17.04.2014 Aufrufe

kult! ZDF Hitparade (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

NEU!<br />

AB JETZT<br />

ERHÄLTLICH! *<br />

EDITION<br />

DISCOGRAPHIEN<br />

Vol. 1<br />

100<br />

Seiten<br />

nur 9,80 €<br />

Discographien zu:<br />

Alice Cooper,<br />

David Bowie, Cluster,<br />

Deep Purple, Eloy,<br />

Frijid Pink, Hawkwind,<br />

Jigsaw, Kraftwerk,<br />

Udo Lindenberg, Lords,<br />

Mud, Novalis, Pink Floyd,<br />

Runaways, Shocking<br />

Blue, Slade, String Driven<br />

Thing, Uriah Heep sowie<br />

Label-Discographien von<br />

CCA (Metronome),<br />

Pilz (BASF) und<br />

Ohr (Metronome)<br />

*<br />

nur direkt über den Verlag erhältlich – zu bestellen unter:<br />

www.goodtimes-magazin.de oder im Shop Seite 33<br />

goodtimes@nikma.de · Telefon: 0 70 42/37660-160 · Fax: 0 70 42/37660-188<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen


IMPRESSUM<br />

Anschrift:<br />

NikMa Verlag<br />

Fabian Leibfried<br />

Eberdinger Straße 37<br />

71665 Vaihingen/Enz<br />

Tel.: 0 70 42/37660-160<br />

Fax: 0 70 42/37660-188<br />

E-Mail: goodtimes@nikma.de<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />

Herausgeber und Chefredakteur:<br />

Fabian Leibfried<br />

Mitarbeiter:<br />

Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Kathrin<br />

Bonacker, Kirsten Borchardt, Lothar Brandt,<br />

Michael Fuchs-Gamböck, Hans-Jürgen<br />

Günther, Peter Henning, Christian Hentschel,<br />

Teddy Hoersch, Hugo Kastner, Andreas Kötter,<br />

Frank Küster, Bernd Matheja, Kati Naumann,<br />

Helmut Ölschlegel, Thorsten Pöttger, Alexander<br />

Querengässer, Sven Rachner, Philipp Roser,<br />

Roland Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz,<br />

Eckhard Schwettmann, Christian Simon,<br />

Alan Tepper, Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit,<br />

Uli Twelker, Peter Verhoff, Thomas Wachter,<br />

Jürgen Wolff<br />

Abonnements, Shop:<br />

Andrea Leibfried<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />

Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />

Vertrieb:<br />

IPS Pressevertrieb GmbH<br />

Postfach 1211<br />

53334 Meckenheim, Tel: 0 22 25/88 01-0<br />

Druckerei:<br />

Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Str. 168<br />

34121 Kassel<br />

Erscheinungsweise:<br />

2x jährlich<br />

Copypreis:<br />

Einzelheft: 6,50 € (Preis inkl. 7% MwSt.)<br />

Abonnement:<br />

siehe Seite 83<br />

Anzeigen:<br />

Für gewerbliche Anzeigen bitte<br />

Preisliste Nr. 01 (inkl. Mediadaten) anfordern.<br />

Kontoverbindung:<br />

NikMa Verlag<br />

Kreissparkasse Ludwigsburg<br />

Konto: 108 294<br />

BLZ: 604 500 50<br />

IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94<br />

BIC: SOLADES1LBG<br />

Titelfoto:<br />

Twiggy:<br />

© Interfoto/Mary Evans Adams Picture Library<br />

Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechte -<br />

inhaber der abgedruckten Fotos zu erreichen.<br />

Leider ist dies nicht in allen Fällen gelungen.<br />

Ggf. möchten bisher unbekannte Urheber<br />

ihre Ansprüche geltend machen. GoodTimes<br />

<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt! Weiterverwendung<br />

aller in GoodTimes <strong>kult</strong>! erschienenen<br />

Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />

nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />

gestattet.<br />

Gerichtsstand: Stuttgart<br />

Story &<br />

Poster<br />

Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />

Sie halten die mittlerweile zehnte Ausgabe von <strong>kult</strong>! in Händen<br />

– und die Themen gehen nicht aus! Einmal mehr können Sie im<br />

umfassenden Tagebuch" eines Jahres schmökern – diesmal von<br />

"<br />

1964, dem Höhepunkt des Baby Booms – und an Dinge zurückdenken,<br />

die Sie vielleicht selbst miterlebt haben oder aus Erzählungen Älterer kennen.<br />

Genau zehn Jahre später räumten Abba dann beim Grand Prix Eurovision de la<br />

Chanson im englischen Brighton ab, Grund genug, weshalb wir Ihnen das Jubiläum<br />

zusammen mit dem damaligen Augenzeugen Wolfgang Bubi" Heilemann ins<br />

"<br />

Gedächtnis rufen.<br />

Die Schwerpunktthemen Musik, Fußball – wir widmen uns dieses Mal ausführlich<br />

dem FC Schalke 04 –, Film (Kino wie Fernsehen) und Autos liefern wieder exquisites<br />

Reminiszenzen-Lesefutter, mit dem wir uns gemeinsam mit Ihnen auf eine nostalgische,<br />

aber keineswegs verklärende Reise in die Vergangenheit begeben wollen.<br />

Und: Kultiges wurde einst nicht nur im deutschen Westen geschaffen. Auch in der<br />

DDR entstand ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts vieles, was bis heute nachwirkt<br />

und inzwischen längst einen ganz eigenen Kult-Charakter entwickelt hat: Sei es die<br />

bis heute laufende TV-Serie Polizeiruf 110", sei es Spielzeug, das einst vom VEB<br />

"<br />

Kombinat Spielwaren Sonneberg kreiert wurde – beiden widmen wir uns in dieser<br />

Ausgabe ausführlich.<br />

Wer übrigens Teil 3 unserer Mode-Serie vermisst, der braucht sich keine Sorgen zu<br />

machen. In der kommenden Ausgabe 11 von <strong>kult</strong>! geht es mit den 70er Jahren weiter.<br />

Bleiben mir wieder einmal drei Bitten an Sie: Lassen Sie uns wissen, wie Ihnen diese<br />

<strong>kult</strong>!-Ausgabe gefallen hat, erzählen Sie ruhig in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis<br />

von unserem Magazin – und schreiben Sie uns, über welche zum Kult gewordenen<br />

Themen Sie in einer unserer nächsten Ausgaben gerne etwas lesen würden ...<br />

Fabian Leibfried<br />

-Herausgeber/Chefredakteur-<br />

www.facebook.com/goodtimes<strong>kult</strong><br />

PS: Ab sofort ist <strong>kult</strong>! auch mit einer eigenen Seite bei facebook vertreten. Dort haben<br />

Sie die Möglichkeit, sich mit uns, aber vor allem auch mit anderen <strong>kult</strong>!-Lesern<br />

auszutauschen. Wir sind gespannt, was sich künftig daraus entwickeln wird, und freuen<br />

uns auf Ihre Postings.<br />

<strong>kult</strong>! Nr. 11 erscheint am 17.10.2014<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 3


Ausgabe April 2014<br />

2/2014 (Nr. 10)<br />

INHALT<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial/Impressum<br />

4 Inhaltsverzeichnis<br />

5 Top 5: Sportler<br />

Mitarbeiter & Prominenz<br />

6 News from the past<br />

Altes neu ausgepackt<br />

15 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />

33 <strong>kult</strong>! Shop<br />

83 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />

47 Schalke 04/Abba<br />

Riesenposter<br />

95 Leserbriefe<br />

<strong>kult</strong>!<br />

60er · 70er · 80er<br />

Seite 16<br />

Seite 20 Seite 22<br />

2<br />

16 Mercedes-Benz<br />

30 Jahre C-Klasse<br />

20 Boule & Bill<br />

Auf den Hund gekommen<br />

22 Zigaretten-Reklame der 70er Jahre<br />

Von Weltenbummlern und Lebenskünstlern<br />

26 40 Jahre Playmobil<br />

2,7 Milliarden Franken erobern die Kinderzimmer<br />

29 Sugus<br />

Leckere Reise in die Kindheit<br />

30 Hard Rock Cafe<br />

Mit Eric Claptons Gitarre fing alles an<br />

32 Dem Täter auf der Spur<br />

Mörderjagd als Ratequiz<br />

34 Gesprengte Ketten<br />

Hollywood in Deutschland – Spurensuche vor Ort<br />

37 Jürgen von Manger<br />

Adolf Tegtmeiers Sicht der Dinge<br />

38 Kultbücher<br />

Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

40 Genre Musikfilm<br />

Der Sound der prägenden Jahre: Easy Rider" & Co.<br />

"<br />

44 Abba – 40 Jahre "Waterloo"<br />

Mit dem Grand Prix fing alles an<br />

46 Spuk unterm Riesenrad<br />

Kult-DDR-Fernsehserie der 70er Jahre<br />

56 Yamaha XT 500<br />

Die Mutter aller Enduros<br />

58 VEB Kombinat – Spielwaren Sonneberg<br />

Der ewige Traum der kleinen Mädchen<br />

62 Schalkes 72er-Elf<br />

Junge Wilde" in Königsblau<br />

"<br />

63 Erwin Kremers<br />

Interview<br />

Seite 58<br />

Seite 29<br />

Seite 72<br />

Seite 56<br />

Seite 26<br />

unterm<br />

Riesenrad<br />

Seite 46<br />

110<br />

P L<br />

Seite 68<br />

POLIZEIRUF<br />

S<br />

Seite 96<br />

66 Flammendes Inferno<br />

Wie ein Katastrophenfilm die Kinozuschauer<br />

in Angst und Schrecken versetzte<br />

68 Polizeiruf 110<br />

Tatort"-Konkurrenz aus dem Osten<br />

"<br />

70 Brehms Tierleben<br />

Alfred Brehm und seine sprachgewaltigen<br />

Tierporträts<br />

72 Twiggy<br />

Das ikonografische Gesicht der Sixties<br />

74 Der NAD 3020<br />

Ein HiFi-Verstärker mischt den Markt auf<br />

und wird zur Legende<br />

76 Das Jahr 1964<br />

Beat boomt, Bier fließt, Sepp geht<br />

80 Steiff – Knopf im Ohr<br />

Der Siegeszug der Stofftiere<br />

82 Schnitzler gegen Löwenthal<br />

Der Kalte Krieg auf der Mattscheibe<br />

84 <strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong><br />

Uwe Hübner erinnert sich an die<br />

spannenden Neunziger<br />

86 Lederhosen-Filme<br />

Als die Alm ein Sündenpfuhl war<br />

88 Josef Göhlen<br />

" Biene Maja", Captain Future",<br />

Timm Thaler"<br />

"<br />

& Co.<br />

"<br />

90 Klaus Dill<br />

Der Mann, der die legendären Bessy"-<br />

Titelbilder schuf<br />

"<br />

92 Pin-ups heben die Moral<br />

Über eine oft totgesagte Kunstform,<br />

die in den letzten Jahren ein Revival erlebt<br />

96 Der Rote Kosar<br />

Unter der Totenkopf-Flagge über<br />

die Weltmeere<br />

98 Valerian & Veronique<br />

Reisen in neue Dimensionen<br />

Seite 4 ■ GoodTimes 2/2014


TOP 5<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Sportler<br />

1. Gerd Müller (Fußball)<br />

2. Mark Spitz (Schwimmen)<br />

3. Klaus Fischer (Fußball)<br />

4. Egon Müller (Speedway)<br />

5. Kremers-Zwillinge (Fußball)<br />

Fabian Leibfried<br />

1. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />

2. Bob-Team Jamaika (1988) (Bobsport)<br />

3. Sepp Maier (Fußball)<br />

4. Ulrike Meyfarth (Leichtathletik)<br />

5. Michael Groß (Schwimmen)<br />

Sven Rachner<br />

1. Alberto Juantorena (Leichtathletik)<br />

2. Meinhard Nehmer (Bobsport)<br />

3. Teófilo Cubillas (Fußball)<br />

4. Hans-Joachim Hartnick (Radsport)<br />

5. Günter Netzer (Fußball)<br />

Jens-Uwe Berndt<br />

1. Sepp Maier (Fußball)<br />

2. Max Morlock (Fußball)<br />

3. Joachim Deckarm (Handball)<br />

4. Heide Rosendahl (Leichtathletik)<br />

5. Erhard Keller (Eisschnelllauf)<br />

Philipp Roser<br />

1. Petar Radenkovic (Fußball)<br />

2. Muhammad Ali (Boxen)<br />

3. Eddy Merckx (Radsport)<br />

4. Martina Navrátilová (Tennis)<br />

5. Sergei Makarow (Eishockey)<br />

Horst Berner<br />

1. Lou Gehrig (Basketball)<br />

2. Muhammad Ali (Boxen)<br />

3. Pelé (Fußball)<br />

4. Magic Johnson (Basketball)<br />

5. Arnold Schwarzenegger (Bodybuilding)<br />

Roland Schäfli<br />

1. Natalja Bestemjanowa / Andrei Bukin (Eiskunstlauf)<br />

2. Scott Hamilton (Eiskunstlauf)<br />

3. Paul Breitner (Fußball)<br />

4. Günter Netzer (Fußball)<br />

5. Steffi Graf (Tennis)<br />

Kathrin Bonacker<br />

1. Günter Netzer (Fußball)<br />

2. Heide Rosendahl (Leichtathletik)<br />

3. Joachim Deckarm (Handball)<br />

4. John McEnroe (Tennis)<br />

5. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />

Oliver Schuh<br />

1. Zinédine Zidane (Fußball)<br />

2. Pelé (Fußball)<br />

3. Jesse Owens (Leichtathletik)<br />

4. Eddy Merckx (Radsport)<br />

5. Hope Solo (Fußball)<br />

Lothar Brandt<br />

1. John Akii-Bua (Leichtathletik)<br />

2. Gabriela Sabatini (Tennis)<br />

3. Abdel-Kader Zaaf (Radsport)<br />

4. Fausto Coppi (Radsport)<br />

5. Jim Clark (Motorsport)<br />

Ulrich Schwartz<br />

1. Wolfgang Graf Berghe von Trips (Motorsport)<br />

2. Michael Schumacher (Motorsport)<br />

3. Muhammad Ali (Boxen)<br />

4. Franz Beckenbauer (Fußball)<br />

5. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />

Teddy Hoersch<br />

1. Franz Beckenbauer (Fußball)<br />

2. Steffi Graf (Tennis)<br />

3. Uwe Seeler (Fußball)<br />

4. Christina Obergföll (Leichtathletik)<br />

5. Jens Lehmann (Fußball)<br />

Christian Simon<br />

1. Die elf 1972 in München ermordeten israelischen Athleten<br />

2. Jacky Icks (Motorsport)<br />

3. Joachim Deckarm (Handball)<br />

4. George Foreman (Boxen)<br />

5. Edwin Moses (Leichtathletik)<br />

Andreas Kötter<br />

1. Muhammad Ali (Boxen)<br />

2. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />

3. Mark Spitz (Schwimmen)<br />

4. Paul Breitner (Fußball)<br />

5. Günter Netzer (Fußball)<br />

Alan Tepper<br />

1. Hans Günter Winkler (Springreiten)<br />

2. Steffi Graf (Tennis)<br />

3. Katarina Witt (Eiskunstlauf)<br />

4. Franziska van Almsick (Schwimmen)<br />

5. Rosi Mittermeier (Skisport)<br />

Andrea Leibfried<br />

1. Steffi Graf (Tennis)<br />

2. Karl-Heinz Förster (Fußball)<br />

3. Michael Schumacher (Motorsport)<br />

4. Carl Lewis (Leichtathletik)<br />

5. Muhammad Ali (Boxen)<br />

Jörg Trüdinger<br />

1. Martin Naumann (Radsport)<br />

2. Muhammad Ali (Boxen)<br />

3. Steffi Graf (Tennis)<br />

4. Katarina Witt (Eiskunstlauf)<br />

5. Mark Spitz (Schwimmen)<br />

Kati Naumann<br />

1. Jochen Rindt (Motorsport)<br />

2. Mark Spitz (Schwimmen)<br />

3. Jackie Stewart (Motorsport)<br />

4. Paul Breitner (Fußball)<br />

5. Muhammad Ali (Boxen)<br />

Jürgen Wolff<br />

1. Claus-Dieter Wollitz (Fußball)<br />

2. Rein van Duijnhoven (Fußball)<br />

3. Michael Edwards »Eddie The Eagle« (Skispringen)<br />

4. Henri Leconte (Tennis)<br />

5. Jan Åge Fjørtoft (Fußball)<br />

1. Joe Montana (Football)<br />

2. Muhammad Ali (Boxen)<br />

3. Jackie Stewart (Radsport)<br />

4. Bernhard Langer (Golf)<br />

5. Rudi Altig (Radsport)<br />

Thorsten Pöttger<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 5<br />

Rainer<br />

Bonhof<br />

Fotos: © Horstmueller


DVDs + BLU-RAYs<br />

20.000 MEILEN UNTER DEM<br />

MEER<br />

Mit dieser Veröffentlichung erlebt der Stummfilmklassiker<br />

aus dem Jahr 1916 seine deutsch<br />

synchronisierte Weltpremiere. Zur Zeit seiner<br />

Entstehung gehörte dieser<br />

Film mit seinen zahlreichen<br />

Spezialeffekten zu den ersten<br />

Highlights, präsentierte<br />

Universal Studios dem Kinopublikum<br />

schier unglaubliche<br />

Bilder. Die Story: Ein<br />

Team von Wissenschaftlern<br />

untersucht eine Reihe<br />

von Störungen im Meer, von denen man glaubt,<br />

dass sie ein See-Ungeheuer ausgelöst haben<br />

soll. Doch bald finden sie heraus, dass es sich<br />

bei der Ursache für diese Phänomene nicht um<br />

eine Kreatur, sondern um das Unterseeboot des<br />

hasserfüllten Kapitäns Nemo handelt. Klasse<br />

Service: Neben der deutschen Synchronfassung<br />

kann man 20.000 Meilen unter dem Meer" auch<br />

"<br />

in der originalen Stummfilmfassung genießen.<br />

(Starmovie/edel, 2 x 100 Min.)<br />

ROOM 237<br />

Warum trägt der kleine Danny in Stanley Kubricks<br />

The Shining" (1980) einen Apollo-<br />

"<br />

11-Pullover? Warum sind ständig Backpulverdosen<br />

mit einem auffälligen Indianerkopf im<br />

Bild? Was geschah wirklich in Zimmer Nummer<br />

237 des eingeschneiten<br />

Berghotels? Die geheimnisvolle<br />

Verfilmung von<br />

Stephen Kings gleichnamigem<br />

Horror roman (mit<br />

Jack Nicholson, Shelley<br />

Duval u.a.), hat einen Haufen<br />

interpretationswütiger<br />

Bilderdeuter, Cineasten<br />

und Verschwörungstheoretiker auf den Plan<br />

gerufen. Einige von ihnen kommen in der mit<br />

vielen Preisen ausgezeichneten und von Kritikern<br />

hoch gelobten Doku Room 237" (Regie:<br />

"<br />

Rodney Ascher) zu Wort. Wer bisher meinte,<br />

den Kultklassiker gut zu kennen, wird einiges<br />

Erhellendes sehen oder auf wunderbare Art<br />

noch mehr verwirrt werden. Rapid Eye Movies<br />

bringt die Doku nun auf DVD heraus.<br />

(Alive, 99 Min.)<br />

ZWEI WIE PECH UND<br />

SCHWEFEL<br />

Mit "<br />

Zwei wie Pech und Schwefel" gibt es nun<br />

einen der besten Bud-Spencer/Terence-Hill-<br />

Filme auch als Blu-ray in restaurierter HD-<br />

Qualität. In diesem Kinofilm zeigen die beiden<br />

Schauspieler einmal mehr, warum sie in den<br />

70er Jahren das Maß der Dinge waren, wenn es<br />

um Actionkomödien ging. Zusammen mit Top-<br />

Schauspieler Manuel de Blas (als Berufskiller<br />

Paganini) und unterlegt mit<br />

einem genialen Soundtrack<br />

von Oliver Onions gibt es<br />

jede Menge knochentrockene<br />

Prügeleien, coole<br />

Sprüche und verrückte Actionszenen.<br />

Die Story um<br />

die es dabei geht, ist relativ<br />

banal: Die beiden Haudegen<br />

Ben und Kid kommen bei einem Crash-Car-<br />

Rennen gleichzeitig ins Ziel und sollen den Gewinn<br />

eines Strandbuggys durch ein Wettessen<br />

mit Würstchen und Bier klären. Als dann aber<br />

die Schläger eines Möchtegern-Ganoven (John<br />

Sharp) das Vehikel verschrotten, haben diese<br />

ihre Rechnung ohne Ben und Kid gemacht, die<br />

nur eines wollen: einen Buggy, rot mit gelbem<br />

Häubchen!<br />

(3L-homevideo, 101 Min.)<br />

TOMS ABENTEUER<br />

Tom Sawyer ist bekanntermaßen für jeden<br />

Streich zu haben – wenn er seiner Tante Polly<br />

und ihren Standpauken entwischen kann. Und da<br />

geteilter Spaß bekanntlich<br />

doppelter Spaß ist, kommen<br />

ihm die besten Ideen dann<br />

in den Kopf, wenn er zusammen<br />

mit seinem Freund<br />

Huckleberry Finn unterwegs<br />

ist. Aber natürlich haben<br />

die beiden Lausbuben nicht<br />

dauernd Blödsinn im Kopf;<br />

wenn es sein muss, zeigen sie auch bei ernsten<br />

Themen, dass man sich auf sie verlassen kann.<br />

1937 wurde dieser sympathische Film im kalifornischen<br />

Culver City gedreht, hatte in den USA<br />

1938 Premiere und kam 1954 in die deutschen<br />

und österreichischen Kinos.<br />

(Inter-Pathe/edel, 86 Min.)<br />

from the past<br />

THE GREAT AMERICAN<br />

WEST OF JOHN FORD<br />

Mit Hauptdarstellern wie John Wayne, Henry<br />

Fonda, Lee Marvin, James Stewart oder<br />

Richard Widmark, mit Filmen wie Früchte "<br />

des Zorns", Rio Grande", Der schwarze Falke",<br />

Der Mann der Liberty Wallace erschoss"<br />

"<br />

" "<br />

und Das war der Wilde<br />

"<br />

Westen" wurde der 1973<br />

verstorbene amerikanische<br />

Filmregisseur John Ford<br />

schon zu Lebzeiten zur Legende.<br />

Zahlreiche Schauspielerkollegen<br />

und Produzenten<br />

äußern sich in der<br />

1971 entstandenen Doku<br />

The Great American West Of John Ford" zu<br />

"<br />

seinem Lebenswerk, die einen höchst interessanten<br />

Einblick in Fords Arbeitsweise ermöglicht<br />

und damit auch hinter die Kulissen seiner<br />

Westernklassiker blicken lässt.<br />

(Starmovie/edel, 52 Min., dt. und engl.)<br />

CLAN DER SIZILIANER +<br />

CAPONE<br />

Mit diesen beiden Filmen gibt es nun zwei der<br />

bekanntesten Gangsterklassiker erstmals in High<br />

Definition als Blu-ray. Im Der Clan der Sizilianer"<br />

von Henri Verneuils aus dem Jahr 1969<br />

"<br />

spielt Jean Gabin einen einflussreichen<br />

Mafiaboss, den<br />

es zurück zu seiner Familie<br />

nach Sizilien zieht. In seinem<br />

Schlepptau der zum Tode verurteilte<br />

Killer Roger Sartet<br />

(Alain Delon), den der Mafiaboss<br />

mit Hilfe seiner beiden<br />

Söhne aus dem Gefängnis<br />

befreit hat. Kommissar Le Goff (Lino Ventura)<br />

nimmt die Verfolgung der Verbrecher auf, bis es<br />

zum Showdown kommt. Ein<br />

Film, der immer noch durch<br />

seine hervorragende Besetzung<br />

und seine klasse Story<br />

begeistert. Sechs Jahre<br />

später, 1975, widmeten sich<br />

Produzent Roger Corman<br />

und Regisseur Steve Carver<br />

mit Al Capone einem der<br />

legendären Verbrecher der amerikanischen Geschichte.<br />

Ben Gazarra spielt den skrupellosen<br />

Boss, der sich, unterstützt vom Italo-Amerikaner<br />

Frank Nitti (Sylvester Stallone), an die Spitze der<br />

Chicagoer Unterwelt ballert, wo er zum uneingeschränkten<br />

Herrscher über Prostitution, Glücksspiel<br />

und Alkoholschmuggel wird – bis er die<br />

erste Schwäche zeigt ...<br />

(Twentieth Century Fox, 125 + 101 Min.)<br />

SHERLOCK HOLMES<br />

DAS ZEICHEN DER VIER & DER HUND<br />

VON BASKERVILLE<br />

Seit mehr als einem Jahrhundert fasziniert Sherlock<br />

Holmes Krimifans in aller Welt. Zusammen<br />

mit seinem Assistenten Dr. Watson jagt der eigenwillige<br />

Detektiv mit Pfeife und Tweedmütze<br />

Ganoven, Betrüger und Mörder, knackt Codes,<br />

kombiniert, hinterfragt und<br />

verfolgt auch jede noch so<br />

kleine Spur. Die britischen<br />

Verfilmungen der beiden Episoden<br />

Das Zeichen der Vier"<br />

"<br />

und Der Hund von Baskerville"<br />

mit Ian Richardson und<br />

"<br />

David Healy in den Hauptrollen<br />

gehören zu Recht zu den gelungensten<br />

Verfilmungen von Sherlock-Holmes-Fällen.<br />

Nach der 2009er DVD-Veröffentlichung dieses<br />

Doppelpacks erscheinen die beiden spannenden<br />

Kriminalfälle nun erstmals als Full-HD Blu-ray.<br />

(Starmovie/edel, 200 Min.)<br />

Seite 6 ■ GoodTimes 2/2014


SHARK ATTACK<br />

Schier unerschöpflich ist die Flut der Hai- "<br />

Filme", die, inspiriert von Steven Spielbergs<br />

" Der weiße Hai" ( Jaws", 1975), über Kinos<br />

"<br />

und Videotheken hereinbrach. Gigantisch auch<br />

die qualitative Spannweite dieser Streifen, von<br />

billigen B-Movies über halb-dokumentarische<br />

Machwerke bis zu ernsthaften<br />

Herausforderern; zu<br />

Letzteren gehört der 1999<br />

entstandene Film<br />

" Shark<br />

Attack". Darin erhält der<br />

Meeresbiologe Steve Mc-<br />

Kray die Nachricht, dass<br />

sein Freund Mark DeSantis<br />

Opfer eines Hais wurde.<br />

Um sich Klarheit zu verschaffen, reist Mc-<br />

Kray ins afrikanische Port Amanzi, begleitet<br />

von DeSantis hübscher Schwester Corinne. In<br />

der Küstenstadt erfahren die beiden, dass sich<br />

dort in letzter Zeit grausige Hai-Angriffe häufen.<br />

Doch bald stellt sich auch heraus, dass dort<br />

nicht nur die Haie gefährlich sind, ein paar Ganoven<br />

richten mit Chemikalien und Korruption<br />

großes Unheil an.<br />

(Paragon Movies, 92 Min.)<br />

IM LAND DER SIOUX<br />

Zwei Western dieser Dreier-Box stammen aus den<br />

50er Jahren, einer aus den 70ern: 1954 entstand<br />

ohne großes Staraufgebot<br />

Die Rache des Sitting Bull",<br />

"<br />

dessen Titel zwischenzeitlich<br />

in Die letzte Schlacht<br />

"<br />

der Sioux" geändert wurde,<br />

da dieser wohl besser zum<br />

Inhalt passt, der legendären<br />

Schlacht zwischen Colonel<br />

Custer und der Sioux am<br />

Little Big Horn. Ein Jahr später entstand Die vier "<br />

Gesetzlosen", eine klassische Banditengeschichte<br />

um die vier Brüder Frank, John, Clint und Bill<br />

(u.a. dargestellt von Randolph Scott und Forrest<br />

Tucker), die nicht nur Eisenbahnen und Banken<br />

ausrauben sondern auch noch die Bewohner ihrer<br />

kleinen Heimatstadt terrorisieren – bis der<br />

Geheimagent James Barlow ihrem Treiben ein<br />

Ende macht. 1973 entstand mit Burt Lancaster<br />

in der Hauptrolle der Italowestern Spiel mir das<br />

"<br />

Lied der Rache", in dem er als (typisch guter)<br />

Adoptivsohn eines Ranchers immer wieder auf<br />

die Probe gestellt wird und sich gegen die hinterlistigen<br />

Fallen des (typisch bösen) leiblichen<br />

Sohnes beweisen muss ...<br />

(Starmovie/edel, 258 Min.)<br />

MARYLIN MONROE<br />

COLLECTOR'S EDITION<br />

Kurz vor ihrem Durchbruch, 1951, spielte Marylin<br />

Monroe eine kleine Rolle im amerikanischen<br />

Low-Budget-Drama "<br />

Home-Town-Story". Dieser<br />

Film – in den Hauptrollen Jeffrey Lynn und<br />

Alan Hale Jr. – ist ebenso<br />

Bestandteil dieser DVD-<br />

Box wie die beiden Dokumentationen<br />

The Story Of<br />

"<br />

Marylin Monroe" und Die "<br />

ersten Jahre der Monroe". In<br />

25 bzw. knapp 20 Minuten<br />

konzentrieren sich diese beiden<br />

Dokus vor allem auf die frühen Jahre der<br />

Schauspielerin, zeigen Bilder aus ihrem Privatleben,<br />

ihren Filmen und von ihren Auftritten bei<br />

zahlreichen gesellschaftlichen Anlässen.<br />

(Inter Pathe/edel, 160 Min.)<br />

SAHARA<br />

Dieses Wüstenabenteuer<br />

spielt in den 20er Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts.<br />

Dales (gespielt von<br />

Brooke Shields) Vater<br />

stirbt bei einer Testfahrt<br />

mit seinem selbst gebauten<br />

Rennwagen, mit dem er<br />

am härtesten Autorennen der Welt teilnehmen<br />

wollte. Dale beschließt, den Lebenstraum ihres<br />

Vaters zu Ende zu bringen, da Frauen aber<br />

die Teilnahme an diesem Rennen verboten ist,<br />

nimmt sie als Mann verkleidet daran teil. Aus<br />

heutiger Sicht wirkt die 80er-Jahre-Darstellung<br />

des gnadenlosen Konkurrenzkampfes der<br />

Teams, der Hitze, der Sandstürme sowie des<br />

Kriegs der verfeindeten Wüstenstämme fast<br />

unfreiwillig komisch, andererseits sind es ja<br />

genau diese (Hollywood-)Überzeichnungen,<br />

die solch einen Film zum Kultobjekt machen.<br />

Neben Brooke Shields sind in "<br />

Sahara" noch<br />

John Rhys-Davies, Horst Buchholz und Lambert<br />

Wilson (als Scheich) zu sehen, für die<br />

Filmmusik war kein Geringerer als Ennio<br />

Morricone verantwortlich.<br />

(Breu Media, 106 Min.)<br />

POPEYE DER SEEMANN &<br />

SEINE FREUNDE<br />

Popeye, dieser sympathisch bescheidene Held<br />

mit einem Faible für Spinat aus der Dose, wurde<br />

schon 1929 in die Welt gesetzt und gehört<br />

bis heute zu den weltweit beliebtesten Comicfiguren.<br />

Der kantige Seemann ist ein Underdog<br />

mit ebenso niedriger Reizschwelle<br />

wie starkem Gefühl<br />

für Gerechtigkeit und<br />

Fairplay. Über vier Stunden<br />

lang zeigt die Zeichentrickserie<br />

Popeye der Seemann<br />

"<br />

& seine Freunde", wie er<br />

sich für seine Freundin Olivia<br />

einsetzt, wie er zusammen<br />

mit seinen Kameraden Bluto, Swee' Pea und<br />

J. Wellington so manches actionreiche Abenteuer<br />

überstehen muss.<br />

(Starmovie/edel, 283 Min.)<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 7<br />

OLIVER TWIST<br />

Mit Stummfilm-Stars wie Dickie Moore ( "<br />

Die<br />

kleinen Strolche") und Clyde Cook ( "<br />

Dick<br />

und Doof") verfilmte William J. Cowen 1933<br />

in den USA den Charles-<br />

Dickens-Klassiker "<br />

Oliver<br />

Twist". Erzählt wird dabei<br />

die Geschichte des Waisenkindes<br />

Oliver, der als<br />

billige Arbeitskraft zu einer<br />

Familie geschickt wird.<br />

Schnell flüchtet er von dort<br />

und macht sich auf den Weg<br />

nach London. Dort macht er auf der Straße die<br />

Bekanntschaft von The Artful Dodger, der ihn<br />

zu Fagins Bande bringt. Der Junge fühlt sich<br />

schnell heimisch, zum ersten Mal in seinem<br />

Leben kümmern sich Menschen um ihn. Fagin<br />

führt ihn in die Kunst des Taschendiebstahls<br />

ein, für Oliver ist es nicht mehr als ein lustiges<br />

Spiel. Bei einem Diebstahlszug mit der<br />

Bande durch die Stadt wird Oliver dann von<br />

Mr. Brownlow erwischt. Der nette Herr nimmt<br />

Oliver, statt ihn der Polizei zu übergeben, mit<br />

zu sich nach Hause, wo er sich zusammen mit<br />

seiner Nichte Rose rührend um ihn kümmert.<br />

Doch Oliver wird bald von seiner Vergangenheit<br />

eingeholt, und Fagins Diebesbande benutzt<br />

ihn, um bei Mr. Brownlow einzubrechen.<br />

Oliver wird in den Wirren des Einbruchs angeschossen<br />

und muss um sein Leben bangen,<br />

doch am Ende landet die Bande im Gefängnis.<br />

Oliver besucht dort Fagin ein letztes Mal, kurz<br />

vor dessen Hinrichtung. Ein Film, der nicht<br />

nur Dickens' Geschichte klasse erzählt, sondern<br />

der auch mit seiner nostalgischen Atmosphäre<br />

überzeugen kann.<br />

(Inter-Pathe/edel, 65 Min.)<br />

POMPEI – DER UNTERGANG<br />

Tragische Geschichten über Liebe, Krieg,<br />

Morde und Verschwörungen vor der Kulisse<br />

des drohenden Vulkanausbruchs<br />

des Vesuv – der<br />

italienische Regisseur (und<br />

Spezialist für Historienfilme)<br />

Giulio Base packte<br />

2008 allerlei Erzählstränge<br />

in seinen Film Pompei – "<br />

Der Untergang". Neben<br />

Maurizio Aiello, Fabrizio<br />

Bucci und Maria Grazia Cucinotta gibt es dabei<br />

auch ein Wiedersehen mit Giuliano Gemma,<br />

dem legendären italienischen Schauspieler,<br />

der zu seinen Glanzzeiten in den 70er Jahren<br />

( Auch die Engel essen Bohnen") mit einem<br />

"<br />

einzigen Blick aus seinen stahlblauen Augen<br />

ein ganzes Kinopublikum in seinen Bann<br />

schlagen konnte und im Oktober letzten Jahres<br />

nach einem Autounfall in seiner italienischen<br />

Heimat verstorben ist.<br />

(Paragon Movies, 186 Min.)


from the past<br />

GENIE DES BÖSEN<br />

THE MOST DANGEROUS GAME<br />

Bis heute gilt dieser 1932 entstandene Film mit<br />

dem Originaltitel The Most Dangerous Game"<br />

"<br />

als eines der gruseligsten und spannendsten<br />

Frühwerke des Kinos. Endlich<br />

gibt es Genie des Bösen",<br />

so der deutsche Titel<br />

"<br />

(mit der Filmlegende Fay<br />

Wray aus King Kong"<br />

"<br />

in einer Hauptrolle) auch<br />

in der US Special Edition<br />

mit viel Bonus-Material.<br />

Die Story: Dem russischen<br />

Sportjäger Graf Zaroff tappen auf seiner einsamen<br />

Insel ahnungslose Überlebende eines<br />

Schiffbruchs in die Falle. Da der Graf schrecklich<br />

gelangweilt davon ist, immer nur auf Tiere<br />

zu schießen, eröffnet er aus Spaß am Töten die<br />

Jagd auf die Gestrandeten. In diesem wahnsinnigen<br />

Spiel fällt seine erste Wahl auf Robert<br />

Rainsford und Eve Trowbridge. Die Gestrandeten<br />

sind auf der mysteriösen Insel auf sich<br />

alleingestellt und müssen von nun an einen Weg<br />

finden, den wahnsinnigen Grafen in diesem lebensgefährlichen<br />

Spiel auszutricksen. Die Hetzjagd<br />

durch die Nacht nimmt ihren unheilvollen<br />

Lauf! Also genau das Richtige für Fans von Filmen<br />

wie Theater des Grauens", Fleisch" oder<br />

" "<br />

Auf der Jagd". Enthält zwei DVDs, auf der es<br />

"<br />

neben dem Originalfilm (erstmals in Farbe und<br />

in deutscher Sprache) auch noch massig Bonus-<br />

Material gibt, darunter eine restaurierte S/W-<br />

Version mit Audiokommentar, eine Trailershow,<br />

Bildergalerie und Interviews mit Tricktechniker<br />

Ray Harryhausen sowie den Schauspielern John<br />

Morgan und James D'Arc.<br />

(Starmovie/edel, 2 DVDs 253 Min.)<br />

SESAMSTRASSE CLASSICS<br />

DIE 80er JAHRE<br />

Seit 1973 begeistert die "<br />

Sesamstraße" Jung<br />

und Alt, längst ist der Pionier unter den Kindersendungen<br />

Kult geworden. Zu Beginn wurden<br />

die halbstündigen Folgen aus den USA übernommen<br />

und für die deutsche Ausstrahlung lediglich<br />

synchronisiert. Ab Januar 1978 startete<br />

dann eine eigene "<br />

deutsche Sesamstraße" als<br />

Rahmenhandlung, die das<br />

Studio Hamburg des NDR<br />

in Wandsbek produzierte.<br />

Bei dieser neuen Kulisse<br />

handelte es sich aber – im<br />

Gegensatz zum US-Original<br />

– weniger um eine<br />

Wohnstraße als vielmehr<br />

um eine Art offenes Haus.<br />

Der Mittelpunkt war dabei eine Küche mit Theke<br />

und Hockern davor. Auch die Hauptdarsteller änderten<br />

sich, von nun an waren es zwei Menschen<br />

und zwei Puppen. Bei den Menschen handelte<br />

es sich um Schauspieler, die meist mit ihren<br />

wirklichen Vornamen auftraten. Zunächst übernahmen<br />

Henning Venske und Liselotte (Lilo)<br />

Pulver diesen Part, später folgten unter anderem<br />

Ilse Biberti, Gernot Endemann (Schorsch), Manfred<br />

Krug, Uwe Friedrichsen, Hildegard Krekel<br />

(Bettina), Ute Willing und Horst Janson. Für die<br />

beiden Puppen entstanden die Charaktere Samson<br />

und Tiffy – bis 1983 gespielt und geprägt<br />

von Peter Röders und Kerstin Siebmann-Röders.<br />

Weiterhin dabei waren natürlich auch die Einspielfilme<br />

mit (den US-Figuren) Erni und Bert,<br />

Graf Zahl, Grobi, Kermit, Lulatsch, Mumpitz,<br />

Oscar, Robert und Schlemihl, als rein deutsche<br />

Puppen kamen nach und nach Herr von Bödefeld,<br />

Finchen und Rumpel hinzu. Ein fester Bestandteil<br />

des Konzeptes war es, die Zuschauer<br />

hinter die Kulissen des Fernsehens blicken zu<br />

lassen, also die Regie- und Kamera-Arbeit sowie<br />

die (damaligen) Möglichkeiten visueller Trickverfahren<br />

aufzuzeigen und ins Geschehen einzubinden.<br />

So konnten die Sesamstraßen-Stars zum<br />

Beispiel trockenen Fußes auf eine Südseeinsel<br />

wandern und erst danach die Regie bitten, jetzt<br />

das Wasser einzublenden. Auf zwei DVDs präsentiert<br />

"<br />

Sesamstraße Classics – Die 80er Jahre"<br />

nun drei Stunden lang das Beste aus den Jahren<br />

1980 bis 1989, zusätzlich zu den zahllosen Episoden<br />

gibt es noch digital restaurierte Originalfolgen<br />

in ganzer Länge zu sehen. Ein absolutes<br />

Highlight-Programm mit vielen Klassikern von<br />

Ernie, Bert, Samson, Tiffy, Oscar, Grobi, Krümelmonster<br />

und Co., das dicke Booklet liefert<br />

die Hintergrundinformationen dazu.<br />

(Studio Hamburg Entertainment/edel,<br />

180 Min.)<br />

DIE TODESGRUFT DES<br />

DR. JEKYLL<br />

In diesem Low-Budget-Horrorstreifen aus<br />

dem Jahr 1957 vermischt sich die klassische<br />

Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Story<br />

mit allerlei Themen aus<br />

anderen Gruselgeschichten,<br />

von Werwölfen über<br />

einen mysteriösen Fluch<br />

bis zu Vollmond-Alpträumen<br />

(inklusive blutverschmiertem<br />

Nachthemd!).<br />

Ganz klar kann man solche<br />

Filme heutzutage nicht mehr so ernst wie<br />

zu ihrer Entstehungszeit nehmen, doch gerade<br />

diese unfreiwillige Komik, diese Art,<br />

das Böse auf eine heute nicht mehr übliche<br />

Art und Weise darzustellen, macht das Besondere<br />

dieser Produktionen aus, und dafür<br />

ist "<br />

Die Todesgruft des Dr. Jekyll" eines der<br />

besten Beispiele. Die aktuelle DVD liefert<br />

die deutsche Kinofassung erstmals komplett<br />

restauriert und bietet mit Kinotrailer, Fotogalerie<br />

und Filmprogammheft auch zusätzliches<br />

Material.<br />

(Inter-Pathe/edel, 85 Min.)<br />

VATER WIRD ES RICHTEN<br />

Elizabeth Taylor, Spencer Tracy, Joan Bennett<br />

und Don Taylor spielen die Hauptrollen<br />

in dieser amerikanischen Kinokomödie aus<br />

dem Jahr 1951, die ursprünglich unter dem<br />

Titel Ein Geschenk des Himmels" in die<br />

"<br />

deutschen Kinos kam und<br />

eine Fortsetzung der höchst<br />

erfolgreichen<br />

Komödie<br />

Vater der Braut" war. Die<br />

"<br />

nun veröffentlichte DVD-<br />

Version heißt Vater wird "<br />

es richten", und das ist<br />

auch das Motto des Großvaters<br />

in spe (Paraderolle<br />

für Spencer Tracy), dem weder die Liebeswahl<br />

seiner Tochter (Liz Taylor) noch seine<br />

künftige familiäre Position zusagt. Während<br />

alle anderen sehnsüchtig der Ankunft des<br />

neuen Erdenbürgers entgegensehen, muss er<br />

sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen.<br />

Doch nach der Geburt – und nach einem unbeabsichtigten<br />

Ausflug von Opa und Enkel<br />

zur Polizei – ist das Eis gebrochen, nimmt der<br />

Familienpatriarch seine neue Rolle an. Und<br />

richtig glücklich ist er, als er erfährt, dass der<br />

junge Stammhalter sogar seinen Vornamen<br />

tragen soll! Leicht verspielte Komödie in der<br />

"<br />

Nähe des Schwankhaften, glänzend gespielt<br />

und inszeniert", so urteilt das Lexikon des<br />

"<br />

internationalen Films".<br />

(Starmovie/edel, 78 Min.)<br />

ESTHER<br />

ONE NIGHT WITH THE KING<br />

Aus dem Jahr 2006 stammt diese indischamerikanische<br />

Produktion, in der ein wahres<br />

Staraufgebot die biblische<br />

Geschichte um Königin Esther<br />

darstellt. Omar Sharif,<br />

Peter O'Toole, John-Rhys<br />

Davies, Luke Goss, John<br />

Noble und Tiffany Dupont<br />

sind die Hauptpersonen<br />

dieser opulenten Verfilmung,<br />

in der sich Königin<br />

Waschti weigert, ihrem Mann, dem persischen<br />

König Xerxes, zu gehorchen. Sie wird daraufhin<br />

vom Hof verbannt, und König Xeres<br />

sucht im persischen Reich nach einer Frau, die<br />

Waschtis Stelle als Königin einnehmen soll. Er<br />

findet sie in der Waise Hadassa, die von ihrem<br />

Onkel erzogen wird. Hadassa fürchtet sich, als<br />

Jüdin diskriminiert zu werden, und nennt sich<br />

von nun an Esther. Im Palast erfährt sie, dass<br />

der Hauptkämmerer des Königs plant, alle Juden<br />

im persischen Reich zu töten. Doch mit<br />

ihrem Charme und ihrem ganzen Mut gelingt<br />

es ihr, den Plan aufzudecken. Um dieses Ereignisses<br />

zu gedenken, feiern die Juden auch<br />

heute noch alljährlich das Purimfest.<br />

(Starmovie/edel, 118 Min.)<br />

Seite 8 ■ GoodTimes 2/2014


DIE ERSCHAFFUNG DER<br />

WELT<br />

Gott, ein liebenswürdiger alter Mann, entschließt<br />

sich dazu, aus dem absoluten Nichts<br />

innerhalb von sechs Tagen etwas zu erschaffen.<br />

Mit himmlischer Inspiration und unterstützt<br />

von drei Engeln erschafft<br />

er das All, den Himmel und<br />

die Erde, das Wasser, die<br />

Sonne, den Mond und die<br />

Sterne, erfindet Pflanzen,<br />

Tiere und schließlich den<br />

Menschen: Adam und Eva –<br />

und das alles gegen den Widerstand<br />

der listigen kleinen<br />

roten Teufelchen, die nichts unversucht lassen,<br />

um Gottes Werk zu sabotieren. Doch der liebe<br />

Gott lässt sich bei seiner Arbeit nicht beirren<br />

und vollendet seine Schöpfung wie geplant, so<br />

dass er sich am siebten Tag erschöpft in die<br />

Sonntagsruhe zurückziehen kann. Vier Jahre<br />

lang arbeitete Anfang der 50er der 1982 verstorbene<br />

französische Autor und Karikaturist<br />

Jean Effel zusammen mit den Trickfilmstudios<br />

Prag an dieser heiter-ironischen Schöpfungs-<br />

MA BARKER'S<br />

KEINE BANK WAR VOR IHR SICHER<br />

Mit neuem DVD-Titel wird der von Regisseur<br />

Bill Karn 1960 in Szene gesetzte Gangsterfilm<br />

Ma Barker's Killer Brood" nun neu veröffentlicht.<br />

Zuvor war der Schwarz/Weiß-Kultstrei-<br />

"<br />

fen, in dem Ma Barker (Lurene Tuttle) und ihre<br />

vier Söhne in den 30er Jahren mit Kidnapping,<br />

Morden und Überfällen den Süden und den<br />

Mittleren Westen der Vereinigten Staaten unsicher<br />

machten, unter dem<br />

deutschen Titel Die gnadenlosen<br />

Killer" bekannt. "<br />

Ein Film, der sich frei am<br />

Leben der realen Ma Barker<br />

orientiert, die gemeinsam<br />

mit ihrer Familie ab 1930<br />

für zahlreiche Verbrechen<br />

verantwortlich war und<br />

1935 zusammen mit ihrem Sohn Freddie bei<br />

einem 45-minütigen Schusswechsel in Florida<br />

getötet wurde. Für den jungen FBI-Direktor<br />

J. Edgar Hoover damals ein wichtiger Erfolg,<br />

nach eigenen Worten hatte das FBI noch nie so<br />

gefährliche Verbrecher wie die Barker-Bande<br />

gejagt ...<br />

(Starmovie/edel, 90 Min.)<br />

JAMES STEWART<br />

COLLECTION<br />

Prall gefüllt mit über dreieinhalb Stunden<br />

Laufzeit kommt die James Stewart Collection"<br />

daher. Zu sehen gibt "<br />

es drei Filme des amerikanischen<br />

Schauspielers,<br />

Ein ideales Paar" (1939),<br />

"<br />

Die goldene Stunde"<br />

"<br />

(1941) sowie Herrscher "<br />

über deine Flügel" (1942).<br />

Der erste Film zeigt Stewart<br />

als jungen, ambitionierten<br />

Rechtsanwalt in New York. Frisch<br />

verheiratet, hoch verschuldet, dazu noch der<br />

Einzug der Schwiegermutter und eine geplatzte<br />

Beförderung: das alles sorgt für Dauerärger,<br />

der sich dann noch verschärft, als nach der Geburt<br />

des ersten Sohnes seine Frau gezwungen<br />

ist, zur Arbeit zu gehen. Doch James Stewart<br />

wäre nicht James Stewart, wenn er da nicht<br />

herauskäme. Auch im zweiten Film zeigt er<br />

sein Talent für leichte, romantische Rollen, im<br />

dritten Streifen kann man ihn dabei erleben,<br />

wie er Nachwuchs für die Army rekrutiert.<br />

(Inter Pathe/edel, 215 Min.)<br />

ELMO<br />

DAS MUSICAL<br />

Was wäre, wenn Elmo ein Flugzeugpilot, ein<br />

Bergsteiger oder ein Cowboy wäre? Er probiert<br />

es aus. In der Serie "<br />

Elmo – das Musical" schlüpft<br />

er in die unterschiedlichsten Rollen und erlebt in<br />

jeder Folge ein tolles Abenteuer. Dabei besteigt<br />

die beliebte Figur aus der<br />

Sesamstraße" den Mount<br />

" Everest, bereist als Cowboy<br />

den Wilden Westen<br />

oder sucht als Kapitän eines<br />

Segelschiffes den rosafarbenen<br />

Wal Moby Pink"<br />

"<br />

auf den Weltmeeren. Wie es<br />

sich für ein richtiges Musical gehört, ist das Ganze<br />

untermalt von toller Musik, die zum Mitsingen,<br />

Mittanzen und Mitmachen animiert. Zehn Folgen<br />

der aus dem Kinderkanal bekannten Serie gibt es<br />

zu sehen, darunter Der Bergsteiger und der Yeti",<br />

"<br />

" Das Flugzeug zum Südpol", Pizza zum Mars",<br />

"<br />

" Cowboy im Wilden Westen", Der Prinz und der<br />

"<br />

Drache" sowie Elmos Zirkustraum".<br />

"<br />

(Studio Hamburg Entertainment/edel,<br />

125 Min.)<br />

DAS KOM(M)ÖDCHEN<br />

DIE ÄRA KAY UND LORE LORENTZ<br />

Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen gehört ohne<br />

Zweifel zu den renommiertesten Kabarettbühnen<br />

Deutschlands. Seit 1947 deckt die freche<br />

Literatenbühne mit analytischem Spott den<br />

Opportunismus der deutschen Nachkriegsge-<br />

g<br />

sellschaft auf. Hochkarätige<br />

Autoren und Kabarettisten<br />

plädieren für Toleranz<br />

und demokratische<br />

Werte, parodieren engstirnige<br />

Politiker ebenso wie<br />

Wohlstands-berauschte<br />

Wirtschaftswunder-Bürger.<br />

Diese 6-DVD-Edition<br />

zeigt Höhepunkte aus der Ära Kay und Lore<br />

Lorentz aus den Jahren 1960 bis 1989. Und man<br />

glaubt es kaum: Die historischen Programme<br />

erscheinen heute aktueller denn je; was immer<br />

das Kom(m)ödchen aufs Korn nahm – seine<br />

Kritik an Fehlentwicklungen, Irrwegen und<br />

populistischer Anbiederung trifft heute immer<br />

noch zu. Denn Rüstungswahnsinn, Kriminalität,<br />

Neo-Nazis, Umweltverschmutzung, ungerechte<br />

Vermögensverteilung, krankes Gesundheitswesen<br />

und vieles andere mehr sind uns<br />

über all die Jahre erhalten geblieben! Über 17<br />

Stunden erstklassiges Kabarett mit Lachgarantie<br />

und dazu noch ein freudiges Wiedersehen<br />

mit legendären Kabarettisten wie Lore Lorentz,<br />

Ernst H. Hilbich, Thomas Freitag und Harald<br />

Schmidt. Als Extra gibt es ein 40-seitiges<br />

Booklet mit ausführlichen Informationen zu<br />

den politischen Hintergründen der Programme,<br />

gewürzt mit zahlreichen Szenenfotos.<br />

(Tacker Film/Alive, 6 DVDs, 1062 Min.)<br />

DICK & DOOF<br />

MEGABOX LACHPARADE XXL<br />

Ohne neues Material, dafür aber mit rund<br />

20,– € unschlagbar günstig, so präsentiert sich<br />

diese voluminöse 11-DVD-Megabox. "<br />

Dick &<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 9<br />

Doof", unter diesem Namen kennt man das USamerikanische<br />

Komiker-Duo Stan Laurel und<br />

Oliver Hardy. Zwischen 1926 und 1951 drehten<br />

sie zusammen über hundert Filme. Während<br />

Oliver Hardy sich hauptsächlich als Schauspieler<br />

in die gemeinsame Arbeit einbrachte, galt<br />

Stan Laurel als der kreative Kopf des Duos.<br />

Er entwickelte nicht nur zahlreiche der legendären<br />

Gags und Drehbücher,<br />

sondern führte bei den<br />

meisten Filmen auch Regie<br />

und arbeitete am Schnitt.<br />

Die dominierenden Stilmittel<br />

ihrer Komik sind das<br />

vorhersehbare Scheitern an<br />

zumeist lösbaren Aufgaben<br />

sowie die physische<br />

Zerstörung von Inventar. Typisch ist hierbei<br />

auch, dass sich die beiden Protagonisten gegenseitig<br />

großen Schaden zufügen und dieses<br />

jeweils mit stoischer Fassung über sich ergehen<br />

lassen. Mit dem Tod von Oliver Hardy 1957<br />

endete die Karriere des erfolgreichen Duos.<br />

Stan Laurel wurde 1960, fünf Jahre vor seinem<br />

Tod, mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet.<br />

Auf vier DVDs ( Die Schatztruhe", Raritäten",<br />

Frühe Kunstwerke" und Verborgene<br />

" "<br />

" "<br />

Perlen") gibt es zahlreiche Kurzfilme zu sehen,<br />

dazu die Langfilme Der Zauberer von<br />

"<br />

Oz", Der Wes ten von Hot Dog", Robinson-<br />

" "<br />

Crusoe-Land", Fliegende Teufelsbrüder" und<br />

"<br />

"Rache im Wunderland". Zusätzlich sind mit<br />

der Laurel/Hardy-Biografie und Als die Bilder<br />

"<br />

laufen lernten" noch zwei interessante Dokumentationen<br />

enthalten.<br />

(Starmovie/edel, 1000 Min.)


