<br />
Gast das Gefühl, dass sie ihm eine ganz spezi-<br />
wahre Fundgruben.<br />
elle Fürsorge angedeihen lassen. Da wird sofort<br />
Wenngleich hier eigent-<br />
lich nicht von Cafes<br />
gesprochen werden kann – der<br />
Begriff „Hallen" würde allemal bes-<br />
ser passen. Und trotz dieser zum<br />
Teil atemberaubenden Ausmaße<br />
ist an den Wänden manchmal<br />
kein Platz mehr: Neben<br />
einer signierten Gene-Simmons-<br />
Axt hängt eine Goldene der Rolling<br />
Hard-Rock-Fans schwelgen. Große und kleine<br />
Bildschirme servieren in einer Dauerschleife<br />
Clips und Live-Aufnahmen von Anthrax<br />
bis ZZ Top, von Bill Haley bis zu den<br />
Kings Of Leon. Nicht selten ersterben rben<br />
da an einigen Tischen die Gespräche<br />
zwischen ihr und ihm. Er lässt sich<br />
in die Bilder saugen, reagiert voller<br />
der Dialog gesucht, gefragt, erzählt, gefoppt.<br />
Wer ein intimes Plätzchen für stille Zweisamkeit<br />
sucht, wird es jenseits des Atlantiks in einem<br />
Hard Rock Cafe nicht leichthaben. Da ist doch<br />
eher ein dickes Fell<br />
angebracht. Gelangweilt<br />
geben sich die Mannschaften deut-<br />
scher Hard Rock Cafes allerdings<br />
auch nicht gerade, vor allem<br />
München kommt dem, was<br />
man aus Übersee und London<br />
Stones, neben einem Jerry-Lee-Lewis- Begeisterung auf ihm unbekannte<br />
kennt, doch ziemlich<br />
Hemd sind Sticks von Keith Moon Videos, freut sich über lange nicht<br />
nahe. Jedoch bricht aus-<br />
Seite 30 ■ GoodTimes 2/2014
gerechnet das Berliner Haus etwas aus.<br />
Während die meisten Hard Rock Cafes<br />
gerade auch wegen ihrer rustikalen<br />
Einrichtung und des Chics vergange-ener<br />
Jahrzehnte so besonders sind, ist<br />
Berlin ziemlich modern ausgestattet.<br />
Zudem sind die hellen Farben<br />
untypisch für die Kette. Mit Verweis<br />
auf eine signierte Uwe-Hassbecker-<br />
Gitarre (Silly) ist schon einer der<br />
wertvollsten Gegenstände benannt,<br />
und die Clips rutschen häufig eher in die Top-<br />
100-Charts ab. Wer’s mag …<br />
Ein großer Teil der Einnahmen<br />
der Restaurant-<br />
Kette wird über die<br />
Merchandise-Flotte eingefahren.<br />
T-Shirts, Hemden,<br />
Caps, Gläser, Buttons,<br />
Sticker, Kühlschrankmagnete, e,<br />
Jacken, Kindersachen,<br />
Schmuck, Accessoires und<br />
und und. Alles ist für Sammler<br />
dahingehend interessant, dass<br />
es in jeder Stadt spezielle Designs gibt. Der<br />
Clou sind die Specials mit<br />
bestimmten Künstlern.<br />
Derzeit liegt ein starkes<br />
Eric-Clapton-T-Shirt gut<br />
im Rennen. Und ganz neu<br />
kam ein Kiss-Motiv in den<br />
Shop, das einige offizielle Designs aus der<br />
Merchandising-Maschinerie der US-Heavy-<br />
Rocker abhängt. The Who sind längst ausverkauft,<br />
John Lennon, Willie Nelson, Jimi<br />
Hendrix oder Elvis Presley aber noch<br />
zu kriegen.<br />
Kleine Bühnen sind kein Standard,<br />
aber in den größeren Cafes vorhan-<br />
den. Und wo es sie gibt, gehören<br />
abendliche<br />
Konzerte natürlich zum<br />
Angebot. Tagsüber dient zurückge-<br />
lassenes Billig-Equipment den Gästen<br />
als Requisite für Erinnerungsfotos.<br />
Mädchencliquen posen dann<br />
genauso als imaginäre Band wie<br />
Gruppen gestandener Herren.<br />
Richtig cool wird es allerdings<br />
in den Hard Rock<br />
Hotels. Die sind natürlich<br />
gehobene Preisklasse und<br />
absolut auf dem neuesten<br />
Stand. Lediglich die<br />
Ausstellungsstücke,<br />
überdimensionale<br />
Leuchtreklame-Gitarren<br />
an der Straße und<br />
Flying-V-Klampfen als<br />
Griffe an den großen<br />
Eingangstüren (Biloxi,<br />
Mississippi), stellen die<br />
Verbindung zur Cafe-<br />
Kette her. Größere Säle<br />
ermöglichen<br />
dementsprechend<br />
größere<br />
Konzerte. In Las Vegas,<br />
Nevada,<br />
zeichneten<br />
erst vergangenes Jahr im dortigen<br />
Hard Rock Hotel Def Leppard<br />
eine Live-DVD auf, für die sie ihr<br />
erfolgreichs tes Album, HYSTERIA,<br />
in<br />
voller Länge präsentierten. Wie<br />
dem auch sei: Jährlich gehen an die<br />
15.000 Gigs über die Bühnen der<br />
Hard-Rock-Häuser.<br />
Als<br />
Isaac Tigrett und Peter Morton<br />
am<br />
14. Juni 1971 das erste Cafe<br />
eröffneten, hätten sie sicher geschmeichelt,<br />
aber ungläubig g durch den Hasch-Rauch<br />
gegrinst, wenn ihnen<br />
jemand diesen Erfolg<br />
vorausgesagt hätte.<br />
Geschäftstüchtig waren<br />
die beiden Herren aber<br />
von Anfang an, denn schon<br />
beim Logo überließen sie<br />
nichts dem Zufall. Nicht<br />
nur, dass man das Design<br />
der Chevrolet-Blechmarke<br />
nachempfand, man holte<br />
sich sogar Alan Aldridge ins<br />
Boot, der bereits für die Beatles Aufträge<br />
erledigt hatte. Allerdings dürfte es wiederum<br />
dann doch eher Zufall gewesen sein, dass<br />
ausgerechnet<br />
ein<br />
Beatle 1973 das<br />
erste Konzert im Londoner Cafe bestritt:<br />
Paul McCartney und seine e Wings testeten<br />
ihr Programm für die<br />
anstehende UK-Tour. Ein<br />
Jahr später begann der<br />
Siegeszug der Hard-Rock-<br />
Cafe-T-Shirts: Tigrett und<br />
Morton sponserten ein<br />
Londoner Fußballteam und<br />
ließen ihr Logo auf die<br />
Spielerbekleidung drucken.<br />
Da nicht alle Hemden<br />
benötigt wurden, gingen n<br />
einige zurück an die Spender, die diese wiederum<br />
an ein paar Kunden verteilten. Und schon<br />
wollte jeder, der keins hatte, eines haben. So<br />
einfach war es in den 70er Jahren manchmal,<br />
das große Geld zu machen!<br />
Kein Deut weniger unterhaltsam ist der Beginn<br />
der Memorabilia-Ausstellung: Eric Clapton<br />
hängte 1979 eine seiner Gitarren über einen<br />
Stuhl im Londoner Mutter-Cafe, um seinen<br />
Stammplatz zu markieren und andere Gäste<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 31<br />
von diesem fernzuhalten. Nur knapp eine<br />
Woche später schickte dann Pete Townshend<br />
einen seiner Sechssaiter ein und vermerkte auf<br />
einem Zettel: „Meine ist so gut wie seine!"<br />
Heute hat die Kette über 74.000 Raritäten im<br />
Bestand.<br />
Das eigentlich uramerikanische Konzept der<br />
Restauration kam erstaunlicherweise aber<br />
erst 1982 in den Vereinigten Staaten an.<br />
Das erste Cafe öffnete in Los<br />
Angeles. Mittlerweile ist die Kette<br />
neben den USA, Großbritannien und<br />
Kanada auch in Asien, in Süd- und<br />
Mittelamerika, in der Karibik, in<br />
Afrika, im Mittleren Osten sowie<br />
in Ost- und Westeuropa vertreten.<br />
Es gibt Hard Rock Casinos,<br />
Hard-Rock-Live-Venues und<br />
Freizeitparks …<br />
Schlagzeilen machte die Kette,<br />
die über die Jahre eine Reihe von Besitzern<br />
sah, zuletzt tdamit, dass sie von den Seminolen<br />
aufgekauft wurde. Der Stamm, der<br />
sich korrekterweise Seminole Tribe<br />
Of Florida nennt und als der angepasste<br />
Teil der Seminolen-Nation<br />
gilt, akzeptierte bereits 1979<br />
Glücksspiel in seinem Reservat<br />
und wurde damit reich. 2006<br />
kauften die Seminolen für 727<br />
Millionen Euro die Hard-Rock-<br />
Cafe-Kette, verstärkten die karitativen<br />
Aktivitäten und setzten<br />
bei den Zutaten t der Gerichte noch stärker<br />
auf Bio. Die Indianer vermieden<br />
es wohlweislich,<br />
der Kette einen folkloristischen<br />
Touch zu verleihen<br />
und womöglich indianische<br />
Elemente zu integrieren.<br />
Und das Geschäft<br />
brummt …<br />
Jens-Uwe Berndt
DEM TÄTER AUF DER SPUR<br />
Mörderjagd<br />
?<br />
? ? ?<br />
?<br />
?<br />
?<br />
Täter auf der Spur" war von<br />
als Ratequiz<br />
" Aber ja! So muss es gewesen sein!" – Also, für Sie ist der Fall …" –<br />
"<br />
„… klar! Und für Sie?" Nicht, dass der mürrisch-todernste Kommissar<br />
Bernard in diesem Moment seinen skurrilen und stets sardonisch grinsenden<br />
Kollegen Inspektor Janot ansah – nein, er wandte sich an das<br />
TV-Publikum und an die im Studio versammelten prominenten Gäste.<br />
Und die konnten sich wirklich sehen lassen: Inge Meysel, Uschi Glas, Hans<br />
Rosenthal, Bibi Johns, Helga Feddersen und sogar Bundesinnenminister<br />
Hans-Dietrich Genscher saßen brav in der Raterunde und versuchten<br />
jeder für sich zu ergründen, wer den zuvor gesehenen Mord begangen<br />
haben könnte.<br />
D<br />
em<br />
„ 1967 bis 1973 um 20.15 Uhr im<br />
Samstagabend-Programm der ARD<br />
zu sehen und erfreute sich schnell<br />
einer wachsenden Fangemeinde.<br />
Die jeweiligen Ausstrahlungen der<br />
17 Folgen waren zwischen 30 und<br />
100 Minuten lang und stammten<br />
aus dem reichhaltigen Ideenfundus<br />
von Jürgen Roland („Stahlnetz",<br />
„Tatort", „Großstadtrevier"), der<br />
hier Drehbücher meist französischer<br />
Autoren verwendete.<br />
Zu Gast bei Jürgen Roland: Sabine Christiansen und Werner<br />
Baecker – Dem Täter auf der Spur: Frau gesucht …" (1970)<br />
"<br />
französischen Rollennamen nur zusätzlich verwirren,<br />
die in deutschen Ohren recht ähnlich<br />
klangen. So konnte es im Studio schon mal zu<br />
einer Prominentenaussage wie „Na ja, ich denke,<br />
es war dieser Chauchot oder Chazeux" kommen.<br />
Und darauf gab es nicht mal hämische Lacher im<br />
Studiopublikum, sondern pures Verständnis.<br />
Von Oliver Schuh<br />
Dem Täter auf der Spur: Der Tod in der Maske" (1972)<br />
"<br />
mit Horst Frank und Monika Gabriel<br />
Warum Roland<br />
die recht kom-<br />
p<br />
l i z i e r t e n<br />
Geschichten<br />
seines<br />
Krimiquiz'<br />
in Frankreich<br />
beließ,<br />
ist nicht ganz<br />
klar. Vielleicht<br />
wollte er die<br />
Rategemeinde<br />
mit den vielen<br />
Birgit Schanzen, Jürgen Roland und Ulrich Wickert (v.l.) sind dem Täter auf der Spur.<br />
Der Aufbau der Sendung war stets der gleiche:<br />
Jürgen Roland bereitete das Publikum und<br />
seine Gäste auf den nun folgenden Fall vor, bat<br />
darum, genauestens zu beobachten und zuzuhören<br />
und den Fall anhand von Indizien zu lösen. Dann begann die<br />
„Whodunit"-Phase: Ein Mord wird entdeckt, und die Ermittler nehmen<br />
ihre Arbeit auf. Hin und wieder wendet sich Bernard direkt an<br />
die Zuschauer, stellt eine These auf und lässt die TV-Gemeinde an<br />
seinen Gedankengängen teilhaben – das<br />
alles muss aber nicht zwingend stimmen.<br />
Und plötzlich, wenn man glaubte, alles sei<br />
völlig verfahren, kam der Gedankenblitz<br />
auf Kommissar Bernard nieder, und die<br />
anfangs genannten Worte fielen. Nun<br />
war es an den Zuschauern zu knobeln,<br />
und die prominenten Gäste mussten<br />
ihr Urteil präsentieren und begründen.<br />
Danach ging es zurück zu Kommissar<br />
Bernard, der aus einem Mix von scheinbar<br />
unbedeutenden Bemerkungen und<br />
flüchtigen<br />
Beobachtungen<br />
ein<br />
Ergebnis präsentierte,<br />
dass zu manchem „Ach!" und<br />
„Ja, klar!" führte.<br />
Günther Neutze als eben dieser<br />
Kommissar war ein fabelhafter Grummler<br />
und Karl Lieffen als tölpelhafter Janot<br />
ein kongenialer Partner. Und erst die<br />
Schauspielerriege! Hier hatte man es<br />
nicht einfach nur mit fünfmal Margot<br />
Trooger oder Horst Frank zu tun, die<br />
zu der Zeit ja ohnehin omnipräsent Günther Neutze (l.) und Karl Lieffen<br />
im Fernsehen waren. Man sah Will in Das Fenster zum Garten"<br />
" Quadfl ieg, Günter Lüders, Uwe<br />
Friedrichsen, Heinz Schubert und<br />
und und. Viel Personal, das in den<br />
folgenden Jahren auch bei „Derrick"<br />
auftauchte.<br />
Aber das – mit Verlaub – waren<br />
dann ganz andere Geschichten.<br />
Dem Täter auf der Spur: Das Fenster zum Garten", 1969,<br />
"<br />
mit Heiner Schmidt und Günther Neutze.<br />
Seite 32 ■ GoodTimes 2/2014
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GoodTimes 2/2014 ■ Seite 33
Gesprengte Ketten<br />
Von Roland Schäfli<br />
Hollywood in<br />
Deutschland<br />
– Spurensuche vor Ort<br />
Das Schloss Neuschwanstein im Allgäu garantiert Füssen den Tourismus, ohne<br />
dass die Füssener viel über das Wie und Was nachzudenken bräuchten. Es hat<br />
dementsprechend 50 Jahre gedauert, bis ihnen einfiel, dass der Klassiker "<br />
The<br />
Great Escape" (deutscher Titel: "<br />
Gesprengte Ketten") über den Ausbruch aus einem<br />
deutschen Kriegsgefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs einst direkt<br />
vor ihrer Tür gedreht wurde. Steve McQueen, der King Of Cool, ist nun mal fast so<br />
populär wie König Ludwig.<br />
Es begann vor einigen Jahren: Besucher<br />
aus dem Ausland zeigten plötzlich<br />
keinerlei Interesse mehr an König-<br />
Ludwig-Kitschsouvenirs, sondern verhörten<br />
die Einheimischen, wo denn die Szenen aus<br />
„Gesprengte Ketten" auf Zelluloid gebannt<br />
worden seien. Dass der Film 1963 in der<br />
Region Füssen entstanden war, wusste man.<br />
Der Drehort war in Biografien und der<br />
Filmliteratur immer wieder erwähnt worden.<br />
Aber wo genau fanden die Dreharbeiten<br />
statt, wo hielten sich die Stars während<br />
ihrer Zeit in Bayern auf?! Das galt es vor Ort<br />
herauszufinden ...<br />
Ein ultimativer Moment der 60er<br />
Der Bauer stützt sich auf seine Mistgabel.<br />
Sein Gesichtsausdruck sagt alles: schon<br />
wieder einer! Er deutet auf die hügelige<br />
Wiese hinter sich, ohne selbst hinsehen zu<br />
müssen. Da drüben war's. Genau da, wo<br />
der Elektromast heute steht. Man kann die<br />
dramatische Szene vor sich sehen: Hilflos<br />
hängt Captain Virgil Hilts, der Flüchtling,<br />
im Stacheldraht im Niemandsland fest,<br />
die zerschundene Hand nach den grünen<br />
Wiesen dahinter ausstreckend. Noch am<br />
Grenzbaum haben sie ihn geschnappt: Steve<br />
McQueens Motorradflucht ist spektakulär<br />
gescheitert. Während dieses kinematografischen<br />
Höhepunkts flattert die Schweizer<br />
Fahne gleichgültig im Wind. Obwohl das<br />
Fluchtziel, die echte Schweizer Grenze, rund<br />
zweieinhalb Fahrstunden vom Drehort entfernt<br />
liegt. Wenn James Garner im Flugzeug<br />
ausgerechnet das Schloss Neuschwanstein<br />
überfliegt und erklärt, er sehe schon „die<br />
Schweizer Alpen", ist das also schon mehr<br />
als ein geografischer Irrtum.<br />
Erst vor einem Jahr erschien zur<br />
Überraschung des Landwirts ein<br />
Motorradfahrer vor Ort, in Wehrmachtskluft.<br />
„Die stellten für ein englisches Motorrad-<br />
Magazin alles genau nach", schüttelt er<br />
amüsiert den Kopf. Dass die<br />
Faszination so lange anhält,<br />
verblüfft selbst ihn als<br />
Augenzeugen: Als zehnjähriger<br />
beobachtete er die Filmleute und<br />
sah, wie wochenlang die Klappe für den<br />
nunmehr legendären Stacheldrahtsprung<br />
fiel: „Der Stuntman ist immer wieder reingefallen<br />
in den Draht, aber da das alles<br />
aus Balsaholz war, hat’s ihm nix ausgemacht."<br />
Den vielleicht längsten Stahldraht<br />
der Filmgeschichte haben die Bauern später<br />
dann übrigens ganz unsentimental weiterverwendet,<br />
um ihre Kuhweiden einzuzäunen.<br />
„100 Mark haben wir für die Miete<br />
der Wiese gekriegt. Das war damals ein<br />
Heidengeld", erinnert er sich zum Abschied<br />
noch.<br />
Es dauerte eine ganze Weile, bis Füssen<br />
sich daran erinnert hat, dass mit den<br />
„Gesprengten Ketten" Geld zu machen ist.<br />
Zum 50. Jubiläum der Dreharbeiten wurde<br />
ein Buch mit Schnappschüssen veröffentlicht,<br />
und im Stadtmuseum Füssen war<br />
in einer vielbeachteten Ausstellung unter<br />
anderem McQueens Motorrad zu sehen<br />
– dasjenige, das als Ersatz bereitstehen<br />
musste, wenn der Stuntman mal wieder den<br />
Absprung verpasste ...<br />
Seite 34 ■ GoodTimes 2/2014
In den Betten der Stars<br />
Gleich mehrere Hotels werben heute<br />
mit dem „Great Escape"-Erlebnis: „Der<br />
wurde gleich hier gedreht", schreibt ein<br />
Hotelier auf Anfrage. Was natürlich geflunkert<br />
ist. Die bekannteren Stars logierten im<br />
Appartementhaus Pergola in Hopfen am See.<br />
Der Betreiber lässt es uns in Augenschein<br />
nehmen. Was Filmnarren freut, dürfte reguläre<br />
Gäste abschrecken: Die Hotelzimmer sehen<br />
noch immer aus wie 1963!<br />
Hier schlief James Coburn: Der Hotelier in Hopfen am See erinnert sich,<br />
dass für den langbeinigen Star zwei Betten<br />
zusammengeschoben wurden.<br />
Die Stars schrieben<br />
übrigens<br />
überraschend persönliche<br />
Widmungen<br />
ins Gästebuch. Steve<br />
In Füssen ausgestellt:<br />
McQueens Baseball und das<br />
Motorrad, das für den waghalsigen<br />
Sprung über den<br />
Stacheldraht als Ersatz bereitstehen<br />
musste.<br />
McQueen hinterließ dem Gastwirt zudem<br />
den Baseball, den er im Film immer dann<br />
hervorholt, wenn er die Langeweile seiner<br />
Aufenthalte in Einzelhaft überspielen muss.<br />
Und James Coburn<br />
schenkte ihm sogar<br />
seine Mütze aus dem<br />
Film. „Die hab' ich<br />
aber irgendwann im<br />
Gepäcknetz eines<br />
Flugzeugs vergessen."<br />
Irgendwie<br />
hat<br />
Füssen dann aber<br />
den ganzen Film für<br />
lange Jahre vergessen.<br />
Vielleicht<br />
war es einfach<br />
unangenehm,<br />
Schauplatz<br />
e i n e s<br />
Streifens<br />
zu sein, in<br />
dem die<br />
Nazis 50<br />
Menschen<br />
an die<br />
Wand stellen. Damals hingegen<br />
bewarb sich die deutsche<br />
Filmindustrie, nach dem Krieg<br />
nie mehr so recht auf die Füße<br />
gekommen, regelrecht um den<br />
Auftrag. Statt der üblichen 40<br />
Dollar Tagesgage für Statisten gab<br />
man sich beispielsweise mit 15<br />
zufrieden, um Produktionen anzulocken<br />
...<br />
Wir checken im Hotel Hirsch ein, in<br />
dessen Räumlichkeiten Stuntman<br />
Bud Ekins also seine Wunden leckte, wenn er<br />
mal wieder ins Balsaholz gebrettert war. Nein,<br />
den Film habe sie noch nie gesehen, erklärt die<br />
Rezeptionistin, aber sie hat auswendig gelernt,<br />
wo Charles Bronson bei der Pokerrunde immer<br />
saß, im Bierstüberl nämlich. Doch genau auf<br />
Bronsons Stammplatz thront heute ein betagter<br />
Allgäuer, der uns partout nicht am Stammtisch<br />
sitzen lassen will. Fünf Jahrzehnte später ist er<br />
Die Altstadt von Füssen: An dieser Stelle wird Gordon Jacksons Flucht<br />
von einem zufällig ins Bild fahrenden Radfahrer jäh gestoppt.<br />
noch immer aufgebracht, dass alle Mädchen<br />
der Stadt „ums Hotel rumscharwenzelten". In<br />
Füssens Betten war Charles Bronson besonders<br />
aktiv: Während der Dreharbeiten machte er<br />
Co-Star David McCallum dessen damalige Frau<br />
Jill Ireland abspenstig. Es kam zur Scheidung,<br />
Bronson heiratete Ireland später und verschaffte<br />
ihr in vielen seiner Filme die Hauptrolle.<br />
McQueen: 40 deutsche<br />
Strafzettel<br />
Steve McQueen wiederum ließ es sich nicht<br />
nehmen, die Strecke zum Drehort auf<br />
dem Motorrad zurückzulegen. Eines Tages,<br />
er trug eine deutsche Uniform (die er im Film<br />
einem deutschen Soldaten abnimmt), verfuhr<br />
er sich. Die seltsame Erscheinung sorgte für<br />
einen Menschenauflauf, und McQueen, des<br />
Deutschen nicht mächtig, musste sich pantomimisch<br />
nach dem Weg erkundigen. Auf<br />
der Flucht vor der deutschen Polizei war er<br />
ÜBER SIEBEN BRÜCKEN<br />
MUSST DU GEHN<br />
Der Film, der den Kult-Song<br />
berühmt machte!<br />
Ab jetzt überall im<br />
Handel erhältlich!
im Übrigen nicht nur im Film: Die Beamten<br />
verfolgten ihn bei seinen rasanten Ausflügen<br />
– allerdings meist erfolglos – und verpassten<br />
ihm insgesamt 40 Strafzettel wegen<br />
Geschwindig keitsüber schreitung. Mehr als<br />
einmal schrottete der Star mit Benzin im Blut<br />
den Wagen, den ihm die Produktionsfirma<br />
gestellt hatte. Produzent Robert Relyea saß<br />
einmal auf dem Beifahrersitz, als McQueen<br />
Gleich in der Nähe<br />
der Szenerie,<br />
wo McQueens rasante<br />
Flucht in Szene<br />
gesetzt wurde, findet<br />
sich der Barbier<br />
von Weißbach. Hier<br />
darf man sich auf<br />
den Stuhl setzen, auf<br />
Die Altstadt von Füssen: An dieser Stelle wird Gordon Jacksons Flucht<br />
von einem zufällig ins Bild fahrenden Radfahrer jäh gestoppt.<br />
Bald nicht mehr so zu sehen wie im Film: Der Bahnhof von Füssen, Kulisse der<br />
dramatischen Todesszene von David McCallum, soll umgebaut werden.<br />
Auf dem "<br />
Brotmarkt" von Füssen wurde ein emotionaler Höhepunkt auf Film<br />
gebannt: Beim Einsteigen in einen Bus verrät sich ein entflohener Kriegsgefangener,<br />
indem er den Gruß eines Gestapo-Agenten auf Englisch erwidert.<br />
in seinem Mercedes einen deutschen Bauern<br />
überholen wollte. Als die Hupe nicht half,<br />
kurvte er kurzerhand über ein Feld, doch ein<br />
Baum stoppte sein Überholmanöver. Obwohl<br />
er nicht verletzt wurde, hätte er beinahe um<br />
den demolierten Mercedes geweint, erinnerte<br />
sich Relyea später. Als der Hauptdarsteller<br />
schließlich vor Gericht erscheinen musste,<br />
konnte er nur die Kopie seines Führerscheins<br />
vorweisen – das Original hatte er verloren.<br />
Die Anwälte der Filmproduktion muss ten den<br />
Star rauspauken.<br />
Nichts deutet heute darauf hin, dass an dieser Kreuzung Steve<br />
McQueens Motorradflucht begann, einer der erinnerungswürdigs<br />
ten Kinomomente der 60er Jahre.<br />
dem Steve McQueen sich den Bart vom am<br />
Lederriemen geschärften Rasiermesser schaben<br />
ließ. Ein älterer Herr kommt auf die<br />
Veranda, als ein Fremder auf Spurensuche<br />
über sein Grundstück marschiert. „Geht’s um<br />
,Gesprengte Ketten'?", fragt er nur, um dann<br />
nickend (oder ist es kopfschüttelnd?) dem Fan<br />
seinen Willen zu lassen. So geht es manchem<br />
Allgäuer. Sie wären ungestört geblieben, hätte<br />
nicht vor 50 Jahren Produzent Robert Relyea<br />
kurzfristig eine Entscheidung getroffen: Denn<br />
eigentlich war bereits beschlossen, den Film<br />
statt im Allgäu in den San Jacinto<br />
Bergen zu drehen, wo kalifornische<br />
Pinien fast genauso aussehen<br />
wie deutsche Bäume – ganz nach<br />
der bewährten Hollywood-Maxime:<br />
„A tree is a tree."<br />
Nachdem Relyea<br />
aber mögliche alternative<br />
Locations<br />
ausgekundschaftet<br />
hatte, rief er<br />
Regisseur John<br />
Sturges an: „Guess<br />
what? Germany<br />
looks like Germany,<br />
not California."<br />
Wovon man sich<br />
heute noch überzeugen<br />
kann ...<br />
Reisetipps<br />
Im Hotel Hirsch in Füssen wohnten Stars wie David<br />
McCallum, und im Bierstüberl spielte Charles<br />
Bronson Poker: www.hotelfuessen.de<br />
Das Appartementhaus Pergola, wo Steve McQueen,<br />
James Coburn, James Garner und Regisseur<br />
John Sturges während der sechswöchigen<br />
Außenaufnahmen wohnten, heißt heute Alpina,<br />
Enzensbergerstraße 6, Hopfen am See.<br />
Füssen wurde im Film "<br />
international" genutzt: Der<br />
Schwanseepark am Stadtrand stellte im Film das<br />
Grenzgebiet zu Spanien dar, und der Platz direkt an<br />
der Brücke über den Lech wurde in ein französisches<br />
Café verwandelt.<br />
Nebst der historischen Altstadt von Füssen sind Orte<br />
der unmittelbaren Umgebung im Film zu sehen:<br />
Spandau, Zell, Weißbach, Hopfen am<br />
See. Ein Verehrer des Films hat sich<br />
die Mühe gemacht, alle Locations<br />
abzubilden, und erleichtert damit die<br />
Suche immens:<br />
www.thegreatescapelocations.com<br />
In Spandau, wo James Coburn ein<br />
Fahrrad stiehlt, empfiehlt sich das<br />
Bier des Brauhauses:<br />
www.brauhaus-spandau.de<br />
Das Tiroler Filmarchiv gibt zum<br />
50. Jubiläum der Dreharbeiten ein<br />
Buch mit Schnappschüssen des<br />
Kameramanns Walter Riml heraus,<br />
für 33 Euro zu bestellen bei: office@<br />
tiroler-filmarchiv.at<br />
Seite 36 ■ GoodTimes 2/2014
Jürgen von Manger<br />
Adolf Tegtmeiers<br />
Sicht der Dinge<br />
Von Oliver Schuh<br />
"<br />
Zitat is, wat man sich nich traut zu sagen, und dann<br />
erzählt, wat so'n Toter mal gesacht hat." Das ist<br />
eine der zahllosen Lebensweisheiten, die Jürgen<br />
von Manger in seiner Rolle als Adolf Tegtmeier<br />
geprägt hat. Allein "<br />
Chemie is Natur zu stark<br />
herabgesetzten Preisen" oder "<br />
Literatur is, wat so<br />
inne Bücher steht, wo zum Herzeigen da sind" sind<br />
es wert, an ein Ruhrpott-Original zu erinnern, das<br />
eigentlich aus Koblenz stammte.<br />
Der unvergleichliche Humor des Jürgen von Manger prägt – ohne<br />
dass es heute noch vielen Zuschauern bewusst ist – auch jetzt noch<br />
die Kabarettisten und Comedians in Deutschland. Seine satirischen<br />
Techniken verwenden auch seine beruflichen Enkel noch gerne, seien<br />
es Dieter Nuhr oder Georg Schramm, und auch Erwin Pelzig oder gar<br />
Hape Kerkeling dürfen sich einreihen. Dumme Fragen stellen kann<br />
jeder, mit eben diesen aber und den selbst gegebenen, häufig absurden<br />
Antworten menschliche Schwächen bloßzulegen,<br />
ist ein Verdienst der Kunstfigur Adolf Tegtmeier.<br />
Sie demaskierte „die da oben" genauso wie „die<br />
da unten".<br />
Geboren 1923 als Hans Jürgen Julius Emil Fritz<br />
König (Vater Staatsanwalt, Mutter eine Adelige<br />
von Manger), begann Jürgen von Manger seine<br />
Schauspielkarriere gleich nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg. 17 Jahre lang besetzte er Rollen im komischen<br />
Charakterfach am Schauspielhaus Bochum<br />
und in Gelsenkirchen. Der Aufenthalt in diesen<br />
Städten prägte seinen Hang zum Kohlenpott-Slang.<br />
Die Figur des Kleinbürgers Adolf Tegtmeier hatte<br />
von Manger ursprünglich für den Hörfunk entwickelt<br />
und auch erfolgreich auf Schallplatte gebannt.<br />
Daneben stand er weiterhin auf der Bühne, zwar nicht als Tegtmeier,<br />
aber zum Beispiel 1964 an der Deutschen Oper am Rhein in der Rolle des<br />
Frosches in der Operette „Die Fledermaus". Regie führte Helmut Käutner.<br />
Nur wenige Humoristen konnten die menschlichen Unzulänglichkeiten<br />
so herzerwärmend auf den Punkt bringen wie Jürgen von Manger.<br />
Besonders angetan hatten es ihm die kleinen Leute, wenn sie in<br />
die Mühlen des Gesetzes gerieten. Vom naiven, aber doch durchaus<br />
berechnenden Schwiegermuttermörder (ein Paradestück) bis zum<br />
Gefängniswärter, vom teils unfassbar debilen Fahrschüler bis zum fröhlichen<br />
Henker reichte sein Repertoire. Jürgen von Manger hatte tatsächlich<br />
auch einige Jahre Jura studiert, und diese Erfahrung hat deutlich<br />
sichtbar so manche unvergessliche Nummer vor Gericht inspiriert.<br />
Am 14. Juli 1972 wurde die erste Folge von „Tegtmeiers Reisen" ausgestrahlt.<br />
Von Manger legte seine Figur als voreingenommenen und etwas<br />
schlichten Pauschaltouristen an, der zwar keine Ahnung vom jeweiligen<br />
Reiseziel – ob Schottland oder Thailand –, aber zu allem eine Meinung hat.<br />
Unvergessen seine Einschätzung zur möglichen psychischen Belastbarkeit<br />
der Venezianer: „Tolle Mensch’n – de ganze Stadt unter Wasser, aber<br />
de Leute singen." Solche entlarvenden Kulturbetrachtungen eines sicht-<br />
und hörbar Bildungsfernen, wie es heute so schön<br />
heißt, seine unnachahmlichen Tischreden, deren<br />
Peinlichkeit einem die Tränen in die Augen trieb,<br />
sowie seine Gerichtspossen, bei denen man sich<br />
schier wegschmeißen konnte, dürfen getrost als<br />
seine Hinterlassenschaft bezeichnet werden.<br />
Geschrieben wurden die Texte von Regisseur<br />
und Drehbuchautor Joachim Röhring. Dieses<br />
gilt ebenso für die nachfolgenden Sendungen<br />
„Tegtmeier klärt auf" (1981–1983; Bonmot:<br />
„Stehkneipen sind ja so beliebt, weil der Alkohol<br />
hier dat beste Gefälle hat") und „Tegtmeier"<br />
(1984/85).<br />
Natürlich ist dies alles eine Frage des Geschmacks,<br />
aber die Art und Weise, wie Tegtmeier die Sätze<br />
verdrehte und<br />
„zusammenknusen tat", so dass man trotzdem auch<br />
heute noch versteht, was er meinte, ist einmalig und von kaum einem<br />
anderen Humoristen danach erreicht worden. Somit darf Jürgen von<br />
Manger eingereiht werden in die Riege berühmter deutscher Komiker<br />
wie Loriot und Heinz Erhardt.<br />
Während der Produktion der zuletzt genannten Sendung „Tegtmeier"<br />
erlitt Jürgen von Manger einen Schlaganfall, der auch sein<br />
Sprachzentrum in Mitleidenschaft zog. Daraufhin war er kaum noch<br />
in der Öffentlichkeit zu sehen, außer bei einem Auftritt im März 1988<br />
anlässlich seines 65. Geburtstages, als er vor die Kamera trat, um sich<br />
für die Unterstützung seiner Fans zu bedanken.<br />
Jürgen von Manger starb im Jahr 1994 im Alter von 71 Jahren.<br />
Es ist zu dumm, aber auch bezeichnend für die deutsche<br />
Fernsehlandschaft,<br />
dass sich kein<br />
Programmgestalter<br />
bemüßigt sieht, ihn<br />
mal wieder auf die<br />
Mattscheibe zu bringen.<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 37
<strong>kult</strong>! Bücher<br />
Von Alan Tepper<br />
In den letzten Jahren verstärkt sich der Trend zur<br />
kurzweiligen, aber gleichzeitig oberflächlichen<br />
Literatur. Marktanalysen, die den vermeintlichen Geschmack<br />
der Leser ergründen sollen, nötigen Autoren,<br />
Fließbandarbeit zu leisten, schnell auf Trends aufzuspringen<br />
und Themengebiete innerhalb kürzester Zeit<br />
abzugrasen. Glücklicherweise gibt es heute wie auch<br />
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
schon vor Jahren Gegenströmungen, Individualisten,<br />
denen das geschriebene Wort viel bedeutet. Visionäre<br />
Werke wie Sylvias Plaths "<br />
Die Glasglocke" oder Zeitdokumente<br />
wie Tom Wolfes – "<br />
Der Electric Kool-Aid<br />
Acid Test" haben den vielbeschworenen Test der Zeit<br />
makellos überstanden und werden sicherlich von neuen<br />
Büchern gefolgt ...<br />
Preston & Child –<br />
Attack: unsichtbarer Feind"<br />
Terry Pratchett – "<br />
Vollständiger und unentbehrlicher<br />
Stadtführer von Ankh-Morpork"<br />
" Sämtliche Dramen" "<br />
Der Electric Kool-Aid Acid Test"<br />
Albert Camus –<br />
Tom Wolfe –<br />
M" it dem aktuellen Roman des Autorenteams, das für spannende<br />
Wissenschaftsthriller beliebt ist, betreten Douglas Preston und<br />
Lincoln Child eher konventionelles Territorium,<br />
denn hier handelt es sich um einen kunstvoll<br />
ausgearbeiteten Krimi, in dessen Mittelpunkt der<br />
beliebte FBI-Agent Pendergast steht. Die junge<br />
Corrie Swanson, die von Pendergast bei ihrer<br />
Ausbildung als Kriminologin unterstützt wird, geht<br />
in dem exklusiven<br />
Wintersportgebiet<br />
Roaring<br />
Fork<br />
einer Reihe unerklärlicher<br />
li Morde nach, die allerdings<br />
schon über 100 Jahre zurückliegen. Sie<br />
entdeckt Widersprüche, die Grauenhaftes vermuten lassen. Erst als sich<br />
Pendergast einschaltet, lichtet sich das Dunkel, denn die noch nie veröffentlichte<br />
Sherlock-Holmes-Geschichte „Das Abenteuer von Aspern<br />
Hall" – erstklassig erzählt – birgt den Schlüssel zu den Taten. Die<br />
verschiedenen, kunstvoll ineinander geflochtenen Handlungsstränge<br />
und der, verglichen mit den letzten Romanen, deutlich höhere<br />
Realitätsbezug garantieren spannendes Lesevergnügen.<br />
Das Werk von Albert Camus (7. November 1931–4. Januar 1960)<br />
erfreute sich speziell in den ausklingenden Fünfzigern, aber<br />
auch den beiden darauffolgenden Dekaden<br />
großer Beliebtheit. Neben den Klassikern wie<br />
„Der Mythos des Sisyphos", „Die Pest" oder<br />
„Der Fremde" zähen die Dramen zu den<br />
wichtigen Schriften, denn hier setzt sich der<br />
Existenzialist und Humanist mit den grundlegenden<br />
menschlichen Konflikten und deren<br />
Tragweite auseinander. Die aktuelle Sammlung<br />
enthält alle Dramen<br />
in<br />
vorbildlicher<br />
Übersetzung.<br />
Die<br />
Tragödie „Caligula"<br />
ist ein direkter Angriff auf die Machtgier<br />
der Herrschenden, wohingegen „Die<br />
Besessenen" von Dostojewskis „Die<br />
Dämonen" inspiriert wurde und die Figur<br />
eines Revolutionärs intensiv ausleuchtet.<br />
Erstmalig auf Deutsch erschienen ist der<br />
Text „Das Impromptu der Philosophen" (von Camus unter einem<br />
Pseudonym verfasst), in dem er seinen Kollegen Jean-Paul Sartre<br />
satirisch aufs Korn nimmt. Provozierend, aufrüttelnd, beeindruckend<br />
und für neue Denkanstöße geeignet – Camus lohnt sich!<br />
Der britische Autor Terry Pratchett (geb. 28. April 1948) sorgt<br />
besonders mit seinen „Scheibenwelt"-Romanen für Furore, denn<br />
die Mischung aus Fantasy mit einem Hauch von<br />
Science Fiction, veredelt durch nicht zu überbietende<br />
Parodien, richtet sich an ein Publikum,<br />
das der traditionellen Fantasy überdrüssig ist.<br />
Eine detailliert ausgearbeitete Welt (die ständig<br />
ergänzt wird), Sprachwitz sowie messerscharfe<br />