from the past<br />

geschichte, der die Jury des Dokumentar- und<br />

Kurzfilm-Festivals Venedig 1958 einen Sonderpreis<br />

verlieh, wobei ihn päpstliche Beobachter<br />

in besonderem Maße gotteslästerlich" nannten<br />

"<br />

und in ihm viel eher eine groteske Verhöhnung<br />

der Heiligen Schrift" sahen – heutzuta-<br />

"<br />

ge kann man dies natürlich weit entspannter<br />

sehen. Da vor kurzem die lange verschollene<br />

DDR-Fassung wieder aufgetaucht ist, kann<br />

man sich Die Erschaffung der Welt" in zwei<br />

"<br />

unterschiedlichen Versionen ansehen: entweder<br />

mit der originalen, tschechischen Tonspur oder<br />

in der deutschen Defa-Synchronisation.<br />

(Universal, 83 Min., Deutsch<br />

und Tschechisch)<br />

CLASSIC WESTERN<br />

Riesig ist der Fundus, in dem sich immer wieder<br />

DVD-Neuveröffentlichungen finden lassen.<br />

Häuptling der Apachen" (1957, 73 Min.)<br />

"<br />

kam 1958 (noch mit dem<br />

Titel Rebell der roten<br />

"<br />

Berge") erstmals in die<br />

deutschen Kinos, mit Lex<br />

Barker wartet dieser Film<br />

mit einem prominenten<br />

Hauptdarsteller auf, der<br />

kurz darauf in den Karl-<br />

May-Filmen Old Shatterhand<br />

spielte. Nachdem die Originalsynchronisation<br />

1965 bei einem Brand vernichtet wurde,<br />

existierten nur noch die TV-Tonspuren. Mit<br />

Hilfe verschiedener Kinokopien konnte nun<br />

allerdings fast der komplette Film restauriert<br />

werden, so dass er jetzt<br />

erstmals in der Kino-Synchronisation<br />

von 1958 erscheint.<br />

Joel McCrea spielt<br />

in Duell in Dodge City"<br />

"<br />

(1959, 78 Min.) einen Revolvermann,<br />

der durch den<br />

Tod seines Bruders – der<br />

kurzzeitig den Job des<br />

Sheriffs in Dodge City innehatte – geläutert<br />

wird und alles daran setzt, dem gesetzlosen<br />

und gewalttätigen Treiben in dieser Stadt ein<br />

Ende zu machen. Als DVD/Blu-ray-Doppelpack<br />

sind nun in der gleichen Reihe zwei Filme<br />

mit Lee Van Cleef erschienen. Von Mann zu<br />

"<br />

Mann" (1967, 110 Min.) zeigt ihn als Rachebesessenen<br />

Revolverheld,<br />

der in der Jugend durch<br />

ein Massaker seine gesamte<br />

Familie verloren<br />

hat. Zusammen mit einem<br />

Leidensgenossen macht er<br />

sich auf die Suche nach den<br />

Mördern, die mittlerweile<br />

zu reichen und mächtigen<br />

Bürgern aufstrebender Städte geworden sind.<br />

Auch wenn die beiden darum konkurrieren,<br />

wer seine Rache zuerst ausleben darf, im entscheidenden<br />

Moment halten sie zusammen.<br />

Der wohl bekannteste dieser vier Filme dürfte<br />

Sabata" (1969, 102 Min.) sein, in dem Lee<br />

" Van Cleef von Kollegen<br />

wie William Berger, Pedro<br />

Sanchez, Nick Jordan<br />

und Linda Veras unterstützt<br />

wird. (Italo-)klassisch der<br />

Plot, bei dem ein geheimnisvoller<br />

Fremder (... der<br />

zu viel weiß") in der Stadt<br />

"<br />

auftaucht. Natürlich wollen<br />

ihn die nach außen hin unbescholtenen Bürger<br />

zum Schweigen bringen, allerdings haben sie<br />

die Rechnung ohne seinen schnellen Colt gemacht.<br />

Die Macher dieses Films genießen ihre<br />

"<br />

eigene Gerissenheit, ein Genuss, den sie auf ihren<br />

Titelhelden und damit schließlich auch auf<br />

das Publikum übertragen. Das Rezept, einen<br />

Hauch von Irrealität über den Film zu legen,<br />

indem man alles auf die Spitze treibt, wird hier<br />

mit gutem Erfolg angewendet", schreibt Joe<br />

Hembus in seinem Westernlexikon – dem ist<br />

nichts hinzuzufügen.<br />

(Explosive Media/Alive, 4 DVDs)<br />

RICHARD LÖWENHERZ<br />

Auf zwei DVDs liefert Richard Löwenherz"<br />

"<br />

sämtliche 13 (von insgesamt) 39 Folgen der<br />

britischen TV-Serie Richard The Lionheart",<br />

"<br />

die Anfang der 60er Jahre im deutschen Fernsehen<br />

liefen. Sie spielen in England im zwölften<br />

Jahrhundert, wo schon wenige Tage nach<br />

seiner Krönung der mutige Richard Löwenherz<br />

– rechtmäßiger Thronfolger seines verstorbenen<br />

Vaters König Henry – damit beginnt,<br />

zahlreiche Missstände in seinem Königreich<br />

zu beseitigen. Doch unter der Führung von<br />

Sir Bertram haben sich einige heruntergekommene<br />

Landbarone, die hauptsächlich von<br />

Plünderung und Straßenraub leben, zu einer<br />

Verschwörung zusammengeschlossen. Sie<br />

wollen den neuen König beseitigen, da er ihnen<br />

mit seinen Bestrebungen, Recht und Ordnung<br />

im Lande wiederherzustellen,<br />

ein Dorn im Auge<br />

ist. Doch auch sein Bruder,<br />

der intrigante Prinz John,<br />

trachtet Richard nach dem<br />

Leben, ebenso wie König<br />

Philip von Frankreich und<br />

Leopold von Österreich.<br />

Ebenso herrliche wie nostalgische<br />

Serienunterhaltung,<br />

deren 60er-Jahre-Schwarz/Weiß-Charme hier<br />

so richtig zum Tragen kommt, noch dazu ein<br />

Wiedersehen mit Schauspielern wie Dermot<br />

Walsh (als Richard), Trader Faulkner (als sein<br />

Bruder John bzw. Philip von Frankreich), Sheila<br />

Whittingham (Lady Berengaria) und Francis<br />

De Wolff (Leopold von Österreich).<br />

(Studio Hamburg Enterprises/Alive, 325 Min.)<br />

ÜBER SIEBEN BRÜCKEN<br />

MUSST DU GEHN<br />

Über sieben Brücken musst du gehn", fast jeder<br />

"<br />

kennt diesen Song von Peter Maffay. Dass dieser<br />

im Original von der Band Karat stammt, das<br />

dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben,<br />

doch dass dieses Lied der Titelsong<br />

eines DDR-Fernsehfilmes<br />

aus dem Jahr 1978 war,<br />

dürfte für viele bisher unbekannt<br />

gewesen sein. Helmut<br />

Richter schrieb Mitte der<br />

70er Jahre die tragische Liebesgeschichte<br />

über den Polen<br />

Jerzy, der in der DDR nicht<br />

nur Kühltürme baut, sondern<br />

sich auch in die Kraftwerkslaborantin Gitta verliebt.<br />

Zunächst scheint auch alles problemlos zu<br />

laufen, doch dann kommt die deutsch-polnische<br />

Vergangenheit ins Spiel, werden alte Wunden<br />

neu aufgerissen. Regisseur Hans Werner schlug<br />

für die Filmmusik den Keyboarder und Hauptkomponisten<br />

von Karat, Ulrich Swillms, vor,<br />

der Gittas inneren Kampf, ihre Zerrissenheit<br />

zwischen Kummer und Hoffnung in die mittlerweile<br />

legendären Textzeilen umsetzte. Die gehen<br />

auf eine alte polnische Legende zurück, in der<br />

geschildert wird, dass eine Mutter ihr krankes<br />

Kind über sieben Brücken tragen muss, damit es<br />

wieder gesund wird.<br />

(Studio Hamburg Enterprises/Alive, 80 Min.)<br />

BUD SPENCER<br />

DIE KULT BOX<br />

Wenn einem Schauspieler<br />

schon eine so voluminöse<br />

Kult Box" gewidmet wird,<br />

"<br />

dann muss diese natürlich in<br />

<strong>kult</strong>! kurz vorgestellt werden.<br />

Dass der 1929 in Neapel geborene<br />

Schauspieler Bud Spencer<br />

unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli<br />

1952 als Schwimmer an den Olympischen Spielen<br />

teilgenommen hatte, sah man ihm im Laufe<br />

seiner Filmkarriere nicht mehr an, vielmehr war er<br />

geradezu dazu prädestiniert, in zahlreichen Italo-<br />

Western und (oft zusammen mit Terence Hill) in<br />

jeder Menge Actionkomödien den ebenso dickköpfigen<br />

wie gutmütigen Charakter darzustellen,<br />

der den Großteil seiner Probleme schlagkräftig"<br />

"<br />

löst. Die 10-DVD-Kult-Box beinhaltet zehn Bud-<br />

Spencer-Filme aus den 70er/80er Jahren, von Banana<br />

Joe" (1981) über Bud der Ganovenschreck"<br />

"<br />

"<br />

(1982) und vier Filme seiner Der Dicke ..."-Reihe<br />

bis zu Wenn man vom Teufel spricht (1991).<br />

"<br />

"<br />

Sechs der zehn Filme wurden extra für diese Box<br />

neu digital remastert, dazu gibt es noch auf jeder<br />

DVD das Bonus-Material der jeweiligen Einzelveröffentlichung.<br />

Ideal also, um Sammlungslücken<br />

zu füllen, zumal man mit deutlich unter fünf<br />

Euro pro DVD dabei ist.<br />

(3L Film GmbH, 10 DVDs, 950 Min.)<br />

Seite 10 ■ GoodTimes 2/2014


Bücher + Comics<br />

1001 FILME, DIE SIE SEHEN<br />

SOLLTEN, BEVOR DAS<br />

LEBEN VORBEI IST<br />

Von Steven Jay Schneider<br />

2013, Edition Olms<br />

ISBN 978-3-28301-161-1<br />

960 Seiten; 29,95 Ð<br />

In der beliebten "<br />

1001"-Reihe, in der auch das<br />

empfehlenswerte "<br />

1001 Alben" erschienen ist,<br />

wurde nun die mittlerweile zehnte und aktualisierte<br />

Auflage der "<br />

1001 Filme" publiziert.<br />

Der prächtige Band richtet sich sowohl an den<br />

Filmkenner als auch an den Laien, der sein Wissen<br />

anreichern möchte. Von der Steinzeit ( "<br />

Die<br />

Reise zum Mond", 1902) bis hin zu aktuellen<br />

Blockbustern wie "<br />

Django Unchained" (2012)<br />

oder "<br />

Lincoln" erfährt man nicht nur wichtige<br />

Daten (unter anderem Produzent,<br />

Drehbuch, Musik<br />

Darsteller), sondern erhält<br />

auch eine kritische<br />

Zusammenfassung, die<br />

den jeweiligen Streifen<br />

gerecht wird, ohne dabei<br />

in intellektuelle Gefilde<br />

zu entschwinden. Hunderte<br />

von Abbildungen der Schauspieler oder<br />

von Plakaten unterstreichen die Aussagen und<br />

visualisieren die verschiedensten Genres wie<br />

den Historienfilm, den Krimi, Science Fiction<br />

oder den Liebesfilm. Ein Buch mit einem unschlagbaren<br />

Preis/Leistungsverhältnis.<br />

1001 AUTOS, VON DENEN<br />

SIE TRÄUMEN SOLLTEN,<br />

BEVOR DAS LEBEN VORBEI<br />

IST<br />

Von Simon Heptinstall<br />

2013, Edition Olms<br />

ISBN 978-3-28301-159-8<br />

960 Seiten; 29,95 Ð<br />

Nach einem Vorwort des Pink-Floyd-Drummers<br />

Nick Mason darf der Leser sich auf eine<br />

Reise in die faszinierende Welt der fahrbaren "<br />

Untersätze" begeben. Neben den wichtigsten<br />

technischen Details ergänzen fast immer Fotos<br />

der Modelle den Text und gelegentlich historisches<br />

Bildmaterial wie<br />

<strong>kult</strong>ige Anzeigen oder<br />

Fotos aus der freien " Wildbahn". Eines wird<br />

schnell klar: Nach den<br />

ersten, noch eher unbeholfenen<br />

Versuchen um<br />

circa 1900 punkteten<br />

Design und Praktikabilität<br />

schon ab bden 20er Jahren. Ein Bugato Typ<br />

50, der Alfa Romeo 8C 2900B, ein Studebaker<br />

Speedster oder der unvergessliche Eldorado<br />

Cadillac haben alle das Prädikat sexy verdient.<br />

Doch vergleichbare Prachtexemplare<br />

wurden auch noch bis Mitte der Neunziger<br />

produziert wie zum Beispiel der DeLorean<br />

DMC-12 mit Flügeltüren oder der nur in kleinen<br />

Stückzahlen gefertigte Figaro von Nissan.<br />

Wer nach der Lektüre dieses informativen<br />

und zugleich nostalgischen Bandes moderne<br />

Autos nicht mit einem abgeklärt-spöttischen<br />

Gesichtsausdruck honoriert, hat keinerlei Gespür<br />

für Klasse und Design! Was gab es schon<br />

für leidenschaftlich entworfene und schicke<br />

Automobile – herrlich!<br />

WIR KINDER DER 80er<br />

PORTRÄT EINER UNTERSCHÄTZTEN<br />

GENERATION<br />

Von Christoph Quarch & Evelin König<br />

2013, Riemann Verlag, München<br />

ISBN 978-3-57050-154-2<br />

256 Seiten; 19,99 Ð<br />

Was ist ein Münztelefon? Wie bedient man<br />

einen Plattenspieler? Weckt der Anblick einer<br />

Bravo" nostalgische Gefühle? Wenn man diese<br />

"<br />

Fragen alle mit Ja" beantworten kann, dann<br />

"<br />

gehört man zu der Generation, die zwischen<br />

1960 und 1974 geboren wurde und immer noch<br />

rätselt, was sie tatsächlich<br />

ausmacht. Denn als<br />

die Kinder der 80er"<br />

"<br />

erwachsen wurden, waren<br />

die revolutionären<br />

Zeiten der 68er längst<br />

vorbei, und die nachfolgende<br />

Generation der<br />

Digital Natives" lag<br />

"<br />

noch schreiend in den Windeln. Ihre Jugend war<br />

die Zeit von Punks und Poppern, Müslis (wahlweise<br />

Ökos), von Cliquen, WGs und Interrail,<br />

von Neuer Deutscher Welle, Synthie-Pop<br />

und Kuschel-Rock, von Friedensbewegung,<br />

Tschernobyl ( Atomkraft – Nein Danke!") und<br />

"<br />

autofreien Sonntagen. Wir Kinder der 80er"<br />

"<br />

beleuchtet historische Ereignisse genauso wie<br />

private Begebenheiten, nimmt die Leser mit auf<br />

die Zeitreise in ein – aus heutiger Sicht – fern<br />

scheinendes Jahrzehnt. Mit Hilfe zahlreicher<br />

Spezialisten ( Expertenhearing") zeichnen<br />

"<br />

Christoph Quarch und Evelin König ein Psychogramm<br />

ihrer eigenen Generation, erinnern<br />

an ihre Musik, ihre Filme, ihr Lebensgefühl,<br />

aber auch an die historischen Ereignisse, die sie<br />

in dieser Zeit prägten. Mit vielen Abbildungen<br />

und Fotos, mit einem Lexikon für Nachgeborene",<br />

Prominenten-Fragebögen (u.a. beantwortet<br />

"<br />

von Moderatorin Stefanie Tücking und Sängerin<br />

Nicole) sowie mit Gastbeiträgen von Zeitzeugen<br />

wie Frank Elstner, Christian Schwarz-<br />

Schilling und Frank Laufenberg entsteht so ein<br />

Bild, das klarmacht, dass diese Generation weit<br />

mehr zu bieten hat, als sie selbst glaubt. Hier<br />

kann man dies schwarz auf Weiß nachlesen ...<br />

STUKENBROK<br />

HAUPTKATALOG 1912 & 1926<br />

Olms Verlag, Hildesheim<br />

ISBN 3-48708-047-8 & 3-48708-078-8<br />

237 Seiten & 176 Seiten; jeweils 15,80 Ð<br />

Aus seiner 1890 in Einbeck eröffneten Fahrradhandlung<br />

entwickelte August Stukenbrok relativ<br />

schnell ein weltweit agierendes Unternehmen mit<br />

rund 100 Beschäftigten, das<br />

schon um die letzte Jahrhundertwende<br />

erstmalig<br />

den Gedanken des Versandgeschäftes<br />

in Deutschland<br />

im großen Stil verwirklichte.<br />

Werbung machte das junge<br />

Unternehmen vor allem<br />

durch seine Kataloge, deren<br />

enorme Auflage von rund einer<br />

Million Exemplare kostenlos in ganz Deutschland<br />

verteilt wurde. Anfangs bestand der Katalog<br />

nur aus wenigen Seiten, doch jedes Jahr nahm Stukenbrok<br />

weitere Artikel auf, zunächst nur Radfahrer-Bedarfs-Artikel",<br />

dann aber auch Scheren, "<br />

Taschenmesser, Pfeifen, elektrische Klingelanlagen,<br />

Bürobedarfsartikel, Waschmaschinen,<br />

Gartenschläuche, Leiter- und Kastenwagen,<br />

Fußball- und Tennisartikel, alle Arten von Uhren,<br />

Schmuck, Besteck, Bierkrüge, Grammofone und<br />

Schallplatten, Musikinstrumente, Schusswaffen<br />

und Munition oder Fotographische Artikel" (also<br />

"<br />

Kameras und Fotoapparate). Immer wieder beeindruckend,<br />

mit welcher Detailgenauigkeit die<br />

einzelnen Artikel in den Katalogen abgebildet und<br />

beschrieben sind; sehr zu empfehlen ist auch das<br />

Studieren des Kleingedruckten, damals Lieferungsbedingungen<br />

und geschäftlicher Verkehr" "<br />

genannt, in denen sich Stukenbrok verpflichtet,<br />

nicht gefallene Ware innerhalb von 14 Tagen<br />

eventuell" (!) umzutauschen.<br />

"<br />

ABBA<br />

BACKSTAGE<br />

Von Ingmarie Halling<br />

2014, Heel Verlag, Königswinter<br />

ISBN 978-3-86852-878-7<br />

80 Seiten; 40,00 Ð<br />

Abba – auf kaum eine Popgruppe trifft die Bezeichnung<br />

Kultband" so sehr zu, wie auf das<br />

"<br />

schwedische Quartett aus Anni-Frid, Benny,<br />

Björn und Agnetha. Seit dem sensationellen Sieg<br />

ihres Songs "Waterloo" beim Eurovision Song<br />

Contest in Brighton 1974 begeistert ihre Musik<br />

ganze Generationen – und das weltweit. "Mamma<br />

Mia", "Dancing Queen", "Thank You For<br />

The Music" oder "Super Trouper", das sind nur<br />

einige der Welthits, deren unverwechselbarer<br />

Sound<br />

Abba unsterblich werden<br />

ließ. Ingemarie Halling,<br />

Kuratorin des Stockholmer<br />

Abba-Museums, hat<br />

die Band ab 1977 als Kos-<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 11


from the past<br />

tümbildnerin auf ihren Welttourneen begleitet<br />

und ist bis heute mit allen vier Abba-Mitgliedern<br />

befreundet. Ergänzt durch Anni-Frids, Bennys,<br />

Björns und Agnethas persönliche Erinnerungen<br />

und Anmerkungen erzählt sie spannende Anekdoten<br />

rund um die Plattenaufnahmen, über Kostüme,<br />

Reisen und Live-Auftritte von den Anfängen der<br />

Band bis zu den heutigen Film- und Musicalerfolgen<br />

von "<br />

Mamma Mia!". Mit zahlreichen exklusiven<br />

Privatfotos, herausnehmbaren Reprints von<br />

handgeschriebenen Notizen, Briefen, Songlisten<br />

und Kalendern sowie der 1977er "<br />

Tour-Bibel"<br />

mit allen Namen, Titeln und Auftrittsorten. Dazu,<br />

fein säuberlich in große Umschläge verpackt, gibt<br />

es Nachdrucke von Backstage-Pässen, Gepäckanhänger,<br />

Bühnenskripten, Eintrittskarten, Verträgen<br />

und Lohnabsprachen, Ersatzteillisten und<br />

und und ... Definitiv eine ebenso einzigartige wie<br />

höchst interessante Sammlung für alle Pop-Fans!<br />

DIE BESTEN FILME, DIE SIE<br />

NIE SEHEN WERDEN<br />

Von Simon Brand<br />

2014, Edition Olms, Zürich<br />

ISBN 978-3-28301-174-1<br />

256 Seiten; 29,95 Ð<br />

Ob von Hitchcock, Kubrick,<br />

Peckinpah, Spielberg<br />

oder Fellini, die Filmgeschichte<br />

ist voll von Meisterwerken,<br />

die nie das Licht<br />

des Vorführraums erblickten.<br />

Die besten Filme, die<br />

"<br />

Sie nie sehen werden" erzählt von den faszinierenden<br />

Hintergründen, die dafür verantwortlich<br />

sind. Von den Anfängen des zeitgenössischen<br />

Kinos mit Charlie Chaplins Return From St. Helena"<br />

bis zum Aus für Tony Scotts Potsdamer "<br />

"<br />

Platz" nach dem Selbstmord des Regisseurs im<br />

August 2012, blickt dieses Kompendium hinter<br />

die Kulissen von über 50 verlorenen" Filmen,<br />

"<br />

um nachvollziehbar zu machen, warum sie es nie<br />

bis zum Final Cut" geschafft haben. Beeindruckend<br />

zu lesen, wie akribisch Ray Harryhausens<br />

"<br />

" War Of The World" oder Stanley Kubricks " Napoleon"<br />

vorbereitet waren, nicht minder interessant,<br />

warum Brazzaville" – die Fortsetzung von<br />

"<br />

Casablanca" – und Steven Spielbergs Science-<br />

"<br />

Fiction-Gruselfilm Night Skies" auf der Strecke<br />

"<br />

blieben. Wie eng Glück und Pech beieinander<br />

liegen, zeigen nicht nur die Autorenfilmer Tim<br />

Burton und Joel & Ethan Coen; auch wenn man<br />

wie Paul Verhoeven beim Kreuzzug-Epos Crusade"<br />

eigentlich alles richtig macht, ist damit noch "<br />

lange nicht klar, ob man diesen Film je offiziell zu<br />

sehen bekommt. Illustriert werden die Geschichten<br />

von mitleidlosen Filmstudios, fragwürdigen<br />

Plots und vorzeitigem Ableben der Stars mit einer<br />

Unmenge von Fotos, Plakaten und Skizzen, dazu<br />

kommen Drehbuchauszüge, Storyboards sowie je<br />

ein fiktives, von modernen Grafikdesignern entworfenes<br />

Filmplakat. Ein Muss für Kinofreaks!<br />

DIE TITANIC BIBEL<br />

SEGEN, SÜNDEN, SAUEREIEN<br />

Von Leo Fischer<br />

2013, Rowohlt<br />

ISBN 978-3-87134-766-5<br />

320 Seiten; 25,00 Ð<br />

Für gläubige Leser, die auf<br />

religiöse Themen mit einer<br />

bestimmten Empfindsamkeit<br />

reagieren, ist dieses<br />

Buch Blasphemie pur.<br />

Andere wiederum werden<br />

die gesammelten Beiträge aus über 30 Jahren<br />

Titanic" (und neue Texte) als berechtigte, satirische<br />

und treffende Kirchenkritik auslegen. Von<br />

"<br />

Seitenhieben auf Papst Benedikt XVI. (Beispiel:<br />

Der Skandal um die Ausgabe Die undichte<br />

"<br />

Stelle ist gefunden") über bitterbös aufbereitete<br />

Themen wie Missbrauch, religiöse Geschichtsverklärung<br />

oder Beschneidung reicht die Palette<br />

der Texte mit den dementsprechenden Illustrationen,<br />

die mit dem für die Titanic" authentischen<br />

"<br />

Stil garniert werden. Umwerfend – wie alle Sonderbände<br />

des Magazins! Autoren wie Wiglaf<br />

Droste, Eckhard Henscheid oder Hans Zippert<br />

garantieren die hohe Qualität der Artikel und sahen<br />

sich nach Erscheinen des Buchs von einigen<br />

bereits in die Hölle verdammt – und das spricht<br />

wiederum für die Brisanz des Themas.<br />

GENERATION POP! ... HEAR<br />

ME, FEEL ME, LOVE ME!<br />

Von Meinrad Maria Grewenig<br />

2013, Edition Völklinger Hütte,<br />

Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg<br />

ISBN 978-3-88423-450-1<br />

196 Seiten; 19,70 Ð<br />

Mit rund 1500 Exponaten, Mitmach-Objekten<br />

und Multimedia-Zeugnissen ist Generation Pop"<br />

"<br />

das bedeutendste Ausstellungsprojekt der Gegenwart<br />

zum Phänomen Pop. Sechs Themenräume<br />

zur Pop<strong>kult</strong>ur der 50er, 60er, 70er bis hin zum<br />

21. Jahrhundert lassen das Lebensgefühl der Pop-<br />

Generation erlebbar werden. Für Kult-Objekte<br />

von Künstlern wie Elvis Presley, Elton John, Michael<br />

Jackson oder Eminem bietet die alte Gebläsehalle<br />

des Welt<strong>kult</strong>urerbes Völklinger Hütte<br />

das ideale Ambiente, lässt diese<br />

noch bis zum 15. Juni 2014 andauernde<br />

Ausstellung eine der<br />

wichtigsten Umbruchphasen<br />

unserer Zeit lebendig werden.<br />

Auf fast 200 Seiten bietet das<br />

großformatige Begleitbuch<br />

dieser Ausstellung einen ebenso<br />

bunten wie tiefen Blick auf<br />

das Phänomen Pop, renommierte Autoren wie<br />

Ernst Hofacker und Roland Helm sorgen für authentische<br />

Essays, von Edison ist schuld. Und<br />

"<br />

Elvis lebt." über Die E-Gitarre – Rakete zum<br />

"<br />

Flug in den Pop-Olymp" bis zu Post-Pop und<br />

"<br />

Cyberspace". Daneben laden Zeitschienen, gesellschaftspolitische<br />

Exkurse und Vorstellungen<br />

der Ikonen jedes Jahrzehntes zum ziellosen Blättern<br />

ein. Fazit: ein herrliches Buch, bei dem sich<br />

thematischer Anspruch, hochklassiger Inhalt und<br />

wunderschöne Gestaltung die Waage halten. Allerhöchste<br />

Empfehlung!<br />

DAS IST LEGENDÄR!<br />

DIE 66 BESTEN TV-SERIEN<br />

Von Valerie Höhne & Oliver Hüttmann<br />

2014, Knaur<br />

ISBN 978-3-42678-622-2<br />

320 Seiten; 9,99 Ð<br />

Wer erinnert sich nicht gerne an die alten Serien,<br />

die ab den 50er Jahren über die Mattscheibe<br />

flimmerten? Von Perry Mason" über Simon<br />

Templar", Flipper", Daktari" bis hin zu<br />

" "<br />

" "<br />

den drolligen Tony Randall"<br />

"<br />

und Jack Klugman in Männerwirtschaft",<br />

Die Muppet<br />

"<br />

"<br />

Show" oder Die Profis" reicht<br />

"<br />

der Reigen der von den beiden<br />

Autoren liebevoll zusammengestellten<br />

Übersicht. Neben<br />

einer Kurzbeschreibung fast<br />

aller relevanten Serien werden<br />

zahlreiche Streifen auch näher<br />

unter die Lupe genommen wie zum Beispiel<br />

" Drei Engel für Charlie", Raumschiff Enterprise"<br />

oder Quincy". Darüber hinaus gibt es<br />

"<br />

"<br />

am Ende des Buches ein amüsantes Ranking,<br />

bei dem unter anderem Die cleversten Detektive"<br />

und Die schönsten Kurven" etc. gewählt<br />

"<br />

"<br />

wurden. Positiv ist anzumerken, dass auch die<br />

Neuzeit mit Dr. House" oder Alias" vertreten<br />

" "<br />

ist. Klasse Buch, durch das der Leser einen unschätzbaren<br />

und humorvoll verpackten Informationsfundus<br />

erhält.<br />

WIE ES EINST WAR<br />

Von Thomas Blubacher<br />

2013, Insel<br />

ISBN 978-3-45835-972-2<br />

236 Seiten; 14,99 Ð<br />

Thomas Blubacher präsentiert in seinem Lexikon<br />

längst vergessene und aus heutiger Sicht manchmal<br />

skurril anmutende Gegenstände oder auch<br />

Sachverhalte aus der jüngeren<br />

Vergangenheit. Der Untertitel<br />

Schönes und Nützliches aus<br />

"<br />

Großmutters Zeiten" ist hier<br />

Programm. Neben der obligatorischen<br />

Schellackplatte,<br />

der Kaffeemühle (natürlich<br />

mit Kurbel), dem Donnerbalken,<br />

den Gamaschen oder der<br />

Hutnadel werden auch Berufe<br />

genannt (Besenbinder, Stellmacher), Lehrbücher<br />

zum Musizieren (Zupfgeigenhansel) und ehemals<br />

populäre Persönlichkeiten (Henny Porten,<br />

Hedwig Courths-Mahler). Leider sind nur wenige<br />

Illustrationen berücksichtigt worden. An die-<br />

Seite 12 ■ GoodTimes 2/2014


ser Stelle hätte sich der Leser mehr gewünscht,<br />

doch insgesamt kann der Band überzeugen, und<br />

zudem passt er gut in den "<br />

Affen". (Der Leser<br />

kann sich im Buch informieren, was es denn nun<br />

mit den "<br />

Affen" auf sich hat. Tipp: Er wurde von<br />

den Wandervögeln genutzt.)<br />

DER TATORT UND DIE<br />

PHILOSOPHIE<br />

Von Wolfram Eilenberger (Hrsg.)<br />

2014, Tropen, Stuttgart<br />

ISBN 978-3-60850-327-2<br />

220 Seiten; 17,95 Ð<br />

Neun Millionen Zuschauer sehen regelmäßig<br />

den Tatort", der sich seit dem Beginn in den<br />

"<br />

Siebzigern zu einer medialen Konstante entwickelt<br />

hat. Nun beleuchten Wolfram Eilenberger,<br />

Herausgeber des Philosophie Magazins", und<br />

"<br />

einige Kollegen die Reihe unter verschiedensten<br />

Gesichtspunkten. Das ist manchmal recht harter<br />

Stoff, bietet aber dafür interessante Denkansätze.<br />

Da werden die Titelmelodie<br />

unter die Lupe genommen,<br />

die Ermittler und deren Charakterzüge<br />

in einen gesamtgesellschaftlichen<br />

Zusammenhang<br />

gesetzt oder der kreative<br />

Prozess des Lösens eines Falls<br />

philosophisch thematisiert. Fragen<br />

über den Ursprung des Bösen<br />

und die Entwicklung eines<br />

normalen" Bürgers zu einem Täter oder die alles<br />

"<br />

entscheidende Frage Warum Tatort" werden in<br />

"<br />

dem Band erschöpfend behandelt und eröffnen<br />

Perspektiven. Fazit: Philosophie kann auch unterhaltsam<br />

sein und muss sich nicht im Akademiker-<br />

Fabulieren verlieren.<br />

LUCKY LUKE<br />

EIN STARKER WURF<br />

Von Achdé<br />

2014, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />

ISBN 978-3-77043-765-8<br />

46 Seiten; 12,00 Ð<br />

Lucky Luke, der glorreiche<br />

Westernheld, der schneller<br />

zieht als sein Schatten!<br />

Siegreich in zahllosen<br />

Duellen. Beschützer hilfsbedürftiger<br />

Ladys. Schrecken<br />

aller Viehdiebe und<br />

Falschspieler. Die gefährlichsten<br />

Killer bekommen weiche Knie, wenn<br />

dieser Mustercowboy zur Kanone ... pardon ...<br />

zur Schleuder greift. Zur Schleuder? Ja, denn mit<br />

Band 91, "<br />

Ein starker Wurf", geht Zeichner und<br />

Texter Achdé zurück in die Kindheit von Lucky<br />

Luke, erzählt in kurzen Episoden wie Hufeisen<br />

zu Zahnschmerzen führen können, dass coole<br />

Raucher durchaus heiße Präriebrände verursachen,<br />

sich ein Hase auch mal als Bär entpuppt,<br />

Indianer mit Geigen auf die Jagd gehen und<br />

dass sich ein Pferd die Hufe selbst beschlägt. So<br />

werden die Geschichten von Lucky Kid zur humorvollen<br />

Lehrzeit über die Sitten und Gebräuche<br />

des Wilden Westens lebendig, erklärt dieser<br />

Band anschaulich viele der Gepflogenheiten der<br />

stolzen Pioniere, lässt aber auch genügend Raum<br />

für die Abenteuer des jungen Lucky Kid mit seinen<br />

zahlreichen Freunden.<br />

ENDYMION<br />

Von Dan Simmons<br />

2014, Heyne, München<br />

ISBN 978-3-45331-517-4<br />

1406 Seiten; 21,99 Ð<br />

Der voluminöse Band ähnelt<br />

nicht nur vom Umfang her<br />

der<br />

" Foundation"-Trilogy<br />

von Isaac Asimov, sondern<br />

ist auch ähnlich weitgreifend<br />

angelegt. Er enthält die beiden<br />

Einzelromane Pforten der Zeit" und Die<br />

" "<br />

Auferstehung", also die beiden Werke, die die<br />

so genannte Hyperion-Saga fortführen. In ihnen<br />

beschreibt Simmons, einer der Hoffnungsträger<br />

der neuen Science Fiction, die Entwicklung der<br />

Menschheit, die sich einer Religion unterwirft.<br />

Aenea, die das Menschliche und ein neues<br />

Zeitalter symbolisiert, und ihr Beschützer Raul<br />

Endymion werden verfolgt und müssen fliehen.<br />

Es ist der Beginn einer Galaxien umspannenden<br />

Reise, die von Simmons packend und akribisch<br />

ausgearbeitet geschildert wird. Krankten viele<br />

der so genannten Space Operas der letzten Jahre<br />

unter den übermäßig dargestellten technologischen<br />

Aspekten, werden hier psychologische<br />

Dimensionen ausgeleuchtet. Endymion" hat<br />

"<br />

das Prädikat Moderner Kultklassiker" in allen<br />

"<br />

Bereichen verdient.<br />

1000 FUSSBALLTRIKOTS<br />

2013, edel Germany, Hamburg<br />

ISBN 978-3-84190-227-6<br />

208 Seiten; 14,95 Ð<br />

Da gibt es gar kein großes Drumherum-Gerede:<br />

Dieses farbenprächtige Buch ist Pflicht für Fußballfans!<br />

Denn es sind nicht nur die unzähligen<br />

Abbildungen unterschiedlicher Vereins- und Nationaltrikots<br />

aus allen möglichen Ländern (Finnland!,<br />

Malaysia!!, China!!!, Usbekistan!!!!), nein,<br />

neben dem unglaublichen Augenschmaus liefert<br />

1000 Fußballtrikots" auch die Storys dahinter,<br />

"<br />

warum die deutsche Nationalmannschaft<br />

in schlichtem<br />

Schwarz/Weiß spielt,<br />

was die vier Sterne auf<br />

dem Trikot des FC Bayern<br />

München bedeuten, warum<br />

Real Madrid das Kreuz aus<br />

seinem Wappen getilgt hat,<br />

warum die Italiener blaue<br />

Trikots tragen, warum die brasilianische Nationalmannschaft<br />

nach 30 Jahren ihre Trikotfarben<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 13<br />

ändern musste, wofür die Flammen im Emblem<br />

des Trikots des FC Liverpool stehen. Klasse Geschichten<br />

um die Stoffe, aus denen Fußballträume<br />

gemacht sind, vom langärmeligen, rosafarbenen<br />

"<br />

Fußball-Hemd" mit Krawatte (Juventus<br />

Turin, 1898) bis zum Hightechfaser-Shirt mit<br />

Zebramuster (Sporting Charleroi, 2013) gibt es<br />

hier 1000 der berühmtesten, schrägsten, interessantesten<br />

und <strong>kult</strong>igsten Trikots aus über 100<br />

Jahren und 150 Ländern zu sehen. Wow!<br />

MODE-KATALOG<br />

WARENHAUS A. WERTHEIM<br />

1903/1904<br />

Olms Verlag, Hildesheim<br />

ISBN 3-487-08196-2<br />

184 Seiten; 13,80 Ð<br />

Neben der in dieser Rubrik vorgestellten Firma<br />

Stukenbrok gab es natürlich noch mehr Händler,<br />

die sich vor über 100 Jahren im damals noch in<br />

den Kinderschuhen steckenden Versandbetrieb<br />

tummelten. In den (baulich überaus repräsentativen)<br />

Warenhäusern des Wertheim-Konzerns<br />

gab es die ausgefallensten Accessoires<br />

sowie die modischen<br />

Extravaganzen jener Zeit. Darüber<br />

hinaus bot Wertheim in seinen<br />

Versandkatalogen aber auch<br />

zahlreiche Dinge des täglichen<br />

Lebens an, hatte also neben<br />

allen Arten von Damen- und<br />

Herrenbekleidung auch Tischtücher,<br />

Bettgestelle, Gardinen, Möbel, Geschirr<br />

und Glaswaren, Lampen, Bücher, Portemonnaies,<br />

Hand- und Gürteltaschen, Kunstartikel,<br />

Puppen samt Zubehör, Spiel-Eisenbahnen, Zinnfiguren<br />

und Gesellschaftsspiele im Programm.<br />

So ist dieser Katalog nicht nur eine Reise in die<br />

Vergangenheit, viele Jugendstil-Sammler dürften<br />

durch ihn auch wichtige Aufschlüsse über die Datierung<br />

von so manchem Sammelstück erhalten.<br />

SCHAUPLATZ TATORT<br />

DIE ARCHITEKTUR, DER FILM UND<br />

DER TOD<br />

Von Udo Wachtveitl, Alexander Gutzmer,<br />

Guido Walter und Oliver Elser<br />

2013, Callwey Verlag, München<br />

ISBN 978-3-76672-052-8<br />

192 Seiten; 39,95 Ð<br />

Protzige Villen, düstere Tunnel, verwahrloste<br />

Hafengegenden, triste Wohnsilos: Kaum eine<br />

andere Krimireihe spielt so raffiniert mit Formen<br />

der räumlichen Darstellung wie der "<br />

Tatort".<br />

Dieses großformatige Buch zeigt, wie die<br />

Kultreihe Architektur und Urbanität nicht nur<br />

verarbeitet, sondern oft auch zum Hauptdarsteller<br />

macht. Die vier Autoren (darunter mit Udo<br />

Wachtveitl auch der "<br />

Tatort"-Kriminalhauptkommissar<br />

Franz Leitmayr) begeben sich auf die<br />

architektonische Spurensuche der erfolgreichsten<br />

deutschen Krimiserie. In spannenden Vor-


from the past<br />

Ort-Reportagen, fundierten Interviews (u.a. mit<br />

Architekt Stefan Behnisch sowie Regisseur Dominik<br />

Graf) und großen<br />

Bildstrecken decken sie<br />

auf, welche Rolle Stadt,<br />

Gebäude und Innenräume<br />

für Schimanski,<br />

Odenthal,<br />

Borowski<br />

und Co. schon immer<br />

spielten und bis heute<br />

spielen. Dazu noch Ob-<br />

servationen über die Arbeits- und Wohnsituationen<br />

der aktuellen Tatort"-Kommissare sowie<br />

"<br />

interessantes Insiderwissen der Filmemacher<br />

und wie für sie Architektur zum filmischen Stilmittel<br />

wird. Mal ein ganz anderer Blick auf den<br />

" Tatort"!<br />

80 JAHRE DONALD DUCK<br />

SONDEREDITION 1–4<br />

Von Walt Disney<br />

2014, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />

jeweils 304 Seiten; 8,00 Ð<br />

80 Jahre Donald Duck! Keine Frage, das klingt<br />

nach einer fantastischen Feier. Denn seit mehr<br />

als acht Jahrzehnten sorgt der sympathische Enterich<br />

im Verbund mit seiner Verwandtschaft und<br />

zahlreichen Freunden mit seinen Abenteuern für<br />

humorvolle Unterhaltung. Mit blauem Hut und<br />

Matrosenjäckchen ist er der Mittelpunkt von<br />

Entenhausen, liebevoll unterstützt von seinen<br />

drei Neffen Tick, Trick und Track. Was sie in<br />

dieser langen Zeit alles an Abenteuern erlebt<br />

haben, lässt sich natürlich<br />

nicht komplett in die vier Taschenbücher<br />

packen, die der<br />

Egmont Ehapa Verlag jetzt<br />

zur Feier dieses Jubiläums als<br />

Sonderausgabe veröffentlicht<br />

hat. Dafür wurden zahlreiche<br />

der besten Geschichten für die<br />

vier einzeln erhältlichen Bän-<br />

de ausgewählt, nehmen Donald<br />

Duck & Co. ihre großen und kleinen Leser mit<br />

auf Reisen – und haben für diesen besonderen<br />

Anlass sogar noch die eine oder andere deutsche<br />

Erstveröffentlichung mit im Gepäck!<br />

WORLD CUP 1930–2014<br />

Von Aczel<br />

2014, edel Germany, Hamburg<br />

ISBN 978-3-84190-275-7<br />

240 Seiten; 14,95 Ð<br />

Es gibt Ereignisse der WM-Geschichte, die sich<br />

ins kollektive Gedächtnis ganzer Fußballnationen<br />

eingebrannt haben und bei denen die Fans bis heute<br />

wahlweise Gänsehaut und/oder feuchte Augen<br />

bekommen. Unvergessen bleiben zum Beispiel<br />

die Stimme des Radiomoderators Herbert Zimmermann,<br />

der 1954 den Sieg der deutschen Mannschaft<br />

in Bern verkündete, das umstrittene "<br />

Wembley-Tor"<br />

1966 oder der Kopfstoß von Zinedine<br />

Zidane im WM-Finale 2006. Oder Maradonas<br />

" Hand Gottes" 1986, Frank Rijkaards " Spuckattacke"<br />

auf Rudi Völler 1990, die Frankfurter<br />

Wasserschlacht" gegen Polen bei der WM '74.<br />

"<br />

Pünktlich zur diesjährigen Weltmeisterschaft in<br />

Brasilien gewährt World Cup 1930–2014" einen<br />

"<br />

ganz neuen und vor allem humorvollen Rück- und<br />

Ausblick auf diese und viele weitere Szenen aus<br />

84 Jahren Fußball-WM. Der Karikaturist German<br />

Aczel hat die entscheidenden<br />

Ereignissen und Akteure von<br />

der ersten Weltmeisterschaft<br />

1930 in Uruguay bis heute in<br />

detailreichen, witzigen Comic-<br />

Bildern festgehalten. Sagenhafte<br />

Spielzüge werden da als<br />

action-reiche Bilderfolgen aufskizziert,<br />

Torschützenkönige,<br />

WM-Gewinner-Teams und<br />

legendäre Stars als klasse Kari-<br />

katuren vorgestellt. Dazu gibt es unterhaltsame<br />

Texte mit viel Wissenswertem zu den einzelnen<br />

Austragungsländern, den Rekorden und herausragenden<br />

Spielern – also das perfekte Buch für Groß<br />

und Klein, um sich die Wartezeit auf Brasilien<br />

2014 so kurzweilig wie möglich zu verkürzen!<br />

CDs<br />

MICHAEL SCHANZE<br />

HELL WIE EIN DIAMANT<br />

Brandneu ist diese Wiederveröffentlichung einer<br />

Michael-Schanze-LP aus dem Jahr 1975. Mit<br />

dem Titeltrack und "Du hast geweint" wurden<br />

damals zwei Titel als Single ausgekoppelt, die<br />

jetzige, im Originalaussehen daherkommende<br />

Neuauflage bietet neben<br />

remastertem Klang auch<br />

noch drei Polydor-Singles<br />

aus den Jahren 1968/69:<br />

"Ich bin kein Lord", "Wer<br />

wird denn am Sonntag<br />

weinen" sowie "Keiner<br />

weiß, wie ich dich liebe", jeweils mit der damaligen<br />

B-Seite als Bonus-Track.<br />

(Electrola/Universal)<br />

GITTE<br />

ICH BIN KEIN KIND VON<br />

TRAURIGKEIT<br />

Aktuell immer noch aktiv ist die dänische Sängerin<br />

Gitte Haenning-Johannsson, spätestens seit<br />

1963, mit ihrem Nummer-<br />

1-Hit "Ich will 'nen Cowboy<br />

als Mann", unter ihrem<br />

Vornamen jedem deutschen<br />

Schlagerfan ein Begriff. Ob<br />

als Duo zusammen mit Rex<br />

Gildo, ob 1973 als deutsche<br />

Vertreterin beim Eurovision Song Contest<br />

("Junger Tag", Platz 8) oder mit der eigenen TV-<br />

Show: Es gab (und gibt) nur wenige Künstlerinnen,<br />

die ihre Ausnahmeklasse in so enormer<br />

Bandbreite wie Gitte beweisen konnten. 1975<br />

veröffentlichte sie mit ICH BIN KEIN KIND<br />

VON TRAURIGKEIT eine LP, aus der mit dem<br />

Titelstück sowie mit "Ich hab die Liebe verspielt<br />

in Monte Carlo", "Wie du mir, so ich dir" und<br />

"So schön kann doch kein Mann sein" gleich vier<br />

Singles ausgekoppelt wurden. Neben einer Non-<br />

Album-Single gibt es noch (als CD-Erstveröffentlichung)<br />

ein "Begegnung-mit-Gitte-Medley"<br />

aus sechs Songs, teilweise in Deutsch, Dänisch<br />

und Englisch gesungen.<br />

(Electrola/Universal)<br />

FREDDY QUINN<br />

DU HAST MEIN WORT<br />

1980, als sich Freddy Quinns ganz große Zeit<br />

schon langsam dem Ende näherte, nahm der charismatische<br />

Sänger mit DU<br />

HAST MEIN WORT noch<br />

einmal ein richtig starkes Album<br />

auf. Leo Leandros, der neben<br />

seiner Tochter Vicky auch<br />

seine eigene Band The Five<br />

Tops ("Rag Doll") zu Erfolgen<br />

führte, sorgte nicht nur für eine klasse Produktion,<br />

sondern auch für den Großteil der Kompositionen.<br />

Im Originaloutfit erscheint die damalige LP nun<br />

als (digital remasterte) CD-Premiere, angereichert<br />

mit vier Bonus-Tracks: zwei Singles, aus dem Jahr<br />

1979 stammt "Loreen" (mit der B-Seite "Montag"),<br />

1981 entstand "Der Groschen fällt manchmal<br />

spät", auf der B-Seite das von Freddy Quinn<br />

geschriebene "Es gibt eine Ewigkeit".<br />

(Electrola/Universal)<br />

KATJA EBSTEIN<br />

WILDE ROSEN UND ANDERE<br />

TRÄUME<br />

Im Leben, im Leben geht mancher Schuss<br />

"<br />

daneben", diese Textzeile Katja Ebsteins wurde<br />

Mitte der 70er Jahre zum geflügelten Wort,<br />

nicht zuletzt deshalb, weil das Lied "Es war einmal<br />

ein Jäger", aus dem dieses Zitat stammt,<br />

bis auf Platz 4 in den Verkaufs-Charts und in<br />

der <strong>ZDF</strong>-<strong>Hitparade</strong>" sogar<br />

"<br />

bis auf Platz 1 kletterte. Da<br />

auch der Rest des 1974er<br />

Albums WILDE ROSEN<br />

UND ANDERE TRÄU-<br />

ME aus starken Songs<br />

(größtenteils Kooperationen<br />

von Christian Bruhn<br />

und Michael Kunze) besteht, dürfte diese digital<br />

remasterte CD-Erstveröffentlichung nicht<br />

nur bei Katja-Ebstein-Fans bestens ankommen.<br />

Zwei Bonus-Tracks sind auch dabei, die 1978er<br />

Single "Es war beinah so wie ein Lied" sowie mit<br />

"Willkommen wieder zu Hause" die dazugehörige<br />

B-Seite.<br />

(Electrola/Universal)<br />

Seite 14 ■ GoodTimes 2/2014


MARIANNE ROSENBERG<br />

ICH BRAUCHE DICH ...<br />

Auf dieser 1981 veröffentlichten Platte von<br />

Marianne Rosenberg gibt es mit "Ich hab auf<br />

Liebe gesetzt" und "Nur<br />

Sieger steh'n im Licht" zwei<br />

deutsche Versionen von internationalen<br />

Top-Hits zu<br />

hören: Einmal war "Woman<br />

In Love" von Barbra<br />

Streisand, einmal Abbas<br />

"The Winner Takes It All" die Vorlage. Beide<br />

Titel sind als alternative Fassungen ("Ich hab<br />

auf Liebe gesetzt" als bisher unveröffentlichte<br />

Extended-Version, "Nur Sieger ..." als Singleversion)<br />

als Bonus-Tracks dazugekommen, der Rest<br />

von ICH BRAUCHE DICH ... wurde wie in der<br />

Electrola-Originale-Reihe üblich fein säuberlich<br />

digital remastert, dazu wurde das Aussehen der<br />

damaligen LP liebevoll auf das CD-Format verkleinert,<br />

im herausnehmbaren Booklet finden<br />

sich alle notwendigen Produktionsinfos sowie<br />

die eine oder andere Single-Coverabbildung.<br />

(Electrola/Universal)<br />

ADAM & EVE<br />

WIR BEIDE<br />

Nachdem sich Eve Ende<br />

der 60er von ihrem ersten<br />

Adam (John Christian<br />

Dee, †2004) getrennt<br />

hatte, kam mit Adam<br />

Nummer 2 der Erfolg.<br />

Hartmut Schairer hieß der neue, blonde Gesangspartner<br />

von Eva Bartova, die 1938 in Böhmen<br />

geboren wurde und im September 1989 in<br />

ihrer späteren Heimat Chicago verstorben ist.<br />

Anfang der 70er zog mit einem neuen Plattenvertrag<br />

auch das private Glück für Adam & Eve<br />

ein, 1972 heirateten sie und wurden zu einem der<br />

bekanntesten Schlagerduos Deutschlands. 1975<br />

nahmen sie mit WIR BEIDE eine LP auf, die mit<br />

"Du gehst fort" (... der deutschen Version des<br />

französischen Top-Hits "Tu t'en vas") eine der<br />

erfolgreichsten und mit "Lena (Steig in den Sattel<br />

der Liebe") gleichzeitig eine der skurrilsten Singles<br />

des Duos enthält. Drei Bonus-Tracks begleiten<br />

die neu aufgelegte CD-Premiere, "Darling<br />

du" (B-Seite von "Lena ...") sowie mit "Ein Stern<br />

geht auf" und "Das letzte Glas" sowohl A- als<br />

auch B-Seite einer 1974er Non-Album-Single.<br />

(Electrola/Universal)<br />

Sammelalben<br />

FUSSBALL KLASSIKER<br />

2013, Panini<br />

42 Seiten; 1,95 Ð<br />

Das gute alte Panini-Sammelalbum<br />

wird hoffentlich<br />

nie aussterben! Noch<br />

bis Ende Mai im Handel<br />

(danach dann über das<br />

Internet) gibt es mit dem<br />

11 Freunde"-Sonderheft<br />

"<br />

Sammelalbum Fußball Klassiker"<br />

"<br />

eine tolle Zusammenstellung aus den vielen,<br />

vielen Ausgaben zahlreicher Panini-Jahre. Das<br />

Klebe-Album voller listiger Abwehrspieler und<br />

tollkühner Stürmer, voller Fußballtempel, Legenden<br />

und notorischer Spaßvögel vereint all<br />

das, was man am Fußball so liebt. Wer sich an<br />

ehrwürdige Stadien wie den Mönchengladbacher<br />

Bökelberg, das Münchner Stadion Grünwalder<br />

Straße oder den Aachener Tivoli erinnert, wer<br />

Ausnahmespieler wie Fritz Walter, Uwe Seeler<br />

und Horst Hrubesch würdigt, wer über all die<br />

Brüderpaare staunen kann, die in der Bundesliga<br />

aufliefen, für den ist dieses Sammelalbum genau<br />

das Richtige, um mal wieder in die <strong>kult</strong>ige Welt<br />

des (Bundesliga-)Fußballs einzutauchen. Kleiner<br />

Tipp: Um sich das Tauschen der doppelten Karten<br />

auf dem heimischen Pausenhof zu ersparen,<br />

gibt es im einschlägig bekannten Versandhandel<br />

(für läppische 24,95 €) das komplette Paket an<br />

Klebebildern dazu – einkleben darf man Netzer,<br />

Maier, Magath und Co. dann selbst!<br />

FIFA WORLD CUP<br />

BRAZIL 2014<br />

Ende März hat Panini den Countdown für die<br />

WM in Brasilien gestartet und Deutschlands<br />

Einzelhändler mit der neuesten Stickerkollektion<br />

beliefert. Für zwei Euro gibt es das 80-seitige<br />

Album, das Platz für 640 Sticker bietet. Auf den<br />

einzelnen Klebebildern sind erstmals bei einer<br />

WM-Kollektion von Panini die Spielerdaten wie<br />

Name, Verein, Geburtsdatum, Größe, Gewicht<br />

und Position direkt aufgedruckt. Für 60 Cent gibt<br />

es eine Stickertüte mit fünf Sammelbildern, wer<br />

die Komplettedition auf einen Schlag erwerben<br />

möchte, der sollte sich<br />

im Versandhandel umsehen.<br />

Wie gewohnt dürften<br />

auch wieder Promosticker<br />

in einschlägigen<br />

Zeitschriften, in Supermärkten<br />

oder bei Veranstaltungen<br />

auftauchen –<br />

also Augen auf!<br />

VERLOSUNG<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />

3x Staffeln 1–6<br />

3x DVD-Box<br />

"<br />

Notruf California" a<br />

10x Starterset Sammelalbum*<br />

3x DVD<br />

3x Cover-<br />

Art-Mappe<br />

Stichwort: t: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />

(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Einsendeschluss ist der 15. Juli 2014<br />

Einsendeschluss Sammelalbum ist der *15. Mai 2014<br />

NikMa Verlag Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite<br />

Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />

15<br />

Unsere Gewinner der Verlosung<br />

aus <strong>kult</strong>! Heft 9 – 1/2014:<br />

Stichwort "<br />

<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />

– Josef Schug, Detzem<br />

– Marc Rosenau, Tübingen<br />

– Günther Winkler, Hergisdorf<br />

– Gerda Brinkrolf, Greven<br />

– Christoph Gilles, Raubach<br />

– Klaus Kocherscheidt,<br />

Recklinghausen<br />

– Hans-Jürgen Kewitz, Berlin<br />

– Thorsten Kleinwort, Pinneberg<br />

– Gerald Schlinke, Pinneberg<br />

– Marianne Oetjen, Lüneburg<br />

– Waltraud Sonnenschein,<br />

Meldungen<br />

– Birgit Behrendt, Werdau<br />

– Egon Hagel, Äpfingen<br />

– Kurt Meyer, Schwäbisch Hall<br />

– Robert Kemle, Ulm<br />

– Bernhard Weindauer, München<br />

– Mathias Landau, Seelbach<br />

– Klaus Zander, Schwedt<br />

– André Lingenbach, Bonn<br />

– Markus Durrer,<br />

Hergiswil (Schweiz)<br />

– Reinhold Fricke, Braunschweig<br />

– Manfred Stein, Saulheim<br />

– Carsten Heßler, Bremerhaven<br />

– Helmut Tonk, Marl<br />

– Werner Stein, Ludwigshafen<br />

– Stefan Schmidt, Dresden<br />

– Michael Gatzhammer,<br />

Schnufenhofen<br />

– Hans König, Berlin<br />

– Wilhelm Karg, Rosenheim<br />

– Roland Kosiol, Berlin<br />

– Anton Müller, München<br />

– Ludwig Haller, Pforzheim<br />

– Claus Walther, Hamburg<br />

– Peter Koch, Bingen<br />

– Albert Birke, Koblenz<br />

– Albrecht Maier, Brandenburg


30 Jahre C-Klasse<br />

Gewusst wie:<br />

Aus der Not wird eine Tugend<br />

Die Amis sind an allem schuld. Auch an der<br />

C-Klasse von Mercedes! Denn die Schwaben<br />

waren lange Jahrzehnte durchaus zufrieden mit<br />

dem Selbstverständnis, eine feine, aber kleine<br />

Auswahl an Luxusautos weltweit teuer zu verkaufen.<br />

Unter dem guten Stern von Sindelfi ngen ging<br />

es üppig zu, edel und vor allem durstig.<br />

Da wirbelte die erste und folgenreichste Ölkrise im Herbst<br />

1973 die Konzernbilanzen umso heftiger durcheinander. Die<br />

Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) drosselte<br />

bewusst die Fördermengen, und im Oktober 1973 stieg der<br />

Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über<br />

fünf Dollar – ein Plus von etwa 70<br />

Prozent. Ein Jahr später lag der Barrel-<br />

Preis weltweit gar bei über zwölf<br />

Dollar. Dazu kamen ein erwachendes<br />

Umweltbewusstsein und eine einfache<br />

Gleichung: hoher Benzinverbrauch<br />

plus keine Abgasreinigung gleich reichlich<br />

Dreck aus dem Auspuff.<br />

Im Maßstab 1:5 werden<br />

die zur Wahl stehenden<br />

Entwürfe aus Plastilin<br />

modelliert<br />

So war der kleine Benz nicht unbedingt<br />

ein Kind der Liebe, sondern<br />

schlicht ein Produkt der wirtschaftlichen<br />

Notwendigkeiten. In den<br />

USA, auch damals schon einer der<br />

Hauptmärkte von Mercedes-Benz,<br />

wurden unter Jimmy Carter mit<br />

dem „Clean Air Act" neue und deutlich<br />

niedrigere Grenzwerte für den<br />

Verbrauch eingeführt – und die Idee<br />

des „Flottenverbrauchs". Der über alle Modellreihen berechnete<br />

maximal zulässige Verbrauch von umgerechnet rund 8,5 Liter auf<br />

100 Kilometer war für Mercedes-Benz mit der S-Klasse und dem<br />

Vorläufer der heutigen E-Klasse allerdings nicht zu schaffen. Um<br />

Von Jürgen Wolff<br />

weiter in Nordamerika Autos verkaufen zu dürfen, musste also eine<br />

kleinere Modellreihe her, deren vergleichsweise niedriger Verbrauch den<br />

Durchschnitt unter die neue Grenze trieb. Im Januar 1974 fiel denn<br />

auch aus dieser Not heraus die Entscheidung, die spätere Baureihe „W<br />

201" zu entwickeln, aus der noch später dann die C-Klasse hervorging.<br />

Eine Herausforderung nicht nur für den damaligen Chefdesigner<br />

Bruno Sacco, sondern vor allem auch für den schwäbischen<br />

Tüftlergeist der Ingenieure. Die dann in Bremen und Sindelfingen<br />

produzierte Kompaktklasse machte eine ganze Reihe von technischen<br />

Entwicklungen nötig, um nicht nur sparsamer mit dem Sprit umzugehen,<br />

sondern auch wirtschaftlich bauen zu können.<br />

So setzten die Techniker etwa<br />

auf Leichtbau aus hochfesten<br />

Stahlblechen. Um die Ansprüche an<br />

die passive Sicherheit zu erfüllen, sorgt<br />

unter anderem die Gabelträgerstruktur<br />

des Vorderwagens trotz der kompakten<br />

Außenmaße für ein Crashverhalten auf<br />

dem Niveau der damaligen S-Klasse.<br />

Für das Fahrwerk wurde mit der patentierten<br />

Raumlenkerachse eigens eine<br />

neue Hinterachskonstruktion entwickelt<br />

– „Auto, Motor und Sport" nannte<br />

das Konstrukt damals „Traumlenker-<br />

Achse". Jedes Hinterrad wird dabei von<br />

fünf unabhängigen Lenkern geführt.<br />

Das sorgt nicht nur für eine präzise<br />

und kontrollierte Radführung, sondern<br />

auch für ein deutlich niedrigeres<br />

Gewicht und einen geringeren<br />

Platzbedarf in der kompakten Limousine. Die Raumlenker-Hinterachse<br />

wird übrigens bis heute in der C-Klasse verbaut. Vorne arbeiten die<br />

Ingenieure mit einer an einzelnen Dreiecks-Querlenkern geführten<br />

Dämpferbein-Achse.<br />

Seite 16 ■ GoodTimes 2/2014


Wie flexibel das Konstrukt im Grunde war, zeigen nicht zuletzt<br />

diverse Prototypen, die allerdings nie in Serie gingen. So entstan-<br />

den zum Beispiel ein durchaus elegantes Cabriolet mit vier Sitzen oder<br />

Die ein besonders kompakter<br />

Stadtwagen, der dem<br />

"<br />

kleine C-Klasse" wurde nie gebaut ...<br />

VW Golf ähnelt. Selbst<br />

eine Version mit zwei<br />

22-PS-Elektro motoren<br />

an den Hinterrädern<br />

und Natrium-<br />

Nickelchlorid-Batterien<br />

steht in den Archiven<br />

des Mercedes-Benz<br />

Museums. Die einzige<br />

weitere Karosserieform,<br />

die es während der<br />

ersten Baureihe in die<br />

Serienfertigung schaffte,<br />

war das T-Modell, der<br />

Kombi.<br />

... ebenso wenig wie diese Cabrio-Studie<br />

Als die Stuttgarter den kompakten W 201 nach acht Jahren<br />

Entwicklung im November 1982 im spanischen Sevilla vorstellten,<br />

gab es nicht nur Lob, sondern auch viel Skepsis. Die neue<br />

Baureihe bekam von Anfang an den wenig schmeichelhaften<br />

Beinamen „Baby-Benz" verpasst. Die vom Team<br />

des damaligen Chefdesigners Sacco gezeichneten Typen<br />

190 und 190 E stießen auf viel Zweifel: kompakte Autos<br />

– können die Luxusbauer aus Schwaben so<br />

etwas überhaupt?<br />

Sie konnten. Als der neue Benz auf den<br />

Markt kam, wurde er zunächst mit zwei<br />

Ottomotoren angeboten, die jeweils 1997 ccm<br />

Hubraum mitbringen. Der Grundmotor im 190<br />

leistet dabei 66 kW/90 PS, der 190 E mit seiner<br />

Einspritzanlage KE-Jetronic von Bosch kommt<br />

auf 90 kW/122 PS. In den Jahren danach folgten<br />

ein neu entwickelter Vierzylinder-Diesel mit 53<br />

kW/72 PS, der dank seiner Geräuschkapselung<br />

und Laufruhe nur halb so laut ist wie vergleichbare<br />

Antriebe und so den Spitznamen „Flüsterdiesel"<br />

abbekam. Im 190 E 2.3-16 schließlich arbeitet ein 136 kW/185 PS<br />

starker Vierzylinder mit 2299 ccm Hubraum und Vierventiltechnik.<br />

Allein schon der üppige Flügelspoiler auf dem Heck, von respektlosen<br />

Zeitgenossen als „Frittentheke" belächelt, hätte noch zehn Jahre zuvor so<br />

manch bravem Mercedes-Designer<br />

Herzrhythmusstörungen verursacht.<br />

Speziell für den nordamerikanischen<br />

Markt<br />

entstanden 1983 zwei<br />

Modelle mit größerem<br />

Hubraum, um<br />

die Leistungsverluste<br />

durch den Einbau<br />

einer Abgasrückführungsanlage<br />

im Diesel<br />

und eines Katalysators im<br />

Benziner zu kompensieren.<br />

Trotz aller Inno vationen, die<br />

Daimlers Ingenieure für den<br />

kleinen Benz entwickelten: Viele trauten<br />

dem Kleinen zu Anfang nicht zu, wirklich die Qualität und Leistung<br />

zu bringen, die von Mercedes versprochen wurde. Mitte August<br />

1983 machte sich<br />

Mercedes-Benz auf<br />

der Hochgeschwind igkeitsstrecke<br />

im süditalienischen<br />

Nardò jedoch<br />

daran, die Skeptiker zu<br />

überzeugen (siehe Seite<br />

16). Nach 201 Stunden,<br />

39 Minuten und 43<br />

Sekunden Vollgas auf<br />

der 12,6 Kilometer langen<br />

Kreisbahn hatte das erste der drei<br />

Teams die 50.000 Kilometer hinter sich<br />

gebracht. Weltrekord!<br />

In einer Fahrmaschine wurden<br />

Achskonstruktionen getestet<br />

Baureihe W 204<br />

wurden mehr als<br />

2,3 Millionen<br />

Limousinen,<br />

T-M o d e l l e<br />

und Coupés<br />

v e r k a u f t .<br />

Insgesamt sind<br />

seit der Premiere<br />

des W 201 im<br />

30 Jahre später steht<br />

nun die mittlerweile<br />

fünfte Generation der<br />

C-Klasse vor den Toren.<br />

Und die Skeptiker von<br />

einst sind längst auch<br />

durch die Zahlen widerlegt<br />

worden: Allein<br />

von der noch aktuellen<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 17<br />

Das Armaturenbrett des<br />

Mercedes-Benz 190 E<br />

der Baureihe W 201<br />

Jahre 1982 rund 8,5<br />

Millionen Fahrzeuge<br />

produziert worden.<br />

Ziemlich viel für ein<br />

Auto, das einst aus<br />

der Not heraus entwickelt<br />

wurde.