und spitzfindige<br />
Anspielungen summieren<br />
sich zu einem<br />
kreischend grellen Lesevergnügen. Mit dem<br />
aktuell erschienenen Stadtführer des wichtigsten<br />
Handlungsorts dieses Universums Ankh-<br />
Morpork hat sich Pratchett erneut übertroffen.<br />
Im Stil des Viktorianismus liebevoll illustriert, werden hier „Gesetze und<br />
Verordnungen", „Orte der Andacht" oder „Die unsichtbare Universität"<br />
dargestellt und erläutert. Einen großen Teil des Bandes nimmt ein<br />
„Branchenverzeichnis" ein, in dem die skurrilsten Dienstleistungen<br />
offeriert werden. Unübertrefflich! Als Bonus erscheint zusammen mit<br />
dem Buch eine riesige Straßenkarte!<br />
Tom Wolfe (geb. 2. März 1931) ist in Deutschland vor allem für sein<br />
Buch „Fegefeuer der Eitelkeiten" bekannt. Mit seinem „Der Electric<br />
Kool-Aid Acid Test" aus dem Jahr 1968 hat er<br />
jedoch eine klassischen Kultroman verfasst, der<br />
sicherlich Vergleiche mit „Unterwegs" von Jack<br />
Kerouac oder dem lyrischen Werk von Allen<br />
Ginsberg nicht zu scheuen braucht (die natürlich<br />
auch hier auftauchen). Der Text wird dem<br />
so genannten New Journalism zugerechnet,<br />
einer damals neuen Herangehensweise, bei der<br />
Fakten mit möglichst zutreffenden emotionalen<br />
Eindrücken<br />
angereichert<br />
werden. Wolfe<br />
beschreibt die durchgeknallte Reise von<br />
Ken Kesey, selbst Autor des populären<br />
„Einer flog über das Kuckucksnest",<br />
und seiner Merry Pranksters, die in<br />
einem Bus durch die USA fahren und<br />
an jedem sich nur bietenden Ort den Willigen und Neugierigen<br />
LSD-Selbsterfahrungs-Trips anbieten. Nicht nur die vielen komischen<br />
und bizarren Passagen faszinieren, sondern das authentische<br />
Stimmungsbild der Sixties und der sich damals bietenden<br />
Möglichkeiten.<br />
Seite 38 ■ GoodTimes 2/2014
Sylvia Plath – "<br />
Die Glasglocke"<br />
Sylvia Plath (27. Oktober 1932–11. Februar 1963) zählt zu den amerika-<br />
nischen Autorinnen, deren wichtigste Werke erst posthum erschienen.<br />
Die zeitlebens unter schweren Depressionen leidende<br />
Schriftstellerin verfasste mit „Die Glasglocke" einen<br />
der wichtigsten feministischen Romane, der besonders<br />
in den ausklingenden Sechzigern und Siebzigern zu<br />
einem Kultbuch avancierte. Der Erfolg liegt in der<br />
hohen Authentizität begründet, denn die Erzählung<br />
basiert auf autobiografischen Erlebnissen. Plath, die<br />
sich 1963 das Leben nahm, beschreibt die Geschichte<br />
der aus der Provinz stammenden Esther Greenwood,<br />
die in New York eine Journalistenkarriere anstrebt<br />
in der ersten Person. Die Schnelligkeit der Großstadt, eine offenere und<br />
männlich-aggressive Sexualität und das letztendliche Scheitern veranlassen<br />
Esther, wieder in die Heimat zurückzukehren. Dort<br />
wird sie von einem Schriftstellerseminar abgewiesen<br />
und scheitert an ihrer Abschlussarbeit für das<br />
College. Ängstlichkeit und Unruhe bestimmen<br />
ihr Leben, das immer weiter aus der Bahn gerät.<br />
Auch die Konsultation eines Psychiaters erweist<br />
sich als sinnlos, denn dieser versucht nicht, die<br />
Ursachen für die Depression zu ergründen. Nach einem misslungenen<br />
Selbstmordversuch wird sie in die Psychiatrie eingewiesen, wo sie von einer<br />
Frau behandelt wird, die deutlich mehr Mitgefühl zeigt. Der Roman endet<br />
mit einer Szene, in der die Protagonistin auf eine mögliche Entlassung<br />
hofft. Plath hat die Metapher der Glasglocke geschickt gewählt, denn<br />
sie beschreibt damit einen Menschen, der durch die Depression von<br />
seiner Umwelt getrennt ist und die damit verbundene emotionale<br />
Schwingungsunfähigkeit. Doch nicht nur das individuelle Schicksal einer<br />
Frau, sondern auch die Schwierigkeit, einen eigenen, selbst bestimmten<br />
Weg in einer von Männern dominierten Welt zu finden, machen die<br />
Qualität des Romans aus. Sylvia Plath war keine Moralistin mit erhobenem<br />
Zeigefinger, sondern ein hochsensibler Mensch – für ein neues Frauenund<br />
Menschenbild plädierend.<br />
Joachim<br />
Knüppel<br />
Werner<br />
Knüppel<br />
Helmut<br />
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1951, Sigurd, Felix, Bessy usw.“<br />
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Boiselle & Ellert Verlag<br />
Sauterstraße 36, 67433 Neustadt / Weinstr.<br />
Fon: 06321 / 489343, Fax: 06321 / 489345<br />
Mail: info@BSE-Verlag.de, www.BSE-Verlag.de<br />
Wer will schon normal sein ...<br />
Seit 2003 haben die verrückten Comic-<br />
Hippies und ihr Schöpfer Gilbert Shelton<br />
eine neue Heimat beim BSE-Verlag<br />
gefunden. Dort erscheinen nach und<br />
nach alle Abenteuer der berühmten<br />
Underground-Helden.<br />
The fabulous furry<br />
FREAK BROTHERS -<br />
der Comic, der die 60er<br />
erfunden hat!<br />
Die »Freak Brothers« sind neben Robert Crumbs<br />
»Fritz the Cat« wohl die bekanntesten Comicfiguren<br />
der in den USA Ende der 60er-Jahre einsetzenden<br />
Underground-Bewegung. Bis heute werden neue<br />
Geschichten erfunden und erscheinen erfolgreich<br />
in vielen Ländern. Eine Zeichentrickverfilmung der<br />
kiffenden Kumpels ist bereits seit Längerem in Arbeit.<br />
Jeweils: 48 - 64 Seiten, 10,00 €<br />
FREAK BROTHERS Bd. 1: ISBN 978-3-934769-10-6<br />
FREAK BROTHERS Bd. 2: ISBN 978-3-934769-11-3<br />
FREAK BROTHERS Bd. 3: ISBN 978-3-934769-12-0<br />
FREAK BROTHERS Bd. 4: ISBN 978-3-934769-13-6<br />
FREAK BROTHERS Bd. 5: ISBN 978-3-934769-14-4<br />
FREAK BROTHERS Bd. 6: ISBN 978-3-934769-15-1
Genre Musikfilm – Der Sound der prägenden Jahre:<br />
Easy Rider" & Co.<br />
"<br />
Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />
Musikfilme sind so alt wie die Rockmusik selbst. Bill Haley rockte schon 1956<br />
„Around The Clock „ ; Elvis, der King O f Rock’n’Roll, stand in Hollywood seinen<br />
Mann, und auch die Beatles nutzten schon ganz früh Reichweite und Magie der<br />
Silber-Leinwand. Inzwischen gibt es gefühlt Abertausende von Musikfilmen,<br />
die man in Konzertmitschnitte, Dokumentationen und Fiction mit deutlichem<br />
Musikbezug unterteilen kann. „Easy Rider „ , der 2014 sein 45. Jubiläum feiert,<br />
ist dabei eines der unbestrittenen Highlights des Genres.<br />
Als der Kultstreifen in die deutschen Kinos<br />
kam, hatten diese noch so wunderbare<br />
Namen wie Corso oder Anker Theater,<br />
zumindest in dem Eifelstädtchen, in dem ich<br />
großgeworden bin. In einem dieser Kinos – ich<br />
glaube, es war das Corso mit seiner angeschlossenen,<br />
über eine Wendeltreppe erreichbaren<br />
Milchbar – haben wir damals, anno<br />
1970, „Easy Rider" angeschaut, kaum dass das<br />
Filmplakat in den Infokästen<br />
hing: Peter Fonda auf seiner<br />
umgebauten Chopper, mit<br />
cooler Sonnenbrille auf der<br />
Nase, den Blick in die Ferne<br />
gerichtet, der in den Farben<br />
des „Star-Spangled Banner"<br />
gespritzte Helm auf der Gabel;<br />
dahinter der immer leicht<br />
schmuddelig wirkende Dennis<br />
Hopper mit seinem zerbeulten<br />
Cowboyhut über dem<br />
zerknautschten Gesicht. Zwei<br />
Desperados auf der Suche<br />
nach dem wahren Amerika,<br />
dem Land der Mutigen und<br />
Freien ...<br />
Natürlich hatten wir von dem Film gehört<br />
oder gelesen, auch wenn die Versorgung mit<br />
Nachrichten aus dem Pop- und Rockbereich<br />
sehr bescheiden war. Nur langsam (und in<br />
der Provinz noch viel langsamer) etablierten<br />
sich damals gerade Musikmagazine,<br />
Radiosendungen und Fernsehprogramme für<br />
die Jugend. Dass heute kein so genanntes<br />
People-Magazin, egal ob im Print- oder<br />
Die Easy Rider Wyatt und Billy<br />
am Lagerfeuer, der Motelmanager<br />
wollte keine Langhaarigen<br />
Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />
TV-Bereich, ohne Entertainment-Künstler kommt, erscheint wie eine Umkehrung der<br />
damaligen Verhältnisse. Die Helden unserer<br />
aus-<br />
Jugend waren für die Elterngeneration durchweg<br />
ungewaschene, die herrschende Ordnung<br />
gefährdende, Umsturz predigende Rabauken.<br />
Ständig verunglimpften sie unsere Idole<br />
als „langhaarige Affen", „dreckige Hippies"<br />
und „widerliche Typen". All die markigen<br />
Schimpfwörter klangen nach Nazi-Propaganda<br />
und machten Jagger, Richards, Dean & Co. nur<br />
noch interessanter für uns.<br />
Von dem Übera<br />
n g e b o t ,<br />
das es inzwischen<br />
in Form<br />
von MTV, Viva,<br />
YouTube, gigantischen<br />
Online-<br />
Videotheken,<br />
D o w n l o a d -<br />
Portalen, Blu-rays,<br />
Games usw. gibt,<br />
haben wir damals<br />
nicht einmal zu<br />
träumen gewagt.<br />
Wie gesagt: Das<br />
Freizeitangebot<br />
für die aufmüpfige,<br />
protestbewegte<br />
Jugend der<br />
späten Sechziger<br />
war karg. Man<br />
hörte RTL, BFBS<br />
Peter Fonda<br />
Dennis Hopper<br />
Fotos: © Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 40 ■ GoodTimes 2/2014
oder AFN unter der Bettdecke, kämpfte darum,<br />
den „Beat-Club" in der Flimmerkiste anschauen<br />
zu dürfen, und lechzte nach allem,<br />
was rockte, neu tönte, die Eltern ärgerte<br />
und unsere Sache voranbrachte.<br />
Aber auch im Kino manifestierte sich<br />
mit Filmen wie „Easy Rider" oder<br />
„Woodstock" allmählich das neue rebellische<br />
Lebensgefühl. Vorbei war’s mit<br />
der herzigen, die „Bravo"-Gemeinde<br />
zu Tränen rührenden „Winnetou"-<br />
Trilogie, vorbei mit seichten Filmchen<br />
wie „Conny und Peter machen Musik". „Easy<br />
Billy The Kid und der 40er-Jahre-Comicfigur<br />
Rider" war da schon ganz andere Kost. Als wir Captain America als Motorradfahrer, zu viel<br />
aus dem Kino kamen, damals, waren wir ande-<br />
Hollywood. Die Filmnamen der Hauptfiguren<br />
– Wyatt (Peter Fonda) und Billy<br />
(Dennis Hopper) – musste man<br />
erraten; lange habe ich geglaubt,<br />
Fonda sei „Captain America".<br />
In Wahrheit heißt Wyatts Bike<br />
„Captain America" und die andere<br />
Maschine „Billy’s bike". Die Reise,<br />
die von Westen (Kalifornien) nach<br />
Osten (Louisiana) und eben nicht<br />
wie sonst, dem Pioniermythos „Go<br />
Dennis Hopper mit Kameramann László Kovács<br />
west, young man" von Ost nach<br />
am Set von Easy Rider”<br />
” West entsprechend führt, verläuft<br />
re Menschen. Immer wieder rekapitulierten t wir<br />
die Handlung des Films, spielten einige der<br />
Szenen nach oder lobten die „geile Mucke", die<br />
Peter Fonda für das epochale und stilbildende<br />
Roadmovie ausgesucht hatte. Dass dieser<br />
Independent-Film das Genre des Roadmovies<br />
und von New Hollywood mitbegründete, wussten<br />
wir damals nicht. Wir wussten nur: Das war<br />
anders. Mutig. Jung. Provokativ.<br />
Roger Corman, so etwas wie der Godfather<br />
aller Independent-Filmer, war der<br />
Geburtshelfer für „Easy Rider". Er hatte mit<br />
„The Wild Angels" das erste Biker-Movie<br />
aufgelegt und 1967 mit „The Trip" (Buch:<br />
Jack Nicholson) einen Kultfilm über die drogenbeeinflusste,<br />
psychedelisch angehauchte<br />
Gegen<strong>kult</strong>ur auf die Leinwand gebracht. Roger<br />
Corman sollte auch „Easy Rider" inszenieren,<br />
wurde aber angeblich vom Studio ausgebootet.<br />
Dennis Hopper übernahm dann seinen Part als<br />
Regisseur. Mehrere Kollegen von „The Trip"<br />
trafen sich am Set von „Easy Rider" wieder.<br />
Hopper und Fonda hatten die Idee zum Film;<br />
Nicholson übernahm die Rolle des alkoholsüchtigen<br />
Junganwalts George Hanson mit<br />
seiner berühmten „Nicnicnic"-Szene („Toast<br />
to ol’ D.H. Lawrence ... Nic Nic Nic Fut Fut<br />
Fut! … Indians!"), in der er durch eine groteske<br />
Armbewegung die Wirkung des ersten<br />
Schlucks Whiskey am Morgen darstellte. Eines<br />
war allen Beteiligten klar: Man wollte nichts<br />
Konventionelles; man wollte dem Hollywood-<br />
Betrieb eine lange Nase machen. Das ist der<br />
Fonda-Hopper-Crew gelungen. Drehbuch und<br />
Handlung waren kaum mehr als Vorlagen, die<br />
während der Arbeit erst entwickelt wurden.<br />
Dialoge, in Hollywood bis auf genaue Cues<br />
ausgestaltet, waren hier eher Improvisationen.<br />
Auch der Handlung eignete etwas Zufälliges.<br />
Eine geplante, vom Hubschrauber aus gefilmte<br />
Verfolgungsjagd wurde ebenso verworfen<br />
wie ein Auftritt der Hauptdarsteller auf<br />
Jahrmärkten in der Rolle von Revolverheld<br />
Der Beifahrer mit dem goldenen Helm<br />
ist der junge Jack Nicholson<br />
auch recht planlos. Nur die Exposition weist<br />
erzählerisch Hollywood-Züge auf. Billy und<br />
Wyatt schmuggeln Kokain von Mexiko in die<br />
Vereinigten Staaten, verkaufen die Drogen<br />
an einen Mittelsmann und verstecken die<br />
zusammengerollten Dollars in Schläuchen,<br />
die sie in die Tanks ihrer neuerworbenen<br />
Chopper-Maschinen versenken. Dann kommt<br />
es zu einer von uns damals lange diskutierten<br />
Schlüsselszene. Bevor die beiden ihre Reise<br />
antreten, wirft Wyatt seine Armbanduhr in den<br />
Staub. Die Zeitrechnung des Establishments<br />
zählt nicht mehr, nun beginnt die der Easy<br />
Rider. Beim Wiedersehen nach 45 Jahren wirkt<br />
die Szene beinahe beiläufig inszeniert. Aber<br />
für uns war es seinerzeit der bildgewordene<br />
Abgesang auf eine Leistungsgesellschaft, die<br />
einer tumben Wachstumsideologie gehorchte.<br />
Ab diesem Zeitpunkt also rollen die beiden<br />
zu Klängen ausgesuchter Rockmusik<br />
durch ein von Kameramann László Kovács<br />
wunderschön fotografiertes „Rural America".<br />
Ziel ihres Trips: Sie wollen zum Karneval nach<br />
New Orleans, zum Mardi Gras. Am Ende des<br />
ersten Tages erreichen sie Williams, Arizona.<br />
Die Sonne hat den Himmel in Brand gesetzt,<br />
an den Rändern dunkles Blau, am Horizont ein<br />
Lodern aus Rot und Rosa. Das Motel, in dem<br />
sie nach einem Zimmer („Hey man, you got a<br />
room?") fragen, bleibt ihnen verschlossen. Der<br />
Besitzer will keine langhaarigen Biker. Billy/<br />
Dennis flucht. Sie rollen weiter und kampieren<br />
im Freien an einem Lagerfeuer, ziehen einen<br />
Joint durch und legen sich schlafen. Wyatt<br />
nutzt seinen in den Farben der US-Flagge lakkierten<br />
Helm als Kopfkissen. Cowboys auf ihren<br />
Stahlrössern. Geil!<br />
Der Soundtrack mit Songs von Steppenwolf,<br />
The Byrds, The Band, Jimi Hendrix und<br />
anderen hat viel zum Mythos dieses Films<br />
beigetragen. Denn was heute gang und gäbe<br />
ist, nämlich zeitgenössische Rock- und Poptitel<br />
zur Untermalung oder gar als Stilmittel einzusetzen,<br />
war seinerzeit ein Novum. Normal<br />
war eine speziell für den jeweiligen Film<br />
komponierte Score-Musik, die in diesem Fall<br />
von Crosby, Stills & Nash nachgeliefert wer-<br />
Steppenwolf<br />
den sollte. Für die Rohfassung wurde anfangs<br />
die damalige Playlist mit den Lieblingstiteln<br />
von Peter Fonda genutzt. Und das machte<br />
den CS&N-Soundtrack dann überflüssig.<br />
Denn die behelfsmäßige Vertonung entpuppte<br />
sich, ebenso wie vieles andere bei dieser<br />
Unternehmung, als rechter Glücksfall. Wenn<br />
die Zweirad-Desperados zum griffig-riffigen<br />
„Born To Be Wild" von Steppenwolf die Harley-<br />
Motoren heulen lassen<br />
oder zu dem<br />
von Goffin/King<br />
stammenden, im<br />
hochgestimmten<br />
Byrds-Stil zwitschernden<br />
„I<br />
Wasn’t Born To<br />
Follow" durch die<br />
Landschaft gleiten, dann begreift man, warum<br />
„Easy Rider" im Ruf steht, der Ästhetik der<br />
späteren Videoclip-Ära Vorschub geleistet zu<br />
haben. Das Originalsoundtrack-Album von<br />
1969 listete die Titel in der Reihenfolge, in<br />
der sie im Film auftauchen, und wurde, lange<br />
vor „Pretty Woman", die erste sich wirklich<br />
gut verkaufende Soundtrack-Kompilation<br />
der Rockgeschichte. Nur einen Monat nach<br />
Veröffentlichung erreichte die „Easy Rider"-LP<br />
Platz sechs der Billboard-Charts und erhielt im<br />
Januar 1970 Goldstatus, was seinerzeit noch<br />
gute Verkaufszahlen bedeutete. Und Crosby,<br />
Stills & Nash erwiesen sich als faire Verlierer.<br />
Sie hätten, so sollen sie nach Ansicht der<br />
Rohfassung gesagt haben, diesen Job nicht<br />
besser machen können.<br />
Einen hervorragenden Job machte auch der<br />
aus Ungarn stammende László Kovács, der<br />
auch dank „Easy Rider"<br />
zu einem der gefragtesten<br />
Cinematografen<br />
Hollywoods<br />
wurde.<br />
Durch seine Aufnahmen<br />
wurde die amerikanische<br />
Landschaft so<br />
etwas wie ein zusätzlicher<br />
Mitspieler bei „Easy<br />
László Kovács<br />
Rider". Death Valley,<br />
Canyons, Wüsteneien, Wälder, ganze Passagen<br />
der historischen Route 66 setzte Kovács gekonnt<br />
in Szene. Wer genau wissen will, welche Route<br />
die Asphalt-Cowboys 1969 nahmen, stößt<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 41
ei Google unter www.mrzip66.com auf den<br />
gleichnamigen Blogger und Harley-Davidson-<br />
Enthusiasten, der eine amüsante „Führung"<br />
von Ballarat, Kalifornien, dem Ausgangspunkt,<br />
bis zur Levee Road in Louisiana, dem Endpunkt<br />
der Easy-Rider-Reise, gibt. Und dieser Motorrad-<br />
Kerouac hat seine Lektion gelernt. Eingangszitat:<br />
„If you do this trip, do it right. A couple of tips:<br />
First off, don’t sell coke to finance your trip.<br />
If you do, don’t tell anyone. Definitely don’t<br />
put coke money in your gas tank, because<br />
it’ll lower your gas mileage ..." Und es geht so<br />
humorvoll weiter … bis zu den verhängnisvollen<br />
Schüssen der Rednecks, die den Traum von<br />
Wyatt, Amerika, das Land der Freiheit, zu finden,<br />
auf blutige Weise beenden.<br />
Die Ausgangssituation für das Team Hopper/<br />
Fonda war folgende: Die „Golden Age"-<br />
Ära war vorüber; die Traumfabrik im Leerlauf;<br />
tumbe, stets dem Happy End zustrebende<br />
Kitschschinken wollte das Publikum nicht mehr<br />
sehen. Realität war angesagt. Mit einem selbst<br />
für damalige Verhältnisse schmalen Budget<br />
von 325.000 (manche Quellen sprechen von<br />
400.000) Dollar realisierte Hopper sein unabhängiges<br />
Roadmovie, das Hollywood aufhorchen<br />
ließ und im Rückblick als stilbildend und<br />
epochal bezeichnet wird. Story, Fotografie,<br />
Inszenierung, die Anti-Establishment-<br />
Haltung, die offene Gesellschaftskritik, die<br />
Darstellung von Drogenkonsum, Sex und<br />
Gewalt, das Fehlen eines Happy Ends in<br />
diesem experimentellen Autorenfilm – alles<br />
war ein einziger Verstoß gegen die Regeln<br />
des alten Hollywood-Systems. Und gerade<br />
deshalb sprach „Easy Rider" die aufkommende<br />
„Woodstock"-Generation an und spülte<br />
20 Millionen Dollar in die Kasse. In der<br />
Folge erhielten damals junge, bilderstürmende<br />
Autorenfilmer wie Martin Scorsese, George<br />
Lucas, Peter Bogdanovich, Robert Altman,<br />
Hal Ashby, William Friedkin und Francis Ford<br />
Coppola die Möglichkeit, ihr Können unter<br />
Beweis zu stellen. Sie bildeten die Sturmspitze<br />
dessen, was man heute unter dem Begriff<br />
New Hollywood zusammenfasst. Die Nähe<br />
zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, Storys über<br />
reale Menschen mit realen Problemen, ätzende<br />
Systemkritik, die Nutzung populärer Musik, die<br />
Umsetzung der seinerzeit angesagten Anti-<br />
Kriegs- und Protestthemen, die Vivisektion des<br />
amerikanischen Traums und seiner Hollywood-<br />
Ausformung gehörten zum Grundbesteck dieser<br />
Filmemacher. In ihren Filmen wurden Chaos<br />
als Chaos, Ungerechtigkeit als Ungerechtigkeit<br />
und die Machtspiele der Mächtigen als eben<br />
solche gezeigt und entlarvt, was sie waren.<br />
Und den ersten großen Erfolg dieses neuen<br />
Kinos markierte „Easy Rider", ein Film der<br />
aufgrund seines Erfolges bald von der Industrie<br />
aufgekauft wurde. Als wir in Mayen aus dem<br />
Kino kamen, waren wir wie betäubt und hatten<br />
das blutige Bad End und die Schüsse schon verdrängt.<br />
Wir wussten: Das war der Weg. Born to<br />
be wild. Uhren wegwerfen, Nicnicnic ... futfutfut<br />
... Indians. Whiskey zum Frühstück, zwischen<br />
den Beinen eine brummelnde Chopper und vor<br />
einem die endlos sich hinziehende Straße.<br />
Cut. Spulen wir vor ins Jahr 2000. 30 Jahre<br />
nach „Easy Rider" kam „Almost Famous –<br />
Fast berühmt" in die Kinos, eine höchst amüsante<br />
„Coming Of Age"-Komödie von Cameron<br />
Crowe, der darin biografische Erlebnisse seiner<br />
Teenager-<br />
Jahre zu einem<br />
kurzweiligen<br />
Leinwanderlebnis<br />
verdichtet.<br />
Erzählt<br />
wird<br />
die<br />
Geschichte des<br />
hochbegabten<br />
William<br />
Miller (wunderbar<br />
linkisch<br />
gespielt<br />
von<br />
Patrick<br />
Fugit),<br />
der<br />
unter seiner dauerbesorgten Mama (preiswürdig<br />
dargestellt von Frances McDormand) leidet<br />
und gerne Musikjournalist werden würde. Die<br />
Chance bietet sich ihm, als er den legendären<br />
„Pen Pusher" Lester Bangs (Philip Seymour<br />
Hoffman) kennenlernt. Die Redaktion des<br />
„Rolling Stone" wird auf das Talent aufmerksam<br />
und gibt ihm – ohne zu wissen, wie jung<br />
er ist, nämlich erst 15 – den Auftrag, die Band<br />
Stillwater auf ihrer Tournee zu begleiten und<br />
darüber zu berichten. Stillwater (man beachte<br />
den Namen) sind die Allman Brothers. Und<br />
was der Pubertierende bei jener legendär<br />
chaotischen Südstaatentruppe, in deren Tross<br />
Crowe wirklich mitreiste, erlebt, ist die wunderbare<br />
Welt des „Sex, Drugs & Rock’n’Roll".<br />
Er verliebt sich in Groupie Penny Lane (Name!)<br />
– zum Niederknien: Kate Hudson –, die mit<br />
dem Bandgitarristen (Billy Crudup als Russell<br />
Hammond) liiert ist. Der jedoch gibt seiner<br />
Gespielin den Laufpass, als seine Ehefrau<br />
ankündigt, in New York zur Entourage stoßen<br />
zu wollen. Penny versucht daraufhin,<br />
Selbstmord zu begehen ... Was sich in dürren<br />
Worten vielleicht etwas klischeehaft anhört,<br />
hat zahlreiche Zwischentöne und ist – ich<br />
kann das beurteilen – wirklich lebensnah und<br />
realistisch. Der besoffen gewagte Sprung in<br />
den Pool, das ständige Schwanken zwischen<br />
Party- und Katerstimmung, die Drogenexzesse,<br />
der Verlust der Naivität mit jedem Kilometer<br />
und jedem Karrieresprung. Ich will nicht zu viel<br />
verraten: William rettet Penny, nach langem<br />
Hin und Her erscheint seine „Rolling Stone"-<br />
Titelstory, und der von Crowe-Ehefrau Nancy<br />
Wilson (Heart) zusammengestellte Soundtrack<br />
(The Who, Led Zeppelin, Lynyrd Skynyrd ...) hat<br />
wirklich Extraklasse.<br />
Wenn ein Musikfilm im Übrigen das Beiwort<br />
Kult verdient, dann „This Is Spinal Tap".<br />
Das Filmdebüt von Rob Reiner aus dem<br />
Jahr 1984 kommt daher wie eine Pseudo-<br />
Dokumentation und nimmt in seiner grotesken<br />
Überzeichnung den Rockbetrieb von vorn bis<br />
hinten auf die Schippe. Ironie: Der mangelnde<br />
Erfolg des Streifens im Kino wird der<br />
Tatsache zugeschrieben, dass er die Zuschauer<br />
verwirrte – ist das nun eine überdrehte Doku<br />
oder einfach nur eine fette Satire? Diese<br />
Verwirrung endete bei Veröffentlichung des<br />
Videos, das seinen Siegeszug um die Welt<br />
antrat. Die Band Spinal Tap war ursprünglich<br />
für eine TV-Show zusammengestellt worden<br />
und machte all das mit, was den Irrsinn<br />
einer Rockagenda ausmacht. Der Anfang in<br />
den Sechzigern als Beatband, die dann auf<br />
Flower-Power umsattelt und schließlich als<br />
enge Spandex-Hosen tragende Heavy-Metalgoes-Gothic-Combo<br />
endet. Running Gag:<br />
Alle Schlagzeuger kommen ums Leben, einer<br />
explodiert sogar. Die Promoterinnen sind dauerquasselnde,<br />
Kusshände verteilende scharfe<br />
Hühner, die A&R-Leute Schwätzer usw. „This<br />
Is Spinal Tap" ist eine brüllend komische, das<br />
Zwerchfell erschütternde, zum Niederknien<br />
witzige Satire – und doch oder gerade deshalb<br />
in vielerlei Hinsicht zutiefst wahr. Hut ab,<br />
Rob Reiner („Harry und Sally", „Wo die Liebe<br />
hinfällt"), und Extrapunkte für Fran Drescher,<br />
deren Rolle der Bobbi Flekman Jahre später<br />
in der Erfolgs-Sitcom „The Nanny" weitergeschrieben<br />
wurde.<br />
Einen festen Platz in meiner ansonsten<br />
immer vorläufigen Top Ten der Musikfilme<br />
nehmen auch „Ray" (2004) und „Walk The<br />
Line" (2005)<br />
ein. Kein<br />
Wunder, denn<br />
diese beiden<br />
Biopics über<br />
das Leben von<br />
Ray Charles<br />
bzw. Johnny<br />
Cash setzten<br />
in vielerlei<br />
Hinsicht<br />
Maßstäbe.<br />
Zuallererst ist<br />
da die schauspielerische<br />
Leistung der Haupt- und Nebendarsteller zu<br />
nennen, dann die intelligente Inszenierung, die<br />
sich auf die entscheidenden Jahre der zu erzählenden<br />
Biografien konzentriert, und zuletzt die<br />
in jeder Minute spürbare Liebe zur Musik, bei<br />
Seite 42 ■ GoodTimes 2/2014
deren Entstehung man zugegen sein darf.<br />
Der Reihe nach: Jamie Foxx als Ray Charles<br />
ist einfach brillant, und nicht von ungefähr<br />
hat er dafür 2005 den Oscar als „Bester<br />
Hauptdarsteller"<br />
Ray<br />
bekommen. Erzählt<br />
Charles<br />
wird von Kindheit,<br />
Erblindung,<br />
Coming Out und<br />
Starruhm der Soullegende,<br />
die sich<br />
musikalisch immer<br />
weit<br />
hinauswagte,<br />
Gospel säkularisierte,<br />
Soul und<br />
Country vermählte<br />
und große Hits hinterließ. Erinnerungswürdig,<br />
wie zum einen der biografische Hintergrund<br />
von Klassikern wie "What’d I Say" oder "Hit<br />
The Road Jack" freigelegt und zum anderen<br />
die musikalische Entstehung der Songs<br />
seziert wird. Wunderbar auch die kleinen<br />
Nuancen – Ray, der das Gewicht seiner zahlreichen<br />
Gespielinnen herausfindet, indem er<br />
ihr Handgelenk umfasst, seine Zerrissenheit<br />
zwischen Familienglück und Vielweiberei, seine<br />
Heroinsucht. Der fast zweistündige Film von<br />
Taylor Hackford („Ein Offizier und Gentleman",<br />
„Gegen jede Chance") wurde zu großen Teilen<br />
von Ray Charles als Berater autorisiert. Kurz<br />
vor Ende der Dreharbeiten starb die Legende,<br />
von der man hier gut 20 Songs zu hören<br />
bekommt. Ein schöneres Denkmal konnte man<br />
Ray Charles Robinson nicht setzen.<br />
Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />
Ein Vermächtnis der besonderen Art ist auch<br />
„Walk The Line", der 2005 in die Kinos<br />
kam, auf zwei Cash-Biografien beruht und<br />
Reese Witherspoon als June Carter einen<br />
Oscar<br />
bescherte.<br />
Der Film, der eine<br />
Zeit von etwa 22<br />
Jahren<br />
abdeckt,<br />
beginnt am Ende.<br />
Cash wartet hinter<br />
der Bühne auf<br />
seinen<br />
Auftritt<br />
im Folsom State<br />
Prison,<br />
jenem<br />
Gefängnis,<br />
von<br />
dem sein Song<br />
"Folsom<br />
Prison<br />
Blues" handelt.<br />
Die Häftlinge klatschen und stampfen mit<br />
den Füßen. Das Wasser im Glas vibriert im<br />
Takt. Es ist der 13. Januar 1968, und der<br />
„Man In Black", seine Band und June Carter<br />
werden von den Gefängnisinsassen frenetisch<br />
gefeiert. Dieser denkwürdige Knast-Gig<br />
bildet die inszenatorische<br />
Klammer für die<br />
Erzählung, die folgt.<br />
Rückblende. 1944: Der<br />
junge Johnny, damals<br />
noch J.R. genannt,<br />
hört das erste Mal<br />
June Carter; sein<br />
Bruder, Lieblingssohn<br />
des Vaters, kommt<br />
bei einem Unfall ums<br />
Johnny Cash<br />
Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />
Leben, die Schuld daran bürdet der Vater J.R.<br />
auf. John beim Militär. In Landsberg am Lech,<br />
wo er stationiert ist, kauft er sich eine Höfner-<br />
Gitarre und schreibt seine ersten Songs, u.a.<br />
den von einem Film inspirierten Folsom Prison<br />
Blues. Zurück in den Staaten heiratet er seine<br />
Jugendfreundin und erlebt den schmerzhaften<br />
Spagat zwischen Beruf (Handelsvertreter)<br />
und<br />
Berufung<br />
(Musiker).<br />
Er<br />
nimmt für Sam<br />
Philips<br />
von<br />
Sun<br />
Records<br />
eine Single auf,<br />
geht mit Jerry<br />
Lee Lewis, Roy<br />
Orbison,<br />
Carl<br />
Perkins und Elvis<br />
Presley auf Tour, wird alkohol- und tablettensüchtig,<br />
trifft seine große Liebe June wieder,<br />
landet mit ihr im Bett, wird mit Drogen verhaftet<br />
und geschieden, haust mit Waylon Jennings in<br />
einer abgerockten Bude in Nashville, kauft ein<br />
Haus, kämpft um die Anerkennung des Vaters<br />
– und vermasselt wieder alles. Der Erzählfaden<br />
dieses amerikanischen Film noir wird 1968,<br />
eben bei dem legendären Gefängnisgig, wieder<br />
aufgenommen. June will ihn immer noch<br />
nicht heiraten. Erst als Cash ihr auf der Bühne<br />
vor Publikum einen Antrag macht, sagt sie Ja.<br />
Die „schwarze Seite des Glücks" („Süddeutsche<br />
Zeitung") hellt sich auf, das Happy End naht<br />
– mit fröhlichem Familienbeisammensein und<br />
einem Vater, der seinem Sohn endlich verziehen<br />
zu haben scheint. Großartiges, herzerweichendes<br />
Hollywood-Kino und ein Muss nicht<br />
nur für Countryfans.<br />
Zum Abschluss und in aller Kürze noch<br />
zwei Musikfilm-Komödien, die trotz einiger<br />
kleiner Fehler sehr unterhaltsam sind: „Radio<br />
Rock Revolution", im Original: „The Boat That<br />
Rocked", berichtet von der großen Zeit der<br />
Piratensender,<br />
die England und<br />
Europa zum<br />
Fingerschnippen<br />
brachten. Radio<br />
Caroline stand<br />
Pate für diesen<br />
Film mit skurrilen<br />
Typen, witzigen<br />
Geschichten<br />
und wundervollen en Sixties-Klassikern. i<br />
ikern Bestes<br />
Popcorn-Kino. Eine grandiose „One Man<br />
Show" von Jack Black<br />
als Dewey Finn wiederum<br />
ist „School Of<br />
Rock", eine Komödie,<br />
die 2004 in die deutschen<br />
Kinos kam.<br />
Außenseiter Dewey<br />
wird kurz vor der<br />
„Battle Of The Bands"<br />
von seinen Kollegen<br />
geschasst. Ständig in<br />
finanziellen i Schwierigkeiten, i übernimmt er<br />
den Aushilfslehrer-Job seines Freundes Ned<br />
und führt an der Schule das Fach Rockmusik<br />
ein. Die begabten Kids der Schulband lernen<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 43<br />
alles über The Who, Led Zep und Co., über<br />
den Windmühlen-Arm von Pete Townshend,<br />
das Geheimnis großer Solos, über Bühnenoutfit<br />
und Management. Mit ihnen will er an der<br />
„Battle Of The Bands" teilnehmen – und<br />
sich an seinen Kumpels rächen. Großartig<br />
Jack Black, der für seine Darstellung trotz<br />
Kritik an dem Viacom-Sender den MTV Movie<br />
Award erhielt. Großartiger Soundtrack, amüsante<br />
Story.<br />
Last but not least gehaltvollere Kost von<br />
Regisseur und Drehbuchautor Todd Haynes.<br />
„I’m Not There", benannt nach einem bis<br />
zum Film unveröffentlichten Dylan-Song, ist<br />
ein Episodenfilm, der in sechs Erzählungen<br />
Aspekte aus des<br />
Maestros Leben, seinem<br />
Werdegang<br />
und Werk aufgreift.<br />
Verbürgtes<br />
und<br />
Abstraktes<br />
mischen<br />
sich mit Introspektion<br />
und Traumsequenzen.<br />
Cate Blanchett brilliert<br />
als Dylan, Richard<br />
Gere, Heath Ledger<br />
(in seiner letzten Rolle), Christian Bale und<br />
Ben Whishaw tun ein Übriges, um diesen<br />
Autorenfilm zu einem nachdenklichen Erlebnis<br />
zu machen.<br />
Teddy Hoersch<br />
Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass<br />
Harley-Davidson die Dreharbeiten von "<br />
Easy<br />
Rider" freudig unterstützt hat. Mitnichten! Eine<br />
Anfrage der Produktion um Unterstützung und/<br />
oder Stellung der notwendigen Maschinen wurde<br />
abschlägig beschieden. Peter Fonda ersteigerte<br />
daraufhin gebrauchte Polizeimaschinen (!)<br />
des Typs Panheads (benannt nach einem<br />
Motorentyp aus den Jahren 1948–1965) und<br />
ließ die Auslaufmodelle radikal modifizieren,<br />
choppen. Drei der vier Bikes wurden während<br />
der Dreharbeiten gestohlen und sind bis<br />
heute nicht wieder aufgetaucht. Nachbauten<br />
stehen in einigen Museen. Inzwischen sind<br />
nach Kundenwünschen gestaltete maßgefertigte<br />
Bikes zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig<br />
geworden. Seinerzeit rettete "<br />
Easy Rider" die<br />
kränkelnde Motorradschmiede aus Milwaukee<br />
vor dem Niedergang und begründete einen weiteren<br />
Mythos: den von der großen Freiheit im<br />
Sattel einer "<br />
custom made" Harley-Chopper<br />
mit langer Vorderradgabel, hohem Lenker<br />
(Apehanger) und vorverlegten Fußrasten. All das<br />
verschlechterte zwar das Fahrverhalten, sah<br />
dafür aber einfach scharf aus.
Der 6. April 1974 war zwar nicht die<br />
Geburtsstunde des schwedischen Quartetts<br />
Abba, doch an diesem Tag fiel gewissermaßen<br />
der Startschuss zur Eroberung der<br />
Welt durch die beiden Sängerinnen Agnetha<br />
Fältskog und Anni-Frid Lyngstadt sowie<br />
die beiden Songschmiede, Instrumentalisten<br />
und Sänger Björn Ulvaeus und Benny<br />
Andersson. Letztere hatten das später zum<br />
Evergreen gewordene Siegerlied "Waterloo"<br />
komponiert, Stig Anderson steuerte den<br />
Text bei. (Übrigens war der Grand Prix in<br />
Brighton nicht nur für Abba der Auftakt<br />
einer Weltkarriere, auch Musik-Deutschland<br />
bescherte er eine Premiere: Ralph Siegel, unser<br />
späterer „Mr. Eurovision", hatte erstmals einen Titel<br />
am Start: Das von Ireen Sheer vorgetragene "Bye Bye<br />
I Love You" belegte dann am Ende gemeinsam mit dem<br />
von Olivia Newton-John gesungenen Beitrag Englands, "Long<br />
Live Love", Platz vier. Die 14 Punkte hatten Siegel und sein Texter Michael<br />
Kunze allerdings für Luxemburg eingefahren, nicht für Deutschland.<br />
Dessen Vertreter Cindy & Bert wiederum kamen mit "Die Sommermelodie"<br />
mit mageren drei Zählern nur auf Rang 14, auf den letzten Platz, den<br />
man sich mit Norwegen, Portugal und der Schweiz teilte.)<br />
Augenzeuge der damaligen Geschehnisse in Brighton war Wolfgang<br />
„Bubi" Heilemann, der legendäre „Bravo"-Fotograf, der sich in der englischen<br />
Hafenstadt mit den vier Abba-Mitgliedern anfreundete, sie während<br />
ihrer vergleichsweise kurzen Karriere regelmäßig mit seiner Kamera begleitete,<br />
zu Hause besuchte und bis heute den Kontakt zu ihnen pflegt. Mit<br />
einer Multimedia-Show hält er die Erinnerung an Abba und ihre Musik<br />
wach, die bis heute Generationen von Pop-Fans in ihren Bann zieht.<br />
A l s<br />
Lieder wettbewerb<br />
von Komponisten und Songschreibern<br />
ist der Grand Prix Eurovision<br />
de la Chanson 1956 einst von der<br />
Europäischen Rundfunkunion ins Leben gerufen<br />
worden und hat seither eine bewegte Geschichte<br />
hinter sich gebracht. In den vergangenen knapp<br />
60 Jahren brachte die Veranstaltung, die inzwischen<br />
unter dem Label "<br />
Eurovision Song Contest" fi rmiert, die<br />
Karriere zahlreicher Interpreten ins Rollen und erlebte eine<br />
beeindruckende Reihe von Comebackversuchen von<br />
Künstlern, die in Vergessenheit geraten waren. Selten<br />
jedoch hat eine Ausgabe dieser legendären Serie<br />
seit ihrer ersten Ausrichtung in Lugano derart<br />
tiefe Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen<br />
wie an jenem Abend vor 40<br />
Jahren im englischen Seebad<br />
Brighton.<br />
Von Philipp Roser<br />
Im Gespräch mit <strong>kult</strong>!-Mitarbeiter Philipp Roser<br />
lässt Heilemann, der später auch kurzzeitig als<br />
Sat1-Programmdirektor tätig war, jenen legendären<br />
Abend noch einmal Revue passieren:<br />
„Ich wurde öfter zum Grand Prix Eurovision<br />
de la Chanson geschickt, wie er früher<br />
hieß. Nicht, weil ,Bravo' da großartig darüber<br />
berichten wollte, denn das war mit<br />
all diesen Knödelbarden aus Frankreich,<br />
Luxemburg, Monaco und Spanien eigentlich<br />
nicht so das richtige ,Bravo'-Thema.<br />
Aber allein schon wegen unserer deutschen<br />
Kandidaten Cindy & Bert – wenn die schon<br />
mal auf internationale Bühnen gingen, war<br />
das damals natürlich ein Thema, auch für die<br />
,Bravo'. Deswegen hat man mich hingeschickt<br />
und gesagt: ‚Achte darauf, was da sonst noch passiert!<br />
Fotografiere die Nasen, wo du meinst, dass die ein<br />
Thema sein könnten – nicht dass da einer gewinnt, der ganz<br />
toll ist, und wir keine Bilder haben'", erinnert sich Heilemann.<br />
Eine ganze Woche war der Fotograf dann vor Ort und verfolgte die<br />
Proben. „Es gab wirklich nichts Langweiligeres als diesen Grand Prix", fällt<br />
er im Rückblick immer noch ein vernichtendes Urteil. Zumal in Brighton<br />
aus Sicht seines Arbeitgebers kaum „Bravo"-Stars dabei waren, mit<br />
Ausnahme von Olivia Newton-John vielleicht. „Natürlich habe ich Cindy<br />
& Bert fotografiert, denn die waren schließlich<br />
unsere Lokalmatadoren. Dann waren da noch<br />
Gigliola Cinquetti aus Italien und dieses Duo<br />
aus Holland, Mouth & McNeal – die kamen<br />
eventuell für uns in Frage, und ich habe sie alle<br />
abgelichtet. Man saß in den Proben, hat sich die<br />
Seite 44 ■ GoodTimes 2/2014
Fotos: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />
Künstler angeguckt, angehört. Es gab<br />
auch Wetten unter den Journalisten,<br />
die in dem Saal saßen. Nachts wurde<br />
lange gefeiert, mit den Kollegen<br />
in den Hotels gesoffen – und am<br />
nächsten Morgen saß ich da wieder.<br />
Ich habe mich am Morgen des Tages<br />
vor der eigentlichen Veranstaltung<br />
hingeschleppt und zugehört, bin<br />
dann wirklich eingeschlafen, war<br />
von der ganzen Nacht davor fertig,<br />
und diese Singerei war ja wirklich<br />
furchtbar! Aber aufgewacht bin ich,<br />
als sie auf der Bühne auf die Pauke<br />
gehauen haben. Da standen plötzlich<br />
ein paar Wirbelwinde auf der Bühne", erzählt Heilemann, als ob es gestern<br />
gewesen wäre. Schließlich hat er die Geschichte schon häufig zum Besten<br />
geben müssen, vor dem 40-jährigen "Waterloo"-Jubiläum ohnehin.<br />
„Bei den Journalisten setzte kaum jemand auf sie, es hieß: ‚Die können<br />
gar nicht gewinnen, denn die machen Popmusik – das passt hier gar<br />
nicht rein!' Selbst Abba haben so gedacht!" Doch dann kam alles ganz<br />
anders, was Heilemann so erklärt: „Gerade weil sie so anders waren, so<br />
einen Schwung drauf hatten, weil sie so tolle Kostüme vorführten, weil sie<br />
super Musik machten<br />
– das hat mich<br />
geweckt, als ich bei<br />
der Probe vor der<br />
Bühne eingenickt<br />
war. Das war schon<br />
die Kostüm- und<br />
Generalprobe. Ich<br />
bin anschließend<br />
gleich zu ihnen hin<br />
und habe gesagt:<br />
‚Ich bin von ,Bravo',<br />
wir müssen noch<br />
ein paar Fotos machen.' Die ,Bravo' war ihnen<br />
durchaus ein Begriff. Und dann hatte ich auch<br />
noch Glück, es war schönes Wetter, und ich<br />
habe sie draußen vor dem Dom fotografiert – so<br />
hieß der Veranstaltungsort. Bei der Gelegenheit<br />
habe ich auch gesagt: ‚Ihr<br />
werdet das Ding gewinnen!'<br />
‚Never ever', antworteten sie, und<br />
wir<br />
haben um eine Flasche Champagner gewettet.<br />
Obendrein bin ich noch zu den Buchmachern<br />
gegangen, wo Abba auch ganz schlechte Quoten<br />
hatten. Ich habe trotzdem auf sie gesetzt, und hatte<br />
dann auch eine gute Gewinnquote, als sie siegten."<br />
„Für mich war es optimal, weil ich so mehr<br />
hatte als das typische Siegerfoto, das in jeder<br />
Tageszeitung zu sehen war. Die ,Bravo' hatte ja<br />
zwei Wochen Vorlaufzeit, und da brauchten wir eben andere Bilder, und<br />
die hatte ich, wie sich dann herausstellen sollte, alle schon ordentlich<br />
im Kasten!" Doch damit ging die Geschichte für Heilemann erst richtig<br />
los. Er brauchte sich nicht lange unter die Hunderte von Fotografen und<br />
Fernsehteams vor der Bühne zu quetschen. „Als sie siegten, zogen sie<br />
sich in eine Lounge zurück. Da stand ich dann Arme wirbelnd vor der<br />
Tür, die Bodyguards hielten alle zurück – doch dann ging die Tür einen<br />
Spalt weit auf, Björn hat mich gesehen und gesagt: ‚Hey, da ist der Typ,<br />
der den Sieg vorausgesagt hat!'" Und als<br />
die Band sich dann auf der Bühne feiern<br />
ließ, „haben sie in einem kurzen Moment<br />
alle, auch der Manager und der Dirigent,<br />
in meine Kamera geschaut, obwohl da so<br />
viele Fotografen waren", gerät er auch 40<br />
Jahre später immer noch ins Schwärmen.<br />
„So bin ich irgendwie ein bisschen ihr<br />
Maskottchen geworden – natürlich auch,<br />
weil ,Bravo' damals eine Weltmacht war.<br />
Zuversichtliche Gesichter: am Tag der Grand-Prix-Entscheidung.<br />
Über Nacht berühmt.<br />
Das erste Fotoshooting<br />
nach dem Sieg sorgt<br />
für großes<br />
Presseinteresse.<br />
Das wussten sie durchaus, vor allem<br />
Björn. Aber auch Agnetha, die zuvor<br />
Platten in Deutschland gemacht<br />
hatte und mit einem deutschen<br />
Produzenten verlobt war, außerdem<br />
auch Deutsch sprach. Björn, der<br />
so etwas wie der Medienvertreter<br />
der Band war, hat immer sehr viel<br />
für mich ermöglicht, ohne dass ich<br />
mit dem Management hätte reden<br />
müssen."<br />
Der Rest ist Geschichte: Der<br />
so mitreißende Grand-Prix-<br />
Siegertitel "Waterloo" avancierte in<br />
Deutschland, Großbritannien und der<br />
Schweiz zur Nummer 1, in Österreich reichte es bis zu Rang 2, und sogar<br />
in den USA eroberten Abba damit die Single-Charts, schafften es bis auf<br />
Position 6. In Frankreich allerdings blieb das schwedische Quartett selbst<br />
mit einer französischsprachigen Version ohne besonderen Verkaufserfolg.<br />
Das dazugehörige gleichnamige Album schoss in ihrer Heimat<br />
Schweden auf 1, in Deutschland auf Platz 6, im UK reichte es immerhin<br />
für Rang 28, während die Platte in den USA auf Position 145 hängenblieb.<br />
Weitere-Top-Ten-Platzierungen waren ansonsten nur in Norwegen,<br />
Finnland und Simbabwe zu verzeichnen.<br />
2004 gab es eine „30th Anniversary Edition" mit zwei Bonus-<br />
Tracks und einer Zusatz-DVD (mit vier Videos). Deutlich üppiger<br />
ausgefallen hingegen ist die „Deluxe Edition" zum 40-jährigen<br />
Jubiläum, die zugleich als achter Teil die Abba-Deluxe-<br />
Editions-Serie abschließt. Acht Bonus-Tracks werden geliefert: Die<br />
Erfolgsnummer selbst gibt's zusätzlich auf Schwedisch, Französisch<br />
und Deutsch, dazu einen alternativen Mix des englischen Originals.<br />
Plus den Single-Remix der Nachfolge-45er "Ring Ring" (UK-Fassung)<br />
und die "Waterloo"-Abmischung der US-Ausgabe des Albums.<br />
Hinzukommen noch eine spanische Fassung von "Hasta Mañana"<br />
und die schwedische Version von "Honey, Honey". Die ebenfalls<br />
enthaltene DVD liefert 13 teilweise unveröffentlichte TV-Auftritten (u.a.<br />
in „Musik aus Studio B", „Ein Kessel Buntes", „Disco" sowie diverse BBC-<br />
Auftritte). Selbstverständlich ist auch der Erfolg in Brighton dokumentiert,<br />
samt damaliger Interviews mit Frida und Manager Stig Anderson.<br />
Nebenbei bemerkt: Das Album WATERLOO war nicht gerade typisch<br />
für das, was man von Abba vorher kannte oder auch später von der<br />
Band serviert bekam. Die stilistische Bandbreite der Songs war bei Abba<br />
selten breiter angelegt als hier, umfasste Pop pur über Folk-Rockiges bis<br />
hin zu Karibik-Anleihen. Typisch Abba war allerdings das Händchen von<br />
Anderson und Ulvaeus für eingängige<br />
Melodien.<br />
Bubi Heilemann ist übrigens nach<br />
zweijähriger Vorbereitung in Sachen<br />
Konzeption und Produktion mit seiner<br />
Multivisions-Show „Abba hautnah – Mein<br />
Leben mit Abba" unterwegs. Der Abba-<br />
Haus- und Hoffotograf lädt dabei zu einer<br />
Zeitreise mit Fotos, TV-Ausschnitten und<br />
Musik ein ...<br />
Abba mit<br />
GoodTimes "<br />
Bravo"-Redakteur Gerald Büchelmaier (2.v.l.)<br />
2/2014 ■ Seite 45<br />
und Fotograf Wolfgang Heilemann
unterm<br />
Riesenrad<br />
Die DDR-Fernsehserie<br />
aus den späten Siebzigern<br />
hat noch heute einen Platz<br />
in den Herzen ihrer Fans<br />
Zum Schluss war dann alles wieder<br />
im Lot! Die in ihrem tiefsten Inneren<br />
friedfertige Hexe und der ordentlich<br />
geläuterte Riese hielten jeweils als Zeichen<br />
ihrer Rehabilitierung einen Personalausweis<br />
der Deutschen Demokratischen Republik<br />
in Händen und waren fortan Teil der<br />
Gemeinschaft. Lediglich der Dritte im Bunde<br />
– das fiese Rumpelstilzchen – hatte die<br />
Kurve nicht gekriegt und wurde in die<br />
Geisterbahnpuppe, die er schon einmal gewesen<br />
war, zurückverwandelt. Bis es allerdings<br />
soweit war, vergingen sieben 35-minütige<br />
Folgen, die so spannend und gleichzeitig<br />
witzig waren, wie es im DDR-Kinderfernsehen<br />
noch nicht allzu oft der Fall war. Der Plot,<br />
den der schon damals gefeierte Autor C.U.<br />
Wiesner nach einer Idee der Dramaturgin<br />
Anne Goßens entwickelte, lieferte<br />
alles, was auch heute noch einen<br />
erfolgreichen Kinderfilm ausmacht:<br />
eine nicht allzu schwierige, aber<br />
dennoch fantasievolle Geschichte,<br />
in den Hauptrollen mehrere<br />
Sympathieträger mit Charme, Witz<br />
und immer einem lockeren Spruch<br />
auf den Lippen sowie ein glückliches<br />
Händchen bei der Auswahl der<br />
Drehorte.<br />
Alles beginnt im „Kulturpark Plänterwald",<br />
dem ostdeutschlandweit schönsten Rummel –<br />
liebevoll „Kulti" genannt –, der nach dem Ende<br />
der DDR zum „Spreepark Berlin" wurde<br />
und seit vielen Jahren brachliegt. Dort<br />
jedenfalls können die drei Kinder Keks,<br />
Umbo und Tammi (die Spitznamen hatte<br />
sich Wiesner bei den realen Kindern<br />
eines Theaterschauspielers auf Rügen<br />
entliehen) ihre Sommerferien verbringen,<br />
denn ihre Großeltern betreiben<br />
die Geisterbahn. Welches Kind würde<br />
sich das nicht wünschen? Übermütig<br />
bewerfen sich die Kids eines Tages mit<br />
angebranntem Grießbrei und treffen<br />
dabei versehentlich drei Geisterbahnfiguren,<br />
die es anschließend zu reinigen gilt. Bei der<br />
Waschung in der Spree werden diese dann aber<br />
zum Leben erweckt, und von nun an sind Hexe,<br />
Riese und Rumpelstilzchen auf der Flucht.<br />
Verfolgt von den Kindern, deren Großeltern<br />
und den Genossen der Volkspolizei, fällt der<br />
Startschuss für einen turbulenten, actionreichen<br />
Familienspaß, der die Protagonisten vom<br />
heutigen Berliner Szenebezirk Friedrichshain<br />
und dem Alexanderplatz mit seinem großen<br />
Warenhaus direkt in den Harz, auf den<br />
Hexentanzplatz und zur Burg Falkenstein<br />
führt. Regisseur Günter Meyer, der zuvor<br />
meist an Dokumentarfilmen arbeitete, schuf<br />
ein echtes Juwel, das mittlerweile auch nachkommende<br />
Generationen begeistert. Meyer<br />
hatte ein genaues Gespür für das richtige<br />
Tempo sowie für reichlich Pointen und kleine<br />
Seitenhiebe auf den DDR-Alltag, etwa wenn<br />
das Geistertrio in Bananen mit Schale beißt<br />
oder ein Zivilist – offenbar ein Stasi-Mitarbeiter<br />
– auf dem Alexanderplatz Meldung macht.<br />
© Szenen-Bilder: DRA<br />
Seite 46 ■ GoodTimes 2/2014
<strong>kult</strong>!<br />
Abba<br />
Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de
Schalke 04<br />
Saison<br />
‘71/‘72<br />
Hinten von links: Lichtenberg, Pabst, Huhse, Hoffmann, van den Berg, Rüßmann, Nigbur, Horvath<br />
Mitte: Holz, Sobieray, Fischer, Scheer, Fichtel, van Haaren<br />
Vorne: Pohlfuß, Lütkebohmert, Manns, Heßling, Beverungen, Libuda, H. Kremers, E. Kremers, Braun<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Foto: © Horstmueller
Eine ganz andere Szene hätte um Haaresbreite<br />
jedoch die TV-Ausstrahlung fast noch verhindert:<br />
Die drei fantastischen Gestalten plündern<br />
nämlich das Kaufhaus. Neben dem geklauten<br />
Staubsauger, der als Flugbesen<br />
herhalten muss, deckt sich<br />
der Riese auch mit etlichen<br />
Würsten aus der Fleischtheke<br />
ein, von denen er dann auch<br />
noch einen Großteil verliert.<br />
Da die TV-Premiere<br />
der Serie im Januar 1979<br />
erfolgte, zu einer Zeit, als in<br />
einigen Regionen der DDR<br />
ein Mangel an Fleisch- und<br />
Wurstwaren herrschte, waren<br />
herumkullernde Filmwürste<br />
zweifelsohne ein No-Go, weshalb<br />
die Szene kurzerhand<br />
herausgeschnitten wurde. In<br />
den vielen Wiederholungen<br />
und auch in der Kinofassung<br />
1980 – hierbei wurde aus<br />
der TV-Serie ein zweiteiliger<br />
Spielfilm – war die Würstchenszene allerdings<br />
wieder drin. Ob sich die Fleischsituation zwischenzeitlich<br />
entspannt hatte oder die<br />
Zensoren einfach vergaßen, weiterhin<br />
einen geschärften Blick für allzu<br />
viele Lebensmittel in Kinderfilmen zu<br />
werfen, ist nicht überliefert.<br />
Als die Dreharbeiten begannen,<br />
trug die Serie noch den Arbeitstitel<br />
„Die Ausreißer" – für eine Serie,<br />
die es in einem Land, in dem es<br />
noch ganz andere Ausreißer gab,<br />
auf Anhieb ins nachmittägliche<br />
Samstagsfernsehprogramm<br />
schaffte, nicht die allerglücklichste<br />
Wahl. Und auch für Wiesner/<br />
Meyer, das Dreamteam der DDR-<br />
Fernsehunterhaltung, wäre es ungünstig<br />
gewesen, denn bei den weiteren<br />
Familienserien, die sie noch drehen sollten,<br />
hätten sie dann keine Verweismöglichkeit auf<br />
den Erfolgserstling gehabt. So aber konnten<br />
sie dem „Spuk unterm Riesenrad" noch den<br />
„Spuk im Hochhaus", den „Spuk von draußen"<br />
usw. folgen lassen. Die immer größer werdende<br />
Fangemeinde spricht daher liebevoll von<br />
den „Spuk-Serien".<br />
Nicht zuletzt waren es aber natürlich die<br />
Darsteller, die die Familienserie so sehenswert<br />
machen. Die kürzlich viel zu früh verstorbene<br />
Katja Paryla etwa, die in ihrer Rolle als Hexe<br />
Charme und Respekt gleichermaßen ausstrahlt.<br />
Stefan Lisewski, ein gefragter Brecht-<br />
Schauspieler am Berliner Ensemble, als tumber<br />
und gefräßiger Riese. Und sogar noch überzeugender<br />
Siegfried Seibt als Rumpelstilzchen,<br />
der seine Rolle förmlich lebte und auch beste<br />
Voraussetzungen dafür mitbrachte, denn<br />
schon 1960 war er in „Das Zaubermännchen",<br />
der Defa-Filmvariante des Grimm-Märchens,<br />
als Rumpelstilzchen zu sehen<br />
gewesen. Alte Theaterhasen<br />
wie die Bertolt-Brecht-<br />
Entdeckung (und Geliebte)<br />
Käthe Reichel und Kurt Radeke<br />
vom Berliner Maxim-Gorki-<br />
Theater begeisterten als Oma<br />
und Opa aus dem Plänterwald.<br />
Selbst die Kinderrollen waren<br />
großartig besetzt, die kleinen<br />
Großmäuler Umbo und Tammi<br />
mit ihrer rabaukenhaften<br />
Schnoddrigkeit – gespielt<br />
von Dima Gratschow und<br />
Henning Lehmbäcker<br />
– wirkten cool und clever.<br />
Und in die kleine Keks – verkörpert<br />
von Katrin Raukopf – hat sich<br />
damals jeder ostdeutsche Junge zwischen<br />
acht und zwölf ganz sicher verliebt.<br />
Die Schauspieler agierten mit vollem<br />
Körpereinsatz. Siegfried Seibt etwa brach<br />
sich zwei Rippen, Stefan Lisewski fiel eine<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 55<br />
Woche aus, weil er sich bei Aufnahmen einen<br />
Ast ins Gesicht rammte.<br />
Wiesner und Meyer nahmen den<br />
„Riesenradspuk"-Erfolg zum Anlass, anschließend<br />
ähnliche Serien zu konzipieren.<br />
Mitunter gab es hier<br />
auch ein Wiedersehen mit den<br />
Schauspielern aus der ersten<br />
Staffel. So spielten in „Spuk im<br />
Hochhaus" u.a. Katja Paryla,<br />
Siegfried Seibt (der während<br />
der Produktion im Januar<br />
1982 einem Krebsleiden<br />
erlag), Käthe Reichel sowie<br />
die Kinderdarsteller Gratschow<br />
und Lehmbäcker – allerdings<br />
in ganz anderen Rollen. Riese<br />
Stefan Lisewski war allerdings<br />
der Einzige, der in beiden<br />
Folgeserien (nach dem<br />
„Hochhaus" folgte noch der<br />
„Spuk von draußen") zu erleben<br />
war. C.U. Wiesner und<br />
Günter Meyer waren diesmal<br />
übrigens ebenfalls zu sehen: Meyer als wartender<br />
Restaurantbesucher und Wiesner eine Serie<br />
später als Erzähler.<br />
Auch im vereinten Deutschland ging<br />
der Spuk dann weiter: 1997, zehn<br />
Jahre nach der letzten „Spuk-Serie",<br />
drehten Wiesner und Meyer für den<br />
Kindersender Kika „Spuk aus der<br />
Gruft", „Spuk im Reich der Schatten"<br />
und „Spuk am Tor der Zeit" mit<br />
Schauspielern wie Nina Hoger, Ilja<br />
Richter und Matthias Schweighöfer.<br />
Wenngleich keine der Staffeln floppte,<br />
so ist die erste doch die bis<br />
heute beliebteste. Der „Spuk unterm<br />
Riesenrad" schaffte es auch auf etliche<br />
Theaterbühnen, und sogar ein<br />
Hörspiel –<br />
mit C.U.<br />
Wiesner als Erzähler<br />
– ist vor geraumer<br />
Zeit erschienen.<br />
Noch ganz neu ist<br />
die Veröffentlichung<br />
auf Blu-ray. Dabei<br />
handelt es sich übrigens<br />
um die erste<br />
DDR-Fernsehserie in<br />
diesem Format. Die<br />
Kultserie geht in dieser<br />
Hinsicht mit der Zeit.<br />
Christian Hentschel
Yamaha XT 500<br />
Die Mutter aller Enduros<br />
Die XT 500, die erste großvolumige Viertakt-Enduro, vermittelte<br />
ab Mitte der 70er Jahre wie kein anderes Serienmotorrad den<br />
Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Je steiniger der Weg,<br />
desto mehr wurde er mit der Yamaha zum Ziel.<br />
Von Andreas Kötter<br />
W<br />
as genau aber verbarg sich hinter dem<br />
Erfolgsrezept des robust-rustikal-reduzierten<br />
Yamaha-Eintopfes in einer Zeit, in der<br />
Motorräder doch eigentlich technisch immer ausgereifter<br />
und vor allem immer leistungsstärker wurden?<br />
Wie erklären sich der legendäre Ruf und der Kult um<br />
dieses Motorrad, das mit nicht weniger legendären<br />
Bikes wie der Honda CB 750 Four oder Kawasaki Z<br />
900 um die Gunst der Käufer konkurrieren musste, die viel eher dem<br />
zunehmenden „Höher, Schneller, Weiter" verpflichtet waren? Um diese<br />
Fragen beantworten zu können, ist ein Ausflug in die Geschichte geländegängiger<br />
Motorräder nötig.<br />
Z<br />
unächst war es wohl der typisch menschliche Wunsch, ausgetretene<br />
– Pardon – eingefahrene Pfade zu verlassen, sich einen Weg<br />
zu bahnen, wo eigentlich gar keiner war. „Über den Fluss und in die<br />
Wälder", das wurde Ende der 50er Jahre Wunsch und Motto nicht<br />
nur bei Ernest Hemingway, sondern auch bei vielen Motorradfahrern.<br />
Großen Anteil daran hatte der „King Of Cool", Hollywood-Ikone Steve<br />
McQueen, der 1963 im Weltkriegs-Klassiker „Gesprengte<br />
Ketten" als<br />
amerikanischer Kriegsgefangener mit einer Straßenmaschine über Stock<br />
und Stein versuchte, den Nazi-Schergen zu entkommen. en. Historisch kor-<br />
Yamaha XT 500 1976<br />
Seite<br />
56 ■ GoodTimes 2/2014<br />
rekt hätte es sich um eine BMW handeln müssen. Die<br />
aber hätte die wilde Fahrt kaum ausgehalten, so dass<br />
man dem Kinopublikum eine modifizierte Triumph<br />
als BMW verkaufte. McQueen war es auch, der reine<br />
Geländemotorräder wie die Husqvarna 400 populär<br />
machte. Viele Hersteller begannen nun, zunächst<br />
vor allem für den US-Markt Straßenmaschinen auf<br />
Gelände-Look zu pimpen, indem einfach der Auspuff<br />
höhergelegt und grobstolligere Reifen verendet wurden. „Scrambler"<br />
nannte man diese Maschinen, deren Geländegängigkeit allerdings eher<br />
theoretischer Natur war. Damit waren die Scrambler (engl. scramble =<br />
klettern) die Urahnen der Enduros (span. duro = hart; engl. endurance<br />
= Ausdauer), die ab Mitte der 70er Jahre auftauchten. Die hatten den<br />
Vorteil, dass jetzt Wert auf echte Geländegängigkeit gelegt wurde.<br />
Neben den grobstolligen Reifen und der hochgelegten Auspuffanlage<br />
gab es widerstandsfähigere Kotflügel aus Kunststoff, einen Motorschutz<br />
gegen Steinschlag und vor allem größere Federwege.<br />
Z<br />
urück zur XT 500. Mit ihrer ersten Präsentation 1975 auf dem<br />
US-Markt in Las Vegas wurde der Begriff Enduro einer breiteren<br />
Öffentlichkeit bekannt. Und schon das Modell der XT, das 1976 nach<br />
Deutschland kam, trug<br />
den Schriftzug „Enduro" ganz<br />
selbstverständlich auf dem Seitendeckel. Dass Yamaha<br />
hier ganze Arbeit geleistet hatte, zeigte sich<br />
umgehend: Das Sieger-Motorrad der ersten und<br />
zweiten Rallye<br />
Paris-Dakar war eine XT 500.<br />
Damit<br />
war klar, dass die XT nicht nur<br />
eine richtig gute Figur machte, sondern<br />
auch richtig gut war. Sie hatte eben<br />
weit mehr drauf, als nur ein Show-<br />
Bike zu sein, mit dem man sich vor<br />
dem Straßencafé als vermeintlich<br />
tougher Kerl inszenieren konnte.<br />
XT 500 1978
W<br />
irklich tough muss man tatsächlich<br />
bis heute sein, wenn man mit der<br />
XT zurechtkommen will. „Ein wahrer Mann<br />
muss in seinem Leben ein Haus bauen, einen<br />
Baum pflanzen und eine XT starten können",<br />
schrieb die Fachzeitschrift „Motorrad"<br />
2002 in einer der vielen Würdigungen des<br />
geschichtsträchtigen Kult-Motorrads. Denn<br />
das Ankicken der XT hat beinahe schon<br />
rituellen Charakter. Elektrostarter waren<br />
Mitte der 70er Jahre – wenn überhaupt –<br />
nur an größeren Straßenmaschinen vorhanden.<br />
Der einzylindrige Motor der XT muss<br />
also ausschließlich per Muskelkraft gestartet<br />
werden. Und es gibt nicht wenige, die<br />
schon hier an der XT verzweifeln möchten<br />
oder sich gleich auch noch einen mächtigen<br />
Bluterguss in der Wade holen. Dann, wenn<br />
der Kickstarthebel buchstäblich unbarmherzig<br />
zurückschlägt. Was für eine ungeheure<br />
Prozedur es ist, eine XT zum Leben zu<br />
erwecken, das beschreibt wunderbar noch<br />
einmal „Motorrad": „,Langsam mit dem<br />
Kickstarter pumpen.' Der Verkäufer gibt<br />
sich 1983 selbstsicher, flößt mir Vertrauen<br />
ein. Was ich nicht weiß: Seine Erfahrung ist angelesen. Handbuch<br />
der XT 500. Kapitel Starten. ,Irgendwann merkst du einen leichten<br />
Widerstand', fährt er fort, und seine Augen folgen gebannt dem Auf<br />
und Ab meines Fußes. Fast so, als geschehe gleich ein Wunder. Der<br />
leichte Widerstand ist erreicht, mein<br />
rechter Fuß ruht auf dem stählernen<br />
Starter, der, so die Erzählungen,<br />
in der Lage ist, Muskeln zu zerreißen<br />
und Knochen zu zerbrechen<br />
wie Streichhölzer. Mein linker<br />
Zeigefinger zieht an einem Hebel.<br />
Dieser ist über einen Bowdenzug<br />
mit einem Mechanismus verbunden,<br />
der im Motor das Auslassventil<br />
leicht öffnet, die Kompression<br />
damit gegen g Null schrumpfen lässt.<br />
Jetzt t nur noch ein kleiner Kick,<br />
so zirka fünf Zentimeter nach<br />
unten, den Kolben dadurch<br />
über den oberen Totpunkt<br />
wuchten, schon kann man im<br />
Schauglas ein gelbes Zeichen<br />
erkennen. Vorausgesetzt, der<br />
Zündzeitpunkt stimmt und<br />
Benzin ist im Vergaser, wird<br />
der darauffolgende Kick mit<br />
einem sonoren dumpfen Klang<br />
aus dem Auspuff belohnt. Vorausgesetzt."<br />
H<br />
atte man dieses Prozedere aber erst<br />
einmal intus, dann wurde die XT ein<br />
verlässlicher Begleiter wie kaum ein anderes<br />
Motorrad zu jener Zeit. Eine Freundin, mit<br />
der man bis heute ebenso gut zur täglichen<br />
Arbeit oder zum Brötchenholen fahren kann,<br />
wie um den Erdball. Denn dank der XT (und<br />
dank einer immer offeneren Gesellschaft)<br />
entwickelt sich ab Mitte der 70er Jahre<br />
auch ein reger Motorrad-Tourismus. Tiefstes<br />
Afrika oder höchster Norden, Botswana oder<br />
Nordkap – keine Region dieses Planeten, aus<br />
der Leser und Motorrad-Reisende damals<br />
Fotos ihrer XT-Abenteuer an die einschlägigen<br />
Magazine schickten. Immer mehr<br />
Zubehör für die große Fahrt gab es auch, von<br />
den entsprechenden Packvorrichtungen bis<br />
zu Tanks mit größerem Fassungsvermögen.<br />
Die XT wurde Kult, beinahe möchte man<br />
sagen, schneller, als Yamaha sie produzieren<br />
konnte. Bis 1990 wurde sie gebaut<br />
und überdauerte damit sogar ihre längst<br />
auf dem Markt angekommenen moderneren<br />
Werbung Nachfolgerinnen, die XT 550 und XT 600.<br />
etwa 1977 Am Ende wurden es insgesamt 127.446<br />
Maschinen, davon alleine in Deutschland mehr als 25.000. Dank ihrer<br />
bewundernswerten Zuverlässigkeit und der kaum weniger entscheidenden<br />
Anspruchslosigkeit ist „der Dampfhammer", wie die XT ob ihrer hart,<br />
aber herzlichen Motor-Charakteristik auch liebevoll genannt wird, zum<br />
treuen Dauerbegleiter für viele Motorrad-Reisende geworden.<br />
Und trat so eine Welle los.<br />
D<br />
er gro ße Erfolg rief auch andere Hersteller auf den<br />
Plan. So versuchte Honda mit der ähnlich konstruierten<br />
XL 500 ab 1979 wirtschaftlich durchaus erfolgreich<br />
XT 500 Paris – Dakar 1981<br />
d i e s e n<br />
Erfolg zu<br />
wiederholen,<br />
ohne<br />
dass die<br />
H o n d a<br />
aber den<br />
Kultstatus der Yamaha erlangte. Als man auch bei BMW erkannte, dass<br />
mit großvolumigen, alltags- und reisetauglichen Geländemotorrädern<br />
offensichtlich gutes Geld zu verdienen ist, setzte man mit der R 80<br />
G/S ab 1980 als erster Hersteller überhaupt auf eine Enduro mit mehr<br />
als einem Zylinder. Ihre Nachfolgerin, die R 1200 GS, ist seit 2005<br />
Jahr für Jahr das meistverkaufte Motorrad überhaupt in Deutschland.<br />
Eine Enduro als absoluter Top-Seller – eine erstaunli-<br />
che Entwicklung. Aber eben auch eine, die es ohne die<br />
Pionierleistung der XT 500 so wohl nie gegeben hätte.<br />
Die XT war es, die buchstäblich den Weg geebnet hat für<br />
den Erfolg großvolumiger, geländegängiger Motorräder.<br />
Bis<br />
heute weiß jeder Motoradfan, was gemeint ist,<br />
wenn irgendwo schlicht von<br />
der<br />
„XT" die Rede ist. Bis<br />
heute gilt die Yamaha<br />
als<br />
Synonym nym für<br />
Freiheit und<br />
Abenteuer. euer Keinem anderen<br />
Motorrad orrad<br />
ist das in<br />
dieser Form gelungen.<br />
XT 500 1982<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 57
Der ewige Traum<br />
der kleinen Mädchen<br />
VEB Kombinat<br />
Spielwaren Sonneberg<br />
Foto: © Martin Naumann<br />
Man hatte es nicht leicht,<br />
wenn man wie ich in den<br />
60er und 70er Jahren in<br />
der Messe stadt Leipzig<br />
groß wurde und keine Westverwandtschaft<br />
besaß – jedenfalls keine, die bedeutsame<br />
eutsame<br />
Pakete schickte. Es gab für mich allerdings ein<br />
Trostpflaster: Meine Großeltern und Tanten<br />
lebten in der traditionsreichen Spielzeugstadt<br />
eugstadt<br />
Sonneberg, und somit saßen meine Schwester<br />
und ich an der Quelle all der schönen n<br />
Dinge,<br />
von denen kleine Mädchen träumen.<br />
In Thüringen hat die Spielzeugherstellung ellung<br />
eine lange Tradition, es gab unzählige<br />
Fabriken, Kleinfirmen und<br />
Spielzeugmacher; ich selbst<br />
stamme aus einer Familie, die<br />
in Sonneberg eine Puppenfabrik<br />
besaß. Ende der 50er Jahre mussten sten<br />
sich die Heimarbeiter und Hausierer r dann<br />
allerdings zur Produktionsgenossenschaft enschaft<br />
des Handels zusammenschließen, und 1972<br />
wurden schließlich die letzten privaten<br />
Spielzeughersteller zwangsweise verstaat-<br />
licht und zu einem Kombinat<br />
verbunden. In Sonneberg<br />
liefen von nun an<br />
alle Fäden der DDR-<br />
Spielwarenindustrie<br />
zusammen. Zum VEB<br />
Kombinat<br />
Spielwaren<br />
wir Kinder sie alle liebten<br />
– und das auch noch<br />
heute tun, wo wir schon längst erwachsen<br />
sind. Nichts kommt an die Puppen und<br />
Kinderhaushaltsgeräte aus Sonneberg heran!<br />
Die berufstätigen Hausfrauen suchten damals<br />
im Elektroladen oft vergebens nach einer vernünftigen<br />
Küchenmaschine und ergatterten<br />
mit viel Glück am Ende nur ein hässliches,<br />
vergilbtes Ungetüm aus Kunststoff, das sie<br />
im Grunde ihres Herzens gar nicht haben<br />
wollten. Da sah es<br />
in den Puppenküchen ihrer<br />
Töchter doch ganz anders<br />
aus! Dort stand modernste<br />
Qualitätstechnik in allen<br />
Farben. Die Puppengeräte<br />
der Piko verfügten über<br />
sämtliche Funktionen der<br />
Erwachsenenausgaben,<br />
funktionierten aber teilweise<br />
besser und sahen noch<br />
dazu viel schicker aus.<br />
Sonneberg<br />
gehörten<br />
Mitte der 80er Jahre<br />
über 30 verschiedene<br />
Betriebe, e<br />
unter ihnen der Stammbetrieb<br />
Sonni, außerdem die Piko, Biggi<br />
Waltershausen, Plasticart, Vero<br />
Olbernhau, Anker-Mechanik, Plüti,<br />
aber auch Famos Leipzig oder die<br />
Berliner TT-Bahnen. Sie stellten<br />
Plüschtiere, Puppen, Handpuppen,<br />
mechanisches Spielzeug, Spielzeug aus<br />
Plastik<br />
(genannt Plaste), Eisenbahnen,<br />
Spiele, Autos und<br />
Baukästen her. 86<br />
Mal errangen sie<br />
dafür Messegold<br />
und bekamen 36<br />
Auszeichnungen für<br />
gutes Design. Die<br />
höchste Ehrung für<br />
diese Spielwaren<br />
aber war, dass<br />
Seite 58 ■ GoodTimes 2/2014
Puppenstube aus dem<br />
VEB Vero Olbernhau<br />
In den Puppenhaushalten<br />
h der DDR ging es wie<br />
im richtigen Leben<br />
zu: Die Frauen<br />
führten nicht nur<br />
den Haushalt<br />
und erzogen die<br />
Kinder, sie waren<br />
auch berufstätig<br />
und arbeiteten oft<br />
in Männerberufen. en.<br />
Im Zuge<br />
dieser<br />
Gleich -<br />
berechtigung achteten die Verpackungsgestalter<br />
sorgsam darauf, dass auf den<br />
Chemie-, Elektro- oder<br />
Metallbaukästen auch immer<br />
Mädchen abgebildet wurden.<br />
Es wäre nur gerecht gewesen,<br />
wenn im Gegenzug die<br />
Kinderhaushalts geräte auch für<br />
die Jungen angepriesen worden<br />
wären. Aber auf diesen Kartons<br />
warb man mit dem Slogan:<br />
„Für die Puppenmuttis" und<br />
zeigte wiederum Mädchen bei<br />
der Puppenhausarbeit. In meiner<br />
Erinnerung war demzufolge<br />
sämtliches Spielzeug, egal welcher<br />
Art, ganz besonders und<br />
speziell für Mädchen geeignet. Ich weiß nicht,<br />
wie sich diese Tatsache für die<br />
Jungen angefühlt<br />
haben<br />
mag, meine<br />
Schwester und<br />
ich fanden das<br />
jedenfalls sehr<br />
in Ordnung.<br />
In unserem<br />
Kinderzimmer<br />
kurbelten<br />
wir also mit<br />
Inbrunst an<br />
der Puppen-<br />
Küchenmaschine<br />
Piko5006 in pastelligem<br />
Babyblau,<br />
ausgestattet mit<br />
Rührschüssel und<br />
Blenderaufsatz, und<br />
zauberten damit aus<br />
Milch und Sofix-<br />
Pulver köstlichen,<br />
klumpigen Pudding.<br />
Den servierten wir<br />
dann stilgerecht in<br />
blauweißem Geschirr aus<br />
Hartplastik. Besonders gern<br />
drehte ich meinen en Puppen<br />
auch<br />
knallrote<br />
Plastikwickler<br />
in die<br />
Haare<br />
und<br />
fönte<br />
sie<br />
mit<br />
dem batteriebee<br />
e n<br />
triebenen<br />
Puppen-Fön<br />
„Nina" in angesagtem<br />
Hippie-Orange.<br />
Unsere Puppenwäsche<br />
rumpelte in der blau-<br />
weißen<br />
Waschmaschine<br />
Picomatic<br />
aus<br />
Blech und Plastik, mit beweg-eglicher<br />
Trommel, die man<br />
über einen Aufstecktrichter<br />
mit Wasser und Waschpulver<br />
befüllen konnte. Zum<br />
Entleeren wurde ein kleiner<br />
Gummischlauch aus dem<br />
Gehäuse gezogen, durch<br />
den das Wasser ablaufen<br />
konnte, ganz wie bei den<br />
richtigen Waschmaschinen<br />
der damaligen Zeit. Zum Schluss<br />
plätteten wir die Wäsche<br />
mit<br />
einem em<br />
Puppenbügel-<br />
e eisen,<br />
das<br />
Stromzugang<br />
g<br />
hatte<br />
und<br />
tatsächlich<br />
h<br />
warm<br />
wurde.<br />
G e b a c k e n<br />
haben wir im<br />
Puppenherd<br />
„Lucullus",<br />
der<br />
ebenfalls<br />
mit<br />
Strom betrieben wurde<br />
und einzeln zuschaltbare<br />
Ober- und Unterhitze e<br />
hatte. Es gab sogar eine elektrische<br />
Kindernähmaschine namens „Michaela",<br />
ebenfalls voll funktionstüchtig, ausgestattet<br />
mit Nadelset, Schnittmusterbogen,<br />
Nähgarn und Fußpedal. Offensichtlich fensichtlich hantierten<br />
wir ostdeutschen Mädchen voller<br />
Begeisterung mit Strom, spitzen Nadeln und<br />
heißen Herdplatten.<br />
Eine meiner Freundinnen besaß den<br />
Puppenplattenspieler „Juniorfon", um den<br />
ich sie glühend beneidet habe. Darauf lie-<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 59<br />
ßen sich kleine bunte<br />
Schallplatten abspielen,<br />
mit Märchen,<br />
Kinder- oder<br />
Volksliedern, und<br />
auf einer kicherte<br />
die ganze Zeit ein<br />
Lachsack vor sich hin.<br />
Vorn am Gerät befand<br />
sich ein kleines Rad<br />
zum Verändern der<br />
Abspielgeschwindigkeit.<br />
Wir konnten den Lachsack ganz hoch<br />
und hysterisch lachen lassen oder aber mit tie-<br />
fer<br />
Gruselstimme.<br />
Dieses Rädchen<br />
war das Beste<br />
am ganzen<br />
Plattenspieler.<br />
Während wir in<br />
der<br />
Kinder- und<br />
Jugendmode mit<br />
ihren<br />
gedeckten<br />
Farben<br />
und langweiligen<br />
Schnittmustern vergeblich nach Jeans<br />
oder schicken Kleidern suchten, gab es für<br />
unsere Puppen ausgefallene Hippie-Kleidung<br />
in psychedelischen Farben. Diese Kleider,<br />
ebenfalls unter dem Dach<br />
des Kombinats<br />
gefertigt, waren in<br />
Wirklichkeit alles<br />
Einzelstücke,<br />
die<br />
bis zuletzt in<br />
Heimarbeit von<br />
Thüringer Näherinnen<br />
in ihren Wohnstuben<br />
auf<br />
ganz norma-<br />
len<br />
Haushaltsnähmaschinen,<br />
oft noch<br />
ohne Elektroantrieb,<br />
genäht wurden.<br />
Dadurch hatten sie eine ganz andere<br />
Qualität als die Kinderkleidung, deren Säume<br />
sich oft schon beim ersten<br />
Tragen auflösten. Ich besit-<br />
ze Puppenkleider, die heute<br />
noch genauso stabil sind wie<br />
vor 40 Jahren, als ich sie<br />
geschenkt bekam. Das Prinzip<br />
der Einheitsmode galt nicht<br />
für die Puppenindustrie:<br />
Es gab Puppen in allen<br />
Schattierungen, was Haar-<br />
farbe, Hautfarbe und<br />
Augenfarbe betraf,<br />
und es gab sie<br />
in<br />
allen Ausführungen<br />
von der winzigen<br />
Puppenstuben-größe bis hin zu den<br />
n fast kindergroßen<br />
Laufpuppen.