C-Klasse-Rekordfahrt<br />

Im Kreisverkehr zum Erfolg<br />

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Image aufpolieren und<br />

für großes Aufsehen sorgen. Bei der C-Klasse von Mercedes war es<br />

gar nur ein Päckchen Zigaretten ...<br />

Gut Ding will Größe haben. Und solide, erprobte Technik. Für beides<br />

stand Mercedes-Benz über viele Jahrzehnte. Fette Limousinen, fette<br />

Preise – wer den Stern vor sich herfuhr, der hatte es geschafft. Da passte<br />

der kompakte „Baby-Benz" der neuen Baureihe W 201 nicht so recht ins<br />

Bild. Trotz aller Innovationen, die Daimlers Ingenieure für den kleinen<br />

Benz entwickelten – viele trauten dem Kleinen nicht zu, wirklich die<br />

Qualität und Leistung zu bringen, die von Mercedes-Benz versprochen<br />

worden waren.<br />

Die Weltrekordfahrt von drei identischen Mercedes-Benz 190 2.3-<br />

16, angetrieben von den damals neuen M 102-Vierventilmotoren,<br />

sollte Mitte August im süditalienischen Nardo zeigen, dass die<br />

Schwaben sehr wohl konnten. Vier Wochen nach dem Rekord auf dem<br />

Rundkurs sollten sie auf der IAA in Frankfurt erstmals<br />

öffentlich präsentiert werden. Der einfacheren<br />

Unterscheidung wegen hatte man die Wagen<br />

mit großen farbigen Punkten im hinteren n<br />

Seitenfenster kenntlich gemacht und die<br />

Teams jeweils nach der Farbe getauft: Rot,<br />

Weiß und Grün.<br />

Die technischen und optischen<br />

Spezifikationen der Nardò-Autos entsprachen<br />

weitgehend der geplanten Serienversion<br />

– inklusive der Motorleistung von 185 PS: 2299<br />

Kubikmeter Hubraum, eine Beschleunigung g von 0<br />

auf 100 km/h binnen 7,5 Sekunden. Nur die mögliche<br />

Höchstgeschwindigkeit lag deutlich über den 230 km/h der<br />

ersten Serienversionen.<br />

Die meisten optischen und technischen Veränderungen<br />

waren eher marginal. Um die Insekten von den Lüftungen n<br />

fernzuhalten, wurde zum Beispiel der komplette Kühlergrill mit<br />

Fliegengitter verkleidet, und auf den Kühllüfter hatte man ganz<br />

verzichtet, da bei den hohen Geschwindigkeiten der normale Fahrtwind<br />

für die Kühlung des Motors ausreichte. Die Scheinwerfer waren tagsüber<br />

abgedeckt und die Außenspiegel der besseren Aerodynamik wegen<br />

abmontiert – auf Verkehr von hinten musste man auf dem 12,6 Kilometer<br />

Die Daten wurden live ausgewertet langen Rundkurs eh nicht achten.<br />

Und da man auf der kreisrunden<br />

Bahn auch nicht groß<br />

zu lenken brauchte, war statt<br />

einer Servo- eine mechanische<br />

Lenkung eingebaut.<br />

Nach 201 Stunden, 39<br />

Minuten und 43 Sekunden<br />

Kreisverkehr war der Weltrekord<br />

geschafft – bei Temperaturen<br />

von tagsüber 40 Grad Celsius<br />

außen und mehr als 50 Grad<br />

Celsius im Inneren der Fahrzeuge.<br />

Die Rekord -<br />

fahrzeuge<br />

waren<br />

vollgestopft<br />

mit Mess -<br />

instru menten<br />

So ganz nebenbei fielen<br />

unterwegs auch noch<br />

die Weltrekorde über<br />

25.000 Kilometer und<br />

über 25.000 Meilen sowie<br />

neun Klassenrekorde.<br />

Die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

des<br />

Siegerteams: sagenhafte<br />

247,939 km/h! Dank der<br />

permanent gefahrenen<br />

Höchstgeschwindigkeit h i bei Motordrehzahlen um<br />

6000 U/min. lag der Verbrauch knapp über 22<br />

Liter auf 100 Kilometer.<br />

Nacheinander rasten alle drei Teamfahrzeuge<br />

durchs Ziel – der „Baby-Benz" hatte gezeigt,<br />

dass er auch unter extremen Fahrbedingungen<br />

durchhielt wie ein Großer.<br />

Und kein einziger Ausfall trübte das Bild. Womit<br />

wir wieder bei der Zigarettenschachtel wären. Denn fast<br />

hätte es doch noch einen Schönheitsfehler gegeben: Im<br />

„grünen" 190er brach kurz vor Schluss der Rekordfahrt der<br />

Verteilerfinger, erinnert sich der damalige Mercedes-Chef<br />

Werner Breitschwerdt: „ein Teil, das praktisch nie kaputtgeht<br />

und<br />

das wir deshalb auch nicht als Ersatzteil an Bord hatten."<br />

Repariert werden durfte nach den Regeln der FIA aber<br />

nur mit Werkzeug und Material, das im Auto selbst mitgeführt<br />

wurde. Der rettende Einfall: Da der Fahrer des Wagens Raucher war<br />

und ein Päckchen Zigaretten mit auf die Strecke genommen hatte,<br />

wurde der Verteilerfinger mit<br />

Rekord: 50.000 Kilometer sind geschafft<br />

dem Alupapier aus der<br />

Zigarettenpackung notdürftig<br />

geflickt – und der Mercedes<br />

schaffte so auch noch die<br />

letzten paar hundert Meter bis<br />

über die Ziellinie.<br />

Seite 18 ■ GoodTimes 2/2014


© Pressefotos<br />

Die Kunst der Mimikry<br />

Das passte: Als im Mai 1984 der<br />

neue Grand-Prix-Kurs auf dem<br />

Nürburgring eröffnet wurde, hatte in<br />

diesem Rahmen auch die Mercedes<br />

C-Klasse ihre Renn-Premiere. 20 identische<br />

190 E 2.3-16 gingen auf den<br />

Rundkurs. Am Steuer das internationale<br />

„Who's who" der damaligen<br />

Motorsportwelt. Sieger wurde damals<br />

Ayrton Senna, gefolgt von Niki Lauda<br />

und Carlos Reutemann.<br />

Dabei waren es anfangs vor allem<br />

noch private Teams, die den 190er<br />

schnell als Rennmaschine entdeckten.<br />

In Frankreich etwa beteiligte<br />

sich der Snobeck Racing Service<br />

(SRS), unterstützt von Mercedes-Benz<br />

France, 1985 an der französischen<br />

Tourenwagenmeisterschaft – und<br />

schaffte auf Anhieb den zweiten Platz.<br />

Ein Jahr später wurde Volker Weidler<br />

auch in der DTM Vizemeister.<br />

Grund genug, dass die Stuttgarter<br />

auch ganz offiziell die Chancen nutzten, die sich da fürs Image des<br />

kleinen Benz auftaten: Mit Edzard Reuter, Werner Niefer und Jürgen<br />

Hubbert trafen sich Ende 1987 denn gleich drei Vorstandsmitglieder zur<br />

mehrtägigen Klausur in Sachen Motorsport. Einen Monat später war der<br />

Beschluss auch formal gefasst: Mercedes-Benz mischt künftig offiziell bei<br />

den Touren- und den Rennsportwagen mit! Und noch im selben<br />

Jahr gingen mit AMG, BMK und IPS drei<br />

Teams mit Werksunterstützung in<br />

die Rennen.<br />

Heute tun DTM-<br />

Rennwagen<br />

allenfalls noch<br />

optisch so,<br />

als hätten sie<br />

mit normalen<br />

Serienfahrzeugen AMG-Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II von 1992<br />

etwas zu tun: Unter der Leichtbauhülle allerdings steckt reinste<br />

Renntechnik. Mitte der 1980er Jahre allerdings sahen die Rennwagen in<br />

der DTM nicht nur aus wie aufgebrezelte Serienfahrzeuge – sie waren es<br />

auch noch in weiten Teilen. Um 1989 den 190 E 2.5-16 Evolution so zu<br />

modifizieren, dass er fit zum Siegen war, mussten nach dem Reglement<br />

weitere 500 Fahrzeuge mit den gleichen Änderungen gebaut werden<br />

– auf Wunsch gab es ihn sogar mit dem Luxus einer Klimaanlage. Das<br />

war die Geburtsstunde des „Evo": größere Bereifung, weiter ausgestellte<br />

Radhäuser, größere Bremsscheiben, die eigentlich aus dem SL stammten,<br />

dazu ausladende Spoiler an Bug und Heck, ab 1990 sogar Renn-ABS.<br />

Auch der Motor musste modifiziert werden, um die Drehzahl von 10.000<br />

U/min. zu überstehen.<br />

1992 war es dann geschafft: Mit 16 Siegen entschied die „C-Klasse"<br />

in der DTM sowohl die Team- als auch die Markenwertung für sich; Klaus<br />

Ludwig gewann den Meistertitel. Zum letzten Mal ins Rennen ging der 190<br />

E in der DTM-Saison 1993. Danach brach die Ära der „Silhouette Cars" an.<br />

Sie sehen zwar – schon allein aus Marketinggründen – wie Tourenwagen<br />

aus, haben aber weder in<br />

der Motor- noch in der<br />

Fahrwerk skonstruktion<br />

große Gemeinsamkeiten<br />

mit einem Serientourenwagen.<br />

Die 6-Zylinder-<br />

Motoren muss-<br />

Die Evolution der<br />

C-Klasse in der DTM<br />

ten nur noch von<br />

einem mindestens<br />

2500 Mal verbauten<br />

Serienmodell<br />

des Herstellers<br />

„abgeleitet" sein.<br />

Für den DTM-<br />

Einsatz wurden dem<br />

Serien-V8 zwei<br />

Zylinder abgeschnitten, und<br />

das Ganze ist dann auf bis<br />

zu 470 PS getrimmt worden.<br />

Getriebe und Lichtmaschine<br />

wurden, der besseren<br />

Gewichtsverteilung wegen,<br />

ins Fahrzeugheck verlegt.<br />

Offenbar mit Erfolg: Auch<br />

in den Folgejahren räumten<br />

Mercedes und seine Fahrer die DTM-Titel ab. Bis 1995. Da war dann erst<br />

einmal Schluss mit der DTM. Die Kosten waren explodiert, immer weniger<br />

Teams konnten sich die Teilnahme leisten. Eine Denkpause war angesagt.<br />

Als die DTM unter dem Namen „Deutsche Tourenwagen Masters"<br />

im Jahr 2000 wiederbelebt wurde, hatten die Autos mit Serienmodellen<br />

nur noch ein paar äußere Merkmale gemein. Technisch sind sie<br />

reine Sportwagen-Prototypen. Wie wichtig die Mimikry allerdings für<br />

die Markenpflege ist, zeigte sich schnell. Ursprünglich imitierten die<br />

„Silhouette Cars" zweitürige Coupés einer Modellreihe – etwas schwierig<br />

zu erklären, wenn den potenziellen Kunden dort eigentlich vor allem viertürige<br />

Limousinen präsent sind wie bei der C-Klasse. Also vollzog die DTM<br />

2004 den Schwenk: Als Basis dienten nun viertürige Limousinen. Erst seit<br />

2012 ist man wieder in zweitürigen Coupés unterwegs.<br />

Dafür stecken heute unter der Markenhaut bei allen drei DTM-<br />

Herstellern Mercedes-Benz, Audi und BMW viele Gleichteile: Kohlefaser-<br />

Einheitsmonocoque mit Crashboxen vorne, hinten und an beiden Seiten,<br />

Frontsplitter, Heckflügel, Getriebe und Kardanwelle. In der DTM gilt also<br />

längst: Nicht alles, was nach C-Klasse aussieht, ist auch C-Klasse. Und<br />

mitunter nicht einmal Mercedes ...<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 19


Die Familiensaga<br />

Seit bald<br />

55 Jahren bringt die Reihe<br />

" Boule & Bill " mit ihrem verschmitzten<br />

Humor junge wie alte Leser zum Schmunzeln. Von<br />

Jean Roba im Jahr 1959 auf dem Papier zum Leben<br />

erweckt, wird die Gute-Laune-Serie heute von dessen ehemaligem<br />

Assistenten Laurent Verron fortgeführt. "<br />

Boule &<br />

Bill" – ursprünglich in deutscher Fassung als "<br />

Schnieff und<br />

Schnuff" bekannt geworden, mittlerweile längst aber auch<br />

bei uns unter dem Originaltitel veröffentlicht – ist ein<br />

Klassiker der franko-belgischen Comic-Literatur,<br />

dem auch hier zu Lande das Publikum<br />

treu geblieben ist.<br />

Auf den<br />

Hund<br />

gekommen<br />

Weit über 1400 Geschichten, wovon die meisten eine witzige<br />

Handlung in vier Streifen auf jeweils einer Seite in Szene<br />

setzen, haben der temperamentvolle Cocker Bill und sein<br />

Herrchen, der kleine Junge Boule, bereits erlebt. Im<br />

französischen Sprachraum liegen die gesammelten<br />

Episoden in nicht weniger als 34 Alben vor, die ein<br />

Bestseller des Genres sind. So wurde der letzte Band<br />

„Un amour de Cocker" 2013 vom französischen<br />

Verlag Dargaud mit der beeindruckenden Startauflage<br />

von 180.000 Exemplaren in den Handel gebracht.<br />

Seinen ersten Auftritt hatte das quietschfidele Duo<br />

in der Nummer 1132 des belgischen Comicmagazins<br />

„Spirou" vom 24. Dezember 1959, und zwar in einem<br />

der legendären „Mini-Récits". Das waren zugeheftete<br />

Beilagen, die gefaltet ein kleinformatiges 48-seitiges<br />

Heftchen ergaben. „Boule contre les mini-requins"<br />

hieß die von Maurice Rosy (1927–2013) getextete<br />

und von Jean Roba gezeichnete Erzählung, die als<br />

„Boule gegen die Mini-Haifische" erst knapp fünf f<br />

Jahrzehnte später ihre deutschsprachige Premiere im ersten Band der<br />

vom Eckart Schott Verlag veröffentlichten Albumreihe „Boule & Bill"<br />

erlebte.<br />

Jean Roba, am<br />

28. Juli 1930<br />

in Schaerbeek bei<br />

Brüssel geboren,<br />

zählt zusammen<br />

mit André Franquin<br />

(„Gaston"), Morris<br />

(„Lucky Luke"), Peyo<br />

(„Les Schtroumpfs"/<br />

„Die Schlümpfe")<br />

und etlichen anderen zur Generation der stilbildenden Künstler<br />

bei „Spirou". Ihre Comics, die der so genannten École Marcinelle<br />

zugeordnet werden, sind Teil einer glanzvollen Vergangenheit, die<br />

allerdings bis in die Gegenwart nichts von ihrer<br />

Strahlkraft verloren hat. Speziell „Boule & Bill", als<br />

Serie über Jahrzehnte regelmäßig im Heft präsent,<br />

machte Roba in der<br />

Gunst der Leser zu<br />

einem der beliebtesten<br />

Autoren. Seine<br />

klar gestalteten<br />

Bildfolgen zu alltäglichen<br />

Themen,<br />

in denen sich alle<br />

wiedererkennen<br />

können, vereint<br />

mit einem Gespür<br />

für originelle Gags,<br />

machen den besonderen<br />

Reiz der sympathischen<br />

Familiensaga aus.<br />

In deren Mittelpunkt stehen neben den Titelhelden die Eltern von<br />

Boule. Der Vater, mit einem Hang zum Werken und Basteln, ist<br />

mehr Freund als strenger Erzieher, während die Mutter das Idealbild<br />

einer Hausfrau abgibt und fast beiläufig den Haushalt schmeißt.<br />

Dazu gesellen sich eine Reihe von weiteren kuriosen Figuren wie die<br />

ebenso zum Haushalt zählende Schildkröte Caroline (in der deutschen<br />

Fassung: Fräulein Klara), Boules Kumpel Plouf (Pit), der Polizist an<br />

der Ecke oder die schneidige Nachbarin mit der kecken Katze Caporal<br />

(Capo). Das Besondere an den quirligen Abenteuern, die meist in<br />

und rund um das traute Heim sowie im Viertel der Stadt spielen,<br />

ist, dass die Herausforderungen des Lebens aus der Perspektive eines<br />

Seite 20 ■ GoodTimes 2/2014


Abbildungen: © Studio Boule & Bill 2014 / Eckart Schott Verlag 2014<br />

kleinen Jungen und eines Hundes erzählt<br />

werden. Während für Boule die Freizeitbeschäftigung<br />

g mit den Freunden das<br />

Wichtigste ist,<br />

dreht sich bei<br />

V<br />

Bill fast alles<br />

ums leibliche<br />

Wohl.<br />

Klar, dass der<br />

Metzger zu<br />

seinen besten<br />

Freunden<br />

zählt. Und<br />

wenn die<br />

ganze Familie<br />

mal in Urlaub<br />

fährt – oft in die Berge, meist aber ans<br />

Meer –, geschieht das bis auf den heutigen<br />

Tag im <strong>kult</strong>igen roten 2 CV.<br />

Hiesigen Lesern erschloss sich die Welt<br />

von „Boule & Bill" zunächst ab 1964<br />

in diversen Heftreihen, die der Verleger Rolf Kauka herausgab, darunter<br />

„Lupo modern" oder „Fix und Foxi". Freilich hießen da die<br />

beiden noch „Schnieff und Schnuff". Unter demselben Titel startete<br />

1979 Todos den Versuch, das Material in Form von Alben am Markt<br />

zu<br />

etablieren.<br />

Offenkundig<br />

ohne Erfolg,<br />

denn nach nur Die Nr. 3741 von<br />

zwei Bänden<br />

kam das frühe<br />

Aus. Größeren<br />

Zuspruch fand<br />

die Serie, als<br />

der Delta Verlag<br />

1987 ihre<br />

Geschicke in<br />

die Hand nahm<br />

und unter dem<br />

Originaltitel bis ins Jahr 1996 17 Alben publizierte. Aktueller<br />

Stand in dieser bis dahin etwas verworrenen Editionsgeschichte<br />

ist: Seit 2003 legt der Eckart Schott Verlag die deutschsprachige<br />

Ausgabe von „Boule & Bill" auf. Hervorstechendes Merkmal dabei<br />

ist der erstmalige Abdruck der Geschichten in der Chronologie<br />

ihres Entstehens, was die Lizenzgeber durch eine Neuordnung des<br />

gesamten Materialbestandes ermöglicht haben. In die Wege geleitet<br />

wurde das nicht zuletzt durch den Verlagswechsel von Roba im<br />

Jean Roba (1930–-–2006) Laurent Verron (++* *1962)<br />

Jahr 1987 und die Tatsache, dass im Original Band 1 bis 24 von<br />

Dupuis in Belgien, die Titel ab Band 25 von Dargaud in Frankreich<br />

veröffentlicht wurden.<br />

Jean Roba, der Zeit seines Lebens „Boule & Bill" quasi im<br />

Alleingang gestaltete, hat bereits früh entschieden, dass die<br />

Serie auch nach seinem Tod weitergeführt werden soll. Mit dem<br />

am 25. Mai 1962 in Grenoble geborenen<br />

Laurent Verron hat er einen Assistenten<br />

eingearbeitet, der seit Band 29 („So ein<br />

Zirkus!") als sein Nachfolger tätig ist.<br />

Verron gelingt es nicht nur, den Charme<br />

des beliebten Funny-Klassikers zu erhalten,<br />

er hält ihn mit Themen unserer Tage<br />

Die Nr. 3561 von „Spirou" vom 12. Juli<br />

"<br />

2006 ist dem verstorbenen Jean<br />

Roba gewidmet.<br />

„Spirou" vom 23. Dezember 2009 erscheint als<br />

"<br />

Boule & Bill".<br />

Sonderausgabe zum 50. Geburtstag der Serie „<br />

"<br />

auch weiter auf Erfolgskurs. Jean<br />

Roba, im Alter von 75 Jahren am<br />

14. Juni 2006 verstorben, weiß seine<br />

Figuren in guten Händen.<br />

Horst Berner<br />

Am 27. Februar 2013 kommt der<br />

von Alexandre Charlot und<br />

Franck Magnier realisierte<br />

Realf ifi lm „„Boule & Bill" in die<br />

"<br />

Kinos, der in Deutschland<br />

aber keinen Verleih fi f ifi ndet.<br />

Boule & Bill" im Eckart Schott Verlag:<br />

"<br />

1. Boule & Bill 1<br />

2. Boule & Bill 2<br />

3. Boule & Bill 3<br />

4. Boule & Bill 4<br />

5. Boule & Bill 5<br />

6. Boule & Bill 6<br />

7. Boule & Bill 7 (erscheint 2014)<br />

28. Die vier Jahreszeiten<br />

29. So ein Zirkus!<br />

30. Bills Bande<br />

31. Volle Kanne!<br />

32. Mein bester Freund<br />

33. Klar zum Entern!!<br />

34. – Ein Schatz von einem<br />

Cocker (erscheint 2014)<br />

– Sonderband: Boule & Bill:<br />

Das Familienalbum<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 21


Zigaretten-Reklame<br />

der 70er Jahre:<br />

Von Weltenbummlern<br />

und Lebenskünstlern<br />

In den 60er Jahren rauchte man starkes Zeug, je kräftiger, desto besser, desto<br />

männlicher. Wenige Jahre später aber waren Reyno- und R6-Zigaretten<br />

plötzlich so leicht, dass sogar die Augen davon heller wurden! Jedenfalls<br />

könnte sich dieser Eindruck einstellen, wenn man die attraktiven Helden in den<br />

Anzeigen sieht, die weiche, himmelblaue Blicke in die Kamera werfen. So zeigt<br />

sich der <strong>kult</strong>urelle Wertewandel der 70er Jahre auch in der Werbung ...<br />

Von Kathrin Bonacker<br />

Keine Rede davon, dass Raucher vor die Tür<br />

mussten, damals. Geraucht wurde bei Partys, im<br />

Büro, zu Hause, in Fernsehsendungen aller Art und<br />

natürlich auch im Restaurant. Nichtraucher pafften<br />

notfalls „zur Gesellschaft" eine mit, wer nicht wollte,<br />

konnte ja an die frische Luft gehen. Aschenbecher in<br />

allen Preisklassen waren das klassische Geschenk für<br />

jede Altersgruppe, Kinder töpferten sie gar für ihre<br />

Eltern, Onkel und Tanten im Werkunterricht, da alle<br />

rauchten. So war der Zigarettenmarkt heiß umkämpft,<br />

und für die Werbewelt stellten „Tabakwaren" eine<br />

solide Einkommensquelle dar: Die prominentesten<br />

(und teuersten) Seiten des „Spiegel" – wie die<br />

Rückseite und oft auch die Innenseite des Covers<br />

– waren über Jahre fest für Zigarettenwerbung<br />

gebucht. Stuyvesant machte sogar in einem Slogan<br />

das Viel-Rauchen zum Ziel. „Frankfurt Tokyo, 21<br />

Stuyvesant" titelten die Werber 1971: „Die erste<br />

noch in Frankfurt. Eine zweite zünden wir schon<br />

in<br />

der Luft. Die vierte hinter Hamburg. Zur achten<br />

sind wir bereits über dem Nordpol (…) So messen<br />

wir Raucher die Welt (…)" Mit dem „Duft der<br />

großen weiten Welt" hatte die Marke ihr Image<br />

als Zigarette für Weltenbummler gefunden, ein<br />

Image, das mit der boomenden Tourismusbranche<br />

der 70er Jahre vortrefflich einherging. Grenzenlose<br />

Mobilität und der Wunsch nach Erlebnissen standen<br />

im Mittelpunkt der Sehnsüchte; die heimlichen<br />

Unworte dieser Jahre hießen „Stubenhocker"<br />

und „Miesepeter"!<br />

Bereits seit 1954 gab es den „Marlboro-<br />

Mann" als Teil eines zunächst amerikanischen,<br />

später weltweiten Werbekonzepts der<br />

Seite 22 ■ GoodTimes 2/2014


legendären Chicagoer Agentur Leo Burnett. Er<br />

hat bis heute Kultstatus. Der einsame Cowboy<br />

ritt und rauchte, zähmte Pferde und lehnte lässig an Zäunen, um ihn<br />

herum nur Landschaft und Feuer ... Der „Marlboro-Mann", nie ohne<br />

Hut und Stiefel, ist der Prototyp einer geglückten Image-Kampagne,<br />

allerdings erst seit 1971 auch in Deutschland (wo bis dahin wilde Hippie-<br />

Collagen die Reklame für Zigaretten bestimmten). 1972 war Marlboro<br />

übrigens die meistverkaufte Zigarette der Welt.<br />

Der Slogan „Ich geh' meilenweit für eine Camel" (im Original<br />

„I'd walk a mile for a Camel") wurde sogar schon seit 1921<br />

benutzt und war ebenfalls sehr erfolgreich. Der „Camel-Mann"<br />

ist dagegen verhältnismäßig jung (die Zigarette, obwohl seit 1913<br />

auf dem amerikanischen Markt, wurde hier zu Lande erst 1968<br />

eingeführt). Den entsprechenden Werbetext kombinierte man<br />

mit durchgelaufenen Schuhen, die der sympathische Typ dem<br />

Betrachter quasi als Beweis für seine Obsession entgegenstreckte:<br />

Die in der Regel heißgeliebten hellbraunen Camel-Schuhe, die<br />

(noch ohne Löcher in den Sohlen) seit Ende der 70er Jahre auch in<br />

den Schuhgeschäften zu erwerben waren, bildeten das Tüpfelchen<br />

auf dem i für die Raucher der Zigaretten mit dem symbolischen<br />

Dromedar, das „Kamel" genannt wurde. In den Anzeigen trugen<br />

zunächst verschiedene Männer die kaputten Treter und erkundeten<br />

damit fremde Länder, erst ab 1975 wurde der lockige<br />

Schnauzbart Bob Beck das<br />

Gesicht der Kampagne und<br />

blieb es bis 1985.<br />

Camel und Marlboro beherrschten<br />

nebeneinander Anzeigen-,<br />

Plakat- und Kinowerbung der<br />

70er Jahre in ähnlich offensichtlicher<br />

Konkurrenz wie Adidas und<br />

Puma: Man musste sich zwischen<br />

den beiden entscheiden,<br />

oder man rauchte ganz andere<br />

Sorten. Viele von diesen waren<br />

Eintagsfliegen und überlebten<br />

ihr Einführungsjahr nicht,<br />

ihre Namen sind längst vergessen.<br />

Im Ausstellungskatalog<br />

„Werbewelten made in Hamburg.<br />

100 Jahre Reemtsma" heißt es:<br />

„Zwischen 1967 und 1979 brachte Reemtsma fast 160 neue Marken auf<br />

den Markt und versuchte, neue Zielgruppen zu erreichen. Damit reagierte<br />

das Unternehmen auch auf die zunehmende Individualisierung und<br />

das Entstehen unterschiedlicher Lebensstile, Milieus und Alltags<strong>kult</strong>uren<br />

nach der 68er-Bewegung. Unter den Neuentwicklungen waren ,Silva'<br />

für die moderne Frau, ,Leo' für den studentischen Lebenskünstler oder<br />

,Morgan' in der wetterfesten Kunststoffbox für den Naturliebhaber als<br />

direkte Konkurrenz zur erfolgreichen ,Camel'."<br />

A uch die moderne Raucherin war inzwischen<br />

eine feste Größe unter den<br />

Zielgruppen: In den 70er Jahren habe das Rauchen von Frauen den<br />

„verruchten Charakter" verloren und sei in der Reklame zu einem<br />

„äußeren Signal der Emanzipation stilisiert" worden, erläutern die<br />

Herausgeber der Untersuchung „1945 bis 1995. 50 Jahre Werbung in<br />

Deutschland". Sie zeigen dazu eine Anzeige für die Zigarette Kim, die<br />

„schlank und rassig" Frauen ansprechen soll: „Für Männerhände viel<br />

zu chic!", erklärt die Kampagne von 1972 dazu. Vergleichbar waren<br />

auch Candida oder Eve: Bei beiden war<br />

die Packung (bei Eve sogar die Zigarette<br />

selbst) mit bunten Regenbogen- bzw.<br />

Blümchen-Motiven dekoriert –, offenbar<br />

dachten die Macher, man müsse<br />

eine Frauenzigarette unbedingt romantisieren<br />

und mit einem Frauennamen<br />

belegen, weil das bei den Groschen-<br />

Romanen so gut funktionierte ...<br />

Die größte Errungenschaft der 70er<br />

Jahre waren bei den Zigaretten<br />

interessanterweise die „Leichten" oder<br />

„Milden". In den Sechzigern war die Kritik<br />

aus dem Gesundheitsbereich aufgrund<br />

neuer Studien so laut geworden, dass die<br />

Tabakwarenindustrie reagieren musste (ab<br />

1974 galt ein erstes Tabak-Werbeverbot<br />

für Radio und Fernsehen). Zu den prominentesten Nikotingegnern<br />

gehörte die Deutsche Krebshilfe, die die Ärztin Mildred Scheel 1974<br />

gegründet hat. Ihr Mann Walter bekleidete von 1974 bis 1979 das Amt<br />

des Bundespräsidenten, und das Paar war – außer bei B.A.T., Reemtsma,<br />

Reynolds, Haus Neuerburg und Co. – sehr beliebt.<br />

Zunächst mit Filterzigaretten und dann mit reduzierten Teerwerten<br />

in den „Light"-Zigaretten gaben sich die Firmen den Anschein, tatsächlich<br />

gesundheitsbewusster zu denken; faktisch hatte das Ganze aber<br />

sogar eine Ausweitung des Marktes zur Folge, und die Reklame zeigte<br />

skurrile Auswüchse: Für Astor special erfand man 1970 tatsächlich eine<br />

„Airmix-Zone" und titelte frech: „Die<br />

Cigarette, die atmet"!<br />

Gerade für die als „stark" bekannten<br />

Sorten wie Roth-Händle war<br />

es jedoch zunächst ein großer Schritt.<br />

Da hieß es noch 1969 beschwörend<br />

über die neue Zigarette: „Sie hat das<br />

Filtermundstück bekommen und den<br />

Roth-Händle-Tabak behalten", weil<br />

die alte Kundschaft nicht vergrault<br />

werden sollte. Gauloises dagegen<br />

gab es jahrelang mit und ohne Filter.<br />

Und viele andere boten ebenfalls<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 23


ihre Ware so oder so und später als „Lights" an und konnten damit ihr<br />

Angebot effektiv erweitern.<br />

Menthol wiederum erreichte als aromatisierende Beigabe, dass der<br />

Rauch beim Einatmen milder wirkte. Die Menthol-Zigaretten der<br />

70er Jahre, allen voran Reyno, setzten in der Werbung auf „Erfrischung",<br />

auf den Reklamebildern assoziativ mit Wasser, Kühle oder grünen<br />

Pflanzen verbunden.<br />

Auch erste Reflexionen der<br />

„Zurück zur Natur"-Bewegung<br />

waren zu erkennen. Tom Selleck<br />

saß in Jeans im Gras und<br />

rauchte Reyno (zum Serienstar<br />

Thomas Magnum wurde er erst<br />

später), und die Helden der<br />

Gauloises-Kampagne, die immer<br />

etwas Verrücktes anstellten,<br />

dümpelten mit irgendwelchen<br />

Gefährten auf dem Wasser oder<br />

machten Picknicks im Grünen.<br />

Gegen Ende der Dekade<br />

boomten dann die<br />

Selbstgedrehten, schließlich war<br />

Handarbeiten ohnehin groß<br />

in Mode: Die einen machten<br />

Makramee oder Ikebana, die<br />

anderen rollten ihre Kippen, so<br />

ließ sich das Rauchen in den<br />

Hobby-Sektor integrieren ... Hier<br />

gab es Bison, Samson, Javaanse,<br />

Roth-Händles Schwarze Hand<br />

oder Drum, sämtlich vor<br />

allem mit jungen Leuten als<br />

Zielgruppe. Natürlich war der<br />

Tabak ebenfalls für den Bau von<br />

Joints beliebt, aber das durfte<br />

aus naheliegenden Gründen<br />

in der Reklame auf gar keinen<br />

Fall zur Sprache kommen,<br />

auch wenn das Drogen-Mekka<br />

Holland als Ursprungsland<br />

besonders gerne betont wurde.<br />

Die jungen Männer und Frauen wurden meist in der Gruppe oder<br />

als Pärchen gezeigt, redend, politisierend und rauchend, oft mit Gitarre<br />

oder Büchern, immer zwanglos in Jeans und rauchend. In einer Drum-<br />

Anzeige hängt sogar ein Plakat an der Wand der Redaktions-Szenerie,<br />

das verdächtig nach dem Vietnam-Revolutionär Ho Chi Minh aussieht,<br />

die Studentenbewegung hinterließ hier ihre Spuren. Für Samson warb<br />

dann auch der eine oder andere Promi: Sowohl Didi Hallervorden als<br />

auch Paul Breitner zierten die Anzeigen, und ihre frechen Wuschelköpfe<br />

suggerierten den erstrebenswert unbeugsamen Geist.<br />

Mit Blick auf die Werbekonzepte lief besonders eine Serie ausgesprochen<br />

lange: Das „HB-Männchen" war abgelöst worden von einer<br />

Gruppe fröhlicher junger Menschen, die in den 70er Jahren gemeinsam<br />

ihren Hobbys nachgingen und ihre Freizeit (natürlich HB rauchend)<br />

miteinander verbrachten. Da ist dann alles im Einsatz: das Tandem, der<br />

Hopseball, Wurfspiele oder ein Riesenschachspiel. Die unbekümmerte<br />

Gruppe und ihre kindlichen Accessoires sind in einem gelben Rahmen<br />

vor einen weißen Hintergrund gesetzt, im Vordergrund ist immer die<br />

HB-Schachtel mit ihrem gekrönten rot-gelben Logo in Zeltform zu<br />

sehen, als Signatur im Rahmen findet sich außerdem das alte „Haus<br />

Bergmann"(= HB)-Logo.<br />

Eine andere Serie mit ebenso hohem Wiedererkennungswert war<br />

die Atika-Reihe, in der jeweils ein Paar bummeln geht (heute<br />

hieße es „shoppen") und alle möglichen Gegenstände gemeinsam<br />

aussucht: Sie kaufen Spiegel, Koffer oder orientalische Laternen,<br />

sind im Lampengeschäft oder wählen Schuhe aus. Und obwohl es<br />

1971 noch im Text<br />

dazu hieß: „Es war<br />

schon immer etwas<br />

teurer, einen besonderen<br />

Geschmack<br />

zu haben", war klar:<br />

Einig im Geschmack<br />

sind sie sich sowieso!<br />

Auch wenn ihre<br />

Einkäufe und ihre<br />

Zigaretten teuer sind<br />

... Es war die „schöne<br />

neue Welt des<br />

Genießens" (so der<br />

Slogan von 1973).<br />

Erst gegen Ende<br />

der Dekade wurde<br />

das geschmackvolle<br />

Paar dann durch<br />

eine lockere Gruppe<br />

abgelöst. Jetzt hieß<br />

der Slogan: „Wir<br />

lieben's leicht."<br />

Die Luxus-Schiene war bei anderen Sorten allerdings noch ausgeprägter:<br />

„Erste Sorte" umgab den Raucher in Rolli und Lederweste<br />

mit poliertem Holz, Stuck und Marmor – hier hieß „Stil" dann selbstverständlich<br />

„le style"! Benson & Hedges oder Dunhill setzten ebenfalls auf<br />

altmodische Kostbarkeiten. Erstere kooperierten dazu sogar mit British<br />

Leylands Jaguar und feierten beides, Auto und Zigarette, als „British<br />

European Style". Dunhill präsentierte sich auf edlem roten Leder mit goldenem<br />

Feuerzeug oder ausgesuchtem Schreibgerät ganz hochherrschaftlich.<br />

Die Philipp-Morris-Kampagne allerdings zeigte die Packung gleich<br />

in Kombination mit Austern, Champagner, Goldmünzen, Diamanten oder<br />

gar der Blauen Mauritius. Hier<br />

wurde die Assoziation „Luxus"<br />

quasi mit dem Holzhammer vermittelt.<br />

John Player Special (JPS)<br />

dagegen bot dekadenten<br />

Lebensstil mit sexueller<br />

Komponente: Eine schwarzweiß<br />

fotografierte Fotoserie<br />

zeigte in der Regel eine attraktive<br />

Frau von hinten, so dass<br />

ihr Po (gerne in knallengen<br />

Lederhosen oder Hotpants) mit<br />

einer anzüglichen Bemerkung<br />

dabei zum Bildmittelpunkt<br />

wurde: „Lernen Sie jemanden<br />

kennen, der John Player Special<br />

raucht. Vielleicht bleibt sie nicht<br />

standhaft", war zum Beispiel zu<br />

einer Skaterin getextet, deren<br />

Unterwäsche im Gegenlicht<br />

lockend durch ein transparentes<br />

Kleidchen schien ....<br />

Die seit dem Ende der<br />

60er Jahre gelaufene<br />

Gauloises-Reihe trumpfte auf<br />

eine ganz andere Art mit möglichst<br />

humorvollen, unkonventionellen<br />

Motiven auf, die den<br />

Individualismus des Frankreich-<br />

Fans unterstreichen sollte, und<br />

die direkte Konkurrenz, Gitanes,<br />

machte sich die Popularität von<br />

Naiver Kunst zunutze. Beide<br />

Seite 24 ■ GoodTimes 2/2014


vermittelten Frankreich als Land des Genusses<br />

und des Savoir vivre.<br />

Stuyvesant bot 1971 bis 1973 wiederum<br />

etwas ganz Neues: eine<br />

Unikat-Kampagne, wie sie später auch<br />

Jägermeister mit seinen Porträts startete.<br />

Durchnummerierte Fotos von Landschaften<br />

eröffneten einen Blick auf die durch den<br />

vereinfachten Flugverkehr endlich erreichbare<br />

ganze Welt aus Sicht der Fernreisenden. Die<br />

Bilder verbanden so die Marke mit der Reise<br />

an sich, ohne dass der Flugkapitän noch –<br />

wie zu Beginn der 70er Jahre – unbedingt<br />

gezeigt werden musste.<br />

Parallel zur Fotoserie behielt Stuyvesant<br />

übrigens auch traditionelle Werbegrafik<br />

im Programm, mit der Reval und Lord Extra<br />

so erfolgreich waren. Für Reval gestalte-<br />

te der Grafiker Gerd Grimm die<br />

Anzeigen 1961–1971 und 1975,<br />

indem er ausgesprochen farbige<br />

Figuren oder Porträts von Rauchern<br />

und Raucherinnen vor einen blauen oder orange-gelben<br />

Hintergrund setzte. Grimm war gelernter Modezeichner,<br />

und sein unverwechselbarer Stil als Künstler hob die<br />

Kampagne aus der übrigen Reklame hervor.<br />

Einerseits waren in ästhetischer Hinsicht die<br />

meis ten Anzeigen, in den typischen 70er-<br />

Farben gehalten, ein Augenschmaus in Braun-Grün<br />

und vor allem sonnigem Orange, andererseits genoss<br />

man die relativ junge Möglichkeit des Farbfotodrucks<br />

– und gerade die Reiseserie von Stuyvesant erinnerte<br />

doch<br />

sehr an die zeitgenössischen Endlos-Dia-Abende<br />

mit „Mutti vor Sonnenuntergang".<br />

Gleichzeitig gab es eine Nostalgiewelle: Beliebt waren gestalterische<br />

Anklänge an die Jahrhundertwende wie bei Roth-<br />

Händle, zumal eben diese 1970 ihren hundertjährigen Geburtstag<br />

feiern konnten. Die verschnörkelten Grafiken in<br />

Pink vor schwar-<br />

zem<br />

Hinter grund<br />

(höchstens gelegentlich<br />

mit royal-blauen<br />

Elementen) wirkten<br />

durch den starken<br />

Kontrast gleichzeitig<br />

altmodisch und frech<br />

und konnten so das<br />

alte Firmen-Emblem,<br />

die Hand, in etwas<br />

Zeitgemäßes integrieren.<br />

Literatur:<br />

Wer noch mehr<br />

Aufmerk samkeit<br />

erheischen wollte, musste<br />

etwas bieten. Gewinnspiele<br />

eigneten sich ideal zur<br />

Kundenbindung,<br />

und<br />

Preisausschreiben<br />

sowie<br />

bestellbare Werbeprodukte<br />

gab es von vielen Marken.<br />

Typisch waren dabei Autos<br />

(wie der Gauloises-R4) oder<br />

Reisen, Küchenutensilien<br />

und Spiele. Krone gab sogar<br />

im<br />

honorigen Hoffmann<br />

&<br />

Campe-Verlag ein Buch<br />

mit Spielanleitungen für<br />

Erwachsene<br />

heraus, bei der Firma ASS<br />

(Altenburg-Stralsunder Spielkartenfabriken)<br />

erschienen sowohl das Krone-Spiel „Coup" als<br />

auch „Battel", „Würfeljoker" oder „Zock". Für<br />

HB warb die ganze Reihe der HB-Bildatlanten<br />

(und machte mit aktuellen Karten und Fotos<br />

den bis dato konkurrenzlosen „Merian"-<br />

Heften das Leben schwer), Kartenspiele gab<br />

es von ganz vielen Marken.<br />

Auf der Nostalgiewelle<br />

schwammen dazu die<br />

„Barspiegel"; Bierdeckel und<br />

Aschenbecher als Klassiker des<br />

Zubehörs zierten die Tische:<br />

Wer sich an eine typische<br />

Kneipeneinrichtung der 70er<br />

Jahre erinnert, hat diese Details vielleicht nur<br />

unbewusst wahrgenommen. Immer aber stand<br />

irgendwo das Gerät zum Ziehen der Kippen,<br />

für das extra die „Automatenpackung"<br />

geschaffen worden war, wie man sie heute<br />

kennt. 20 Stück für zwei Mark kann sich<br />

allerdings wohl keiner mehr vorstellen!<br />

1945 bis 1995. 50 Jahre Werbung in Deutschland"<br />

"<br />

Joachim Kellner, Ulrich Kurth, Werner Lippert (Hg.)<br />

Ingelheim (Westermann), 1995<br />

Werbewelten made in Hamburg.<br />

"<br />

100 Jahre Reemtsma, Hamburg"<br />

Stefan Rahner / Museum der Arbeit (Hg.)<br />

Junius Verlag, 2010<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 25


40 Jahre<br />

2,7 Milliarden Franken<br />

erobern die Kinderzimmer<br />

Als die ersten Playmobil-Figuren<br />

1974 die Verkaufsregale der Spielwarengeschäfte<br />

erreichten, konnte ihr<br />

Hersteller „geobra Brandstätter" bereits auf<br />

eine fast hundertjährige Firmengeschichte<br />

zurückblicken. Der Schlosser Andreas<br />

Brandstätter hatte sich 1876 in Fürth selbstständig<br />

gemacht und stellte in der nach ihm<br />

benannten Firma mit einigen Mitarbeitern<br />

Schatullenbeschläge und -schlösser her. 1908<br />

Die ersten Playmobil-Figuren 1974.<br />

wurde das Unternehmen in „Metallfabrik<br />

Georg Brandstätter" umbenannt. Georg war<br />

der Sohn des Firmengründers. Er hatte den<br />

Betrieb übernommen und zog 1921 ins<br />

etwa fünf Kilometer entfernte Zirndorf, wo<br />

noch heute die Zentrale ihren Sitz hat.<br />

Damals stellte man bereits neben Metallwaren<br />

auch Spielzeuge her, etwa Utensilien für<br />

Kaufmannsläden, Spielzeugtelefone und<br />

Spardosen. (Brandstätter war übrigens nicht<br />

der erste Spielzeugfabrikant Zirndorfs, schon<br />

1880 war hier die Firma Lorenz Bolz – die<br />

Erfinder des Brummkreisels (1913) – an den<br />

Start gegangen.)<br />

1952 begann dann der heutige<br />

Firmenchef Horst Brandstätter mit der<br />

Ausbildung zum Formenbauer seine<br />

Laufbahn im Familienunternehmen<br />

„geobra Brandstätter", wie die Firma seit<br />

Beginn der 1930er<br />

Jahre hieß. In den<br />

Fünfzigern spezialisierte man sich auf<br />

Spielzeug aus Kunststoff, zum Ende<br />

des Jahrzehnts gelang mit der<br />

Herstellung von Hula-<br />

Hoop-Reifen ein<br />

Noch weit weg vom Playmobil-Männchen:<br />

eine der ersten Skizzen von Hans Beck.<br />

großer Coup: „geobra Brandstätter" wurde<br />

zum europäischen Marktführer der wieder in<br />

Mode gekommenen Reifen. Breit aufgestellt<br />

mit einer umfangreichen Produktpalette vom<br />

Wasserski bis zum Plattenspieler manövrierte<br />

man sich erfolgreich durch die Sechziger.<br />

Doch die Nase vorn zu behalten, wurde<br />

ein immer schwierigeres Unterfangen, nicht<br />

zuletzt angesichts des Kostendrucks aus<br />

Niedrigpreisländern. „geobra" trat also die<br />

Seite 26 ■ GoodTimes 2/2014


Flucht nach vorn an, 1969 wurde im 25<br />

Kilometer entfernten Dietenhofen<br />

ein neues Fabrikgebäude gebaut,<br />

zwei Jahre später auf Malta gar<br />

die erste Auslandsproduktion<br />

begründet. Die Produktpalette e<br />

sollte auf Deckenpaneelen und<br />

Kunststoffmöbel ausgeweitet<br />

werden, doch die aufkommende<br />

Ölkrise und der damit verbundene<br />

Rohstoffmangel ließen den einstigen Hula-<br />

Hoop-Marktführer in die roten Zahlen schlittern.<br />

Wenn man so will, haben wir Playmobil der<br />

Ölkrise zu verdanken! Erfunden wurden die<br />

Nasen, die dann aber ersatz-<br />

los gestrichen und letztlich<br />

auch von niemandem<br />

vermisst wurden. Beck<br />

wirkten seine Figuren<br />

mit Nase zu clownesk.<br />

1972 wurde schließ-<br />

lich das Patent angemel-<br />

det. In der ursprünglichen<br />

Konstruktionszeichnung hat das Playmobil-<br />

Männchen noch gegenbewegliche Beine,<br />

doch in der Praxis zeigte es sich, dass die<br />

Standfestigkeit nicht die beste war. Also<br />

wurde dieser Ansatz wieder verworfen, denn<br />

bis heute hat die Funktionalität oberste<br />

Figuren entstanden entsprechende Welten.<br />

Waren es im Startjahr nur Pferde, einige<br />

Verkehrsschilder und ein Tipi, zogen Ritter<br />

alsbald in Burgen sowie Cowboys in den<br />

Saloon ein, und Polizisten verfügten fortan<br />

über einen Fuhrpark. Obwohl Playmobil<br />

schon damals seinen bis heute anhaltenden<br />

Siegeszug antrat, war insbesondere in den<br />

Siebzigern noch eine Hürde zu nehmen. Im<br />

benachbarten Fürth begann 1975 die BIG<br />

Spielwarenfabrik die Produktion eines verblüffend<br />

ähnlichen Systemspielzeugs. Unter<br />

dem Claim Play-Big entstanden vergleichbare<br />

Figuren, die nur geringfügig größer<br />

waren und auch mal ernst oder traurig<br />

70er Jahre 80er Jahre 90er Jahre 2000er Jahre<br />

kleinen Figuren mit den beweglichen Armen<br />

und Beinen vom gelernten Tischler Hans<br />

Beck aus Greiz. 1958 hatte der Thüringer, der<br />

Priorität: Kinder sollen beim Spielen mit<br />

Playmobil nicht gefrustet werden. Das Patent<br />

ist übrigens schon 1990 erloschen, doch<br />

Playmobil-Chef Horst Brandstätter und sein die Figuren genie-<br />

Mustermacher" Hans Beck Mitte der Siebziger ßen weiterhin<br />

"<br />

beim Fachsimpeln über ein Kultspielzeug Plagiatsschutz.<br />

Sie sind nämlich<br />

als Kunstwerk<br />

anerkannt,<br />

und<br />

somit greift das<br />

Urheberrecht bis 70<br />

Jahre nach dem<br />

Tod des Schöpfers.<br />

Hans Beck verstarb<br />

einige Jahre zuvor nach Franken übergesiedelt<br />

war, sich bei „geobra" als Entwickler<br />

– damals hieß es noch Mustermacher<br />

– beworben. Ausschlaggebend für seine<br />

Anstellung soll sein Faible für den<br />

Modellbau gewesen sein. Zwölf<br />

Jahre später stellte der Vater der<br />

Playmobil-Figuren, wie Beck von<br />

den Medien genannt wird, seinem<br />

Chef die ersten Prototypen vor:<br />

einen Ritter, einen Indianer und<br />

einen Bauarbeiter. Brandstätter ließ<br />

Beck machen, denn es war klar, dass ein<br />

Spielzeug, das gut in eine Kinderhand<br />

passt, in der Herstellung weniger<br />

Rohstoffe benötigt. In der ersten Skizze<br />

von Hans Beck hatten die Figuren noch<br />

2009, zweifelsohne<br />

lebt er jedoch in seinen<br />

Figuren weiter.<br />

Für die Nürnberger<br />

Spielwarenmesse im<br />

Frühling 1974 stellte<br />

Beck die erste<br />

Musterkollektion her. Mal abgesehen von<br />

einem Großauftrag aus den Niederlanden<br />

war die Reaktion des Handels auf das erste<br />

Sortiment mit 19 verschiedenen Artikeln<br />

aber nicht unbedingt euphorisch. Anders<br />

die Reaktion der Konsumenten: Ende<br />

des Jahres waren schon drei Millionen<br />

D-Mark umgesetzt. Passend zu den<br />

schauten. „geobra" zog<br />

vor Gericht, doch der<br />

Bundes gerichtshof wollte<br />

den Plagiatsvorwurf nicht<br />

bestätigen. Im abschließenden<br />

Urteil zugunsten<br />

der Firma<br />

BIG hieß es,<br />

dass „Play-Big-<br />

Figuren den Eindruck<br />

eines<br />

selbstbewussten,<br />

sportlichen,<br />

aggressiven<br />

Mannes vermitteln,<br />

wohingegen das Playmobil-<br />

Männchen die Wirkung von einem Kind, nett<br />

und noch unsicher auf den Beinen", habe.<br />

Der jahrelange Zwist wurde schließlich von<br />

den Käufern entschieden, Play-Big konnte<br />

sich am Markt nicht etablieren, 1979 wurde<br />

die Produktion der Play-Welten wieder eingestellt.<br />

Um die Fürther Spiel waren fabrik<br />

braucht man sich dennoch keine Sorgen zu<br />

machen, mit dem heute legendären Bobby-<br />

Car gelang ihr schon 1972 ein großer Wurf.<br />

1976 gab es die ersten weiblichen Playmobil-<br />

Figuren in bewährter Größe (noch ohne<br />

Busen, aber mit flottem Minikleid), und fünf<br />

Jahre später folgte der erste Nachwuchs:<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 27