Die Sonni war der größte Hersteller<br />
von Puppen und Plüschtieren<br />
im gesamten Ostblock. Fast 70<br />
Prozent der Produktion gingen<br />
in den Export, aber es verblieb<br />
immer ein bestimmtes Kontingent<br />
jedes Produkts im Land, und auch<br />
die einheimischen Läden wurden<br />
mit Sonni-Puppen versorgt.<br />
Jedes kleine Mädchen wünschte<br />
sich eine. Wir bekamen sie auch<br />
alle, aber ich kriegte sie ein kleines<br />
bisschen eher! Meine Tante arbeitete<br />
t<br />
nämlich in der Buchhaltung der Sonni. ni.<br />
Allen Mitarbeitern des Kombinats, die<br />
Kinder in ihrer Verwandtschaft hatten,<br />
wurden Puppen zur Verfügung<br />
gestellt. Nicht irgendwelche Puppen<br />
und auch nicht aus Großzügigkeit. Es<br />
waren Prototypen, die getestet werden en<br />
mussten. Diese Qualitätstests wurden mit<br />
einfachen und kostensparenden Mitteln<br />
durchgeführt. Geprüft wurde alles,<br />
von der Verpackung bis zum Produkt<br />
selbst. Die Puppenkartons verlud man in<br />
Lastkraftwagen und schickte sie auf eine<br />
Reise über die wildesten schlaglochgespickten<br />
Landstraßen quer durch die Republik.<br />
Das Ziel der Reise war – die Sonni. Alle<br />
Kartons kehrten wieder zu ihr zurück, wurden<br />
ausgepackt und kontrolliert, um zu sehen,<br />
ob die Puppen<br />
darin auch alles<br />
heil überstanden<br />
hatten.<br />
Die Puppen<br />
selbst wurden<br />
von denen<br />
geprüft, die sie<br />
am Ende benutzen<br />
sollten:<br />
von Kindern.<br />
Und das Beste<br />
daran war,<br />
diese Kinder<br />
durften die<br />
Puppen nach<br />
dem Probelauf<br />
behalten. Ich kann mit Stolz sagen, meine<br />
Schwester und ich gehörten zu den auser-<br />
wählten Puppentesterinnen: Wir testeten eine<br />
der ersten modischen<br />
Ankleidepuppen aus<br />
DDR-Produktion<br />
und auch den<br />
Prototypen der<br />
sozialistischen<br />
der im Inneren ihres Kopfes vom<br />
Mund hinab in die Tiefe ihres<br />
Körpers führte, stabil befestigt. Das<br />
gab später einen dicken<br />
Pluspunkt auf dem<br />
Testbogen. Der Kopf<br />
ließ sich dadurch nur<br />
wenige<br />
Zentimeter eter<br />
vom Körper abhe-<br />
Neonreklame auf dem<br />
ben. Genug für<br />
Stamm betrieb Sonni in Sonneberg mich, um zu<br />
sehen, dass ihre<br />
Augen hinten ein<br />
Bleigewicht<br />
besaßen,<br />
was dafür sorgte,<br />
dass sich die Augen schlossen,<br />
wenn man sie hin-<br />
legte. Eine weitere span-<br />
nende Entdeckung. Bis in die 80er<br />
Jahre wurden die Puppenaugen in der<br />
Glasbläserei Lauscha aus mehrfarbigem<br />
Glas mundgeblasen. Danach bestanden<br />
die Augen aus Plastik, und die Iris<br />
wurde nur noch aufgedruckt.<br />
Die zweite Testpuppe war eine<br />
Ankleidepuppe, von uns kurzerhand<br />
Pullerpuppe! Wir Probanden<br />
wurden vor der Übergabe<br />
Busenpuppe genannt. Sie hatte eine normale<br />
Puppengröße von etwa 45 Zentimeter und<br />
und in einigen Zeitabständen<br />
Puppen aus<br />
danach eingehend befragt und<br />
der Sonni - mit<br />
sehr ernstgenommen. Ich kann<br />
in Heimarbeit<br />
mich erinnern, dass alles aufgeschrieben<br />
und protokolliert wurde<br />
genähten<br />
Kleidern.<br />
und<br />
wie wichtig ich mich dabei<br />
fühlte. Noch heute bin ich sicher,<br />
dass es allein meinetwegen in<br />
der Folgeproduktion männliche<br />
Pullerpuppen gab. Hatte ich doch<br />
auf<br />
die Frage meiner Tante, was<br />
mir bei einer Pullerpuppe besonders<br />
wichtig<br />
sei, eine klare Antwort parat<br />
gehabt.<br />
Man musste doch schließ-<br />
lich was davon haben! Ich bekam<br />
dann tatsächlich eine Jungspuppe<br />
mit allem Drum und Dran und gesteppter<br />
Kurzhaarfrisur. Ich konnte sie mit Wasser<br />
aus einer Nuckelflasche für Puppen füttern,<br />
aber das Wasser lief nicht etwa einfach unten<br />
wieder heraus. Erst wenn ich den rechten<br />
Oberschenkel aus Weichplastik zusammen-<br />
keine Wespentaille, sondern lediglich eine<br />
gut entwickelte Oberweite. Vielleicht war sie<br />
drückte, pullerte<br />
der Versuch einer Alternative zur<br />
sie in dickem<br />
Strahl.<br />
Barbie, die nicht den Normmaßen<br />
einer Genossin entsprochen haben<br />
Mit meinen<br />
dürfte. Sie trug ein schreiend<br />
Freundinnen habe<br />
ich Tage damit<br />
zugebracht, diesen<br />
buntes Flower-Power-Kleid aus<br />
Vliesett. Dieser Stoff aus Viskose-,<br />
Polyamid- und Polyesterfaser war<br />
den<br />
zu<br />
spannen-<br />
Kreislauf<br />
beobachten.<br />
damals sehr in Mode, und wir<br />
nannten die Sachen aus diesem<br />
Stoff Papierkleider, denn genauso<br />
Irgendwann hielt<br />
ich es nicht mehr<br />
fühlte es sich an.<br />
Sowohl Ankleidepuppe als auch<br />
aus und riss ihr<br />
Pullerpuppe bestanden aus<br />
den Kopf ab, um<br />
nachzusehen, wie<br />
Weichplastik, wodurch sich bei<br />
Letzterer der Kopf ohne Probleme<br />
diese Zauberei<br />
wieder aufstecken ließ. Meine<br />
funktionierte.<br />
allererste Babypuppe aus der<br />
Zum Glück<br />
Sonni hatte noch einen Kopf<br />
war der dünne<br />
Gummischlauch,<br />
aus Biskuitporzellan und aufgemalte<br />
Haare gehabt. Ihr Körper<br />
Seite 60 ■ GoodTimes 2/2014
aus Stoff war mit harter Holzwolle gefüllt,<br />
im Inneren rief eine Stimme „Mama". Meine<br />
Schwester und ich haben die arme Puppe<br />
stundenlang auf den Kopf und zurückgedreht,<br />
nur um den etwas kläglichen „Mama"-Schrei<br />
zu hören. Auf dem Puppenbauch konnte man<br />
im Inneren den Zylinder mit den Schalllöchern<br />
erfühlen, der das Geräusch hervorbrachte. Der<br />
Puppenkopf war fest mit dem Körper verschnürt<br />
und verknotet, so dass wir hier keine<br />
Chance hatten, den Entstehungsort dieser<br />
Stimme näher zu untersuchen.<br />
Später gab es auch Sprechpuppen. Sie hatten<br />
einen kleinen Plattenspieler im Körper, das so<br />
genannte Minifon, das aus Italien zugeliefert<br />
wurde. Vielleicht waren diese Puppen deshalb<br />
so rar. Die Schallplatten konnten über eine<br />
Klappe im Rücken gewechselt werden. Benutzt<br />
wurden die gleichen Platten wie für das<br />
Juniorfon, so dass die Puppe sprechen oder<br />
Die Autorin mit ihrer großen<br />
singen konnte. Ich kenne sie nur von meiner<br />
Schwester und einer Puppe aus dem<br />
Freundin, ich selbst habe keine besessen. Diese<br />
VEB Biggi Walthershausen<br />
Puppe sang immer mit Inbrunst: „Wenn Mutti<br />
früh zur Arbeit geht ..."<br />
Meine Cousine besaß eine Laufpuppe, die mir<br />
mit ihren mehr als 60 Zentimetern ungeheuer<br />
den Armen und Beinen Scheibengelenke hatte.<br />
Später bekam ich noch eine andere Katze, die<br />
mit Grisuten gefüllt war, dadurch fühlte sich der<br />
groß vorkam. Diese Laufpuppen wurden in<br />
der Sonni einem Dauertest unterzogen und<br />
Plüschtiere aus<br />
mussten dafür in einer Halle mindestens 72<br />
der Sonni<br />
Stunden auf einem Laufband vor sich hin<br />
stapfen, damit man herausfand, wie lange sie<br />
durchhielten. Die Mechanik für diese Puppen<br />
kam aus dem Eichsfeld.<br />
In der Sonni wurden auch die Handpuppen der<br />
beliebten Sandmännchen-Figuren hergestellt,<br />
die in jedem ostdeutschen Kinderzimmer zu<br />
finden waren. Meine Sandmännchen-Puppe<br />
stammte aus der Anfangszeit der Produktion<br />
und war noch aus Holz geschnitzt worden. Ihr<br />
Gesicht wirkte dadurch sehr ausdrucksstark,<br />
und der Kopf war stabil und schwer. Das<br />
bekam meine Schwester zu spüren, der ich<br />
im Streit das Sandmännchen einmal an die<br />
Stirn schlug. Sie bekam eine große Beule –<br />
und ich gewaltigen Ärger. Später wurden die<br />
Handpuppenköpfe aus Plastik hergestellt, und<br />
auch hier war ich der festen Überzeugung,<br />
Köper weicher und nachgiebiger an. Besonders<br />
beliebt waren damals die Kuscheltiere mit<br />
Plastikgesicht. Diese finden sich schon in<br />
einem Werbeprospekt der Sonni<br />
von 1972, also zwei Jahre vor<br />
dass dies allein meinetwegen und zum<br />
der Erfindung des<br />
Schutz älterer Schwestern geschah. h.<br />
Monchichis.<br />
Im VEB Koppelhund wurde noch<br />
Bei Biggi Waltershausen,<br />
eine andere Sorte von Spielzeug hergestellt,<br />
ebenfalls<br />
die jeder von uns besaß,<br />
die so genannten Blasenteddys s aus<br />
Plastik. Ali Baumgarten, ein großarsie<br />
tiger Puppen-Designer, hatte zum Kombinat Sonni<br />
gehörend, wurden kleine<br />
Plastikpüppchen hergestellt,<br />
die wirklich<br />
entwickelt. Es gab sie in verschie-<br />
jedes<br />
Mädchen<br />
denen Größen und Farben, von<br />
winzig als Schlüsselanhänger bis<br />
in meiner Schule<br />
besaß. Sie waren<br />
groß wie ein Kuscheltier. Sie waren aber<br />
ca. 20 Zentimeter<br />
kein bisschen kuschelig, sondern statt<br />
mit Fellhaaren mit harten Plastikblasen lasen<br />
übersät, denen sie ihren Volksnamen<br />
verdankten. Der einzige Gewinn meines<br />
lang und wurden in<br />
Klarsichtzylindern ver-<br />
kauft. Die Püppchen besaßen keine<br />
Füße, sondern nur Beinstummel, auf<br />
Lebens ist ein großer fleischfarbener<br />
Blasenteddy aus dem die die Weichplastikschuhe<br />
Blasenteddy geblieben, VEB Koppelhund aufgesteckt werden mussten.<br />
den ich auf einem Schulausflug in der zweiten<br />
Klasse an einer Losbude gewonnen habe.<br />
Die Sonni stellte aber auch weiche, kuschelige<br />
Plüschtiere her. Ich besaß eine schwarz-weiße<br />
Katze, die mit Holzwolle gestopft war und in<br />
Arme und Beine waren nicht beweglich. Der<br />
Puppenkörper wurde für Trachten-, Souvenirund<br />
ganz normale Puppen verwendet. Das<br />
Püppchen bekam einfach wechselnde Köpfe<br />
und Kleidung verpasst, und schon wurde aus<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 61<br />
Foto: © Martin Naumann<br />
der sorbischen Braut ein Messemännchen. Man<br />
erkannte die Herkunft der Puppen immer an den<br />
Stummelfüßen und der Schneewittchensarg-<br />
Röhre, in der sie steckten.<br />
Im Betriebsteil Waltershausen wurden jedoch<br />
auch Gesellschaftsspiele hergestellt. Neben<br />
den normalen Brettspielen gab es außerdem<br />
technisch raffinierte Spiele. Eines der<br />
beliebtesten war das Frage- und Antwortspiel<br />
„Gordon". In einem Kasten lagen vorgedruckte<br />
Quizblätter, links die Fragen, rechts<br />
die Antworten. Man musste den beiliegenden<br />
Magier in eine vorgesehene Öffnung im<br />
Zentrum des Fragenfeldes stecken und ihn auf<br />
eine beliebige Frage drehen. Im Antwortfeld<br />
rechts klebte in der Mitte ein Spiegel. Setzte<br />
man den Magier nun darauf, drehte er sich<br />
wie von Zauberhand und zeigte schließlich mit<br />
seinem Stab auf die richtige Antwort, wobei er<br />
höchst bedeutsam mit seinem Turban wippte.<br />
Dieses faszinierende Spiel war der Hit auf<br />
allen Geburtstagfeiern. Ein ähnlich magisches<br />
Spiel war „Das elektrische Rätselraten". Auf die<br />
Platte mit Knopfkontakten wurde ein gelochter<br />
Papierbogen mit Fragen und Antworten gelegt.<br />
Einen Pol-Stab hielt man auf die Frage, den<br />
anderen auf die Antwort. Lag man<br />
richtig, leuchtete die Lampe auf. Bei<br />
beiden Spielen gab es Themenbögen<br />
zu Technik, Kultur, Erdkunde,<br />
Allgemeinwissen und Mathematik.<br />
Außerdem existierte bereits 1971 der<br />
Elektronikbaukasten „pikotron", der<br />
wie ein früher Computer anmutet.<br />
Bei Famos in Leipzig wurden nicht<br />
nur Stempelspiele, sondern auch die<br />
Minipackungen für den Kaufladen<br />
hergestellt. Der Kaufladen selbst kam<br />
aus dem VEB Vero Olbernhau, wo<br />
auch Puppenhäuser, Puppenstuben<br />
und Puppenstubenmöbel produziert<br />
wurden. Auf die dazugehörigen<br />
Puppenstubenpuppen hatte man sich<br />
in Lichte, ebenfalls Thüringen, spezialisiert.<br />
Noch heute wird bei uns einmal im Jahr<br />
zur Weihnachtszeit eine<br />
solche Puppenfamilie aus<br />
den Mittsechzigern vom<br />
Dachboden geholt, damit<br />
wir sie in die Puppenstube<br />
setzen können ...<br />
Spielzeug aus dem VEB<br />
Kombinat<br />
Spielwaren<br />
Sonneberg gab es in allen<br />
DDR-Haushalten,<br />
aber<br />
auch in Kinderzimmern<br />
auf der ganzen Welt. Mit<br />
der Währungsunion brach<br />
dann allerdings der wichtigste<br />
Handelspartner<br />
weg, denn das sozialistische<br />
Ausland konnte nicht in Devisen<br />
bezahlen. Kaum ein Betrieb des ehemaligen<br />
Kombinats hat überlebt, einige wurden neu<br />
gegründet, die Piko hat sich inzwischen<br />
auf Modellbahnen spezialisiert. Puppen vom<br />
Stammbetrieb Sonni kann man nur noch bei<br />
ebay finden – oder auf alten Fotos, auf denen<br />
wir sie im Arm halten.<br />
Kati Naumann
Schalkes 72er-Elf<br />
Junge Wilde"<br />
"<br />
in Königsblau<br />
Das Team der Saison 1971/72 gilt als die beste<br />
Mannschaft der Schalker Bundesliga-Geschichte<br />
Seit mehr als 56 Jahren wartet man beim FC Schalke 04 nun schon Zwar ziehen am Fußballhimmel über Gelsenkirchen längst erste<br />
darauf, endlich wieder einmal eine deutsche Meisterschaft feiern Wolken auf, als die Spielzeit 1971/72 am 14. August eröffnet<br />
wird – sind doch längst Gerüchte im Umlauf, dass auch der<br />
zu können. Im Augenblick aber deutet rein gar nichts darauf hin,<br />
FC Schalke 04 in den Bundesliga-Bestechungsskandal der Vorsaison<br />
dass sich an der schon beängstigenden Dominanz des FC Bayern verwickelt sein könnte –, aber zunächst lassen sich die Königsblauen<br />
München auf absehbare Zeit etwas ändern könnte.<br />
davon nicht beirren. Das mit Spielern wie Keeper<br />
Norbert Nigbur, Libero Klaus Fichtel, Verteidiger<br />
Immerhin aber hat es für die Schalker in den vergangenen<br />
Jahrzehnten bisweilen wenigstens für<br />
und Reinhard „Stan" Libuda fußballerisch ohne-<br />
Rolf Rüssmann oder den Stürmern Klaus Fischer<br />
die Vize-Meisterschaft gereicht, etwa 1977, 2005,<br />
hin schon begnadete Team des neuen Trainers<br />
Ivica Horvat (der bereits in den letzten Spielen<br />
2007 und 2010. Und ein paarmal war man ganz<br />
der Saison 1970/71 übernommen hatte), ist<br />
nah dran am großen Coup: Am nächsten wohl<br />
von Präsident Günter Siebert noch einmal um<br />
2002, als sich die später zum Meister der Herzen"<br />
die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut bereichert<br />
worden, die vom Absteiger aus Offenbach<br />
"<br />
verklärte Elf in einem dramatischen Saisonfinale<br />
gekommen sind. Damit verfügt Schalke jetzt über<br />
mit dem FC Bayern für vier Minuten tatsächlich<br />
eine Elf, die sich, was das Fußballspiel betrifft –<br />
als Champion fühlen durfte. 40 Jahre zuvor aber,<br />
die Betonung liegt auf „Spiel" –, auch hinter<br />
den Größen aus Mönchengladbach und München<br />
im Sommer 1972, gab es schon einmal einen<br />
nicht verstecken muss. Oder wie Erwin Kremers<br />
Kampf auf des Messers Schneide zwischen den<br />
im <strong>kult</strong>!-Interview schmunzelnd bemerkt: „Es<br />
Roten" aus München und den " Königsblauen" aus<br />
hat noch niemandem geschadet, wenn er Fußball<br />
" Ivica Horvat<br />
Schalke. Und bis heute gilt die Elf der Saison 1971/72 als die wohl<br />
spielen kann!" Und tatsächlich geben diese „jungen Wilden",<br />
ergänzt um die Routiniers Libuda und Heinz van Haaren, schon<br />
beste Schalker Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten.<br />
beim 5:1-Auftaktsieg in Hannover das Versprechen auf eine große<br />
Seite 62 ■ GoodTimes 2/2014
Saison. Zwar liegt man zur Pause noch<br />
0:1 hinten, dann aber drehen Fischer<br />
(insgesamt vier Tore) und Jürgen<br />
Sobieray die Partie. Nach vier Spielen<br />
liegt man mit 8:0 Punkten und 14:3<br />
Toren bereits an der Tabellenspitze,<br />
gar mit 6:2 hat man an diesem vierten<br />
Spieltag den 1. FC Köln deklassiert.<br />
Ein paar Tage später setzt es beim 0:2<br />
in Frankfurt die erste Pleite. Die aber<br />
ist schnell vergessen, weil man sich<br />
ausgerechnet gegen den Erzrivalen<br />
aus Dortmund durch einen Treffer<br />
© Pressefoto<br />
von Herbert<br />
Lütkebohmert<br />
die Tabellenführung<br />
zurückerobert.<br />
So darf<br />
es weitergehen!<br />
Und es<br />
geht so weiter.<br />
Kremers-Zwillinge: Erwin (l.) und Helmut Kremers.<br />
Erst am 10. Spieltag, beim 0:0 in Braunschweig, werden die<br />
Knappen wieder einen Punkt abgeben. Die Tabellenspitze<br />
hält man dennoch vor dem FC Bayern München, der mit vier<br />
Verlustpunkten auf Rang zwei liegt. Eine Woche später schießt<br />
Fischer Rot-Weiß Oberhausen beim 4:0 mit drei Treffern beinahe<br />
im Alleingang aus der Glückauf-Kampfbahn. Schalke ist obenauf.<br />
Umso unverständlicher das Desaster, das nur wenige Tage später<br />
folgt: 0:7 aus Schalker Sicht heißt es<br />
am 23. Oktober nach 90 Minuten auf<br />
dem Mönchengladbacher Bökelberg.<br />
Und mit „nur" sieben Gegentreffern<br />
ist man noch gut bedient. Die<br />
Tabellenführung ist perdu, zudem<br />
ist nun auch noch die Gladbacher<br />
Borussia bis auf drei Punkte herangerückt<br />
an Schalke. Schon beim<br />
folgenden 3:0 gegen Kaiserslautern<br />
zeigt man sich dann aber gut erholt<br />
und wird in den kommenden Wochen<br />
nur noch beim 1:1 in Bielefeld einen<br />
Punkt abgeben. Als man schließlich<br />
am 17. Spieltag den FC Bayern in der<br />
Glückauf-Kampfbahn empfängt, hat<br />
man Beckenbauer und Co. an der Tabellenspitze längst wieder abgelöst.<br />
Van Haaren schießt Königsblau zu einem knappen Sieg. Der aber reicht<br />
Schalker Trainerbank mit Ivica Horvat (l.)<br />
und Reinhard Libuda (ganz rechts)<br />
allemal, so dass man mit drei Punkten Vorsprung auf den Vorjahres-<br />
Vizemeister aus<br />
FC Schalke 04 : FC Bayern München (11.12.1971): Begrüßung<br />
München und<br />
der Kapitäne: Franz Beckenbauer und Reinhard Stan" Libuda<br />
gar mit fünf f<br />
"<br />
auf den noch<br />
amtierenden<br />
Meister aus<br />
Mönchen gladbach<br />
in die<br />
Winterpause<br />
geht. Schalke<br />
ist zum ersten<br />
Mal in seiner<br />
Bundesliga-<br />
Geschichte<br />
Herbstmeister!<br />
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2/2014 ■ Seite 63
Happy End im Pokal<br />
Der Auftakt der Rückrunde ähnelt dem Saisonstart: mit fünf<br />
Treffern gegen Hannover 96. 5:0 heißt es diesmal gar! Und nicht<br />
wenige glauben jetzt daran, dass die Knappen tatsächlich auf Titelkurs<br />
steuern. Daran ändert auch die 0:2-Niederlage beim MSV Duisburg<br />
eine Woche später nichts. Im Gegenteil: Als die Horvat-Elf den BVB<br />
am 23. Spieltag in dessen Rote-Erde-Stadion vorführt und mit 3:0<br />
gewinnt, scheint plötzlich alles möglich. Der Dämpfer aber folgt auf<br />
dem Fuß: 0:2 verliert<br />
Schalke in Bremen,<br />
die Bayern sind wieder<br />
bis auf einen Punkt<br />
heran. Und noch einmal<br />
zwei Wochen später,<br />
nach einem 0:3<br />
in Berlin, muss man<br />
die Münchner erstmals<br />
seit dem 12. Spieltag<br />
wieder vorbeiziehen<br />
lassen. Bei nur einem<br />
Punkt Rückstand ist<br />
aber noch nichts verloren,<br />
hofft man. Und<br />
tatsächlich: Nach dem<br />
29. Spieltag hat sich<br />
die Situation noch einmal zugespitzt. Schalke spielt zwar nur 1:1<br />
gegen Gladbach, die Bayern aber verlieren 0:3 in Duisburg. Bei einem<br />
Punkteverhältnis von 45:13 liegen die Kontrahenten nun gleichauf<br />
– wobei die Bayern allerdings wegen einer um 13 Treffer besseren<br />
Tordifferenz Rang eins halten.<br />
In den kommenden Wochen gelingt es Beckenbauer, Müller und<br />
Co., sich wieder einen klitzekleinen Vorteil herauszuspielen, so<br />
dass die Elf von Udo Lattek mit einem Punkt Vorsprung in die letzte<br />
Partie geht. So bleiben dem FC Schalke 04 noch alle Meisterchancen,<br />
als man am 28. Juni 1972 im Olympiastadion bei den Bayern antritt.<br />
Allerdings muss ein Sieg her, so dass der Druck von Beginn an auf<br />
der jungen Horvat-Elf lastet. Ein Druck, dem sie nicht standhalten<br />
kann. 5:1 siegt der FC Bayern schließlich, der so zum zweiten<br />
Mal deutscher Meister wird; für den FC Schalke 04 bleibt nur<br />
der undankbare zweite<br />
Platz. Depression<br />
aber ist nicht das<br />
Ding dieser jungen<br />
Mannschaft. Darf es<br />
auch nicht sein. Denn<br />
schon drei Tage später<br />
wartet im Rahmen des<br />
Borussia Dortmund : Schalke 04 vom 4.3.1972: Elfer durch Klaus Scheer<br />
FC Schalke 04 DFB-Pokalsieger 1972 v.l.: Libuda, Nigbur,<br />
Rüssmann, Scheer, Fischer, Huhse, Lütkebohmert,<br />
Fichtel, van Haaren, E. Kremers, H.Kremers.<br />
DFB-Pokalfinales im<br />
Niedersachsenstadion<br />
von Hannover der<br />
1. FC Kaiserslautern.<br />
Und damit die Chance,<br />
eine ohnehin famose<br />
Saison doch noch mit<br />
einem Titel zu krönen.<br />
Schon das Halbfinale,<br />
damals noch in Hin- und Rückspiel ausgetragen, hat<br />
alles, was das Fußballherz begehrt. Während Schalke im<br />
Hinspiel in Köln beim 1:4 gegen Overath, Cullmann und Co.<br />
noch chancenlos ist, gerät das Rückspiel zu einem wahren<br />
Krimi, der Fußballgeschichte schreibt. Zur Halbzeit haben<br />
Rüssmann, Fischer und Scheer die Kölner Führung aus dem<br />
Hinspiel längst egalisiert. Dann aber drehen die Domstädter<br />
auf und kommen im Verlauf der zweiten Hälfte auf 2:3 heran.<br />
Es sieht schlecht aus für Königsblau, das nun noch zwei Treffer<br />
benötigen würde, um wenigstens eine Verlängerung zu erreichen.<br />
Als Klaus Beverungen in der 80. Minute auch noch einen<br />
Elfmeter verschießt, scheint das Finale unerreichbar. Doch<br />
der Fußballgott (und der Schiedsrichter) haben an diesem<br />
Tag ein Herz für Schalke. Noch zweimal zeigt<br />
der Referee auf den Punkt, und beide Male<br />
trifft Helmut Kremers. 5:2! Verlängerung! 30<br />
Minuten und mehr, in denen der Wahnsinn<br />
seinen Lauf nimmt. Denn nun bekommen<br />
die Kölner einen Strafstoß. Aber Werner<br />
Biskup scheitert an Norbert Nigbur. Und der<br />
macht sich im anschließenden Elfmeterschießen<br />
endgültig unsterblich auf<br />
Schalke. Zweimal pariert Nigbur, so dass es<br />
nach insgesamt 21 Elfmetern 11:7 steht.<br />
Schalke steht im Finale!<br />
Und dort lassen die Königsblauen nichts<br />
mehr anbrennen. Alle Last scheint zumindest<br />
für den Augenblick abgefallen: Beim<br />
5:0-Triumph sind die diesmal harmlosen<br />
„Roten Teufel" kaum mehr als ein besserer<br />
Sparringspartner. Noch einmal hat die<br />
72er-Elf gezeigt, welch großes Potenzial in<br />
ihr steckt. Wie wird Erwin Kremers mehr als<br />
vier Jahrzehnte später sagen? „Ich möchte<br />
die Erfolge der damaligen Top-Klubs Bayern<br />
München und Borussia<br />
Mönchengladbach nicht<br />
kleinreden. Aber ich glaube,<br />
dass wir ohne den Skandal<br />
ebenfalls unseren Weg<br />
gemacht hätten." Leider<br />
blieb es aber bei diesem<br />
Konjunktiv. Denn schon<br />
in der folgenden Saison<br />
1972/73 holt der Skandal<br />
Schalke ein, und der Zauber<br />
ist verflogen. Libuda und<br />
van Haaren werden sofort<br />
gesperrt, Rüssmann,<br />
Heinz van Haaren und Herbert Lütkebohmert<br />
Lütkebohmert, Fischer<br />
und Fichtel folgen schon<br />
bald. Aus der Vorsaison<br />
sind neben Nigbur so binnen<br />
kurzem nur noch die<br />
Kremers-Zwillinge mit dabei. Klein, Holz<br />
oder Braun heißen die Neuen. Gemeinsam<br />
kämpft man jetzt beinahe bis zum letzten<br />
Spieltag gegen den Abstieg. Am Ende<br />
reicht es gerade mal so für Platz 15. Aber<br />
Schalke wäre nicht Schalke, wenn die Fans<br />
den Kraftakt dieser Verlegenheitself nicht<br />
feiern würden. Und nur drei Jahre später<br />
wird erneut eine Schalker Elf um den Titel<br />
kämpfen und ganz knapp scheitern, diesmal<br />
an Borussia Mönchengladbach. Das<br />
aber ist eine andere Geschichte ...<br />
Andreas Kötter<br />
Empfang der DFB-Pokalsieger FC Schalke 04 am 2.7.1972 in<br />
Gelsenkirchen. Erwin Kremers mit Pokal.<br />
Fotos: © Horstmüller<br />
Seite 64 ■ GoodTimes 2/2014
Interview<br />
Erwin Kremers<br />
„Ohne den Bundesliga-Skandal wäre diese Elf<br />
ein-, zweimal Meister geworden!“<br />
Herr Kremers, war die Bundesliga-Saison 1971/72 mit der<br />
anschließenden Europameisterschaft und dem EM-Titel das<br />
Highlight Ihrer Karriere?<br />
Das kann man so sagen, auch wenn es durchaus noch einige weitere<br />
sehr schöne Momente gegeben hat. Etwa der Beginn meiner Karriere<br />
bei Borussia Mönchengladbach sowie auch die auf die 71/72er Spielzeit<br />
folgende Saison mit dem erkämpften Klassenerhalt von Schalke. Damals<br />
mussten wir wegen des Bundesliga-Skandals und der Sperre für viele<br />
Spieler mit einer völlig veränderten Truppe spielen, die nicht mehr viel<br />
mit der Pokalsieger-Elf gemeinsam hatte.<br />
War die 72er-Elf trotz der Euro-Fighter<br />
von 1997 und der Vier-Minuten-Meister<br />
von 2001 die beste Schalker Bundesliga-<br />
Elf aller Zeiten?<br />
Das möchte ich mir nicht anmaßen zu entscheiden.<br />
Ich glaube, dass alle drei Mannschaften Großes<br />
geleistet haben. Aber alle drei Teams haben es<br />
auch versäumt, endlich wieder einmal deutscher<br />
Meister zu werden. Das ist sehr schade. Wobei ich<br />
allerdings davon überzeugt bin, dass die 72er-Elf<br />
ohne den Bundesliga-Skandal ein-, zweimal Meister<br />
geworden wäre. Ich möchte die Erfolge der damaligen<br />
Top-Klubs Bayern München und Borussia<br />
Mönchengladbach nicht kleinreden. Aber ich glaube,<br />
dass wir ohne den Skandal ebenfalls unseren Weg gemacht hätten.<br />
Was machte diese Elf so stark?<br />
Ich sage sehr gerne, dass es noch keinem geschadet hat, wenn er Fußball<br />
spielen kann, Betonung auf spielen (lacht). Wir hatten damals mit Ivica<br />
Horvat nicht nur einen sehr guten Trainer, sondern auch hervorragende<br />
Fußballer in unseren Reihen. Zudem hat sich diese Mannschaft durch<br />
sehr freundschaftliche Beziehungen untereinander ausgezeichnet. So<br />
habe ich bis heute ein sehr enges Verhältnis zur Familie von Rolf<br />
Rüssmann, der leider 2009 verstorben ist – was mich immer noch sehr<br />
schmerzt. Übrigens sind sich auch die Kinder unserer Familien heute<br />
freundschaftlich verbunden.<br />
Rüssmann war in den 90er Jahren<br />
Manager von Borussia Mönchengladbach,<br />
die Sie 1969 verlassen haben. Haben<br />
Sie diesen Schritt später bereut,<br />
als die Borussia in den 70er Jahren<br />
fünfmal Meister wurde?<br />
Borussias Erfolg trug damals einen Namen,<br />
Singende Fußballer – in<br />
den 70er Jahren durchaus<br />
nicht ungewöhnlich!<br />
den von Trainer Hennes Weisweiler, der<br />
einen wunderbaren Fußball spielen ließ.<br />
Leider hatten mein Zwillingsbruder Helmut<br />
und ich mit dem damaligen Geschäftsführer<br />
der Borussia einige Schwierigkeiten, die schließlich zu unserem<br />
Weggang führten – was Weisweiler sehr bedauert<br />
hat. Er wollte uns später unbedingt aus Offenbach<br />
zurückholen, wir aber haben uns damals für<br />
Schalke entschieden. So ist das Leben! So oder<br />
so bin ich aber dankbar, eine solch tolle Zeit<br />
miterlebt zu haben. Und Wenn und Aber sollte<br />
es im Fußball ohnehin nicht geben.<br />
Apropos Helmut: Ist es ein Vergnügen<br />
oder eher eine Zumutung, mit dem Zwillingsbruder<br />
in einer Profi-Mannschaft<br />
zu stehen?<br />
Das ist eine tolle Sache. Und wenn<br />
man heute von blindem Verständnis<br />
Von Andreas Kötter<br />
spricht und von Laufwegen, die der eine vom anderen kennt,<br />
war das bei uns auch damals schon der Fall. Tatsache ist<br />
aber auch, dass oft nicht von Helmut oder Erwin gesprochen<br />
wurde, sondern immer nur von den Kremers. Man hat uns nun<br />
mal meist als Zwillinge, nicht aber als Einzelpersonen wahrgenommen.<br />
Das habe ich aber sehr gerne in Kauf genommen.<br />
Und Helmut auch!<br />
Ihre schönste Erinnerung an diese Zeit?<br />
Ich glaube, die schönste Erinnerung ist die an unsere<br />
Gemeinschaft, an den Zusammenhalt. Ich weiß nicht, ob es das<br />
heute im Profi-Fußball noch gibt. Das war wirklich eine ganz tolle Zeit.<br />
Heute heißt es oft, den Fußball von damals könne man nicht<br />
mit dem heutigen vergleichen, im Vergleich zu heute sei damals<br />
alles in Zeitlupe abgelaufen; teilen Sie diese Ansicht?<br />
Meine Freundin sagt, dass sogar die deutsche Frauen-Nationalmannschaft<br />
heute schnelleren Fußball spielt, als wir das damals getan haben. Diese<br />
provokative Behauptung zeigt aber schon, dass sie keine Fußballexpertin<br />
ist. Man muss doch sehen, dass Fußball heute taktisch ein völlig anderes<br />
Spiel ist. Umso mehr glaube ich aber, dass jedes Match damals für einen<br />
Stürmer katastrophal schwierig war. Man spielte noch mit Manndeckung,<br />
so dass ein Stürmer 90 Minuten lang einen Sheriff an seiner Seite hatte.<br />
Diese Sheriffs haben oft getreten wie die Kesselflicker. Und ich glaube,<br />
dass ich durchaus sagen darf, dass man mich damals buchstäblich<br />
kaputtgetreten hat – ohne dass die Schiedsrichter wirklich eingegriffen<br />
hätten. Da haben es die Stürmer heute besser. Aber ich sehe auch, dass<br />
der Fußball als Ganzes heute viel weiter ist als damals. Wenn ich nur<br />
betrachte, wie sich die Stadien und die Stimmung in diesen Arenen entwickelt<br />
haben, bin ich wirklich begeistert!<br />
Zum Abschluss bitte noch eine Einschätzung zur aktuellen<br />
Schalker Elf?<br />
Ich bin davon überzeugt, dass Schalke auch in dieser Saison grundsätzlich<br />
eine sehr gute Mannschafft stellt. Wenn demnächst nach<br />
Huntelaar auch weitere verletzte Spieler wie Draxler, Höwedes oder<br />
Papadopoulos zurückkehren werden, bin ich überzeugt,<br />
dass Schalke noch eine sehr<br />
gute Meisterschaft spielen wird.<br />
Allerdings glaube ich auch, dass<br />
der Titel auf Jahre an die Bayern<br />
vergeben ist. Ich bejammere das<br />
aber nicht. Im Gegenteil: Die<br />
Bayern haben sich diese Klasse<br />
über Jahrzehnte erarbeitet und<br />
damit auch verdient. Und ich<br />
scheue mich auch nicht zu sagen,<br />
dass ich ein großer Fan von<br />
Bayern München bin.<br />
© Horstmüller<br />
© Pressefoto<br />
Expertenfrage: Wer ist Erwin, wer ist Helmut?!<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 65
Wie ein Katastrophenfilm<br />
die Kinozuschauer<br />
in Angst und<br />
Schrecken versetzte<br />
1973 rollte im Film<br />
" Die<br />
Höllenfahrt der Poseidon" eine<br />
gewaltige Flutwelle über die<br />
Kinoleinwände und versenkte<br />
den gleichnamigen Luxusliner.<br />
Das Kreuzfahrtschiff erlitt auf<br />
spektakuläre Weise Schiffbruch,<br />
nicht aber das Produktionsstudio<br />
20th Century Fox, das mit<br />
dem Überraschungshit nur<br />
knapp an der damals noch<br />
magischen Einnahmegrenze<br />
von 100 Millionen Dollar vorbeischrammte.<br />
Die Welle, die<br />
der Poseidon zum Verhängnis<br />
wurde, löste in Hollywood eine<br />
ganze Flut von Genrebeiträgen<br />
aus und läutete die Blütezeit des<br />
Katastrophenfilms ein.<br />
Für das folgende Jahr plante Fox dann<br />
aus naheliegenden Gründen einen ähnlichen<br />
Blockbuster. Das Studio hatte<br />
sich deshalb bereits die Rechte an dem<br />
kurz zuvor erschienenen Roman „The Glass<br />
Inferno" gesichert. Im Buch ging ein 66<br />
Stockwerke hoher Wolkenkratzer in einer<br />
nicht näher benannten amerikanischen Stadt<br />
in Flammen auf – genau der Stoff, den<br />
das Studio suchte, denn die Story wies ein<br />
analoges Grundschema wie „Die Höllenfahrt<br />
der Poseidon" auf: Naturgewalten, diesmal<br />
Feuer statt Wasser, zerstören einen Superlativ<br />
menschlicher Ingenieurskunst, hier einen<br />
imposanten Wolkenkratzer.<br />
Allerdings schlief die Konkurrenz in<br />
Hollywood natürlich nicht und versuchte<br />
ebenfalls, im neuentstandenen<br />
"<br />
Katastrophenfilm-Genre ordentlich Kasse zu machen. Warner Brothers<br />
hatte sich schon während der Dreharbeiten zu „Die Höllenfahrt der<br />
Poseidon" die Rechte am Roman „The Tower" gesichert, der nahezu<br />
die gleiche Geschichte wie „Glass Inferno" erzählte. Um das Risiko zu<br />
vermeiden, sich mit zwei kostenintensiven, inhaltlich ähnlichen Projekten<br />
Chief O'Halloran: Steve McQueens<br />
heißeste" Rolle<br />
gegenseitig Konkurrenz zu machen, einigten sich Fox und<br />
Warner schließlich auf eine Zusammenarbeit. Dies war<br />
die erste Kooperation dieser Art zwischen zwei großen<br />
Hollywoodstudios.<br />
Irwin Allan, der als „Master Of Disaster" in die<br />
Filmgeschichte eingehen sollte, weil er für zahlreiche<br />
Katastrophenfilme verantwortlich zeichnete, produzierte<br />
das Projekt und beauftragte den Drehbuchautor<br />
Stirling Silliphant damit, die beiden Romanvorlagen<br />
zu einem vernünftigen Skript auszuarbeiten. Silliphant<br />
hatte bereits das Drehbuch für „Die Höllenfahrt der<br />
Poseidon" geschrieben und war daher gut mit den Regeln des von<br />
ihm mitgeprägten neuen Genres vertraut. Das fertige Skript folgte<br />
allerdings fast ausschließlich der Story aus „Glass Inferno". Silliphant<br />
verlegte die Handlung nach San Francisco, wo im Film der neue 138<br />
Stockwerke hohe Wolkenkratzer der Firma Duncan Enterprises gerade<br />
Seite 66 ■ GoodTimes 2/2014
feierlich eingeweiht wird. Noch am selben Tag kommt es dann aber<br />
sowohl im Kontrollraum als auch in einem Zimmer des 81. Stockwerks<br />
zu Kabelbränden, die auf schlechtes Isoliermaterial zurückzuführen<br />
sind. Der Brand im Kontrollraum wird schnell entdeckt. Als Architekt<br />
Doug Roberts davon erfährt, stellt er Jim Duncan, den Besitzer des<br />
Gebäudes, sogleich zur Rede. Es kristallisiert sich heraus, dass dessen<br />
Schwiegersohn mit den Arbeiten an den elektrischen Leitungen beauftragt<br />
war und am Material gespart hat, um Geld in die eigene Tasche<br />
zu wirtschaften. Erschüttert von dieser Nachricht fordert Roberts, dass<br />
die Einweihungsfeierlichkeiten, zu denen der Bürgermeister und die<br />
Stadtprominenz in den 135. Stock geladen worden sind, unverzüglich<br />
abgesagt werden. Aber Duncan wischt die Einwände beiseite.<br />
Zwischenzeitlich breitet sich der Brand im 81. Stockwerk weiter unbemerkt<br />
aus und führt zur Katastrophe. Doch selbst als das Unglück<br />
entdeckt wird und die Feuerwehr bereits in das Gebäude einrückt, zeigt<br />
sich Duncan noch unbeeindruckt. Er fürchtet um das Ansehen seiner<br />
Firma und weigert sich, den Aufforderungen von Einsatzleiter O'Hallorhan<br />
Folge zu leisten. So kommt es, wie es kommen muss. Die Feuerwehr wird<br />
der Flammen nicht mehr Herr, und schließlich sind die Gäste im 135.<br />
Stockwerk eingeschlossen. Eine Reihe dramatischer Rettungsversuche<br />
beginnt ...<br />
Was<br />
heute<br />
nach ab -<br />
gedroschenen<br />
Genreklischees<br />
klingen mag, war<br />
1974 die Blaupause<br />
für alle Filme dieser<br />
Art: Die wichtigen<br />
Köpfe aus<br />
Wirtschaft oder<br />
Politik ignorieren<br />
die heraufziehende<br />
Gefahr,<br />
Geplatzte Träume: Architekt Duncan und seine Freundin<br />
Susann nach der Katastrophe<br />
bis es zu spät ist.<br />
Die anschließenden Rettungsversuche kosten dramatisch viele Opfer.<br />
Dieses Grundkonzept war seinerzeit ein erfrischend neues Mittel zum<br />
Spannungsaufbau.<br />
Um den actionreichen Plot auch gut vermarkten zu können,<br />
casteten die beiden Studios ein gewaltiges Starensemble zusammen.<br />
Zwei sehr unterschiedliche Kassenmagneten, der smarte, elegante<br />
Frauenschwarm Paul Newman (als Architekt Doug Roberts) und<br />
„Mr. Cool" Steve McQueen (als Feuerwehrchef O'Hallorhan), sollten<br />
jeweils ihre Fangemeinden in die Kinos locken.<br />
Ursprünglich war zudem geplant, William<br />
Holden gleichberechtigt als dritten Superstar<br />
auflaufen zu lassen, doch da Warner und Fox<br />
glaubten, dass der Westernheld den Zenit<br />
seiner Karriere überschritten hatte, erhielten<br />
am Ende nur Newman und McQueen die Top-<br />
Gagen von einer Million Dollar und 7,5 Prozent<br />
der Einnahmen. Neben den beiden Superstars<br />
wurden noch weitere Hollywood-Größen verpflichtet:<br />
Faye Dunaway war die schöne Frau<br />
an Paul Newmans Seite. Robert Vaughn verkörperte<br />
einen Senator auf der Eröffnungsfeier<br />
von Jim Duncan, welcher wiederum schließlich<br />
von William Holden gespielt wurde. Der junge<br />
Richard Chamberlain erhielt die klassische<br />
Rolle des Fieslings Georg Simmons. Sein Part<br />
war etwas undankbar, denn bei ihm handelte<br />
es sich um den flachsten Charakter<br />
des ganzen Plots. Nicht nur, dass Simmons<br />
für die Kabelbrände verantwortlich war, er<br />
entpuppte sich anschließend auch noch als<br />
Feigling, der wegen seiner selbstsüchtigen Art<br />
die Rettungsarbeiten sabotierte.<br />
Mit bösen Vorahnungen: Paul Newman als<br />
Architekt Doug Roberts<br />
Aber über dieses<br />
Starensemble hinaus<br />
sollte der Film vor<br />
allem durch seine spektakulären<br />
Rettungsszenen<br />
überzeugen. In einer<br />
Szene war geplant, die<br />
Partygäste über die an<br />
den Außenwänden<br />
des Turms angebrachten<br />
Fahrstuhlgondeln<br />
zu retten: Als eine dieser<br />
Gondeln aus ihrer<br />
Verankerung zu reißen<br />
droht, wird sie mit Hilfe<br />
eines Hubschraubers<br />
geborgen. Die gefährliche<br />
Aufgabe, das Drahtseil in<br />
mehreren hundert Metern<br />
Höhe an der Kabine zu<br />
befestigen, war natürlich eine Paradeszene für Actionstar McQueen!<br />
Tatsächlich gerettet wurde der gläserne Turm schließlich durch die<br />
Sprengung der auf dem Dach befindlichen Wassertanks, wodurch mehrere<br />
Millionen Liter Wasser die Flammen ersticken.<br />
Elegeant, sexy, cool: Newman, Dunaway, McQueen<br />
Trotz der aufwändigen Actionszenen dauerten die Dreharbeiten nur<br />
vier Monate. Die stargespickte Besetzung und die teure Tricktechnik<br />
verschlangen 20 Millionen US-Dollar. Am 10. Dezember 1974 feierte<br />
der Film seine Premiere. in New York, wo erst<br />
ein Jahr zuvor die beiden Riesen des World Trade<br />
Centers fertiggestellt worden waren. Der Erfolg von<br />
„Flammendes Inferno" stellte den der „Poseidon"<br />
noch einmal deutlich in den Schatten. Weltweit spielte<br />
der Film 116 Millionen Dollar ein. Bei den Oscars<br />
des Jahres 1975 erhielt der Film die Goldjungen für<br />
die beste Kamera, den besten Schnitt und den besten<br />
Song. Einen Special-Effect-Oscar gab es zu dieser<br />
Zeit noch nicht.<br />
Die Story und vor allem auch die Spezialeffekte<br />
von „Flammendes Inferno" mögen heutzutage,<br />
nach Dutzenden von Blockbustern, die dem Schema<br />
dieses Films folgten und deren Macher später dann<br />
auf digitale Effekte zurückgreifen konnten, etwas<br />
angestaubt wirken. Trotzdem genießt er mittlerweile<br />
Klassikerstatus und gilt zu Recht als einer der<br />
Höhepunkte des Katastrophenfilm-Genres. Und die<br />
Eleganz eines Paul Newman und die Coolness eines<br />
Steve McQueen sind ohnehin zeitlos ...<br />
Alexander Querengässer<br />
GoodTimes 1/2014 14 Seite ■ 67
110<br />
POLIZEIRUF<br />
"<br />
Tatort"-Konkurrenz aus dem Osten<br />
70.000 Ost-Mark sind aus dem Tresor<br />
eines Postamtes gestohlen worden, die<br />
Schalterangestellte Lisa Murnau wurde<br />
bei dem Überfall lebensgefährlich verletzt<br />
– so präsentierte sich einst der erste Fall<br />
von Oberleutnant Fuchs, später gern auch<br />
mal „der Maigret des Ostens" genannt, und<br />
seiner charmanten Kollegin Leutnant Vera<br />
Arndt, der ersten Ermittlerin im deutschen<br />
Fernsehen. „Der Fall Lisa Murnau" bildete den<br />
Startschuss für eine neue<br />
DDR-Krimiserie, die seit<br />
Juni 1971 ausgestrahlt<br />
wird – wenn man so will,<br />
die ostdeutsche Antwort<br />
auf den ARD-„Tatort",<br />
der etwa ein halbes Jahr<br />
zuvor, im November 1970,<br />
seinen Siegeszug antrat.<br />
Schon in den 60er Jahren<br />
hatte das DDR-Fernsehen<br />
übrigens auf eine erfolgreiche<br />
Krimiserie aus<br />
dem Westen reagiert:<br />
„Blaulicht" hieß damals<br />
das ostdeutsche Pendant<br />
zu „Stahlnetz" und stellte<br />
ebenso authentische<br />
Kriminalfälle nach wie das<br />
Original.<br />
Der „Polizeiruf" hatte<br />
mit seinem Vorgänger<br />
allerdings nicht viel<br />
gemeinsam. Waren es in<br />
„Blaulicht" meist Fälle von westdeutschen<br />
Agenten, Schmugglern und Schiebern, die der<br />
noch jungen DDR Schaden zufügten, setzte<br />
die „Polizeiruf"-Serie auf Kriminalfälle in der<br />
eigenen Bevölkerung. Für die Filmemacher<br />
war dies oft ein aufwändiger Spagat, reale<br />
Konflikte in einer vorgeblich konfliktfreien<br />
Gesellschaft zu zeigen. Doch er gelang<br />
immer wieder, selbst tabuisierte Themen<br />
wie Alkoholmissbrauch, Vergewaltigung,<br />
Kindesmissbrauch und Mord fanden neben<br />
kleineren Delikten wie Einbruch, Betrug und<br />
Jugendkriminalität Einzug in die einzelnen<br />
Episoden. Zugleich waren die „Polizeiruf"-<br />
Peter Borgelt, der Chefermittler<br />
des Polizeirufs", in der ersten Folge<br />
"<br />
Der Fall Lisa Murnau" (1971).<br />
"<br />
Filme oftmals ein Abbild des wirklichen Lebens<br />
in der DDR. Sobald der moralische Zeigefinger<br />
weggelassen und der ostdeutsche Alltag<br />
sozialkritisch-genau wiedergegeben wurden,<br />
Foto: © DRA/Bernd Nickel<br />
erfreute sich die Serie größter Beliebtheit.<br />
Andere Folgen wiederum punkteten mit Ironie<br />
und Biss. Jedoch verzichtete man dabei meist<br />
auf reißerische Actionszenen.<br />
Souverän und sachlich, durchaus aber unterhaltsam<br />
ermittelte das Team um Oberleutnant<br />
– ab der 55. Folge Hauptmann – Fuchs,<br />
gespielt von Peter Borgelt. Zum Team des<br />
Chefermittlers zählten vor allem Leutnant Vera<br />
Arndt (Sigrid Göhler), Oberleutnant Jürgen<br />
Hübner (Jürgen Frohriep), Leutnant Thomas<br />
Grawe (Andreas<br />
Schmidt-Schaller)<br />
und Leutnant Subras<br />
(Alfred Rücker).<br />
Letzterer schaffte es<br />
in ganze 25 Folgen,<br />
er war der ewige<br />
Praktikant, der ständig<br />
gebeutelte und<br />
zugleich immer sympathische<br />
Nachwuchs-<br />
Polizist, der es schließlich<br />
zum Leutnant<br />
schaffte. In der Folge<br />
„Alibi für eine Nacht", ausgestrahlt im Sommer<br />
1977, war er allerdings das letzte Mal dabei:<br />
Der Schauspieler Alfred Rücker hatte im Zuge<br />
der Ausbürgerung von Wolf Biermann einen<br />
Ausreiseantrag gestellt. Ab 1979 lebte der spätere<br />
NDR2-Sprecher in Hamburg.<br />
Der Ausstieg der ersten Ermittlerin im Ostwie<br />
West-Fernsehen, Leutnant Vera Arndt,<br />
nach 46 Einsätzen war dagegen von langer<br />
Hand geplant. In der 1983er-Folge „Es ist<br />
nicht immer Sonnenschein" wird sie am<br />
Ende des Films von Hauptmann Fuchs, mit<br />
Abschiedsgeschenken überhäuft, nach Hause<br />
Seite 68 ■ GoodTimes 2/2014
gefahren: Sie soll einen Dozentenjob an der<br />
Polizeihochschule antreten und verschwindet<br />
deshalb aus der Serie. Nach dem Abgang ist<br />
es um die heute 71-jährige Schauspielerin<br />
Sigrid Göhler ruhig geworden, sporadisch<br />
sah man sie noch in Fernsehfilmen (darunter<br />
auch dem Jubiläums-„Polizeiruf" von 2001),<br />
ansonsten spielte sie in der ostdeutschen<br />
Provinz Theater. Inzwischen hat die Rentnerin<br />
ihre schauspielerische Laufbahn beendet.<br />
Jürgen Frohriep als Oberleutnant Hübner war<br />
neben Fuchs der aktivste Ermittler. Seinen<br />
ersten Einsatz erlebte er bereits in der siebten<br />
Folge der Serie, 1972. Und als man 1994 den<br />
„Polizeiruf" als gesamtdeutsche Fernsehserie<br />
wieder aufleben ließ, war Frohriep immer<br />
noch dabei. Allerdings sollte sein 64. Fall der<br />
letzte werden. Kurz nach den Dreharbeiten<br />
verstarb der Schauspieler mit 65 Jahren.<br />
Mit Leutnant Thomas Grawe, gespielt von<br />
Andreas Schmidt-Schaller, zog dann frischer<br />
Wind ein. Der Ermittler in Lederjacke war<br />
eine Art DDR-Schimanski. Nicht ganz so<br />
cool und ruppig wie das Duisburger Original,<br />
aber immerhin weniger steif als die dennoch<br />
sympathischen Fuchs und Hübner. Schmidt-<br />
Schaller ist dem Fernsehkrimi übrigens bis<br />
heute treugeblieben, seit 2001 gehört er<br />
zum „Soko Leipzig"-Team. Weitere Ermittler<br />
waren u.a. die Schauspieler Jürgen Zartmann,<br />
Foto: © DRA/Thomas Jacob, Horst Klewe<br />
Während der Dreharbeiten zur 103. Folge<br />
Ein großes Talent" im Jahr 1985.<br />
"<br />
Lutz Riemann und nicht zuletzt Günter<br />
Naumann, einer der charismatischsten<br />
Persönlichkeiten in der Krimireihe.<br />
Das „Polizeiruf 110"-Gesicht schlechthin<br />
bleibt aber Peter Borgelt. Mit 84 Folgen<br />
als Peter Fuchs prägte er die Serie wie<br />
kein anderer. Der Schauspieler war so<br />
sehr mit seiner Rolle verwachsen, dass<br />
ihn Zuschauer, die ihm zufällig im Alltag<br />
begegneten, nicht mit seinem Namen,<br />
sondern mit „Hauptmann Fuchs" ansprachen.<br />
1991 spielte Borgelt seinen letzten<br />
„Polizeiruf", drei Jahre später erlag er<br />
einem Krebsleiden. Fuchs bzw. Borgelt als<br />
Chefermittler ist sozusagen die folgenübergreifende<br />
Klammer, nicht zwangsläufig<br />
musste jeder Kollege seines Teams in jeder<br />
Folge auftauchen. Ein logistischer Schachzug,<br />
denn die meisten Schauspieler hatten neben<br />
ihren TV-Engagements Theaterverpflichtungen<br />
und standen somit nicht für jeden Dreh zur<br />
Verfügung. Ebenso variierten die Schauplätze:<br />
Mal ermittelten Fuchs und seine Genossen von<br />
der Kriminalpolizei an der Ostsee, dann wieder<br />
im Erzgebirge, mal in Berlin, Karl-Marx-Stadt<br />
Foto: © DRA/Wolfram Zeuch<br />
"<br />
Der Kreuzworträtselfall" (1988) erzählt die<br />
auf Tatsachen beruhende Geschichte eines<br />
Kindermordes. Dem Täter kam man durch Prüfung<br />
von über 550.000 Schriftproben auf die Spur.<br />
oder Leipzig, ein anderes Mal in Rostock,<br />
Wismar, Erfurt oder in Halle an der Saale. In<br />
manchen Folgen wurde gar nicht erwähnt,<br />
in welcher Gegend der<br />
Fall angesiedelt war, die<br />
Drehorte wurden aber dennoch<br />
schnell erkannt.<br />
Sämtliche DDR-Stars spielten im "<br />
Polizeiruf",<br />
hier Günter Schubert (links).<br />
Bis zum Ende der DDR entstanden so über 150<br />
Folgen, wovon sechs zwar als „Polizeiruf"-<br />
Teile gedreht, aber schließlich als separate<br />
Fernsehfilme gesendet wurden. Die Episode<br />
„Rosis Mann" aus dem Jahr 1984 jedoch<br />
wurde nie gezeigt, da mehrere Hauptdarsteller<br />
noch vor der geplanten Erstausstrahlung<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 69<br />
in den Westen flüchteten. Die Folge „Im<br />
Alter von ..." aus dem Jahr 1974, die den<br />
authentischen Fall des später hingerichteten<br />
Kindermörders<br />
Erwin Hagedorn aus<br />
Eberswalde thematisierte,<br />
erlebte wiederum<br />
eine späte<br />
und ungewöhnliche<br />
Premiere: Die verbotene<br />
Folge galt lange<br />
als verschollen, bis man<br />
vor wenigen Jahren ein<br />
Kamera-Negativ fand.<br />
Der Film wurde rekonstruiert<br />
sowie synchronisiert<br />
(es existierte<br />
keine Tonspur mehr)<br />
und 2011 erstmals in<br />
der ARD gezeigt.<br />
Unter den zahlreichen<br />
Folgen sind zwar<br />
auch einige wenige<br />
Langweiler (wie beim<br />
„Tatort" auch), aber es<br />
gibt ebenso ganz herausragende<br />
wie etwa<br />
„Der Kreuzworträtselfall", „Der Mann im<br />
Baum" oder „Das Duell". In den dritten<br />
Programmen laufen regelmäßig die alten<br />
Episoden, außerdem gibt es mittlerweile 18<br />
DVD-Boxen mit jeweils acht Folgen. Und<br />
es folgen immer wieder neue „Polizeiruf"-<br />
Filme nach, ausgestrahlt zur besten<br />
Foto: © DRA/Christine Nerlich<br />
Sendezeit am Sonntag in<br />
der ARD. Einige Folgen<br />
sind preisgekrönt, neben<br />
vielen weiteren Preisen<br />
gab es jeweils viermal<br />
den Grimme- und den<br />
Deutschen Fernsehpreis.<br />
Ermittelt wird heute in<br />
Brandenburg, Rostock,<br />
Magdeburg, aber<br />
auch in München mit<br />
Schauspielern wie Anneke<br />
Kim Sarnau, Charly Hübner,<br />
Matthias Brandt, Claudia<br />
Michelsen und Horst Krause.<br />
Im Zuge der Wiedervereinigung<br />
Deutschlands kam es zwischen<br />
„Polizeiruf" und „Tatort" übrigens<br />
zu einem gemeinsamen Krimi: In<br />
„Unter Brüdern" aus dem Jahr<br />
1991 gehen Fuchs und Grawe<br />
mit Schimanski (Götz George)<br />
und Thanner (Eberhard Feick)<br />
gemeinsam ans Werk. Ein Film<br />
mit vielen Klischees und reichlich<br />
Alkohol, aber dennoch herrlich<br />
komisch. Thanner taucht im selben<br />
Jahr dann ein weiteres Mal<br />
im „Polizeiruf" auf. In „Thanners<br />
neuer Job" ist der Beamte aus NRW der neue<br />
Vorgesetzte der ostdeutschen Kollegen. In<br />
der Schlussszene nimmt Fuchs, mittlerweile<br />
Kriminalhauptkommissar, wortlos seine Jacke<br />
und geht. Sein Abschied aus der „Polizeiruf"-<br />
Serie ...<br />
Christian Hentschel
Brehms Tierleben<br />
Alfred Brehm und seine<br />
sprachgewaltigen Tierporträts<br />
Vor dem Siegeszug der Kamera<br />
waren auch Tierfans auf Berichte von<br />
Augenzeugen angewiesen. In jenen<br />
längst vergangenen Zeiten entstand<br />
ein mehrbändiges Nachschlagewerk,<br />
das zu einem der größten Erfolge der<br />
Buchhandelsgeschichte wurde. Dass es<br />
nicht nur in den Regalen von Experten,<br />
sondern ebenso auch von Laien stand<br />
und steht (!), ist das Verdienst eines<br />
Forschers, der auszog, um der Welt seinen<br />
Blick auf die Tierwelt zu eröffnen.<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
Alfred Edmund Brehm kam am 2. Februar sollte entsprechend nicht nur zu ihrer<br />
1829 als erstes Kind des Pastors Vergrößerung, sondern auch zur Vermehrung<br />
Christian<br />
ihres Werts beitragen. Mit Hilfe<br />
Ludwig Brehm<br />
eines wenige Jahre älteren Mäzens<br />
und seiner<br />
–<br />
der ihn allerdings während der<br />
zweiten, 23<br />
Expedition im Stich ließ – brach<br />
Jahre jüngeren<br />
Ehefrau Bertha<br />
zur Welt. Sein<br />
der 18-jährige Alfred also im Juni<br />
1847 für insgesamt über fünf Jahre<br />
in Richtung Nil zu seiner ersten<br />
Talent wurde<br />
Auslandsreise auf. Und das zu einer<br />
ihm praktisch in<br />
die Wiege gelegt:<br />
Zeit, als es die Ausnahme (und<br />
nicht die Regel) war, dass Reisende<br />
Während seine<br />
von dort überhaupt zurückkehr-<br />
hochbegabte<br />
Mutter ihn mit<br />
ten, und Briefe zwischen<br />
Deutschland und Afrika<br />
den Klassikern Neun verschiedene Ausgaben von Brehms mehrere Monate unter-<br />
der Literatur vertraut<br />
Tierleben aus den Jahren 1876 bis 1963.<br />
wegs waren. Die größten<br />
machte, war sein vogelkundiger Vater,<br />
der auch erfolgreich über sein Steckenpferd<br />
publizierte, zu seinen Lebzeiten sogar noch<br />
bekannter als sein heute weit renommierterer<br />
Sohn. Nicht von ungefähr war Alfreds persönliches<br />
Lieblingswerk denn auch nicht etwa<br />
das „Tierleben", sondern – dem Andenken<br />
Gefahren stellten damals wie heute jedoch<br />
nicht etwa wilde Tiere, sondern Klima und<br />
Krankheiten dar. Auch Brehm überlebte eine<br />
Malaria-Infektion nur mit viel Glück. Bis zu<br />
seinem Tod mit 55 Jahren litt er immer wieder<br />
an Fieberschüben und verstarb letztlich auch<br />
an den Spätfolgen der Erkrankung.<br />
seines Vaters, des Vogelpastors, gewidmet und<br />
stark von diesem beeinflusst – „Das Leben der<br />
Vögel" (1861).<br />
Zum Glück für die Nachwelt hatte er indes<br />
viele Niederschriften dabei, als er mit 23<br />
Jahren – gerade rechtzeitig zur Teilnahme<br />
Ursprünglich sollte Alfred Brehm nach einem<br />
berufsbezogenen Unterricht an einer Kunst-<br />
und Handelsschule eigentlich ein Architektur-<br />
stu dium in Dresden<br />
aufnehmen,<br />
doch sein<br />
Forscher-<br />
an einer Ornithologen-Versammlung – in<br />
seine Jugendstadt Altenburg te, sowie einen n kleinen Zoo, verstaut in<br />
zurückkehr-<br />
16 großen Kisten. Dass der junge Brehm<br />
nach seinen Afrika-Erlebnissen nicht länger<br />
Architekt werden würde, war lich. Sein Vater beantragte deshalb<br />
mit Erfolg die Immatrikulation<br />
offensicht-<br />
herz siegte seines Sohnes zum Studium<br />
und verlangte<br />
der Naturwissenschaften<br />
nach Neuem – so wie die<br />
damals 7000 europäische Arten<br />
umfassende Vogelsammlung im<br />
Pfarrhaus rhaus des Vaters in Renthendorf<br />
im Südosten Thüringens. Nordostafrika<br />
in Jena. Alfred begann,<br />
neben bei für<br />
Fach zeitschriften<br />
zu<br />
schreiben,<br />
und veröffentlichte 1854/55 in drei Bänden<br />
seine „Reiseskizzen aus Nordostafrika",<br />
die ihm bei seinen Kommilitonen den<br />
Spitznamen „Pharao" und einen Doktortitel<br />
einbrachten. Auf diese Weise baute er sich<br />
eine eigene Forscherexistenz auf.<br />
Dann kündigte sich ein neuer<br />
Lebensabschnitt an: Der<br />
Sohn<br />
des Vogelpastors<br />
wandelte sich nach einem<br />
Umzug<br />
nach Leipzig vom<br />
Gymnasiallehrer für Geografie<br />
bzw. Natur geschichte und Fach-<br />
zeit schriftenredakteur<br />
zum<br />
Populär schriftsteller. Seine Tier-<br />
beschreibungen wurden sehr<br />
beliebt, da sie frischer und leben-<br />
diger als die älterer Autoren<br />
wirkten. In der vielgelesenen<br />
Zeitschrift „Gartenlaube" mit<br />
einer für damalige Verhältnisse<br />
sensationellen Auflage von<br />
275.000 Exemplaren fan-<br />
den seine Erzählungen<br />
neben<br />
Gedichten,<br />
Biografien und anderen<br />
Aufsätzen eine geeig-<br />
nete Plattform für das<br />
deutsche Bürgertum<br />
des 19. Jahrhunderts.<br />
Nach einer neuerlichen<br />
Exkursion<br />
nach<br />
Afrika erhielt<br />
Brehm ein<br />
Angebot von<br />
Hermann Julius<br />
Meyer, Sohn des<br />
Illustrationen: © Klaus Ensikat<br />
Seite 70 ■ GoodTimes 2/2014
Gründers des Bibliografischen Instituts,<br />
zur Veröffentlichung eines mehrbändigen<br />
volkstümlichen Nachschlagewerks über die<br />
Tierwelt. Das war die Geburtsstunde des<br />
ersten Bandes von „Illustriertes Tierleben,<br />
eine allgemeine Kunde des Tierreiches",<br />
wie „Brehms Tierleben" ursprünglich hieß.<br />
Zwischen 1863 und 1869 erschienen insgesamt<br />
sechs Bände, die sich von bisherigen<br />
Tierbüchern stark unterschieden. Für die<br />
Illustrationen, in denen die Lebewesen nicht<br />
etwa ausgestopft und regungslos, sondern als<br />
„fühlende" Geschöpfe im Bewegungsablauf<br />
gezeigt wurden, konnte Brehm einen<br />
Reisegefährten namens Robert Kretschmer<br />
sowie den Leipziger Tiermaler Emil Schmidt<br />
gewinnen. Die Bilder harmonierten prächtig<br />
mit Alfreds Beschreibungen, weil er erstmalig<br />
wissenschaftliche Klassifizierungen mit<br />
Beobachtungen am „lebenden Tier" verband.<br />
Auf diese Weise wurden plastische<br />
Tierporträts geschaffen.<br />
denen die wirbellosen Tiere abgehandelt wurden,<br />
verfasste er die insgesamt zehn Bände<br />
höchstpersönlich.<br />
Die größten Schwierigkeiten beim Schreiben<br />
bestanden für Brehm darin, den Umfang nicht<br />
zu überschreiten, weshalb eine sorgfältige<br />
Auswahl getroffen werden musste. Zudem<br />
waren die verschiedenen Tierklassen bis dato<br />
sehr ungleichmäßig erforscht worden. Und<br />
trotz seines beträchtlichen Wissens war er<br />
auf Literatur anderer angewiesen, über deren<br />
Zuverlässigkeit sein Urteil entscheiden musste.<br />
Der weltweite Erfolg seines Werks, der sich<br />
bereits abzeichnete, während er noch über<br />
Das Pfarrhaus in Renthendorf mit Brehm-<br />
Gedächtnisstätte (Foto aus den 1980er Jahren)<br />
den Entwürfen zu den Bänden drei und vier<br />
brütete, gab ihm letztlich aber Recht.<br />
1863 erreichte Brehm dann ein weiteres<br />
Angebot, das ihm einen Wunschtraum erfüllte:<br />
Er wurde zum Leiter des damals in<br />
Neugestaltung befindlichen Zoologischen<br />
Gartens in Hamburg berufen (nicht zu verwechseln<br />
mit dem später gegründeten und<br />
noch heute bestehenden Tierpark Hagenbeck).<br />
Trotz florierender Besucherzahlen überwarf<br />
er sich drei Jahre später allerdings mit dem<br />
Verwaltungsrat, der ihm unter anderem wegen<br />
seiner allzu „menschlichen" Tierschilderungen<br />
Blasphemie und Populismus vorwarf, und<br />
wurde am Ende entlassen. Eine weitere<br />
Aufgabe ließ jedoch nicht lange auf sich warten:<br />
1869 eröffnete das Berliner Aquarium,<br />
das letztlich aber eher einen überdachten<br />
Tiergarten darstellte, wie ihn Direktor Brehm<br />
angeregt hatte. Wassertiere allein hätten<br />
weder ihn zufriedengestellt noch zum Weltruf<br />
des Aquariums beim Publikum geführt.<br />
Bauentwürfe zeigen, dass er sich danach<br />
ursprünglich in Wien ein weiteres Mal als<br />
„Tiergärtner" betätigen wollte. Doch die Pläne<br />
zerschlugen sich. Stattdessen kam es vor<br />
seinem Tod am 11. November 1884 zur<br />
Vollendung seines Lebenswerks: 1879 machte<br />
sich Brehm nach der Rückkehr von einer<br />
Spanien-Reise an den Abschluss der „zweiten,<br />
umgearbeiteten und vermehrten Auflage" des<br />
„Tierlebens". Mit Ausnahme zweier Bände, in<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 71<br />
Und was bleibt als Doktor Brehms Vermächtnis?<br />
Dass er Reptilien anhand von Bibelzitaten<br />
belegte, hielt dem Test der Zeit ebenso wenig<br />
stand wie seine mit Vorliebe vorgenommene<br />
Einteilung der Tierwelt in gut und böse oder in<br />
schön und hässlich. Seine Stärke, anhand einer<br />
präzisen Beobachtungsgabe persönlich gefärbte<br />
sprachgewaltige Charakterisierungen seiner<br />
Forschungsobjekte vorzunehmen, kann zugleich<br />
als Schwäche ausgelegt werden. Die Aktualität<br />
des „Tierlebens" wird allerdings dadurch<br />
bewahrt, dass seit seiner Erstveröffentlichung<br />
allein in Deutschland über 200 weitere<br />
Ausgaben erschienen sind. Forscher haben es<br />
laufend korrigiert und aktualisiert. Manche Tiere<br />
haben einen präziseren Namen erhalten (zum<br />
Beispiel „Pinguin" statt „Fettgans"), manche<br />
sind schlichtweg ausgestorben. Inzwischen liegt<br />
„Brehms Tierleben" digitalisiert, als Hörbuch, für<br />
Kinder bearbeitet und in weiteren Versionen vor.<br />
Wer sich für Tiere interessiert und die Natur für<br />
schützenswert hält, kommt an ihm weiterhin<br />
kaum vorbei.