Mädchen- und Jungenfiguren mit 5,5<br />

Zentimetern Länge. 1984 kamen Babys mit<br />

beachtlichen 3,5 Zentimetern hinzu. Zu dieser<br />

Zeit gab es längst auch austauschbare<br />

Brillen und Bärte, 1986 die ersten dicken<br />

Männer (der Piratenkapitän), wenig später<br />

Frauen mit Brüsten und seit 2012 gar die<br />

schwangere<br />

Playmobil-Figur.<br />

Die Vielseitigkeit t scheint seit<br />

Ende der Achtziger schöpflich. Es gibt nack-<br />

te Füße, verschiedene<br />

Schuhe,<br />

unterschiedliche<br />

Rocklängen,<br />

Jacken, Westen, en,<br />

uner-<br />

Mützen, lange<br />

Haare,<br />

kurze<br />

Haare ... 2006<br />

kamen<br />

Fußballer<br />

aus unzähligen Nationen<br />

mit eigenem Stadion<br />

auf den Markt, ein Jahr später sogar<br />

Damenteams (übrigens hieß das Stadion<br />

des realen Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth<br />

von 1997 bis 2010 Playmobil-Stadion). 2010<br />

folgten die ersten Figuren in Bikini und<br />

Badehose. Eine absolute Innovation im<br />

letzten Jahr war das Shopping Center,<br />

denn die Shopping-Figuren lassen<br />

sich an-, aus- und umziehen.<br />

Parallel dazu entstanden<br />

immer weitere Spielwelten:<br />

Gebäude, Autos, Tiere ... Ein<br />

wahres Highlight war 1978<br />

das erste Piratenschiff, innerhalb<br />

eines Jahres enterten<br />

100.000 Exemplare die<br />

Badewannen. Im selben Jahr<br />

entstand auch „Playmobil Color"<br />

– Figurensets zum Selbstanmalen,<br />

eine Idee, der man bis 1993 nachging.<br />

Die Weltraum- und Kosmonauten-<br />

Kollektionen bekamen in den Achtzigern<br />

einen eigenen Begriff sowie ein Sonderlogo<br />

verpasst: Playmo Space.<br />

Mittlerweile sind sämtliche<br />

Packungen wieder<br />

einheitlich blau und<br />

mit weißem Schriftzug<br />

versehen.<br />

Lediglich<br />

ein paar Artikel aus<br />

den in erster Linie für<br />

Mädchen gedachten<br />

Puppenhaus-<br />

und<br />

Schlösser-Linien<br />

befinden sich in rosa<br />

Schachteln, und in<br />

gelben Kartons kommt<br />

die Reihe „Playmobil<br />

1.2.3." daher. Weil sich<br />

das Spielzeug aufgrund<br />

vieler Kleinteile erst<br />

an eine Zielgruppe ab<br />

vier Jahre wandte, entschloss<br />

man sich 1990<br />

für eine zusätzliche<br />

Serie für die Kleinsten –<br />

ein weiterer erfolgreicher<br />

Schachzug des fränkischen<br />

Unternehmens. Seit 2011<br />

gibt es darüber hinaus als<br />

„Fi?ures" noch nicht montierte<br />

Sammelfiguren in<br />

Überraschungstüten.<br />

Die Playmobil-Welten<br />

sind meistens ein<br />

Abbild der Realität.<br />

So haben beispiels-<br />

weise unlängst<br />

die<br />

Polizeifiguren ihren<br />

Farbcode<br />

gewech-<br />

selt, als fast alle<br />

Bundesländer im<br />

Zuge einer<br />

euro päischen<br />

Harmonisierung<br />

blau-silberne<br />

bzw.<br />

blau-<br />

weiße Autos und<br />

Uniformen einführten.<br />

Nun werden die bunten<br />

Spielfiguren, denen 1974<br />

keine große Zukunft vorausgesagt<br />

wurde, 40 Jahre alt und<br />

haben an Attraktivität nichts büßt. Im Gegenteil: Erstmals in der<br />

einge-<br />

40-jährigen Geschichte konnte ein<br />

weltweiter Jahresumsatz von 532<br />

Millionen Euro erzielt werden. Die<br />

komplette Brandstätter-Gruppe knackte kt sogar<br />

erstmals die 600-Millionen-Euro-Marke, denn<br />

mit Fertigung und Vertrieb der Lechuza-<br />

Pflanzsysteme hat der mittlerweile 80-jährige<br />

Alleininhaber Horst Brandstätter einen weiteren<br />

Trumpf im Ärmel. Neben der Zentrale in<br />

Zirndorf, die 1990 neu errichtet wurde und<br />

an die sich seit 2000 der große Playmobil-<br />

FunPark anschließt, und dem Hauptwerk in<br />

Dietenhofen gibt es eine weitere Fabrik in<br />

Selb; im fränkischen Herrieden wird derweil<br />

ein neues Logistikzentrum gebaut. Zudem<br />

verfügt „geobra" über Auslands fertigungen<br />

© Historisches Museum der Pfalz Speyer<br />

Mit dieser Zeichnung<br />

wurde 1972 das Playmobil-<br />

Patent angemeldet.<br />

Dieses überdimensionale Playmobil-<br />

Schiff steht derzeit im Historischen<br />

Museum der Pfalz in Speyer.<br />

auf Malta, in Tschechien und<br />

Spanien.<br />

Im Festjahr wird es 147 Neuheiten en<br />

geben, darunter Sets mit einem<br />

so genannten Jubiläumsbonus. s.<br />

Highlights werden ein kompletter<br />

Freizeitpark mit beleuchtetem<br />

Kettenkarussell und Riesenrad<br />

sowie die erste Playmobil-Kita sein.<br />

Einen interessanten Rückblick k<br />

auf die letzten vier Dekaden bie-<br />

tet das Historische Museum der<br />

Pfalz in Speyer. Noch<br />

bis zum 22. Juni<br />

2014 werden auf etwa<br />

2000 Quadratmetern ern<br />

Ausstellungsfläche<br />

e<br />

detailreiche, zum Teil<br />

raumfüllende<br />

Installationen<br />

zu historischen und aktuellen<br />

Themenwelten zu sehen sein.<br />

So<br />

gibt es eine Dinosaurier-<br />

Forschungsstation, ein Ozeaneum<br />

sowie den Zug zum Hambacher Schloss 1832.<br />

Damals pilgerten etwa 30.000 Pfälzer zur<br />

als Volksfest getarnten Protestkundgebung,<br />

Sinnbild früher Demokratiebemühungen in<br />

Deutschland. Eine der interessantesten Figuren<br />

aus den letzten Jahren ist dort aber nicht zu<br />

sehen. Als Horst Seehofer einmal „Playmobil"<br />

besuchte, machte man ihm spontan eine Figur<br />

zurecht, die als Angela Merkel durchgehen<br />

konnte. Ob er die Merkel-Figur an exponierter<br />

Stelle aufbewahrt oder wutentbrannt weggeworfen<br />

hat, ist indes nicht bekannt ...<br />

Christian Hentschel<br />

Fotos: © Geobra Brandstädter/Playmobil<br />

Seite 28 ■ GoodTimes 2/2014


Von Sven Rachner<br />

Leckere Reise<br />

in die Kindheit<br />

Es muss Ende der 70er Jahre gewesen sein: Da gab es<br />

diese unverschämt gut schmeckenden Kaubonbons. Sie<br />

waren klein, quadratisch und klebten immer am Gaumen<br />

– und sie hatten einen wahnsinnig fruchtigen Geschmack.<br />

Es gab sie in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen:<br />

Ananas, Himbeere, Orange und Zitrone – Sugus" von<br />

"<br />

Suchard. Zugegeben: Wir haben damals so einiges an<br />

Süßigkeiten verschlungen, von Esspapier bis hin zu<br />

Schleckmuscheln, aber Sugus" waren einfach<br />

anders. Und das hatte seinen Grund …<br />

"<br />

Einem gewissen Monsieur Hans-Conrad<br />

Lichti habe ich, zusammen mit vielen anderen,<br />

wohl einen Teil dieser unvergesslichen<br />

Kindheitserinnerungen zu verdanken. Der<br />

Generaldirektor der Schokoladenfabrik Suchard<br />

machte sich im Jahr 1929 auf die Suche<br />

nach Alternativen zu Kakao und Schokolade.<br />

Hintergrund war der damals desolate Zustand<br />

der Schweizer Wirtschaft, was derartige Konsumgüter<br />

rar und nahezu unerschwinglich machte. Fündig wurde Lichti schließlich<br />

in der polnischen Niederlassung von Suchard in Krakau. Dort<br />

stellte man ein für damali-<br />

ge<br />

Zeiten völlig neuartiges<br />

weiches Kaubonbon her. Er<br />

erwarb die Herstellungslizenz<br />

und kehrte mit der Rezeptur<br />

in<br />

der Tasche zurück in die<br />

Schweiz. Da die Produktion<br />

der Kaubonbons im Vergleich<br />

zur Schokoladenherstellung<br />

deutlich günstiger war und<br />

sie zudem im Sommer keine<br />

" Sugus"-<br />

Verpackung 1931<br />

Kühlung benötigten, konnte<br />

er den Verwaltungsrat von<br />

Suchard schließlich davon überzeugen.<br />

So wurde ab dem Jahr 1931 im Winter<br />

vorrangig Schokolade produziert – und in den Sommermonaten<br />

erstmals die neuen Kaubonbons<br />

mit dem Namen „Sugus".<br />

Sugus"<br />

entwickelte<br />

„ sich zum absoluten<br />

Liebling der Schweizer, so<br />

dass 1945 erstmalig der<br />

Export in verschiedene<br />

Länder Afrikas,<br />

Asiens und<br />

Südamerikas erfolgte. Ab 1960 eroberte „Sugus"<br />

nach und nach auch mehrere europäische Länder,<br />

darunter Deutschland. 1991 wurde Suchard<br />

dann von Kraft Foods übernommen, und zwei<br />

Jahre später erfolgten die ersten Änderungen:<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 29<br />

Die Produktion wurde von der Schweiz nach Frankreich<br />

verlagert, die Geschmacksrichtung Himbeere durch Erdbeere<br />

ersetzt und schließlich auch die Rezeptur noch leicht verändert,<br />

so dass die „Sugus" etwas härter und nicht mehr so klebrig waren.<br />

Inzwischen gehört „Sugus" dem Weltkonzern Wrigley, der die<br />

Marke im Jahr 2005 kaufte und ein Jahr später<br />

– zum 75-jährigen Jubiläum – schließlich<br />

auch noch die<br />

Form der „Sugus"<br />

veränderte und<br />

seitdem insgesamt elf weitere<br />

Geschmacks richtungen auf den<br />

Markt brachte.<br />

So sehr mich persönlich auch<br />

die erfolgten Änderungen treffen,<br />

so wenig haben sie anscheinend<br />

Auswirkungen auf die<br />

Erfolgsgeschichte von „Sugus": Einer<br />

Umfrage zufolge gehört „Sugus" zu<br />

den 20 beliebtesten Marken der Schweiz,<br />

und täglich werden über 300.000<br />

„Sugus" alleine in der Schweiz verzehrt. Kein Wunder, dass<br />

Wrigley daher weiterhin auf die Traditionsmarke setzt. Neben<br />

einem Onlineshop (Lieferung leider nur innerhalb der Schweiz<br />

und nach Liechtenstein) und einer eigenen Facebook-Seite<br />

gibt es zwischenzeitlich sogar auch ein „Sugus"-Spiel fürs<br />

iPhone ...<br />

Neue Verpackung,<br />

neues Maskottchen,<br />

gleicher Inhalt<br />

© Wrigley


MIT ERIC CLAPTONS<br />

GITARRE FING ALLES AN<br />

Was machen zwei Amerikaner in London, wenn sie vergeblich nach ihrem<br />

Lieblingsessen suchen? Sie eröffnen ein Restaurant und braten die Burger<br />

selbst. Als so simpel entpuppt sich letztlich die Gründungsgeschichte der<br />

Hard-Rock-Cafe-Kette, als 1971 in der Old Park Lane das erste Bier über den<br />

Tresen ging. Mittlerweile ist das Unternehmen in der ganzen Welt präsent: In<br />

über 55 Ländern gibt es an die 175 Lokale und fast 20 Hotels. Und überall<br />

regiert der Rock’n’Roll.<br />

Hard Rock Cafes sind ein<br />

Abenteuer. Zumindest für<br />

Rockfans. Egal, wo auf<br />

der Welt man eine der<br />

Lokalitäten mit dem schlichten, aber<br />

auffälligen Logo ansteuert – es erwartet<br />

einen eine Reise durch die Welt der<br />

populären Musik. Ein Motorrad von Elvis zu finden, unter<br />

Presley, eine handgeschriebene Setlist von<br />

der Lederjacke<br />

Jerry García (Grateful Dead), ein Ticket<br />

von Bruce<br />

für jenes Led-Zeppelin-Konzert, das<br />

es wegen des plötzlichen Todes von<br />

Dickinson<br />

(Iron Maiden)<br />

John Bonham nie gegeben hat, oder<br />

wurde eine<br />

John Lennons Brille – kein Rock’n’Roll-<br />

rt vie-<br />

von Steve Vai<br />

Originalklampfe<br />

Museum der Welt kann mit derart<br />

Das Mutterhaus" aller Hard Rock Cafes steht in London an der Old Park Lane.<br />

"<br />

len und einzigartigen Zeugnissen der<br />

Rockhistorie aufwarten. Manchmal stehen<br />

Besucher staunend vor den Vitrinen<br />

und fragen sich ungläubig flüsternd,<br />

ob das da wohl alles echt sei. Und<br />

nicht jeder traut sich gleich, neugierig g<br />

jeden Winkel zu erkunden, sich dabei<br />

womöglich zwischen Tische zu<br />

drängeln und andere Gäste<br />

beim Essen zu stören …<br />

Vor allem die Cafes<br />

platziert. Memphis, Tennessee, punktet<br />

t mit Memorabilia vom King, erinnert<br />

an die großen Zeiten der Sun-Studios<br />

und des Hauses Stax; New Orleans,<br />

Louisiana, lässt die Jazzfans staunen;<br />

in Nashville, Tennessee, und Atlanta,<br />

Georgia, können Country- und<br />

Gesehenes, während sie im Reiseführer blättert<br />

t<br />

oder in der Getränkekarte. Ein Stück weiter<br />

ist die Stimmung ausgelassener, sitzen fünf<br />

angeduselte Mittdreißiger in der Runde, haben<br />

keinen blassen Schimmer, was da alles über die<br />

Mattscheiben flimmert, wackeln trotzdem bei<br />

jeder Nummer im Rhythmus und singen bei<br />

AC/DC laut und falsch mit.<br />

Das Personal weiß indes mit allen umzugehen.<br />

Ob etwas zurückhaltender (eher selten) oder<br />

leutselig (häufiger) – die Kellner geben jedem<br />

in den USA sind<br />

Gast das Gefühl, dass sie ihm eine ganz spezi-<br />

wahre Fundgruben.<br />

elle Fürsorge angedeihen lassen. Da wird sofort<br />

Wenngleich hier eigent-<br />

lich nicht von Cafes<br />

gesprochen werden kann – der<br />

Begriff „Hallen" würde allemal bes-<br />

ser passen. Und trotz dieser zum<br />

Teil atemberaubenden Ausmaße<br />

ist an den Wänden manchmal<br />

kein Platz mehr: Neben<br />

einer signierten Gene-Simmons-<br />

Axt hängt eine Goldene der Rolling<br />

Hard-Rock-Fans schwelgen. Große und kleine<br />

Bildschirme servieren in einer Dauerschleife<br />

Clips und Live-Aufnahmen von Anthrax<br />

bis ZZ Top, von Bill Haley bis zu den<br />

Kings Of Leon. Nicht selten ersterben rben<br />

da an einigen Tischen die Gespräche<br />

zwischen ihr und ihm. Er lässt sich<br />

in die Bilder saugen, reagiert voller<br />

der Dialog gesucht, gefragt, erzählt, gefoppt.<br />

Wer ein intimes Plätzchen für stille Zweisamkeit<br />

sucht, wird es jenseits des Atlantiks in einem<br />

Hard Rock Cafe nicht leichthaben. Da ist doch<br />

eher ein dickes Fell<br />

angebracht. Gelangweilt<br />

geben sich die Mannschaften deut-<br />

scher Hard Rock Cafes allerdings<br />

auch nicht gerade, vor allem<br />

München kommt dem, was<br />

man aus Übersee und London<br />

Stones, neben einem Jerry-Lee-Lewis- Begeisterung auf ihm unbekannte<br />

kennt, doch ziemlich<br />

Hemd sind Sticks von Keith Moon Videos, freut sich über lange nicht<br />

nahe. Jedoch bricht aus-<br />

Seite 30 ■ GoodTimes 2/2014


gerechnet das Berliner Haus etwas aus.<br />

Während die meisten Hard Rock Cafes<br />

gerade auch wegen ihrer rustikalen<br />

Einrichtung und des Chics vergange-ener<br />

Jahrzehnte so besonders sind, ist<br />

Berlin ziemlich modern ausgestattet.<br />

Zudem sind die hellen Farben<br />

untypisch für die Kette. Mit Verweis<br />

auf eine signierte Uwe-Hassbecker-<br />

Gitarre (Silly) ist schon einer der<br />

wertvollsten Gegenstände benannt,<br />

und die Clips rutschen häufig eher in die Top-<br />

100-Charts ab. Wer’s mag …<br />

Ein großer Teil der Einnahmen<br />

der Restaurant-<br />

Kette wird über die<br />

Merchandise-Flotte eingefahren.<br />

T-Shirts, Hemden,<br />

Caps, Gläser, Buttons,<br />

Sticker, Kühlschrankmagnete, e,<br />

Jacken, Kindersachen,<br />

Schmuck, Accessoires und<br />

und und. Alles ist für Sammler<br />

dahingehend interessant, dass<br />

es in jeder Stadt spezielle Designs gibt. Der<br />

Clou sind die Specials mit<br />

bestimmten Künstlern.<br />

Derzeit liegt ein starkes<br />

Eric-Clapton-T-Shirt gut<br />

im Rennen. Und ganz neu<br />

kam ein Kiss-Motiv in den<br />

Shop, das einige offizielle Designs aus der<br />

Merchandising-Maschinerie der US-Heavy-<br />

Rocker abhängt. The Who sind längst ausverkauft,<br />

John Lennon, Willie Nelson, Jimi<br />

Hendrix oder Elvis Presley aber noch<br />

zu kriegen.<br />

Kleine Bühnen sind kein Standard,<br />

aber in den größeren Cafes vorhan-<br />

den. Und wo es sie gibt, gehören<br />

abendliche<br />

Konzerte natürlich zum<br />

Angebot. Tagsüber dient zurückge-<br />

lassenes Billig-Equipment den Gästen<br />

als Requisite für Erinnerungsfotos.<br />

Mädchencliquen posen dann<br />

genauso als imaginäre Band wie<br />

Gruppen gestandener Herren.<br />

Richtig cool wird es allerdings<br />

in den Hard Rock<br />

Hotels. Die sind natürlich<br />

gehobene Preisklasse und<br />

absolut auf dem neuesten<br />

Stand. Lediglich die<br />

Ausstellungsstücke,<br />

überdimensionale<br />

Leuchtreklame-Gitarren<br />

an der Straße und<br />

Flying-V-Klampfen als<br />

Griffe an den großen<br />

Eingangstüren (Biloxi,<br />

Mississippi), stellen die<br />

Verbindung zur Cafe-<br />

Kette her. Größere Säle<br />

ermöglichen<br />

dementsprechend<br />

größere<br />

Konzerte. In Las Vegas,<br />

Nevada,<br />

zeichneten<br />

erst vergangenes Jahr im dortigen<br />

Hard Rock Hotel Def Leppard<br />

eine Live-DVD auf, für die sie ihr<br />

erfolgreichs tes Album, HYSTERIA,<br />

in<br />

voller Länge präsentierten. Wie<br />

dem auch sei: Jährlich gehen an die<br />

15.000 Gigs über die Bühnen der<br />

Hard-Rock-Häuser.<br />

Als<br />

Isaac Tigrett und Peter Morton<br />

am<br />

14. Juni 1971 das erste Cafe<br />

eröffneten, hätten sie sicher geschmeichelt,<br />

aber ungläubig g durch den Hasch-Rauch<br />

gegrinst, wenn ihnen<br />

jemand diesen Erfolg<br />

vorausgesagt hätte.<br />

Geschäftstüchtig waren<br />

die beiden Herren aber<br />

von Anfang an, denn schon<br />

beim Logo überließen sie<br />

nichts dem Zufall. Nicht<br />

nur, dass man das Design<br />

der Chevrolet-Blechmarke<br />

nachempfand, man holte<br />

sich sogar Alan Aldridge ins<br />

Boot, der bereits für die Beatles Aufträge<br />

erledigt hatte. Allerdings dürfte es wiederum<br />

dann doch eher Zufall gewesen sein, dass<br />

ausgerechnet<br />

ein<br />

Beatle 1973 das<br />

erste Konzert im Londoner Cafe bestritt:<br />

Paul McCartney und seine e Wings testeten<br />

ihr Programm für die<br />

anstehende UK-Tour. Ein<br />

Jahr später begann der<br />

Siegeszug der Hard-Rock-<br />

Cafe-T-Shirts: Tigrett und<br />

Morton sponserten ein<br />

Londoner Fußballteam und<br />

ließen ihr Logo auf die<br />

Spielerbekleidung drucken.<br />

Da nicht alle Hemden<br />

benötigt wurden, gingen n<br />

einige zurück an die Spender, die diese wiederum<br />

an ein paar Kunden verteilten. Und schon<br />

wollte jeder, der keins hatte, eines haben. So<br />

einfach war es in den 70er Jahren manchmal,<br />

das große Geld zu machen!<br />

Kein Deut weniger unterhaltsam ist der Beginn<br />

der Memorabilia-Ausstellung: Eric Clapton<br />

hängte 1979 eine seiner Gitarren über einen<br />

Stuhl im Londoner Mutter-Cafe, um seinen<br />

Stammplatz zu markieren und andere Gäste<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 31<br />

von diesem fernzuhalten. Nur knapp eine<br />

Woche später schickte dann Pete Townshend<br />

einen seiner Sechssaiter ein und vermerkte auf<br />

einem Zettel: „Meine ist so gut wie seine!"<br />

Heute hat die Kette über 74.000 Raritäten im<br />

Bestand.<br />

Das eigentlich uramerikanische Konzept der<br />

Restauration kam erstaunlicherweise aber<br />

erst 1982 in den Vereinigten Staaten an.<br />

Das erste Cafe öffnete in Los<br />

Angeles. Mittlerweile ist die Kette<br />

neben den USA, Großbritannien und<br />

Kanada auch in Asien, in Süd- und<br />

Mittelamerika, in der Karibik, in<br />

Afrika, im Mittleren Osten sowie<br />

in Ost- und Westeuropa vertreten.<br />

Es gibt Hard Rock Casinos,<br />

Hard-Rock-Live-Venues und<br />

Freizeitparks …<br />

Schlagzeilen machte die Kette,<br />

die über die Jahre eine Reihe von Besitzern<br />

sah, zuletzt tdamit, dass sie von den Seminolen<br />

aufgekauft wurde. Der Stamm, der<br />

sich korrekterweise Seminole Tribe<br />

Of Florida nennt und als der angepasste<br />

Teil der Seminolen-Nation<br />

gilt, akzeptierte bereits 1979<br />

Glücksspiel in seinem Reservat<br />

und wurde damit reich. 2006<br />

kauften die Seminolen für 727<br />

Millionen Euro die Hard-Rock-<br />

Cafe-Kette, verstärkten die karitativen<br />

Aktivitäten und setzten<br />

bei den Zutaten t der Gerichte noch stärker<br />

auf Bio. Die Indianer vermieden<br />

es wohlweislich,<br />

der Kette einen folkloristischen<br />

Touch zu verleihen<br />

und womöglich indianische<br />

Elemente zu integrieren.<br />

Und das Geschäft<br />

brummt …<br />

Jens-Uwe Berndt


DEM TÄTER AUF DER SPUR<br />

Mörderjagd<br />

?<br />

? ? ?<br />

?<br />

?<br />

?<br />

Täter auf der Spur" war von<br />

als Ratequiz<br />

" Aber ja! So muss es gewesen sein!" – Also, für Sie ist der Fall …" –<br />

"<br />

„… klar! Und für Sie?" Nicht, dass der mürrisch-todernste Kommissar<br />

Bernard in diesem Moment seinen skurrilen und stets sardonisch grinsenden<br />

Kollegen Inspektor Janot ansah – nein, er wandte sich an das<br />

TV-Publikum und an die im Studio versammelten prominenten Gäste.<br />

Und die konnten sich wirklich sehen lassen: Inge Meysel, Uschi Glas, Hans<br />

Rosenthal, Bibi Johns, Helga Feddersen und sogar Bundesinnenminister<br />

Hans-Dietrich Genscher saßen brav in der Raterunde und versuchten<br />

jeder für sich zu ergründen, wer den zuvor gesehenen Mord begangen<br />

haben könnte.<br />

D<br />

em<br />

„ 1967 bis 1973 um 20.15 Uhr im<br />

Samstagabend-Programm der ARD<br />

zu sehen und erfreute sich schnell<br />

einer wachsenden Fangemeinde.<br />

Die jeweiligen Ausstrahlungen der<br />

17 Folgen waren zwischen 30 und<br />

100 Minuten lang und stammten<br />

aus dem reichhaltigen Ideenfundus<br />

von Jürgen Roland („Stahlnetz",<br />

„Tatort", „Großstadtrevier"), der<br />

hier Drehbücher meist französischer<br />

Autoren verwendete.<br />

Zu Gast bei Jürgen Roland: Sabine Christiansen und Werner<br />

Baecker – Dem Täter auf der Spur: Frau gesucht …" (1970)<br />

"<br />

französischen Rollennamen nur zusätzlich verwirren,<br />

die in deutschen Ohren recht ähnlich<br />

klangen. So konnte es im Studio schon mal zu<br />

einer Prominentenaussage wie „Na ja, ich denke,<br />

es war dieser Chauchot oder Chazeux" kommen.<br />

Und darauf gab es nicht mal hämische Lacher im<br />

Studiopublikum, sondern pures Verständnis.<br />

Von Oliver Schuh<br />

Dem Täter auf der Spur: Der Tod in der Maske" (1972)<br />

"<br />

mit Horst Frank und Monika Gabriel<br />

Warum Roland<br />

die recht kom-<br />

p<br />

l i z i e r t e n<br />

Geschichten<br />

seines<br />

Krimiquiz'<br />

in Frankreich<br />

beließ,<br />

ist nicht ganz<br />

klar. Vielleicht<br />

wollte er die<br />

Rategemeinde<br />

mit den vielen<br />

Birgit Schanzen, Jürgen Roland und Ulrich Wickert (v.l.) sind dem Täter auf der Spur.<br />

Der Aufbau der Sendung war stets der gleiche:<br />

Jürgen Roland bereitete das Publikum und<br />

seine Gäste auf den nun folgenden Fall vor, bat<br />

darum, genauestens zu beobachten und zuzuhören<br />

und den Fall anhand von Indizien zu lösen. Dann begann die<br />

„Whodunit"-Phase: Ein Mord wird entdeckt, und die Ermittler nehmen<br />

ihre Arbeit auf. Hin und wieder wendet sich Bernard direkt an<br />

die Zuschauer, stellt eine These auf und lässt die TV-Gemeinde an<br />

seinen Gedankengängen teilhaben – das<br />

alles muss aber nicht zwingend stimmen.<br />

Und plötzlich, wenn man glaubte, alles sei<br />

völlig verfahren, kam der Gedankenblitz<br />

auf Kommissar Bernard nieder, und die<br />

anfangs genannten Worte fielen. Nun<br />

war es an den Zuschauern zu knobeln,<br />

und die prominenten Gäste mussten<br />

ihr Urteil präsentieren und begründen.<br />

Danach ging es zurück zu Kommissar<br />

Bernard, der aus einem Mix von scheinbar<br />

unbedeutenden Bemerkungen und<br />

flüchtigen<br />

Beobachtungen<br />

ein<br />

Ergebnis präsentierte,<br />

dass zu manchem „Ach!" und<br />

„Ja, klar!" führte.<br />

Günther Neutze als eben dieser<br />

Kommissar war ein fabelhafter Grummler<br />

und Karl Lieffen als tölpelhafter Janot<br />

ein kongenialer Partner. Und erst die<br />

Schauspielerriege! Hier hatte man es<br />

nicht einfach nur mit fünfmal Margot<br />

Trooger oder Horst Frank zu tun, die<br />

zu der Zeit ja ohnehin omnipräsent Günther Neutze (l.) und Karl Lieffen<br />

im Fernsehen waren. Man sah Will in Das Fenster zum Garten"<br />

" Quadfl ieg, Günter Lüders, Uwe<br />

Friedrichsen, Heinz Schubert und<br />

und und. Viel Personal, das in den<br />

folgenden Jahren auch bei „Derrick"<br />

auftauchte.<br />

Aber das – mit Verlaub – waren<br />

dann ganz andere Geschichten.<br />

Dem Täter auf der Spur: Das Fenster zum Garten", 1969,<br />

"<br />

mit Heiner Schmidt und Günther Neutze.<br />

Seite 32 ■ GoodTimes 2/2014


SHOP<br />

<strong>kult</strong>! SHOP<br />

NEU<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 10 (2/2014)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 9 (1/2014)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 8 (2/2013)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 7 (1/2013)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 6 (2/2012)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 5 (1/2012)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 4 (2/2011)<br />

Preiskatalog LP/CD 2014<br />

• über 145.000<br />

Sammlerpreise<br />

Preiskatalog Single 2014<br />

• über 105.000<br />

Sammlerpreise<br />

NEU<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 3 (1/2011)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 2 (2/2010)<br />

❏<br />

6,50 €<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />

Nr. 1 (1/2010)<br />

❏<br />

9,80 €<br />

Edition Vol. 1<br />

Discographien<br />

100 Seiten<br />

❏<br />

29,80 €<br />

NEU mit DVD<br />

über 5.000<br />

LP/CD-<br />

Cover-Abb.!<br />

❏<br />

29,80 €<br />

NEU mit DVD<br />

über 25.000<br />

Single-<br />

Cover-Abb.!<br />

weitere GoodTimes-Ausgaben finden Sie unter www.goodtimes-magazin.de<br />

Nr. 2/2014<br />

Nr. 2/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 1/2014<br />

Nr. 1/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 6/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 5/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 4/2013<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

Nr. 3/2013<br />

Nr. 6/2012 Nr. 5/2012 Nr. 4/2012 Nr. 3/2012<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

6,50 €<br />

❏<br />

12,80 €<br />

Anzahl<br />

(bitte eintragen)<br />

3 CD-Box<br />

14,99 €<br />

Sammelordner mit<br />

Stabmechanismus<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>!-Box<br />

3 CDs, 60 <strong>kult</strong>!-Hits<br />

❏<br />

14,99 €<br />

bietet Platz für bis zu<br />

12 Ausgaben inkl.<br />

Jahrgangsaufklebern<br />

Oben ausgewählte Artikel gehen Ihnen unmittelbar nach Zahlungseingang zu.<br />

Ich bezahle auf folgende Weise:<br />

❏ bar beigefügt ❏ per V-Scheck (beiliegend) ❏ per Vorabüberweisung (Kontodaten siehe Impressum)<br />

❏ per Bankeinzug ❏ per PayPal (PayPal-Adresse: info@nikma.de)<br />

Bank: __________________________________________ BIC (nur Ausland): _______________________________<br />

IBAN: ________________________________________________________________________________________________<br />

Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />

Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />

Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />

PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />

Telefon: ____________________ Fax: _____________________ email: ________________________________<br />

Zuzüglich Versandkosten: Inland: 2,– € · Ausland: 3,50 € · versandkostenfrei ab 20,– € Warenwert<br />

Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

weitere Artikel und Bestellmöglichkeiten im Internet unter: www.goodtimes-magazin.de<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 33


Gesprengte Ketten<br />

Von Roland Schäfli<br />

Hollywood in<br />

Deutschland<br />

– Spurensuche vor Ort<br />

Das Schloss Neuschwanstein im Allgäu garantiert Füssen den Tourismus, ohne<br />

dass die Füssener viel über das Wie und Was nachzudenken bräuchten. Es hat<br />

dementsprechend 50 Jahre gedauert, bis ihnen einfiel, dass der Klassiker "<br />

The<br />

Great Escape" (deutscher Titel: "<br />

Gesprengte Ketten") über den Ausbruch aus einem<br />

deutschen Kriegsgefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs einst direkt<br />

vor ihrer Tür gedreht wurde. Steve McQueen, der King Of Cool, ist nun mal fast so<br />

populär wie König Ludwig.<br />

Es begann vor einigen Jahren: Besucher<br />

aus dem Ausland zeigten plötzlich<br />

keinerlei Interesse mehr an König-<br />

Ludwig-Kitschsouvenirs, sondern verhörten<br />

die Einheimischen, wo denn die Szenen aus<br />

„Gesprengte Ketten" auf Zelluloid gebannt<br />

worden seien. Dass der Film 1963 in der<br />

Region Füssen entstanden war, wusste man.<br />

Der Drehort war in Biografien und der<br />

Filmliteratur immer wieder erwähnt worden.<br />

Aber wo genau fanden die Dreharbeiten<br />

statt, wo hielten sich die Stars während<br />

ihrer Zeit in Bayern auf?! Das galt es vor Ort<br />

herauszufinden ...<br />

Ein ultimativer Moment der 60er<br />

Der Bauer stützt sich auf seine Mistgabel.<br />

Sein Gesichtsausdruck sagt alles: schon<br />

wieder einer! Er deutet auf die hügelige<br />

Wiese hinter sich, ohne selbst hinsehen zu<br />

müssen. Da drüben war's. Genau da, wo<br />

der Elektromast heute steht. Man kann die<br />

dramatische Szene vor sich sehen: Hilflos<br />

hängt Captain Virgil Hilts, der Flüchtling,<br />

im Stacheldraht im Niemandsland fest,<br />

die zerschundene Hand nach den grünen<br />

Wiesen dahinter ausstreckend. Noch am<br />

Grenzbaum haben sie ihn geschnappt: Steve<br />

McQueens Motorradflucht ist spektakulär<br />

gescheitert. Während dieses kinematografischen<br />

Höhepunkts flattert die Schweizer<br />

Fahne gleichgültig im Wind. Obwohl das<br />

Fluchtziel, die echte Schweizer Grenze, rund<br />

zweieinhalb Fahrstunden vom Drehort entfernt<br />

liegt. Wenn James Garner im Flugzeug<br />

ausgerechnet das Schloss Neuschwanstein<br />

überfliegt und erklärt, er sehe schon „die<br />

Schweizer Alpen", ist das also schon mehr<br />

als ein geografischer Irrtum.<br />

Erst vor einem Jahr erschien zur<br />

Überraschung des Landwirts ein<br />

Motorradfahrer vor Ort, in Wehrmachtskluft.<br />

„Die stellten für ein englisches Motorrad-<br />

Magazin alles genau nach", schüttelt er<br />

amüsiert den Kopf. Dass die<br />

Faszination so lange anhält,<br />

verblüfft selbst ihn als<br />

Augenzeugen: Als zehnjähriger<br />

beobachtete er die Filmleute und<br />

sah, wie wochenlang die Klappe für den<br />

nunmehr legendären Stacheldrahtsprung<br />

fiel: „Der Stuntman ist immer wieder reingefallen<br />

in den Draht, aber da das alles<br />

aus Balsaholz war, hat’s ihm nix ausgemacht."<br />

Den vielleicht längsten Stahldraht<br />

der Filmgeschichte haben die Bauern später<br />

dann übrigens ganz unsentimental weiterverwendet,<br />

um ihre Kuhweiden einzuzäunen.<br />

„100 Mark haben wir für die Miete<br />

der Wiese gekriegt. Das war damals ein<br />

Heidengeld", erinnert er sich zum Abschied<br />

noch.<br />

Es dauerte eine ganze Weile, bis Füssen<br />

sich daran erinnert hat, dass mit den<br />

„Gesprengten Ketten" Geld zu machen ist.<br />

Zum 50. Jubiläum der Dreharbeiten wurde<br />

ein Buch mit Schnappschüssen veröffentlicht,<br />

und im Stadtmuseum Füssen war<br />

in einer vielbeachteten Ausstellung unter<br />

anderem McQueens Motorrad zu sehen<br />

– dasjenige, das als Ersatz bereitstehen<br />

musste, wenn der Stuntman mal wieder den<br />

Absprung verpasste ...<br />

Seite 34 ■ GoodTimes 2/2014


In den Betten der Stars<br />

Gleich mehrere Hotels werben heute<br />

mit dem „Great Escape"-Erlebnis: „Der<br />

wurde gleich hier gedreht", schreibt ein<br />

Hotelier auf Anfrage. Was natürlich geflunkert<br />

ist. Die bekannteren Stars logierten im<br />

Appartementhaus Pergola in Hopfen am See.<br />

Der Betreiber lässt es uns in Augenschein<br />

nehmen. Was Filmnarren freut, dürfte reguläre<br />

Gäste abschrecken: Die Hotelzimmer sehen<br />

noch immer aus wie 1963!<br />

Hier schlief James Coburn: Der Hotelier in Hopfen am See erinnert sich,<br />

dass für den langbeinigen Star zwei Betten<br />

zusammengeschoben wurden.<br />

Die Stars schrieben<br />

übrigens<br />

überraschend persönliche<br />

Widmungen<br />

ins Gästebuch. Steve<br />

In Füssen ausgestellt:<br />

McQueens Baseball und das<br />

Motorrad, das für den waghalsigen<br />

Sprung über den<br />

Stacheldraht als Ersatz bereitstehen<br />

musste.<br />

McQueen hinterließ dem Gastwirt zudem<br />

den Baseball, den er im Film immer dann<br />

hervorholt, wenn er die Langeweile seiner<br />

Aufenthalte in Einzelhaft überspielen muss.<br />

Und James Coburn<br />

schenkte ihm sogar<br />

seine Mütze aus dem<br />

Film. „Die hab' ich<br />

aber irgendwann im<br />

Gepäcknetz eines<br />

Flugzeugs vergessen."<br />

Irgendwie<br />

hat<br />

Füssen dann aber<br />

den ganzen Film für<br />

lange Jahre vergessen.<br />

Vielleicht<br />

war es einfach<br />

unangenehm,<br />

Schauplatz<br />

e i n e s<br />

Streifens<br />

zu sein, in<br />

dem die<br />

Nazis 50<br />

Menschen<br />

an die<br />

Wand stellen. Damals hingegen<br />

bewarb sich die deutsche<br />

Filmindustrie, nach dem Krieg<br />

nie mehr so recht auf die Füße<br />

gekommen, regelrecht um den<br />

Auftrag. Statt der üblichen 40<br />

Dollar Tagesgage für Statisten gab<br />

man sich beispielsweise mit 15<br />

zufrieden, um Produktionen anzulocken<br />

...<br />

Wir checken im Hotel Hirsch ein, in<br />

dessen Räumlichkeiten Stuntman<br />

Bud Ekins also seine Wunden leckte, wenn er<br />

mal wieder ins Balsaholz gebrettert war. Nein,<br />

den Film habe sie noch nie gesehen, erklärt die<br />

Rezeptionistin, aber sie hat auswendig gelernt,<br />

wo Charles Bronson bei der Pokerrunde immer<br />

saß, im Bierstüberl nämlich. Doch genau auf<br />

Bronsons Stammplatz thront heute ein betagter<br />

Allgäuer, der uns partout nicht am Stammtisch<br />

sitzen lassen will. Fünf Jahrzehnte später ist er<br />

Die Altstadt von Füssen: An dieser Stelle wird Gordon Jacksons Flucht<br />

von einem zufällig ins Bild fahrenden Radfahrer jäh gestoppt.<br />

noch immer aufgebracht, dass alle Mädchen<br />

der Stadt „ums Hotel rumscharwenzelten". In<br />

Füssens Betten war Charles Bronson besonders<br />

aktiv: Während der Dreharbeiten machte er<br />

Co-Star David McCallum dessen damalige Frau<br />

Jill Ireland abspenstig. Es kam zur Scheidung,<br />

Bronson heiratete Ireland später und verschaffte<br />

ihr in vielen seiner Filme die Hauptrolle.<br />

McQueen: 40 deutsche<br />

Strafzettel<br />

Steve McQueen wiederum ließ es sich nicht<br />

nehmen, die Strecke zum Drehort auf<br />

dem Motorrad zurückzulegen. Eines Tages,<br />

er trug eine deutsche Uniform (die er im Film<br />

einem deutschen Soldaten abnimmt), verfuhr<br />

er sich. Die seltsame Erscheinung sorgte für<br />

einen Menschenauflauf, und McQueen, des<br />

Deutschen nicht mächtig, musste sich pantomimisch<br />

nach dem Weg erkundigen. Auf<br />

der Flucht vor der deutschen Polizei war er<br />

ÜBER SIEBEN BRÜCKEN<br />

MUSST DU GEHN<br />

Der Film, der den Kult-Song<br />

berühmt machte!<br />

Ab jetzt überall im<br />

Handel erhältlich!


im Übrigen nicht nur im Film: Die Beamten<br />

verfolgten ihn bei seinen rasanten Ausflügen<br />

– allerdings meist erfolglos – und verpassten<br />

ihm insgesamt 40 Strafzettel wegen<br />

Geschwindig keitsüber schreitung. Mehr als<br />

einmal schrottete der Star mit Benzin im Blut<br />

den Wagen, den ihm die Produktionsfirma<br />

gestellt hatte. Produzent Robert Relyea saß<br />

einmal auf dem Beifahrersitz, als McQueen<br />

Gleich in der Nähe<br />

der Szenerie,<br />

wo McQueens rasante<br />

Flucht in Szene<br />

gesetzt wurde, findet<br />

sich der Barbier<br />

von Weißbach. Hier<br />

darf man sich auf<br />

den Stuhl setzen, auf<br />

Die Altstadt von Füssen: An dieser Stelle wird Gordon Jacksons Flucht<br />

von einem zufällig ins Bild fahrenden Radfahrer jäh gestoppt.<br />

Bald nicht mehr so zu sehen wie im Film: Der Bahnhof von Füssen, Kulisse der<br />

dramatischen Todesszene von David McCallum, soll umgebaut werden.<br />

Auf dem "<br />

Brotmarkt" von Füssen wurde ein emotionaler Höhepunkt auf Film<br />

gebannt: Beim Einsteigen in einen Bus verrät sich ein entflohener Kriegsgefangener,<br />

indem er den Gruß eines Gestapo-Agenten auf Englisch erwidert.<br />

in seinem Mercedes einen deutschen Bauern<br />

überholen wollte. Als die Hupe nicht half,<br />

kurvte er kurzerhand über ein Feld, doch ein<br />

Baum stoppte sein Überholmanöver. Obwohl<br />

er nicht verletzt wurde, hätte er beinahe um<br />

den demolierten Mercedes geweint, erinnerte<br />

sich Relyea später. Als der Hauptdarsteller<br />

schließlich vor Gericht erscheinen musste,<br />

konnte er nur die Kopie seines Führerscheins<br />

vorweisen – das Original hatte er verloren.<br />

Die Anwälte der Filmproduktion muss ten den<br />

Star rauspauken.<br />

Nichts deutet heute darauf hin, dass an dieser Kreuzung Steve<br />

McQueens Motorradflucht begann, einer der erinnerungswürdigs<br />

ten Kinomomente der 60er Jahre.<br />

dem Steve McQueen sich den Bart vom am<br />

Lederriemen geschärften Rasiermesser schaben<br />

ließ. Ein älterer Herr kommt auf die<br />

Veranda, als ein Fremder auf Spurensuche<br />

über sein Grundstück marschiert. „Geht’s um<br />

,Gesprengte Ketten'?", fragt er nur, um dann<br />

nickend (oder ist es kopfschüttelnd?) dem Fan<br />

seinen Willen zu lassen. So geht es manchem<br />

Allgäuer. Sie wären ungestört geblieben, hätte<br />

nicht vor 50 Jahren Produzent Robert Relyea<br />

kurzfristig eine Entscheidung getroffen: Denn<br />

eigentlich war bereits beschlossen, den Film<br />

statt im Allgäu in den San Jacinto<br />

Bergen zu drehen, wo kalifornische<br />

Pinien fast genauso aussehen<br />

wie deutsche Bäume – ganz nach<br />

der bewährten Hollywood-Maxime:<br />

„A tree is a tree."<br />

Nachdem Relyea<br />

aber mögliche alternative<br />

Locations<br />

ausgekundschaftet<br />

hatte, rief er<br />

Regisseur John<br />

Sturges an: „Guess<br />

what? Germany<br />

looks like Germany,<br />

not California."<br />

Wovon man sich<br />

heute noch überzeugen<br />

kann ...<br />

Reisetipps<br />

Im Hotel Hirsch in Füssen wohnten Stars wie David<br />

McCallum, und im Bierstüberl spielte Charles<br />

Bronson Poker: www.hotelfuessen.de<br />

Das Appartementhaus Pergola, wo Steve McQueen,<br />

James Coburn, James Garner und Regisseur<br />

John Sturges während der sechswöchigen<br />

Außenaufnahmen wohnten, heißt heute Alpina,<br />

Enzensbergerstraße 6, Hopfen am See.<br />

Füssen wurde im Film "<br />

international" genutzt: Der<br />

Schwanseepark am Stadtrand stellte im Film das<br />

Grenzgebiet zu Spanien dar, und der Platz direkt an<br />

der Brücke über den Lech wurde in ein französisches<br />

Café verwandelt.<br />

Nebst der historischen Altstadt von Füssen sind Orte<br />

der unmittelbaren Umgebung im Film zu sehen:<br />

Spandau, Zell, Weißbach, Hopfen am<br />

See. Ein Verehrer des Films hat sich<br />

die Mühe gemacht, alle Locations<br />

abzubilden, und erleichtert damit die<br />

Suche immens:<br />

www.thegreatescapelocations.com<br />

In Spandau, wo James Coburn ein<br />

Fahrrad stiehlt, empfiehlt sich das<br />

Bier des Brauhauses:<br />

www.brauhaus-spandau.de<br />

Das Tiroler Filmarchiv gibt zum<br />

50. Jubiläum der Dreharbeiten ein<br />

Buch mit Schnappschüssen des<br />

Kameramanns Walter Riml heraus,<br />

für 33 Euro zu bestellen bei: office@<br />

tiroler-filmarchiv.at<br />

Seite 36 ■ GoodTimes 2/2014


Jürgen von Manger<br />

Adolf Tegtmeiers<br />

Sicht der Dinge<br />

Von Oliver Schuh<br />

"<br />

Zitat is, wat man sich nich traut zu sagen, und dann<br />

erzählt, wat so'n Toter mal gesacht hat." Das ist<br />

eine der zahllosen Lebensweisheiten, die Jürgen<br />

von Manger in seiner Rolle als Adolf Tegtmeier<br />

geprägt hat. Allein "<br />

Chemie is Natur zu stark<br />

herabgesetzten Preisen" oder "<br />

Literatur is, wat so<br />

inne Bücher steht, wo zum Herzeigen da sind" sind<br />

es wert, an ein Ruhrpott-Original zu erinnern, das<br />

eigentlich aus Koblenz stammte.<br />

Der unvergleichliche Humor des Jürgen von Manger prägt – ohne<br />

dass es heute noch vielen Zuschauern bewusst ist – auch jetzt noch<br />

die Kabarettisten und Comedians in Deutschland. Seine satirischen<br />

Techniken verwenden auch seine beruflichen Enkel noch gerne, seien<br />

es Dieter Nuhr oder Georg Schramm, und auch Erwin Pelzig oder gar<br />

Hape Kerkeling dürfen sich einreihen. Dumme Fragen stellen kann<br />

jeder, mit eben diesen aber und den selbst gegebenen, häufig absurden<br />

Antworten menschliche Schwächen bloßzulegen,<br />

ist ein Verdienst der Kunstfigur Adolf Tegtmeier.<br />

Sie demaskierte „die da oben" genauso wie „die<br />

da unten".<br />

Geboren 1923 als Hans Jürgen Julius Emil Fritz<br />

König (Vater Staatsanwalt, Mutter eine Adelige<br />

von Manger), begann Jürgen von Manger seine<br />

Schauspielkarriere gleich nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg. 17 Jahre lang besetzte er Rollen im komischen<br />

Charakterfach am Schauspielhaus Bochum<br />

und in Gelsenkirchen. Der Aufenthalt in diesen<br />

Städten prägte seinen Hang zum Kohlenpott-Slang.<br />

Die Figur des Kleinbürgers Adolf Tegtmeier hatte<br />

von Manger ursprünglich für den Hörfunk entwickelt<br />

und auch erfolgreich auf Schallplatte gebannt.<br />

Daneben stand er weiterhin auf der Bühne, zwar nicht als Tegtmeier,<br />

aber zum Beispiel 1964 an der Deutschen Oper am Rhein in der Rolle des<br />

Frosches in der Operette „Die Fledermaus". Regie führte Helmut Käutner.<br />

Nur wenige Humoristen konnten die menschlichen Unzulänglichkeiten<br />

so herzerwärmend auf den Punkt bringen wie Jürgen von Manger.<br />

Besonders angetan hatten es ihm die kleinen Leute, wenn sie in<br />

die Mühlen des Gesetzes gerieten. Vom naiven, aber doch durchaus<br />

berechnenden Schwiegermuttermörder (ein Paradestück) bis zum<br />

Gefängniswärter, vom teils unfassbar debilen Fahrschüler bis zum fröhlichen<br />

Henker reichte sein Repertoire. Jürgen von Manger hatte tatsächlich<br />

auch einige Jahre Jura studiert, und diese Erfahrung hat deutlich<br />

sichtbar so manche unvergessliche Nummer vor Gericht inspiriert.<br />

Am 14. Juli 1972 wurde die erste Folge von „Tegtmeiers Reisen" ausgestrahlt.<br />

Von Manger legte seine Figur als voreingenommenen und etwas<br />

schlichten Pauschaltouristen an, der zwar keine Ahnung vom jeweiligen<br />

Reiseziel – ob Schottland oder Thailand –, aber zu allem eine Meinung hat.<br />

Unvergessen seine Einschätzung zur möglichen psychischen Belastbarkeit<br />

der Venezianer: „Tolle Mensch’n – de ganze Stadt unter Wasser, aber<br />

de Leute singen." Solche entlarvenden Kulturbetrachtungen eines sicht-<br />

und hörbar Bildungsfernen, wie es heute so schön<br />

heißt, seine unnachahmlichen Tischreden, deren<br />

Peinlichkeit einem die Tränen in die Augen trieb,<br />

sowie seine Gerichtspossen, bei denen man sich<br />

schier wegschmeißen konnte, dürfen getrost als<br />

seine Hinterlassenschaft bezeichnet werden.<br />

Geschrieben wurden die Texte von Regisseur<br />

und Drehbuchautor Joachim Röhring. Dieses<br />

gilt ebenso für die nachfolgenden Sendungen<br />

„Tegtmeier klärt auf" (1981–1983; Bonmot:<br />

„Stehkneipen sind ja so beliebt, weil der Alkohol<br />

hier dat beste Gefälle hat") und „Tegtmeier"<br />

(1984/85).<br />

Natürlich ist dies alles eine Frage des Geschmacks,<br />

aber die Art und Weise, wie Tegtmeier die Sätze<br />

verdrehte und<br />

„zusammenknusen tat", so dass man trotzdem auch<br />

heute noch versteht, was er meinte, ist einmalig und von kaum einem<br />

anderen Humoristen danach erreicht worden. Somit darf Jürgen von<br />

Manger eingereiht werden in die Riege berühmter deutscher Komiker<br />

wie Loriot und Heinz Erhardt.<br />

Während der Produktion der zuletzt genannten Sendung „Tegtmeier"<br />

erlitt Jürgen von Manger einen Schlaganfall, der auch sein<br />

Sprachzentrum in Mitleidenschaft zog. Daraufhin war er kaum noch<br />

in der Öffentlichkeit zu sehen, außer bei einem Auftritt im März 1988<br />

anlässlich seines 65. Geburtstages, als er vor die Kamera trat, um sich<br />

für die Unterstützung seiner Fans zu bedanken.<br />

Jürgen von Manger starb im Jahr 1994 im Alter von 71 Jahren.<br />

Es ist zu dumm, aber auch bezeichnend für die deutsche<br />

Fernsehlandschaft,<br />

dass sich kein<br />

Programmgestalter<br />

bemüßigt sieht, ihn<br />

mal wieder auf die<br />

Mattscheibe zu bringen.<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 37


<strong>kult</strong>! Bücher<br />

Von Alan Tepper<br />

In den letzten Jahren verstärkt sich der Trend zur<br />

kurzweiligen, aber gleichzeitig oberflächlichen<br />

Literatur. Marktanalysen, die den vermeintlichen Geschmack<br />

der Leser ergründen sollen, nötigen Autoren,<br />

Fließbandarbeit zu leisten, schnell auf Trends aufzuspringen<br />

und Themengebiete innerhalb kürzester Zeit<br />

abzugrasen. Glücklicherweise gibt es heute wie auch<br />

Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

schon vor Jahren Gegenströmungen, Individualisten,<br />

denen das geschriebene Wort viel bedeutet. Visionäre<br />

Werke wie Sylvias Plaths "<br />

Die Glasglocke" oder Zeitdokumente<br />

wie Tom Wolfes – "<br />

Der Electric Kool-Aid<br />

Acid Test" haben den vielbeschworenen Test der Zeit<br />

makellos überstanden und werden sicherlich von neuen<br />

Büchern gefolgt ...<br />

Preston & Child –<br />

Attack: unsichtbarer Feind"<br />

Terry Pratchett – "<br />

Vollständiger und unentbehrlicher<br />

Stadtführer von Ankh-Morpork"<br />

" Sämtliche Dramen" "<br />

Der Electric Kool-Aid Acid Test"<br />

Albert Camus –<br />

Tom Wolfe –<br />

M" it dem aktuellen Roman des Autorenteams, das für spannende<br />

Wissenschaftsthriller beliebt ist, betreten Douglas Preston und<br />

Lincoln Child eher konventionelles Territorium,<br />

denn hier handelt es sich um einen kunstvoll<br />

ausgearbeiteten Krimi, in dessen Mittelpunkt der<br />

beliebte FBI-Agent Pendergast steht. Die junge<br />

Corrie Swanson, die von Pendergast bei ihrer<br />

Ausbildung als Kriminologin unterstützt wird, geht<br />

in dem exklusiven<br />

Wintersportgebiet<br />

Roaring<br />

Fork<br />

einer Reihe unerklärlicher<br />

li Morde nach, die allerdings<br />

schon über 100 Jahre zurückliegen. Sie<br />

entdeckt Widersprüche, die Grauenhaftes vermuten lassen. Erst als sich<br />

Pendergast einschaltet, lichtet sich das Dunkel, denn die noch nie veröffentlichte<br />