Das ikonografische<br />
Gesicht der Sixties<br />
Erscheint ein Buch über die 60er Jahre, liegen die Auswahlmöglichkeiten für die auf<br />
dem Cover abgebildeten VIPs auf der Hand: Entweder sind die lächelnden Beatles<br />
zu sehen, die mürrisch dreinblickenden Rolling Stones – oder Twiggy. Sie verkörpert<br />
eine Epoche, und ihr Image wird unweigerlich mit den sozialen, <strong>kult</strong>urellen<br />
und modischen Umbrüchen des Jahrzehnts verknüpft. Die kleine Lesley Hornby aus<br />
einem winzigen Häuschen im unbedeutenden Londoner Vorort Neasden hat es weit<br />
gebracht ...<br />
Yeah Baby, groovy. Komm schon. Du<br />
bist wunderbar! Leg den Kopf zur<br />
„ Seite. Ja, super-duper. Genau richtig."<br />
Was wie ein Ausschnitt<br />
aus einem Austin-Powers-Film<br />
klingt, war in den Sechzigern der<br />
ganz normale Tonfall, mit dem<br />
Starfotografen ihre Supermodels<br />
zu Höchstleistungen anstachelten.<br />
Doch Moment mal! Supermodels?<br />
Die gab es eigentlich erst nach<br />
Twiggy, denn der Begriff wurde<br />
dank und mit ihr geboren. Natürlich hatten<br />
sich einige Models schon vorher einen guten<br />
Ruf in der Mode-Industrie erarbeitet und wurden<br />
häufig abgelichtet – wie zum Beispiel die<br />
wunderschöne Jean Shrimpton, die Cover von<br />
„Vogue" oder „Vanity Fair" zierte. Sie stand<br />
für den Typ Frau, der nicht mehr mit dem<br />
Jean<br />
Shrimpton<br />
Fünfziger-Ideal übereinstimmte,<br />
wo Wasserstoffblondinen,<br />
Atombusen und ausladende<br />
Becken die Blicke der Öffentlichkeit<br />
magisch auf sich zogen. Tja,<br />
die Tage von Jayne Mansfield,<br />
Rita Hayworth oder Jane Russell<br />
gehörten der Vergangenheit an.<br />
Shrimpton hatte ein eher zierliches<br />
Erscheinungsbild, lange Beine, sie war schlank<br />
und symbolisierte den weiblichen Teenager, der<br />
sich durch den von der britischen Designerin<br />
Mary Quant popularisierten Minirock („Kürzer –<br />
es geht<br />
kürzer<br />
– noch<br />
kürzer!"),<br />
Overknees<br />
und Strumpfhosen<br />
modisch ausdrückte.<br />
Twiggy, deren Name dann zum Inbegriff der<br />
Stilikone wurde, erblickte am 19. September<br />
1949 als dritte Tochter des Tischlermeisters<br />
William Norman Hornby und seiner Frau Nellie<br />
Lydia unter dem bürgerlichen Namen Lesley<br />
Hornby das Licht der Welt. Als ihre Mutter sich<br />
des ungeplanten Familienzuwachses bewusst<br />
wurde – sie war 41, ein für die damalige Zeit<br />
Seite 72 ■ GoodTimes 2/2014
isikoreiches Alter für eine Schwangerschaft<br />
–, redete sie über eine Woche lang nicht<br />
mehr mit ihrem Mann. Der meinte daraufhin<br />
schmunzelnd: „Muttchen, dazu<br />
gehören immer zwei." Die Familie lebte<br />
in Neasden, einem damaligen Londoner<br />
Vorort. Das elterliche Haus am St. Raphael’s<br />
Way Nummer 93 wirkte wie ein überdimensioniertes<br />
Puppenhaus, was in der Zeit<br />
allerdings für viele Gebäude charakteristisch<br />
war. Die kleine Lesley wurde von<br />
der ganzen Familie verwöhnt und mit<br />
viel Zuneigung bedacht, was sich<br />
sicherlich auf das sonnige Gemüt der<br />
späteren Twiggy auswirkte. Schon<br />
in früher Jugend fiel sie durch<br />
ihren spindeldürren Körperbau<br />
auf, was Mama Hornby mit einer<br />
regelmäßig verabreichten Portion<br />
Lebertran kurieren wollte, doch<br />
ohne Erfolg. Twiggy war extrem<br />
dünn und blieb es auch. Zu<br />
Beginn der Sechziger dominierte<br />
zwar noch der Rock’n’Roll<br />
das Leben der Teenager, doch<br />
er wurde schon bald von der<br />
Beatlemania abgelöst. Neben<br />
Postern von Jean Shrimpton zierten Bilder<br />
der Fab Four die Wände von Twiggys Zimmer,<br />
die mit 13 Jahren begann, ihre eigenen Kleider<br />
zu nähen, ein Hobby, das sie bis heute noch<br />
pflegt. Auch sie wurde von der Welle der sozialen<br />
und <strong>kult</strong>urellen Umbrüche erfasst, schaute<br />
die Popsendung „Ready Steady Go!" und ließ<br />
sich zusammen mit ihren Freundinnen zu<br />
den ersten Konzerten und Partys treiben. Am<br />
wichtigsten für ihre Karriere war jedoch die<br />
Beziehung zu Nigel John Davis, ihrem künftigen<br />
Manager, Mentor und Freund, der sich<br />
den wohlklingenden Künstlernamen Justin<br />
de Villeneuve zulegte und sich wie ein klassischer<br />
Sixties-Dandy kleidete ...<br />
Lesley Hornbys Model-<br />
Karriere begann unerwartet.<br />
Durch Freunde knüpfte<br />
sie Kontakt zu dem exklusiven<br />
Star-Friseur Leonard,<br />
der den Salon House Of<br />
Leonard führte. Dieser<br />
benötigte eines Tages<br />
neue Fotos<br />
für seine<br />
Ausstellung<br />
und Models,<br />
die einen Kurzhaarschnitt<br />
propagieren<br />
sollten. Zuerst wurde Twiggy leicht<br />
blondiert, daraufhin suchte sie den Starfotografen<br />
Barry Lategan auf. Lategan mochte<br />
ihren Look, doch er empfand die Haare als<br />
viel zu lang. Während des Gesprächs – natürlich<br />
stand ihr Justin zur Seite – fiel der Name<br />
Twiggs (so nannte sie ihr Freund immer),<br />
worauf der Fotograf begeistert meinte:<br />
„Twiggy! Den Namen solltest du benutzen!"<br />
Lategan schoss dann Fotos, die von nun an im<br />
Salon aushingen, wo sie Deirdre<br />
McSharry, Chefredakteurin des<br />
„Daily Express" entdeckte, der<br />
auflagenstärksten Zeitung<br />
Großbritanniens. Sie lud<br />
Twiggy in den Verlag ein und<br />
ließ sie vom Hausfotografen<br />
ablichten. Das bange Warten<br />
begann. Wann würde das Foto<br />
veröffentlicht? Eines Morgens<br />
nach langen zwei Wochen,<br />
es war der 23. Februar<br />
1966, stürmte ihr Vater<br />
ins Zimmer Twiggys<br />
und hielt seiner verschlafenen<br />
Tochter<br />
die Zeitung mit einem<br />
zweiseitigen Foto o<br />
unter die Nase, zu dem<br />
in Großbuchstaben<br />
zu lesen war: I NAME<br />
THIS GIRL THE FACE<br />
OF ’66. Schnell war<br />
der Twiggy-Look<br />
geboren: große, unschuldige,<br />
aber auch verfüh-<br />
betont durch die überlangen<br />
Wimpern, die sie zur optischen<br />
Verstärkung mit Eyeliner an<br />
den Augenlidern verstärkte,<br />
und ein fragiler Körperbau.<br />
Die ruhige Beschaulichkeit im<br />
rerisch wirkende Augen,<br />
St. Raphael’s Way Nummer<br />
93 gehörte von nun an der<br />
Vergangenheit an, denn das<br />
Haus wurde von Fotografen<br />
und Reportern regelrecht<br />
belagert. Wann immer auch<br />
Vater Hornby ein Knirschen n<br />
auf den Kieseln der Einfahrt<br />
hörte, packte er sich den Spazierstock und verscheuchte<br />
die<br />
Sensationsjäger.<br />
Das<br />
zur Straße<br />
g e l e g e n e<br />
Wohnzimmer<br />
konnte von<br />
da an nicht<br />
mehr benutzt<br />
werden, denn<br />
wenn sich die<br />
nur leicht bewegte, „ratterten"<br />
bereits die Auslöser der Kameras.<br />
Innerhalb kürzester Zeit arbeitete<br />
Twiggy fünf Tage die<br />
Woche für jeweils zwölf Stunden<br />
und war auf den Covern von<br />
unter anderem der „Vogue"<br />
zu sehen, die in der Branche<br />
die Trends setzte. Doch auch<br />
andere, modeferne Zeitschriften<br />
ließen sie ablichten und stellten<br />
damit einen übergreifenden<br />
Kontext her. Schnell entwickelte<br />
sich ein bislang nicht bekanntes<br />
Phänomen, denn das Mädchen<br />
Gardine auch<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 73<br />
aus dem Londoner Vorort stand plötzlich für<br />
den <strong>kult</strong>urellen Umbruch des „Summer Of<br />
Love". Mode? Wichtig, aber nur ein Aspekt<br />
von Twiggy, die nun die „Swinging Sixties"<br />
symbolisierte, ein Begriff, der erstmals am<br />
15. April 1966 im amerikanischen „Time"-<br />
Magazin auftauchte. Ihr androgyner Look und<br />
die Rolle der selbstbestimmten Frau negierten<br />
die vorherrschenden Moral-<br />
und Wertvorstellungen. Das<br />
Supermodel war geboren! Von<br />
nun an stand sie vor den<br />
Kameras der bedeutendsten<br />
Fotografen der Welt – unter<br />
anderem Annie Leibovitz,<br />
Cecil Beaton und Bert Stern.<br />
Als sie mit ihrem Manager<br />
im<br />
März 1967 auf dem New<br />
Yorker Kennedy Airport landete,<br />
wurde Twiggy von einem<br />
Blitzlichtgewitter empfangen.<br />
Die folgende Reise durch die<br />
USA entwickelte sich zu einem<br />
Riesenerfolg. Ihren Status als Exportschlager<br />
vom Kaliber der Beatles oder von James Bond<br />
unterstrichen die unzähligen Twiggy-Artikel –<br />
Twiggy-Barbies, gy-Bar<br />
Schminktäschchen, Spiele und<br />
scheinbar endlose Modelinien.<br />
Bald offenbarte sich jedoch<br />
auch eine negative Seite ihrer<br />
Popularität. Zahlreiche Mädchen<br />
wollten so aussehen wie ihr<br />
Idol und hungerten sich fast<br />
zu Tode. Schnell entstand für<br />
die Krankheit Magersucht das<br />
Synonym Twiggy-Syndrom, was<br />
Lesley Hornby bis zum heutigen<br />
Tag belastet und damals für die<br />
Presse ein gefundenes Fressen<br />
war, um Negativ-Schlagzeilen<br />
zu platzieren. Zu Beginn der<br />
Siebziger i verabschiedete sich Twiggy vom<br />
Modeln, um eine sehr erfolgreiche Karriere<br />
als Schauspielerin, Sängerin (unvergessen der<br />
Auftritt in der „Muppet Show", wo Twiggy<br />
einen Beatles-Song zum Besten gab) und<br />
Moderatorin zu beginnen. 1977 heiratete sie<br />
Michael Witney, der 1983 an einem Herzinfarkt<br />
verstarb. Aus der Ehe ging die Tochter Carly<br />
hervor, die auf Mamas 2011 erschienener CD<br />
ROMANTICALLY YOURS ihr Gesangsdebüt gab.<br />
Seit 1988 ist sie glücklich mit Leigh Lawson<br />
verheiratet.<br />
Und Twiggy 2014? Ja, sie<br />
modelt wieder, und zwar für die<br />
britische Kaufhauskette Marks<br />
& Spencer, die es sich zum<br />
Ziel gesetzt hat, stilvolle Mode<br />
für „ältere" Damen zu führen.<br />
Darüber hinaus hat sie eine<br />
eigene Modelinie designt, engagiert<br />
sich für eine Kampagne<br />
zur Brustkrebsfrüherkennung<br />
und bekämpft den Handel mit<br />
echten Pelzen. Offensichtlich<br />
hat Lesley Hornby nichts von<br />
der Quicklebendigkeit der blutjungen<br />
Twiggy eingebüßt ...<br />
Alan Tepper
Der NAD 3020<br />
Von Lothar Brandt<br />
Ein HiFi-<br />
Verstärker<br />
mischt<br />
den Markt<br />
auf und<br />
wird zur<br />
In den 1970ern versteckten sich HiFi-Verstärker entweder<br />
verschämt in Kompaktanlagen, tarnten sich bis zur<br />
Unkenntlichkeit in besseren Radios oder protzten ganz ungeniert<br />
mit gewaltigem Platzbedarf und entsprechend hohen<br />
Anschaffungskosten. Und dann kam er: der NAD 3020 – und<br />
veränderte die Szene radikal. Der Klassiker des Low Budget-<br />
HiFi war geboren, ein Kult-Objekt bis heute.<br />
Legende<br />
Der unscheinbare Tiefstapler machte – fast – alles anders und vieles<br />
besser als seine Mitbewerber. Und manches machte er seit seinem<br />
ersten Auftritt Ende der 70er Jahre auch gar nicht: zum Beispiel<br />
mit Leistung prahlen. Um die 20 bis 40 Watt gab der NAD 3020 laut<br />
Datenblatt in die Lautsprecher, je nachdem, ob deren so genannte<br />
Scheinimpedanz acht oder vier Ohm betrug. Dass dieser ganze Watt-<br />
Fetischismus Kokolores war und ist, hat sich inzwischen zwar zumindest<br />
in der HiFi-Gemeinde herumgesprochen, aber damals dachten eben die<br />
meisten Technik-Jünger noch: viel Watt, viel Ehr.<br />
Auch auf zeittypisch zappelnde Zeiger zur optischen Markierung seiner<br />
Potenz verzichtete der mit 280 Mark herausfordernd günstige Zwerg<br />
und begnügte sich mit fünf Leuchtdioden über dem Lautstärkeregler zur<br />
freilich sehr ungefähren Leistungsangabe in Watt. Desgleichen sparte er<br />
weitgehend an respekteinflößenden Schaltern, wuchtigen Hebeln oder<br />
imposanten Drehreglern, die seine zünftigen Zeitgenossen großspurig<br />
herzeigten, vor allem diejenigen, die dank eines zusätzlich eingebauten<br />
Radioteils als „Receiver" (Tuner plus Vollverstärker) über die Ladentische<br />
gingen. Die Ausstattung des puristischen NAD-Verstärkers geriet dagegen<br />
zumindest auf den ersten Blick eher karg, sein Auftritt erinnerte an die<br />
sprichwörtliche graue Maus, wozu die schwer definierbare Gehäusefarbe<br />
das Ihre beitrug. „Understatement" lobten Einsichtige, „hässliches Entlein"<br />
schalten Designer. Doch gleich einem schönen Schwan betörte er, wenn<br />
Mastermind in frühen Jahren: Björn Erik Edvardsen 1975<br />
er denn erst mal Musik machen durfte. Ohrenmenschen verliebten sich<br />
sogleich scharenweise in ihn ...<br />
Wie es sich für wahre Legenden gehört, ranken sich um Herkunft<br />
und Historie des Verstärkers indes etliche Sekundärlegenden. Da<br />
liest man im Netz und anderswo viele Märchen: So kam der NAD 3020<br />
etwa nicht schon 1978 auf den Markt, sondern wurde offiziell erst am<br />
24. Januar 1979 eingeführt. Und er wurde auch nicht in Rot-China, sondern<br />
in Taiwan gebaut – und war beileibe nicht das erste Gerät, das die<br />
Firma mit dem Akronym von New Acoustic Dimension vorgestellt hatte.<br />
Sein Herkunftsland war weder England noch Kanada noch Norwegen,<br />
sondern er kann als Inbegriff wahrer Multi<strong>kult</strong>uralität gelten, wurde NAD<br />
doch 1972 als Zusammenschluss von internationalen Distributoren (nicht<br />
Händlern, wie man ebenfalls immer wieder mal liest) gegründet.<br />
Der Engländer Marty Borish, Mitbegründer von NAD, zeichnete ab<br />
1976 für die Strategie der Firma verantwortlich. 1977 holte er dann<br />
den Norweger Björn Erik Edvardsen, genannt BEE, ins Unternehmen.<br />
Seite 74 ■ GoodTimes 2/2014
Gründerväter Jahre später: Gordon A. Simmonds (CEO NAD), Anton<br />
Aebischer (Dynavox) und Marty L. Borish (Direktor und Gründer NAD)<br />
Dieser kluge Kopf konzipierte weitgehend die Schaltung des 3020, und die<br />
hatte einen ganz cleveren Kniff: „Soft Clipping" nannte sich das, was wohl<br />
vielen jener Lautsprecher das Leben gerettet hat, die ihre jugendlichen,<br />
studentischen oder in anderer Weise wenig vermögenden Besitzer an die<br />
Klemmen des kleinen Verstärkers angeschlossen hatten.<br />
Der älteste dem Autor vorliegende Test in der HiFi-Postille „Audio"<br />
(Ausgabe 11/1979) verwendet darauf gerade mal einen halben<br />
Absatz. Ob der Schreiber allerdings so richtig durchblickte, sei dahingestellt.<br />
Die Erklärung dieses Phänomens ist jedoch eigentlich recht einfach:<br />
Wie der Name bereits sagt, verstärken Verstärker elektrische Signale in<br />
Form von Strömen und Spannungen. Das Produkt dieser beiden physikalischen<br />
Größen ist die elektrische Leistung, gemessen in Watt. Die<br />
meisten Amps beziehen diese seit deren Marktreife aus Transistoren. Diese<br />
Bauteile hatten vor allem eben in den 60er, 70er und 80er Jahren meist<br />
die Eigenschaft, bei Überforderung zu „clippen".<br />
Dabei erzeugten sie kurzfristig extrem<br />
hohe Verzerrungen, welche die angeschlossenen<br />
Boxen mit einer Überdosis Höhen<br />
meucheln oder zumindest deren Hochtöner<br />
in Jenseits jagen konnten. Je höher nun<br />
aber die Leistungsreserven eines Verstärkers<br />
sind, desto seltener wird er überfordert, also<br />
desto weniger clippt er. Ein starker Verstärker<br />
schont Lautsprecher eher, als dass er sie klirrend<br />
niederkartätscht.<br />
Zu 3020er-Zeiten aber war saubere Leistung teuer – und teuer<br />
wollte NAD ja auf keinen Fall sein. Also ersparten die Entwickler<br />
dem einen Paar Leistungstransistoren pro Stereokanal bei höheren<br />
Lautstärken die meist ja nur kurzfristig im Musiksignal auftauchenden<br />
Höchstanforderungen und pegelten diese Spitzen schon im Vorfeld<br />
blitzschnell herunter. Meist ohne dass die Hörer dies bewusst registrierten<br />
und ihre Hochtöner kreischend den Geist aufgaben. Zum anderen wusste<br />
Edvardsen schon um die Zusammenhänge von Strom, Spannung und<br />
angeschlossener Lautsprecher-Impedanz – so ähnlich wie Autofans nicht<br />
nur PS, sondern auch Hubraum und Drehmoment heranziehen, wenn es<br />
um die Bestimmung der wirklichen Power ihrer Karossen geht. Wie auch<br />
immer, der kleine NAD konnte auch bei gefährlich niedrigen Impedanzen<br />
noch den dann geforderten Strom an die Klemmen bringen. Im Rahmen<br />
seiner Möglichkeiten natürlich, die laut zeitgenössischen Messungen etwa<br />
bis maximal 50 Watt Impulsleistung an vier Ohm reichten.<br />
Wer also mit dem Lautstärkeregler rechts auf der Front nicht<br />
allzu rechtsdrallig umging, konnte auf ein langes und erfolgreiches<br />
Zusammenleben<br />
von Amp, Boxen<br />
Verpackung, in Würde gealtert: Mit dem deutlichen<br />
Hinweis auf die damals gültige deutsche Netzspannung<br />
von 220 Volt.<br />
und Besitzer<br />
anstoßen. Dem<br />
Autor ist selbst ein<br />
3020er-Jahrgang<br />
bekannt (als Beweis<br />
möge das Foto der<br />
Originalverpackung<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 75<br />
von 1982 dienen), der noch heute mit warmem, rundem Klang verwöhnt.<br />
Und sogar richtig laut werden kann, wenn die Lautsprecher entsprechenden<br />
Wirkungsgrad haben ...<br />
NAD-Nutzer sollten übrigens mal einen Plattenspieler an den für<br />
so genannte Magnetsysteme ausreichend empfindlichen Phono-<br />
Eingang anschließen: Der eingebaute Preamp ist wahrlich nicht von<br />
schlechten Eltern, vorausgesetzt, der Eigner hat so alle Schaltjahre die<br />
Bauteile kontrollieren lassen. Zudem neigen einige der eingebauten<br />
Kondensatoren ein wenig zum Austrocknen.<br />
Von einer zeittypischen Taste sollte man jedoch die Finger lassen:<br />
„Loudness" sorgt mit ungebührlicher Bass- und Höhenanhebung<br />
(wohl den schwachbrüstigen Boxen von anno dunnemals geschuldet) für<br />
dröhnigen Sound – und weil Bässe eben viel Leistung brauchen, auch<br />
für Überforderung des Kleinen. Nicht umsonst schmähen HiFi-Fans diese<br />
Taste generell als das „Ungeheuer von Loud-Ness". Wer denn unbedingt<br />
mehr Leistung haben will oder muss, der kann allerdings den 3020 zwischen<br />
Vor- und Endstufe – auf der Rückseite mit Metallbügeln gebrückt<br />
– auftrennen und eine kräftigere Endstufe zur Lautsprecherversorgung<br />
anschließen. Nur mit diesem Feature und mit den rot blinkenden fünf<br />
Leuchtdioden über dem Lautstärkesteller ist ein 3020 ein „richtiger" 3020.<br />
Im Laufe seiner überaus erfolg- und stückzahlreichen Geschichte hat<br />
der legendäre Amp, der auch noch in den 80er Jahren mit dann 400<br />
Mark Verkaufspreis ein echtes Schnäppchen blieb, einige Design- und<br />
Technikmodifikationen über sich ergehen lassen. Seine wahren Fans<br />
schwören noch heute auf die Version, bei der das NAD-Logo über der<br />
Kopfhörer-Buchse prangt und rechts von einem „Series 20"-Schriftzug<br />
flankiert wird. Optisch und technisch exzellente Exemplare sind übrigens<br />
erstaunlich selten im Angebot – zufriedene Besitzer rücken das gute Stück<br />
eben ungern raus. Wer trotzdem für 150 bis 200<br />
Euro eines ergattern kann, sollte unbedingt<br />
einen Check machen lassen. Manchmal<br />
wirken das Blankwienern der Buchsen<br />
und der Einsatz von Kontaktspray in<br />
Schaltern und Poti wahre Wunder,<br />
teilweise muss ein marodes Bauteil<br />
aber auch einfach fachgerecht<br />
getauscht werden. Im Zweifelsfall<br />
kann beim deutschen NAD-Vertrieb<br />
Dynaudio (www.dynaudio.de) oder dem Schweizer Distributor Dynavox<br />
(www.dynavox.ch) nach kompetenten Werkstätten gefragt werden.<br />
Die legendäre Produktserie umfasste anschließend noch jahrelang<br />
weitere modifizierte Modelle, vom 1986 eingeführten Modell 3020 e<br />
(Kostenpunkt: 400 Mark) bis hin zum 3020 i Anfang der 90er Jahre.<br />
Allmählich ließ der Verkaufserfolg aber nach, denn inzwischen bauten<br />
auch Engländer und Japaner feine Kleine in dieser Preisklasse. Doch<br />
insgesamt war die Modellreihe aus den guten alten analogen Tagen ein<br />
immenser Erfolg – von bis zu zwei Millionen insgesamt produzierten<br />
Exemplaren munkelt die Fachwelt.<br />
Vor kurzem hat die New Acoustic<br />
Dimension die legendäre<br />
Zahlenfolge 3020 in einer völlig anderen<br />
Verstärkerdimension übrigens wiederbelebt.<br />
Der D 3020 ist ein so genannter<br />
Digitalverstärker, kompakter und technisch<br />
komplett anders als der Altvordere,<br />
mit Finessen wie „asynchronem USB-<br />
DAC" für die Herausforderungen moderner<br />
Zeiten gerüstet. Optisch gehört er<br />
sowieso zu einer anderen Welt, ist er doch<br />
senkrecht und waagerecht zu betreiben.<br />
Und in seinem trendigen Look wirkt der<br />
500-Euro-Verstärker so gar nicht billig.<br />
Aber das war auch sein Urahn nie wirklich.<br />
Der war in erster Linie ein Preisbrecher.<br />
Und seinen Preis allemal wert.<br />
Nachfolger, ganz aktuell:<br />
Der Digitalverstärker D 3020<br />
markiert NADs Ansprüche in<br />
heutigen Zeiten.
DAS JAHR 1964<br />
Beatles<br />
Sepp Herberger<br />
Von Bernd Matheja<br />
Zeitgeschichte<br />
Ab 2.1. ziert DDR-Pässe der Zusatz „Bürger der Deutschen<br />
Demokratischen Republik". *** Erster Besuch eines Papstes in Israel: Am<br />
4.1. reist Paul VI. in den Nahen Osten. *** In Heidelberg nimmt am<br />
28.1. das erste Deutsche Krebsforschungszentrum die Arbeit auf. ***<br />
14.2., BRD: Gründungstag des „Sachverständigenrates zur Begutachtung<br />
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung", bis heute besser bekannt<br />
als die „Fünf (Wirtschafts-)Weisen".<br />
*** Eine Epoche beginnt: Willy<br />
Brandt wird am 16.2. zum SPD-<br />
Parteivorsitzenden gewählt. Er folgt<br />
Erich Ollenhauer und bleibt in dieser<br />
Position 13 Jahre lang. *** An den<br />
Ostermärschen für den Frieden<br />
nehmen am 30.3. über 100.000<br />
Bundesbürger teil. *** Tags darauf<br />
besetzt General Humberto Branco in Brasilien das Amt des<br />
Staatspräsidenten, nachdem das Militär geputscht hatte. *** In Afrika<br />
schließen sich am 26.4. Tanganyika und Sansibar zur Vereinigten Repubik<br />
Tansania zusammen. *** Am 1.6. erfolgt die Gründung der palästinensischen<br />
Berfreiungsorganisation PLO (Palestine Liberation Organization).<br />
Erster Vorsitzender ist Ahmed Shukeiry. *** Änderung in der bundesdeutschen<br />
Straßenverkehrsordnung ab 1.6.: Auf sichtbar gekennzeichneten<br />
Überwegen („Zebrastreifen") haben Fußgänger generell Vorrang<br />
vor motorisierten Verkehrsteilnehmern. *** 31 Jahre lang im Rahmen von<br />
Forschungsreihen gestattet, ab 6.6. verboten: Raketenversuche mit<br />
Weltweit gibt's ab jetzt mächtig auf junge<br />
und ältere Ohren, in Deutschland liegt die<br />
Hopfenkaltschale so voll im Trend wie nie<br />
zuvor – und die Fußballfans verabschieden<br />
einen der schlauesten Übungsleiter der<br />
Kicker-Historie. Spitzenpolitiker verschwinden,<br />
neue besetzen deren geräumte Sessel.<br />
Olympische Winterspiele ohne Schnee und<br />
Eis? Auch das ist verbucht für dieses ereignisreiche<br />
Jahr 1964.<br />
dem Wattenmeer vor Cuxhaven als Abschussgebiet. *** Der Bürgerrechtler<br />
Nelson Mandela und sieben weitere Mitglieder des ANC (African<br />
National Congress) werden am 12.6. wegen „subversiver Aktivitäten" zu<br />
lebenslangen Haftstrafen verurteilt. *** Der schwedische Luftwaffenoberst<br />
Stig Wennerström ist der Spionage für die Sowjetunion überführt,<br />
als seine Reinmachefrau eine verdächtige Filmrolle findet.<br />
Am 12.6. ergeht das Urteil: lebenslänglich.<br />
Der Offizier wird 1974 entlassen und bleibt<br />
geächtet. *** Am selben Tag unterzeichnen<br />
die DDR und die UdSSR einen „Vertrag<br />
über Freundschaft, gegenseitigen Beistand<br />
und Zusammenarbeit". *** 1.7.: Heinrich<br />
Lübke wird von der Bundesversammlung<br />
erneut zum Bundespräsidenten gewählt.<br />
*** Zumindest in der Theorie ein großer<br />
Schritt: Der amerikanische Präsident Lyndon B.<br />
Johnson unterzeichnet am 2.7. in Washington<br />
das „Bürgerrechtsgesetz zur Aufhebung<br />
der Rassentrennung", das von seinem ermordeten Vorgänger<br />
John F. Kennedy initiiert worden war. *** Ab 1.8. erhalten neu<br />
gedruckte Geldscheine in der DDR die Ergänzung „Mark der deutschen<br />
Notenbank". *** Am 5.9. feiert Malta die Unabhängigkeit von<br />
Großbritannien. Die Mittelmeer-Republik ist seit 1.5.2004 kleinster<br />
Mitgliedsstaat der Europäischen Union. *** Otto Grotewohl stirbt am<br />
21.9., drei Tage darauf wird Willi Stoph sein Nachfolger als Vorsitzender<br />
Seite 76 ■ GoodTimes 2/2014
des Ministerrats der DDR. *** Bis<br />
heute umstritten: Die amerikanische<br />
Warren-Kommission legt sich am<br />
27.9. fest, dass für das Kennedy-<br />
Attentat 1963 ein Einzeltäter ver-<br />
antwortlich war<br />
– Lee Harvey Oswald. *** Ende einer Politikerkarriere<br />
in der UdSSR: Am 14.10. verliert Nikita Chruschtschow seine Ämter.<br />
Neuer Parteichef wird Leonid Breschnew, die Regierung führt jetzt Alexej<br />
Kossygin. *** Am Folgetag gewinnt die Labour Party die Wahlen zum<br />
britischen Unterhaus. Premierminister ist Harold Wilson. *** 16.10.,<br />
Punkt 15 Uhr: In der Provinz Sinkiang zündet die Volksrepublik China<br />
unterirdisch ihre erste Atombombe. *** Ein Schlupfloch in der gesamten<br />
innerdeutschen Grenze: Nach der auf Berlin beschränkten Regelung<br />
von 1963 dürfen ab 2.11. DDR-Rentner mit Passierscheinen auch<br />
Verwandte in der Bundesrepublik besuchen. Rund 1,4 Millionen<br />
Dokumente werden ausgegeben. *** Wiederwahl in den USA: Der<br />
Republikaner Barry Goldwater scheitert damit, Amtsinhaber Johnson<br />
als Präsident aus dem Amt zu drängen, den 61,1 Prozent der Wähler<br />
behalten wollen. *** Braun formiert sich wieder: Gründung der rechtsextremen<br />
NPD am 28.11. in Hannover mit dem Ex-CDU-Abgeordneten<br />
Friedrich Thielen als Parteivorsitzendem. *** Klamm braucht Kohle: Die<br />
DDR fordert von Besuchern aus der Bundesrepublik „Eintritt" und fordert<br />
einen Mindestumtausch zur Devisenbeschaffung. ***<br />
SPORT<br />
Prosit Neujahr! Die Fußball-Saison startet für die Nationalmannschaft<br />
mit einem Kater am 1.1. (prima Termin ...): Deutschland unterliegt<br />
in Algier in einem Freundschaftsspiel gegen Algerien mit 0:2. *** Die<br />
IX. Olympischen Winterspiele in Innsbruck beginnen am 29.1.<br />
weitaus tragischer: Der Ski-Abfahrtsläufer Ross Milne (Australien) und<br />
Rennrodler Kazimierz Kay (UK) kommen bei Trainingsunfällen vor Ort<br />
ums Leben. Dazu gibt es Wetterkapriolen: Rund 40.000 Kubikmeter<br />
Schnee und 20.000 Eisblöcke müssen rangekarrt werden, um Pisten<br />
sowie Bob- und Rodelbahnen überhaupt nutzbar zu machen. In 34<br />
Wettbewerben holt die gesamtdeutsche Mannschaft je drei Gold-, Silberund<br />
Bronzemedaillen, Eiskunstläufer Manfred Schnelldorfer steht<br />
ganz oben auf dem Siegerpodest. Die Paarlauf-Ikonen Marika Kilius/Hans-<br />
Jürgen Bäumler werden Zweite, müssen ihr Edelmetall aber wieder abgeben:<br />
Sie hatten kurz vor den Spielen einen Profivertrag unterzeichnet. Die<br />
Nationenwertung gewinnt die Sowjetunion vor Österreich und Norwegen.<br />
*** Neuer und jüngs ter<br />
Weltmeister aller Zeiten im<br />
Schwergewichtsboxen wird<br />
am 25.2. Cassius Clay<br />
(22): Er besiegt in Miami<br />
Beach Charles „Sonny" Liston<br />
in der siebten Runde nach<br />
Cassius Clay (l.) & Sonny Liston<br />
dessen Aufgabe. *** Kufen-<br />
Olympiasieger i Schnelldorfer holt sich auch den WM-Titel in Dortmund<br />
(26.2.), wenige Tage später gelingt dies auch dem hier startberechtigten<br />
Paar Kilius/Bäumler (1.3.). *** Bei der Handball-WM in Prag besiegt im<br />
Finale am 15.3. Rumänien die Schweden mit 25:22. *** Am 9.5. steht<br />
der erste Meister der seit 1963 neuen Fußball-Bundesliga fest: Der 1.<br />
FC Köln steht am Ende vor dem Meidericher SV und Eintracht Frankfurt.<br />
*** Den Europacup der Pokalsieger gewinnt am 15.5. nach zwei<br />
Spielen (3:3 und 1:0) Sporting Lissabon gegen MTK Budapest. *** Im<br />
Finale der Landesmeister triumphiert am 27.5. in Wien Inter Mailand<br />
gegen Real Madrid mit 3:1. Den Messecup erringt in einem rein spanischen<br />
Endspiel Real Saragossa gegen den FC Valencia (2:1). *** Am<br />
7.6. fährt der Franzose Jacques Anquetil als Erster beim Giro d'Italia<br />
über die Ziellinie. Er holt sich am 14.7. in Paris auch seinen fünften Sieg<br />
(vier davon in Folge) bei der Tour de France. *** Wehmut am 7.6. in<br />
Helsinki: Zum letzten Mal betreut Josef "<br />
Sepp" Herberger die deutsche<br />
Fußball-Nationalmannschaft, die er u.a. 1954 clever zum WM-Titel<br />
geführt hatte. Zum Abschied gibt es einen 4:1-Sieg gegen Finnland. Die<br />
Quote des Mannheimers als Trainer zwischen 1936 und 1964: 94 Siege,<br />
27 Unentschieden, 46 Niederlagen. Nachfolger wird sein langjähriger<br />
Assistent Helmut Schön. *** Der BRD-Pokalsieger steht am 13.6. fest:<br />
1860 München schlägt Eintracht Frankfurt in Stuttgart mit 2:0. Am selben<br />
Tag gewinnt Aufbau Magdeburg mit einem 3:2 gegen den SC Leipzig den<br />
Cup der DDR in Dessau. *** Der Formel-1-Weltmeister 1964 kommt<br />
aus Großbritannien: Ex-Motorrad-Weltmeister John Surtees verweist<br />
seine beiden Kontrahenten Graham Hill und Jim Clarke auf die Plätze.<br />
*** Bei der Fußball-Europameisterschaft in<br />
Spanien (17.–21.6.) gewinnt das Veranstalterland<br />
mit 2:1 gegen die Sowjetunion. Die DDR scheidet<br />
im Achtelfinale aus, die BRD hatte gar<br />
nicht gemeldet (Bundestrainer Herberger:<br />
„Zeitverschwendung"). *** Tennis in<br />
Wimbledon: Den Titel der Herren-Konkurrenz<br />
holt sich am 3.7. der Australier Roy Emerson<br />
Maria Esther Bueno<br />
gegen seinen Landsmann und Doppelpartner Fred<br />
Stolle. Den Damen-Wettbewerb gewinnt am 4.7. die Brasilianerin Maria<br />
Esther Bueno gegen Margaret Smith-Court (Australien). *** Bei den XVIII.<br />
Olympischen Sommerspielen in Tokio geht die Nationenwertung<br />
nach 163 Wettbewerben an die USA vor der Sowjetunion und Gastgeber<br />
Japan. Rang 4 bei 93 Teilnehmer-Nationen belegt die gesamtdeutsche<br />
Mannschaft, sie erringt 10 Gold-, 22 Silber- und 18 Bronzemedaillen.<br />
Unvergessen ist vor allem der Zehnkampf-Sieg von Willi Holdorf aus<br />
Blomesche Wildnis (Schleswig-Holstein), der am Ende des abschließenden<br />
1500-Meter-Laufs fast besinnungslos quer über die Ziellinie<br />
taumelt. Erfolgreichster Athlet ist der amerikanische<br />
Schwimmer Don Schollander (vier<br />
Goldmedaillen). China, Südafrika, Nordkorea<br />
und Nordvietnam blieben aus politischen<br />
Gründen von den Spielen ausgeschlossen. ***<br />
Zu Sportlern des Jahres werden in der<br />
BRD gewählt: Willi Holdorf, die Ruderinnen<br />
Roswitha Esser/Annemarie Zimmermann und<br />
der Vierer vom Berliner Ruder-Club; DDR:<br />
Klaus Urbanczyk (Fußball), Ingrid Krämer<br />
Willi Holdorf (m.)<br />
(Wasserspringen) und die Fußball-Olympia-Elf.<br />
*** Fußballer des Jahres: der Schotte Denis Law (Manchester United/<br />
Europa), Uwe Seeler (HSV) und Klaus Urbanczyk (Chemie Halle). ***<br />
FUNK & FERNSEHEN<br />
Es trifft Frau Erna Stephan aus Berlin, sie gewinnt eine Reise in die USA.<br />
Grund: Ihre neue Flimmerkiste ist bei der Anmeldung das zehnmillionste<br />
„Fernsehempfangsgerät" in der BRD. *** Am 3.1. beginnt das <strong>ZDF</strong> einen<br />
Dauerläufer, das "<br />
Gesundheitsmagazin Praxis" mit dem Nicht-<br />
Mediziner Hans Mohl, der nach 375 Ausgaben im Dezember 1993 in den<br />
Ruhestand geht. Die letzte Sendung läuft am 22.9.2004. *** Erstmals<br />
wird der Adolf-Grimme-Preis für herausragende TV-Produktionen<br />
verliehen. Er geht am 16.1. an die Dokumentation „Der SS-Staat" (WDR/<br />
SDR). *** Das <strong>ZDF</strong> startet eine Woche später das Magazin "<br />
Treffpunkt<br />
Kino", kurz darauf umbenannt in „Zehn Minuten für den Kinogänger"<br />
und im Rahmen der „Drehscheibe" ausgestrahlt. *** Auftakt für eine<br />
Kult-Quizshow am 25.1. im Ersten: Hans-Joachim Kulenkampff<br />
ist gefeierter Gastgeber von „Einer wird gewinnen", das von der<br />
Eurovision in viele Länder übertragen wird. „EWG" bleibt – inklusive<br />
zweier Neustarts mit „Kuli" – bis zum 21.11.1987 im Programm und<br />
steht mit 88 Ausgaben in den Annalen.<br />
*** Bei den Olympischen Winterspielen<br />
in Innsbruck teilen sich ARD und <strong>ZDF</strong><br />
erstmals die Fernsehübertragungen. ***<br />
Großer Zuspruch im TV für Ganovenjäger<br />
Eduard Zimmermann: „Vorsicht,<br />
Hans-Joachim Falle – Nepper, Schlepper, Bauernfänger"<br />
Kulenkampff<br />
warnt mit nachgespielten Beiträgen vor<br />
Betrügern & Co. ab 24.3. im <strong>ZDF</strong>. *** Die ARD sortiert ihre Senderanteile<br />
für das zu beliefernde eigene Programm neu. An der Spitze stehen WDR<br />
25 Prozent, NDR 20 Prozent und BR mit 17 Prozent. *** Top-Übernahme<br />
aus den USA im Juli: Die Unbestechlichen" („The Untouchables")<br />
"<br />
mit Robert Stack als FBI-Ermittler „Eliot Ness" wird ein Krimiserien-Hit,<br />
der 1920/1930 im Verbrechenssumpf von Chicago angesiedelt ist. ***<br />
Kaum zu glauben, aber wahr: Im spannenden ARD-Fernsehfilm Flug "<br />
in Gefahr" (mit Hanns Lothar, Ingmar Zeisberg; 18.8.) vergiften sich<br />
die Piloten mit Heilbutt. Im Nachlauf der Sendung weist die Deutsche<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 77
Fischwirtschaft explizit darauf hin,<br />
dass die servierten Portionen nicht aus<br />
ihrer Produktion stammen ...! *** Am<br />
19.8. bringt eine Trägerrakete vom<br />
Raumfahrtzentrum Cape Canaveral<br />
den TV-Satelliten Syncom III auf<br />
Position: Er gewährleistet die weltweiten<br />
Live-Übertragungen von den<br />
"<br />
Flug in Gefahr"<br />
anstehenden Olympischen Sommerspielen in Tokio. *** Lernen und<br />
Staunen, Schwieriges verständlich vermittelt: Ab 11.9. präsentiert Heinrich<br />
Schiemann Aus Forschung und Technik" im <strong>ZDF</strong>. 1981 löst ihn<br />
"<br />
Joachim Bublath ab, das Magazin gibt es noch bis 1988 bei den Mainzern.<br />
*** Nach bereits fünfjähriger Laufzeit steht es fest: Bonanza" ist von<br />
"<br />
1964 bis 1967 die meistgesehene Fernsehserie in Amerika. *** Am 5.10.<br />
geht das Dritte Programm des Hessischen Rundfunks (HR) auf Sendung.<br />
*** Gegenwind fürs Erste? Das <strong>ZDF</strong> schickt zwei große Familienshows<br />
ins Rennen: Ab 9.10. mahnt Peter Frankenfeld „Vergissmeinnicht",<br />
ein Klassiker rund um die bundesdeutschen Postleitzahlen; Der goldene<br />
Schuss" mit dem Niederländer Lou van Burg („Onkel Lou", "<br />
„Mister Wunnebar") unter musikalischer Begleitung vom Orchester Max<br />
Greger folgt am 4.12. „Der Kandidat hat 100 Punkte!" wird schnell<br />
zum geflügelten Wort in der Umgangssprache. Showmaster ab 1967 bis<br />
zum Ende (1970): Vico Torriani, der für den ursprünglich vorgesehenen<br />
Rudi Carrell einsprang und blieb. *** „Mundart-Unterhaltung" garantiert<br />
großen Zuschauerzuspruch: Die Komödie „Die Kartenlegerin" mit<br />
Heidi Kabel aus dem Ohnsorg-Theater Hamburg wird zum Volltreffer;<br />
genau wie „Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger"<br />
mit Beppo Brem als schrullig-cleverem<br />
Kriminalinspektor und seinem<br />
Assistenten „Fröschl" (Maxl Graf). ***<br />
ARD und <strong>ZDF</strong> schließen nach intensiven<br />
Zuschauer- und Presseprotesten endlich<br />
ein Koordinationsabkommen, um<br />
Sendungen ähnlicher Ausrichtung auf<br />
Lou van Burg<br />
unterschiedlichen Sendeplätzen auszustrahlen.<br />
*** Zwei beliebte b Ansagerinnen nehmen Abschied vom<br />
Bildschirm, Hilde Nocker (HR) und Mady Manstein (WDR). Neu beim BR:<br />
Petra Schürmann. *** Pro Jahr werden in der BRD 2,3 Millionen neue<br />
Fernsehgeräte hergestellt. Verkaufswert: rund 1,2 Milliarden D-Mark.<br />
*** Guter Griff des <strong>ZDF</strong>: Es kauft 1964 die BBC-Reihe "<br />
Kommissar<br />
Maigret" nach den erfolgreichen Romanen von Georges Simenon. Zum<br />
Publikumsliebling ab 2.1. 1965 wird der englische Hauptdarsteller Rupert<br />
Davies. ***<br />
FILM<br />
Riesenmedienauftrieb am 15.3. im kanadischen Montreal: Hollywood-<br />
Diva Elizabeth Taylor geht ihre fünfte Ehe seit 1950 ein. Diesmal muss<br />
ihr walisischer Kollege Richard Burton dran glauben. Scheidung 1974,<br />
neue Heirat mit Burton am 10.10.1975,<br />
nächste Scheidung bereits am 29.7.1976<br />
... *** Vier Tage zuvor waren die begehrten<br />
Golden Globes verliehen worden. Siegerfilm:<br />
„Der Kardinal" (Regie: Otto Preminger).<br />
*** Am 13.4. gehen in Santa Monica,<br />
Kalifornien, die Oscars an die britische<br />
Produktion „Tom Jones – Zwischen Bett<br />
und Galgen" mit Albert Finney (Film)<br />
sowie in den Hauptdarstellerkategorien an<br />
Sydney Poitier und Patricia Neal. *** Bei<br />
Elizabeth Taylor &<br />
Richard Burton<br />
den Internationalen Filmfestspielen in Cannes (29.4. – 11.5.) wird „Die<br />
Regenschirme von Cherbourg" mit Catherine Deneuve zum Sieger<br />
gekürt. *** Beim Deutschen Filmpreis in Westberlin erhält das „Filmband<br />
in Gold" (dotiert mit 350.000 D-Mark) am 28.6. „Kennwort: Reiher", u.a.<br />
mit Peter van Eyck, Marie Versini und Fritz Wepper; Regie: Rudolf Jugert.<br />
*** Vier Filme mit Musikschwerpunkt bleiben in Erinnerung: „Mary<br />
Poppins" mit Julie Andrews, „My Fair Lady" mit Audrey Hepburn, "<br />
König<br />
der heißen Rhythmen" (Elvis Presley) und das Leinwanddebüt der<br />
Beatles, „Yeah! Yeah! Yeah! / A Hard Day's Night" unter der Regie von<br />
Richard Lester, das am 6.7. Premiere hat. *** Weitere Produktionen, die<br />
ihr Herstellungsjahr weit überdauert haben: Alfred Hitchcocks „Marnie"<br />
(Tippi Hedren), „Alexis Sorbas" mit Anthony Quinn, das Bond-Abenteuer<br />
Goldfinger" (Sean Connery, Gert Fröbe), der Western „Cheyenne"<br />
"<br />
mit Richard Widmark, die Erotikstreifen „Angelique" (Michele Mercier)<br />
und „Fanny Hill" (Letícia Román; Regie: Russ Meyer, Nebenrolle: Chris<br />
Howland); Peter Sellers brilliert in „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte,<br />
die Bombe zu lieben", Jean Marais ist „Fantomas", und Regisseur<br />
Sergio Leone befeuert das Italo-Western-Genre mit dem Klassiker<br />
„Für eine Handvoll Dollar" mit Clint Eastwood und Marianne Koch.<br />
*** Aus dem deutschen Angebot erwähnenswert: „Wolf unter Wölfen"<br />
(nach Hans Fallada, Hauptrolle:<br />
Armin Mueller-Stahl), die<br />
Thomas-Mann-Verfilmungen<br />
„Wälsungenblut" und „Tonio<br />
Kröger", „Der geteilte Himmel"<br />
(nach Christa Wolf). Eine solide<br />
Milieustudie liefert Jürgen<br />
Roland ab, „Polizeirevier<br />
Davidswache". Für guten<br />
Umsatz an den Kassen sorgen weiterhin Leichtbau-Unterhaltung wie<br />
„Freddy und das Lied der Prärie", gleich vier Karl-May-Verfilmungen<br />
(„Old Shatterhand", „Der Schut", „Unter Geiern" und „Winnetou<br />
II"), „Liebesgrüße aus Tirol" sowie der 20. Edgar-Wallace-Krimi der<br />
Nachkriegszeit, „Der Hexer" mit Joachim<br />
Fuchsberger. *** Geboren werden 1964<br />
(inter)nationale Stars in spe: u.a. Nicolas<br />
Cage (7.1.), Matt Dillon (18.2.), Thomas<br />
Heinze (30.3.), Sandra Bullock (26.7.),<br />
Jan Josef Liefers (8.8.) und Katharina Böhm<br />
Sandra<br />
Bullock<br />
(20.11.). Der letzte Vorhang fällt hingegen<br />
für Alan Ladd (29.1.), Peter Lorre (23.3.), den umstrittenen Regisseur Veit<br />
Harlan (u.a. Nazi-Hetzfilm „Jud Süß"; 13.4.), für Komiker Hans Moser<br />
(19.6.), „Bond-Erfinder" Ian Fleming (12.8.) und Harpo Marx (28.9.). ***<br />
MUSIK<br />
Die im Vorjahr eingeläutete Beat-„Revolution" trägt Früchte, der neue<br />
Sound hat aus Richtung Liverpool nahezu die ganze Welt überzogen.<br />
Als Speerspitze sorgen die Beatles für eine bis heute einzigartige<br />
Sensation in den USA: Am 31.3. belegen sie in den maßgeblichen amerikanischen<br />
Billboard-Single-Charts die Plätze 1 bis 5! *** Und London,<br />
Newcastle, Belfast, Birmingham & Co. rüsten<br />
nach: Weißer Rhythm & Blues" ist auf<br />
"<br />
dem Vormarsch, härter und kantiger ausgerichtete<br />
Bands lassen es krachen, angeführt<br />
von den Rolling Stones, Animals, Pretty Things,<br />
Them, der Spencer Davis Group, Kinks, Who,<br />
Manfred Mann und vielen anderen, die schnell<br />
zu (Hit-)Stars avancieren. *** Ein neues Forum<br />
für die schroffen Klänge bietet das First<br />
Rod Stewart<br />
"<br />
British R&B Festival" am 28.2. in der<br />
Birmingham i Town Hall. Unter anderem dabei: Rod Stewart, Long John<br />
Baldry, das Spencer Davis R&B Quartet und The Roadrunners. *** Viele<br />
Songs, die 1964 rund um den Globus entstehen, gehen in die Annalen<br />
ein, wie "House Of The Rising Sun" von den Animals, "Pretty Woman"<br />
(Roy Orbison), "Needles And Pins" (Searchers), "Do Wah Diddy<br />
Diddy" (Manfred Mann), "Leader Of The Pack" (Shangri-Las) und "You<br />
Really Got Me" von den Kinks. *** Auch in der<br />
BRD erspielen sich junge, aufstrebende Bands<br />
ihre Fan-Gemeinden, so die Lords und Boots<br />
aus Berlin und die Hamburger Rattles. *** In<br />
den hiesigen Single-Charts geht es allerdings<br />
nur langsam voran, hier dominieren noch fast<br />
unerschütterlich die Schlagerstars der alten<br />
Schule. Die drei erfolgreichsten Titel des Jahres<br />
sind "Liebeskummer lohnt sich nicht" von<br />
der Schwedin Siw Malmkvist, "Oh My Darling Caroline" (Ronnyy<br />
alias<br />
Wolfgang Roloff aus Bremen) und "Das kannst du mir nicht verbieten"<br />
von Bernd Spier. Bei den LPs werden die ersten Anzeichen einer<br />
Wachablösung deutlicher: Rang 1 und 3 geht an die „Pilzköpfe" (WITH<br />
Seite 78 ■ GoodTimes 2/2014
THE BEATLES und YEAH! YEAH! YEAH!); dazwischen steht die deutsche<br />
Originalaufnahme des Musical-Soundtracks von „My Fair Lady". *** Auch<br />
bei der Vergabe der Bravo-Ottos" bleibt alles eher gemäßigt und<br />
" altbacken. Männer-Stars: Cliff Richard, Freddy<br />
Quinn, Rex Gildo. Damen-Wahl: Connie<br />
Francis, Conny Froboess und Rita Pavone. ***<br />
In<br />
Kopenhagen wird am 21.3. der 9. Grand<br />
Prix Eurovision ausgesungen. Es gewinnt<br />
Gigliola Cinquetti mit "Non ho l'età" für<br />
Italien, mit diesem Titel siegte sie bereits im<br />
Gespann mit Patricia Carli beim San-Remo-<br />
Festival (30.1.–1.2.); auf den Grand-Prix-<br />
Folgeplätzen landen Matt Monro (UK) mit "I Love The Little Things" und<br />
Romuad mit "Ou sont-elles passées" für Monaco. Die hiesigen Farben<br />
vertritt in Dänemark Nora Nova (Ahinora Kumanova, eine 1928 geborene<br />
Deutsch-Bulgarin) und erhält für – ausgerechnet – "Man gewöhnt<br />
sich so schnell an das Schöne" erstmals keinen einzigen Punkt (genau<br />
wie die Vertreter aus Jugoslawien, Portugal und aus der Schweiz). Dieser<br />
Mega-Flop wiederholt sich gleich 1965 für Ulla Wiesner ("Paradies, wo<br />
bist du"); beide bleiben – bei insgesamt 57 Teilnahmen – bis heute die<br />
einzigen Null-Nummern. *** Beim Newport Folk Festival (Rhode<br />
Island, USA) vom 23.–26.7. machen zwei<br />
auftretende Künstler erstmals intensiver<br />
auf sich aufmerksam, Jose Feliciano und<br />
Buffy Sainte-Marie. Sie stellen u.a. ihre<br />
Versionen von "La Bamba" und "Codine"<br />
vor. *** In Frankfurt gründen die gelernten<br />
Jazzer Horst Lippmann (1927–1997)<br />
und Fritz Rau (1930–2013) eine der profiliertesten<br />
deutschen Konzertagenturen,<br />
Lippmann+Rau. *** Immer öfter singen<br />
jetzt bundesdeutsche Sportler: Die Eiskunstlaufstars Manfred<br />
Schnelldorfer ("Wenn du mal allein bist") sowie Marika Kilius ("Wenn die<br />
Soeur Sourire<br />
Cowboys träumen") bzw. Kilius/Bäumler ("Honeymoon in St. Tropez")<br />
schaffen es in der offiziellen <strong>Hitparade</strong> sogar auf die Ränge 4, 2 und<br />
2. *** Die Jahresabrechnungen in Amerika und Großbritannien ergeben<br />
diese Resultate nach Kalenderwochen auf Platz 1: Singles USA/ Beatles<br />
"I Want To Hold Your Hand" (7 Wochen), Beatles "Can't Buy Me Love"<br />
(5), Supremes "Baby Love", Bobby Vinton<br />
"There! I've Said It Again" und Soeur Sourire<br />
"Dominique" (je 4); Singles UK/ Beatles "I<br />
Feel Fine" (6), Beatles "I Want To Hold Your<br />
Hand" (6), Cilla Black "You're My World" (4).<br />
LPs USA/ Beatles A HARD DAY'S NIGHT<br />
(14), Beatles MEET THE BEATLES (11), Soeur<br />
Sourire SINGING NUN (10); LPs UK/ Beatles<br />
WITH THE BEATLES (21), Beatles YEAH!<br />
YEAH! YEAH! (21) und THE ROLLING STONES (12), das Albumdebüt<br />
von Mick Jagger & Co. ***<br />
VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />
Die goldgelbe Erfrischung auf Rekordkurs: Auf einen Pro-Kopf-<br />
Verbrauch von rund 120 Litern steigt der jährliche Bierkonsum der<br />
Bundesbürger. Auf Statistik-Platz 2: Milch, mit 110 Litern. *** Populäre<br />
Bücher des Jahres: „Der Spion, der aus der Kälte kam" (John le Carré),<br />
„Wendekreis des Krebses" (Henry Miller), „Hundejahre" (Günter Grass),<br />
„In der Sache J. Robert Oppenheimer" (Heinar Kipphardt). *** Am 18.3.<br />
gastiert erstmals die Peking-Oper aus China in Frankfurt/Main. *** "<br />
Die<br />
kleine Meerjungfrau", Kopenhagener Wahrzeichen, wird am 24.4.<br />
von Randalierern enthauptet. Der Kopf der Skulptur des Bildhauers<br />
Edvard Eriksen bleibt verschwunden. *** 328 Todesopfer fordert eine<br />
Massenpanik im Nationalstadion von Lima am 24.5., ausgelöst<br />
durch eine Schiedsrichterentscheidung beim Fußball-Qualifikationsspiel<br />
Peru – Argentinien. *** Der Liter Normalbenzin kostet in der BRD<br />
durchschnittlich 57 Pfennig (ca. 28 Cent). *** Modisch im Trend liegen<br />
in diesem Jahr der „Weltraum- und Mondmädchen-Look" von André<br />
Courrèges, Hängekleidchen und Miniröcke von Mary Quant und Obenohne-Badeanzüge<br />
von Rudi Gernreich. *** Am 22.4. beginnt Teil 1<br />
der Weltausstellung in New York (Ende am 18.10., Fortsetzung 1965).<br />
*** Das Musical „Anatevka" feiert eben dort am 22.9. Uraufführung.<br />
*** 60 Prozent der Bundesbürger urlauben am liebsten in der Heimat<br />
(Bayern, Schwarzwald, Nord- und Ostsee). Auslandsfavoriten sind<br />
Österreich, Italien, die Schweiz. *** Am 27.6. nimmt die staatliche<br />
Rundfunkanstalt ORTF die Arbeit auf. Vorbild ist die britische BBC. ***<br />
Nachhaltige Werbeslogans in der BRD: „Ajax,<br />
der weiße Wirbelwind" (Reinigungsmittel),<br />
„Nogger dir einen!" (Speiseeis), „Pack den<br />
Tiger in den Tank!" (Benzin). *** Weltweit<br />
kommen Plastiktüten als Transportmittel<br />
in Mode – der generelle Trend geht zur<br />
Kunststoffverpackung. Umweltgedanken spielen<br />
dabei keine Rolle. *** Am 1.8. steigt der<br />
Preis pro Telefongesprächseinheit von 16<br />
auf 20 Pfennig. Nach massiven Protesten:<br />
Rücknahme auf 18 Pfennig. *** Start für<br />
ein Kultmodell: Am 9.3. läuft in Dearborn,<br />
Michigan, der erste Ford Mustang vom Band.<br />
*** Erschütterungen im Eis: Das „Große Alaska-<br />
Beben" (auch „Karfreitags-Beben" genannt) ist<br />
am 27.3. das schwerste jemals in den USA gemessene Erdbeben. b<br />
*** Die<br />
erste Direktflugverbindung von der BRD in die Sowjetunion wird am<br />
3.5. eröffnet. *** Auf bundesdeutschen Straßen sind inzwischen rund<br />
37.500 Wohnwagen unterwegs. *** Der Pädagoge Georg Picht macht<br />
als früher Mahner auf sich aufmerksam. Er warnt mit seinem Buch Die "<br />
deutsche Bildungskatastrophe". *** Am 10.9. wird der einmillionste<br />
Gastarbeiter" in der BRD empfangen – es ist ein Portugiese,<br />
"<br />
der zur Begrüßung ein Moped geschenkt bekommt. *** Katastrophe<br />
im Hafen der algerischen<br />
Stadt Bone, als der Frachter<br />
"<br />
Star Of Alexandria"<br />
explodiert. Über 100 Tote,<br />
rund 180 Verletzte. *** Der<br />
Amerikaner William P. Lear<br />
erfindet die Achtspur-<br />
Ford Mustang<br />
Tonbandkassette. ***<br />
Nach Deutschland und den USA führt die Schweiz als erst drittes di Land<br />
am 26.6. ein Postleitzahlsystem ein. *** Den Friedensnobelpreis<br />
erhält am 10.12. der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King<br />
(ermordet am 4.4.1968 in Memphis, Tennessee). Der Nobelpreis für<br />
Literatur geht an den französischen Philosophen Jean-Paul Sartre –<br />
er lehnt die Auszeichnung ab. *** Neuerungen vom Automobilmarkt:<br />
Studebaker führt serienmäßig<br />
Sicherheitsgurte ein; General Motors<br />
testet Punktschweißroboter in der<br />
Fertigung; NSU bringt den zweisitzigen<br />
Wankel Spider auf den Markt,<br />
den ersten Pkw mit Wankelmotor. 2375<br />
Exemplare werden bis 1967 verkauft<br />
(Preis: 7000 bis 8500 D-Mark). ***<br />
Geburtstage 1964: Boxer Henry Maske<br />
Martin Luther King<br />
(6.1.), Kabarettist Rüdiger Hoffmann<br />
(30.3.), Fußballspielerin/Bundestrainerin l i Silvia Neid (2.5.), Musiker<br />
Lenny Kravitz (26.5.), Schwimmer Michael Groß (17.6.), Showmasterin<br />
Linda de Mol (8.7.), Skispringer Jens Weißflog (21.7.), Fußballer/<br />
Nationaltrainer Jürgen Klinsmann (30.7.), Hammondorgel-Virtuosin<br />
Barbara Dennerlein (25.9.), Jazzmusikerin Diana Krall (16.11.), Multitalent<br />
Hape Kerkeling (9.12.), Schauspieler Ben Becker (19.12.). *** Es sterben<br />
1964: der englische Bluesmusiker Cyril Davies (7.1.), der kanadische<br />
Schienenverkehrstechnik-Erfinder und -Unternehmer Joseph-Armand<br />
Bombardier (18.2.), Schriftsteller Brendan Behan aus Irland (20.3.), die<br />
Skirennläuferin Barbara „Barbi" Henneberger (12.4.),<br />
der erste indische Premierminister Jawaharlal<br />
Nehru (27.5.), Countrysänger Jim Reeves<br />
(31.7.), Rockabilly-Star Johnny Burnette<br />
(14.8.), Schriftsteller Werner Bergengruen<br />
(4.9.), Komponist Cole Porter (15.10.),<br />
Ex-Außenminister Heinrich von Brentano<br />
(di Tremezzo) (14.11.), Soulsänger Sam<br />
Cooke (11.12.).<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 79<br />
Hape Kerkeling
KNOPF IM OHR<br />
Der Siegeszug<br />
der Stofftiere<br />
von Steiff<br />
Von Jörg Trüdinger<br />
"<br />
Ein Tier von Steiff – für immer dein!" Dem<br />
Erfi nder dieses Werbespruchs gehört auch heute,<br />
Jahrzehnte nach seinem Geniestreich, noch ein<br />
Denkmal gesetzt. Vor allem, weil der Slogan für viele<br />
Generationen deutscher Kinder seine Gültigkeit hatte<br />
und noch immer hat. Nach wie vor bekommen unzählige<br />
Kinder in Deutschland von Oma, Opa, Onkel<br />
oder Tante bereits zur Geburt ein<br />
Steiff-Tier geschenkt, meist einen<br />
der weltbekannten Teddys<br />
oder einen Schlafhasen bzw.<br />
eine Schlafkatze. Viele dieser<br />
Tiere begleiten ihren Besitzer ein<br />
Leben lang, sitzen noch bei erwachsenen Männern und<br />
Frauen auf dem Kopfkissen oder werden später an die<br />
eigenen Kinder weitervererbt. Wie konnte es eine kleine<br />
Firma aus dem schwäbischen Giengen an der Brenz<br />
aber so weit bringen, dass ihre Produkte weltweit angesehen<br />
sind und massenhaft gekauft werden, ja für viele<br />
Menschen geradezu der Inbegriff des Stofftieres sind?<br />
Breuni<br />
– bis heute<br />
Maskottchen<br />
der Firma<br />
Breuninger<br />
Steiff-Teddy aus den<br />
50er Jahren<br />
Crabby groß<br />
und klein<br />
Margarete Steiff, 1847 in politisch und wirtschaftlich<br />
schwierigen Zeiten geboren, die seit ihrer Kinderlähmung<br />
in frühester Kindheit zeitlebens an ihren Rollstuhl<br />
gefesselt war, kann als wirklich außergewöhnliche Frau bezeichnet<br />
werden. Zu einer Zeit, als es nicht gerade üblich war, dass eine Frau<br />
zur Unternehmerin wurde, gründete sie trotz ihrer Behinderung voller<br />
Selbstbewusstsein im Jahre 1880 die Margarete Steiff GmbH. Im Jahr<br />
zuvor hatte sie in der Zeitschrift „Modewelt" e ein Schnittmuster für<br />
einen Stoffelefanten gesehen, woraufhin sie den Elefanten<br />
zum Spaß eigenhändig anfertigte, aber nicht aus<br />
Stoff, sondern aus Filz. Der Elefant kam gut<br />
an und<br />
war schon bald ihr erster Verkaufsschlager. er. Recht<br />
schnell weitete sie dann ihre Produktion aus<br />
und<br />
stellte Mitarbeiterinnen ein. 1892 wurde der erste<br />
Verkaufsslogan kreiert, ein Spruch, der ebenfalls<br />
enfa<br />
bis heute Gültigkeit besitzt: „Für Kinder ist nur<br />
das Beste gut genug." Zu diesem Zeitpunkt hatte<br />
man die Produktion schon so stark erweitert, ert,<br />
dass<br />
man als Rohmaterialien unter anderem Filz, Plüsch,<br />
Felle, Holz und Metall verwendete. Wiederum keine<br />
e<br />
zehn Jahre später – um die Jahrhundertwende end<br />
– war<br />
die Margarete Steiff GmbH bereits international tio<br />
nal tätig, ti<br />
und 1902 gelang ihr mit einem von Richard Steiff, f, dem<br />
Neffen der Firmengründerin, designten n Bären<br />
der große Durchbruch. Der nach dem<br />
amerikanischen<br />
Präsidenten Theodore Roosevelt benann-<br />
n-<br />
te Teddybär in gegliederter Form mit beweglichen Armen, Beinen und<br />
Kopf ist der Urahn aller bis heute hergestellten Teddys.<br />
Um sich von der schnell zunehmenden Konkurrenz abzuheben,<br />
suchte man fieberhaft nach einem unverwechselbaren<br />
Markenzeichen. Das fand man im Jahr 1904. Seit damals haben nahezu<br />
alle Steiff-Tiere einen Knopf im Ohr, und zwar im linken. Bei Tieren<br />
ohne Ohren wird der Knopf an irgendeiner anderen Stelle befestigt,<br />
so dass man daran immer das echte Steiff-Tier erkennt. In den<br />
folgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Unternehmen<br />
dann<br />
zum<br />
weltweit wichtigsten und vor allem bekanntesten<br />
en<br />
Hersteller von Stofftieren. Der Zweite Weltkrieg<br />
bedeutete allerdings für Steiff, wie für die meisten<br />
anderen deutschen Unternehmen, eine große Zäsur.<br />
Nach<br />
der kriegsbedingten Produktionsunterbrechung<br />
wurden jedoch schon Ende der 40er Jahre wieder<br />
Steiff-Tiere hergestellt. Da man aber nur billigen<br />
Kunstseidenplüsch zur Verfügung hatte und diese<br />
qualitativ minderwertigen Tiere im Ausland kaum zu<br />
verkaufen waren, lief die Produktion recht mühsam<br />
an. In<br />
Deutschland selbst fehlte den Menschen das<br />
Geld für derartige „Luxusprodukte". Erst als ab 1948<br />
wieder er Mohair zur Verfügung stand, gelang es, in<br />
anderen Ländern neuerlich Fuß zu fassen und die<br />
Flaute auf dem heimischen Absatzmarkt allmählich<br />
auszugleichen.<br />
ugl<br />
Seite 80 ■ GoodTimes 2/2014
Mit den 50er Jahren und dem deutschen<br />
Wirtschaftswunder begann dann auch für die<br />
Firma Steiff ein goldenes Zeitalter. Erste große Erfolge<br />
konnte man verbuchen, als es 1951 gelang, die Rechte am<br />
„Hörzu"-Igel Mecki zu bekommen und Steiff direkt von<br />
Walt Disney die Genehmigung erhielt, eine Stoffvariante<br />
des Zeichentrickfilmstars Bambi herzustellen. In den<br />
folgenden Jahren wurde das Programm konsequent<br />
ausgebaut. Ende der 60er Jahre waren bei Steiff bereits<br />
2000 Mitarbeiter beschäftigt, und es gab vermutlich in<br />
bundesrepublikanischen Haushalten kaum ein Kind, das<br />
ohne Steiff-Tier aufwachsen musste. Der Händlerkatalog<br />
des Jahres 1966 war über 60 Seiten stark und umfasste<br />
ein Angebot von mehreren hundert verschiedenen n<br />
Tieren. Neben den vierbeinigen Freunden hatte man<br />
zu dieser Zeit das Angebot an anderen Spielwaren<br />
bereits ebenfalls stark erweitert. Es gab Stoff- und<br />
Kunststoffdrachen, Holzbauspiele, Kinderschubkarren<br />
und Holzroller im Sortiment. Besonders umfangreich<br />
war das Angebot an robusten Spielfahrzeugen, die für<br />
den Einsatz im Sandkasten konzipiert waren und zuerst<br />
aus Hartholz, später auch aus Plastik gefertigt wurden.<br />
Bei Sammlern heute besonders beliebt und gesucht sind<br />
das Modell des Mercedes Unimog und der VW Transporter vom<br />
Typ 1 mit Doppelkabine! Leider haben von diesen Fahrzeugen viele den<br />
Einsatz im Garten nicht überstanden und wurden früher oder später<br />
weggeworfen, so dass es jetzt, 40 Jahre später, sehr schwer<br />
ist, wirklich gut erhaltene Spielfahrzeuge von Steiff<br />
zu bekommen.<br />
Bei Liebhabern ebenfalls heiß<br />
begehrt sind Tiere, welche bereits<br />
vor 40 oder 50 Jahren eher für erwachsene<br />
Sammler gefertigt wurden oder<br />
bei den Kindern nicht auf die von<br />
Steiff erhoffte Nachfrage trafen. Von<br />
diesen Tieren gibt es<br />
eine ganze Menge,<br />
und man staunt, was<br />
damals alles an exotischen<br />
Tieren vertrieben wurde: Bei den<br />
Meerestieren gab es etwa den Hummer<br />
Crabby, eine Forelle und ein Seepferd.<br />
Besonders ausgefallen und fast unmöglich<br />
zu finden ist der Seestern Starly als<br />
Sitzkissentier. Auch die Vogelwelt ist<br />
im Steiff-Programm der 50er und 60er<br />
Jahre stark vertreten: Das reicht von<br />
den üblichen Enten und Gänsen<br />
über einen Pelikan und<br />
Truthähne bis zu einem<br />
Vogel Strauß in beeindruckender<br />
Lebensgröße<br />
von 220 Zentimetern. Für<br />
Dackel Waldili<br />
Kinder, die sich eher der<br />
Urzeit verschrieben hatten,<br />
stellte man den Neandertaler in zwei Größen<br />
her, und exklusiv für Amerika gab es zwei verschiedene<br />
Dinosaurier. Zu Dekorationszwecken<br />
in Spielwarengeschäften wurde ein fast vier<br />
Meter langer Dinosaurier produziert. Für das<br />
deutsche Publikum war dieser, ebenso wie seine<br />
zum Verkauf gedachten kleineren Pendants –<br />
ein Tyrannosaurier, ein Brontosaurier und ein<br />
Stegosaurier –, aber wohl zu modern. Zumindest<br />
wurden sie nur in den USA abgesetzt.<br />
Neandertaler<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 81<br />
Relativ häufig auf Flohmärkten zu finden sind<br />
die drei Zwerge Gucki, Lucki und Pucki, allerdings<br />
sind sie meist nicht gut erhalten. Da gingen in den vergangenen<br />
Jahrzehnten doch viele Hüte und Schuhe verloren. Der Dackel<br />
Waldili in grüner Jägeruniform mit Holzgewehr wiederum war mit<br />
Sicherheit nicht als Spielzeug für Kinder gedacht, da hatte man<br />
vermutlich eher erwachsene Jäger im Blick. Eines der kuriosesten<br />
Tiere, das gleichermaßen von Sportfans, Designfreunden und<br />
Steiff-Tiersammlern gesucht wird, ist der „Olympia Waldi",<br />
das Maskottchen der Olympischen Spiele<br />
von München 1972. Bunter als dieser Hund<br />
in Regenbogenfarben geht es nicht. Otl<br />
Aicher, der Gestaltungsbeauftragte der<br />
Olympischen Spiele in München, zeichnete<br />
für den in bester Pop-Art und<br />
Hippiemanier gestalteten Hund verantwortlich,<br />
bei dem es sich<br />
übrigens um das erste offizielle<br />
Olympia-Maskottchen seit<br />
1896 handelte.<br />
U<br />
nd schließlich gab es da noch<br />
eine unglaubliche Vielzahl an<br />
Tieren, die im Auftrag verschiedenster<br />
Unternehmen hergestellt wurden.<br />
In Stuttgart seit Jahrzehnten bekannt<br />
und beliebt ist der „Breuni-Bär" des Kaufhauses<br />
Breuninger, natürlich gab es den auch von Steiff. Und wer nach<br />
Ulm kam, um das Münster zu besichtigen, kaufte sich vielleicht<br />
eine Miniaturausführung des Ulmer Spatzen, der daran<br />
scheiterte, Nestbaumaterial quer in sein Nest<br />
zu bringen. Weniger bekannt sind dagegen<br />
Tiere wie die Blattlaus Peck, die in kleinster<br />
Stückzahl zu Werbezwecken für<br />
ein Pflanzenschutzmittel hergestellt<br />
und wohl verschenkt wurde. Deutlich<br />
im vierstelligen Eurobereich<br />
liegt hingegen heute der<br />
Sammlerpreis<br />
für den originalen<br />
„Bärenmarke<br />
Bären", der in<br />
Mini-Auflage 1960 zu<br />
Werbezwecken für Deutschlands<br />
beliebteste Dosenmilch angefertigt wurde.<br />
Wer aufmerksam über Flohmärkte<br />
geht oder Zeit hat, um intensiv im<br />
Spinne Spidy<br />
Internet zu stöbern, kann immer wieder schöne<br />
und oft sogar seltene Tiere zu einem güns tigen Preis<br />
erwerben. Man sollte aber genau aufpassen, was man kauft,<br />
denn immer wieder werden bei Tieren der Knopf im Ohr<br />
oder das Brustschild ausgetauscht bzw. nachgemachte<br />
eingesetzt. Für den Sammlerwert eines Steiff-Tieres<br />
ist neben der Seltenheit in erster Linie der Zustand<br />
entscheidend. Ein sehr gut erhaltenes Tier kann<br />
das Mehrfache eines weniger gut erhaltenen wert<br />
sein. Besonderes Augenmerk legen Sammler auf<br />
besagten Knopf im Ohr, auf die mit dem Knopf<br />
befestigte Fahne und das Brustschild. Das<br />
Fehlen eines dieser Merkmale mindert den Wert<br />
des Objekts mindestens um 20 bis 30 Prozent.<br />
Beim Sammeln von Steiff-Tieren gilt eben das<br />
Gleiche wie bei vielen anderen Sammelgebieten:<br />