Sherlock-Holmes-Geschichte „Das Abenteuer von Aspern<br />

Hall" – erstklassig erzählt – birgt den Schlüssel zu den Taten. Die<br />

verschiedenen, kunstvoll ineinander geflochtenen Handlungsstränge<br />

und der, verglichen mit den letzten Romanen, deutlich höhere<br />

Realitätsbezug garantieren spannendes Lesevergnügen.<br />

Das Werk von Albert Camus (7. November 1931–4. Januar 1960)<br />

erfreute sich speziell in den ausklingenden Fünfzigern, aber<br />

auch den beiden darauffolgenden Dekaden<br />

großer Beliebtheit. Neben den Klassikern wie<br />

„Der Mythos des Sisyphos", „Die Pest" oder<br />

„Der Fremde" zähen die Dramen zu den<br />

wichtigen Schriften, denn hier setzt sich der<br />

Existenzialist und Humanist mit den grundlegenden<br />

menschlichen Konflikten und deren<br />

Tragweite auseinander. Die aktuelle Sammlung<br />

enthält alle Dramen<br />

in<br />

vorbildlicher<br />

Übersetzung.<br />

Die<br />

Tragödie „Caligula"<br />

ist ein direkter Angriff auf die Machtgier<br />

der Herrschenden, wohingegen „Die<br />

Besessenen" von Dostojewskis „Die<br />

Dämonen" inspiriert wurde und die Figur<br />

eines Revolutionärs intensiv ausleuchtet.<br />

Erstmalig auf Deutsch erschienen ist der<br />

Text „Das Impromptu der Philosophen" (von Camus unter einem<br />

Pseudonym verfasst), in dem er seinen Kollegen Jean-Paul Sartre<br />

satirisch aufs Korn nimmt. Provozierend, aufrüttelnd, beeindruckend<br />

und für neue Denkanstöße geeignet – Camus lohnt sich!<br />

Der britische Autor Terry Pratchett (geb. 28. April 1948) sorgt<br />

besonders mit seinen „Scheibenwelt"-Romanen für Furore, denn<br />

die Mischung aus Fantasy mit einem Hauch von<br />

Science Fiction, veredelt durch nicht zu überbietende<br />

Parodien, richtet sich an ein Publikum,<br />

das der traditionellen Fantasy überdrüssig ist.<br />

Eine detailliert ausgearbeitete Welt (die ständig<br />

ergänzt wird), Sprachwitz sowie messerscharfe<br />

und spitzfindige<br />

Anspielungen summieren<br />

sich zu einem<br />

kreischend grellen Lesevergnügen. Mit dem<br />

aktuell erschienenen Stadtführer des wichtigsten<br />

Handlungsorts dieses Universums Ankh-<br />

Morpork hat sich Pratchett erneut übertroffen.<br />

Im Stil des Viktorianismus liebevoll illustriert, werden hier „Gesetze und<br />

Verordnungen", „Orte der Andacht" oder „Die unsichtbare Universität"<br />

dargestellt und erläutert. Einen großen Teil des Bandes nimmt ein<br />

„Branchenverzeichnis" ein, in dem die skurrilsten Dienstleistungen<br />

offeriert werden. Unübertrefflich! Als Bonus erscheint zusammen mit<br />

dem Buch eine riesige Straßenkarte!<br />

Tom Wolfe (geb. 2. März 1931) ist in Deutschland vor allem für sein<br />

Buch „Fegefeuer der Eitelkeiten" bekannt. Mit seinem „Der Electric<br />

Kool-Aid Acid Test" aus dem Jahr 1968 hat er<br />

jedoch eine klassischen Kultroman verfasst, der<br />

sicherlich Vergleiche mit „Unterwegs" von Jack<br />

Kerouac oder dem lyrischen Werk von Allen<br />

Ginsberg nicht zu scheuen braucht (die natürlich<br />

auch hier auftauchen). Der Text wird dem<br />

so genannten New Journalism zugerechnet,<br />

einer damals neuen Herangehensweise, bei der<br />

Fakten mit möglichst zutreffenden emotionalen<br />

Eindrücken<br />

angereichert<br />

werden. Wolfe<br />

beschreibt die durchgeknallte Reise von<br />

Ken Kesey, selbst Autor des populären<br />

„Einer flog über das Kuckucksnest",<br />

und seiner Merry Pranksters, die in<br />

einem Bus durch die USA fahren und<br />

an jedem sich nur bietenden Ort den Willigen und Neugierigen<br />

LSD-Selbsterfahrungs-Trips anbieten. Nicht nur die vielen komischen<br />

und bizarren Passagen faszinieren, sondern das authentische<br />

Stimmungsbild der Sixties und der sich damals bietenden<br />

Möglichkeiten.<br />

Seite 38 ■ GoodTimes 2/2014


Sylvia Plath – "<br />

Die Glasglocke"<br />

Sylvia Plath (27. Oktober 1932–11. Februar 1963) zählt zu den amerika-<br />

nischen Autorinnen, deren wichtigste Werke erst posthum erschienen.<br />

Die zeitlebens unter schweren Depressionen leidende<br />

Schriftstellerin verfasste mit „Die Glasglocke" einen<br />

der wichtigsten feministischen Romane, der besonders<br />

in den ausklingenden Sechzigern und Siebzigern zu<br />

einem Kultbuch avancierte. Der Erfolg liegt in der<br />

hohen Authentizität begründet, denn die Erzählung<br />

basiert auf autobiografischen Erlebnissen. Plath, die<br />

sich 1963 das Leben nahm, beschreibt die Geschichte<br />

der aus der Provinz stammenden Esther Greenwood,<br />

die in New York eine Journalistenkarriere anstrebt<br />

in der ersten Person. Die Schnelligkeit der Großstadt, eine offenere und<br />

männlich-aggressive Sexualität und das letztendliche Scheitern veranlassen<br />

Esther, wieder in die Heimat zurückzukehren. Dort<br />

wird sie von einem Schriftstellerseminar abgewiesen<br />

und scheitert an ihrer Abschlussarbeit für das<br />

College. Ängstlichkeit und Unruhe bestimmen<br />

ihr Leben, das immer weiter aus der Bahn gerät.<br />

Auch die Konsultation eines Psychiaters erweist<br />

sich als sinnlos, denn dieser versucht nicht, die<br />

Ursachen für die Depression zu ergründen. Nach einem misslungenen<br />

Selbstmordversuch wird sie in die Psychiatrie eingewiesen, wo sie von einer<br />

Frau behandelt wird, die deutlich mehr Mitgefühl zeigt. Der Roman endet<br />

mit einer Szene, in der die Protagonistin auf eine mögliche Entlassung<br />

hofft. Plath hat die Metapher der Glasglocke geschickt gewählt, denn<br />

sie beschreibt damit einen Menschen, der durch die Depression von<br />

seiner Umwelt getrennt ist und die damit verbundene emotionale<br />

Schwingungsunfähigkeit. Doch nicht nur das individuelle Schicksal einer<br />

Frau, sondern auch die Schwierigkeit, einen eigenen, selbst bestimmten<br />

Weg in einer von Männern dominierten Welt zu finden, machen die<br />

Qualität des Romans aus. Sylvia Plath war keine Moralistin mit erhobenem<br />

Zeigefinger, sondern ein hochsensibler Mensch – für ein neues Frauenund<br />

Menschenbild plädierend.<br />

Joachim<br />

Knüppel<br />

Werner<br />

Knüppel<br />

Helmut<br />

Rohde<br />

IN DIESER AUSGABE NEU:<br />

Karl-May-Bücher 1876-1980<br />

Alle 1000 Abbildungen in Farbe !<br />

Allgemeiner<br />

ISBN 978-3-00-034171-7<br />

für deutschsprachige Romanhefte,<br />

Bücher von Karl May und Leihbücher<br />

<br />

<br />

<br />

39,95€<br />

Rund 1000 Abbildungen!<br />

Komplett in Farbe!<br />

Erstmals mit Karl May!<br />

COMICLADEN KOLLEKTIV<br />

Fruchtallee 130<br />

20259 Hamburg<br />

Telefon: 040/40 77 81<br />

info@comicladen-kollektiv.de<br />

www.romanhefte.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo-Fr 10.30 – 19.00 Uhr<br />

Sa 10.00 – 14.00 Uhr<br />

Ständiger An-und Verkauf!<br />

„In unserem Laden findet Ihr neue Comics aller Verlage<br />

und alte Comics von 1945 bis heute, wie Micky Maus ab<br />

1951, Sigurd, Felix, Bessy usw.“<br />

AUSSERDEM FOLGENDE SAMMELGEBIETE:<br />

alte Romanhefte von 1900-heute<br />

alte Musikzeitschriften wie Bravo, POP,<br />

Musikparade, Popfoto usw.<br />

Erotikmagazine von 1950-1980<br />

Sammelbilderalben wie Panini, Voss usw.<br />

Filmprogramme<br />

Kinderbilderbücher<br />

Figuren der Firma ELASTOLIN, Timpo-Toys<br />

Boiselle & Ellert Verlag<br />

Sauterstraße 36, 67433 Neustadt / Weinstr.<br />

Fon: 06321 / 489343, Fax: 06321 / 489345<br />

Mail: info@BSE-Verlag.de, www.BSE-Verlag.de<br />

Wer will schon normal sein ...<br />

Seit 2003 haben die verrückten Comic-<br />

Hippies und ihr Schöpfer Gilbert Shelton<br />

eine neue Heimat beim BSE-Verlag<br />

gefunden. Dort erscheinen nach und<br />

nach alle Abenteuer der berühmten<br />

Underground-Helden.<br />

The fabulous furry<br />

FREAK BROTHERS -<br />

der Comic, der die 60er<br />

erfunden hat!<br />

Die »Freak Brothers« sind neben Robert Crumbs<br />

»Fritz the Cat« wohl die bekanntesten Comicfiguren<br />

der in den USA Ende der 60er-Jahre einsetzenden<br />

Underground-Bewegung. Bis heute werden neue<br />

Geschichten erfunden und erscheinen erfolgreich<br />

in vielen Ländern. Eine Zeichentrickverfilmung der<br />

kiffenden Kumpels ist bereits seit Längerem in Arbeit.<br />

Jeweils: 48 - 64 Seiten, 10,00 €<br />

FREAK BROTHERS Bd. 1: ISBN 978-3-934769-10-6<br />

FREAK BROTHERS Bd. 2: ISBN 978-3-934769-11-3<br />

FREAK BROTHERS Bd. 3: ISBN 978-3-934769-12-0<br />

FREAK BROTHERS Bd. 4: ISBN 978-3-934769-13-6<br />

FREAK BROTHERS Bd. 5: ISBN 978-3-934769-14-4<br />

FREAK BROTHERS Bd. 6: ISBN 978-3-934769-15-1


Genre Musikfilm – Der Sound der prägenden Jahre:<br />

Easy Rider" & Co.<br />

"<br />

Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />

Musikfilme sind so alt wie die Rockmusik selbst. Bill Haley rockte schon 1956<br />

„Around The Clock „ ; Elvis, der King O f Rock’n’Roll, stand in Hollywood seinen<br />

Mann, und auch die Beatles nutzten schon ganz früh Reichweite und Magie der<br />

Silber-Leinwand. Inzwischen gibt es gefühlt Abertausende von Musikfilmen,<br />

die man in Konzertmitschnitte, Dokumentationen und Fiction mit deutlichem<br />

Musikbezug unterteilen kann. „Easy Rider „ , der 2014 sein 45. Jubiläum feiert,<br />

ist dabei eines der unbestrittenen Highlights des Genres.<br />

Als der Kultstreifen in die deutschen Kinos<br />

kam, hatten diese noch so wunderbare<br />

Namen wie Corso oder Anker Theater,<br />

zumindest in dem Eifelstädtchen, in dem ich<br />

großgeworden bin. In einem dieser Kinos – ich<br />

glaube, es war das Corso mit seiner angeschlossenen,<br />

über eine Wendeltreppe erreichbaren<br />

Milchbar – haben wir damals, anno<br />

1970, „Easy Rider" angeschaut, kaum dass das<br />

Filmplakat in den Infokästen<br />

hing: Peter Fonda auf seiner<br />

umgebauten Chopper, mit<br />

cooler Sonnenbrille auf der<br />

Nase, den Blick in die Ferne<br />

gerichtet, der in den Farben<br />

des „Star-Spangled Banner"<br />

gespritzte Helm auf der Gabel;<br />

dahinter der immer leicht<br />

schmuddelig wirkende Dennis<br />

Hopper mit seinem zerbeulten<br />

Cowboyhut über dem<br />

zerknautschten Gesicht. Zwei<br />

Desperados auf der Suche<br />

nach dem wahren Amerika,<br />

dem Land der Mutigen und<br />

Freien ...<br />

Natürlich hatten wir von dem Film gehört<br />

oder gelesen, auch wenn die Versorgung mit<br />

Nachrichten aus dem Pop- und Rockbereich<br />

sehr bescheiden war. Nur langsam (und in<br />

der Provinz noch viel langsamer) etablierten<br />

sich damals gerade Musikmagazine,<br />

Radiosendungen und Fernsehprogramme für<br />

die Jugend. Dass heute kein so genanntes<br />

People-Magazin, egal ob im Print- oder<br />

Die Easy Rider Wyatt und Billy<br />

am Lagerfeuer, der Motelmanager<br />

wollte keine Langhaarigen<br />

Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />

TV-Bereich, ohne Entertainment-Künstler kommt, erscheint wie eine Umkehrung der<br />

damaligen Verhältnisse. Die Helden unserer<br />

aus-<br />

Jugend waren für die Elterngeneration durchweg<br />

ungewaschene, die herrschende Ordnung<br />

gefährdende, Umsturz predigende Rabauken.<br />

Ständig verunglimpften sie unsere Idole<br />

als „langhaarige Affen", „dreckige Hippies"<br />

und „widerliche Typen". All die markigen<br />

Schimpfwörter klangen nach Nazi-Propaganda<br />

und machten Jagger, Richards, Dean & Co. nur<br />

noch interessanter für uns.<br />

Von dem Übera<br />

n g e b o t ,<br />

das es inzwischen<br />

in Form<br />

von MTV, Viva,<br />

YouTube, gigantischen<br />

Online-<br />

Videotheken,<br />

D o w n l o a d -<br />

Portalen, Blu-rays,<br />

Games usw. gibt,<br />

haben wir damals<br />

nicht einmal zu<br />

träumen gewagt.<br />

Wie gesagt: Das<br />

Freizeitangebot<br />

für die aufmüpfige,<br />

protestbewegte<br />

Jugend der<br />

späten Sechziger<br />

war karg. Man<br />

hörte RTL, BFBS<br />

Peter Fonda<br />

Dennis Hopper<br />

Fotos: © Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 40 ■ GoodTimes 2/2014


oder AFN unter der Bettdecke, kämpfte darum,<br />

den „Beat-Club" in der Flimmerkiste anschauen<br />

zu dürfen, und lechzte nach allem,<br />

was rockte, neu tönte, die Eltern ärgerte<br />

und unsere Sache voranbrachte.<br />

Aber auch im Kino manifestierte sich<br />

mit Filmen wie „Easy Rider" oder<br />

„Woodstock" allmählich das neue rebellische<br />

Lebensgefühl. Vorbei war’s mit<br />

der herzigen, die „Bravo"-Gemeinde<br />

zu Tränen rührenden „Winnetou"-<br />

Trilogie, vorbei mit seichten Filmchen<br />

wie „Conny und Peter machen Musik". „Easy<br />

Billy The Kid und der 40er-Jahre-Comicfigur<br />

Rider" war da schon ganz andere Kost. Als wir Captain America als Motorradfahrer, zu viel<br />

aus dem Kino kamen, damals, waren wir ande-<br />

Hollywood. Die Filmnamen der Hauptfiguren<br />

– Wyatt (Peter Fonda) und Billy<br />

(Dennis Hopper) – musste man<br />

erraten; lange habe ich geglaubt,<br />

Fonda sei „Captain America".<br />

In Wahrheit heißt Wyatts Bike<br />

„Captain America" und die andere<br />

Maschine „Billy’s bike". Die Reise,<br />

die von Westen (Kalifornien) nach<br />

Osten (Louisiana) und eben nicht<br />

wie sonst, dem Pioniermythos „Go<br />

Dennis Hopper mit Kameramann László Kovács<br />

west, young man" von Ost nach<br />

am Set von Easy Rider”<br />

” West entsprechend führt, verläuft<br />

re Menschen. Immer wieder rekapitulierten t wir<br />

die Handlung des Films, spielten einige der<br />

Szenen nach oder lobten die „geile Mucke", die<br />

Peter Fonda für das epochale und stilbildende<br />

Roadmovie ausgesucht hatte. Dass dieser<br />

Independent-Film das Genre des Roadmovies<br />

und von New Hollywood mitbegründete, wussten<br />

wir damals nicht. Wir wussten nur: Das war<br />

anders. Mutig. Jung. Provokativ.<br />

Roger Corman, so etwas wie der Godfather<br />

aller Independent-Filmer, war der<br />

Geburtshelfer für „Easy Rider". Er hatte mit<br />

„The Wild Angels" das erste Biker-Movie<br />

aufgelegt und 1967 mit „The Trip" (Buch:<br />

Jack Nicholson) einen Kultfilm über die drogenbeeinflusste,<br />

psychedelisch angehauchte<br />

Gegen<strong>kult</strong>ur auf die Leinwand gebracht. Roger<br />

Corman sollte auch „Easy Rider" inszenieren,<br />

wurde aber angeblich vom Studio ausgebootet.<br />

Dennis Hopper übernahm dann seinen Part als<br />

Regisseur. Mehrere Kollegen von „The Trip"<br />

trafen sich am Set von „Easy Rider" wieder.<br />

Hopper und Fonda hatten die Idee zum Film;<br />

Nicholson übernahm die Rolle des alkoholsüchtigen<br />

Junganwalts George Hanson mit<br />

seiner berühmten „Nicnicnic"-Szene („Toast<br />

to ol’ D.H. Lawrence ... Nic Nic Nic Fut Fut<br />

Fut! … Indians!"), in der er durch eine groteske<br />

Armbewegung die Wirkung des ersten<br />

Schlucks Whiskey am Morgen darstellte. Eines<br />

war allen Beteiligten klar: Man wollte nichts<br />

Konventionelles; man wollte dem Hollywood-<br />

Betrieb eine lange Nase machen. Das ist der<br />

Fonda-Hopper-Crew gelungen. Drehbuch und<br />

Handlung waren kaum mehr als Vorlagen, die<br />

während der Arbeit erst entwickelt wurden.<br />

Dialoge, in Hollywood bis auf genaue Cues<br />

ausgestaltet, waren hier eher Improvisationen.<br />

Auch der Handlung eignete etwas Zufälliges.<br />

Eine geplante, vom Hubschrauber aus gefilmte<br />

Verfolgungsjagd wurde ebenso verworfen<br />

wie ein Auftritt der Hauptdarsteller auf<br />

Jahrmärkten in der Rolle von Revolverheld<br />

Der Beifahrer mit dem goldenen Helm<br />

ist der junge Jack Nicholson<br />

auch recht planlos. Nur die Exposition weist<br />

erzählerisch Hollywood-Züge auf. Billy und<br />

Wyatt schmuggeln Kokain von Mexiko in die<br />

Vereinigten Staaten, verkaufen die Drogen<br />

an einen Mittelsmann und verstecken die<br />

zusammengerollten Dollars in Schläuchen,<br />

die sie in die Tanks ihrer neuerworbenen<br />

Chopper-Maschinen versenken. Dann kommt<br />

es zu einer von uns damals lange diskutierten<br />

Schlüsselszene. Bevor die beiden ihre Reise<br />

antreten, wirft Wyatt seine Armbanduhr in den<br />

Staub. Die Zeitrechnung des Establishments<br />

zählt nicht mehr, nun beginnt die der Easy<br />

Rider. Beim Wiedersehen nach 45 Jahren wirkt<br />

die Szene beinahe beiläufig inszeniert. Aber<br />

für uns war es seinerzeit der bildgewordene<br />

Abgesang auf eine Leistungsgesellschaft, die<br />

einer tumben Wachstumsideologie gehorchte.<br />

Ab diesem Zeitpunkt also rollen die beiden<br />

zu Klängen ausgesuchter Rockmusik<br />

durch ein von Kameramann László Kovács<br />

wunderschön fotografiertes „Rural America".<br />

Ziel ihres Trips: Sie wollen zum Karneval nach<br />

New Orleans, zum Mardi Gras. Am Ende des<br />

ersten Tages erreichen sie Williams, Arizona.<br />

Die Sonne hat den Himmel in Brand gesetzt,<br />

an den Rändern dunkles Blau, am Horizont ein<br />

Lodern aus Rot und Rosa. Das Motel, in dem<br />

sie nach einem Zimmer („Hey man, you got a<br />

room?") fragen, bleibt ihnen verschlossen. Der<br />

Besitzer will keine langhaarigen Biker. Billy/<br />

Dennis flucht. Sie rollen weiter und kampieren<br />

im Freien an einem Lagerfeuer, ziehen einen<br />

Joint durch und legen sich schlafen. Wyatt<br />

nutzt seinen in den Farben der US-Flagge lakkierten<br />

Helm als Kopfkissen. Cowboys auf ihren<br />

Stahlrössern. Geil!<br />

Der Soundtrack mit Songs von Steppenwolf,<br />

The Byrds, The Band, Jimi Hendrix und<br />

anderen hat viel zum Mythos dieses Films<br />

beigetragen. Denn was heute gang und gäbe<br />

ist, nämlich zeitgenössische Rock- und Poptitel<br />

zur Untermalung oder gar als Stilmittel einzusetzen,<br />

war seinerzeit ein Novum. Normal<br />

war eine speziell für den jeweiligen Film<br />

komponierte Score-Musik, die in diesem Fall<br />

von Crosby, Stills & Nash nachgeliefert wer-<br />

Steppenwolf<br />

den sollte. Für die Rohfassung wurde anfangs<br />

die damalige Playlist mit den Lieblingstiteln<br />

von Peter Fonda genutzt. Und das machte<br />

den CS&N-Soundtrack dann überflüssig.<br />

Denn die behelfsmäßige Vertonung entpuppte<br />

sich, ebenso wie vieles andere bei dieser<br />

Unternehmung, als rechter Glücksfall. Wenn<br />

die Zweirad-Desperados zum griffig-riffigen<br />

„Born To Be Wild" von Steppenwolf die Harley-<br />

Motoren heulen lassen<br />

oder zu dem<br />

von Goffin/King<br />

stammenden, im<br />

hochgestimmten<br />

Byrds-Stil zwitschernden<br />

„I<br />

Wasn’t Born To<br />

Follow" durch die<br />

Landschaft gleiten, dann begreift man, warum<br />

„Easy Rider" im Ruf steht, der Ästhetik der<br />

späteren Videoclip-Ära Vorschub geleistet zu<br />

haben. Das Originalsoundtrack-Album von<br />

1969 listete die Titel in der Reihenfolge, in<br />

der sie im Film auftauchen, und wurde, lange<br />

vor „Pretty Woman", die erste sich wirklich<br />

gut verkaufende Soundtrack-Kompilation<br />

der Rockgeschichte. Nur einen Monat nach<br />

Veröffentlichung erreichte die „Easy Rider"-LP<br />

Platz sechs der Billboard-Charts und erhielt im<br />

Januar 1970 Goldstatus, was seinerzeit noch<br />

gute Verkaufszahlen bedeutete. Und Crosby,<br />

Stills & Nash erwiesen sich als faire Verlierer.<br />

Sie hätten, so sollen sie nach Ansicht der<br />

Rohfassung gesagt haben, diesen Job nicht<br />

besser machen können.<br />

Einen hervorragenden Job machte auch der<br />

aus Ungarn stammende László Kovács, der<br />

auch dank „Easy Rider"<br />

zu einem der gefragtesten<br />

Cinematografen<br />

Hollywoods<br />

wurde.<br />

Durch seine Aufnahmen<br />

wurde die amerikanische<br />

Landschaft so<br />

etwas wie ein zusätzlicher<br />

Mitspieler bei „Easy<br />

László Kovács<br />

Rider". Death Valley,<br />

Canyons, Wüsteneien, Wälder, ganze Passagen<br />

der historischen Route 66 setzte Kovács gekonnt<br />

in Szene. Wer genau wissen will, welche Route<br />

die Asphalt-Cowboys 1969 nahmen, stößt<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 41


ei Google unter www.mrzip66.com auf den<br />

gleichnamigen Blogger und Harley-Davidson-<br />

Enthusiasten, der eine amüsante „Führung"<br />

von Ballarat, Kalifornien, dem Ausgangspunkt,<br />

bis zur Levee Road in Louisiana, dem Endpunkt<br />

der Easy-Rider-Reise, gibt. Und dieser Motorrad-<br />

Kerouac hat seine Lektion gelernt. Eingangszitat:<br />

„If you do this trip, do it right. A couple of tips:<br />

First off, don’t sell coke to finance your trip.<br />

If you do, don’t tell anyone. Definitely don’t<br />

put coke money in your gas tank, because<br />

it’ll lower your gas mileage ..." Und es geht so<br />

humorvoll weiter … bis zu den verhängnisvollen<br />

Schüssen der Rednecks, die den Traum von<br />

Wyatt, Amerika, das Land der Freiheit, zu finden,<br />

auf blutige Weise beenden.<br />

Die Ausgangssituation für das Team Hopper/<br />

Fonda war folgende: Die „Golden Age"-<br />

Ära war vorüber; die Traumfabrik im Leerlauf;<br />

tumbe, stets dem Happy End zustrebende<br />

Kitschschinken wollte das Publikum nicht mehr<br />

sehen. Realität war angesagt. Mit einem selbst<br />

für damalige Verhältnisse schmalen Budget<br />

von 325.000 (manche Quellen sprechen von<br />

400.000) Dollar realisierte Hopper sein unabhängiges<br />

Roadmovie, das Hollywood aufhorchen<br />

ließ und im Rückblick als stilbildend und<br />

epochal bezeichnet wird. Story, Fotografie,<br />

Inszenierung, die Anti-Establishment-<br />

Haltung, die offene Gesellschaftskritik, die<br />

Darstellung von Drogenkonsum, Sex und<br />

Gewalt, das Fehlen eines Happy Ends in<br />

diesem experimentellen Autorenfilm – alles<br />

war ein einziger Verstoß gegen die Regeln<br />

des alten Hollywood-Systems. Und gerade<br />

deshalb sprach „Easy Rider" die aufkommende<br />

„Woodstock"-Generation an und spülte<br />

20 Millionen Dollar in die Kasse. In der<br />

Folge erhielten damals junge, bilderstürmende<br />

Autorenfilmer wie Martin Scorsese, George<br />

Lucas, Peter Bogdanovich, Robert Altman,<br />

Hal Ashby, William Friedkin und Francis Ford<br />

Coppola die Möglichkeit, ihr Können unter<br />

Beweis zu stellen. Sie bildeten die Sturmspitze<br />

dessen, was man heute unter dem Begriff<br />

New Hollywood zusammenfasst. Die Nähe<br />

zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, Storys über<br />

reale Menschen mit realen Problemen, ätzende<br />

Systemkritik, die Nutzung populärer Musik, die<br />

Umsetzung der seinerzeit angesagten Anti-<br />

Kriegs- und Protestthemen, die Vivisektion des<br />

amerikanischen Traums und seiner Hollywood-<br />

Ausformung gehörten zum Grundbesteck dieser<br />

Filmemacher. In ihren Filmen wurden Chaos<br />

als Chaos, Ungerechtigkeit als Ungerechtigkeit<br />

und die Machtspiele der Mächtigen als eben<br />

solche gezeigt und entlarvt, was sie waren.<br />

Und den ersten großen Erfolg dieses neuen<br />

Kinos markierte „Easy Rider", ein Film der<br />

aufgrund seines Erfolges bald von der Industrie<br />

aufgekauft wurde. Als wir in Mayen aus dem<br />

Kino kamen, waren wir wie betäubt und hatten<br />

das blutige Bad End und die Schüsse schon verdrängt.<br />

Wir wussten: Das war der Weg. Born to<br />

be wild. Uhren wegwerfen, Nicnicnic ... futfutfut<br />

... Indians. Whiskey zum Frühstück, zwischen<br />

den Beinen eine brummelnde Chopper und vor<br />

einem die endlos sich hinziehende Straße.<br />

Cut. Spulen wir vor ins Jahr 2000. 30 Jahre<br />

nach „Easy Rider" kam „Almost Famous –<br />

Fast berühmt" in die Kinos, eine höchst amüsante<br />

„Coming Of Age"-Komödie von Cameron<br />

Crowe, der darin biografische Erlebnisse seiner<br />

Teenager-<br />

Jahre zu einem<br />

kurzweiligen<br />

Leinwanderlebnis<br />

verdichtet.<br />

Erzählt<br />

wird<br />

die<br />

Geschichte des<br />

hochbegabten<br />

William<br />

Miller (wunderbar<br />

linkisch<br />

gespielt<br />

von<br />

Patrick<br />

Fugit),<br />

der<br />

unter seiner dauerbesorgten Mama (preiswürdig<br />

dargestellt von Frances McDormand) leidet<br />

und gerne Musikjournalist werden würde. Die<br />

Chance bietet sich ihm, als er den legendären<br />

„Pen Pusher" Lester Bangs (Philip Seymour<br />

Hoffman) kennenlernt. Die Redaktion des<br />

„Rolling Stone" wird auf das Talent aufmerksam<br />

und gibt ihm – ohne zu wissen, wie jung<br />

er ist, nämlich erst 15 – den Auftrag, die Band<br />

Stillwater auf ihrer Tournee zu begleiten und<br />

darüber zu berichten. Stillwater (man beachte<br />

den Namen) sind die Allman Brothers. Und<br />

was der Pubertierende bei jener legendär<br />

chaotischen Südstaatentruppe, in deren Tross<br />

Crowe wirklich mitreiste, erlebt, ist die wunderbare<br />

Welt des „Sex, Drugs & Rock’n’Roll".<br />

Er verliebt sich in Groupie Penny Lane (Name!)<br />

– zum Niederknien: Kate Hudson –, die mit<br />

dem Bandgitarristen (Billy Crudup als Russell<br />

Hammond) liiert ist. Der jedoch gibt seiner<br />

Gespielin den Laufpass, als seine Ehefrau<br />

ankündigt, in New York zur Entourage stoßen<br />

zu wollen. Penny versucht daraufhin,<br />

Selbstmord zu begehen ... Was sich in dürren<br />

Worten vielleicht etwas klischeehaft anhört,<br />

hat zahlreiche Zwischentöne und ist – ich<br />

kann das beurteilen – wirklich lebensnah und<br />

realistisch. Der besoffen gewagte Sprung in<br />

den Pool, das ständige Schwanken zwischen<br />

Party- und Katerstimmung, die Drogenexzesse,<br />

der Verlust der Naivität mit jedem Kilometer<br />

und jedem Karrieresprung. Ich will nicht zu viel<br />

verraten: William rettet Penny, nach langem<br />

Hin und Her erscheint seine „Rolling Stone"-<br />

Titelstory, und der von Crowe-Ehefrau Nancy<br />

Wilson (Heart) zusammengestellte Soundtrack<br />

(The Who, Led Zeppelin, Lynyrd Skynyrd ...) hat<br />

wirklich Extraklasse.<br />

Wenn ein Musikfilm im Übrigen das Beiwort<br />

Kult verdient, dann „This Is Spinal Tap".<br />

Das Filmdebüt von Rob Reiner aus dem<br />

Jahr 1984 kommt daher wie eine Pseudo-<br />

Dokumentation und nimmt in seiner grotesken<br />

Überzeichnung den Rockbetrieb von vorn bis<br />

hinten auf die Schippe. Ironie: Der mangelnde<br />

Erfolg des Streifens im Kino wird der<br />

Tatsache zugeschrieben, dass er die Zuschauer<br />

verwirrte – ist das nun eine überdrehte Doku<br />

oder einfach nur eine fette Satire? Diese<br />

Verwirrung endete bei Veröffentlichung des<br />

Videos, das seinen Siegeszug um die Welt<br />

antrat. Die Band Spinal Tap war ursprünglich<br />

für eine TV-Show zusammengestellt worden<br />

und machte all das mit, was den Irrsinn<br />

einer Rockagenda ausmacht. Der Anfang in<br />

den Sechzigern als Beatband, die dann auf<br />

Flower-Power umsattelt und schließlich als<br />

enge Spandex-Hosen tragende Heavy-Metalgoes-Gothic-Combo<br />

endet. Running Gag:<br />

Alle Schlagzeuger kommen ums Leben, einer<br />

explodiert sogar. Die Promoterinnen sind dauerquasselnde,<br />

Kusshände verteilende scharfe<br />

Hühner, die A&R-Leute Schwätzer usw. „This<br />

Is Spinal Tap" ist eine brüllend komische, das<br />

Zwerchfell erschütternde, zum Niederknien<br />

witzige Satire – und doch oder gerade deshalb<br />

in vielerlei Hinsicht zutiefst wahr. Hut ab,<br />

Rob Reiner („Harry und Sally", „Wo die Liebe<br />

hinfällt"), und Extrapunkte für Fran Drescher,<br />

deren Rolle der Bobbi Flekman Jahre später<br />

in der Erfolgs-Sitcom „The Nanny" weitergeschrieben<br />

wurde.<br />

Einen festen Platz in meiner ansonsten<br />

immer vorläufigen Top Ten der Musikfilme<br />

nehmen auch „Ray" (2004) und „Walk The<br />

Line" (2005)<br />

ein. Kein<br />

Wunder, denn<br />

diese beiden<br />

Biopics über<br />

das Leben von<br />

Ray Charles<br />

bzw. Johnny<br />

Cash setzten<br />

in vielerlei<br />

Hinsicht<br />

Maßstäbe.<br />

Zuallererst ist<br />

da die schauspielerische<br />

Leistung der Haupt- und Nebendarsteller zu<br />

nennen, dann die intelligente Inszenierung, die<br />

sich auf die entscheidenden Jahre der zu erzählenden<br />

Biografien konzentriert, und zuletzt die<br />

in jeder Minute spürbare Liebe zur Musik, bei<br />

Seite 42 ■ GoodTimes 2/2014


deren Entstehung man zugegen sein darf.<br />

Der Reihe nach: Jamie Foxx als Ray Charles<br />

ist einfach brillant, und nicht von ungefähr<br />

hat er dafür 2005 den Oscar als „Bester<br />

Hauptdarsteller"<br />

Ray<br />

bekommen. Erzählt<br />

Charles<br />

wird von Kindheit,<br />

Erblindung,<br />

Coming Out und<br />

Starruhm der Soullegende,<br />

die sich<br />

musikalisch immer<br />

weit<br />

hinauswagte,<br />

Gospel säkularisierte,<br />

Soul und<br />

Country vermählte<br />

und große Hits hinterließ. Erinnerungswürdig,<br />

wie zum einen der biografische Hintergrund<br />

von Klassikern wie "What’d I Say" oder "Hit<br />

The Road Jack" freigelegt und zum anderen<br />

die musikalische Entstehung der Songs<br />

seziert wird. Wunderbar auch die kleinen<br />

Nuancen – Ray, der das Gewicht seiner zahlreichen<br />

Gespielinnen herausfindet, indem er<br />

ihr Handgelenk umfasst, seine Zerrissenheit<br />

zwischen Familienglück und Vielweiberei, seine<br />

Heroinsucht. Der fast zweistündige Film von<br />

Taylor Hackford („Ein Offizier und Gentleman",<br />

„Gegen jede Chance") wurde zu großen Teilen<br />

von Ray Charles als Berater autorisiert. Kurz<br />

vor Ende der Dreharbeiten starb die Legende,<br />

von der man hier gut 20 Songs zu hören<br />

bekommt. Ein schöneres Denkmal konnte man<br />

Ray Charles Robinson nicht setzen.<br />

Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />

Ein Vermächtnis der besonderen Art ist auch<br />

„Walk The Line", der 2005 in die Kinos<br />

kam, auf zwei Cash-Biografien beruht und<br />

Reese Witherspoon als June Carter einen<br />

Oscar<br />

bescherte.<br />

Der Film, der eine<br />

Zeit von etwa 22<br />

Jahren<br />

abdeckt,<br />

beginnt am Ende.<br />

Cash wartet hinter<br />

der Bühne auf<br />

seinen<br />

Auftritt<br />

im Folsom State<br />

Prison,<br />

jenem<br />

Gefängnis,<br />

von<br />

dem sein Song<br />

"Folsom<br />

Prison<br />

Blues" handelt.<br />

Die Häftlinge klatschen und stampfen mit<br />

den Füßen. Das Wasser im Glas vibriert im<br />

Takt. Es ist der 13. Januar 1968, und der<br />

„Man In Black", seine Band und June Carter<br />

werden von den Gefängnisinsassen frenetisch<br />

gefeiert. Dieser denkwürdige Knast-Gig<br />

bildet die inszenatorische<br />

Klammer für die<br />

Erzählung, die folgt.<br />

Rückblende. 1944: Der<br />

junge Johnny, damals<br />

noch J.R. genannt,<br />

hört das erste Mal<br />

June Carter; sein<br />

Bruder, Lieblingssohn<br />

des Vaters, kommt<br />

bei einem Unfall ums<br />

Johnny Cash<br />

Foto: © Bildarchiv Hallhuber<br />

Leben, die Schuld daran bürdet der Vater J.R.<br />

auf. John beim Militär. In Landsberg am Lech,<br />

wo er stationiert ist, kauft er sich eine Höfner-<br />

Gitarre und schreibt seine ersten Songs, u.a.<br />

den von einem Film inspirierten Folsom Prison<br />

Blues. Zurück in den Staaten heiratet er seine<br />

Jugendfreundin und erlebt den schmerzhaften<br />

Spagat zwischen Beruf (Handelsvertreter)<br />

und<br />

Berufung<br />

(Musiker).<br />

Er<br />

nimmt für Sam<br />

Philips<br />

von<br />

Sun<br />

Records<br />

eine Single auf,<br />

geht mit Jerry<br />

Lee Lewis, Roy<br />

Orbison,<br />

Carl<br />

Perkins und Elvis<br />

Presley auf Tour, wird alkohol- und tablettensüchtig,<br />

trifft seine große Liebe June wieder,<br />

landet mit ihr im Bett, wird mit Drogen verhaftet<br />

und geschieden, haust mit Waylon Jennings in<br />

einer abgerockten Bude in Nashville, kauft ein<br />

Haus, kämpft um die Anerkennung des Vaters<br />

– und vermasselt wieder alles. Der Erzählfaden<br />

dieses amerikanischen Film noir wird 1968,<br />

eben bei dem legendären Gefängnisgig, wieder<br />

aufgenommen. June will ihn immer noch<br />

nicht heiraten. Erst als Cash ihr auf der Bühne<br />

vor Publikum einen Antrag macht, sagt sie Ja.<br />

Die „schwarze Seite des Glücks" („Süddeutsche<br />

Zeitung") hellt sich auf, das Happy End naht<br />

– mit fröhlichem Familienbeisammensein und<br />

einem Vater, der seinem Sohn endlich verziehen<br />

zu haben scheint. Großartiges, herzerweichendes<br />

Hollywood-Kino und ein Muss nicht<br />

nur für Countryfans.<br />

Zum Abschluss und in aller Kürze noch<br />

zwei Musikfilm-Komödien, die trotz einiger<br />

kleiner Fehler sehr unterhaltsam sind: „Radio<br />

Rock Revolution", im Original: „The Boat That<br />

Rocked", berichtet von der großen Zeit der<br />

Piratensender,<br />

die England und<br />

Europa zum<br />

Fingerschnippen<br />

brachten. Radio<br />

Caroline stand<br />

Pate für diesen<br />

Film mit skurrilen<br />

Typen, witzigen<br />

Geschichten<br />

und wundervollen en Sixties-Klassikern. i<br />

ikern Bestes<br />

Popcorn-Kino. Eine grandiose „One Man<br />

Show" von Jack Black<br />

als Dewey Finn wiederum<br />

ist „School Of<br />

Rock", eine Komödie,<br />

die 2004 in die deutschen<br />

Kinos kam.<br />

Außenseiter Dewey<br />

wird kurz vor der<br />

„Battle Of The Bands"<br />

von seinen Kollegen<br />

geschasst. Ständig in<br />

finanziellen i Schwierigkeiten, i übernimmt er<br />

den Aushilfslehrer-Job seines Freundes Ned<br />

und führt an der Schule das Fach Rockmusik<br />

ein. Die begabten Kids der Schulband lernen<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 43<br />

alles über The Who, Led Zep und Co., über<br />

den Windmühlen-Arm von Pete Townshend,<br />

das Geheimnis großer Solos, über Bühnenoutfit<br />

und Management. Mit ihnen will er an der<br />

„Battle Of The Bands" teilnehmen – und<br />

sich an seinen Kumpels rächen. Großartig<br />

Jack Black, der für seine Darstellung trotz<br />

Kritik an dem Viacom-Sender den MTV Movie<br />

Award erhielt. Großartiger Soundtrack, amüsante<br />

Story.<br />

Last but not least gehaltvollere Kost von<br />

Regisseur und Drehbuchautor Todd Haynes.<br />

„I’m Not There", benannt nach einem bis<br />

zum Film unveröffentlichten Dylan-Song, ist<br />

ein Episodenfilm, der in sechs Erzählungen<br />

Aspekte aus des<br />

Maestros Leben, seinem<br />

Werdegang<br />

und Werk aufgreift.<br />

Verbürgtes<br />

und<br />

Abstraktes<br />

mischen<br />

sich mit Introspektion<br />

und Traumsequenzen.<br />

Cate Blanchett brilliert<br />

als Dylan, Richard<br />

Gere, Heath Ledger<br />

(in seiner letzten Rolle), Christian Bale und<br />

Ben Whishaw tun ein Übriges, um diesen<br />

Autorenfilm zu einem nachdenklichen Erlebnis<br />

zu machen.<br />

Teddy Hoersch<br />

Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass<br />

Harley-Davidson die Dreharbeiten von "<br />

Easy<br />

Rider" freudig unterstützt hat. Mitnichten! Eine<br />

Anfrage der Produktion um Unterstützung und/<br />

oder Stellung der notwendigen Maschinen wurde<br />

abschlägig beschieden. Peter Fonda ersteigerte<br />

daraufhin gebrauchte Polizeimaschinen (!)<br />

des Typs Panheads (benannt nach einem<br />

Motorentyp aus den Jahren 1948–1965) und<br />

ließ die Auslaufmodelle radikal modifizieren,<br />

choppen. Drei der vier Bikes wurden während<br />

der Dreharbeiten gestohlen und sind bis<br />

heute nicht wieder aufgetaucht. Nachbauten<br />

stehen in einigen Museen. Inzwischen sind<br />

nach Kundenwünschen gestaltete maßgefertigte<br />

Bikes zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig<br />

geworden. Seinerzeit rettete "<br />

Easy Rider" die<br />

kränkelnde Motorradschmiede aus Milwaukee<br />

vor dem Niedergang und begründete einen weiteren<br />

Mythos: den von der großen Freiheit im<br />

Sattel einer "<br />

custom made" Harley-Chopper<br />

mit langer Vorderradgabel, hohem Lenker<br />

(Apehanger) und vorverlegten Fußrasten. All das<br />

verschlechterte zwar das Fahrverhalten, sah<br />

dafür aber einfach scharf aus.


Der 6. April 1974 war zwar nicht die<br />

Geburtsstunde des schwedischen Quartetts<br />

Abba, doch an diesem Tag fiel gewissermaßen<br />

der Startschuss zur Eroberung der<br />

Welt durch die beiden Sängerinnen Agnetha<br />

Fältskog und Anni-Frid Lyngstadt sowie<br />

die beiden Songschmiede, Instrumentalisten<br />

und Sänger Björn Ulvaeus und Benny<br />

Andersson. Letztere hatten das später zum<br />

Evergreen gewordene Siegerlied "Waterloo"<br />

komponiert, Stig Anderson steuerte den<br />

Text bei. (Übrigens war der Grand Prix in<br />

Brighton nicht nur für Abba der Auftakt<br />

einer Weltkarriere, auch Musik-Deutschland<br />

bescherte er eine Premiere: Ralph Siegel, unser<br />

späterer „Mr. Eurovision", hatte erstmals einen Titel<br />

am Start: Das von Ireen Sheer vorgetragene "Bye Bye<br />

I Love You" belegte dann am Ende gemeinsam mit dem<br />

von Olivia Newton-John gesungenen Beitrag Englands, "Long<br />

Live Love", Platz vier. Die 14 Punkte hatten Siegel und sein Texter Michael<br />

Kunze allerdings für Luxemburg eingefahren, nicht für Deutschland.<br />

Dessen Vertreter Cindy & Bert wiederum kamen mit "Die Sommermelodie"<br />

mit mageren drei Zählern nur auf Rang 14, auf den letzten Platz, den<br />

man sich mit Norwegen, Portugal und der Schweiz teilte.)<br />

Augenzeuge der damaligen Geschehnisse in Brighton war Wolfgang<br />

„Bubi" Heilemann, der legendäre „Bravo"-Fotograf, der sich in der englischen<br />

Hafenstadt mit den vier Abba-Mitgliedern anfreundete, sie während<br />

ihrer vergleichsweise kurzen Karriere regelmäßig mit seiner Kamera begleitete,<br />

zu Hause besuchte und bis heute den Kontakt zu ihnen pflegt. Mit<br />

einer Multimedia-Show hält er die Erinnerung an Abba und ihre Musik<br />

wach, die bis heute Generationen von Pop-Fans in ihren Bann zieht.<br />

A l s<br />

Lieder wettbewerb<br />

von Komponisten und Songschreibern<br />

ist der Grand Prix Eurovision<br />

de la Chanson 1956 einst von der<br />

Europäischen Rundfunkunion ins Leben gerufen<br />

worden und hat seither eine bewegte Geschichte<br />

hinter sich gebracht. In den vergangenen knapp<br />

60 Jahren brachte die Veranstaltung, die inzwischen<br />

unter dem Label "<br />

Eurovision Song Contest" fi rmiert, die<br />

Karriere zahlreicher Interpreten ins Rollen und erlebte eine<br />

beeindruckende Reihe von Comebackversuchen von<br />

Künstlern, die in Vergessenheit geraten waren. Selten<br />

jedoch hat eine Ausgabe dieser legendären Serie<br />

seit ihrer ersten Ausrichtung in Lugano derart<br />

tiefe Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen<br />

wie an jenem Abend vor 40<br />

Jahren im englischen Seebad<br />

Brighton.<br />

Von Philipp Roser<br />

Im Gespräch mit <strong>kult</strong>!-Mitarbeiter Philipp Roser<br />

lässt Heilemann, der später auch kurzzeitig als<br />

Sat1-Programmdirektor tätig war, jenen legendären<br />

Abend noch einmal Revue passieren:<br />

„Ich wurde öfter zum Grand Prix Eurovision<br />

de la Chanson geschickt, wie er früher<br />

hieß. Nicht, weil ,Bravo' da großartig darüber<br />

berichten wollte, denn das war mit<br />

all diesen Knödelbarden aus Frankreich,<br />

Luxemburg, Monaco und Spanien eigentlich<br />

nicht so das richtige ,Bravo'-Thema.<br />

Aber allein schon wegen unserer deutschen<br />

Kandidaten Cindy & Bert – wenn die schon<br />

mal auf internationale Bühnen gingen, war<br />

das damals natürlich ein Thema, auch für die<br />

,Bravo'. Deswegen hat man mich hingeschickt<br />

und gesagt: ‚Achte darauf, was da sonst noch passiert!<br />

Fotografiere die Nasen, wo du meinst, dass die ein<br />

Thema sein könnten – nicht dass da einer gewinnt, der ganz<br />

toll ist, und wir keine Bilder haben'", erinnert sich Heilemann.<br />

Eine ganze Woche war der Fotograf dann vor Ort und verfolgte die<br />

Proben. „Es gab wirklich nichts Langweiligeres als diesen Grand Prix", fällt<br />

er im Rückblick immer noch ein vernichtendes Urteil. Zumal in Brighton<br />

aus Sicht seines Arbeitgebers kaum „Bravo"-Stars dabei waren, mit<br />

Ausnahme von Olivia Newton-John vielleicht. „Natürlich habe ich Cindy<br />

& Bert fotografiert, denn die waren schließlich<br />

unsere Lokalmatadoren. Dann waren da noch<br />

Gigliola Cinquetti aus Italien und dieses Duo<br />

aus Holland, Mouth & McNeal – die kamen<br />

eventuell für uns in Frage, und ich habe sie alle<br />

abgelichtet. Man saß in den Proben, hat sich die<br />

Seite 44 ■ GoodTimes 2/2014


Fotos: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de<br />

Künstler angeguckt, angehört. Es gab<br />

auch Wetten unter den Journalisten,<br />

die in dem Saal saßen. Nachts wurde<br />

lange gefeiert, mit den Kollegen<br />

in den Hotels gesoffen – und am<br />

nächsten Morgen saß ich da wieder.<br />

Ich habe mich am Morgen des Tages<br />

vor der eigentlichen Veranstaltung<br />

hingeschleppt und zugehört, bin<br />

dann wirklich eingeschlafen, war<br />

von der ganzen Nacht davor fertig,<br />

und diese Singerei war ja wirklich<br />

furchtbar! Aber aufgewacht bin ich,<br />

als sie auf der Bühne auf die Pauke<br />

gehauen haben. Da standen plötzlich<br />

ein paar Wirbelwinde auf der Bühne", erzählt Heilemann, als ob es gestern<br />

gewesen wäre. Schließlich hat er die Geschichte schon häufig zum Besten<br />

geben müssen, vor dem 40-jährigen "Waterloo"-Jubiläum ohnehin.<br />

„Bei den Journalisten setzte kaum jemand auf sie, es hieß: ‚Die können<br />

gar nicht gewinnen, denn die machen Popmusik – das passt hier gar<br />

nicht rein!' Selbst Abba haben so gedacht!" Doch dann kam alles ganz<br />

anders, was Heilemann so erklärt: „Gerade weil sie so anders waren, so<br />

einen Schwung drauf hatten, weil sie so tolle Kostüme vorführten, weil sie<br />

super Musik machten<br />

– das hat mich<br />

geweckt, als ich bei<br />

der Probe vor der<br />

Bühne eingenickt<br />

war. Das war schon<br />

die Kostüm- und<br />

Generalprobe. Ich<br />

bin anschließend<br />

gleich zu ihnen hin<br />

und habe gesagt:<br />

‚Ich bin von ,Bravo',<br />

wir müssen noch<br />

ein paar Fotos machen.' Die ,Bravo' war ihnen<br />

durchaus ein Begriff. Und dann hatte ich auch<br />

noch Glück, es war schönes Wetter, und ich<br />

habe sie draußen vor dem Dom fotografiert – so<br />

hieß der Veranstaltungsort. Bei der Gelegenheit<br />

habe ich auch gesagt: ‚Ihr<br />

werdet das Ding gewinnen!'<br />

‚Never ever', antworteten sie, und<br />

wir<br />

haben um eine Flasche Champagner gewettet.<br />

Obendrein bin ich noch zu den Buchmachern<br />

gegangen, wo Abba auch ganz schlechte Quoten<br />

hatten. Ich habe trotzdem auf sie gesetzt, und hatte<br />

dann auch eine gute Gewinnquote, als sie siegten."<br />

„Für mich war es optimal, weil ich so mehr<br />

hatte als das typische Siegerfoto, das in jeder<br />

Tageszeitung zu sehen war. Die ,Bravo' hatte ja<br />

zwei Wochen Vorlaufzeit, und da brauchten wir eben andere Bilder, und<br />

die hatte ich, wie sich dann herausstellen sollte, alle schon ordentlich<br />

im Kasten!" Doch damit ging die Geschichte für Heilemann erst richtig<br />

los. Er brauchte sich nicht lange unter die Hunderte von Fotografen und<br />

Fernsehteams vor der Bühne zu quetschen. „Als sie siegten, zogen sie<br />

sich in eine Lounge zurück. Da stand ich dann Arme wirbelnd vor der<br />

Tür, die Bodyguards hielten alle zurück – doch dann ging die Tür einen<br />

Spalt weit auf, Björn hat mich gesehen und gesagt: ‚Hey, da ist der Typ,<br />

der den Sieg vorausgesagt hat!'" Und als<br />

die Band sich dann auf der Bühne feiern<br />

ließ, „haben sie in einem kurzen Moment<br />

alle, auch der Manager und der Dirigent,<br />

in meine Kamera geschaut, obwohl da so<br />

viele Fotografen waren", gerät er auch 40<br />

Jahre später immer noch ins Schwärmen.<br />

„So bin ich irgendwie ein bisschen ihr<br />

Maskottchen geworden – natürlich auch,<br />

weil ,Bravo' damals eine Weltmacht war.<br />

Zuversichtliche Gesichter: am Tag der Grand-Prix-Entscheidung.<br />

Über Nacht berühmt.<br />

Das erste Fotoshooting<br />

nach dem Sieg sorgt<br />

für großes<br />

Presseinteresse.<br />

Das wussten sie durchaus, vor allem<br />

Björn. Aber auch Agnetha, die zuvor<br />

Platten in Deutschland gemacht<br />

hatte und mit einem deutschen<br />

Produzenten verlobt war, außerdem<br />

auch Deutsch sprach. Björn, der<br />

so etwas wie der Medienvertreter<br />

der Band war, hat immer sehr viel<br />

für mich ermöglicht, ohne dass ich<br />

mit dem Management hätte reden<br />

müssen."<br />

Der Rest ist Geschichte: Der<br />

so mitreißende Grand-Prix-<br />

Siegertitel "Waterloo" avancierte in<br />

Deutschland, Großbritannien und der<br />

Schweiz zur Nummer 1, in Österreich reichte es bis zu Rang 2, und sogar<br />

in den USA eroberten Abba damit die Single-Charts, schafften es bis auf<br />

Position 6. In Frankreich allerdings blieb das schwedische Quartett selbst<br />

mit einer französischsprachigen Version ohne besonderen Verkaufserfolg.<br />

Das dazugehörige gleichnamige Album schoss in ihrer Heimat<br />

Schweden auf 1, in Deutschland auf Platz 6, im UK reichte es immerhin<br />

für Rang 28, während die Platte in den USA auf Position 145 hängenblieb.<br />

Weitere-Top-Ten-Platzierungen waren ansonsten nur in Norwegen,<br />

Finnland und Simbabwe zu verzeichnen.<br />

2004 gab es eine „30th Anniversary Edition" mit zwei Bonus-<br />

Tracks und einer Zusatz-DVD (mit vier Videos). Deutlich üppiger<br />

ausgefallen hingegen ist die „Deluxe Edition" zum 40-jährigen<br />

Jubiläum, die zugleich als achter Teil die Abba-Deluxe-<br />

Editions-Serie abschließt. Acht Bonus-Tracks werden geliefert: Die<br />

Erfolgsnummer selbst gibt's zusätzlich auf Schwedisch, Französisch<br />

und Deutsch, dazu einen alternativen Mix des englischen Originals.<br />

Plus den Single-Remix der Nachfolge-45er "Ring Ring" (UK-Fassung)<br />

und die "Waterloo"-Abmischung der US-Ausgabe des Albums.<br />

Hinzukommen noch eine spanische Fassung von "Hasta Mañana"<br />

und die schwedische Version von "Honey, Honey". Die ebenfalls<br />

enthaltene DVD liefert 13 teilweise unveröffentlichte TV-Auftritten (u.a.<br />

in „Musik aus Studio B", „Ein Kessel Buntes", „Disco" sowie diverse BBC-<br />

Auftritte). Selbstverständlich ist auch der Erfolg in Brighton dokumentiert,<br />

samt damaliger Interviews mit Frida und Manager Stig Anderson.<br />

Nebenbei bemerkt: Das Album WATERLOO war nicht gerade typisch<br />

für das, was man von Abba vorher kannte oder auch später von der<br />

Band serviert bekam. Die stilistische Bandbreite der Songs war bei Abba<br />

selten breiter angelegt als hier, umfasste Pop pur über Folk-Rockiges bis<br />

hin zu Karibik-Anleihen. Typisch Abba war allerdings das Händchen von<br />

Anderson und Ulvaeus für eingängige<br />

Melodien.<br />

Bubi Heilemann ist übrigens nach<br />

zweijähriger Vorbereitung in Sachen<br />

Konzeption und Produktion mit seiner<br />

Multivisions-Show „Abba hautnah – Mein<br />

Leben mit Abba" unterwegs. Der Abba-<br />

Haus- und Hoffotograf lädt dabei zu einer<br />

Zeitreise mit Fotos, TV-Ausschnitten und<br />

Musik ein ...<br />

Abba mit<br />

GoodTimes "<br />

Bravo"-Redakteur Gerald Büchelmaier (2.v.l.)<br />

2/2014 ■ Seite 45<br />

und Fotograf Wolfgang Heilemann


unterm<br />

Riesenrad<br />

Die DDR-Fernsehserie<br />

aus den späten Siebzigern<br />

hat noch heute einen Platz<br />

in den Herzen ihrer Fans<br />

Zum Schluss war dann alles wieder<br />

im Lot! Die in ihrem tiefsten Inneren<br />

friedfertige Hexe und der ordentlich<br />

geläuterte Riese hielten jeweils als Zeichen<br />

ihrer Rehabilitierung einen Personalausweis<br />

der Deutschen Demokratischen Republik<br />

in Händen und waren fortan Teil der<br />

Gemeinschaft. Lediglich der Dritte im Bunde<br />

– das fiese Rumpelstilzchen – hatte die<br />

Kurve nicht gekriegt und wurde in die<br />

Geisterbahnpuppe, die er schon einmal gewesen<br />

war, zurückverwandelt. Bis es allerdings<br />

soweit war, vergingen sieben 35-minütige<br />

Folgen, die so spannend und gleichzeitig<br />

witzig waren, wie es im DDR-Kinderfernsehen<br />

noch nicht allzu oft der Fall war. Der Plot,<br />

den der schon damals gefeierte Autor C.U.<br />

Wiesner nach einer Idee der Dramaturgin<br />

Anne Goßens entwickelte, lieferte<br />

alles, was auch heute noch einen<br />

erfolgreichen Kinderfilm ausmacht:<br />

eine nicht allzu schwierige, aber<br />

dennoch fantasievolle Geschichte,<br />

in den Hauptrollen mehrere<br />

Sympathieträger mit Charme, Witz<br />

und immer einem lockeren Spruch<br />

auf den Lippen sowie ein glückliches<br />

Händchen bei der Auswahl der<br />

Drehorte.<br />

Alles beginnt im „Kulturpark Plänterwald",<br />

dem ostdeutschlandweit schönsten Rummel –<br />

liebevoll „Kulti" genannt –, der nach dem Ende<br />

der DDR zum „Spreepark Berlin" wurde<br />

und seit vielen Jahren brachliegt. Dort<br />

jedenfalls können die drei Kinder Keks,<br />

Umbo und Tammi (die Spitznamen hatte<br />

sich Wiesner bei den realen Kindern<br />

eines Theaterschauspielers auf Rügen<br />

entliehen) ihre Sommerferien verbringen,<br />

denn ihre Großeltern betreiben<br />

die Geisterbahn. Welches Kind würde<br />

sich das nicht wünschen? Übermütig<br />

bewerfen sich die Kids eines Tages mit<br />

angebranntem Grießbrei und treffen<br />

dabei versehentlich drei Geisterbahnfiguren,<br />

die es anschließend zu reinigen gilt. Bei der<br />

Waschung in der Spree werden diese dann aber<br />

zum Leben erweckt, und von nun an sind Hexe,<br />

Riese und Rumpelstilzchen auf der Flucht.<br />

Verfolgt von den Kindern, deren Großeltern<br />

und den Genossen der Volkspolizei, fällt der<br />

Startschuss für einen turbulenten, actionreichen<br />

Familienspaß, der die Protagonisten vom<br />

heutigen Berliner Szenebezirk Friedrichshain<br />

und dem Alexanderplatz mit seinem großen<br />

Warenhaus direkt in den Harz, auf den<br />

Hexentanzplatz und zur Burg Falkenstein<br />

führt. Regisseur Günter Meyer, der zuvor<br />

meist an Dokumentarfilmen arbeitete, schuf<br />

ein echtes Juwel, das mittlerweile auch nachkommende<br />

Generationen begeistert. Meyer<br />

hatte ein genaues Gespür für das richtige<br />

Tempo sowie für reichlich Pointen und kleine<br />

Seitenhiebe auf den DDR-Alltag, etwa wenn<br />

das Geistertrio in Bananen mit Schale beißt<br />

oder ein Zivilist – offenbar ein Stasi-Mitarbeiter<br />

– auf dem Alexanderplatz Meldung macht.<br />

© Szenen-Bilder: DRA<br />

Seite 46 ■ GoodTimes 2/2014


<strong>kult</strong>!<br />

Abba<br />

Foto: © Bubi Heilemann/www.rockfoto.de


Schalke 04<br />

Saison<br />

‘71/‘72<br />

Hinten von links: Lichtenberg, Pabst, Huhse, Hoffmann, van den Berg, Rüßmann, Nigbur, Horvath<br />