Wichtig ist es, auf die Qualität der Sammlung<br />
zu achten, nur hochwertige Stücke kann man<br />
wieder zu einem vernünftigen Preis verkaufen.<br />
Hunderte schmuddeliger Steiff-Katzen oder<br />
-Hunde taugen<br />
dagegen meist nur<br />
als Staubfänger und<br />
machen dann recht<br />
schnell keine Freude mehr.<br />
Peck,<br />
die Blattlaus<br />
Bambi
Schnitzler gegen Löwenthal<br />
Der Kalte Krieg<br />
auf der Mattscheibe<br />
Von Oliver Schuh<br />
Für den einen war "<br />
das Leben im Westen schlecht und<br />
die Verhältnisse armselig", während für den anderen die<br />
Friedensbewegung aus "<br />
Moskauer Partisanen" und die sozialdemokratischen<br />
Vertreter der neuen Ostpolitik aus "<br />
kommunistischen<br />
Agenten" bestanden. Weiter auseinander als "<br />
Der<br />
schwarze Kanal" im DDR-Fernsehen und das "<br />
<strong>ZDF</strong>-Magazin"<br />
im westdeutschen Kanal können Politsendungen nicht liegen.<br />
Karl Eduard von Schnitzler – Nachwende-Spitzname „Sudel-Ede" –<br />
verteufelte in seiner Propagandasendung 29 Jahre lang die Zustände<br />
in der Bundesrepublik, indem er angeblich entlarvende Ausschnitte aus<br />
dem Westfernsehen zeigte. Da es noch keine Magnetaufzeichnungen<br />
gab, filmte Schnitzler anfangs die Sendungen direkt vom Bildschirm ab.<br />
Bezeichnend war schon der Vorspann des „Schwarzen Kanals": Der<br />
Bundesadler mit schwarz-weiß-rotem Brustband – Ausdruck der angeblich<br />
nationalkonservativen West-Gesinnung – landet etwas wackelig<br />
auf einem Wald von Fernsehantennen, kann das Gleichgewicht nicht<br />
halten und stürzt jäh ab. Symbolisieren sollte dieser Trickfilm den von<br />
Schnitzler unterstellten Versuch westlicher Medien, Propagandalügen<br />
über den real existierenden Sozialismus zu verbreiten.<br />
Die gezeigten Szenen waren meist von Schnitzler sinnentstellend gekürzt<br />
bzw. speziell angeordnet worden. Zusammengeschnittene Originalzitate<br />
von Lübke, Strauß und Adenauer konnten so ein manipuliertes Bild vom<br />
„Klassenfeind" aufzeigen.<br />
Speziell in den 60er sowie Anfang der 70er Jahre wurde „Der schwarze<br />
Kanal" im Politikunterricht bei der Nationalen Volksarmee sowie den<br />
Grenztruppen verwendet, und auch für den Staatsbürgerkunde-Unterricht<br />
bildete die Sendung eine Grundlage. Als die Entspannungspolitik zwischen<br />
den beiden deutschen Staaten in Gang gekommen war, wurde Schnitzler<br />
angewiesen, keine Attacken mehr gegen bestimmte deutsche West-<br />
Politiker zu reiten. Fortan schwenkte er auf Systemkritik um und prangerte<br />
nun Themen wie Waffengeschäfte<br />
des Westens, Frauendiskriminierung,<br />
Arbeitslosigkeit etc. an.<br />
Dagegen setzte Gerhard Löwenthal in<br />
der BRD die „Hilferufe von drüben".<br />
Sein „<strong>ZDF</strong>-Magazin" sollte nach dem<br />
Verständnis des Moderators auch ein<br />
Forum für DDR-Bürger sein, in dem sie<br />
unter anderem als Opfer der SED-Diktatur ihre Sorgen loswerden konn-<br />
ten. Erstmals am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 1975 ausgestrahlt,<br />
verzeichnete die Rubrik „Hilferufe" einen stetigen Anstieg der<br />
Zahl von Meldungen „von drüben", in denen DDR-Bürger ihren Wunsch<br />
nach Ausreise bekräftigten. Die Aktion wurde insbesondere deshalb kritisiert,<br />
weil Löwenthal komplette Angaben zu Name und Anschrift der<br />
jeweiligen Beschwerdeführer machte.<br />
Gerhard Löwenthal polarisierte im Westen mehr als Karl Eduard von<br />
Schnitzler im Osten. Gerne machte man sich über das grimmige Gesicht<br />
des Ersteren lustig, der laut Tagespresse manchmal dreinblickte, als<br />
hätten die Kommunisten die Sendezentrale besetzt. Über Schnitzler<br />
kursierte der Witz des „Schni": Dieser Namensfetzen entspricht einem<br />
Hundertstels der Zeit, die man brauchte, um zu Beginn von „Der schwarze<br />
Kanal" das TV-Programm zu wechseln.<br />
Löwenthal positionierte das „<strong>ZDF</strong>-Magazin" als rechtskonservativen<br />
Gegenpol zu den linksliberalen Politmagazinen wie „Panorama"<br />
und „Monitor". Hierbei erhielt er ausdrückliche Unterstützung der<br />
Karl Eduard von Schnitzler<br />
Gerhard Löwenthal<br />
Sendeleitung. Sein Credo: „nach schadhaften Stellen in unserer<br />
Demokratie zu fahnden" sowie „unabhängig, entschieden und furchtlos"<br />
Stellung zu beziehen.<br />
Letzteres tat er auch bei Wahlkampfveranstaltungen der CDU und<br />
CSU, was ihm unter anderem viele Unmutsbekundungen im Sender<br />
einbrachte, allerdings eher von der Basis. Die Redakteursversammlung<br />
des <strong>ZDF</strong> forderte 1970 die Umbenennung der Sendung, weil der Titel<br />
dem Zuschauer suggeriere, für die politische Ausrichtung des ganzen<br />
Senders zu stehen.<br />
Auch tendenziell rechtslastige Äußerungen wurden von der Senderspitze<br />
weder moniert noch sanktioniert. Nach der Weigerung Löwenthals, sich<br />
von entsprechenden Kommentaren zu distanzieren, baten immerhin<br />
9 von 13 Redakteuren um ihre Versetzung. Mit Feststellungen wie<br />
„Heinrich Böll ist ein Sympathisant des Linksfaschismus!" hatte sich<br />
der Moderator nicht unbedingt nur<br />
Freunde gemacht.<br />
Der „Schreibtischtäter" (Zitat<br />
Willy Brandt) und „internationale<br />
Störenfried" (Zitat Herbert Wehner)<br />
wurde im Dezember 1987 „unter<br />
dem Druck des Linkskartells in die<br />
Zwangspensionierung<br />
geschickt"<br />
(Zitat Gerhard Löwenthal). Dabei hatte er mit 65 Jahren schlichtweg<br />
die Altersgrenze erreicht. Die Darstellung dieses Umstandes fand in der<br />
DDR natürlich ganz anders statt. Löwenthals Ruhestand wurde vom<br />
Ministerium für Staatssicherheit gefeiert wie ein Sieg.<br />
Aber die Realpolitik holte nicht zuletzt den „schwarzen Kanal" ein. Am<br />
30. Oktober 1989 wurde auch diese Sendung abgesetzt. Unterm Strich<br />
hatte sie immerhin mit 1519 zu 591 Ausgaben gewonnen.<br />
Gerhard Löwenthals Stasi-Akte füllte 25 Aktenordner, von denen 16<br />
noch erhalten sind.<br />
Schnitzlers letzte Worte auf Sendung waren: „Der Klassenkampf geht<br />
weiter, also auch die aktuelle streitbare Polemik. In diesem Sinne werde<br />
ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die<br />
einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus<br />
fortsetzen, als Waffe im Klassenkampf zur Förderung<br />
und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes.<br />
Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und<br />
Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: auf<br />
Wiedersehen."<br />
Seite 82 ■ GoodTimes 2/2014
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GoodTimes 2/2014 ■ Seite 83
<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong><br />
Uwe Hübner<br />
erinnert<br />
sich an die<br />
spannenden<br />
Neunziger<br />
Von Philipp Roser<br />
Journalist,<br />
Sprecher, Redakteur,<br />
Dramaturg und Moderator führt<br />
das mehr oder weniger allwissende<br />
Online-Lexikon Wikipedia als berufliche<br />
Tätigkeiten von Uwe Hübner an. Damit sind<br />
aber längst nicht alle Tätigkeitsfelder des inzwischen<br />
53-Jährigen abgedeckt, der am 10. Januar<br />
1990 als Nachfolger von Viktor Worms erstmals die<br />
<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong>" moderierte – bis zum Dezember<br />
"<br />
2000, ganze elf Jahre lang. Grund genug, anlässlich<br />
der Veröffentlichung der jeweils drei Tonträger<br />
umfassenden CD- und DVD-Boxen 45 Jahre <strong>ZDF</strong><br />
"<br />
<strong>Hitparade</strong>" mit Uwe Hübner zu sprechen.<br />
Herr Hübner, Sie gehen übermorgen aufs Schiff – warum?<br />
Ich begleite eine Howard-Carpendale-Fanreise.<br />
Sie sind multi-aktiv – als Chefredakteur von "<br />
Hit-Paradies", als<br />
Manager von Künstlern und im Rahmen einer Eventagentur. Da<br />
haben Sie gut zu tun?!<br />
Ja (lacht), in der Tat. Das „Hit-Paradies" ist ein Branchenmagazin, für<br />
die Schlagerszene inzwischen das meinungsbildende und trendsetzende<br />
Magazin. Dann gibt es die Beach-<strong>Hitparade</strong>, Deutschlands wohl größter<br />
DJ-Pool. Dazu mache ich das Management interessanter Künstler wie<br />
Michael Fischer, der für mich eine Ausnahmestimme hat. Seit Rosenstolz<br />
ist er für mich die größte Entdeckung. Er macht sehr moderne Schlager.<br />
Wie lief das bei Rosenstolz?<br />
Bei der IFA-Talentshow 1993 habe ich die durchgedrückt, damit sie zum<br />
ersten Mal Fernsehen bekamen. Das <strong>ZDF</strong><br />
wollte nicht, das war denen zu schräg, aber<br />
ich habe das moderiert und gesagt: Wir müssen<br />
auch mal andere Wege gehen, es sollte<br />
durchaus auch mal ein bisschen ungewöhnlich,<br />
schräg und schrill sein. Gerade in Berlin<br />
bei der Internationalen Funk-Ausstellung ...<br />
In diesen Tagen erscheinen die neuen<br />
CD- und DVD-Boxsets "<br />
45 Jahre <strong>ZDF</strong><br />
<strong>Hitparade</strong>" – da kommen bei Ihnen sicher<br />
viele Erinnerungen hoch?<br />
Natürlich. Ich muss sagen, ich war gar nicht so unfroh, als es aufgehört<br />
hat, weil man als Moderator in Deutschland immer in einer Schublade<br />
steckt. Ich habe damals auch schon Sport moderiert oder Talkshows<br />
gemacht, aber das wollte man dem Hübner nicht zubilligen, weil er<br />
immer nur auf der Schlagerschiene war. Deswegen war mein eigener<br />
Abschied nicht so traurig, aber ich habe danach feststellen müssen,<br />
dass für die Schlagerfans ein echtes Loch entstanden ist. Das hatte ich<br />
mir so nicht vorgestellt, dass keine Sendung nachkommt, die den aktuellen<br />
deutschen Musikmarkt so umfassend beleuchtet, wie das in der<br />
<strong>Hitparade</strong> der Fall war. Wenn Sie mich vor vier, fünf Jahren gefragt hätten,<br />
hätte ich gesagt: Eine <strong>Hitparade</strong> hat momentan keinen Sinn – weil<br />
wir noch keine neuen Persönlichkeiten hatten. Da hätten wir dieselben<br />
alten Verdächtigen nehmen müssen wie damals. Doch jetzt kommen<br />
neue Leute nach, wie Helene Fischer, Andreas Gabalier oder Santiano.<br />
Deswegen wäre heute so eine Sendung interessant, aber die Macher<br />
gehen da nicht ran, das ist ihnen zu heikel. Deswegen mache ich eine<br />
DJ-<strong>Hitparade</strong>. Da lassen wir mit den jungen, tanzbaren Themen die gute<br />
alte Zeit wieder aufleben.<br />
Wie sind Sie damals überhaupt zu dem Moderatoren-Job bei<br />
der "<br />
<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong>" gekommen?<br />
Der damalige Unterhaltungschef des <strong>ZDF</strong>, Wolfgang Penk, hat sich bei<br />
RTL umgehört. Dort gab es ein geheimes Moderatorenranking, wer<br />
gerade beim Publikum gut ankommt. Ich<br />
hatte das Glück, zur damaligen Zeit bei RTL<br />
der Hauptpräsentator des Abendprogramms<br />
zu sein und eine ziemlich freche Spielshow<br />
zu moderieren. Penk wollte keinen Schlager-<br />
Fuzzi, keinen Redakteur, keinen, der mit der<br />
Szene verbunden ist, sondern jemand ganz<br />
Frischen, der mit Schlagern nichts zu tun<br />
hatte.<br />
Sie haben sich zum Ende der <strong>Hitparade</strong><br />
kritisch geäußert, auch über das Nicht-<br />
Verhältnis zu Ihrem Vor-Vorgänger Dieter Thomas Heck. Hat sich<br />
das seit 2000 geändert?<br />
Nein. Er weicht mir bei Veranstaltungen aus, hat bei RTL in die Kamera<br />
gesagt: „Hübner – wer ist das?" Ich weiß nicht, was ihn da treibt. Ich<br />
finde es sehr schade, weil ich ihn früher klasse fand. Meine Mutter hat<br />
mir erzählt, dass ich seine Sendung liebend gerne gesehen habe und<br />
dann nach der Sendung mit der Zahnbürste im Kinderzimmer verschwunden<br />
sei und nicht gesungen, sondern moderiert hätte. Da habe<br />
ich zu spüren bekommen, wie das in dem knallharten Geschäft ist, als<br />
Seite 84 ■ GoodTimes 2/2014
Fotos: © Sony Music<br />
Einzelkämpfer, als Moderator. Und ich habe einen, entscheidenden Fehler<br />
gemacht. Er hatte gehofft, dass man ihn zurückholt, wenn Viktor Worms<br />
keinen Erfolg hat, dass er wieder alles pur deutsch und mit Livegesang<br />
macht. Ich habe das gemacht, was er machen wollte – ohne dass ich<br />
das wusste. Ich habe das auch immer im <strong>ZDF</strong> gesagt: Ihr müsst wieder<br />
pur-deutsch werden, ihr müsst live werden, ihr müsst Leistung zeigen,<br />
weil die Menschen draußen eine Sendung erleben wollen, in der man<br />
sieht, wer wirklich singen kann. Erst hat sich das <strong>ZDF</strong> quergestellt, aber<br />
ich habe mich dann doch durchsetzen dürfen. Das hat ja auch alles mehr<br />
Geld gekostet, es musste ein Probentag entwickelt werden. Und das hat<br />
er (Heck) mir wohl übelgenommen, dass ich seine Idee kaputtgemacht<br />
habe. Am Anfang war ich darüber sehr betrübt und habe mich sehr geärgert,<br />
auch weil die „Bild am Sonntag" instrumentalisiert wurde, um mich<br />
zu zerstören. Wenn Sie auf dem Titel der „Bild" sind und eine Seite im<br />
Blatt haben, wo es heißt: „Ekelt der kleine Hübner den großen<br />
Heck raus?", dann können Sie sich vorstellen, dass ich<br />
damals nicht die Verbindungen zur „Bild" hatte, sondern<br />
der große Heck. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen.<br />
Wie war das Verhältnis zu Viktor Worms?<br />
Gut, weil Viktor seine Sendung sehr gelassen losgelassen hat.<br />
Er war ein hervorragender Programmdirektor bei Antenne<br />
Bayern und ein super Moderator. Dass ihm die Sendung<br />
per se nicht so gelegen hat, weil er kein so großer<br />
Schlagerfan ist, hat er selber irgendwann eingestanden.<br />
Ich war auch kein Schlagerfan, als ich da angefangen<br />
habe. Wie gesagt, ich war fachfremd und habe mich da<br />
eingearbeitet – aber ich war sehr interessiert. Ich liebe<br />
Menschen und bin sehr neugierig auf sie. Deswegen war<br />
ich interessiert: Wie ist eine Gitte, wie ist ein Rex Gildo,<br />
wie ist ein Roy Black? Von daher war das eine spannende<br />
Geschichte für mich, bis heute.<br />
Als Sie die Sendung übernahmen, gab es ein paar<br />
Neuerungen: die Show-News, die Ermittlung der<br />
Sieger wieder mit dem TED. Dazu haben Sie auch<br />
die Nummer 1 der damaligen DDR präsentiert. War<br />
das auf Ihrem Mist gewachsen?<br />
Nein, Wolfgang Penk hatte das schon vor. Er wollte das ein bisschen<br />
journalistischer machen, und er wuss te, dass ich Journalist<br />
bin. Er wollte es ein bisschen boulevardesker machen und wusste,<br />
dass ich von RTL komme, da eine leichte Spielform hatte, also<br />
kein öffentlich-rechtlich geprägter Moderator war. Und nach<br />
dem Fall der Mauer war es ganz logisch, dass man das mit<br />
der Nummer 1 der DDR machte. Ich muss auch ganz ehrlich sagen,<br />
die ersten ein, zwei Jahre waren hart, weil ich schnell merkte, dass in<br />
der Sendung etwas nicht stimmte, dass der Livegesang wiederkommen<br />
und auch wieder Leistung gezeigt werden musste. In den ersten<br />
zwei Jahren war nur ein Mensch nervös, und das war der Moderator.<br />
Weil der live moderieren musste. Die anderen kamen ja nur und haben<br />
den Mund auf- und zugemacht – das hat irgendwie nicht gestimmt.<br />
Dann habe ich gesagt: Ich höre da gerne auf nach<br />
zwei Jahren, wenn ihr das nicht umstellt.<br />
Sie haben sich durchgesetzt<br />
...<br />
Das war ganz interessant: Bei<br />
der Sendung habe ich keine<br />
Plattenfirmen-Bosse kennen<br />
gelernt, sondern nur immer<br />
die Promotion-Damen, die in<br />
Berlin dabei waren. Dann gab<br />
es plötzlich eine Krisensitzung<br />
beim <strong>ZDF</strong>, und da waren sie alle da,<br />
die führenden Köpfe der Industrie. Die<br />
Aktuell im Handel<br />
wollten alle das kleine Rumpelstilzchen Hübner kennenlernen, der die<br />
ultimative Forderung stellte, dass in der <strong>Hitparade</strong> wieder live gesungen<br />
werden müsse. Da stand ich wie vor einem Tribunal, bin dann rausgegangen<br />
und habe gedacht: Jetzt hast du dich selbst abgeschossen.<br />
Nach einer dreistündigen Sitzung kamen sie dann<br />
und sagten: Hübner, du hast gewonnen, wir machen das,<br />
du kriegst deinen Tag mehr – wir ziehen das jetzt durch.<br />
Und wie lief es dann mit dem Livesingen?<br />
Die Zuschauer haben es geliebt! Ich wollte Leute wie<br />
Pe Werner, die Prinzen oder Pur fördern, dass die nach<br />
vorne kommen – und die konnten ja was! Es waren<br />
Versprecher drin, all diese charmanten Kleinigkeiten,<br />
diese menschlichen Schwächen kamen durch den<br />
Livegesang wieder in die Sendung. Juliane Werding<br />
hat sich knallhart versungen, die Künstler hatten<br />
wieder richtig Lampenfieber. Da hat eine Jule Neigel<br />
Resonanzübungen mit einem Papierkorb gemacht,<br />
eine Andrea Jürgens hatte Ohnmachtsanfälle. Vicky<br />
Leandros hat damals den Titelsong von „Titanic" live<br />
auf Deutsch gesungen. Sie gab mir hinter den Kulissen<br />
zitternd die Hand – ich habe noch nie eine so kalte<br />
Hand gehalten, so aufgeregt war dieser Weltstar –,<br />
nur weil wir live gesungen haben! Wie haben die sich<br />
angestrengt!<br />
Sie hatten auch Dieter Bohlen in der ersten Sendung<br />
...<br />
Genau. Und Dieter war gar nicht begeistert, als wir<br />
das umstellten, hatte Angst um seine damals wichtigste<br />
Plattform. Er musste ja auch live singen und sich auch mal<br />
anstrengen (lacht).<br />
(Richard The Lionheart)<br />
Alle 13 deutschen Folgen<br />
des UK-Serienklassikers von 1962<br />
Extras:<br />
· Booklet inkl. Folgenguide<br />
· deutsche Vor- und Abspänne<br />
· englische Sprachfassung<br />
· digital restauriert<br />
Jetzt auf DVD GoodTimes — auch im 2/2014 Buchhandel ■ Seite 85 erhältlich
Als die Alm ein<br />
Sündenpfuhl war<br />
Wir schreiben das Jahr 1968: Der Förster<br />
im Silberwald aus der Heimatfilm-Ära der<br />
50er Jahre hat sein Pulver längst verschossen.<br />
Erneut droht die heimische Idylle in den<br />
Bergen aus dem Gleichgewicht zu geraten.<br />
Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd? Von wegen!<br />
In den 70er Jahren entstanden Heimatfilme",<br />
"<br />
in denen sich die Balken nicht unbedingt vor<br />
lauter Lügen bogen.<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
A<br />
ls ein Wegbereiter des Softsexfilms, der das sündige<br />
Treiben auf der Alm zum Inhalt hatte, kann Produzent<br />
Hans Billian bezeichnet<br />
werden, der 1968 in „Pudelnackt<br />
in Oberbayern" unter der<br />
Mitwirkung von Beppo Brem<br />
(„Der Komödienstadl") und Hans<br />
von Borsody („Privatdetektiv<br />
Cliff Dexter") auf der Leinwand<br />
als erster die Themen Sex und<br />
Heimat miteinander kombinierte.<br />
Schon dieses mit Ausnahme<br />
einer gemischten Saunaszene<br />
relativ „zugeknöpfte" Debüt über<br />
eine Kellnerin, die mit gewissen<br />
Reizen zur Umsatzsteigerung<br />
der Dorfschänke beiträgt, rief<br />
die katholische Kirche auf den<br />
Plan. Von nun an bliesen die<br />
Glaubenshüter mit immer wiederkehrenden er<br />
en<br />
den<br />
Begründungen ng<br />
en des<br />
Katholischen Filmdienstes (zum Beispiel „primitive, unverdauliche<br />
Mischung aus Heimat- und Sexfilmelementen") zur regelmäßigen<br />
Attacke auf sämtliche Machwerke dieser Art. Dass sich 1970 mehr<br />
als die Hälfte der deutschen Filmproduktionen um das Thema Sex<br />
drehte, meistens noch unter dem Deckmantel der Dokumentation à<br />
la „Schulmädchenreport", konnten die Sittenwächter jedoch nicht<br />
verhindern.<br />
In den nächsten Jahren stieg der Anteil der Sexklamotten im<br />
Verhältnis zu den Pseudoreportagen weiter an. Wem sei es ange-<br />
sichts der frischen Luft und des saftigen Grüns in tausenden Metern<br />
Höhe zu verdenken, dass ihn da nicht nur der Hafer stach? Aus der<br />
Anfangszeit sind „Die liebestollen Baronessen" und ihr Hantieren<br />
mit einem Keuschheitsgürtel nicht nur wegen der Mitwirkung von<br />
Solvi Stübing, Barbara Capell und Andrea Rau, sondern auch aufgrund<br />
des Leinwanddebüts von Ingrid Steeger erwähnenswert. Ein<br />
weiterer Vorkämpfer in Sachen Alpensex ist mit Alois Brummer zu<br />
nennen. Nicht nur, dass er 1969 im Meisterwerk „Graf Porno und<br />
die liebesdurstigen Töchter" selbst eine Rolle übernommen hatte,<br />
für über weitere zehn Jahre<br />
betätigte er sich bis kurz vor<br />
seinem Tod 1984 als Produzent,<br />
Autor und Regisseur. 1975 ließ<br />
er beispielsweise die von einer<br />
gewissen Almschönheit namens<br />
Heidi in der Großstadt erworbenen<br />
Kompetenzen nach ihrer<br />
Rückkehr in die Heimat mit<br />
den schneidigen Dorfburschen<br />
weiter fördern („Unterm Dirndl<br />
wird gejodelt"). Dass das<br />
Mädel im Biologieunterricht<br />
besonders gut aufgepasst hat,<br />
braucht nicht weiter erwähnt<br />
zu werden. Die Videoversion<br />
von Brummers „Alpenröschen<br />
im<br />
Dirndlhöschen" – im Kino<br />
ohne<br />
Probleme gelaufen en – landete auf dem Index. Dass die<br />
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Mitte der 80er<br />
Jahre (!) so entschied, dürfte am Drehbuch gelegen haben, anhand<br />
Seite 86 ■ GoodTimes 2/2014<br />
201
dessen eine Minderjährige im Beichtstuhl<br />
ihre amourösen Erlebnisse schildert<br />
(ursprünglicher Titel des Films: „Beichte<br />
einer Liebestollen") und von ihrem Stiefvater<br />
zum Sex gedrängt wird. Ebenso wurden die<br />
„Urlaubsgrüße aus dem Unterhöschen" von<br />
„Schulmädchenreport"-Macher Walter Boos<br />
in die Verbannung geschickt. Vermutlich<br />
wurde darin der Tourismus auf ebenso<br />
heftige wie fragwürdige Weise angekurbelt.<br />
Dasselbe Los zog Brummers „Gefährlicher<br />
Sex frühreifer Mädchen", als dieser unter<br />
dem VHS-Titel „Gipfelglück im Dirndlrock"<br />
zu erneuten<br />
Höhepunkten n<br />
führen sollte.<br />
Offensichtlich h<br />
waren die nymphomanischen Internatsschülerinnen<br />
zu wahllos in ihren<br />
a n r ü c h i g e n<br />
Handlungen und<br />
der Hausmeister<br />
zu stark an<br />
einer<br />
Tätigkeit<br />
interessiert,<br />
für<br />
die es zahlreiche<br />
Synonyme<br />
aus dem handwerklichen<br />
en Bereich ei<br />
gibt. Nicht einmal einer<br />
der ersten Auftritte von Rinaldo Talamonti<br />
konnte den Film vor dem Verbot bewahren,<br />
obwohl der italienische „Stecher der Nation"<br />
und ehemalige „Graf Porno" sich anschickte,<br />
nicht nur im Ruhrpott, sondern auch in den<br />
Bergen viel für die Völkerverständigung zu<br />
tun. War das etwa die Anerkennung für seine<br />
tatkräftige Unterstützung der bayerischen<br />
Gemeinde Vögelbrunn 1974 in<br />
„Alpenglüh’n im Dirndlrock", dank der<br />
in dem Dorf die noch fehlenden sieben<br />
Einwohner geboren werden konnten,<br />
die zur Erlangung des Status’ der<br />
Marktgemeinde nötig waren?<br />
Neben Talamonti und der ebenso in<br />
„Alpenglüh’n im Dirndlrock" aktiven<br />
Elisabeth Volkmann („Klimbim")<br />
ist Volksschauspieler Peter Steiner<br />
(„Theaterstadl") wahrscheinlich am<br />
bekanntesten für<br />
deutschen Softsex.<br />
Auch wenn er sich<br />
später von Filmen<br />
solcher Machart distanzierte, haben sie seiner<br />
Karriere gerade im Hinblick auf komödiantische<br />
Rollen nicht geschadet, lautete seine<br />
Aufgabe in den Lederhosenfilmen doch<br />
eher, er<br />
für Lacher zu sorgen statt jeder schönen Maid schnellstmöglich<br />
an die Wäsche zu gehen. Untrennbar verknüpft ist sein Name<br />
mit der neben „Lass jucken Kumpel" erfolgreichsten deutschen<br />
Filmreihe zum Thema: „Liebesgrüße aus der Lederhose".<br />
Diese Errungenschaft bedingt die Kuriosität, dass „Lass<br />
jucken Kumpel 4 – Zwei Kumpel auf der Alm" gleichzei-<br />
tig der zweite Teil der „Liebesgrüße aus der Lederhose"<br />
ist, zumal für beide Serien Regisseur Franz Marischka<br />
verantwortlich zeichnete. Auch diesmal naht über dem<br />
Brenner potente Hilfe in<br />
Person unseres bekannten<br />
feurigen Italieners, als der<br />
Kurschatten in „Liebesgrüße<br />
aus der Lederhose" wegen<br />
starker Abnutzung die<br />
Flinte ins Korn zu werfen<br />
droht.<br />
Sicherlich muss zugegeben<br />
werden, dass<br />
den Bayern-Filmen im Gegensatz<br />
zu den inhaltlich ähnlich gestrickten<br />
Ruhrpottwerken<br />
jegliche Sozialkritik am<br />
problembehafteten Alltagsleben en<br />
eines es<br />
Bergmannes<br />
ne<br />
abging. Die Alpen bildeten ausschließlich das<br />
Panorama für die liebestollen Handlungen, in denen<br />
das Fensterln – mit oft peinlichen Ergebnissen –<br />
zum Pflichtprogramm wurde. Dennoch sei zuguterletzt<br />
auf den bunten Themenreigen weiterer Streifen<br />
mit Jodelunterton verwiesen: Après-Ski-Pionierarbeit<br />
(„Beim Jodeln juckt die Lederhose", mit Liedermacher<br />
Konstantin Wecker in der Rolle des Sepp), eine Suche<br />
nach einem napoleonischen Schatz („Hey Marie, ich<br />
brauch mehr Schlaf …") und durch ein Volksfest verursachte<br />
Polygamie („Oktoberfest – Da kann man fest<br />
…"; Germanisten müssen in Gedanken ein Verb nach<br />
Wahl hinzudenken).<br />
Als der Höhepunkt des bumsfidelen Treibens<br />
bereits überschritten war, mussten für den zotigen<br />
Ringelpiez mit Anfassen neue Gebiete außerhalb<br />
Bayerns erkundet werden. Dies geschah entweder<br />
durch Export von Lederhosenträgern in exotische und<br />
thematisch dennoch<br />
bereits erschlossene<br />
Gefilde wie Thailand<br />
(„Was treibt die Maus<br />
im Badehaus?") oder<br />
durch Import rassiger<br />
Skandinavierinnen<br />
(„Drei Schwedinnen<br />
in Oberbayern",<br />
„Zwei Däninnen in Lederhosen")<br />
in die Alpenregion. Die Spitze des<br />
Eisbergs mit seltsam getriebenen<br />
Blüten bildeten die Filme „Ach<br />
jodel mir noch einen" und „Graf<br />
Dracula beißt jetzt in Oberbayern".<br />
Während in letzterem<br />
der Fürst der<br />
Finsternis – ganz im<br />
Zeichen der Zeit –<br />
von Discomusik (!)<br />
aus dem Tiefschlaf f<br />
erweckt wird,<br />
machen in ersterem<br />
außerirdische<br />
Damen vom<br />
Stoßtrupp Venus<br />
Jagd auf männlichen<br />
Samen. Rette<br />
sich, wer kann …<br />
GoodTimes 2/2014 2014 ■ Seite 87
Josef Göhlen<br />
„Biene Maja”,<br />
„Captain Future”,<br />
„Timm Thaler” & Co.<br />
Wie sind Sie auf die "<br />
Simpsons" aufmerksam<br />
geworden, die Sie dann nach<br />
Deutschland geholt haben?<br />
Die Serie fand ich bei der Vorstellung<br />
neues ter TV-Produktionen („L.A.<br />
Screenings") in Los Angeles. Die Reaktion<br />
meines Programmdirektors nach fünf<br />
Minuten lautete: „So ein Sch...!", wohl<br />
wegen des gewöhnungsbedürftigen<br />
Designs. Ich überzeugte ihn jedoch<br />
davon, RTL – wo man das <strong>ZDF</strong> als<br />
„Rheumadecke der Nation" verspottete – etwas entgegenzusetzen.<br />
Das Konzept, die „Simpsons" einmal wöchentlich um 18 und<br />
22 Uhr zu zeigen, ging allerdings nicht auf: Am Vorabend, dem<br />
Werberahmenprogramm von ARD und <strong>ZDF</strong>, erreichten wir rund<br />
900.000 Kinder; die Werbefritzen wollten aber Erwachsene als<br />
Zielgruppe. Daher wurden keine weiteren Staffeln eingekauft.<br />
Es gab noch andere Kritik ...<br />
Puppen und Zeichentrick standen für Kinderfernsehen, Cartoons für<br />
Erwachsene waren erst im Kommen. Mit der „Muppet Show", „Alf"<br />
und den „Simpsons" habe ich versucht, diese Programmfarbe auch im<br />
deutschen Fernsehen zu etablieren. Ich war meiner Zeit wohl zu weit<br />
voraus: Die „Simpsons" wurden erst später Kult – zu Recht!<br />
Für viele war die "<br />
Biene Maja" eine der ersten TV-Erfahrungen überhaupt.<br />
Wie kam diese Zeichentrickserie zustande?<br />
Ich kannte Waldemar Bonsels' „Die Biene Maja und ihre Abenteuer"<br />
aus meiner eigenen Kindheit. Kinderprogramm war für mich immer<br />
Josef Göhlen leitete in den 70er bis 90er<br />
Jahren zunächst das <strong>ZDF</strong>-Kinder- und<br />
Jugend-, später das Vorabendprogramm<br />
und brachte viele bekannte Serien ins<br />
deutsche Fernsehen. Wir sprachen mit ihm<br />
über die damaligen Zeiten und den aktuellen<br />
Retro-Trend.<br />
Josef Göhlen mit "<br />
Alf"<br />
Familienprogramm, und die besten<br />
Kinderbücher sind meiner Meinung<br />
nach die, die auch Erwachsene lieben,<br />
etwa „Robinson Crusoe" oder heutzutage<br />
„Harry Potter". Nach dieser Devise<br />
bin ich immer vorgegangen und habe<br />
so zum Beispiel „Wickie" entdeckt –<br />
noch bevor das Buch den Deutschen<br />
Jugendbuchpreis gewann.<br />
© Archiv Peter Engelmeier<br />
Die "<br />
Biene Maja" war eine der<br />
wenigen nicht-männlichen Serienhelden.<br />
Gab's viel Lob von Feministinnen?<br />
Damals wurde behauptet, Maja<br />
habe keine Botschaft zu verkünden<br />
– allenfalls eine Flucht<br />
in die Idylle. Die Kritiker begriffen<br />
nicht, dass Maja im Grunde<br />
eine emanzipatorische Figur ist.<br />
Wir haben ihr mit dem trotteligen<br />
Willi einen dramaturgischen<br />
Partner beigesellt, der nicht<br />
aus der Buchvorlage stammt.<br />
Eberhard Storeck, einer der<br />
Kreativsten, mit denen ich je<br />
zusammenarbeiten durfte, hat ihm mit Text und Synchronstimme den<br />
unvergesslichen Charakter verpasst.<br />
Seite 88 ■ GoodTimes 2/2014
© <strong>ZDF</strong>/Apollo Film<br />
dass die Serie an den Zeitgeist angepasst<br />
werden müsse. Die Geschichte<br />
muss stimmen – und stimmt heute<br />
immer noch! Meiner Ansicht nach<br />
geht es eher darum, neu zu verkaufende<br />
Verwertungsrechte zu schaffen.<br />
Die „Cover-Version" ist zwar<br />
um Übernahme des alten Charmes<br />
2013 kehrte die<br />
Maja" als moderne<br />
" Biene<br />
Zeichentrickserie<br />
in 3D-Optik<br />
ins Fernsehen zurück.<br />
Was halten Sie davon?<br />
Die für die Neufassung<br />
angeführten Argumente<br />
verstehe ich nicht. Es ist<br />
doch totaler Blödsinn,<br />
Bill Bo" –<br />
Augsburger<br />
"<br />
Puppenkiste<br />
" Oliver<br />
Maass"<br />
© Pressefotos<br />
Biene Maja und Willi, der in der<br />
Buchvorlage nicht vorkommt<br />
" Anna"<br />
Wespentaille:<br />
die Biene<br />
Maja in der<br />
3D-Neufassung<br />
der<br />
TV-Serie<br />
bemüht; durch das knallfarbige und plastilinhaft wirkende<br />
Design, die technikbestimmten Bewegungen und die oftmals<br />
hektisch-kühle Textsynchronisation wird ihr das aber schwerfallen.<br />
Doch das müssen die jungen, mit „Maja" neu konfrontierten<br />
Zuschauergenerationen entscheiden.<br />
Viel Kritik mussten Sie auch bei Heidi" wegen des japanischen"<br />
Aussehens der Hauptfigur einstecken. "<br />
Wie kam es dazu? "<br />
Die Japaner drängten damals auf den europäischen Markt<br />
und suchten verwertbare Stoffe. Sie hatten durch ihre Mangas<br />
und Animes langjährige Erfahrung im Zeichentrickbereich<br />
und boten die Möglichkeit, viel Material in kurzer Zeit zu<br />
produzieren – deutlich günstiger als europäische Studios. Mit<br />
wenigen Ausnahmen stellten diese Serien aber echte Co-Produktionen<br />
dar: Die Japaner waren nicht lediglich<br />
Dienstleister, sondern Partner, mit<br />
denen wir gemeinsam Ideen wirklichten. Dabei mischten wir<br />
ver-<br />
japanischen mit europäischem<br />
Stil.<br />
Und wie war das mit Captain ture"? Fast alle Folgen "<br />
Fuwurden<br />
nur<br />
geschnitten gezeigt, einige liefen<br />
überhaupt nicht im <strong>ZDF</strong> ...<br />
Ich war überzeugt, dass<br />
Science-Fiction und diese<br />
Art der Erzählung<br />
bei Kindern gut ankommen<br />
würde. „Captain Future" ist<br />
dann ja richtig Kult geworden,<br />
mit Tauschbildern, Comic-<br />
Heften usw. Dramaturgisch<br />
nicht notwendige<br />
Gewaltszenen haben wir<br />
geschnitten. Dennoch schien die<br />
Serie insgesamt vielen Erziehern<br />
und Eltern zu viel Gewalt zu<br />
enthalten. Es gab ein starkes<br />
negatives Medienecho. Auch<br />
der <strong>ZDF</strong>-Fernsehrat, der erst<br />
nach 26 Folgen aufmerksam<br />
wurde, sprach ein negatives<br />
Urteil …<br />
Eine der Figuren der Augsburger<br />
Puppenkiste", Bill "<br />
Bo, war<br />
Hauptperson in zwei Büchern,<br />
die Sie damals schrieben. Gab<br />
es ihn eigentlich schon vorher?<br />
Die „Puppenkiste" brauchte<br />
Stoffe, in denen Menschen und<br />
Tiere eine Rolle spielten. Eines<br />
Tages fanden wir in der Literatur<br />
" Timm<br />
Thaler"<br />
© <strong>ZDF</strong>/Studio 100 Media<br />
kein entsprechendes Material mehr. Und ich<br />
wollte schon immer eine Erzählung für<br />
Kinder schreiben, bekam dazu die Erlaubnis<br />
des Senders und machte mich ans Werk.<br />
Einfälle für Charaktere und Handlung<br />
kamen mir an einem Abend in einer<br />
Hotelbar, nachdem ich zum wiederholten<br />
Male in Grimmelshausens „Simplicissimus"<br />
hineingelesen hatte.<br />
Vorläufer der heutigen TV-Events waren die Weihnachtsserien,<br />
die Sie im <strong>ZDF</strong> einführten, etwa Timm Thaler", Anna" oder<br />
Oliver Maass" ...<br />
" "<br />
"<br />
Zwischen den Jahren fiel feiertagsbedingt oft die Werbung aus, so dass wir<br />
ein alternatives Programm anbieten konnten; außerdem waren die Kinder<br />
in den Schulferien zu Hause. Ich habe daher überlegt, welche Art täglicher<br />
Serie man für sie machen könnte. „Timm Thaler" zog sich mit 13 Mal<br />
25 Minuten aber doch<br />
zu lange hin; spätere<br />
Weihnachtsserien<br />
hatten weniger, dafür<br />
längere Folgen. Ich<br />
versuchte immer wieder,<br />
Lücken für Neues<br />
zu finden und ein<br />
Programm zu machen,<br />
das auffällt. Auch das<br />
<strong>ZDF</strong>-Ferienprogramm<br />
war eine Erfindung<br />
Josef Göhlen zur Show von mir. Dessen<br />
1, 2 oder 3"<br />
" Moderatoren Anke<br />
Engelke und Benny<br />
Schnier sind noch immer bekannte Namen. Heute dürfte so etwas angesichts<br />
der Konkurrenz allerdings deutlich schwerer sein – die meisten<br />
Zuschauer konnten<br />
damals ja nur drei Sender empfangen.<br />
Ist die Retro-Welle im Fernsehen nur eine vorübergehende Modeer-<br />
scheinung, oder besinnt man sich tatsächlich auf alte Werte?<br />
Es<br />
geht den Verantwortlichen heutzutage darum, das<br />
Misserfolgsrisiko zu minimieren. Bei neuem Material fragt man<br />
erst, ob es in einem anderen Medium schon Erfolg gehabt hat<br />
– sonst wird es gar nicht erst ausprobiert. Der Retro-Trend ist<br />
aufgekommen, weil er Sicherheit bietet: Offenbar fehlt der<br />
Mut für neue Ideen, weil man zunächst nur Gefahren<br />
des Scheiterns sieht. Dazukommt, dass man meint, das<br />
Programm handwerklich und dramaturgisch einem nicht<br />
näher<br />
definierten Zeitgeist anpassen zu müssen. Früher<br />
hatte<br />
es noch einen Hauch von Poesie und Originalität<br />
und zugleich eine Botschaft. Mir scheint, das Programm<br />
wird in erster Linie nur noch als Lizenzträger und für<br />
Merchandising-Produkte gebraucht, also nicht für die<br />
Zuschauer gemacht, sondern fürs Geschäft. Ich denke,<br />
so deutlich muss man das sagen dürfen.<br />
Wenn Sie jetzt t noch das Sagen hätten, was würden Sie ändern im Fernsehen?<br />
Mehr Innovationen wagen! Gutes Programm muss ankommen und<br />
zugleich anecken. Bei Erstsendungen fragte ich immer: „Wie war die<br />
Kritik? Schlecht? Toll!" Ich würde heute wie damals wertvolle Geschichten<br />
suchen, mit nachempfindbaren Charakteren, die dem<br />
Zuschauer existenzielle Fragen und Antworten<br />
ermöglichen – und erst danach dramaturgische<br />
Mittel wie schnelle oder langsame Schnitte te legen. Ich würde mit gewisser literarischer Qualität<br />
über-<br />
erzählen und nicht zuvorderst auf Möglichkeiten der<br />
Weitervermarktung schielen. Da bin ich konservativ:<br />
Das Publikum zählt, nicht der Kommerz.<br />
Dr. Jörn Krieger & Jörg Weese<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 89<br />
Das komplette Interview mit Josef Göhlen finden<br />
Sie unter www.goodtimesmagazin.de<br />
© Archiv Peter Engelmeier<br />
Wickie": erst Buch, dann<br />
"<br />
TV-Serie, dann Kinofilm<br />
© <strong>ZDF</strong>/2004 Junior.TV GmbH & Co. KG
© Joh. Heider Verlag<br />
Wer mich besucht, dem dürfte schon im<br />
Flur ein farbiger Druck auffallen, der einen<br />
Indianer zeigt. Die wirklich blendend aussehende<br />
Rothaut, die auch einem Winnetou<br />
alle Ehre machen würde, hält in der einen<br />
Hand den Zügel seines Pferdes, in der anderen<br />
eine Winchester. Der ernste, wohl auch<br />
sorgenvolle Blick des Mannes geht vorbei am<br />
Betrachter und verliert sich irgendwo in der<br />
Ferne. Den Grund für seine Sorgen sieht man im<br />
Hintergrund des Bildes. Dort kämpft sich eine lange<br />
Karawane von Männern, Frauen und Kindern mühsam<br />
den Hang eines hohen, mit Schnee bedeckten Berges hinauf:<br />
Das Volk dieses Mannes ist auf der Flucht ...<br />
Erst kurz vor seinem Tod<br />
erhält Dill endlich die längst<br />
verdiente Auszeichnung:<br />
Für sein Lebenswerk als<br />
Filmplakatmaler wird ihm<br />
1997 das "<br />
Filmband in<br />
Gold" verliehen.<br />
Dieses eindrucksvolle Bild wie auch viele andere aus dem Repertoire<br />
des Künstlers haben meine Kindheit geprägt wie nur wenig<br />
anderes aus der Populär<strong>kult</strong>ur. Klaus Dill heißt der Mann, aus<br />
dessen Feder dieses kleine Kunstwerk von plastischer Schönheit stammt.<br />
Ein Kunstwerk, das zumindest in seiner Entstehungszeit – irgendwann<br />
in den späten<br />
60er Jahren – aber<br />
nie als solches begriffen<br />
wurde. Denn Dill<br />
zeichnet dieses Motiv<br />
und viele, viele andere<br />
damals nicht als für<br />
sich selbst stehendes<br />
Gemälde, sondern als<br />
Cover für die populäre<br />
Comic-Serie „Bessy"<br />
sy"<br />
aus dem Bastei-Verlag.<br />
Es<br />
sind diese Coverbilder, die<br />
den<br />
Leser er geradezu ez sogartig ins Heft<br />
und damit in die Abenteuer des jungen Ranchersohns Andy Cayoon<br />
und seiner Collie-Hündin Bessy hineinziehen. Und es dürfte kaum<br />
eine Übertreibung sein, wenn man behauptet, dass der unerhörte<br />
Erfolg von „Bessy" – zwischen 1965 und 1985 bringt es die<br />
Reihe auf 992 Hefte – ohne Dill, der mehr als<br />
600 Cover beisteuert, kaum möglich gewesen<br />
wäre.<br />
Der Mann,<br />
der die<br />
legendären<br />
" Bessy "-<br />
Titelbilder<br />
schuf<br />
Von Andreas Kötter<br />
Denn die hohe Qualität und die<br />
damit verbundene Attraktivität<br />
der Cover-Motive spiegeln sich<br />
in den Zeichnungen im Heft<br />
selbst nur in den ersten Jahren<br />
wider, als noch der große Ligneclaire-Künstler<br />
Willy Vandersteen<br />
höchstpersönlich oder einer seiner<br />
besten Angestellten, Karel<br />
Verschuere, für „Bessy" buchstäblich<br />
verantwortlich zeichnen. Später<br />
dagegen, in Folge eines gesteigerten<br />
Erscheinungsrhythmus, können „Bessy"-<br />
Hefte kaum noch das halten, was Dills Cover<br />
noch lange versprechen werden. Das ist mir Anfang der<br />
70er Jahre aber natürlich noch nicht bewusst. Im Gegenteil: Jedesmal<br />
aufs Neue bedeutet der Gang zum Kiosk ein Highlight meiner Woche.<br />
Jedesmal betrachte ich schon durch die Scheibe staunend das Titelbild,<br />
das wieder Abenteuer und Dramatik pur verspricht. Ich wage gar<br />
zu behaupten, dass neben der eigentlichen Hauptfigur der „Bessy"-<br />
Abenteuer, Andy Cayoon, der Indianer auf besagtem Farbdruck in meinem<br />
Flur, Andys Blutsbruder Schneller Hirsch, mehr zu meiner Sozialisation<br />
beigetragen hat als so manche Schulweisheit. Denn dieser Indianer<br />
scheint die Würde eines rechtschaffenen Mannes zu besitzen, der sich<br />
allen Schurkereien und Gemeinheiten zum Trotz nie dazu verleiten lässt,<br />
die eigenen hohen Maximen zu verraten. Ein Mann wie Winnetou eben.<br />
Eine Assoziation, die schon deshalb passt, weil das Studio Vandersteen<br />