Mitte: Holz, Sobieray, Fischer, Scheer, Fichtel, van Haaren<br />

Vorne: Pohlfuß, Lütkebohmert, Manns, Heßling, Beverungen, Libuda, H. Kremers, E. Kremers, Braun<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Foto: © Horstmueller


Eine ganz andere Szene hätte um Haaresbreite<br />

jedoch die TV-Ausstrahlung fast noch verhindert:<br />

Die drei fantastischen Gestalten plündern<br />

nämlich das Kaufhaus. Neben dem geklauten<br />

Staubsauger, der als Flugbesen<br />

herhalten muss, deckt sich<br />

der Riese auch mit etlichen<br />

Würsten aus der Fleischtheke<br />

ein, von denen er dann auch<br />

noch einen Großteil verliert.<br />

Da die TV-Premiere<br />

der Serie im Januar 1979<br />

erfolgte, zu einer Zeit, als in<br />

einigen Regionen der DDR<br />

ein Mangel an Fleisch- und<br />

Wurstwaren herrschte, waren<br />

herumkullernde Filmwürste<br />

zweifelsohne ein No-Go, weshalb<br />

die Szene kurzerhand<br />

herausgeschnitten wurde. In<br />

den vielen Wiederholungen<br />

und auch in der Kinofassung<br />

1980 – hierbei wurde aus<br />

der TV-Serie ein zweiteiliger<br />

Spielfilm – war die Würstchenszene allerdings<br />

wieder drin. Ob sich die Fleischsituation zwischenzeitlich<br />

entspannt hatte oder die<br />

Zensoren einfach vergaßen, weiterhin<br />

einen geschärften Blick für allzu<br />

viele Lebensmittel in Kinderfilmen zu<br />

werfen, ist nicht überliefert.<br />

Als die Dreharbeiten begannen,<br />

trug die Serie noch den Arbeitstitel<br />

„Die Ausreißer" – für eine Serie,<br />

die es in einem Land, in dem es<br />

noch ganz andere Ausreißer gab,<br />

auf Anhieb ins nachmittägliche<br />

Samstagsfernsehprogramm<br />

schaffte, nicht die allerglücklichste<br />

Wahl. Und auch für Wiesner/<br />

Meyer, das Dreamteam der DDR-<br />

Fernsehunterhaltung, wäre es ungünstig<br />

gewesen, denn bei den weiteren<br />

Familienserien, die sie noch drehen sollten,<br />

hätten sie dann keine Verweismöglichkeit auf<br />

den Erfolgserstling gehabt. So aber konnten<br />

sie dem „Spuk unterm Riesenrad" noch den<br />

„Spuk im Hochhaus", den „Spuk von draußen"<br />

usw. folgen lassen. Die immer größer werdende<br />

Fangemeinde spricht daher liebevoll von<br />

den „Spuk-Serien".<br />

Nicht zuletzt waren es aber natürlich die<br />

Darsteller, die die Familienserie so sehenswert<br />

machen. Die kürzlich viel zu früh verstorbene<br />

Katja Paryla etwa, die in ihrer Rolle als Hexe<br />

Charme und Respekt gleichermaßen ausstrahlt.<br />

Stefan Lisewski, ein gefragter Brecht-<br />

Schauspieler am Berliner Ensemble, als tumber<br />

und gefräßiger Riese. Und sogar noch überzeugender<br />

Siegfried Seibt als Rumpelstilzchen,<br />

der seine Rolle förmlich lebte und auch beste<br />

Voraussetzungen dafür mitbrachte, denn<br />

schon 1960 war er in „Das Zaubermännchen",<br />

der Defa-Filmvariante des Grimm-Märchens,<br />

als Rumpelstilzchen zu sehen<br />

gewesen. Alte Theaterhasen<br />

wie die Bertolt-Brecht-<br />

Entdeckung (und Geliebte)<br />

Käthe Reichel und Kurt Radeke<br />

vom Berliner Maxim-Gorki-<br />

Theater begeisterten als Oma<br />

und Opa aus dem Plänterwald.<br />

Selbst die Kinderrollen waren<br />

großartig besetzt, die kleinen<br />

Großmäuler Umbo und Tammi<br />

mit ihrer rabaukenhaften<br />

Schnoddrigkeit – gespielt<br />

von Dima Gratschow und<br />

Henning Lehmbäcker<br />

– wirkten cool und clever.<br />

Und in die kleine Keks – verkörpert<br />

von Katrin Raukopf – hat sich<br />

damals jeder ostdeutsche Junge zwischen<br />

acht und zwölf ganz sicher verliebt.<br />

Die Schauspieler agierten mit vollem<br />

Körpereinsatz. Siegfried Seibt etwa brach<br />

sich zwei Rippen, Stefan Lisewski fiel eine<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 55<br />

Woche aus, weil er sich bei Aufnahmen einen<br />

Ast ins Gesicht rammte.<br />

Wiesner und Meyer nahmen den<br />

„Riesenradspuk"-Erfolg zum Anlass, anschließend<br />

ähnliche Serien zu konzipieren.<br />

Mitunter gab es hier<br />

auch ein Wiedersehen mit den<br />

Schauspielern aus der ersten<br />

Staffel. So spielten in „Spuk im<br />

Hochhaus" u.a. Katja Paryla,<br />

Siegfried Seibt (der während<br />

der Produktion im Januar<br />

1982 einem Krebsleiden<br />

erlag), Käthe Reichel sowie<br />

die Kinderdarsteller Gratschow<br />

und Lehmbäcker – allerdings<br />

in ganz anderen Rollen. Riese<br />

Stefan Lisewski war allerdings<br />

der Einzige, der in beiden<br />

Folgeserien (nach dem<br />

„Hochhaus" folgte noch der<br />

„Spuk von draußen") zu erleben<br />

war. C.U. Wiesner und<br />

Günter Meyer waren diesmal<br />

übrigens ebenfalls zu sehen: Meyer als wartender<br />

Restaurantbesucher und Wiesner eine Serie<br />

später als Erzähler.<br />

Auch im vereinten Deutschland ging<br />

der Spuk dann weiter: 1997, zehn<br />

Jahre nach der letzten „Spuk-Serie",<br />

drehten Wiesner und Meyer für den<br />

Kindersender Kika „Spuk aus der<br />

Gruft", „Spuk im Reich der Schatten"<br />

und „Spuk am Tor der Zeit" mit<br />

Schauspielern wie Nina Hoger, Ilja<br />

Richter und Matthias Schweighöfer.<br />

Wenngleich keine der Staffeln floppte,<br />

so ist die erste doch die bis<br />

heute beliebteste. Der „Spuk unterm<br />

Riesenrad" schaffte es auch auf etliche<br />

Theaterbühnen, und sogar ein<br />

Hörspiel –<br />

mit C.U.<br />

Wiesner als Erzähler<br />

– ist vor geraumer<br />

Zeit erschienen.<br />

Noch ganz neu ist<br />

die Veröffentlichung<br />

auf Blu-ray. Dabei<br />

handelt es sich übrigens<br />

um die erste<br />

DDR-Fernsehserie in<br />

diesem Format. Die<br />

Kultserie geht in dieser<br />

Hinsicht mit der Zeit.<br />

Christian Hentschel


Yamaha XT 500<br />

Die Mutter aller Enduros<br />

Die XT 500, die erste großvolumige Viertakt-Enduro, vermittelte<br />

ab Mitte der 70er Jahre wie kein anderes Serienmotorrad den<br />

Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Je steiniger der Weg,<br />

desto mehr wurde er mit der Yamaha zum Ziel.<br />

Von Andreas Kötter<br />

W<br />

as genau aber verbarg sich hinter dem<br />

Erfolgsrezept des robust-rustikal-reduzierten<br />

Yamaha-Eintopfes in einer Zeit, in der<br />

Motorräder doch eigentlich technisch immer ausgereifter<br />

und vor allem immer leistungsstärker wurden?<br />

Wie erklären sich der legendäre Ruf und der Kult um<br />

dieses Motorrad, das mit nicht weniger legendären<br />

Bikes wie der Honda CB 750 Four oder Kawasaki Z<br />

900 um die Gunst der Käufer konkurrieren musste, die viel eher dem<br />

zunehmenden „Höher, Schneller, Weiter" verpflichtet waren? Um diese<br />

Fragen beantworten zu können, ist ein Ausflug in die Geschichte geländegängiger<br />

Motorräder nötig.<br />

Z<br />

unächst war es wohl der typisch menschliche Wunsch, ausgetretene<br />

– Pardon – eingefahrene Pfade zu verlassen, sich einen Weg<br />

zu bahnen, wo eigentlich gar keiner war. „Über den Fluss und in die<br />

Wälder", das wurde Ende der 50er Jahre Wunsch und Motto nicht<br />

nur bei Ernest Hemingway, sondern auch bei vielen Motorradfahrern.<br />

Großen Anteil daran hatte der „King Of Cool", Hollywood-Ikone Steve<br />

McQueen, der 1963 im Weltkriegs-Klassiker „Gesprengte<br />

Ketten" als<br />

amerikanischer Kriegsgefangener mit einer Straßenmaschine über Stock<br />

und Stein versuchte, den Nazi-Schergen zu entkommen. en. Historisch kor-<br />

Yamaha XT 500 1976<br />

Seite<br />

56 ■ GoodTimes 2/2014<br />

rekt hätte es sich um eine BMW handeln müssen. Die<br />

aber hätte die wilde Fahrt kaum ausgehalten, so dass<br />

man dem Kinopublikum eine modifizierte Triumph<br />

als BMW verkaufte. McQueen war es auch, der reine<br />

Geländemotorräder wie die Husqvarna 400 populär<br />

machte. Viele Hersteller begannen nun, zunächst<br />

vor allem für den US-Markt Straßenmaschinen auf<br />

Gelände-Look zu pimpen, indem einfach der Auspuff<br />

höhergelegt und grobstolligere Reifen verendet wurden. „Scrambler"<br />

nannte man diese Maschinen, deren Geländegängigkeit allerdings eher<br />

theoretischer Natur war. Damit waren die Scrambler (engl. scramble =<br />

klettern) die Urahnen der Enduros (span. duro = hart; engl. endurance<br />

= Ausdauer), die ab Mitte der 70er Jahre auftauchten. Die hatten den<br />

Vorteil, dass jetzt Wert auf echte Geländegängigkeit gelegt wurde.<br />

Neben den grobstolligen Reifen und der hochgelegten Auspuffanlage<br />

gab es widerstandsfähigere Kotflügel aus Kunststoff, einen Motorschutz<br />

gegen Steinschlag und vor allem größere Federwege.<br />

Z<br />

urück zur XT 500. Mit ihrer ersten Präsentation 1975 auf dem<br />

US-Markt in Las Vegas wurde der Begriff Enduro einer breiteren<br />

Öffentlichkeit bekannt. Und schon das Modell der XT, das 1976 nach<br />

Deutschland kam, trug<br />

den Schriftzug „Enduro" ganz<br />

selbstverständlich auf dem Seitendeckel. Dass Yamaha<br />

hier ganze Arbeit geleistet hatte, zeigte sich<br />

umgehend: Das Sieger-Motorrad der ersten und<br />

zweiten Rallye<br />

Paris-Dakar war eine XT 500.<br />

Damit<br />

war klar, dass die XT nicht nur<br />

eine richtig gute Figur machte, sondern<br />

auch richtig gut war. Sie hatte eben<br />

weit mehr drauf, als nur ein Show-<br />

Bike zu sein, mit dem man sich vor<br />

dem Straßencafé als vermeintlich<br />

tougher Kerl inszenieren konnte.<br />

XT 500 1978


W<br />

irklich tough muss man tatsächlich<br />

bis heute sein, wenn man mit der<br />

XT zurechtkommen will. „Ein wahrer Mann<br />

muss in seinem Leben ein Haus bauen, einen<br />

Baum pflanzen und eine XT starten können",<br />

schrieb die Fachzeitschrift „Motorrad"<br />

2002 in einer der vielen Würdigungen des<br />

geschichtsträchtigen Kult-Motorrads. Denn<br />

das Ankicken der XT hat beinahe schon<br />

rituellen Charakter. Elektrostarter waren<br />

Mitte der 70er Jahre – wenn überhaupt –<br />

nur an größeren Straßenmaschinen vorhanden.<br />

Der einzylindrige Motor der XT muss<br />

also ausschließlich per Muskelkraft gestartet<br />

werden. Und es gibt nicht wenige, die<br />

schon hier an der XT verzweifeln möchten<br />

oder sich gleich auch noch einen mächtigen<br />

Bluterguss in der Wade holen. Dann, wenn<br />

der Kickstarthebel buchstäblich unbarmherzig<br />

zurückschlägt. Was für eine ungeheure<br />

Prozedur es ist, eine XT zum Leben zu<br />

erwecken, das beschreibt wunderbar noch<br />

einmal „Motorrad": „,Langsam mit dem<br />

Kickstarter pumpen.' Der Verkäufer gibt<br />

sich 1983 selbstsicher, flößt mir Vertrauen<br />

ein. Was ich nicht weiß: Seine Erfahrung ist angelesen. Handbuch<br />

der XT 500. Kapitel Starten. ,Irgendwann merkst du einen leichten<br />

Widerstand', fährt er fort, und seine Augen folgen gebannt dem Auf<br />

und Ab meines Fußes. Fast so, als geschehe gleich ein Wunder. Der<br />

leichte Widerstand ist erreicht, mein<br />

rechter Fuß ruht auf dem stählernen<br />

Starter, der, so die Erzählungen,<br />

in der Lage ist, Muskeln zu zerreißen<br />

und Knochen zu zerbrechen<br />

wie Streichhölzer. Mein linker<br />

Zeigefinger zieht an einem Hebel.<br />

Dieser ist über einen Bowdenzug<br />

mit einem Mechanismus verbunden,<br />

der im Motor das Auslassventil<br />

leicht öffnet, die Kompression<br />

damit gegen g Null schrumpfen lässt.<br />

Jetzt t nur noch ein kleiner Kick,<br />

so zirka fünf Zentimeter nach<br />

unten, den Kolben dadurch<br />

über den oberen Totpunkt<br />

wuchten, schon kann man im<br />

Schauglas ein gelbes Zeichen<br />

erkennen. Vorausgesetzt, der<br />

Zündzeitpunkt stimmt und<br />

Benzin ist im Vergaser, wird<br />

der darauffolgende Kick mit<br />

einem sonoren dumpfen Klang<br />

aus dem Auspuff belohnt. Vorausgesetzt."<br />

H<br />

atte man dieses Prozedere aber erst<br />

einmal intus, dann wurde die XT ein<br />

verlässlicher Begleiter wie kaum ein anderes<br />

Motorrad zu jener Zeit. Eine Freundin, mit<br />

der man bis heute ebenso gut zur täglichen<br />

Arbeit oder zum Brötchenholen fahren kann,<br />

wie um den Erdball. Denn dank der XT (und<br />

dank einer immer offeneren Gesellschaft)<br />

entwickelt sich ab Mitte der 70er Jahre<br />

auch ein reger Motorrad-Tourismus. Tiefstes<br />

Afrika oder höchster Norden, Botswana oder<br />

Nordkap – keine Region dieses Planeten, aus<br />

der Leser und Motorrad-Reisende damals<br />

Fotos ihrer XT-Abenteuer an die einschlägigen<br />

Magazine schickten. Immer mehr<br />

Zubehör für die große Fahrt gab es auch, von<br />

den entsprechenden Packvorrichtungen bis<br />

zu Tanks mit größerem Fassungsvermögen.<br />

Die XT wurde Kult, beinahe möchte man<br />

sagen, schneller, als Yamaha sie produzieren<br />

konnte. Bis 1990 wurde sie gebaut<br />

und überdauerte damit sogar ihre längst<br />

auf dem Markt angekommenen moderneren<br />

Werbung Nachfolgerinnen, die XT 550 und XT 600.<br />

etwa 1977 Am Ende wurden es insgesamt 127.446<br />

Maschinen, davon alleine in Deutschland mehr als 25.000. Dank ihrer<br />

bewundernswerten Zuverlässigkeit und der kaum weniger entscheidenden<br />

Anspruchslosigkeit ist „der Dampfhammer", wie die XT ob ihrer hart,<br />

aber herzlichen Motor-Charakteristik auch liebevoll genannt wird, zum<br />

treuen Dauerbegleiter für viele Motorrad-Reisende geworden.<br />

Und trat so eine Welle los.<br />

D<br />

er gro ße Erfolg rief auch andere Hersteller auf den<br />

Plan. So versuchte Honda mit der ähnlich konstruierten<br />

XL 500 ab 1979 wirtschaftlich durchaus erfolgreich<br />

XT 500 Paris – Dakar 1981<br />

d i e s e n<br />

Erfolg zu<br />

wiederholen,<br />

ohne<br />

dass die<br />

H o n d a<br />

aber den<br />

Kultstatus der Yamaha erlangte. Als man auch bei BMW erkannte, dass<br />

mit großvolumigen, alltags- und reisetauglichen Geländemotorrädern<br />

offensichtlich gutes Geld zu verdienen ist, setzte man mit der R 80<br />

G/S ab 1980 als erster Hersteller überhaupt auf eine Enduro mit mehr<br />

als einem Zylinder. Ihre Nachfolgerin, die R 1200 GS, ist seit 2005<br />

Jahr für Jahr das meistverkaufte Motorrad überhaupt in Deutschland.<br />

Eine Enduro als absoluter Top-Seller – eine erstaunli-<br />

che Entwicklung. Aber eben auch eine, die es ohne die<br />

Pionierleistung der XT 500 so wohl nie gegeben hätte.<br />

Die XT war es, die buchstäblich den Weg geebnet hat für<br />

den Erfolg großvolumiger, geländegängiger Motorräder.<br />

Bis<br />

heute weiß jeder Motoradfan, was gemeint ist,<br />

wenn irgendwo schlicht von<br />

der<br />

„XT" die Rede ist. Bis<br />

heute gilt die Yamaha<br />

als<br />

Synonym nym für<br />

Freiheit und<br />

Abenteuer. euer Keinem anderen<br />

Motorrad orrad<br />

ist das in<br />

dieser Form gelungen.<br />

XT 500 1982<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 57


Der ewige Traum<br />

der kleinen Mädchen<br />

VEB Kombinat<br />

Spielwaren Sonneberg<br />

Foto: © Martin Naumann<br />

Man hatte es nicht leicht,<br />

wenn man wie ich in den<br />

60er und 70er Jahren in<br />

der Messe stadt Leipzig<br />

groß wurde und keine Westverwandtschaft<br />

besaß – jedenfalls keine, die bedeutsame<br />

eutsame<br />

Pakete schickte. Es gab für mich allerdings ein<br />

Trostpflaster: Meine Großeltern und Tanten<br />

lebten in der traditionsreichen Spielzeugstadt<br />

eugstadt<br />

Sonneberg, und somit saßen meine Schwester<br />

und ich an der Quelle all der schönen n<br />

Dinge,<br />

von denen kleine Mädchen träumen.<br />

In Thüringen hat die Spielzeugherstellung ellung<br />

eine lange Tradition, es gab unzählige<br />

Fabriken, Kleinfirmen und<br />

Spielzeugmacher; ich selbst<br />

stamme aus einer Familie, die<br />

in Sonneberg eine Puppenfabrik<br />

besaß. Ende der 50er Jahre mussten sten<br />

sich die Heimarbeiter und Hausierer r dann<br />

allerdings zur Produktionsgenossenschaft enschaft<br />

des Handels zusammenschließen, und 1972<br />

wurden schließlich die letzten privaten<br />

Spielzeughersteller zwangsweise verstaat-<br />

licht und zu einem Kombinat<br />

verbunden. In Sonneberg<br />

liefen von nun an<br />

alle Fäden der DDR-<br />

Spielwarenindustrie<br />

zusammen. Zum VEB<br />

Kombinat<br />

Spielwaren<br />

wir Kinder sie alle liebten<br />

– und das auch noch<br />

heute tun, wo wir schon längst erwachsen<br />

sind. Nichts kommt an die Puppen und<br />

Kinderhaushaltsgeräte aus Sonneberg heran!<br />

Die berufstätigen Hausfrauen suchten damals<br />

im Elektroladen oft vergebens nach einer vernünftigen<br />

Küchenmaschine und ergatterten<br />

mit viel Glück am Ende nur ein hässliches,<br />

vergilbtes Ungetüm aus Kunststoff, das sie<br />

im Grunde ihres Herzens gar nicht haben<br />

wollten. Da sah es<br />

in den Puppenküchen ihrer<br />

Töchter doch ganz anders<br />

aus! Dort stand modernste<br />

Qualitätstechnik in allen<br />

Farben. Die Puppengeräte<br />

der Piko verfügten über<br />

sämtliche Funktionen der<br />

Erwachsenenausgaben,<br />

funktionierten aber teilweise<br />

besser und sahen noch<br />

dazu viel schicker aus.<br />

Sonneberg<br />

gehörten<br />

Mitte der 80er Jahre<br />

über 30 verschiedene<br />

Betriebe, e<br />

unter ihnen der Stammbetrieb<br />

Sonni, außerdem die Piko, Biggi<br />

Waltershausen, Plasticart, Vero<br />

Olbernhau, Anker-Mechanik, Plüti,<br />

aber auch Famos Leipzig oder die<br />

Berliner TT-Bahnen. Sie stellten<br />

Plüschtiere, Puppen, Handpuppen,<br />

mechanisches Spielzeug, Spielzeug aus<br />

Plastik<br />

(genannt Plaste), Eisenbahnen,<br />

Spiele, Autos und<br />

Baukästen her. 86<br />

Mal errangen sie<br />

dafür Messegold<br />

und bekamen 36<br />

Auszeichnungen für<br />

gutes Design. Die<br />

höchste Ehrung für<br />

diese Spielwaren<br />

aber war, dass<br />

Seite 58 ■ GoodTimes 2/2014


Puppenstube aus dem<br />

VEB Vero Olbernhau<br />

In den Puppenhaushalten<br />

h der DDR ging es wie<br />

im richtigen Leben<br />

zu: Die Frauen<br />

führten nicht nur<br />

den Haushalt<br />

und erzogen die<br />

Kinder, sie waren<br />

auch berufstätig<br />

und arbeiteten oft<br />

in Männerberufen. en.<br />

Im Zuge<br />

dieser<br />

Gleich -<br />

berechtigung achteten die Verpackungsgestalter<br />

sorgsam darauf, dass auf den<br />

Chemie-, Elektro- oder<br />

Metallbaukästen auch immer<br />

Mädchen abgebildet wurden.<br />

Es wäre nur gerecht gewesen,<br />

wenn im Gegenzug die<br />

Kinderhaushalts geräte auch für<br />

die Jungen angepriesen worden<br />

wären. Aber auf diesen Kartons<br />

warb man mit dem Slogan:<br />

„Für die Puppenmuttis" und<br />

zeigte wiederum Mädchen bei<br />

der Puppenhausarbeit. In meiner<br />

Erinnerung war demzufolge<br />

sämtliches Spielzeug, egal welcher<br />

Art, ganz besonders und<br />

speziell für Mädchen geeignet. Ich weiß nicht,<br />

wie sich diese Tatsache für die<br />

Jungen angefühlt<br />

haben<br />

mag, meine<br />

Schwester und<br />

ich fanden das<br />

jedenfalls sehr<br />

in Ordnung.<br />

In unserem<br />

Kinderzimmer<br />

kurbelten<br />

wir also mit<br />

Inbrunst an<br />

der Puppen-<br />

Küchenmaschine<br />

Piko5006 in pastelligem<br />

Babyblau,<br />

ausgestattet mit<br />

Rührschüssel und<br />

Blenderaufsatz, und<br />

zauberten damit aus<br />

Milch und Sofix-<br />

Pulver köstlichen,<br />

klumpigen Pudding.<br />

Den servierten wir<br />

dann stilgerecht in<br />

blauweißem Geschirr aus<br />

Hartplastik. Besonders gern<br />

drehte ich meinen en Puppen<br />

auch<br />

knallrote<br />

Plastikwickler<br />

in die<br />

Haare<br />

und<br />

fönte<br />

sie<br />

mit<br />

dem batteriebee<br />

e n<br />

triebenen<br />

Puppen-Fön<br />

„Nina" in angesagtem<br />

Hippie-Orange.<br />

Unsere Puppenwäsche<br />

rumpelte in der blau-<br />

weißen<br />

Waschmaschine<br />

Picomatic<br />

aus<br />

Blech und Plastik, mit beweg-eglicher<br />

Trommel, die man<br />

über einen Aufstecktrichter<br />

mit Wasser und Waschpulver<br />

befüllen konnte. Zum<br />

Entleeren wurde ein kleiner<br />

Gummischlauch aus dem<br />

Gehäuse gezogen, durch<br />

den das Wasser ablaufen<br />

konnte, ganz wie bei den<br />

richtigen Waschmaschinen<br />

der damaligen Zeit. Zum Schluss<br />

plätteten wir die Wäsche<br />

mit<br />

einem em<br />

Puppenbügel-<br />

e eisen,<br />

das<br />

Stromzugang<br />

g<br />

hatte<br />

und<br />

tatsächlich<br />

h<br />

warm<br />

wurde.<br />

G e b a c k e n<br />

haben wir im<br />

Puppenherd<br />

„Lucullus",<br />

der<br />

ebenfalls<br />

mit<br />

Strom betrieben wurde<br />

und einzeln zuschaltbare<br />

Ober- und Unterhitze e<br />

hatte. Es gab sogar eine elektrische<br />

Kindernähmaschine namens „Michaela",<br />

ebenfalls voll funktionstüchtig, ausgestattet<br />

mit Nadelset, Schnittmusterbogen,<br />

Nähgarn und Fußpedal. Offensichtlich fensichtlich hantierten<br />

wir ostdeutschen Mädchen voller<br />

Begeisterung mit Strom, spitzen Nadeln und<br />

heißen Herdplatten.<br />

Eine meiner Freundinnen besaß den<br />

Puppenplattenspieler „Juniorfon", um den<br />

ich sie glühend beneidet habe. Darauf lie-<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 59<br />

ßen sich kleine bunte<br />

Schallplatten abspielen,<br />

mit Märchen,<br />

Kinder- oder<br />

Volksliedern, und<br />

auf einer kicherte<br />

die ganze Zeit ein<br />

Lachsack vor sich hin.<br />

Vorn am Gerät befand<br />

sich ein kleines Rad<br />

zum Verändern der<br />

Abspielgeschwindigkeit.<br />

Wir konnten den Lachsack ganz hoch<br />

und hysterisch lachen lassen oder aber mit tie-<br />

fer<br />

Gruselstimme.<br />

Dieses Rädchen<br />

war das Beste<br />

am ganzen<br />

Plattenspieler.<br />

Während wir in<br />

der<br />

Kinder- und<br />

Jugendmode mit<br />

ihren<br />

gedeckten<br />

Farben<br />

und langweiligen<br />

Schnittmustern vergeblich nach Jeans<br />

oder schicken Kleidern suchten, gab es für<br />

unsere Puppen ausgefallene Hippie-Kleidung<br />

in psychedelischen Farben. Diese Kleider,<br />

ebenfalls unter dem Dach<br />

des Kombinats<br />

gefertigt, waren in<br />

Wirklichkeit alles<br />

Einzelstücke,<br />

die<br />

bis zuletzt in<br />

Heimarbeit von<br />

Thüringer Näherinnen<br />

in ihren Wohnstuben<br />

auf<br />

ganz norma-<br />

len<br />

Haushaltsnähmaschinen,<br />

oft noch<br />

ohne Elektroantrieb,<br />

genäht wurden.<br />

Dadurch hatten sie eine ganz andere<br />

Qualität als die Kinderkleidung, deren Säume<br />

sich oft schon beim ersten<br />

Tragen auflösten. Ich besit-<br />

ze Puppenkleider, die heute<br />

noch genauso stabil sind wie<br />

vor 40 Jahren, als ich sie<br />

geschenkt bekam. Das Prinzip<br />

der Einheitsmode galt nicht<br />

für die Puppenindustrie:<br />

Es gab Puppen in allen<br />

Schattierungen, was Haar-<br />

farbe, Hautfarbe und<br />

Augenfarbe betraf,<br />

und es gab sie<br />

in<br />

allen Ausführungen<br />

von der winzigen<br />

Puppenstuben-größe bis hin zu den<br />

n fast kindergroßen<br />

Laufpuppen.


Die Sonni war der größte Hersteller<br />

von Puppen und Plüschtieren<br />

im gesamten Ostblock. Fast 70<br />

Prozent der Produktion gingen<br />

in den Export, aber es verblieb<br />

immer ein bestimmtes Kontingent<br />

jedes Produkts im Land, und auch<br />

die einheimischen Läden wurden<br />

mit Sonni-Puppen versorgt.<br />

Jedes kleine Mädchen wünschte<br />

sich eine. Wir bekamen sie auch<br />

alle, aber ich kriegte sie ein kleines<br />

bisschen eher! Meine Tante arbeitete<br />

t<br />

nämlich in der Buchhaltung der Sonni. ni.<br />

Allen Mitarbeitern des Kombinats, die<br />

Kinder in ihrer Verwandtschaft hatten,<br />

wurden Puppen zur Verfügung<br />

gestellt. Nicht irgendwelche Puppen<br />

und auch nicht aus Großzügigkeit. Es<br />

waren Prototypen, die getestet werden en<br />

mussten. Diese Qualitätstests wurden mit<br />

einfachen und kostensparenden Mitteln<br />

durchgeführt. Geprüft wurde alles,<br />

von der Verpackung bis zum Produkt<br />

selbst. Die Puppenkartons verlud man in<br />

Lastkraftwagen und schickte sie auf eine<br />

Reise über die wildesten schlaglochgespickten<br />

Landstraßen quer durch die Republik.<br />

Das Ziel der Reise war – die Sonni. Alle<br />

Kartons kehrten wieder zu ihr zurück, wurden<br />

ausgepackt und kontrolliert, um zu sehen,<br />

ob die Puppen<br />

darin auch alles<br />

heil überstanden<br />

hatten.<br />

Die Puppen<br />

selbst wurden<br />

von denen<br />

geprüft, die sie<br />

am Ende benutzen<br />

sollten:<br />

von Kindern.<br />

Und das Beste<br />

daran war,<br />

diese Kinder<br />

durften die<br />

Puppen nach<br />

dem Probelauf<br />

behalten. Ich kann mit Stolz sagen, meine<br />

Schwester und ich gehörten zu den auser-<br />

wählten Puppentesterinnen: Wir testeten eine<br />

der ersten modischen<br />

Ankleidepuppen aus<br />

DDR-Produktion<br />

und auch den<br />

Prototypen der<br />

sozialistischen<br />

der im Inneren ihres Kopfes vom<br />

Mund hinab in die Tiefe ihres<br />

Körpers führte, stabil befestigt. Das<br />

gab später einen dicken<br />

Pluspunkt auf dem<br />

Testbogen. Der Kopf<br />

ließ sich dadurch nur<br />

wenige<br />

Zentimeter eter<br />

vom Körper abhe-<br />

Neonreklame auf dem<br />

ben. Genug für<br />

Stamm betrieb Sonni in Sonneberg mich, um zu<br />

sehen, dass ihre<br />

Augen hinten ein<br />

Bleigewicht<br />

besaßen,<br />

was dafür sorgte,<br />

dass sich die Augen schlossen,<br />

wenn man sie hin-<br />

legte. Eine weitere span-<br />

nende Entdeckung. Bis in die 80er<br />

Jahre wurden die Puppenaugen in der<br />

Glasbläserei Lauscha aus mehrfarbigem<br />

Glas mundgeblasen. Danach bestanden<br />

die Augen aus Plastik, und die Iris<br />

wurde nur noch aufgedruckt.<br />

Die zweite Testpuppe war eine<br />

Ankleidepuppe, von uns kurzerhand<br />

Pullerpuppe! Wir Probanden<br />

wurden vor der Übergabe<br />

Busenpuppe genannt. Sie hatte eine normale<br />

Puppengröße von etwa 45 Zentimeter und<br />

und in einigen Zeitabständen<br />

Puppen aus<br />

danach eingehend befragt und<br />

der Sonni - mit<br />

sehr ernstgenommen. Ich kann<br />

in Heimarbeit<br />

mich erinnern, dass alles aufgeschrieben<br />

und protokolliert wurde<br />

genähten<br />

Kleidern.<br />

und<br />

wie wichtig ich mich dabei<br />

fühlte. Noch heute bin ich sicher,<br />

dass es allein meinetwegen in<br />

der Folgeproduktion männliche<br />

Pullerpuppen gab. Hatte ich doch<br />

auf<br />

die Frage meiner Tante, was<br />

mir bei einer Pullerpuppe besonders<br />

wichtig<br />

sei, eine klare Antwort parat<br />

gehabt.<br />

Man musste doch schließ-<br />

lich was davon haben! Ich bekam<br />

dann tatsächlich eine Jungspuppe<br />

mit allem Drum und Dran und gesteppter<br />

Kurzhaarfrisur. Ich konnte sie mit Wasser<br />

aus einer Nuckelflasche für Puppen füttern,<br />

aber das Wasser lief nicht etwa einfach unten<br />

wieder heraus. Erst wenn ich den rechten<br />

Oberschenkel aus Weichplastik zusammen-<br />

keine Wespentaille, sondern lediglich eine<br />

gut entwickelte Oberweite. Vielleicht war sie<br />

drückte, pullerte<br />

der Versuch einer Alternative zur<br />

sie in dickem<br />

Strahl.<br />

Barbie, die nicht den Normmaßen<br />

einer Genossin entsprochen haben<br />

Mit meinen<br />

dürfte. Sie trug ein schreiend<br />

Freundinnen habe<br />

ich Tage damit<br />

zugebracht, diesen<br />

buntes Flower-Power-Kleid aus<br />

Vliesett. Dieser Stoff aus Viskose-,<br />

Polyamid- und Polyesterfaser war<br />

den<br />

zu<br />

spannen-<br />

Kreislauf<br />

beobachten.<br />

damals sehr in Mode, und wir<br />

nannten die Sachen aus diesem<br />

Stoff Papierkleider, denn genauso<br />

Irgendwann hielt<br />

ich es nicht mehr<br />

fühlte es sich an.<br />

Sowohl Ankleidepuppe als auch<br />

aus und riss ihr<br />

Pullerpuppe bestanden aus<br />

den Kopf ab, um<br />

nachzusehen, wie<br />

Weichplastik, wodurch sich bei<br />

Letzterer der Kopf ohne Probleme<br />

diese Zauberei<br />

wieder aufstecken ließ. Meine<br />

funktionierte.<br />

allererste Babypuppe aus der<br />

Zum Glück<br />

Sonni hatte noch einen Kopf<br />

war der dünne<br />

Gummischlauch,<br />

aus Biskuitporzellan und aufgemalte<br />

Haare gehabt. Ihr Körper<br />

Seite 60 ■ GoodTimes 2/2014


aus Stoff war mit harter Holzwolle gefüllt,<br />

im Inneren rief eine Stimme „Mama". Meine<br />

Schwester und ich haben die arme Puppe<br />

stundenlang auf den Kopf und zurückgedreht,<br />

nur um den etwas kläglichen „Mama"-Schrei<br />

zu hören. Auf dem Puppenbauch konnte man<br />

im Inneren den Zylinder mit den Schalllöchern<br />

erfühlen, der das Geräusch hervorbrachte. Der<br />

Puppenkopf war fest mit dem Körper verschnürt<br />

und verknotet, so dass wir hier keine<br />

Chance hatten, den Entstehungsort dieser<br />

Stimme näher zu untersuchen.<br />

Später gab es auch Sprechpuppen. Sie hatten<br />

einen kleinen Plattenspieler im Körper, das so<br />

genannte Minifon, das aus Italien zugeliefert<br />

wurde. Vielleicht waren diese Puppen deshalb<br />

so rar. Die Schallplatten konnten über eine<br />

Klappe im Rücken gewechselt werden. Benutzt<br />

wurden die gleichen Platten wie für das<br />

Juniorfon, so dass die Puppe sprechen oder<br />

Die Autorin mit ihrer großen<br />

singen konnte. Ich kenne sie nur von meiner<br />

Schwester und einer Puppe aus dem<br />

Freundin, ich selbst habe keine besessen. Diese<br />

VEB Biggi Walthershausen<br />

Puppe sang immer mit Inbrunst: „Wenn Mutti<br />

früh zur Arbeit geht ..."<br />

Meine Cousine besaß eine Laufpuppe, die mir<br />

mit ihren mehr als 60 Zentimetern ungeheuer<br />

den Armen und Beinen Scheibengelenke hatte.<br />

Später bekam ich noch eine andere Katze, die<br />

mit Grisuten gefüllt war, dadurch fühlte sich der<br />

groß vorkam. Diese Laufpuppen wurden in<br />

der Sonni einem Dauertest unterzogen und<br />

Plüschtiere aus<br />

mussten dafür in einer Halle mindestens 72<br />

der Sonni<br />

Stunden auf einem Laufband vor sich hin<br />

stapfen, damit man herausfand, wie lange sie<br />

durchhielten. Die Mechanik für diese Puppen<br />

kam aus dem Eichsfeld.<br />

In der Sonni wurden auch die Handpuppen der<br />

beliebten Sandmännchen-Figuren hergestellt,<br />

die in jedem ostdeutschen Kinderzimmer zu<br />

finden waren. Meine Sandmännchen-Puppe<br />

stammte aus der Anfangszeit der Produktion<br />

und war noch aus Holz geschnitzt worden. Ihr<br />

Gesicht wirkte dadurch sehr ausdrucksstark,<br />

und der Kopf war stabil und schwer. Das<br />

bekam meine Schwester zu spüren, der ich<br />

im Streit das Sandmännchen einmal an die<br />

Stirn schlug. Sie bekam eine große Beule –<br />

und ich gewaltigen Ärger. Später wurden die<br />

Handpuppenköpfe aus Plastik hergestellt, und<br />

auch hier war ich der festen Überzeugung,<br />

Köper weicher und nachgiebiger an. Besonders<br />

beliebt waren damals die Kuscheltiere mit<br />

Plastikgesicht. Diese finden sich schon in<br />

einem Werbeprospekt der Sonni<br />

von 1972, also zwei Jahre vor<br />

dass dies allein meinetwegen und zum<br />

der Erfindung des<br />

Schutz älterer Schwestern geschah. h.<br />

Monchichis.<br />

Im VEB Koppelhund wurde noch<br />

Bei Biggi Waltershausen,<br />

eine andere Sorte von Spielzeug hergestellt,<br />

ebenfalls<br />

die jeder von uns besaß,<br />

die so genannten Blasenteddys s aus<br />

Plastik. Ali Baumgarten, ein großarsie<br />

tiger Puppen-Designer, hatte zum Kombinat Sonni<br />

gehörend, wurden kleine<br />

Plastikpüppchen hergestellt,<br />

die wirklich<br />

entwickelt. Es gab sie in verschie-<br />

jedes<br />

Mädchen<br />

denen Größen und Farben, von<br />

winzig als Schlüsselanhänger bis<br />

in meiner Schule<br />

besaß. Sie waren<br />

groß wie ein Kuscheltier. Sie waren aber<br />

ca. 20 Zentimeter<br />

kein bisschen kuschelig, sondern statt<br />

mit Fellhaaren mit harten Plastikblasen lasen<br />

übersät, denen sie ihren Volksnamen<br />

verdankten. Der einzige Gewinn meines<br />

lang und wurden in<br />

Klarsichtzylindern ver-<br />

kauft. Die Püppchen besaßen keine<br />

Füße, sondern nur Beinstummel, auf<br />

Lebens ist ein großer fleischfarbener<br />

Blasenteddy aus dem die die Weichplastikschuhe<br />

Blasenteddy geblieben, VEB Koppelhund aufgesteckt werden mussten.<br />

den ich auf einem Schulausflug in der zweiten<br />

Klasse an einer Losbude gewonnen habe.<br />

Die Sonni stellte aber auch weiche, kuschelige<br />

Plüschtiere her. Ich besaß eine schwarz-weiße<br />

Katze, die mit Holzwolle gestopft war und in<br />

Arme und Beine waren nicht beweglich. Der<br />

Puppenkörper wurde für Trachten-, Souvenirund<br />

ganz normale Puppen verwendet. Das<br />

Püppchen bekam einfach wechselnde Köpfe<br />

und Kleidung verpasst, und schon wurde aus<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 61<br />

Foto: © Martin Naumann<br />

der sorbischen Braut ein Messemännchen. Man<br />

erkannte die Herkunft der Puppen immer an den<br />

Stummelfüßen und der Schneewittchensarg-<br />

Röhre, in der sie steckten.<br />

Im Betriebsteil Waltershausen wurden jedoch<br />

auch Gesellschaftsspiele hergestellt. Neben<br />

den normalen Brettspielen gab es außerdem<br />

technisch raffinierte Spiele. Eines der<br />

beliebtesten war das Frage- und Antwortspiel<br />

„Gordon". In einem Kasten lagen vorgedruckte<br />

Quizblätter, links die Fragen, rechts<br />

die Antworten. Man musste den beiliegenden<br />

Magier in eine vorgesehene Öffnung im<br />

Zentrum des Fragenfeldes stecken und ihn auf<br />

eine beliebige Frage drehen. Im Antwortfeld<br />

rechts klebte in der Mitte ein Spiegel. Setzte<br />

man den Magier nun darauf, drehte er sich<br />

wie von Zauberhand und zeigte schließlich mit<br />

seinem Stab auf die richtige Antwort, wobei er<br />

höchst bedeutsam mit seinem Turban wippte.<br />

Dieses faszinierende Spiel war der Hit auf<br />

allen Geburtstagfeiern. Ein ähnlich magisches<br />

Spiel war „Das elektrische Rätselraten". Auf die<br />

Platte mit Knopfkontakten wurde ein gelochter<br />

Papierbogen mit Fragen und Antworten gelegt.<br />

Einen Pol-Stab hielt man auf die Frage, den<br />

anderen auf die Antwort. Lag man<br />

richtig, leuchtete die Lampe auf. Bei<br />

beiden Spielen gab es Themenbögen<br />

zu Technik, Kultur, Erdkunde,<br />

Allgemeinwissen und Mathematik.<br />

Außerdem existierte bereits 1971 der<br />

Elektronikbaukasten „pikotron", der<br />

wie ein früher Computer anmutet.<br />

Bei Famos in Leipzig wurden nicht<br />

nur Stempelspiele, sondern auch die<br />

Minipackungen für den Kaufladen<br />

hergestellt. Der Kaufladen selbst kam<br />

aus dem VEB Vero Olbernhau, wo<br />

auch Puppenhäuser, Puppenstuben<br />

und Puppenstubenmöbel produziert<br />

wurden. Auf die dazugehörigen<br />

Puppenstubenpuppen hatte man sich<br />

in Lichte, ebenfalls Thüringen, spezialisiert.<br />

Noch heute wird bei uns einmal im Jahr<br />

zur Weihnachtszeit eine<br />

solche Puppenfamilie aus<br />

den Mittsechzigern vom<br />

Dachboden geholt, damit<br />

wir sie in die Puppenstube<br />

setzen können ...<br />

Spielzeug aus dem VEB<br />

Kombinat<br />

Spielwaren<br />

Sonneberg gab es in allen<br />

DDR-Haushalten,<br />

aber<br />

auch in Kinderzimmern<br />

auf der ganzen Welt. Mit<br />

der Währungsunion brach<br />

dann allerdings der wichtigste<br />

Handelspartner<br />

weg, denn das sozialistische<br />

Ausland konnte nicht in Devisen<br />

bezahlen. Kaum ein Betrieb des ehemaligen<br />

Kombinats hat überlebt, einige wurden neu<br />

gegründet, die Piko hat sich inzwischen<br />

auf Modellbahnen spezialisiert. Puppen vom<br />

Stammbetrieb Sonni kann man nur noch bei<br />

ebay finden – oder auf alten Fotos, auf denen<br />

wir sie im Arm halten.<br />

Kati Naumann


Schalkes 72er-Elf<br />

Junge Wilde"<br />

"<br />

in Königsblau<br />

Das Team der Saison 1971/72 gilt als die beste<br />

Mannschaft der Schalker Bundesliga-Geschichte<br />

Seit mehr als 56 Jahren wartet man beim FC Schalke 04 nun schon Zwar ziehen am Fußballhimmel über Gelsenkirchen längst erste<br />

darauf, endlich wieder einmal eine deutsche Meisterschaft feiern Wolken auf, als die Spielzeit 1971/72 am 14. August eröffnet<br />

wird – sind doch längst Gerüchte im Umlauf, dass auch der<br />

zu können. Im Augenblick aber deutet rein gar nichts darauf hin,<br />

FC Schalke 04 in den Bundesliga-Bestechungsskandal der Vorsaison<br />

dass sich an der schon beängstigenden Dominanz des FC Bayern verwickelt sein könnte –, aber zunächst lassen sich die Königsblauen<br />

München auf absehbare Zeit etwas ändern könnte.<br />

davon nicht beirren. Das mit Spielern wie Keeper<br />

Norbert Nigbur, Libero Klaus Fichtel, Verteidiger<br />

Immerhin aber hat es für die Schalker in den vergangenen<br />

Jahrzehnten bisweilen wenigstens für<br />

und Reinhard „Stan" Libuda fußballerisch ohne-<br />

Rolf Rüssmann oder den Stürmern Klaus Fischer<br />

die Vize-Meisterschaft gereicht, etwa 1977, 2005,<br />

hin schon begnadete Team des neuen Trainers<br />

Ivica Horvat (der bereits in den letzten Spielen<br />

2007 und 2010. Und ein paarmal war man ganz<br />

der Saison 1970/71 übernommen hatte), ist<br />

nah dran am großen Coup: Am nächsten wohl<br />

von Präsident Günter Siebert noch einmal um<br />

2002, als sich die später zum Meister der Herzen"<br />

die Kremers-Zwillinge Erwin und Helmut bereichert<br />

worden, die vom Absteiger aus Offenbach<br />

"<br />

verklärte Elf in einem dramatischen Saisonfinale<br />

gekommen sind. Damit verfügt Schalke jetzt über<br />

mit dem FC Bayern für vier Minuten tatsächlich<br />

eine Elf, die sich, was das Fußballspiel betrifft –<br />

als Champion fühlen durfte. 40 Jahre zuvor aber,<br />

die Betonung liegt auf „Spiel" –, auch hinter<br />

den Größen aus Mönchengladbach und München<br />

im Sommer 1972, gab es schon einmal einen<br />

nicht verstecken muss. Oder wie Erwin Kremers<br />

Kampf auf des Messers Schneide zwischen den<br />

im <strong>kult</strong>!-Interview schmunzelnd bemerkt: „Es<br />

Roten" aus München und den " Königsblauen" aus<br />

hat noch niemandem geschadet, wenn er Fußball<br />

" Ivica Horvat<br />

Schalke. Und bis heute gilt die Elf der Saison 1971/72 als die wohl<br />

spielen kann!" Und tatsächlich geben diese „jungen Wilden",<br />

ergänzt um die Routiniers Libuda und Heinz van Haaren, schon<br />

beste Schalker Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten.<br />

beim 5:1-Auftaktsieg in Hannover das Versprechen auf eine große<br />

Seite 62 ■ GoodTimes 2/2014


Saison. Zwar liegt man zur Pause noch<br />

0:1 hinten, dann aber drehen Fischer<br />

(insgesamt vier Tore) und Jürgen<br />

Sobieray die Partie. Nach vier Spielen<br />

liegt man mit 8:0 Punkten und 14:3<br />

Toren bereits an der Tabellenspitze,<br />

gar mit 6:2 hat man an diesem vierten<br />

Spieltag den 1. FC Köln deklassiert.<br />

Ein paar Tage später setzt es beim 0:2<br />

in Frankfurt die erste Pleite. Die aber<br />

ist schnell vergessen, weil man sich<br />

ausgerechnet gegen den Erzrivalen<br />

aus Dortmund durch einen Treffer<br />

© Pressefoto<br />

von Herbert<br />

Lütkebohmert<br />

die Tabellenführung<br />

zurückerobert.<br />

So darf<br />

es weitergehen!<br />

Und es<br />

geht so weiter.<br />

Kremers-Zwillinge: Erwin (l.) und Helmut Kremers.<br />

Erst am 10. Spieltag, beim 0:0 in Braunschweig, werden die<br />

Knappen wieder einen Punkt abgeben. Die Tabellenspitze<br />

hält man dennoch vor dem FC Bayern München, der mit vier<br />

Verlustpunkten auf Rang zwei liegt. Eine Woche später schießt<br />

Fischer Rot-Weiß Oberhausen beim 4:0 mit drei Treffern beinahe<br />

im Alleingang aus der Glückauf-Kampfbahn. Schalke ist obenauf.<br />

Umso unverständlicher das Desaster, das nur wenige Tage später<br />

folgt: 0:7 aus Schalker Sicht heißt es<br />

am 23. Oktober nach 90 Minuten auf<br />

dem Mönchengladbacher Bökelberg.<br />

Und mit „nur" sieben Gegentreffern<br />

ist man noch gut bedient. Die<br />

Tabellenführung ist perdu, zudem<br />

ist nun auch noch die Gladbacher<br />

Borussia bis auf drei Punkte herangerückt<br />

an Schalke. Schon beim<br />

folgenden 3:0 gegen Kaiserslautern<br />

zeigt man sich dann aber gut erholt<br />

und wird in den kommenden Wochen<br />

nur noch beim 1:1 in Bielefeld einen<br />

Punkt abgeben. Als man schließlich<br />

am 17. Spieltag den FC Bayern in der<br />

Glückauf-Kampfbahn empfängt, hat<br />

man Beckenbauer und Co. an der Tabellenspitze längst wieder abgelöst.<br />

Van Haaren schießt Königsblau zu einem knappen Sieg. Der aber reicht<br />

Schalker Trainerbank mit Ivica Horvat (l.)<br />

und Reinhard Libuda (ganz rechts)<br />

allemal, so dass man mit drei Punkten Vorsprung auf den Vorjahres-<br />

Vizemeister aus<br />

FC Schalke 04 : FC Bayern München (11.12.1971): Begrüßung<br />

München und<br />

der Kapitäne: Franz Beckenbauer und Reinhard Stan" Libuda<br />

gar mit fünf f<br />

"<br />

auf den noch<br />

amtierenden<br />

Meister aus<br />

Mönchen gladbach<br />

in die<br />

Winterpause<br />

geht. Schalke<br />

ist zum ersten<br />

Mal in seiner<br />

Bundesliga-<br />

Geschichte<br />

Herbstmeister!<br />

NEU UND ORIGINAL<br />

TOP-SCHLAGERALBEN MIT BONUSTRACKS<br />

Ab 09. Mai<br />

erhältlich!<br />

MICHAEL SCHANZE<br />

Hell wie ein Diamant (1975)<br />

GITTE - Ich bin kein Kind<br />

von Traurigkeit (1975)<br />

ADAM & EVE - Wir beide (1975)<br />

MARIANNE ROSENBERG<br />

Ich brauche dich... (1981)<br />

KATJA EBSTEIN - Wilde Rosen<br />

und andere Träume (1974)<br />

FREDDY QUINN<br />

Du hast mein Wort (1980)<br />

JETZT AUCH AUF FACEBOOK:<br />

WWW.FACEBOOK.COM/SCHLAGERORIGINALE<br />

GoodTimes WWW.ORIGINALE.CD<br />

2/2014 ■ Seite 63


Happy End im Pokal<br />

Der Auftakt der Rückrunde ähnelt dem Saisonstart: mit fünf<br />

Treffern gegen Hannover 96. 5:0 heißt es diesmal gar! Und nicht<br />

wenige glauben jetzt daran, dass die Knappen tatsächlich auf Titelkurs<br />

steuern. Daran ändert auch die 0:2-Niederlage beim MSV Duisburg<br />

eine Woche später nichts. Im Gegenteil: Als die Horvat-Elf den BVB<br />

am 23. Spieltag in dessen Rote-Erde-Stadion vorführt und mit 3:0<br />

gewinnt, scheint plötzlich alles möglich. Der Dämpfer aber folgt auf<br />

dem Fuß: 0:2 verliert<br />

Schalke in Bremen,<br />

die Bayern sind wieder<br />

bis auf einen Punkt<br />

heran. Und noch einmal<br />

zwei Wochen später,<br />

nach einem 0:3<br />

in Berlin, muss man<br />

die Münchner erstmals<br />

seit dem 12. Spieltag<br />

wieder vorbeiziehen<br />

lassen. Bei nur einem<br />

Punkt Rückstand ist<br />

aber noch nichts verloren,<br />

hofft man. Und<br />

tatsächlich: Nach dem<br />

29. Spieltag hat sich<br />

die Situation noch einmal zugespitzt. Schalke spielt zwar nur 1:1<br />

gegen Gladbach, die Bayern aber verlieren 0:3 in Duisburg. Bei einem<br />

Punkteverhältnis von 45:13 liegen die Kontrahenten nun gleichauf<br />

– wobei die Bayern allerdings wegen einer um 13 Treffer besseren<br />

Tordifferenz Rang eins halten.<br />

In den kommenden Wochen gelingt es Beckenbauer, Müller und<br />

Co., sich wieder einen klitzekleinen Vorteil herauszuspielen, so<br />

dass die Elf von Udo Lattek mit einem Punkt Vorsprung in die letzte<br />

Partie geht. So bleiben dem FC Schalke 04 noch alle Meisterchancen,<br />

als man am 28. Juni 1972 im Olympiastadion bei den Bayern antritt.<br />

Allerdings muss ein Sieg her, so dass der Druck von Beginn an auf<br />

der jungen Horvat-Elf lastet. Ein Druck, dem sie nicht standhalten<br />

kann. 5:1 siegt der FC Bayern schließlich, der so zum zweiten<br />

Mal deutscher Meister wird; für den FC Schalke 04 bleibt nur<br />

der undankbare zweite<br />

Platz. Depression<br />

aber ist nicht das<br />

Ding dieser jungen<br />

Mannschaft. Darf es<br />

auch nicht sein. Denn<br />

schon drei Tage später<br />

wartet im Rahmen des<br />

Borussia Dortmund : Schalke 04 vom 4.3.1972: Elfer durch Klaus Scheer<br />

FC Schalke 04 DFB-Pokalsieger 1972 v.l.: Libuda, Nigbur,<br />

Rüssmann, Scheer, Fischer, Huhse, Lütkebohmert,<br />

Fichtel, van Haaren, E. Kremers, H.Kremers.<br />

DFB-Pokalfinales im<br />

Niedersachsenstadion<br />

von Hannover der<br />

1. FC Kaiserslautern.<br />

Und damit die Chance,<br />

eine ohnehin famose<br />

Saison doch noch mit<br />

einem Titel zu krönen.<br />

Schon das Halbfinale,<br />

damals noch in Hin- und Rückspiel ausgetragen, hat<br />

alles, was das Fußballherz begehrt. Während Schalke im<br />

Hinspiel in Köln beim 1:4 gegen Overath, Cullmann und Co.<br />

noch chancenlos ist, gerät das Rückspiel zu einem wahren<br />

Krimi, der Fußballgeschichte schreibt. Zur Halbzeit haben<br />

Rüssmann, Fischer und Scheer die Kölner Führung aus dem<br />

Hinspiel längst egalisiert. Dann aber drehen die Domstädter<br />

auf und kommen im Verlauf der zweiten Hälfte auf 2:3 heran.<br />

Es sieht schlecht aus für Königsblau, das nun noch zwei Treffer<br />

benötigen würde, um wenigstens eine Verlängerung zu erreichen.<br />

Als Klaus Beverungen in der 80. Minute auch noch einen<br />

Elfmeter verschießt, scheint das Finale unerreichbar. Doch<br />

der Fußballgott (und der Schiedsrichter) haben an diesem<br />

Tag ein Herz für Schalke. Noch zweimal zeigt<br />

der Referee auf den Punkt, und beide Male<br />

trifft Helmut Kremers. 5:2! Verlängerung! 30<br />

Minuten und mehr, in denen der Wahnsinn<br />

seinen Lauf nimmt. Denn nun bekommen<br />

die Kölner einen Strafstoß. Aber Werner<br />

Biskup scheitert an Norbert Nigbur. Und der<br />

macht sich im anschließenden Elfmeterschießen<br />

endgültig unsterblich auf<br />

Schalke. Zweimal pariert Nigbur, so dass es<br />

nach insgesamt 21 Elfmetern 11:7 steht.<br />

Schalke steht im Finale!<br />

Und dort lassen die Königsblauen nichts<br />

mehr anbrennen. Alle Last scheint zumindest<br />

für den Augenblick abgefallen: Beim<br />

5:0-Triumph sind die diesmal harmlosen<br />

„Roten Teufel" kaum mehr als ein besserer<br />

Sparringspartner. Noch einmal hat die<br />

72er-Elf gezeigt, welch großes Potenzial in<br />

ihr steckt. Wie wird Erwin Kremers mehr als<br />

vier Jahrzehnte später sagen? „Ich möchte<br />

die Erfolge der damaligen Top-Klubs Bayern<br />

München und Borussia<br />

Mönchengladbach nicht<br />

kleinreden. Aber ich glaube,<br />

dass wir ohne den Skandal<br />

ebenfalls unseren Weg<br />

gemacht hätten." Leider<br />

blieb es aber bei diesem<br />

Konjunktiv. Denn schon<br />

in der folgenden Saison<br />

1972/73 holt der Skandal<br />

Schalke ein, und der Zauber<br />

ist verflogen. Libuda und<br />

van Haaren werden sofort<br />

gesperrt, Rüssmann,<br />

Heinz van Haaren und Herbert Lütkebohmert<br />

Lütkebohmert, Fischer<br />

und Fichtel folgen schon<br />

bald. Aus der Vorsaison<br />

sind neben Nigbur so binnen<br />

kurzem nur noch die<br />

Kremers-Zwillinge mit dabei. Klein, Holz<br />

oder Braun heißen die Neuen. Gemeinsam<br />

kämpft man jetzt beinahe bis zum letzten<br />

Spieltag gegen den Abstieg. Am Ende<br />

reicht es gerade mal so für Platz 15. Aber<br />

Schalke wäre nicht Schalke, wenn die Fans<br />

den Kraftakt dieser Verlegenheitself nicht<br />

feiern würden. Und nur drei Jahre später<br />

wird erneut eine Schalker Elf um den Titel<br />

kämpfen und ganz knapp scheitern, diesmal<br />

an Borussia Mönchengladbach. Das<br />

aber ist eine andere Geschichte ...<br />

Andreas Kötter<br />

Empfang der DFB-Pokalsieger FC Schalke 04 am 2.7.1972 in<br />

Gelsenkirchen. Erwin Kremers mit Pokal.<br />

Fotos: © Horstmüller<br />

Seite 64 ■ GoodTimes 2/2014


Interview<br />

Erwin Kremers<br />

„Ohne den Bundesliga-Skandal wäre diese Elf<br />

ein-, zweimal Meister geworden!“<br />

Herr Kremers, war die Bundesliga-Saison 1971/72 mit der<br />

anschließenden Europameisterschaft und dem EM-Titel das<br />

Highlight Ihrer Karriere?<br />

Das kann man so sagen, auch wenn es durchaus noch einige weitere<br />

sehr schöne Momente gegeben hat. Etwa der Beginn meiner Karriere<br />

bei Borussia Mönchengladbach sowie auch die auf die 71/72er Spielzeit<br />

folgende Saison mit dem erkämpften Klassenerhalt von Schalke. Damals<br />

mussten wir wegen des Bundesliga-Skandals und der Sperre für viele<br />

Spieler mit einer völlig veränderten Truppe spielen, die nicht mehr viel<br />

mit der Pokalsieger-Elf gemeinsam hatte.<br />

War die 72er-Elf trotz der Euro-Fighter<br />

von 1997 und der Vier-Minuten-Meister<br />

von 2001 die beste Schalker Bundesliga-<br />

Elf aller Zeiten?<br />

Das möchte ich mir nicht anmaßen zu entscheiden.<br />

Ich glaube, dass alle drei Mannschaften Großes<br />

geleistet haben. Aber alle drei Teams haben es<br />

auch versäumt, endlich wieder einmal deutscher<br />

Meister zu werden. Das ist sehr schade. Wobei ich<br />

allerdings davon überzeugt bin, dass die 72er-Elf<br />

ohne den Bundesliga-Skandal ein-, zweimal Meister<br />

geworden wäre. Ich möchte die Erfolge der damaligen<br />

Top-Klubs Bayern München und Borussia<br />

Mönchengladbach nicht kleinreden. Aber ich glaube,<br />

dass wir ohne den Skandal ebenfalls unseren Weg gemacht hätten.<br />

Was machte diese Elf so stark?<br />

Ich sage sehr gerne, dass es noch keinem geschadet hat, wenn er Fußball<br />

spielen kann, Betonung auf spielen (lacht). Wir hatten damals mit Ivica<br />

Horvat nicht nur einen sehr guten Trainer, sondern auch hervorragende<br />

Fußballer in unseren Reihen. Zudem hat sich diese Mannschaft durch<br />

sehr freundschaftliche Beziehungen untereinander ausgezeichnet. So<br />

habe ich bis heute ein sehr enges Verhältnis zur Familie von Rolf<br />

Rüssmann, der leider 2009 verstorben ist – was mich immer noch sehr<br />

schmerzt. Übrigens sind sich auch die Kinder unserer Familien heute<br />

freundschaftlich verbunden.<br />

Rüssmann war in den 90er Jahren<br />

Manager von Borussia Mönchengladbach,<br />

die Sie 1969 verlassen haben. Haben<br />

Sie diesen Schritt später bereut,<br />

als die Borussia in den 70er Jahren<br />

fünfmal Meister wurde?<br />

Borussias Erfolg trug damals einen Namen,<br />

Singende Fußballer – in<br />

den 70er Jahren durchaus<br />

nicht ungewöhnlich!<br />

den von Trainer Hennes Weisweiler, der<br />

einen wunderbaren Fußball spielen ließ.<br />

Leider hatten mein Zwillingsbruder Helmut<br />

und ich mit dem damaligen Geschäftsführer<br />

der Borussia einige Schwierigkeiten, die schließlich zu unserem<br />

Weggang führten – was Weisweiler sehr bedauert<br />

hat. Er wollte uns später unbedingt aus Offenbach<br />

zurückholen, wir aber haben uns damals für<br />

Schalke entschieden. So ist das Leben! So oder<br />

so bin ich aber dankbar, eine solch tolle Zeit<br />

miterlebt zu haben. Und Wenn und Aber sollte<br />

es im Fußball ohnehin nicht geben.<br />

Apropos Helmut: Ist es ein Vergnügen<br />

oder eher eine Zumutung, mit dem Zwillingsbruder<br />

in einer Profi-Mannschaft<br />

zu stehen?<br />

Das ist eine tolle Sache. Und wenn<br />

man heute von blindem Verständnis<br />

Von Andreas Kötter<br />

spricht und von Laufwegen, die der eine vom anderen kennt,<br />

war das bei uns auch damals schon der Fall. Tatsache ist<br />

aber auch, dass oft nicht von Helmut oder Erwin gesprochen<br />

wurde, sondern immer nur von den Kremers. Man hat uns nun<br />

mal meist als Zwillinge, nicht aber als Einzelpersonen wahrgenommen.<br />

Das habe ich aber sehr gerne in Kauf genommen.<br />

Und Helmut auch!<br />

Ihre schönste Erinnerung an diese Zeit?<br />

Ich glaube, die schönste Erinnerung ist die an unsere<br />

Gemeinschaft, an den Zusammenhalt. Ich weiß nicht, ob es das<br />

heute im Profi-Fußball noch gibt. Das war wirklich eine ganz tolle Zeit.<br />

Heute heißt es oft, den Fußball von damals könne man nicht<br />

mit dem heutigen vergleichen, im Vergleich zu heute sei damals<br />

alles in Zeitlupe abgelaufen; teilen Sie diese Ansicht?<br />

Meine Freundin sagt, dass sogar die deutsche Frauen-Nationalmannschaft<br />

heute schnelleren Fußball spielt, als wir das damals getan haben. Diese<br />

provokative Behauptung zeigt aber schon, dass sie keine Fußballexpertin<br />

ist. Man muss doch sehen, dass Fußball heute taktisch ein völlig anderes<br />

Spiel ist. Umso mehr glaube ich aber, dass jedes Match damals für einen<br />

Stürmer katastrophal schwierig war. Man spielte noch mit Manndeckung,<br />

so dass ein Stürmer 90 Minuten lang einen Sheriff an seiner Seite hatte.<br />

Diese Sheriffs haben oft getreten wie die Kesselflicker. Und ich glaube,<br />

dass ich durchaus sagen darf, dass man mich damals buchstäblich<br />

kaputtgetreten hat – ohne dass die Schiedsrichter wirklich eingegriffen<br />

hätten. Da haben es die Stürmer heute besser. Aber ich sehe auch, dass<br />

der Fußball als Ganzes heute viel weiter ist als damals. Wenn ich nur<br />

betrachte, wie sich die Stadien und die Stimmung in diesen Arenen entwickelt<br />

haben, bin ich wirklich begeistert!<br />

Zum Abschluss bitte noch eine Einschätzung zur aktuellen<br />

Schalker Elf?<br />

Ich bin davon überzeugt, dass Schalke auch in dieser Saison grundsätzlich<br />

eine sehr gute Mannschafft stellt. Wenn demnächst nach<br />

Huntelaar auch weitere verletzte Spieler wie Draxler, Höwedes oder<br />

Papadopoulos zurückkehren werden, bin ich überzeugt,<br />

dass Schalke noch eine sehr<br />

gute Meisterschaft spielen wird.<br />

Allerdings glaube ich auch, dass<br />

der Titel auf Jahre an die Bayern<br />

vergeben ist. Ich bejammere das<br />

aber nicht. Im Gegenteil: Die<br />

Bayern haben sich diese Klasse<br />

über Jahrzehnte erarbeitet und<br />

damit auch verdient. Und ich<br />

scheue mich auch nicht zu sagen,<br />

dass ich ein großer Fan von<br />

Bayern München bin.<br />

© Horstmüller<br />

© Pressefoto<br />

Expertenfrage: Wer ist Erwin, wer ist Helmut?!<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 65


Wie ein Katastrophenfilm<br />

die Kinozuschauer<br />

in Angst und<br />

Schrecken versetzte<br />

1973 rollte im Film<br />

" Die<br />

Höllenfahrt der Poseidon" eine<br />

gewaltige Flutwelle über die<br />

Kinoleinwände und versenkte<br />

den gleichnamigen Luxusliner.<br />

Das Kreuzfahrtschiff erlitt auf<br />

spektakuläre Weise Schiffbruch,<br />

nicht aber das Produktionsstudio<br />

20th Century Fox, das mit<br />

dem Überraschungshit nur<br />

knapp an der damals noch<br />

magischen Einnahmegrenze<br />

von 100 Millionen Dollar vorbeischrammte.<br />

Die Welle, die<br />

der Poseidon zum Verhängnis<br />

wurde, löste in Hollywood eine<br />

ganze Flut von Genrebeiträgen<br />

aus und läutete die Blütezeit des<br />

Katastrophenfilms ein.<br />

Für das folgende Jahr plante Fox dann<br />

aus naheliegenden Gründen einen ähnlichen<br />

Blockbuster. Das Studio hatte<br />

sich deshalb bereits die Rechte an dem<br />

kurz zuvor erschienenen Roman „The Glass<br />

Inferno" gesichert. Im Buch ging ein 66<br />

Stockwerke hoher Wolkenkratzer in einer<br />

nicht näher benannten amerikanischen Stadt<br />

in Flammen auf – genau der Stoff, den<br />

das Studio suchte, denn die Story wies ein<br />

analoges Grundschema wie „Die Höllenfahrt<br />

der Poseidon" auf: Naturgewalten, diesmal<br />

Feuer statt Wasser, zerstören einen Superlativ<br />

menschlicher Ingenieurskunst, hier einen<br />

imposanten Wolkenkratzer.<br />

Allerdings schlief die Konkurrenz in<br />

Hollywood natürlich nicht und versuchte<br />

ebenfalls, im neuentstandenen<br />

"<br />

Katastrophenfilm-Genre ordentlich Kasse zu machen. Warner Brothers<br />

hatte sich schon während der Dreharbeiten zu „Die Höllenfahrt der<br />

Poseidon" die Rechte am Roman „The Tower" gesichert, der nahezu<br />

die gleiche Geschichte wie „Glass Inferno" erzählte. Um das Risiko zu<br />

vermeiden, sich mit zwei kostenintensiven, inhaltlich ähnlichen Projekten<br />

Chief O'Halloran: Steve McQueens<br />

heißeste" Rolle<br />

gegenseitig Konkurrenz zu machen, einigten sich Fox und<br />

Warner schließlich auf eine Zusammenarbeit. Dies war<br />

die erste Kooperation dieser Art zwischen zwei großen<br />

Hollywoodstudios.<br />

Irwin Allan, der als „Master Of Disaster" in die<br />

Filmgeschichte eingehen sollte, weil er für zahlreiche<br />

Katastrophenfilme verantwortlich zeichnete, produzierte<br />

das Projekt und beauftragte den Drehbuchautor<br />

Stirling Silliphant damit, die beiden Romanvorlagen<br />

zu einem vernünftigen Skript auszuarbeiten. Silliphant<br />

hatte bereits das Drehbuch für „Die Höllenfahrt der<br />

Poseidon" geschrieben und war daher gut mit den Regeln des von<br />

ihm mitgeprägten neuen Genres vertraut. Das fertige Skript folgte<br />

allerdings fast ausschließlich der Story aus „Glass Inferno". Silliphant<br />

verlegte die Handlung nach San Francisco, wo im Film der neue 138<br />

Stockwerke hohe Wolkenkratzer der Firma Duncan Enterprises gerade<br />

Seite 66 ■ GoodTimes 2/2014


feierlich eingeweiht wird. Noch am selben Tag kommt es dann aber<br />

sowohl im Kontrollraum als auch in einem Zimmer des 81. Stockwerks<br />

zu Kabelbränden, die auf schlechtes Isoliermaterial zurückzuführen<br />

sind. Der Brand im Kontrollraum wird schnell entdeckt. Als Architekt<br />

Doug Roberts davon erfährt, stellt er Jim Duncan, den Besitzer des<br />

Gebäudes, sogleich zur Rede. Es kristallisiert sich heraus, dass dessen<br />

Schwiegersohn mit den Arbeiten an den elektrischen Leitungen beauftragt<br />

war und am Material gespart hat, um Geld in die eigene Tasche<br />

zu wirtschaften. Erschüttert von dieser Nachricht fordert Roberts, dass<br />

die Einweihungsfeierlichkeiten, zu denen der Bürgermeister und die<br />

Stadtprominenz in den 135. Stock geladen worden sind, unverzüglich<br />

abgesagt werden. Aber Duncan wischt die Einwände beiseite.<br />

Zwischenzeitlich breitet sich der Brand im 81. Stockwerk weiter unbemerkt<br />

aus und führt zur Katastrophe. Doch selbst als das Unglück<br />

entdeckt wird und die Feuerwehr bereits in das Gebäude einrückt, zeigt<br />

sich Duncan noch unbeeindruckt. Er fürchtet um das Ansehen seiner<br />

Firma und weigert sich, den Aufforderungen von Einsatzleiter O'Hallorhan<br />

Folge zu leisten. So kommt es, wie es kommen muss. Die Feuerwehr wird<br />

der Flammen nicht mehr Herr, und schließlich sind die Gäste im 135.<br />

Stockwerk eingeschlossen. Eine Reihe dramatischer Rettungsversuche<br />

beginnt ...<br />

Was<br />

heute<br />

nach ab -<br />

gedroschenen<br />

Genreklischees<br />

klingen mag, war<br />

1974 die Blaupause<br />

für alle Filme dieser<br />

Art: Die wichtigen<br />

Köpfe aus<br />

Wirtschaft oder<br />

Politik ignorieren<br />

die heraufziehende<br />

Gefahr,<br />

Geplatzte Träume: Architekt Duncan und seine Freundin<br />

Susann nach der Katastrophe<br />

bis es zu spät ist.<br />

Die anschließenden Rettungsversuche kosten dramatisch viele Opfer.<br />

Dieses Grundkonzept war seinerzeit ein erfrischend neues Mittel zum<br />

Spannungsaufbau.<br />

Um den actionreichen Plot auch gut vermarkten zu können,<br />

casteten die beiden Studios ein gewaltiges Starensemble zusammen.<br />

Zwei sehr unterschiedliche Kassenmagneten, der smarte, elegante<br />

Frauenschwarm Paul Newman (als Architekt Doug Roberts) und<br />

„Mr. Cool" Steve McQueen (als Feuerwehrchef O'Hallorhan), sollten<br />

jeweils ihre Fangemeinden in die Kinos locken.<br />

Ursprünglich war zudem geplant, William<br />

Holden gleichberechtigt als dritten Superstar<br />

auflaufen zu lassen, doch da Warner und Fox<br />

glaubten, dass der Westernheld den Zenit<br />

seiner Karriere überschritten hatte, erhielten<br />

am Ende nur Newman und McQueen die Top-<br />

Gagen von einer Million Dollar und 7,5 Prozent<br />

der Einnahmen. Neben den beiden Superstars<br />

wurden noch weitere Hollywood-Größen verpflichtet:<br />

Faye Dunaway war die schöne Frau<br />

an Paul Newmans Seite. Robert Vaughn verkörperte<br />

einen Senator auf der Eröffnungsfeier<br />

von Jim Duncan, welcher wiederum schließlich<br />

von William Holden gespielt wurde. Der junge<br />

Richard Chamberlain erhielt die klassische<br />

Rolle des Fieslings Georg Simmons. Sein Part<br />

war etwas undankbar, denn bei ihm handelte<br />

es sich um den flachsten Charakter<br />

des ganzen Plots. Nicht nur, dass Simmons<br />

für die Kabelbrände verantwortlich war, er<br />

entpuppte sich anschließend auch noch als<br />

Feigling, der wegen seiner selbstsüchtigen Art<br />

die Rettungsarbeiten sabotierte.<br />

Mit bösen Vorahnungen: Paul Newman als<br />

Architekt Doug Roberts<br />

Aber über dieses<br />

Starensemble hinaus<br />

sollte der Film vor<br />

allem durch seine spektakulären<br />

Rettungsszenen<br />

überzeugen. In einer<br />

Szene war geplant, die<br />

Partygäste über die an<br />

den Außenwänden<br />

des Turms angebrachten<br />

Fahrstuhlgondeln<br />

zu retten: Als eine dieser<br />

Gondeln aus ihrer<br />

Verankerung zu reißen<br />

droht, wird sie mit Hilfe<br />

eines Hubschraubers<br />

geborgen. Die gefährliche<br />

Aufgabe, das Drahtseil in<br />

mehreren hundert Metern<br />

Höhe an der Kabine zu<br />

befestigen, war natürlich eine Paradeszene für Actionstar McQueen!<br />

Tatsächlich gerettet wurde der gläserne Turm schließlich durch die<br />

Sprengung der auf dem Dach befindlichen Wassertanks, wodurch mehrere<br />

Millionen Liter Wasser die Flammen ersticken.<br />

Elegeant, sexy, cool: Newman, Dunaway, McQueen<br />

Trotz der aufwändigen Actionszenen dauerten die Dreharbeiten nur<br />

vier Monate. Die stargespickte Besetzung und die teure Tricktechnik<br />

verschlangen 20 Millionen US-Dollar. Am 10. Dezember 1974 feierte<br />

der Film seine Premiere. in New York, wo erst<br />

ein Jahr zuvor die beiden Riesen des World Trade<br />

Centers fertiggestellt worden waren. Der Erfolg von<br />

„Flammendes Inferno" stellte den der „Poseidon"<br />

noch einmal deutlich in den Schatten. Weltweit spielte<br />

der Film 116 Millionen Dollar ein. Bei den Oscars<br />

des Jahres 1975 erhielt der Film die Goldjungen für<br />

die beste Kamera, den besten Schnitt und den besten<br />

Song. Einen Special-Effect-Oscar gab es zu dieser<br />

Zeit noch nicht.<br />

Die Story und vor allem auch die Spezialeffekte<br />

von „Flammendes Inferno" mögen heutzutage,<br />

nach Dutzenden von Blockbustern, die dem Schema<br />

dieses Films folgten und deren Macher später dann<br />

auf digitale Effekte zurückgreifen konnten, etwas<br />

angestaubt wirken. Trotzdem genießt er mittlerweile<br />

Klassikerstatus und gilt zu Recht als einer der<br />

Höhepunkte des Katastrophenfilm-Genres. Und die<br />

Eleganz eines Paul Newman und die Coolness eines<br />

Steve McQueen sind ohnehin zeitlos ...<br />

Alexander Querengässer<br />

GoodTimes 1/2014 14 Seite ■ 67


110<br />

POLIZEIRUF<br />

"<br />

Tatort"-Konkurrenz aus dem Osten<br />

70.000 Ost-Mark sind aus dem Tresor<br />

eines Postamtes gestohlen worden, die<br />

Schalterangestellte Lisa Murnau wurde<br />

bei dem Überfall lebensgefährlich verletzt<br />

– so präsentierte sich einst der erste Fall<br />

von Oberleutnant Fuchs, später gern auch<br />

mal „der Maigret des Ostens" genannt, und<br />

seiner charmanten Kollegin Leutnant Vera<br />

Arndt, der ersten Ermittlerin im deutschen<br />

Fernsehen. „Der Fall Lisa Murnau" bildete den<br />

Startschuss für eine neue<br />

DDR-Krimiserie, die seit<br />

Juni 1971 ausgestrahlt<br />

wird – wenn man so will,<br />

die ostdeutsche Antwort<br />

auf den ARD-„Tatort",<br />

der etwa ein halbes Jahr<br />

zuvor, im November 1970,<br />

seinen Siegeszug antrat.<br />

Schon in den 60er Jahren<br />

hatte das DDR-Fernsehen<br />

übrigens auf eine erfolgreiche<br />

Krimiserie aus<br />

dem Westen reagiert:<br />

„Blaulicht" hieß damals<br />

das ostdeutsche Pendant<br />

zu „Stahlnetz" und stellte<br />

ebenso authentische<br />

Kriminalfälle nach wie das<br />

Original.<br />

Der „Polizeiruf" hatte<br />

mit seinem Vorgänger<br />

allerdings nicht viel<br />

gemeinsam. Waren es in<br />

„Blaulicht" meist Fälle von westdeutschen<br />

Agenten, Schmugglern und Schiebern, die der<br />

noch jungen DDR Schaden zufügten, setzte<br />

die „Polizeiruf"-Serie auf Kriminalfälle in der<br />

eigenen Bevölkerung. Für die Filmemacher<br />

war dies oft ein aufwändiger Spagat, reale<br />

Konflikte in einer vorgeblich konfliktfreien<br />

Gesellschaft zu zeigen. Doch er gelang<br />

immer wieder, selbst tabuisierte Themen<br />

wie Alkoholmissbrauch, Vergewaltigung,<br />

Kindesmissbrauch und Mord fanden neben<br />

kleineren Delikten wie Einbruch, Betrug und<br />

Jugendkriminalität Einzug in die einzelnen<br />

Episoden. Zugleich waren die „Polizeiruf"-<br />

Peter Borgelt, der Chefermittler<br />

des Polizeirufs", in der ersten Folge<br />

"<br />

Der Fall Lisa Murnau" (1971).<br />

"<br />

Filme oftmals ein Abbild des wirklichen Lebens<br />

in der DDR. Sobald der moralische Zeigefinger<br />

weggelassen und der ostdeutsche Alltag<br />

sozialkritisch-genau wiedergegeben wurden,<br />

Foto: © DRA/Bernd Nickel<br />

erfreute sich die Serie größter Beliebtheit.<br />

Andere Folgen wiederum punkteten mit Ironie<br />

und Biss. Jedoch verzichtete man dabei meist<br />

auf reißerische Actionszenen.<br />

Souverän und sachlich, durchaus aber unterhaltsam<br />

ermittelte das Team um Oberleutnant<br />

– ab der 55. Folge Hauptmann – Fuchs,<br />

gespielt von Peter Borgelt. Zum Team des<br />

Chefermittlers zählten vor allem Leutnant Vera<br />

Arndt (Sigrid Göhler), Oberleutnant Jürgen<br />

Hübner (Jürgen Frohriep), Leutnant Thomas<br />

Grawe (Andreas<br />

Schmidt-Schaller)<br />

und Leutnant Subras<br />

(Alfred Rücker).<br />

Letzterer schaffte es<br />

in ganze 25 Folgen,<br />

er war der ewige<br />

Praktikant, der ständig<br />

gebeutelte und<br />

zugleich immer sympathische<br />

Nachwuchs-<br />

Polizist, der es schließlich<br />

zum Leutnant<br />

schaffte. In der Folge<br />

„Alibi für eine Nacht", ausgestrahlt im Sommer<br />

1977, war er allerdings das letzte Mal dabei:<br />

Der Schauspieler Alfred Rücker hatte im Zuge<br />

der Ausbürgerung von Wolf Biermann einen<br />

Ausreiseantrag gestellt. Ab 1979 lebte der spätere<br />

NDR2-Sprecher in Hamburg.<br />

Der Ausstieg der ersten Ermittlerin im Ostwie<br />

West-Fernsehen, Leutnant Vera Arndt,<br />

nach 46 Einsätzen war dagegen von langer<br />

Hand geplant. In der 1983er-Folge „Es ist<br />

nicht immer Sonnenschein" wird sie am<br />

Ende des Films von Hauptmann Fuchs, mit<br />

Abschiedsgeschenken überhäuft, nach Hause<br />

Seite 68 ■ GoodTimes 2/2014


gefahren: Sie soll einen Dozentenjob an der<br />

Polizeihochschule antreten und verschwindet<br />

deshalb aus der Serie. Nach dem Abgang ist<br />

es um die heute 71-jährige Schauspielerin<br />

Sigrid Göhler ruhig geworden, sporadisch<br />

sah man sie noch in Fernsehfilmen (darunter<br />

auch dem Jubiläums-„Polizeiruf" von 2001),<br />

ansonsten spielte sie in der ostdeutschen<br />

Provinz Theater. Inzwischen hat die Rentnerin<br />

ihre schauspielerische Laufbahn beendet.<br />

Jürgen Frohriep als Oberleutnant Hübner war<br />

neben Fuchs der aktivste Ermittler. Seinen<br />

ersten Einsatz erlebte er bereits in der siebten<br />

Folge der Serie, 1972. Und als man 1994 den<br />

„Polizeiruf" als gesamtdeutsche Fernsehserie<br />

wieder aufleben ließ, war Frohriep immer<br />

noch dabei. Allerdings sollte sein 64. Fall der<br />

letzte werden. Kurz nach den Dreharbeiten<br />

verstarb der Schauspieler mit 65 Jahren.<br />

Mit Leutnant Thomas Grawe, gespielt von<br />

Andreas Schmidt-Schaller, zog dann frischer<br />

Wind ein. Der Ermittler in Lederjacke war<br />

eine Art DDR-Schimanski. Nicht ganz so<br />

cool und ruppig wie das Duisburger Original,<br />

aber immerhin weniger steif als die dennoch<br />

sympathischen Fuchs und Hübner. Schmidt-<br />

Schaller ist dem Fernsehkrimi übrigens bis<br />

heute treugeblieben, seit 2001 gehört er<br />

zum „Soko Leipzig"-Team. Weitere Ermittler<br />

waren u.a. die Schauspieler Jürgen Zartmann,<br />

Foto: © DRA/Thomas Jacob, Horst Klewe<br />

Während der Dreharbeiten zur 103. Folge<br />

Ein großes Talent" im Jahr 1985.<br />

"<br />

Lutz Riemann und nicht zuletzt Günter<br />

Naumann, einer der charismatischsten<br />

Persönlichkeiten in der Krimireihe.<br />

Das „Polizeiruf 110"-Gesicht schlechthin<br />

bleibt aber Peter Borgelt. Mit 84 Folgen<br />

als Peter Fuchs prägte er die Serie wie<br />

kein anderer. Der Schauspieler war so<br />

sehr mit seiner Rolle verwachsen, dass<br />

ihn Zuschauer, die ihm zufällig im Alltag<br />

begegneten, nicht mit seinem Namen,<br />

sondern mit „Hauptmann Fuchs" ansprachen.<br />

1991 spielte Borgelt seinen letzten<br />

„Polizeiruf", drei Jahre später erlag er<br />

einem Krebsleiden. Fuchs bzw. Borgelt als<br />

Chefermittler ist sozusagen die folgenübergreifende<br />

Klammer, nicht zwangsläufig<br />

musste jeder Kollege seines Teams in jeder<br />

Folge auftauchen. Ein logistischer Schachzug,<br />

denn die meisten Schauspieler hatten neben<br />

ihren TV-Engagements Theaterverpflichtungen<br />

und standen somit nicht für jeden Dreh zur<br />

Verfügung. Ebenso variierten die Schauplätze:<br />

Mal ermittelten Fuchs und seine Genossen von<br />

der Kriminalpolizei an der Ostsee, dann wieder<br />

im Erzgebirge, mal in Berlin, Karl-Marx-Stadt<br />

Foto: © DRA/Wolfram Zeuch<br />

"<br />

Der Kreuzworträtselfall" (1988) erzählt die<br />

auf Tatsachen beruhende Geschichte eines<br />

Kindermordes. Dem Täter kam man durch Prüfung<br />

von über 550.000 Schriftproben auf die Spur.<br />

oder Leipzig, ein anderes Mal in Rostock,<br />

Wismar, Erfurt oder in Halle an der Saale. In<br />

manchen Folgen wurde gar nicht erwähnt,<br />

in welcher Gegend der<br />

Fall angesiedelt war, die<br />

Drehorte wurden aber dennoch<br />

schnell erkannt.<br />

Sämtliche DDR-Stars spielten im "<br />

Polizeiruf",<br />

hier Günter Schubert (links).<br />

Bis zum Ende der DDR entstanden so über 150<br />

Folgen, wovon sechs zwar als „Polizeiruf"-<br />

Teile gedreht, aber schließlich als separate<br />

Fernsehfilme gesendet wurden. Die Episode<br />

„Rosis Mann" aus dem Jahr 1984 jedoch<br />

wurde nie gezeigt, da mehrere Hauptdarsteller<br />

noch vor der geplanten Erstausstrahlung<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 69<br />

in den Westen flüchteten. Die Folge „Im<br />

Alter von ..." aus dem Jahr 1974, die den<br />

authentischen Fall des später hingerichteten<br />

Kindermörders<br />

Erwin Hagedorn aus<br />

Eberswalde thematisierte,<br />

erlebte wiederum<br />

eine späte<br />

und ungewöhnliche<br />

Premiere: Die verbotene<br />

Folge galt lange<br />

als verschollen, bis man<br />

vor wenigen Jahren ein<br />

Kamera-Negativ fand.<br />

Der Film wurde rekonstruiert<br />

sowie synchronisiert<br />

(es existierte<br />

keine Tonspur mehr)<br />

und 2011 erstmals in<br />

der ARD gezeigt.<br />

Unter den zahlreichen<br />

Folgen sind zwar<br />

auch einige wenige<br />

Langweiler (wie beim<br />

„Tatort" auch), aber es<br />

gibt ebenso ganz herausragende<br />

wie etwa<br />

„Der Kreuzworträtselfall", „Der Mann im<br />

Baum" oder „Das Duell". In den dritten<br />

Programmen laufen regelmäßig die alten<br />

Episoden, außerdem gibt es mittlerweile 18<br />

DVD-Boxen mit jeweils acht Folgen. Und<br />

es folgen immer wieder neue „Polizeiruf"-<br />

Filme nach, ausgestrahlt zur besten<br />

Foto: © DRA/Christine Nerlich<br />

Sendezeit am Sonntag in<br />

der ARD. Einige Folgen<br />

sind preisgekrönt, neben<br />

vielen weiteren Preisen<br />

gab es jeweils viermal<br />

den Grimme- und den<br />

Deutschen Fernsehpreis.<br />

Ermittelt wird heute in<br />

Brandenburg, Rostock,<br />

Magdeburg, aber<br />

auch in München mit<br />

Schauspielern wie Anneke<br />

Kim Sarnau, Charly Hübner,<br />

Matthias Brandt, Claudia<br />

Michelsen und Horst Krause.<br />

Im Zuge der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands kam es zwischen<br />

„Polizeiruf" und „Tatort" übrigens<br />

zu einem gemeinsamen Krimi: In<br />

„Unter Brüdern" aus dem Jahr<br />

1991 gehen Fuchs und Grawe<br />

mit Schimanski (Götz George)<br />

und Thanner (Eberhard Feick)<br />

gemeinsam ans Werk. Ein Film<br />

mit vielen Klischees und reichlich<br />

Alkohol, aber dennoch herrlich<br />

komisch. Thanner taucht im selben<br />

Jahr dann ein weiteres Mal<br />

im „Polizeiruf" auf. In „Thanners<br />

neuer Job" ist der Beamte aus NRW der neue<br />

Vorgesetzte der ostdeutschen Kollegen. In<br />

der Schlussszene nimmt Fuchs, mittlerweile<br />

Kriminalhauptkommissar, wortlos seine Jacke<br />

und geht. Sein Abschied aus der „Polizeiruf"-<br />

Serie ...<br />

Christian Hentschel


Brehms Tierleben<br />

Alfred Brehm und seine<br />

sprachgewaltigen Tierporträts<br />

Vor dem Siegeszug der Kamera<br />

waren auch Tierfans auf Berichte von<br />

Augenzeugen angewiesen. In jenen<br />

längst vergangenen Zeiten entstand<br />

ein mehrbändiges Nachschlagewerk,<br />

das zu einem der größten Erfolge der<br />

Buchhandelsgeschichte wurde. Dass es<br />

nicht nur in den Regalen von Experten,<br />

sondern ebenso auch von Laien stand<br />

und steht (!), ist das Verdienst eines<br />

Forschers, der auszog, um der Welt seinen<br />

Blick auf die Tierwelt zu eröffnen.<br />

Von Thorsten Pöttger<br />

Alfred Edmund Brehm kam am 2. Februar sollte entsprechend nicht nur zu ihrer<br />

1829 als erstes Kind des Pastors Vergrößerung, sondern auch zur Vermehrung<br />

Christian<br />

ihres Werts beitragen. Mit Hilfe<br />

Ludwig Brehm<br />

eines wenige Jahre älteren Mäzens<br />

und seiner<br />

–<br />

der ihn allerdings während der<br />

zweiten, 23<br />

Expedition im Stich ließ – brach<br />

Jahre jüngeren<br />

Ehefrau Bertha<br />

zur Welt. Sein<br />

der 18-jährige Alfred also im Juni<br />

1847 für insgesamt über fünf Jahre<br />

in Richtung Nil zu seiner ersten<br />

Talent wurde<br />

Auslandsreise auf. Und das zu einer<br />

ihm praktisch in<br />

die Wiege gelegt:<br />

Zeit, als es die Ausnahme (und<br />

nicht die Regel) war, dass Reisende<br />

Während seine<br />

von dort überhaupt zurückkehr-<br />

hochbegabte<br />

Mutter ihn mit<br />

ten, und Briefe zwischen<br />

Deutschland und Afrika<br />

den Klassikern Neun verschiedene Ausgaben von Brehms mehrere Monate unter-<br />

der Literatur vertraut<br />

Tierleben aus den Jahren 1876 bis 1963.<br />

wegs waren. Die größten<br />

machte, war sein vogelkundiger Vater,<br />

der auch erfolgreich über sein Steckenpferd<br />

publizierte, zu seinen Lebzeiten sogar noch<br />

bekannter als sein heute weit renommierterer<br />

Sohn. Nicht von ungefähr war Alfreds persönliches<br />

Lieblingswerk denn auch nicht etwa<br />

das „Tierleben", sondern – dem Andenken<br />

Gefahren stellten damals wie heute jedoch<br />

nicht etwa wilde Tiere, sondern Klima und<br />

Krankheiten dar. Auch Brehm überlebte eine<br />

Malaria-Infektion nur mit viel Glück. Bis zu<br />

seinem Tod mit 55 Jahren litt er immer wieder<br />

an Fieberschüben und verstarb letztlich auch<br />

an den Spätfolgen der Erkrankung.<br />

seines Vaters, des Vogelpastors, gewidmet und<br />

stark von diesem beeinflusst – „Das Leben der<br />

Vögel" (1861).<br />

Zum Glück für die Nachwelt hatte er indes<br />

viele Niederschriften dabei, als er mit 23<br />

Jahren – gerade rechtzeitig zur Teilnahme<br />

Ursprünglich sollte Alfred Brehm nach einem<br />

berufsbezogenen Unterricht an einer Kunst-<br />

und Handelsschule eigentlich ein Architektur-<br />

stu dium in Dresden<br />

aufnehmen,<br />

doch sein<br />

Forscher-<br />

an einer Ornithologen-Versammlung – in<br />

seine Jugendstadt Altenburg te, sowie einen n kleinen Zoo, verstaut in<br />

zurückkehr-<br />

16 großen Kisten. Dass der junge Brehm<br />

nach seinen Afrika-Erlebnissen nicht länger<br />

Architekt werden würde, war lich. Sein Vater beantragte deshalb<br />

mit Erfolg die Immatrikulation<br />

offensicht-<br />

herz siegte seines Sohnes zum Studium<br />

und verlangte<br />

der Naturwissenschaften<br />

nach Neuem – so wie die<br />

damals 7000 europäische Arten<br />

umfassende Vogelsammlung im<br />

Pfarrhaus rhaus des Vaters in Renthendorf<br />

im Südosten Thüringens. Nordostafrika<br />

in Jena. Alfred begann,<br />

neben bei für<br />

Fach zeitschriften<br />

zu<br />

schreiben,<br />

und veröffentlichte 1854/55 in drei Bänden<br />

seine „Reiseskizzen aus Nordostafrika",<br />

die ihm bei seinen Kommilitonen den<br />

Spitznamen „Pharao" und einen Doktortitel<br />

einbrachten. Auf diese Weise baute er sich<br />

eine eigene Forscherexistenz auf.<br />

Dann kündigte sich ein neuer<br />

Lebensabschnitt an: Der<br />

Sohn<br />

des Vogelpastors<br />

wandelte sich nach einem<br />

Umzug<br />

nach Leipzig vom<br />

Gymnasiallehrer für Geografie<br />

bzw. Natur geschichte und Fach-<br />

zeit schriftenredakteur<br />

zum<br />

Populär schriftsteller. Seine Tier-<br />

beschreibungen wurden sehr<br />

beliebt, da sie frischer und leben-<br />

diger als die älterer Autoren<br />

wirkten. In der vielgelesenen<br />

Zeitschrift „Gartenlaube" mit<br />

einer für damalige Verhältnisse<br />

sensationellen Auflage von<br />

275.000 Exemplaren fan-<br />

den seine Erzählungen<br />

neben<br />

Gedichten,<br />

Biografien und anderen<br />

Aufsätzen eine geeig-<br />

nete Plattform für das<br />

deutsche Bürgertum<br />

des 19. Jahrhunderts.<br />

Nach einer neuerlichen<br />

Exkursion<br />

nach<br />

Afrika erhielt<br />

Brehm ein<br />

Angebot von<br />

Hermann Julius<br />

Meyer, Sohn des<br />

Illustrationen: © Klaus Ensikat<br />

Seite 70 ■ GoodTimes 2/2014


Gründers des Bibliografischen Instituts,<br />

zur Veröffentlichung eines mehrbändigen<br />

volkstümlichen Nachschlagewerks über die<br />

Tierwelt. Das war die Geburtsstunde des<br />

ersten Bandes von „Illustriertes Tierleben,<br />

eine allgemeine Kunde des Tierreiches",<br />

wie „Brehms Tierleben" ursprünglich hieß.<br />

Zwischen 1863 und 1869 erschienen insgesamt<br />

sechs Bände, die sich von bisherigen<br />

Tierbüchern stark unterschieden. Für die<br />

Illustrationen, in denen die Lebewesen nicht<br />

etwa ausgestopft und regungslos, sondern als<br />

„fühlende" Geschöpfe im Bewegungsablauf<br />

gezeigt wurden, konnte Brehm einen<br />

Reisegefährten namens Robert Kretschmer<br />

sowie den Leipziger Tiermaler Emil Schmidt<br />

gewinnen. Die Bilder harmonierten prächtig<br />

mit Alfreds Beschreibungen, weil er erstmalig<br />

wissenschaftliche Klassifizierungen mit<br />

Beobachtungen am „lebenden Tier" verband.<br />

Auf diese Weise wurden plastische<br />

Tierporträts geschaffen.<br />

denen die wirbellosen Tiere abgehandelt wurden,<br />

verfasste er die insgesamt zehn Bände<br />

höchstpersönlich.<br />

Die größten Schwierigkeiten beim Schreiben<br />

bestanden für Brehm darin, den Umfang nicht<br />

zu überschreiten, weshalb eine sorgfältige<br />

Auswahl getroffen werden musste. Zudem<br />

waren die verschiedenen Tierklassen bis dato<br />

sehr ungleichmäßig erforscht worden. Und<br />

trotz seines beträchtlichen Wissens war er<br />

auf Literatur anderer angewiesen, über deren<br />

Zuverlässigkeit sein Urteil entscheiden musste.<br />

Der weltweite Erfolg seines Werks, der sich<br />

bereits abzeichnete, während er noch über<br />

Das Pfarrhaus in Renthendorf mit Brehm-<br />

Gedächtnisstätte (Foto aus den 1980er Jahren)<br />

den Entwürfen zu den Bänden drei und vier<br />

brütete, gab ihm letztlich aber Recht.<br />

1863 erreichte Brehm dann ein weiteres<br />

Angebot, das ihm einen Wunschtraum erfüllte:<br />

Er wurde zum Leiter des damals in<br />

Neugestaltung befindlichen Zoologischen<br />

Gartens in Hamburg berufen (nicht zu verwechseln<br />

mit dem später gegründeten und<br />

noch heute bestehenden Tierpark Hagenbeck).<br />

Trotz florierender Besucherzahlen überwarf<br />

er sich drei Jahre später allerdings mit dem<br />

Verwaltungsrat, der ihm unter anderem wegen<br />

seiner allzu „menschlichen" Tierschilderungen<br />

Blasphemie und Populismus vorwarf, und<br />

wurde am Ende entlassen. Eine weitere<br />

Aufgabe ließ jedoch nicht lange auf sich warten:<br />

1869 eröffnete das Berliner Aquarium,<br />

das letztlich aber eher einen überdachten<br />

Tiergarten darstellte, wie ihn Direktor Brehm<br />

angeregt hatte. Wassertiere allein hätten<br />

weder ihn zufriedengestellt noch zum Weltruf<br />

des Aquariums beim Publikum geführt.<br />

Bauentwürfe zeigen, dass er sich danach<br />

ursprünglich in Wien ein weiteres Mal als<br />

„Tiergärtner" betätigen wollte. Doch die Pläne<br />

zerschlugen sich. Stattdessen kam es vor<br />

seinem Tod am 11. November 1884 zur<br />

Vollendung seines Lebenswerks: 1879 machte<br />

sich Brehm nach der Rückkehr von einer<br />

Spanien-Reise an den Abschluss der „zweiten,<br />

umgearbeiteten und vermehrten Auflage" des<br />

„Tierlebens". Mit Ausnahme zweier Bände, in<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 71<br />

Und was bleibt als Doktor Brehms Vermächtnis?<br />

Dass er Reptilien anhand von Bibelzitaten<br />

belegte, hielt dem Test der Zeit ebenso wenig<br />

stand wie seine mit Vorliebe vorgenommene<br />

Einteilung der Tierwelt in gut und böse oder in<br />

schön und hässlich. Seine Stärke, anhand einer<br />

präzisen Beobachtungsgabe persönlich gefärbte<br />

sprachgewaltige Charakterisierungen seiner<br />

Forschungsobjekte vorzunehmen, kann zugleich<br />

als Schwäche ausgelegt werden. Die Aktualität<br />

des „Tierlebens" wird allerdings dadurch<br />

bewahrt, dass seit seiner Erstveröffentlichung<br />

allein in Deutschland über 200 weitere<br />

Ausgaben erschienen sind. Forscher haben es<br />

laufend korrigiert und aktualisiert. Manche Tiere<br />

haben einen präziseren Namen erhalten (zum<br />

Beispiel „Pinguin" statt „Fettgans"), manche<br />

sind schlichtweg ausgestorben. Inzwischen liegt<br />

„Brehms Tierleben" digitalisiert, als Hörbuch, für<br />

Kinder bearbeitet und in weiteren Versionen vor.<br />

Wer sich für Tiere interessiert und die Natur für<br />

schützenswert hält, kommt an ihm weiterhin<br />

kaum vorbei.


Das ikonografische<br />

Gesicht der Sixties<br />

Erscheint ein Buch über die 60er Jahre, liegen die Auswahlmöglichkeiten für die auf<br />

dem Cover abgebildeten VIPs auf der Hand: Entweder sind die lächelnden Beatles<br />

zu sehen, die mürrisch dreinblickenden Rolling Stones – oder Twiggy. Sie verkörpert<br />

eine Epoche, und ihr Image wird unweigerlich mit den sozialen, <strong>kult</strong>urellen<br />

und modischen Umbrüchen des Jahrzehnts verknüpft. Die kleine Lesley Hornby aus<br />

einem winzigen Häuschen im unbedeutenden Londoner Vorort Neasden hat es weit<br />

gebracht ...<br />

Yeah Baby, groovy. Komm schon. Du<br />

bist wunderbar! Leg den Kopf zur<br />

„ Seite. Ja, super-duper. Genau richtig."<br />

Was wie ein Ausschnitt<br />

aus einem Austin-Powers-Film<br />

klingt, war in den Sechzigern der<br />

ganz normale Tonfall, mit dem<br />

Starfotografen ihre Supermodels<br />

zu Höchstleistungen anstachelten.<br />

Doch Moment mal! Supermodels?<br />

Die gab es eigentlich erst nach<br />

Twiggy, denn der Begriff wurde<br />

dank und mit ihr geboren. Natürlich hatten<br />

sich einige Models schon vorher einen guten<br />

Ruf in der Mode-Industrie erarbeitet und wurden<br />

häufig abgelichtet – wie zum Beispiel die<br />

wunderschöne Jean Shrimpton, die Cover von<br />

„Vogue" oder „Vanity Fair" zierte. Sie stand<br />

für den Typ Frau, der nicht mehr mit dem<br />

Jean<br />

Shrimpton<br />

Fünfziger-Ideal übereinstimmte,<br />

wo Wasserstoffblondinen,<br />

Atombusen und ausladende<br />

Becken die Blicke der Öffentlichkeit<br />

magisch auf sich zogen. Tja,<br />

die Tage von Jayne Mansfield,<br />

Rita Hayworth oder Jane Russell<br />

gehörten der Vergangenheit an.<br />

Shrimpton hatte ein eher zierliches<br />

Erscheinungsbild, lange Beine, sie war schlank<br />

und symbolisierte den weiblichen Teenager, der<br />

sich durch den von der britischen Designerin<br />

Mary Quant popularisierten Minirock („Kürzer –<br />

es geht<br />

kürzer<br />

– noch<br />

kürzer!"),<br />

Overknees<br />

und Strumpfhosen<br />

modisch ausdrückte.<br />

Twiggy, deren Name dann zum Inbegriff der<br />

Stilikone wurde, erblickte am 19. September<br />

1949 als dritte Tochter des Tischlermeisters<br />

William Norman Hornby und seiner Frau Nellie<br />

Lydia unter dem bürgerlichen Namen Lesley<br />

Hornby das Licht der Welt. Als ihre Mutter sich<br />

des ungeplanten Familienzuwachses bewusst<br />

wurde – sie war 41, ein für die damalige Zeit<br />

Seite 72 ■ GoodTimes 2/2014


isikoreiches Alter für eine Schwangerschaft<br />

–, redete sie über eine Woche lang nicht<br />

mehr mit ihrem Mann. Der meinte daraufhin<br />

schmunzelnd: „Muttchen, dazu<br />

gehören immer zwei." Die Familie lebte<br />

in Neasden, einem damaligen Londoner<br />

Vorort. Das elterliche Haus am St. Raphael’s<br />

Way Nummer 93 wirkte wie ein überdimensioniertes<br />

Puppenhaus, was in der Zeit<br />

allerdings für viele Gebäude charakteristisch<br />

war. Die kleine Lesley wurde von<br />

der ganzen Familie verwöhnt und mit<br />

viel Zuneigung bedacht, was sich<br />

sicherlich auf das sonnige Gemüt der<br />

späteren Twiggy auswirkte. Schon<br />

in früher Jugend fiel sie durch<br />

ihren spindeldürren Körperbau<br />

auf, was Mama Hornby mit einer<br />

regelmäßig verabreichten Portion<br />

Lebertran kurieren wollte, doch<br />

ohne Erfolg. Twiggy war extrem<br />

dünn und blieb es auch. Zu<br />

Beginn der Sechziger dominierte<br />

zwar noch der Rock’n’Roll<br />

das Leben der Teenager, doch<br />

er wurde schon bald von der<br />

Beatlemania abgelöst. Neben<br />

Postern von Jean Shrimpton zierten Bilder<br />

der Fab Four die Wände von Twiggys Zimmer,<br />

die mit 13 Jahren begann, ihre eigenen Kleider<br />

zu nähen, ein Hobby, das sie bis heute noch<br />

pflegt. Auch sie wurde von der Welle der sozialen<br />

und <strong>kult</strong>urellen Umbrüche erfasst, schaute<br />

die Popsendung „Ready Steady Go!" und ließ<br />

sich zusammen mit ihren Freundinnen zu<br />

den ersten Konzerten und Partys treiben. Am<br />

wichtigsten für ihre Karriere war jedoch die<br />

Beziehung zu Nigel John Davis, ihrem künftigen<br />

Manager, Mentor und Freund, der sich<br />

den wohlklingenden Künstlernamen Justin<br />

de Villeneuve zulegte und sich wie ein klassischer<br />

Sixties-Dandy kleidete ...<br />

Lesley Hornbys Model-<br />

Karriere begann unerwartet.<br />

Durch Freunde knüpfte<br />

sie Kontakt zu dem exklusiven<br />

Star-Friseur Leonard,<br />

der den Salon House Of<br />

Leonard führte. Dieser<br />

benötigte eines Tages<br />

neue Fotos<br />

für seine<br />

Ausstellung<br />

und Models,<br />

die einen Kurzhaarschnitt<br />

propagieren<br />

sollten. Zuerst wurde Twiggy leicht<br />

blondiert, daraufhin suchte sie den Starfotografen<br />

Barry Lategan auf. Lategan mochte<br />

ihren Look, doch er empfand die Haare als<br />

viel zu lang. Während des Gesprächs – natürlich<br />

stand ihr Justin zur Seite – fiel der Name<br />

Twiggs (so nannte sie ihr Freund immer),<br />

worauf der Fotograf begeistert meinte:<br />

„Twiggy! Den Namen solltest du benutzen!"<br />

Lategan schoss dann Fotos, die von nun an im<br />

Salon aushingen, wo sie Deirdre<br />

McSharry, Chefredakteurin des<br />

„Daily Express" entdeckte, der<br />

auflagenstärksten Zeitung<br />

Großbritanniens. Sie lud<br />

Twiggy in den Verlag ein und<br />

ließ sie vom Hausfotografen<br />

ablichten. Das bange Warten<br />

begann. Wann würde das Foto<br />

veröffentlicht? Eines Morgens<br />

nach langen zwei Wochen,<br />

es war der 23. Februar<br />

1966, stürmte ihr Vater<br />

ins Zimmer Twiggys<br />

und hielt seiner verschlafenen<br />

Tochter<br />

die Zeitung mit einem<br />

zweiseitigen Foto o<br />

unter die Nase, zu dem<br />

in Großbuchstaben<br />

zu lesen war: I NAME<br />

THIS GIRL THE FACE<br />

OF ’66. Schnell war<br />

der Twiggy-Look<br />

geboren: große, unschuldige,<br />

aber auch verfüh-<br />

betont durch die überlangen<br />

Wimpern, die sie zur optischen<br />

Verstärkung mit Eyeliner an<br />

den Augenlidern verstärkte,<br />

und ein fragiler Körperbau.<br />

Die ruhige Beschaulichkeit im<br />

rerisch wirkende Augen,<br />

St. Raphael’s Way Nummer<br />

93 gehörte von nun an der<br />

Vergangenheit an, denn das<br />

Haus wurde von Fotografen<br />

und Reportern regelrecht<br />

belagert. Wann immer auch<br />

Vater Hornby ein Knirschen n<br />

auf den Kieseln der Einfahrt<br />

hörte, packte er sich den Spazierstock und verscheuchte<br />

die<br />

Sensationsjäger.<br />

Das<br />

zur Straße<br />

g e l e g e n e<br />

Wohnzimmer<br />

konnte von<br />

da an nicht<br />

mehr benutzt<br />

werden, denn<br />

wenn sich die<br />

nur leicht bewegte, „ratterten"<br />

bereits die Auslöser der Kameras.<br />

Innerhalb kürzester Zeit arbeitete<br />

Twiggy fünf Tage die<br />

Woche für jeweils zwölf Stunden<br />

und war auf den Covern von<br />

unter anderem der „Vogue"<br />

zu sehen, die in der Branche<br />

die Trends setzte. Doch auch<br />

andere, modeferne Zeitschriften<br />

ließen sie ablichten und stellten<br />

damit einen übergreifenden<br />

Kontext her. Schnell entwickelte<br />

sich ein bislang nicht bekanntes<br />

Phänomen, denn das Mädchen<br />

Gardine auch<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 73<br />

aus dem Londoner Vorort stand plötzlich für<br />

den <strong>kult</strong>urellen Umbruch des „Summer Of<br />

Love". Mode? Wichtig, aber nur ein Aspekt<br />

von Twiggy, die nun die „Swinging Sixties"<br />

symbolisierte, ein Begriff, der erstmals am<br />

15. April 1966 im amerikanischen „Time"-<br />

Magazin auftauchte. Ihr androgyner Look und<br />

die Rolle der selbstbestimmten Frau negierten<br />

die vorherrschenden Moral-<br />

und Wertvorstellungen. Das<br />

Supermodel war geboren! Von<br />

nun an stand sie vor den<br />

Kameras der bedeutendsten<br />

Fotografen der Welt – unter<br />

anderem Annie Leibovitz,<br />

Cecil Beaton und Bert Stern.<br />

Als sie mit ihrem Manager<br />

im<br />

März 1967 auf dem New<br />

Yorker Kennedy Airport landete,<br />

wurde Twiggy von einem<br />

Blitzlichtgewitter empfangen.<br />

Die folgende Reise durch die<br />

USA entwickelte sich zu einem<br />

Riesenerfolg. Ihren Status als Exportschlager<br />

vom Kaliber der Beatles oder von James Bond<br />

unterstrichen die unzähligen Twiggy-Artikel –<br />

Twiggy-Barbies, gy-Bar<br />

Schminktäschchen, Spiele und<br />

scheinbar endlose Modelinien.<br />

Bald offenbarte sich jedoch<br />

auch eine negative Seite ihrer<br />

Popularität. Zahlreiche Mädchen<br />

wollten so aussehen wie ihr<br />

Idol und hungerten sich fast<br />

zu Tode. Schnell entstand für<br />

die Krankheit Magersucht das<br />

Synonym Twiggy-Syndrom, was<br />

Lesley Hornby bis zum heutigen<br />

Tag belastet und damals für die<br />

Presse ein gefundenes Fressen<br />

war, um Negativ-Schlagzeilen<br />

zu platzieren. Zu Beginn der<br />

Siebziger i verabschiedete sich Twiggy vom<br />

Modeln, um eine sehr erfolgreiche Karriere<br />

als Schauspielerin, Sängerin (unvergessen der<br />

Auftritt in der „Muppet Show", wo Twiggy<br />

einen Beatles-Song zum Besten gab) und<br />

Moderatorin zu beginnen. 1977 heiratete sie<br />

Michael Witney, der 1983 an einem Herzinfarkt<br />

verstarb. Aus der Ehe ging die Tochter Carly<br />

hervor, die auf Mamas 2011 erschienener CD<br />

ROMANTICALLY YOURS ihr Gesangsdebüt gab.<br />

Seit 1988 ist sie glücklich mit Leigh Lawson<br />

verheiratet.<br />

Und Twiggy 2014? Ja, sie<br />

modelt wieder, und zwar für die<br />

britische Kaufhauskette Marks<br />

& Spencer, die es sich zum<br />

Ziel gesetzt hat, stilvolle Mode<br />

für „ältere" Damen zu führen.<br />

Darüber hinaus hat sie eine<br />

eigene Modelinie designt, engagiert<br />

sich für eine Kampagne<br />

zur Brustkrebsfrüherkennung<br />

und bekämpft den Handel mit<br />

echten Pelzen. Offensichtlich<br />

hat Lesley Hornby nichts von<br />

der Quicklebendigkeit der blutjungen<br />

Twiggy eingebüßt ...<br />

Alan Tepper


Der NAD 3020<br />

Von Lothar Brandt<br />

Ein HiFi-<br />

Verstärker<br />

mischt<br />

den Markt<br />

auf und<br />

wird zur<br />

In den 1970ern versteckten sich HiFi-Verstärker entweder<br />

verschämt in Kompaktanlagen, tarnten sich bis zur<br />

Unkenntlichkeit in besseren Radios oder protzten ganz ungeniert<br />

mit gewaltigem Platzbedarf und entsprechend hohen<br />

Anschaffungskosten. Und dann kam er: der NAD 3020 – und<br />

veränderte die Szene radikal. Der Klassiker des Low Budget-<br />

HiFi war geboren, ein Kult-Objekt bis heute.<br />

Legende<br />

Der unscheinbare Tiefstapler machte – fast – alles anders und vieles<br />

besser als seine Mitbewerber. Und manches machte er seit seinem<br />

ersten Auftritt Ende der 70er Jahre auch gar nicht: zum Beispiel<br />

mit Leistung prahlen. Um die 20 bis 40 Watt gab der NAD 3020 laut<br />

Datenblatt in die Lautsprecher, je nachdem, ob deren so genannte<br />

Scheinimpedanz acht oder vier Ohm betrug. Dass dieser ganze Watt-<br />

Fetischismus Kokolores war und ist, hat sich inzwischen zwar zumindest<br />

in der HiFi-Gemeinde herumgesprochen, aber damals dachten eben die<br />

meisten Technik-Jünger noch: viel Watt, viel Ehr.<br />

Auch auf zeittypisch zappelnde Zeiger zur optischen Markierung seiner<br />

Potenz verzichtete der mit 280 Mark herausfordernd günstige Zwerg<br />

und begnügte sich mit fünf Leuchtdioden über dem Lautstärkeregler zur<br />

freilich sehr ungefähren Leistungsangabe in Watt. Desgleichen sparte er<br />

weitgehend an respekteinflößenden Schaltern, wuchtigen Hebeln oder<br />

imposanten Drehreglern, die seine zünftigen Zeitgenossen großspurig<br />

herzeigten, vor allem diejenigen, die dank eines zusätzlich eingebauten<br />

Radioteils als „Receiver" (Tuner plus Vollverstärker) über die Ladentische<br />

gingen. Die Ausstattung des puristischen NAD-Verstärkers geriet dagegen<br />

zumindest auf den ersten Blick eher karg, sein Auftritt erinnerte an die<br />

sprichwörtliche graue Maus, wozu die schwer definierbare Gehäusefarbe<br />

das Ihre beitrug. „Understatement" lobten Einsichtige, „hässliches Entlein"<br />

schalten Designer. Doch gleich einem schönen Schwan betörte er, wenn<br />

Mastermind in frühen Jahren: Björn Erik Edvardsen 1975<br />

er denn erst mal Musik machen durfte. Ohrenmenschen verliebten sich<br />

sogleich scharenweise in ihn ...<br />

Wie es sich für wahre Legenden gehört, ranken sich um Herkunft<br />

und Historie des Verstärkers indes etliche Sekundärlegenden. Da<br />

liest man im Netz und anderswo viele Märchen: So kam der NAD 3020<br />

etwa nicht schon 1978 auf den Markt, sondern wurde offiziell erst am<br />

24. Januar 1979 eingeführt. Und er wurde auch nicht in Rot-China, sondern<br />

in Taiwan gebaut – und war beileibe nicht das erste Gerät, das die<br />

Firma mit dem Akronym von New Acoustic Dimension vorgestellt hatte.<br />

Sein Herkunftsland war weder England noch Kanada noch Norwegen,<br />

sondern er kann als Inbegriff wahrer Multi<strong>kult</strong>uralität gelten, wurde NAD<br />

doch 1972 als Zusammenschluss von internationalen Distributoren (nicht<br />

Händlern, wie man ebenfalls immer wieder mal liest) gegründet.<br />

Der Engländer Marty Borish, Mitbegründer von NAD, zeichnete ab<br />

1976 für die Strategie der Firma verantwortlich. 1977 holte er dann<br />

den Norweger Björn Erik Edvardsen, genannt BEE, ins Unternehmen.<br />

Seite 74 ■ GoodTimes 2/2014


Gründerväter Jahre später: Gordon A. Simmonds (CEO NAD), Anton<br />

Aebischer (Dynavox) und Marty L. Borish (Direktor und Gründer NAD)<br />

Dieser kluge Kopf konzipierte weitgehend die Schaltung des 3020, und die<br />

hatte einen ganz cleveren Kniff: „Soft Clipping" nannte sich das, was wohl<br />

vielen jener Lautsprecher das Leben gerettet hat, die ihre jugendlichen,<br />

studentischen oder in anderer Weise wenig vermögenden Besitzer an die<br />

Klemmen des kleinen Verstärkers angeschlossen hatten.<br />

Der älteste dem Autor vorliegende Test in der HiFi-Postille „Audio"<br />

(Ausgabe 11/1979) verwendet darauf gerade mal einen halben<br />

Absatz. Ob der Schreiber allerdings so richtig durchblickte, sei dahingestellt.<br />