damals auch den Geschichten von Karl May eine Albumserie widmet. Als<br />
die Erscheinungsweise von „Bessy" bei Bastei von monatlich über 14-tägig<br />
Dynamik pur: Dills "<br />
Bessy"-Titelbilder machen süchtig!<br />
© Joh. Heider Verlag<br />
© Joh. Heider Verlag<br />
Seite 90 ■ GoodTimes 2/2014
schließlich auf wöchentlich umgestellt e lt wird und das Material auszugehen<br />
droht, entscheidet sich Vandersteen kurzerhand dafür, einige der Karl-May-<br />
Geschichten buchstäblich in „Bessy"-Abenteuer umzumontieren. So wird<br />
aus Old Shatterhand dank eines anderen Kopfes Andy, und Bessy, in den<br />
Karl-May-Folgen logischerweise nicht vorhanden, wird irgendwo ins Bild<br />
platziert, ohne dass die Hündin dramaturgisch eine Rolle spielen würde.<br />
Für Dill macht das aber keinen Unterschied. Denn der Arbeitsprozess bleibt<br />
stets der gleiche. Er erhält einen kurzen Abriss der Handlung und fertigt<br />
daraufhin zunächst eine Skizze an, die er dem jeweiligen Bastei-Redakteur<br />
zuschickt. Der gibt dann sein Okay bzw.<br />
nennt seine Änderungswünsche für das<br />
fertige Bild. So geht das über viele Jahre,<br />
in der die Qualität der Geschichten ständig<br />
nachlässt, die der Cover aber stets<br />
gleich hochbleibt.<br />
Heute, 14 Jahre nach seinem Tod,<br />
genießt Klaus Dill bei den 40-<br />
und 50-Somethings in Comic-Sammler-<br />
Kreisen Kultstatus. Seinem tatsächlichen<br />
Können aber wird diese begrenzte<br />
Anerkennung kaum gerecht. Ein universaler<br />
Ruf wie er etwa Dills Onkel, dem<br />
Impressionisten Otto Dill, zuteil wurde,<br />
ist dem am 6. Oktober 1922 in Neustadt<br />
an der Weinstraße geborenen Populärkünstler nie vergönnt. Dabei kann<br />
man ihn im buchstäblichen Sinne durchaus auch als eine Art Pop-Art-<br />
Künstler verstehen. Dafür stehen mehr noch als die „Bessy"-Titelbilder<br />
seine Arbeiten als Maler von Kinoplakaten. Während der großen Zeit<br />
des klassischen Hollywood-Kinos in den 40er und 50er<br />
Jahren zeigen Filmplakate noch gemalte Darstellungen<br />
der Inhalte, nicht Fotos. Ob Sandalen- oder Ritterfilme wie<br />
„Spartacus" mit Kirk Douglas oder „Prinz Eisenherz" mit<br />
Robert Wagner, ob Thriller oder Film Noir wie Hitchcocks<br />
„Marnie" oder „Tokio<br />
Story" mit Robert<br />
Ryan, ob Western wie<br />
„Der gebrochene Pfeil"<br />
mit James Stewart<br />
oder „12 Uhr mittags"<br />
mit Gary Cooper –<br />
kein Genre, dem Dill<br />
© Joh. Heider-Verlag<br />
nicht seinen unverwechselbaren ech<br />
en<br />
Stempel aufdrückt. „Filmgeschichte<br />
in Gesichtslandschaften" hat das<br />
die „Frankfurter Rundschau" einmal sehr treffend genannt, wirken Dills<br />
Plakate doch mit der Authentizität von Fotos auf den Betrachter, ohne<br />
dass die Poesie seiner Zeichnungen dabei verlorengehen würde.<br />
Für annähernd 650 Kinofilme stellt Dill seine Kunst (die er selbst nie<br />
als Kunst, sondern eher als Handwerk verstanden wissen wollte) zur<br />
Verfügung. Gemeinsam mit seinen Arbeiten für Bastei und „Bessy",<br />
aber auch für andere Verlage und Serien wie Moewig und „FBI" entsteht<br />
so über die Jahrzehnte ein mehr als reicher Kanon. Ein Werk<br />
aber auch, das über die gesamten mehr als fünf Jahrzehnte Dill’scher<br />
Schaffenskraft vor allem dem Western zugewandt ist, zu dem er immer<br />
wieder zurückkehrt. Es trifft den Nagel auf den Kopf, wenn im Bildband<br />
„Klaus Dill – WesternArt" einer der Autoren, Peter Bischoff, schreibt:<br />
„Klaus Dill leistete ab Beginn der 50er<br />
Jahre einen wesentlichen<br />
Beitrag zur bildlichen Vorstellung vom Wilden Westen in Deutschland.<br />
Er stellte sein Können nicht nur in den Dienst der Filmplakatkunst,<br />
sondern er sorgte auch dafür, dass sich ein großes Lesepublikum der<br />
ansonsten unbebilderten Westernromane durch seine ansprechenden<br />
Buchdeckel- und Buchumschlag-Illustrationen bildlich in die Welt des<br />
amerikanischen Westens hineinversetzen konnte." Buchreihen wie „Tom<br />
Prox" oder die Zane-Grey-Romane im Franz Schneider Verlag sollen<br />
hier exemplarisch genannt werden. Und auch als der Western längst<br />
Für Dill eine<br />
Herzensangelegenheit:<br />
Karl Mays "<br />
Winnetou".<br />
nicht mehr das Leitgenre der Film- und<br />
Unterhaltungs<strong>kult</strong>ur ist, bleibt Dill diesem<br />
uramerikanischen Archetyp verbunden.<br />
Denn als Mitte, Ende der 80er Jahre<br />
durch das Ende von „Bessy" bzw. die<br />
Verdrängung der Kino-Plakat-Malerei<br />
durch die Fotografie Dills Karriere vorübergehend<br />
schon beendet scheint, ist<br />
es der Western, der ihn „rettet". In<br />
einem Interview mit dem Herausgeber<br />
der „Bastei Freunde Klubzeitung",<br />
Martin Hilland, sagt der Künstler 1992:<br />
„In den letzten Jahren gab es Zeiten,<br />
wo ich keine Aufträge mehr hatte und<br />
nicht wusste, wie es weiterging. Deshalb<br />
kam ich vor drei Jahren auf die Idee,<br />
das Thema Winnetou zu illustrieren." Tatsächlich zeichnet Dill in diesen<br />
Jahren die Titelmotive der 33-bändigen „Winnetou"-Reihe des damaligen<br />
Haffmanns Verlags aus Zürich. Und ab 1995 bis fast zu seinem<br />
Lebensende gilt all seine Aufmerksamkeit schließlich noch einer weiteren<br />
großen Indianergestalt, diesmal aber keiner literarischen,<br />
sondern einer historischen: Tecumseh. Diesem vielleicht<br />
berühmtesten aller amerikanischen Ureinwohner, nach dem<br />
unter anderem vier Schiffe der United States Navy benannt<br />
wurden, widmet er einen großformatigen Bilderzyklus, der<br />
als das unbestrittene Highlight seines Spätwerkes gelten<br />
darf. Für diesen Zyklus und sein gesamtes Schaffenswerk<br />
wird Dill, zudem seit 1997 Filmpreisträger in Gold, von<br />
der Landesbildstelle Baden-Württemberg 1999 schließlich<br />
mit einer umfangreichen Einzelausstellung geehrt. Ein<br />
versöhnlicher, weil rechtzeitiger Abschluss einer großen<br />
Karriere: Am 19. Februar 2000 stirbt Klaus Dill in Frankfurt<br />
am Main. Für mich aber ist er bis heute lebendig geblieben.<br />
Durch „Bessy" und durch den Druck an der Wand im Flur. Übrigens:<br />
Der Titel dieses Bildes, den ich nie vergessen werde, lautet „Der Tod in<br />
den Bergen". Und auch die Heftnummer der Bastei-Ausgabe habe ich<br />
tatsächlich noch immer parat, Nummer 54! Klaus Dill<br />
hätte sich darüber wohl gefreut.<br />
Liste weiterführender Literatur:<br />
– "<br />
Klaus Dill – WesternArt", Joh. Heider Verlag<br />
– "<br />
Klaus Dill – Ein Künstlerleben für Literatur und Film",<br />
Joh. Heider Verlag<br />
– Kunst fürs Kino – Die Plakate des Filmpreisträgers s<br />
"<br />
Klaus Dill", Henschel Verlag<br />
– Bastei Freunde Klubzeitung Nr. 4,<br />
Klaus Dill Gedenkausgabe"<br />
"<br />
– Bastei Freunde Klubzeitung Nr. 10,<br />
Die Rückkehr des Geächteten"<br />
"<br />
– Die Sprechblase Nr. 163, Die Bessy Story"<br />
"<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 91
Pin-ups heben die Moral!<br />
Über eine oft totgesagte<br />
Kunstform,<br />
die in den letzten<br />
Jahren ein Revival<br />
erlebt<br />
Das Malheur folgt ihr üblicherweise auf Schritt und Tritt: Mal ist es ein Nagel, der genau an der<br />
richtigen" Stelle ihr Kleid zerreißt, dann ist es wieder ein Windstoß, der an einem warmen<br />
"<br />
Sommertag ihren Rock aufbauscht. Als Lehrbeispiel für diesen plakativen Symbolismus<br />
darf jenes Mädchen gelten, das den Rock hochhält, den sie mit Ketchup bekleckerte (das<br />
eigentlich einem Würstchen im Hot Dog zugedacht war) und dabei wohlgeformte Beine<br />
mit Strumpfhaltern entblößt.<br />
Von Roland Schäfli<br />
Die Themen sind allesamt erotisch aufgeladen, doch sie bleiben<br />
suggestiv. Immer jedoch zeigt das Gesicht des Pin-ups dabei<br />
diese Mischung aus Koketterie und Einladung: der gespitzte<br />
knallrote Mund, die in derselben Farbe errötenden Wangen,<br />
die rehbraunen Augen, die sich direkt an den Betrachter<br />
wenden, als wollten sie sagen: „Ich brauche die Hilfe eines<br />
starken Mannes!" Die Botschaft, die solcherart vermittelt<br />
wird, ist schon seit Jahrzehnten die gleiche. Und<br />
tatsächlich sorgten<br />
Sittenwächter<br />
sich schon 1869, dass (die zarten<br />
Vorläufer der) Pin-ups die Moral<br />
unterwanderten und vom rechten<br />
Weg ablenkten. Dita<br />
von Teese, das bekannte<br />
Aushängeschild des<br />
New Burlesque – welche<br />
die Pin-up-Szene<br />
der letzten Jahre<br />
revitalisierte –, hat<br />
indes eine dezidierte<br />
Meinung zur Frage,<br />
ob die typischen<br />
Posen, egal ob<br />
gemalt wie früher<br />
oder fotografiert<br />
wie heute, der Unterdrückung der Frau in die<br />
Hände spielt: „Es geht nicht um die Verführung<br />
der Männer, es geht um die Umarmung der<br />
Weiblichkeit."<br />
Spätestens mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die<br />
Meinung, leicht beschürzte Mädchen würden der Moral schaden,<br />
sogar ins Gegenteil verkehrt: Es begann der Siegeszug des Pin-ups<br />
als „Morale Booster". Nicht nur der legendäre General MacArthur,<br />
sogar der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen und spätere<br />
US-Präsident Eisenhower wies – notabene in öffentlichen<br />
Ansprachen – auf den Nutzen dieser Bilder zur<br />
Förderung des Kampfgeistes hin: Pin-up-Girls würden<br />
die Moral heben! Die aufreizenden Bilder spornten<br />
die Kämpfenden an, denn die Mädchen versinnbildlichten,<br />
wofür sie kämpften: den American<br />
Way Of Life. Bedeutende Unternehmen lancierten<br />
darob ihre Werbekampagnen im selben Stil und<br />
Geist: Man erinnere sich etwa an die beiden<br />
Colatrinkenden Matrosen, die einem hübschen<br />
Mädchen hinterherpfeifen, eine Werbung, die<br />
heutzutage so wohl kaum noch denkbar wäre.<br />
Es ist also gar nicht vermessen zu<br />
sagen, dass die „Aufhänge-Mädchen"<br />
das massenwirksamste Medium der<br />
Kriegspropaganda waren. Denn anders<br />
als der Propagandafilm kam das Pinup<br />
ohne jede Infrastruktur aus. Ein<br />
Platz im Spind reichte. Das auf diese<br />
Weise am weitesten verbreitete Pinup<br />
des Weltkriegs war Betty Grable.<br />
1943 lichtete ein Studiofotograf<br />
der 20th Century Fox<br />
die Schauspielerin im<br />
Seite 92 ■ GoodTimes 2/2014<br />
Bet<br />
ty Gra<br />
ble
Badeanzug ab, was ihre<br />
„Millionen-Dollar-Beine"<br />
am besten zur Geltung<br />
brachte – die ikonografische<br />
Pose zeigt sie von<br />
hinten, einladend über<br />
die Schulter lächelnd.<br />
Daraufhin erhielt<br />
die Filmgesellschaft<br />
wöchentlich über 20.000<br />
Briefe von amerikanischen<br />
Männern, die das Foto<br />
bestellen wollten. In Billy<br />
Wilders Film „Stalag 17"<br />
ist ein Kriegsgefangener<br />
so in Betty Grable vernarrt, dass ihr Spindfoto ihn sogar in den<br />
Wahnsinn treibt. Der Krieg war aber auch Karrieresprungbrett für weitere<br />
Schönheiten, die als Pin-ups legendär wurden: Lana Turner etwa<br />
war das „Sweater Girl", nachdem sie in einem engen Pullover posiert<br />
hatte, und Ann Sheridan wurde den Spitznamen „Oomph Girl" nicht<br />
mehr los, als das sie in einem Wettbewerb ermittelt wurde. Mit dem<br />
Magazin „Yank" kam das amerikanische Pin-up-Girl an die Front –<br />
und somit schließlich auch nach Europa.<br />
Viele Kunsthistoriker schreiben es Amerika zu, die Werbe-<br />
Illustration als Kunstform hervorgebracht zu haben. Ein<br />
Museum mit Gemälden zu besuchen, ja überhaupt sich mit Kunst<br />
zu beschäftigen, war lange Zeit der Oberschicht vorbehalten.<br />
Der einfache Arbeiter hatte weder das Geld noch die Zeit<br />
dafür. Seine Kunstform war die Illustration. Magazine wie<br />
„Harper’s Weekly" oder die „Saturday Evening<br />
Post", die ihre Geschichten von Künstlern<br />
bebildern ließen, erreichten ein stetig wachsendes<br />
Publikum. Kurzromane, Pulp genannt,<br />
generierten noch höhere Leserzahlen, wenn<br />
sie publikumswirksam illustriert waren.<br />
Verleger mit Geschäftssinn realisierten bald,<br />
wie wichtig<br />
ein knalliges Bild<br />
auf dem Umschlag<br />
für den Absatz an<br />
den Kiosken war. In<br />
dieser Zeit „erfanden"<br />
die Maler das Pin-up,<br />
das Ganzkörperbild einer<br />
attraktiven Frau. Ganze<br />
Heerscharen meist unbekannter<br />
Auftragskünstler erschufen diese<br />
erotisch knisternde Welt. Während<br />
des Weltkriegs empfahlen die<br />
Kommandierenden der Truppe,<br />
Lesestoff mitzubringen, neben<br />
dem Kriegshandwerk also auch<br />
fürs zivile Handwerk zu lernen.<br />
Durch gewagte Pin-ups auf den Umschlagbildern wurden dann nicht<br />
nur die Umsatzzahlen dieser Taschenbücher gesteigert, sondern die<br />
Amerikaner überhaupt an reißerische Cover-Abbildungen gewöhnt.<br />
Ein Querverweis, wie populär seinerzeit etwa die Kalender mit gemalten<br />
Pin-ups waren, findet sich im Filmklassiker „Die Brücke am<br />
Kwai": Da schaut selbst der japanische Kommandant<br />
eines brutal geführten Kriegsgefangenenlagers<br />
den Termin auf einem amerikanischen Kalender<br />
nach, auf dem das Mädchen mit jedem<br />
verstreichenden Monat weiter entblättert<br />
wird.<br />
Nach dem Krieg war<br />
die Blütezeit des<br />
Kalendermädchens<br />
jedoch längst<br />
nicht vorbei. Eines der bekanntesten Pin-ups überhaupt, Rita<br />
Hayworth, die auf der Titelseite von „Life" im schwarzen Unterrock<br />
abgebildet war, wurde mit Ausbruch des Korea-Kriegs zur neuen<br />
„Königin des Pin-ups". 2500 Soldaten schrieben ihrer Regierung,<br />
um das Unterrock-Foto anzufordern – wöchentlich. Viel später war<br />
sie Namenspatin für Stephen Kings Novelle „Rita Hayworth And The<br />
Shawshank Redemption"; auch in der erfolgreichen Verfilmung<br />
des Buches mit dem Titel „Die Verurteilten" tarnt der<br />
Protagonist die Öffnung seines Fluchttunnels mit Ritas<br />
Pin-up ...<br />
Ein Mann namens Hugh Hefner schrieb dann die Erfolgsstory<br />
des Pin-ups fort, als er 1953 für läppische 500 Dollar<br />
einem Kalenderverlag einige Aktfotos abkaufte und damit<br />
den ersten „Playboy" bestückte: Es handelte sich um die<br />
Aufnahmen der sich auf rotem Samt räkelnden Marilyn<br />
Monroe – und das Heft war in Kürze ausverkauft. Hefner<br />
machte anschließend kurzerhand das klassische Pin-up-<br />
Foto zur Geschäftsidee des Centerfolds, des ausfaltbaren<br />
Bilds seines Magazins. Und der Erfolg gab ihm Recht.<br />
Trotz dieses Popularitätsschubs sollte es allerdings<br />
noch bis in die 60er Jahre dauern, bis Fotos die<br />
gemalten Mädchen schließlich verdrängten. Als 1964<br />
Pirelli seinen ersten Fotokalender herausbrachte,<br />
schien das Schicksal der gepinselten Girls besiegelt.<br />
Was auch das berufliche Ende für viele der<br />
Grafiker und Maler mit sich brachte. Manche<br />
der Künstler, die als Werbe-Illustratoren<br />
anfingen, fanden Arbeit als Plakatmaler<br />
für die Filmindustrie und beeinflussten so<br />
das Frauenbild weiterer Generationen. Erst<br />
als schließlich namhafte Künstler wie Norman Rockwell, der wie<br />
kein anderer die heile Welt des amerikanischen Traums darzustellen<br />
wusste, Elemente der Pin-ups in seine Bilder aufnahm, wurde allgemein<br />
aber von „Kunst" gesprochen. Obwohl diesen (meist, aber nicht<br />
ausschließlich) männlichen Künstlern nie abgesprochen wurde, ihr<br />
Handwerk meisterlich zu beherrschen, hat sich<br />
die Illustration als Kunstform erst in den<br />
80er Jahren wirklich etabliert. Dass<br />
Pin-up-Gemälde seither als „seriöse<br />
Kunst" gelten, zeigt sich auch<br />
daran, dass der Kunsthandel die<br />
Originale zu schätzen weiß.<br />
Eine späte Genugtuung<br />
für die Pin-ups.<br />
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Zoe Scarlett<br />
Profi-Pin-up<br />
Zoe Scarlett hat sich auf die 50er Jahre spezialisiert und bezieht sich in kreativer Weise<br />
auf die Posen der legendären Pin-ups. Sie ist das Gesicht von Chevrolet und wirbt als<br />
Retro-Model für Campari und Burger King.<br />
Wir befinden uns in einer Retro-Bewegung. Man<br />
wünscht sich die "<br />
gute alte Zeit" zurück. Spürst du das<br />
auch als Pin-up-Girl?<br />
Die 50er Jahre haben immer wieder ein Revival. Ich mache nichts<br />
anderes, als dem alten Stil neues Leben einzuhauchen. Aber natürlich<br />
genieße ich auch die Vorzüge der modernen Welt: Ohne iPhone<br />
oder Laptop geht bei mir gar nichts mehr.<br />
Welche Posen bzw. Figuren werden von den<br />
Auftraggebern für Kalender und Werbe-Shootings<br />
gewünscht?<br />
Diese Frage ist nur sehr schwierig zu beantworten. Jeder Kunde hat<br />
seine eigene Vorstellung: ob man nun Modernes mit Altem kombiniert,<br />
ob ein Auftrag bis ins Detail den 50ern entsprechen muss,<br />
oder ob man meinen Look ganz neu interpretiert. Mir ist einfach<br />
sehr wichtig, dass es Stil und Klasse hat.<br />
Wirkt das Pin-up auf Feministinnen nicht wie ein rotes<br />
Tuch, stellt es doch einen klischierten Männertraum<br />
dar?<br />
Was Feministinnen über meine Arbeit denken, interessiert mich<br />
nicht. Jeder er soll l seine eigene Meinung haben dürfen und sich dabei<br />
glücklich fühlen! Meine Arbeit<br />
macht mich glücklich, und nur<br />
das zählt.<br />
Die Illustration der<br />
leichtbekleideten Frau<br />
wird erst seit den 80ern<br />
als eigene "<br />
amerikanische<br />
Kunstform" wahrgenommen.<br />
Auch heute noch scheint dem Begriff<br />
wenig Seriöses anzuhaften.<br />
Das finde ich absolut nicht. Ein klassisches Pin-up, illustriert oder<br />
real, zeigt eine wunderschöne Frau, die angezogen in den verschiedensten<br />
Szenen oder Posen, mal witzig, mal keck oder auch<br />
mal verführerisch, posiert. Die Bezeichnung „Pin-up" hat sich aber<br />
weiterentwickelt, das ist der Lauf der Zeit. Wenn die bekannteste<br />
deutsche Tageszeitung eine nackte Frau abbildet und diese dann als<br />
Pin-up bezeichnet, kann ich das nicht beeinflussen ...<br />
Roland Schäfli<br />
Fotos: © Marco Nietlisbach<br />
Seite 94 ■ GoodTimes 2/2014
<strong>kult</strong>!<br />
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Leserbriefe<br />
Liebes <strong>kult</strong>!-Team!<br />
Soeben halte ich eure neue <strong>kult</strong>!-Ausgabe in den Händen und habe<br />
erstmal „quergelesen". Mal wieder einsame Spitze!<br />
Ich hätte einen Themenvorschlag: „Damals" – ab 1971– beschäftigte<br />
ich mich als 17-Jähriger – zusammen mit einigen Gleichgesinnten<br />
– mit der Super8-Schmalfilmerei. Wir drehten eigene Filme und<br />
beschäftigten uns auch mit der Technik (Filme schneiden, kleben etc.,<br />
später auch Unterwasserfilmerei). Die fast besten und preisgünstigsten<br />
Geräte hatte damals Quelle mit der Marke Revue. (Meine Kameras:<br />
Revue S8 Sound De Luxe, später eine Beaulieu 3008, als Letzte ein<br />
NIZO 4080, zwischendurch eine Eumig-Nautica Unterwasserkamera.<br />
Die S8-Kassetten hatten übrigens nur eine Laufzeit von ca. 3,25<br />
Minuten für ca. 15 DM!<br />
Nur die S8-Filme mussten immer von Kodak sein! Die sind noch<br />
heute farblich okay – nach fast 45 Jahren! Das Thema Film hat<br />
mich bis heute nicht losgelassen – jetzt natürlich digital. Die<br />
S8-Schmalfilmgeschichte ist sehr interessant und hat viele Facetten;<br />
schließlich wurde sie von Video überrollt ...! Ich könnte mir vorstellen,<br />
dass das ein Thema für euch wäre.<br />
Ein weiteres Thema wäre sicherlich das Leben als Schüler in den<br />
70ern, stark beeinflusst von der Gesinnung der 68er-Generation und<br />
der Hippie-Kultur (ja! – wirklich!) mit der Hoffnung auf eine bessere<br />
„Let the Sunshine in"- und „Gleichheit für Alle"-Welt.<br />
Ich erinnere mich mit meinen Freunden und auch (!) Freundinnen<br />
(!) an ein freies Leben am FKK-Strand und Parties mit Gitarre und<br />
Rotwein am Lagerfeuer; wir lebten einen Traum – auch unter der<br />
Woche.Vietnam, die Todesschüsse auf John F. Kennedy und Martin<br />
Luther King zeigten uns dann das wahre Gesicht dieser Welt ...<br />
okay, das wär's erstmal. Weiter so!<br />
Lieber Gruß (von eurem treuen Abonnenten) Uwe Marx, Witzhave<br />
Hallo zusammen,<br />
gratuliere zur neuen <strong>kult</strong>!-Ausabe, lese sie immer von A bis Z durch<br />
und bin jedes Mal frustriert, wenn ich zur letzten Seite komme. Ja,<br />
so ist es.<br />
Ich freu mich aufs nächste GoodTimes und das nächste <strong>kult</strong>!<br />
Herzliche Grüße<br />
René Marty, Bülach, Schweiz<br />
Hallo Herr Leibfried,<br />
zunächst einmal ein ungeheuer großes Lob für Ihr Magazin und die<br />
gesamte Machart. Seit Ausgabe #2 bin ich nun dabei und erwarte<br />
jede weitere Ausgabe mit großer Spannung. Als ich Ihr Magazin zum<br />
ersten Mal in unserem Zeitschriftenladen entdeckt habe, war ich direkt<br />
hin und weg. Da man meine Hobbies wohl unter dem Gesamtbegriff<br />
„Nostalgie" betrachten kann, war Ihr Magazin natürlich DER Kracher<br />
für mich. Es ist eine richtige Wundertüte, mit jeder Menge Themen<br />
und Bereiche, und genau das macht es so interessant und spannend.<br />
Ob Sport, Mode, Musik, Spielzeug oder Autos, alle Themen werden<br />
abgedeckt und das auf sehr unterhaltsame und spannende Weise.<br />
Viele Dinge wurden in den letzten Jahren ja unter den Begriffen<br />
„Kult" und „Nostalgie" im TV oder sonstwo abgehandelt; zumeist<br />
aber immer sehr oberflächlich und ohne Inhalt. Bei Ihrem Magazin<br />
hat man jedoch das Gefühl, dass die Autoren das entsprechende<br />
Thema selbst als Hobby betreiben oder es zumindest ernst nehmen.<br />
Auch das Layout ist fantastisch, und die jeweilige Farbgebung zu den<br />
einzelnen Themen ist sehr passend gewählt.<br />
Anfangs habe ich befürchtet, dass ein weiteres Magazin es am Markt<br />
schwer haben würde und nach ein paar Ausgaben vermutlich Schluss<br />
wäre. Umso mehr hat es mich so gefreut, dass immer stetig weitere<br />
Ausgaben veröffentlicht wurden. Da ich auch ein großer Film-Comic-<br />
und Spielzeug-Fan bin, sind immer wieder tolle Artikel zu finden.<br />
Außerdem gibt es meines Wissens wohl kein weiteres Magazin mit<br />
so einem speziellen Schwerpunkt (Nostalgie), aber gleichzeitig so viel<br />
Themenfülle dazu.<br />
Puh, viel Lob, nicht wahr?! Nicht dass ich unglaubwürdig klingen<br />
möchte; aber wenn etwas sehr gut und vor allem mit viel Liebe zum<br />
Detail gemacht ist, muss man dies auch mal aussprechen. Betrachten<br />
Sie es als Form des früheren Leserbriefes (eigentlich doch auch eine<br />
Kategorie, über die es sich lohnen würde, mal nachzudenken, oder??).<br />
Zählen Sie mich auf jeden Fall weiterhin zu Ihren treuen Lesern, denn<br />
es ist immer ein Riesenspaß, die neueste Ausgabe durchzuforsten; bei<br />
dem Umfang habe ich tagelang etwas davon. Ich wünsche Ihnen,<br />
Ihren Mitarbeitern und allen, die sonst noch daran beteiligt sind,<br />
weiterhin viel Glück und vor allem weiterhin viel Erfolg mit <strong>kult</strong>! und<br />
hoffe noch auf viele Ausgaben! Die Vergangenheit war ja sehr lang,<br />
und da wartet sicher noch eine Unmenge von Themen auf uns.<br />
Mit allerbesten Wünschen und Grüßen, Lars Schumacher<br />
Werte Kult-Redaktion, sehr geehrter Herr Leibfried,<br />
Von Ihrem <strong>kult</strong>!-Magazin bin ich total begeistert. Als „Nostalgiker" liebe<br />
ich diese Wiederbelebung der 60er, 70er und 80er Jahre. Eben habe<br />
ich einige zurückliegende Hefte zugesandt bekommen, und die Freude<br />
geht mit mir wieder durch. Der bunte Mix von „alten" Schlagerstars,<br />
Autos, Spielzeugen, „Winnetou"-Filmen, Comics (als begeisterter<br />
Hansrudi-Wäscher-Fan hat mein Auto das Kennzeichen KR-AKIM 1),<br />
Musikern, alten TV-Serien, <strong>kult</strong>igen Getränken, und, und ...<br />
Ein unbedingtes Muss sind die Poster. Bitte nicht davon abweichen. Mit<br />
den Kaugummibildern haben Sie wieder „Neuland" betreten. Darüber<br />
würde ich gerne noch mehr erfahren. Und zu den Getränken möchte<br />
ich einen Vorschlag machen, und zwar zu „Libella". Hierzu meine<br />
ganz persönliche Geschichte: Erlauben Sie mir, kurz meine Liebe zu<br />
diesem nostalgischen Getränk zu erklären: Als kleiner Junge machte ich<br />
erstmals Ende der 50er Jahre Bekanntschaft mit „Libella". Mein Vater<br />
war Hafenarbeiter in Krems, das auch als das untere Tor der Wachau<br />
bezeichnet wird. Dort gab es in der Kantine diese Orangenlimonade.<br />
Meines Wissens verschwand sie anfangs der 60er Jahre vom Markt. Im<br />
Keller meines Elternhauses stand lange Zeit eine alte Holzsteige mit<br />
den gerillten, dunkelorangenen Flaschen, ehe sie auch entsorgt wurde.<br />
In den letzten Jahrzehnten kam ich öfter nach Deutschland. Und siehe<br />
da, auf der A3-Autobahn nach Köln zur InterComic überholte ich mal<br />
einen „Libella"-Transporter. Schlagartig wurde ich wieder an meine<br />
Kindheit erinnert. Obwohl ich mir fest vornahm, am Ziel nach „Libella"<br />
zu fragen, vergaß ich dann leider die Begegnung. Umso freudiger<br />
war ich überrascht, als ich vor rund zehn Jahren bei uns zu Hause<br />
in einem Tankstellenlokal eine „Libella"-Werbung entdeckte. Keine<br />
Frage, dass ich mir gleich ein Fläschchen bestellte und so den Kontakt<br />
zum Getränke-Hersteller fand. Inzwischen kaufe ich jedes Jahr einige<br />
Kisten mit diesem <strong>kult</strong>igen Getränk für besondere Anlässe, das 1951 in<br />
Deutschland auf den Markt kam und zwei Jahre später auch die Kinder<br />
in Österreich begeisterte.<br />
Viel Erfolg für die Zukunft wünscht Ihnen aus Österreich,<br />
Karl Aigner<br />
Sehr geehrter Herr Leibfried (und das GoodTimes-<strong>kult</strong>!-Team),<br />
als Comic-Fan habe ich mich über den Robert-Crumb-Tribute-Band<br />
sehr gefreut. Ich wünsche Ihnen (Euch) weiterhin viel Erfolg für<br />
GoodTimes-<strong>kult</strong>! Die Themenmischung ist immer gut gelungen, und<br />
ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe. Besonders über die<br />
Artikel aus der Comic-Welt.<br />
Mit den besten Grüßen<br />
Helmut Tank, Marl<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 95
Unter der Totenkopf-Flagge<br />
über die Weltmeere<br />
Es ist die große Zeit der „Gesamtausgaben „ : Beliebte Serien von einst, mit einem Wort<br />
Klassiker, werden als geschmackvolle Bücher neu aufgelegt, ergänzt um die eine oder<br />
andere optische Rarität und Kommentare zur Entstehungsgeschichte der Comics. Liebhabern<br />
des Genres eröffnet das die Chance, längst vergriffenes Material, mit dem womöglich<br />
nostalgische Eindrücke verbunden sind,<br />
erneut zu lesen. Dergestalt sind auch Titel der Reihe „Der Rote Korsar „ die<br />
, die<br />
nun in der Egmont Comic Collection ihre<br />
Wiederauferstehung feiern.<br />
sich<br />
auf eine Holzkrücke. Sie alle vereinen<br />
die Gier nach Gold und die stete<br />
Suche nach dem Schatz, der irgendwo an<br />
einem exotischen Platz vergraben liegt.<br />
Piraten, Freibeuter, Korsaren … Allein diese<br />
Begriffe lassen vor dem geistigen Auge<br />
unzählige Bilder entstehen. Spontan<br />
denkt man da an Bücher wie „Die Schatzinsel"<br />
von Robert Louis Stevenson oder an „Peter<br />
Pan" von James Matthew Barrie. Man erinnert<br />
sich an unzählige Filme wie „Der Herr der<br />
Sieben Meere" von Michael Curtiz mit Errol<br />
Flynn in der Hauptrolle, an Roman Polanskis<br />
„Piraten" mit Walter Matthau oder in der jüngeren<br />
Vergangenheit an „Fluch der Karibik"<br />
mit Johnny Depp. Long John Silver, Captain<br />
Hook, Geoffrey Thorpe, Captain Red und Jack<br />
Sparrow heißen die wilden Gesellen, die dafür<br />
sorgten, dass im allgemeinen Bewusstsein ein<br />
schwärmerisches Bild vom Seeräuber verankert<br />
ist. Kauzige Typen, gelegentlich einen<br />
In der Nr. 414 von „Pilote „ vom 28. Oktober<br />
1965 startet das Abenteuer „La Mission secrète<br />
de l’Épervier „ / „In geheimer Mission „ .<br />
sprechenden Papagei auf der Schulter,<br />
mit oder ohne Augenklappe, den Kopf<br />
mal prunkvoll mit Federhut geschmückt, mal<br />
schäbig mit Kopftuch bedeckt, wecken die<br />
Sehnsucht nach<br />
Freiheit und<br />
nach dem großen<br />
Abenteuer.<br />
Geschickt führen<br />
sie den Säbel in<br />
der Hand, sofern<br />
diese nicht durch<br />
einen eisernen<br />
Haken ersetzt<br />
werden musste,<br />
und schwingen<br />
sich gewandt<br />
Jean-Michel Charlier<br />
durch die Takelage. Besonders malträtierte<br />
t<br />
Draufgänger tragen ein Holzbein oder stützen<br />
Das<br />
große Abenteuer war eine Disziplin,<br />
mit<br />
der sich auch Jean-Michel Charlier,<br />
geboren am 30. Oktober 1924 in<br />
Lüttich, gestorben am 10. Juli 1989<br />
in Paris, bestens auskannte. Mehr als<br />
450 Drehbücher und Texte für Comics,<br />
Radio- und Fernsehsendungen, Magazine<br />
und Romane hat er verfasst und steht damit<br />
im Ruf, einer der produktivsten und einfallsreichsten<br />
europäischen Autoren seines Fachs<br />
gewesen zu sein. Nicht nur die Fliegerhelden<br />
„Buck Danny" und „Tanguy und Laverdure"<br />
sowie den tollkühnen „Leutnant Blueberry"<br />
hat er ersonnen,<br />
auch „Barbe<br />
Rouge", der in<br />
der deutschsprachigen<br />
Fassung<br />
zu „Der Rote<br />
Korsar" wurde, ist<br />
seiner<br />
Fantasie<br />
entsprungen.<br />
Die Kaperfahrten<br />
des Teufels der<br />
Karibik, der mit<br />
Victor Hubinon<br />
seiner<br />
wilden<br />
Crew die Weltmeere unsicher macht, entstanden<br />
einst für das französische Jugendmagazin<br />
Seite 96 ■ GoodTimes 2/2014
Das Skript von Charlier und die gezeichnete Seite von Hubinon. Notiert ist, dass Baba das „r „ nicht spricht.<br />
„Pilote", das Charlier zusammen<br />
mit den „Asterix"-Vätern René<br />
Goscinny (1926–1977) und Albert<br />
Uderzo (*1927) ins Leben rief und<br />
über Jahre als Chefredakteur leitete. e.<br />
„Rotbart", wie der Titelheld eigentlich<br />
in Anlehnung an den englischen<br />
Piraten Blackbeard heißt,<br />
gehörte von der Erstausgabe vom<br />
29. Oktober 1959 an zu „Pilote"<br />
und galt als eine der beliebtesten<br />
realistischen Serien im Heft.<br />
Großen Anteil daran hatte Victor<br />
Hubinon (1924–1979), der die<br />
Skript-Vorgaben in wirkungsvollen<br />
Bildfolgen zu<br />
Papier brachte. Bis zu seinem<br />
Lebensende gestaltete<br />
der belgische Zeichner<br />
zum Thema 18 Alben,<br />
die heute einen gewissen<br />
Kultstatuts genießen<br />
und tatsächlich auch die<br />
besten in der Serie<br />
sind.<br />
(Dennoch<br />
sei erwähnt, dass<br />
„Barbe<br />
Rouge"<br />
von<br />
anderen<br />
Autoren wie Jijé,<br />
Christian<br />
Gaty,<br />
Patrice<br />
Pellerin<br />
oder<br />
Marc<br />
Bourgne bis ins<br />
Jahr 2004 fortgeführt<br />
wurde,<br />
ohne dass diese<br />
dem Stoff aber<br />
die<br />
verspielte<br />
Leichtigkeit der frühen<br />
Jahre zurückgeben<br />
konnten.)<br />
Die Comic-Serie „Der<br />
Rote Korsar" beginnt im<br />
Jahr 1715 irgendwo in der<br />
Karibik mit dem Überfall<br />
des<br />
Seeräuberschiffs<br />
Schwarzer Falke auf eine<br />
spanische<br />
Galeone.<br />
Von deren Besatzung<br />
bleibt nur ein kleiner<br />
Junge am Leben, den<br />
der Freibeuter adoptiert.<br />
In ihm wähnt<br />
der Anführer der unter der<br />
Totenkopf-Flagge segelnden<br />
Teufelskerle seinen<br />
Nachfolger. Zu diesem Zweck lässt<br />
er<br />
ihn vom gebildeten Dreifuß (mit<br />
Holzbein und Holzkrücke) und dem<br />
bärenstarken Baba (mit dem für<br />
Kreolen typischen<br />
Sprachfehler) erziehen.<br />
Doch dann<br />
kommt es ganz<br />
anders: Rick (im<br />
Original: Éric) sieht<br />
sich nicht zum<br />
Piraten berufen. Aus<br />
dieser Konstellation<br />
heraus<br />
entwickelt<br />
Charlier einen Spannungsbogen<br />
in epischer Breite, der die beiden<br />
zentralen Figuren mitunter als<br />
Widersacher, meist aber vereint<br />
im Kampf gegen die Engländer<br />
und Spanier im Dienst des französischen<br />
Königs sieht. Wie in<br />
den Fortsetzungs romanen alter<br />
Prägung, von denen Charlier<br />
zeitlebens begeistert war, lässt<br />
er seiner Fantasie freien Lauf<br />
und zieht damit den Leser in<br />
Bann.<br />
In Deutschland erschien „Der<br />
Rote Korsar" erstmals 1970/71<br />
in der gleichnamigen, 15 Titel<br />
umfassenden Heftreihe im Bastei<br />
„Der Rote Korsar – Gesamtausgabe „<br />
erschienen im Egmont Ehapa Verlag<br />
Verlag. Allerdings litt diese Ausgabe unter<br />
dem Zusammengeschnippel der Originalseiten<br />
und einer recht dümmlichen Textbearbeitung.<br />
Sehr viel mehr Lesevergnügen bereiteten die<br />
von Carlsen veröffentlichten Alben zwischen<br />
1985 und 1993. Kult Editionen legte diese<br />
Der erste von vielen weiteren gescheiterten<br />
Piraten-Überfällen in „Asterix als Gladiator „ .<br />
mit kartoniertem Umschlag ab 1996 teilweise<br />
noch einmal neu auf, ergänzt um die bis<br />
dahin unveröffentlichten Bände sowie fünf<br />
Titel in der Reihe „Die Jugend des Roten<br />
Korsaren". Mit der 2013 in der Egmont<br />
Comic Collection gestarteten<br />
Gesamtausgabe – zwei Bücher<br />
sind bereits erschienen, ein drittes<br />
ist für 2014 angekündigt<br />
– segelt „Der Rote Korsar" nun<br />
unter demselben Verlagssignet<br />
wie „Asterix". Das passt eigentlich<br />
ganz gut zusammen, denn<br />
ihre große Popularität haben<br />
der rotbärtige Käpt'n mit der<br />
Augenklappe, Dreifuß und<br />
Baba nicht zuletzt den beiden<br />
Galliern Asterix und Obelix<br />
zu verdanken. Was ursprünglich<br />
als einmaliger Witz von<br />
René Goscinny gedacht war, ihr<br />
Auftritt im Band „Asterix als<br />
Gladiator", wuchs sich nämlich<br />
zu einem Running Gag aus.<br />
Bedeutsamer Unterschied:<br />
Während die Schrecken der<br />
Meere im Original von Charlier-<br />
Hubinon heldenhaft in Szene<br />
gesetzt sind, müssen sie in<br />
den „Asterix"-Bänden ein ums<br />
andere Mal die Segel streichen<br />
...<br />
Horst Berner<br />
Abb.: © Dargaud 2014, by Charlier and Hubinon / 2014 Egmont Comic Collection<br />
GoodTimes 2/2014 ■ Seite 97
VALERIAN & VERONIQUE<br />
Reisen in neue<br />
Dimensionen<br />
Abbildungen: © Carlsen-Verlag<br />
„Vor uns hatte niemand Abenteuer wie diese erzählt. In dieser<br />
Serie ist einfach alles möglich, und jedes neue Album<br />
bringt uns dorthin, wo wir es wollen." Daß sein Zeitreisen-<br />
Comic „Valerian & Veronique" über zwei Agenten des „Raum-<br />
Zeit-Service" für das Genre bahnbrechend sein<br />
würde und künftig Kultstatus erlangen sollte, hat<br />
Zeichner Jean-Claude Mézières vor fast einem halben<br />
Jahrhundert allerdings nicht voraußehen köen.<br />
Zeitsprung ins Jahr 1967: Es ist der 9. November. Im französischen<br />
Comic-Magazin „Pilote" schlägt den beiden<br />
Raum-Zeit-Agenten Valerian und Veronique die Geburtsstunde. e.<br />
Sie treffen erstmals auf Seite 11 des ersten Abenteuers<br />
aufeinander, als Valerian ins Frankreich des Jahres<br />
1000 geschickt wird. Zwar haben Zeichner Jean-<br />
Claude Mézières und Texter Pierre Christin „Schlechte<br />
Träume" gar nicht als Fortsetzungsgeschichte angelegt,<br />
sondern als abgeschlossene Episode. Erzählstil<br />
und Zeichenstrich weisen noch nicht die Meisterschaft<br />
späterer Werke auf. Doch schnell wird deutlich, Figuren<br />
und Setting besitzen Potenzial für eine ganze Reihe.<br />
Und so erhalten die beiden Agenten,<br />
die von Galaxity aus operieren, der<br />
Hauptstadt der Zukunft, schon bald neue Aufträge,<br />
das Gleichgewicht der Galaxie wiederherzustellen.<br />
Das zentrale Motiv der Zeitreise wirkt als Thema<br />
natürlich auch noch nicht so abgenutzt wie heute,<br />
allerdings ist es keinesfalls neu: So kreierte H.G. Wells<br />
bereits 1895 in seinem epochemachenden Roman<br />
„The Time Machine" den plausiblen Prototypen des<br />
Zeitreisenden, der zahlreiche Nachahmer fand. In<br />
„Valerian & Veronique" entpuppt sich die technische<br />
Möglichkeit, it die Zeit selbst zu überwinden, jedoch nicht als plumper<br />
Selbstzweck. Die Geschichten haben einen durchaus philosophischen<br />
Ansatz: So findet sich das Duo in totalitären Systemen wieder, wo<br />
Klassenkampf und soziale<br />
Ungerechtigkeit herrschen,<br />
oder sie greifen<br />
in Machtkämpfe<br />
außerirdischer<br />
Staatsformen ein.<br />
Doch wie weit<br />
weg sie sich auch<br />
Die Apokalypse im Jahr 1986: Typisch für das Zeitalter, in<br />
dem die Comicfi guren entstanden, ist der Weltuntergang<br />
auf eine Atomkatastrophe zurückzuführen.<br />
© Rita Scaglia/DARGAUD<br />
Jean-Claude Mézières<br />
Seite 98 ■ GoodTimes 2/2014<br />
Ein Duo, das die künftige Entwicklung der Gleichstellung von Mann und<br />
Frau vorwegnahm: "<br />
Valerian & Veronique".<br />
von ihrem Heimatplaneten entfernen: Dem geneigten Leser<br />
entgehen die Ähnlichkeiten mit vertrauten Systemen nicht.<br />
Die Begegnungen mögen außerirdisch sein – die treibende<br />
Kraft hinter der Erzählung ist stets der Humanismus.<br />
Zeitsprung ins Jahr 1977: Mézières wohnt einer Vorabaufführung<br />
von „Star Wars" bei. Die Parallelen zwischen dem Film und seinen<br />
Comics bezüglich Kostümen, Design etc. entgehen ihm nicht.<br />
Fast scheint es so, als habe George Lucas „Valerian & Veronique"<br />
als Blaupause für sein eigenes Universum genommen. Zahlreiche<br />
Anleihen sind, bei strenger Auslegung, fast gar an der Grenze<br />
zum Plagiat. Auch wenn das allenfalls unterbewusst geschah,<br />
veranschaulicht es doch eindrucksvoll, dass die Comicserie aus<br />
Frankreich, die es schnell zu internationalem Ruhm gebracht hatte,<br />
die Sehgewohnheiten maßgeblich beeinflusste und zu Recht als<br />
vielleicht i bester Science-Fiction-Comic gilt.<br />
Zurück ins Jahr 1967: Das öffentliche Leben<br />
in Frankreich wird zwar immer noch von der konservativen<br />
Regierung Charles De Gaulles bestimmt,<br />
doch ist bereits ein Flackern am Horizont zu erkennen.<br />
Das erste Abenteuer Valerians und Veroniques<br />
entsteht quasi am Vorabend der Kulturrevolution<br />
von '68: So nehmen die beiden Schöpfer der<br />
Comics mit der Figur der charmanten Veronique<br />
(im Original hieß sie Laureline, was die deutschen<br />
Übersetzer wohl als zu sperrig empfanden) etwa<br />
die Gleichstellung der Frau vorweg. Denn Veronique ist – entgegen der<br />
typischen Frauenrolle in diesem Genre – nicht nur eine ansehnliche<br />
Zugabe, sondern gleichberechtigte Partnerin von Valerian, ist dem eher<br />
sachlich veranlagten Valerian intellektuell sogar überlegen.<br />
Was allerdings nicht heißt, dass sie ihren engen Raumfahrer-<br />
Dress nicht ab und zu doch abstreifen würde, allerdings nicht<br />
so häufig, wie das beispielsweise Barbarella tut. Nacktheit ist<br />
in der Zukunft eben eine ganz natürliche Sache, und auch die<br />
männliche Hauptfigur ist mitunter so zu sehen, wie Gott –<br />
pardon –, wie Mézières und Christin ihn schufen ...<br />
Zeitsprung ins Jahr 1972: Die beiden Zeitreisenden erreichen<br />
Deutschland. Im neugegründeten Magazin „Zack" werden die<br />
Geschichten um das ungleiche Agentenpaar als Fortsetzungen<br />
abgedruckt. Ab 1978 publiziert sie dann der Carlsen Verlag, der<br />
seit 2013 eine ansprechende Gesamtausgabe herausgibt.<br />
So entstehen in 40 Jahren insgesamt 20<br />
Alben. Und was Pierre Christin, der Texter,<br />
einst postulierte, hat in all diesen Jahren<br />
seine Gültigkeit behalten: „Science-Fiction<br />
ist eine wunderbare Möglichkeit, der<br />
Wirklichkeit zu entfliehen."<br />
Roland Schäfli<br />
Piee Christin<br />
© Pressefoto
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