Die Erklärung dieses Phänomens ist jedoch eigentlich recht einfach:<br />

Wie der Name bereits sagt, verstärken Verstärker elektrische Signale in<br />

Form von Strömen und Spannungen. Das Produkt dieser beiden physikalischen<br />

Größen ist die elektrische Leistung, gemessen in Watt. Die<br />

meisten Amps beziehen diese seit deren Marktreife aus Transistoren. Diese<br />

Bauteile hatten vor allem eben in den 60er, 70er und 80er Jahren meist<br />

die Eigenschaft, bei Überforderung zu „clippen".<br />

Dabei erzeugten sie kurzfristig extrem<br />

hohe Verzerrungen, welche die angeschlossenen<br />

Boxen mit einer Überdosis Höhen<br />

meucheln oder zumindest deren Hochtöner<br />

in Jenseits jagen konnten. Je höher nun<br />

aber die Leistungsreserven eines Verstärkers<br />

sind, desto seltener wird er überfordert, also<br />

desto weniger clippt er. Ein starker Verstärker<br />

schont Lautsprecher eher, als dass er sie klirrend<br />

niederkartätscht.<br />

Zu 3020er-Zeiten aber war saubere Leistung teuer – und teuer<br />

wollte NAD ja auf keinen Fall sein. Also ersparten die Entwickler<br />

dem einen Paar Leistungstransistoren pro Stereokanal bei höheren<br />

Lautstärken die meist ja nur kurzfristig im Musiksignal auftauchenden<br />

Höchstanforderungen und pegelten diese Spitzen schon im Vorfeld<br />

blitzschnell herunter. Meist ohne dass die Hörer dies bewusst registrierten<br />

und ihre Hochtöner kreischend den Geist aufgaben. Zum anderen wusste<br />

Edvardsen schon um die Zusammenhänge von Strom, Spannung und<br />

angeschlossener Lautsprecher-Impedanz – so ähnlich wie Autofans nicht<br />

nur PS, sondern auch Hubraum und Drehmoment heranziehen, wenn es<br />

um die Bestimmung der wirklichen Power ihrer Karossen geht. Wie auch<br />

immer, der kleine NAD konnte auch bei gefährlich niedrigen Impedanzen<br />

noch den dann geforderten Strom an die Klemmen bringen. Im Rahmen<br />

seiner Möglichkeiten natürlich, die laut zeitgenössischen Messungen etwa<br />

bis maximal 50 Watt Impulsleistung an vier Ohm reichten.<br />

Wer also mit dem Lautstärkeregler rechts auf der Front nicht<br />

allzu rechtsdrallig umging, konnte auf ein langes und erfolgreiches<br />

Zusammenleben<br />

von Amp, Boxen<br />

Verpackung, in Würde gealtert: Mit dem deutlichen<br />

Hinweis auf die damals gültige deutsche Netzspannung<br />

von 220 Volt.<br />

und Besitzer<br />

anstoßen. Dem<br />

Autor ist selbst ein<br />

3020er-Jahrgang<br />

bekannt (als Beweis<br />

möge das Foto der<br />

Originalverpackung<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 75<br />

von 1982 dienen), der noch heute mit warmem, rundem Klang verwöhnt.<br />

Und sogar richtig laut werden kann, wenn die Lautsprecher entsprechenden<br />

Wirkungsgrad haben ...<br />

NAD-Nutzer sollten übrigens mal einen Plattenspieler an den für<br />

so genannte Magnetsysteme ausreichend empfindlichen Phono-<br />

Eingang anschließen: Der eingebaute Preamp ist wahrlich nicht von<br />

schlechten Eltern, vorausgesetzt, der Eigner hat so alle Schaltjahre die<br />

Bauteile kontrollieren lassen. Zudem neigen einige der eingebauten<br />

Kondensatoren ein wenig zum Austrocknen.<br />

Von einer zeittypischen Taste sollte man jedoch die Finger lassen:<br />

„Loudness" sorgt mit ungebührlicher Bass- und Höhenanhebung<br />

(wohl den schwachbrüstigen Boxen von anno dunnemals geschuldet) für<br />

dröhnigen Sound – und weil Bässe eben viel Leistung brauchen, auch<br />

für Überforderung des Kleinen. Nicht umsonst schmähen HiFi-Fans diese<br />

Taste generell als das „Ungeheuer von Loud-Ness". Wer denn unbedingt<br />

mehr Leistung haben will oder muss, der kann allerdings den 3020 zwischen<br />

Vor- und Endstufe – auf der Rückseite mit Metallbügeln gebrückt<br />

– auftrennen und eine kräftigere Endstufe zur Lautsprecherversorgung<br />

anschließen. Nur mit diesem Feature und mit den rot blinkenden fünf<br />

Leuchtdioden über dem Lautstärkesteller ist ein 3020 ein „richtiger" 3020.<br />

Im Laufe seiner überaus erfolg- und stückzahlreichen Geschichte hat<br />

der legendäre Amp, der auch noch in den 80er Jahren mit dann 400<br />

Mark Verkaufspreis ein echtes Schnäppchen blieb, einige Design- und<br />

Technikmodifikationen über sich ergehen lassen. Seine wahren Fans<br />

schwören noch heute auf die Version, bei der das NAD-Logo über der<br />

Kopfhörer-Buchse prangt und rechts von einem „Series 20"-Schriftzug<br />

flankiert wird. Optisch und technisch exzellente Exemplare sind übrigens<br />

erstaunlich selten im Angebot – zufriedene Besitzer rücken das gute Stück<br />

eben ungern raus. Wer trotzdem für 150 bis 200<br />

Euro eines ergattern kann, sollte unbedingt<br />

einen Check machen lassen. Manchmal<br />

wirken das Blankwienern der Buchsen<br />

und der Einsatz von Kontaktspray in<br />

Schaltern und Poti wahre Wunder,<br />

teilweise muss ein marodes Bauteil<br />

aber auch einfach fachgerecht<br />

getauscht werden. Im Zweifelsfall<br />

kann beim deutschen NAD-Vertrieb<br />

Dynaudio (www.dynaudio.de) oder dem Schweizer Distributor Dynavox<br />

(www.dynavox.ch) nach kompetenten Werkstätten gefragt werden.<br />

Die legendäre Produktserie umfasste anschließend noch jahrelang<br />

weitere modifizierte Modelle, vom 1986 eingeführten Modell 3020 e<br />

(Kostenpunkt: 400 Mark) bis hin zum 3020 i Anfang der 90er Jahre.<br />

Allmählich ließ der Verkaufserfolg aber nach, denn inzwischen bauten<br />

auch Engländer und Japaner feine Kleine in dieser Preisklasse. Doch<br />

insgesamt war die Modellreihe aus den guten alten analogen Tagen ein<br />

immenser Erfolg – von bis zu zwei Millionen insgesamt produzierten<br />

Exemplaren munkelt die Fachwelt.<br />

Vor kurzem hat die New Acoustic<br />

Dimension die legendäre<br />

Zahlenfolge 3020 in einer völlig anderen<br />

Verstärkerdimension übrigens wiederbelebt.<br />

Der D 3020 ist ein so genannter<br />

Digitalverstärker, kompakter und technisch<br />

komplett anders als der Altvordere,<br />

mit Finessen wie „asynchronem USB-<br />

DAC" für die Herausforderungen moderner<br />

Zeiten gerüstet. Optisch gehört er<br />

sowieso zu einer anderen Welt, ist er doch<br />

senkrecht und waagerecht zu betreiben.<br />

Und in seinem trendigen Look wirkt der<br />

500-Euro-Verstärker so gar nicht billig.<br />

Aber das war auch sein Urahn nie wirklich.<br />

Der war in erster Linie ein Preisbrecher.<br />

Und seinen Preis allemal wert.<br />

Nachfolger, ganz aktuell:<br />

Der Digitalverstärker D 3020<br />

markiert NADs Ansprüche in<br />

heutigen Zeiten.


DAS JAHR 1964<br />

Beatles<br />

Sepp Herberger<br />

Von Bernd Matheja<br />

Zeitgeschichte<br />

Ab 2.1. ziert DDR-Pässe der Zusatz „Bürger der Deutschen<br />

Demokratischen Republik". *** Erster Besuch eines Papstes in Israel: Am<br />

4.1. reist Paul VI. in den Nahen Osten. *** In Heidelberg nimmt am<br />

28.1. das erste Deutsche Krebsforschungszentrum die Arbeit auf. ***<br />

14.2., BRD: Gründungstag des „Sachverständigenrates zur Begutachtung<br />

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung", bis heute besser bekannt<br />

als die „Fünf (Wirtschafts-)Weisen".<br />

*** Eine Epoche beginnt: Willy<br />

Brandt wird am 16.2. zum SPD-<br />

Parteivorsitzenden gewählt. Er folgt<br />

Erich Ollenhauer und bleibt in dieser<br />

Position 13 Jahre lang. *** An den<br />

Ostermärschen für den Frieden<br />

nehmen am 30.3. über 100.000<br />

Bundesbürger teil. *** Tags darauf<br />

besetzt General Humberto Branco in Brasilien das Amt des<br />

Staatspräsidenten, nachdem das Militär geputscht hatte. *** In Afrika<br />

schließen sich am 26.4. Tanganyika und Sansibar zur Vereinigten Repubik<br />

Tansania zusammen. *** Am 1.6. erfolgt die Gründung der palästinensischen<br />

Berfreiungsorganisation PLO (Palestine Liberation Organization).<br />

Erster Vorsitzender ist Ahmed Shukeiry. *** Änderung in der bundesdeutschen<br />

Straßenverkehrsordnung ab 1.6.: Auf sichtbar gekennzeichneten<br />

Überwegen („Zebrastreifen") haben Fußgänger generell Vorrang<br />

vor motorisierten Verkehrsteilnehmern. *** 31 Jahre lang im Rahmen von<br />

Forschungsreihen gestattet, ab 6.6. verboten: Raketenversuche mit<br />

Weltweit gibt's ab jetzt mächtig auf junge<br />

und ältere Ohren, in Deutschland liegt die<br />

Hopfenkaltschale so voll im Trend wie nie<br />

zuvor – und die Fußballfans verabschieden<br />

einen der schlauesten Übungsleiter der<br />

Kicker-Historie. Spitzenpolitiker verschwinden,<br />

neue besetzen deren geräumte Sessel.<br />

Olympische Winterspiele ohne Schnee und<br />

Eis? Auch das ist verbucht für dieses ereignisreiche<br />

Jahr 1964.<br />

dem Wattenmeer vor Cuxhaven als Abschussgebiet. *** Der Bürgerrechtler<br />

Nelson Mandela und sieben weitere Mitglieder des ANC (African<br />

National Congress) werden am 12.6. wegen „subversiver Aktivitäten" zu<br />

lebenslangen Haftstrafen verurteilt. *** Der schwedische Luftwaffenoberst<br />

Stig Wennerström ist der Spionage für die Sowjetunion überführt,<br />

als seine Reinmachefrau eine verdächtige Filmrolle findet.<br />

Am 12.6. ergeht das Urteil: lebenslänglich.<br />

Der Offizier wird 1974 entlassen und bleibt<br />

geächtet. *** Am selben Tag unterzeichnen<br />

die DDR und die UdSSR einen „Vertrag<br />

über Freundschaft, gegenseitigen Beistand<br />

und Zusammenarbeit". *** 1.7.: Heinrich<br />

Lübke wird von der Bundesversammlung<br />

erneut zum Bundespräsidenten gewählt.<br />

*** Zumindest in der Theorie ein großer<br />

Schritt: Der amerikanische Präsident Lyndon B.<br />

Johnson unterzeichnet am 2.7. in Washington<br />

das „Bürgerrechtsgesetz zur Aufhebung<br />

der Rassentrennung", das von seinem ermordeten Vorgänger<br />

John F. Kennedy initiiert worden war. *** Ab 1.8. erhalten neu<br />

gedruckte Geldscheine in der DDR die Ergänzung „Mark der deutschen<br />

Notenbank". *** Am 5.9. feiert Malta die Unabhängigkeit von<br />

Großbritannien. Die Mittelmeer-Republik ist seit 1.5.2004 kleinster<br />

Mitgliedsstaat der Europäischen Union. *** Otto Grotewohl stirbt am<br />

21.9., drei Tage darauf wird Willi Stoph sein Nachfolger als Vorsitzender<br />

Seite 76 ■ GoodTimes 2/2014


des Ministerrats der DDR. *** Bis<br />

heute umstritten: Die amerikanische<br />

Warren-Kommission legt sich am<br />

27.9. fest, dass für das Kennedy-<br />

Attentat 1963 ein Einzeltäter ver-<br />

antwortlich war<br />

– Lee Harvey Oswald. *** Ende einer Politikerkarriere<br />

in der UdSSR: Am 14.10. verliert Nikita Chruschtschow seine Ämter.<br />

Neuer Parteichef wird Leonid Breschnew, die Regierung führt jetzt Alexej<br />

Kossygin. *** Am Folgetag gewinnt die Labour Party die Wahlen zum<br />

britischen Unterhaus. Premierminister ist Harold Wilson. *** 16.10.,<br />

Punkt 15 Uhr: In der Provinz Sinkiang zündet die Volksrepublik China<br />

unterirdisch ihre erste Atombombe. *** Ein Schlupfloch in der gesamten<br />

innerdeutschen Grenze: Nach der auf Berlin beschränkten Regelung<br />

von 1963 dürfen ab 2.11. DDR-Rentner mit Passierscheinen auch<br />

Verwandte in der Bundesrepublik besuchen. Rund 1,4 Millionen<br />

Dokumente werden ausgegeben. *** Wiederwahl in den USA: Der<br />

Republikaner Barry Goldwater scheitert damit, Amtsinhaber Johnson<br />

als Präsident aus dem Amt zu drängen, den 61,1 Prozent der Wähler<br />

behalten wollen. *** Braun formiert sich wieder: Gründung der rechtsextremen<br />

NPD am 28.11. in Hannover mit dem Ex-CDU-Abgeordneten<br />

Friedrich Thielen als Parteivorsitzendem. *** Klamm braucht Kohle: Die<br />

DDR fordert von Besuchern aus der Bundesrepublik „Eintritt" und fordert<br />

einen Mindestumtausch zur Devisenbeschaffung. ***<br />

SPORT<br />

Prosit Neujahr! Die Fußball-Saison startet für die Nationalmannschaft<br />

mit einem Kater am 1.1. (prima Termin ...): Deutschland unterliegt<br />

in Algier in einem Freundschaftsspiel gegen Algerien mit 0:2. *** Die<br />

IX. Olympischen Winterspiele in Innsbruck beginnen am 29.1.<br />

weitaus tragischer: Der Ski-Abfahrtsläufer Ross Milne (Australien) und<br />

Rennrodler Kazimierz Kay (UK) kommen bei Trainingsunfällen vor Ort<br />

ums Leben. Dazu gibt es Wetterkapriolen: Rund 40.000 Kubikmeter<br />

Schnee und 20.000 Eisblöcke müssen rangekarrt werden, um Pisten<br />

sowie Bob- und Rodelbahnen überhaupt nutzbar zu machen. In 34<br />

Wettbewerben holt die gesamtdeutsche Mannschaft je drei Gold-, Silberund<br />

Bronzemedaillen, Eiskunstläufer Manfred Schnelldorfer steht<br />

ganz oben auf dem Siegerpodest. Die Paarlauf-Ikonen Marika Kilius/Hans-<br />

Jürgen Bäumler werden Zweite, müssen ihr Edelmetall aber wieder abgeben:<br />

Sie hatten kurz vor den Spielen einen Profivertrag unterzeichnet. Die<br />

Nationenwertung gewinnt die Sowjetunion vor Österreich und Norwegen.<br />

*** Neuer und jüngs ter<br />

Weltmeister aller Zeiten im<br />

Schwergewichtsboxen wird<br />

am 25.2. Cassius Clay<br />

(22): Er besiegt in Miami<br />

Beach Charles „Sonny" Liston<br />

in der siebten Runde nach<br />

Cassius Clay (l.) & Sonny Liston<br />

dessen Aufgabe. *** Kufen-<br />

Olympiasieger i Schnelldorfer holt sich auch den WM-Titel in Dortmund<br />

(26.2.), wenige Tage später gelingt dies auch dem hier startberechtigten<br />

Paar Kilius/Bäumler (1.3.). *** Bei der Handball-WM in Prag besiegt im<br />

Finale am 15.3. Rumänien die Schweden mit 25:22. *** Am 9.5. steht<br />

der erste Meister der seit 1963 neuen Fußball-Bundesliga fest: Der 1.<br />

FC Köln steht am Ende vor dem Meidericher SV und Eintracht Frankfurt.<br />

*** Den Europacup der Pokalsieger gewinnt am 15.5. nach zwei<br />

Spielen (3:3 und 1:0) Sporting Lissabon gegen MTK Budapest. *** Im<br />

Finale der Landesmeister triumphiert am 27.5. in Wien Inter Mailand<br />

gegen Real Madrid mit 3:1. Den Messecup erringt in einem rein spanischen<br />

Endspiel Real Saragossa gegen den FC Valencia (2:1). *** Am<br />

7.6. fährt der Franzose Jacques Anquetil als Erster beim Giro d'Italia<br />

über die Ziellinie. Er holt sich am 14.7. in Paris auch seinen fünften Sieg<br />

(vier davon in Folge) bei der Tour de France. *** Wehmut am 7.6. in<br />

Helsinki: Zum letzten Mal betreut Josef "<br />

Sepp" Herberger die deutsche<br />

Fußball-Nationalmannschaft, die er u.a. 1954 clever zum WM-Titel<br />

geführt hatte. Zum Abschied gibt es einen 4:1-Sieg gegen Finnland. Die<br />

Quote des Mannheimers als Trainer zwischen 1936 und 1964: 94 Siege,<br />

27 Unentschieden, 46 Niederlagen. Nachfolger wird sein langjähriger<br />

Assistent Helmut Schön. *** Der BRD-Pokalsieger steht am 13.6. fest:<br />

1860 München schlägt Eintracht Frankfurt in Stuttgart mit 2:0. Am selben<br />

Tag gewinnt Aufbau Magdeburg mit einem 3:2 gegen den SC Leipzig den<br />

Cup der DDR in Dessau. *** Der Formel-1-Weltmeister 1964 kommt<br />

aus Großbritannien: Ex-Motorrad-Weltmeister John Surtees verweist<br />

seine beiden Kontrahenten Graham Hill und Jim Clarke auf die Plätze.<br />

*** Bei der Fußball-Europameisterschaft in<br />

Spanien (17.–21.6.) gewinnt das Veranstalterland<br />

mit 2:1 gegen die Sowjetunion. Die DDR scheidet<br />

im Achtelfinale aus, die BRD hatte gar<br />

nicht gemeldet (Bundestrainer Herberger:<br />

„Zeitverschwendung"). *** Tennis in<br />

Wimbledon: Den Titel der Herren-Konkurrenz<br />

holt sich am 3.7. der Australier Roy Emerson<br />

Maria Esther Bueno<br />

gegen seinen Landsmann und Doppelpartner Fred<br />

Stolle. Den Damen-Wettbewerb gewinnt am 4.7. die Brasilianerin Maria<br />

Esther Bueno gegen Margaret Smith-Court (Australien). *** Bei den XVIII.<br />

Olympischen Sommerspielen in Tokio geht die Nationenwertung<br />

nach 163 Wettbewerben an die USA vor der Sowjetunion und Gastgeber<br />

Japan. Rang 4 bei 93 Teilnehmer-Nationen belegt die gesamtdeutsche<br />

Mannschaft, sie erringt 10 Gold-, 22 Silber- und 18 Bronzemedaillen.<br />

Unvergessen ist vor allem der Zehnkampf-Sieg von Willi Holdorf aus<br />

Blomesche Wildnis (Schleswig-Holstein), der am Ende des abschließenden<br />

1500-Meter-Laufs fast besinnungslos quer über die Ziellinie<br />

taumelt. Erfolgreichster Athlet ist der amerikanische<br />

Schwimmer Don Schollander (vier<br />

Goldmedaillen). China, Südafrika, Nordkorea<br />

und Nordvietnam blieben aus politischen<br />

Gründen von den Spielen ausgeschlossen. ***<br />

Zu Sportlern des Jahres werden in der<br />

BRD gewählt: Willi Holdorf, die Ruderinnen<br />

Roswitha Esser/Annemarie Zimmermann und<br />

der Vierer vom Berliner Ruder-Club; DDR:<br />

Klaus Urbanczyk (Fußball), Ingrid Krämer<br />

Willi Holdorf (m.)<br />

(Wasserspringen) und die Fußball-Olympia-Elf.<br />

*** Fußballer des Jahres: der Schotte Denis Law (Manchester United/<br />

Europa), Uwe Seeler (HSV) und Klaus Urbanczyk (Chemie Halle). ***<br />

FUNK & FERNSEHEN<br />

Es trifft Frau Erna Stephan aus Berlin, sie gewinnt eine Reise in die USA.<br />

Grund: Ihre neue Flimmerkiste ist bei der Anmeldung das zehnmillionste<br />

„Fernsehempfangsgerät" in der BRD. *** Am 3.1. beginnt das <strong>ZDF</strong> einen<br />

Dauerläufer, das "<br />

Gesundheitsmagazin Praxis" mit dem Nicht-<br />

Mediziner Hans Mohl, der nach 375 Ausgaben im Dezember 1993 in den<br />

Ruhestand geht. Die letzte Sendung läuft am 22.9.2004. *** Erstmals<br />

wird der Adolf-Grimme-Preis für herausragende TV-Produktionen<br />

verliehen. Er geht am 16.1. an die Dokumentation „Der SS-Staat" (WDR/<br />

SDR). *** Das <strong>ZDF</strong> startet eine Woche später das Magazin "<br />

Treffpunkt<br />

Kino", kurz darauf umbenannt in „Zehn Minuten für den Kinogänger"<br />

und im Rahmen der „Drehscheibe" ausgestrahlt. *** Auftakt für eine<br />

Kult-Quizshow am 25.1. im Ersten: Hans-Joachim Kulenkampff<br />

ist gefeierter Gastgeber von „Einer wird gewinnen", das von der<br />

Eurovision in viele Länder übertragen wird. „EWG" bleibt – inklusive<br />

zweier Neustarts mit „Kuli" – bis zum 21.11.1987 im Programm und<br />

steht mit 88 Ausgaben in den Annalen.<br />

*** Bei den Olympischen Winterspielen<br />

in Innsbruck teilen sich ARD und <strong>ZDF</strong><br />

erstmals die Fernsehübertragungen. ***<br />

Großer Zuspruch im TV für Ganovenjäger<br />

Eduard Zimmermann: „Vorsicht,<br />

Hans-Joachim Falle – Nepper, Schlepper, Bauernfänger"<br />

Kulenkampff<br />

warnt mit nachgespielten Beiträgen vor<br />

Betrügern & Co. ab 24.3. im <strong>ZDF</strong>. *** Die ARD sortiert ihre Senderanteile<br />

für das zu beliefernde eigene Programm neu. An der Spitze stehen WDR<br />

25 Prozent, NDR 20 Prozent und BR mit 17 Prozent. *** Top-Übernahme<br />

aus den USA im Juli: Die Unbestechlichen" („The Untouchables")<br />

"<br />

mit Robert Stack als FBI-Ermittler „Eliot Ness" wird ein Krimiserien-Hit,<br />

der 1920/1930 im Verbrechenssumpf von Chicago angesiedelt ist. ***<br />

Kaum zu glauben, aber wahr: Im spannenden ARD-Fernsehfilm Flug "<br />

in Gefahr" (mit Hanns Lothar, Ingmar Zeisberg; 18.8.) vergiften sich<br />

die Piloten mit Heilbutt. Im Nachlauf der Sendung weist die Deutsche<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 77


Fischwirtschaft explizit darauf hin,<br />

dass die servierten Portionen nicht aus<br />

ihrer Produktion stammen ...! *** Am<br />

19.8. bringt eine Trägerrakete vom<br />

Raumfahrtzentrum Cape Canaveral<br />

den TV-Satelliten Syncom III auf<br />

Position: Er gewährleistet die weltweiten<br />

Live-Übertragungen von den<br />

"<br />

Flug in Gefahr"<br />

anstehenden Olympischen Sommerspielen in Tokio. *** Lernen und<br />

Staunen, Schwieriges verständlich vermittelt: Ab 11.9. präsentiert Heinrich<br />

Schiemann Aus Forschung und Technik" im <strong>ZDF</strong>. 1981 löst ihn<br />

"<br />

Joachim Bublath ab, das Magazin gibt es noch bis 1988 bei den Mainzern.<br />

*** Nach bereits fünfjähriger Laufzeit steht es fest: Bonanza" ist von<br />

"<br />

1964 bis 1967 die meistgesehene Fernsehserie in Amerika. *** Am 5.10.<br />

geht das Dritte Programm des Hessischen Rundfunks (HR) auf Sendung.<br />

*** Gegenwind fürs Erste? Das <strong>ZDF</strong> schickt zwei große Familienshows<br />

ins Rennen: Ab 9.10. mahnt Peter Frankenfeld „Vergissmeinnicht",<br />

ein Klassiker rund um die bundesdeutschen Postleitzahlen; Der goldene<br />

Schuss" mit dem Niederländer Lou van Burg („Onkel Lou", "<br />

„Mister Wunnebar") unter musikalischer Begleitung vom Orchester Max<br />

Greger folgt am 4.12. „Der Kandidat hat 100 Punkte!" wird schnell<br />

zum geflügelten Wort in der Umgangssprache. Showmaster ab 1967 bis<br />

zum Ende (1970): Vico Torriani, der für den ursprünglich vorgesehenen<br />

Rudi Carrell einsprang und blieb. *** „Mundart-Unterhaltung" garantiert<br />

großen Zuschauerzuspruch: Die Komödie „Die Kartenlegerin" mit<br />

Heidi Kabel aus dem Ohnsorg-Theater Hamburg wird zum Volltreffer;<br />

genau wie „Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger"<br />

mit Beppo Brem als schrullig-cleverem<br />

Kriminalinspektor und seinem<br />

Assistenten „Fröschl" (Maxl Graf). ***<br />

ARD und <strong>ZDF</strong> schließen nach intensiven<br />

Zuschauer- und Presseprotesten endlich<br />

ein Koordinationsabkommen, um<br />

Sendungen ähnlicher Ausrichtung auf<br />

Lou van Burg<br />

unterschiedlichen Sendeplätzen auszustrahlen.<br />

*** Zwei beliebte b Ansagerinnen nehmen Abschied vom<br />

Bildschirm, Hilde Nocker (HR) und Mady Manstein (WDR). Neu beim BR:<br />

Petra Schürmann. *** Pro Jahr werden in der BRD 2,3 Millionen neue<br />

Fernsehgeräte hergestellt. Verkaufswert: rund 1,2 Milliarden D-Mark.<br />

*** Guter Griff des <strong>ZDF</strong>: Es kauft 1964 die BBC-Reihe "<br />

Kommissar<br />

Maigret" nach den erfolgreichen Romanen von Georges Simenon. Zum<br />

Publikumsliebling ab 2.1. 1965 wird der englische Hauptdarsteller Rupert<br />

Davies. ***<br />

FILM<br />

Riesenmedienauftrieb am 15.3. im kanadischen Montreal: Hollywood-<br />

Diva Elizabeth Taylor geht ihre fünfte Ehe seit 1950 ein. Diesmal muss<br />

ihr walisischer Kollege Richard Burton dran glauben. Scheidung 1974,<br />

neue Heirat mit Burton am 10.10.1975,<br />

nächste Scheidung bereits am 29.7.1976<br />

... *** Vier Tage zuvor waren die begehrten<br />

Golden Globes verliehen worden. Siegerfilm:<br />

„Der Kardinal" (Regie: Otto Preminger).<br />

*** Am 13.4. gehen in Santa Monica,<br />

Kalifornien, die Oscars an die britische<br />

Produktion „Tom Jones – Zwischen Bett<br />

und Galgen" mit Albert Finney (Film)<br />

sowie in den Hauptdarstellerkategorien an<br />

Sydney Poitier und Patricia Neal. *** Bei<br />

Elizabeth Taylor &<br />

Richard Burton<br />

den Internationalen Filmfestspielen in Cannes (29.4. – 11.5.) wird „Die<br />

Regenschirme von Cherbourg" mit Catherine Deneuve zum Sieger<br />

gekürt. *** Beim Deutschen Filmpreis in Westberlin erhält das „Filmband<br />

in Gold" (dotiert mit 350.000 D-Mark) am 28.6. „Kennwort: Reiher", u.a.<br />

mit Peter van Eyck, Marie Versini und Fritz Wepper; Regie: Rudolf Jugert.<br />

*** Vier Filme mit Musikschwerpunkt bleiben in Erinnerung: „Mary<br />

Poppins" mit Julie Andrews, „My Fair Lady" mit Audrey Hepburn, "<br />

König<br />

der heißen Rhythmen" (Elvis Presley) und das Leinwanddebüt der<br />

Beatles, „Yeah! Yeah! Yeah! / A Hard Day's Night" unter der Regie von<br />

Richard Lester, das am 6.7. Premiere hat. *** Weitere Produktionen, die<br />

ihr Herstellungsjahr weit überdauert haben: Alfred Hitchcocks „Marnie"<br />

(Tippi Hedren), „Alexis Sorbas" mit Anthony Quinn, das Bond-Abenteuer<br />

Goldfinger" (Sean Connery, Gert Fröbe), der Western „Cheyenne"<br />

"<br />

mit Richard Widmark, die Erotikstreifen „Angelique" (Michele Mercier)<br />

und „Fanny Hill" (Letícia Román; Regie: Russ Meyer, Nebenrolle: Chris<br />

Howland); Peter Sellers brilliert in „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte,<br />

die Bombe zu lieben", Jean Marais ist „Fantomas", und Regisseur<br />

Sergio Leone befeuert das Italo-Western-Genre mit dem Klassiker<br />

„Für eine Handvoll Dollar" mit Clint Eastwood und Marianne Koch.<br />

*** Aus dem deutschen Angebot erwähnenswert: „Wolf unter Wölfen"<br />

(nach Hans Fallada, Hauptrolle:<br />

Armin Mueller-Stahl), die<br />

Thomas-Mann-Verfilmungen<br />

„Wälsungenblut" und „Tonio<br />

Kröger", „Der geteilte Himmel"<br />

(nach Christa Wolf). Eine solide<br />

Milieustudie liefert Jürgen<br />

Roland ab, „Polizeirevier<br />

Davidswache". Für guten<br />

Umsatz an den Kassen sorgen weiterhin Leichtbau-Unterhaltung wie<br />

„Freddy und das Lied der Prärie", gleich vier Karl-May-Verfilmungen<br />

(„Old Shatterhand", „Der Schut", „Unter Geiern" und „Winnetou<br />

II"), „Liebesgrüße aus Tirol" sowie der 20. Edgar-Wallace-Krimi der<br />

Nachkriegszeit, „Der Hexer" mit Joachim<br />

Fuchsberger. *** Geboren werden 1964<br />

(inter)nationale Stars in spe: u.a. Nicolas<br />

Cage (7.1.), Matt Dillon (18.2.), Thomas<br />

Heinze (30.3.), Sandra Bullock (26.7.),<br />

Jan Josef Liefers (8.8.) und Katharina Böhm<br />

Sandra<br />

Bullock<br />

(20.11.). Der letzte Vorhang fällt hingegen<br />

für Alan Ladd (29.1.), Peter Lorre (23.3.), den umstrittenen Regisseur Veit<br />

Harlan (u.a. Nazi-Hetzfilm „Jud Süß"; 13.4.), für Komiker Hans Moser<br />

(19.6.), „Bond-Erfinder" Ian Fleming (12.8.) und Harpo Marx (28.9.). ***<br />

MUSIK<br />

Die im Vorjahr eingeläutete Beat-„Revolution" trägt Früchte, der neue<br />

Sound hat aus Richtung Liverpool nahezu die ganze Welt überzogen.<br />

Als Speerspitze sorgen die Beatles für eine bis heute einzigartige<br />

Sensation in den USA: Am 31.3. belegen sie in den maßgeblichen amerikanischen<br />

Billboard-Single-Charts die Plätze 1 bis 5! *** Und London,<br />

Newcastle, Belfast, Birmingham & Co. rüsten<br />

nach: Weißer Rhythm & Blues" ist auf<br />

"<br />

dem Vormarsch, härter und kantiger ausgerichtete<br />

Bands lassen es krachen, angeführt<br />

von den Rolling Stones, Animals, Pretty Things,<br />

Them, der Spencer Davis Group, Kinks, Who,<br />

Manfred Mann und vielen anderen, die schnell<br />

zu (Hit-)Stars avancieren. *** Ein neues Forum<br />

für die schroffen Klänge bietet das First<br />

Rod Stewart<br />

"<br />

British R&B Festival" am 28.2. in der<br />

Birmingham i Town Hall. Unter anderem dabei: Rod Stewart, Long John<br />

Baldry, das Spencer Davis R&B Quartet und The Roadrunners. *** Viele<br />

Songs, die 1964 rund um den Globus entstehen, gehen in die Annalen<br />

ein, wie "House Of The Rising Sun" von den Animals, "Pretty Woman"<br />

(Roy Orbison), "Needles And Pins" (Searchers), "Do Wah Diddy<br />

Diddy" (Manfred Mann), "Leader Of The Pack" (Shangri-Las) und "You<br />

Really Got Me" von den Kinks. *** Auch in der<br />

BRD erspielen sich junge, aufstrebende Bands<br />

ihre Fan-Gemeinden, so die Lords und Boots<br />

aus Berlin und die Hamburger Rattles. *** In<br />

den hiesigen Single-Charts geht es allerdings<br />

nur langsam voran, hier dominieren noch fast<br />

unerschütterlich die Schlagerstars der alten<br />

Schule. Die drei erfolgreichsten Titel des Jahres<br />

sind "Liebeskummer lohnt sich nicht" von<br />

der Schwedin Siw Malmkvist, "Oh My Darling Caroline" (Ronnyy<br />

alias<br />

Wolfgang Roloff aus Bremen) und "Das kannst du mir nicht verbieten"<br />

von Bernd Spier. Bei den LPs werden die ersten Anzeichen einer<br />

Wachablösung deutlicher: Rang 1 und 3 geht an die „Pilzköpfe" (WITH<br />

Seite 78 ■ GoodTimes 2/2014


THE BEATLES und YEAH! YEAH! YEAH!); dazwischen steht die deutsche<br />

Originalaufnahme des Musical-Soundtracks von „My Fair Lady". *** Auch<br />

bei der Vergabe der Bravo-Ottos" bleibt alles eher gemäßigt und<br />

" altbacken. Männer-Stars: Cliff Richard, Freddy<br />

Quinn, Rex Gildo. Damen-Wahl: Connie<br />

Francis, Conny Froboess und Rita Pavone. ***<br />

In<br />

Kopenhagen wird am 21.3. der 9. Grand<br />

Prix Eurovision ausgesungen. Es gewinnt<br />

Gigliola Cinquetti mit "Non ho l'età" für<br />

Italien, mit diesem Titel siegte sie bereits im<br />

Gespann mit Patricia Carli beim San-Remo-<br />

Festival (30.1.–1.2.); auf den Grand-Prix-<br />

Folgeplätzen landen Matt Monro (UK) mit "I Love The Little Things" und<br />

Romuad mit "Ou sont-elles passées" für Monaco. Die hiesigen Farben<br />

vertritt in Dänemark Nora Nova (Ahinora Kumanova, eine 1928 geborene<br />

Deutsch-Bulgarin) und erhält für – ausgerechnet – "Man gewöhnt<br />

sich so schnell an das Schöne" erstmals keinen einzigen Punkt (genau<br />

wie die Vertreter aus Jugoslawien, Portugal und aus der Schweiz). Dieser<br />

Mega-Flop wiederholt sich gleich 1965 für Ulla Wiesner ("Paradies, wo<br />

bist du"); beide bleiben – bei insgesamt 57 Teilnahmen – bis heute die<br />

einzigen Null-Nummern. *** Beim Newport Folk Festival (Rhode<br />

Island, USA) vom 23.–26.7. machen zwei<br />

auftretende Künstler erstmals intensiver<br />

auf sich aufmerksam, Jose Feliciano und<br />

Buffy Sainte-Marie. Sie stellen u.a. ihre<br />

Versionen von "La Bamba" und "Codine"<br />

vor. *** In Frankfurt gründen die gelernten<br />

Jazzer Horst Lippmann (1927–1997)<br />

und Fritz Rau (1930–2013) eine der profiliertesten<br />

deutschen Konzertagenturen,<br />

Lippmann+Rau. *** Immer öfter singen<br />

jetzt bundesdeutsche Sportler: Die Eiskunstlaufstars Manfred<br />

Schnelldorfer ("Wenn du mal allein bist") sowie Marika Kilius ("Wenn die<br />

Soeur Sourire<br />

Cowboys träumen") bzw. Kilius/Bäumler ("Honeymoon in St. Tropez")<br />

schaffen es in der offiziellen <strong>Hitparade</strong> sogar auf die Ränge 4, 2 und<br />

2. *** Die Jahresabrechnungen in Amerika und Großbritannien ergeben<br />

diese Resultate nach Kalenderwochen auf Platz 1: Singles USA/ Beatles<br />

"I Want To Hold Your Hand" (7 Wochen), Beatles "Can't Buy Me Love"<br />

(5), Supremes "Baby Love", Bobby Vinton<br />

"There! I've Said It Again" und Soeur Sourire<br />

"Dominique" (je 4); Singles UK/ Beatles "I<br />

Feel Fine" (6), Beatles "I Want To Hold Your<br />

Hand" (6), Cilla Black "You're My World" (4).<br />

LPs USA/ Beatles A HARD DAY'S NIGHT<br />

(14), Beatles MEET THE BEATLES (11), Soeur<br />

Sourire SINGING NUN (10); LPs UK/ Beatles<br />

WITH THE BEATLES (21), Beatles YEAH!<br />

YEAH! YEAH! (21) und THE ROLLING STONES (12), das Albumdebüt<br />

von Mick Jagger & Co. ***<br />

VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />

Die goldgelbe Erfrischung auf Rekordkurs: Auf einen Pro-Kopf-<br />

Verbrauch von rund 120 Litern steigt der jährliche Bierkonsum der<br />

Bundesbürger. Auf Statistik-Platz 2: Milch, mit 110 Litern. *** Populäre<br />

Bücher des Jahres: „Der Spion, der aus der Kälte kam" (John le Carré),<br />

„Wendekreis des Krebses" (Henry Miller), „Hundejahre" (Günter Grass),<br />

„In der Sache J. Robert Oppenheimer" (Heinar Kipphardt). *** Am 18.3.<br />

gastiert erstmals die Peking-Oper aus China in Frankfurt/Main. *** "<br />

Die<br />

kleine Meerjungfrau", Kopenhagener Wahrzeichen, wird am 24.4.<br />

von Randalierern enthauptet. Der Kopf der Skulptur des Bildhauers<br />

Edvard Eriksen bleibt verschwunden. *** 328 Todesopfer fordert eine<br />

Massenpanik im Nationalstadion von Lima am 24.5., ausgelöst<br />

durch eine Schiedsrichterentscheidung beim Fußball-Qualifikationsspiel<br />

Peru – Argentinien. *** Der Liter Normalbenzin kostet in der BRD<br />

durchschnittlich 57 Pfennig (ca. 28 Cent). *** Modisch im Trend liegen<br />

in diesem Jahr der „Weltraum- und Mondmädchen-Look" von André<br />

Courrèges, Hängekleidchen und Miniröcke von Mary Quant und Obenohne-Badeanzüge<br />

von Rudi Gernreich. *** Am 22.4. beginnt Teil 1<br />

der Weltausstellung in New York (Ende am 18.10., Fortsetzung 1965).<br />

*** Das Musical „Anatevka" feiert eben dort am 22.9. Uraufführung.<br />

*** 60 Prozent der Bundesbürger urlauben am liebsten in der Heimat<br />

(Bayern, Schwarzwald, Nord- und Ostsee). Auslandsfavoriten sind<br />

Österreich, Italien, die Schweiz. *** Am 27.6. nimmt die staatliche<br />

Rundfunkanstalt ORTF die Arbeit auf. Vorbild ist die britische BBC. ***<br />

Nachhaltige Werbeslogans in der BRD: „Ajax,<br />

der weiße Wirbelwind" (Reinigungsmittel),<br />

„Nogger dir einen!" (Speiseeis), „Pack den<br />

Tiger in den Tank!" (Benzin). *** Weltweit<br />

kommen Plastiktüten als Transportmittel<br />

in Mode – der generelle Trend geht zur<br />

Kunststoffverpackung. Umweltgedanken spielen<br />

dabei keine Rolle. *** Am 1.8. steigt der<br />

Preis pro Telefongesprächseinheit von 16<br />

auf 20 Pfennig. Nach massiven Protesten:<br />

Rücknahme auf 18 Pfennig. *** Start für<br />

ein Kultmodell: Am 9.3. läuft in Dearborn,<br />

Michigan, der erste Ford Mustang vom Band.<br />

*** Erschütterungen im Eis: Das „Große Alaska-<br />

Beben" (auch „Karfreitags-Beben" genannt) ist<br />

am 27.3. das schwerste jemals in den USA gemessene Erdbeben. b<br />

*** Die<br />

erste Direktflugverbindung von der BRD in die Sowjetunion wird am<br />

3.5. eröffnet. *** Auf bundesdeutschen Straßen sind inzwischen rund<br />

37.500 Wohnwagen unterwegs. *** Der Pädagoge Georg Picht macht<br />

als früher Mahner auf sich aufmerksam. Er warnt mit seinem Buch Die "<br />

deutsche Bildungskatastrophe". *** Am 10.9. wird der einmillionste<br />

Gastarbeiter" in der BRD empfangen – es ist ein Portugiese,<br />

"<br />

der zur Begrüßung ein Moped geschenkt bekommt. *** Katastrophe<br />

im Hafen der algerischen<br />

Stadt Bone, als der Frachter<br />

"<br />

Star Of Alexandria"<br />

explodiert. Über 100 Tote,<br />

rund 180 Verletzte. *** Der<br />

Amerikaner William P. Lear<br />

erfindet die Achtspur-<br />

Ford Mustang<br />

Tonbandkassette. ***<br />

Nach Deutschland und den USA führt die Schweiz als erst drittes di Land<br />

am 26.6. ein Postleitzahlsystem ein. *** Den Friedensnobelpreis<br />

erhält am 10.12. der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King<br />

(ermordet am 4.4.1968 in Memphis, Tennessee). Der Nobelpreis für<br />

Literatur geht an den französischen Philosophen Jean-Paul Sartre –<br />

er lehnt die Auszeichnung ab. *** Neuerungen vom Automobilmarkt:<br />

Studebaker führt serienmäßig<br />

Sicherheitsgurte ein; General Motors<br />

testet Punktschweißroboter in der<br />

Fertigung; NSU bringt den zweisitzigen<br />

Wankel Spider auf den Markt,<br />

den ersten Pkw mit Wankelmotor. 2375<br />

Exemplare werden bis 1967 verkauft<br />

(Preis: 7000 bis 8500 D-Mark). ***<br />

Geburtstage 1964: Boxer Henry Maske<br />

Martin Luther King<br />

(6.1.), Kabarettist Rüdiger Hoffmann<br />

(30.3.), Fußballspielerin/Bundestrainerin l i Silvia Neid (2.5.), Musiker<br />

Lenny Kravitz (26.5.), Schwimmer Michael Groß (17.6.), Showmasterin<br />

Linda de Mol (8.7.), Skispringer Jens Weißflog (21.7.), Fußballer/<br />

Nationaltrainer Jürgen Klinsmann (30.7.), Hammondorgel-Virtuosin<br />

Barbara Dennerlein (25.9.), Jazzmusikerin Diana Krall (16.11.), Multitalent<br />

Hape Kerkeling (9.12.), Schauspieler Ben Becker (19.12.). *** Es sterben<br />

1964: der englische Bluesmusiker Cyril Davies (7.1.), der kanadische<br />

Schienenverkehrstechnik-Erfinder und -Unternehmer Joseph-Armand<br />

Bombardier (18.2.), Schriftsteller Brendan Behan aus Irland (20.3.), die<br />

Skirennläuferin Barbara „Barbi" Henneberger (12.4.),<br />

der erste indische Premierminister Jawaharlal<br />

Nehru (27.5.), Countrysänger Jim Reeves<br />

(31.7.), Rockabilly-Star Johnny Burnette<br />

(14.8.), Schriftsteller Werner Bergengruen<br />

(4.9.), Komponist Cole Porter (15.10.),<br />

Ex-Außenminister Heinrich von Brentano<br />

(di Tremezzo) (14.11.), Soulsänger Sam<br />

Cooke (11.12.).<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 79<br />

Hape Kerkeling


KNOPF IM OHR<br />

Der Siegeszug<br />

der Stofftiere<br />

von Steiff<br />

Von Jörg Trüdinger<br />

"<br />

Ein Tier von Steiff – für immer dein!" Dem<br />

Erfi nder dieses Werbespruchs gehört auch heute,<br />

Jahrzehnte nach seinem Geniestreich, noch ein<br />

Denkmal gesetzt. Vor allem, weil der Slogan für viele<br />

Generationen deutscher Kinder seine Gültigkeit hatte<br />

und noch immer hat. Nach wie vor bekommen unzählige<br />

Kinder in Deutschland von Oma, Opa, Onkel<br />

oder Tante bereits zur Geburt ein<br />

Steiff-Tier geschenkt, meist einen<br />

der weltbekannten Teddys<br />

oder einen Schlafhasen bzw.<br />

eine Schlafkatze. Viele dieser<br />

Tiere begleiten ihren Besitzer ein<br />

Leben lang, sitzen noch bei erwachsenen Männern und<br />

Frauen auf dem Kopfkissen oder werden später an die<br />

eigenen Kinder weitervererbt. Wie konnte es eine kleine<br />

Firma aus dem schwäbischen Giengen an der Brenz<br />

aber so weit bringen, dass ihre Produkte weltweit angesehen<br />

sind und massenhaft gekauft werden, ja für viele<br />

Menschen geradezu der Inbegriff des Stofftieres sind?<br />

Breuni<br />

– bis heute<br />

Maskottchen<br />

der Firma<br />

Breuninger<br />

Steiff-Teddy aus den<br />

50er Jahren<br />

Crabby groß<br />

und klein<br />

Margarete Steiff, 1847 in politisch und wirtschaftlich<br />

schwierigen Zeiten geboren, die seit ihrer Kinderlähmung<br />

in frühester Kindheit zeitlebens an ihren Rollstuhl<br />

gefesselt war, kann als wirklich außergewöhnliche Frau bezeichnet<br />

werden. Zu einer Zeit, als es nicht gerade üblich war, dass eine Frau<br />

zur Unternehmerin wurde, gründete sie trotz ihrer Behinderung voller<br />

Selbstbewusstsein im Jahre 1880 die Margarete Steiff GmbH. Im Jahr<br />

zuvor hatte sie in der Zeitschrift „Modewelt" e ein Schnittmuster für<br />

einen Stoffelefanten gesehen, woraufhin sie den Elefanten<br />

zum Spaß eigenhändig anfertigte, aber nicht aus<br />

Stoff, sondern aus Filz. Der Elefant kam gut<br />

an und<br />

war schon bald ihr erster Verkaufsschlager. er. Recht<br />

schnell weitete sie dann ihre Produktion aus<br />

und<br />

stellte Mitarbeiterinnen ein. 1892 wurde der erste<br />

Verkaufsslogan kreiert, ein Spruch, der ebenfalls<br />

enfa<br />

bis heute Gültigkeit besitzt: „Für Kinder ist nur<br />

das Beste gut genug." Zu diesem Zeitpunkt hatte<br />

man die Produktion schon so stark erweitert, ert,<br />

dass<br />

man als Rohmaterialien unter anderem Filz, Plüsch,<br />

Felle, Holz und Metall verwendete. Wiederum keine<br />

e<br />

zehn Jahre später – um die Jahrhundertwende end<br />

– war<br />

die Margarete Steiff GmbH bereits international tio<br />

nal tätig, ti<br />

und 1902 gelang ihr mit einem von Richard Steiff, f, dem<br />

Neffen der Firmengründerin, designten n Bären<br />

der große Durchbruch. Der nach dem<br />

amerikanischen<br />

Präsidenten Theodore Roosevelt benann-<br />

n-<br />

te Teddybär in gegliederter Form mit beweglichen Armen, Beinen und<br />

Kopf ist der Urahn aller bis heute hergestellten Teddys.<br />

Um sich von der schnell zunehmenden Konkurrenz abzuheben,<br />

suchte man fieberhaft nach einem unverwechselbaren<br />

Markenzeichen. Das fand man im Jahr 1904. Seit damals haben nahezu<br />

alle Steiff-Tiere einen Knopf im Ohr, und zwar im linken. Bei Tieren<br />

ohne Ohren wird der Knopf an irgendeiner anderen Stelle befestigt,<br />

so dass man daran immer das echte Steiff-Tier erkennt. In den<br />

folgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Unternehmen<br />

dann<br />

zum<br />

weltweit wichtigsten und vor allem bekanntesten<br />

en<br />

Hersteller von Stofftieren. Der Zweite Weltkrieg<br />

bedeutete allerdings für Steiff, wie für die meisten<br />

anderen deutschen Unternehmen, eine große Zäsur.<br />

Nach<br />

der kriegsbedingten Produktionsunterbrechung<br />

wurden jedoch schon Ende der 40er Jahre wieder<br />

Steiff-Tiere hergestellt. Da man aber nur billigen<br />

Kunstseidenplüsch zur Verfügung hatte und diese<br />

qualitativ minderwertigen Tiere im Ausland kaum zu<br />

verkaufen waren, lief die Produktion recht mühsam<br />

an. In<br />

Deutschland selbst fehlte den Menschen das<br />

Geld für derartige „Luxusprodukte". Erst als ab 1948<br />

wieder er Mohair zur Verfügung stand, gelang es, in<br />

anderen Ländern neuerlich Fuß zu fassen und die<br />

Flaute auf dem heimischen Absatzmarkt allmählich<br />

auszugleichen.<br />

ugl<br />

Seite 80 ■ GoodTimes 2/2014


Mit den 50er Jahren und dem deutschen<br />

Wirtschaftswunder begann dann auch für die<br />

Firma Steiff ein goldenes Zeitalter. Erste große Erfolge<br />

konnte man verbuchen, als es 1951 gelang, die Rechte am<br />

„Hörzu"-Igel Mecki zu bekommen und Steiff direkt von<br />

Walt Disney die Genehmigung erhielt, eine Stoffvariante<br />

des Zeichentrickfilmstars Bambi herzustellen. In den<br />

folgenden Jahren wurde das Programm konsequent<br />

ausgebaut. Ende der 60er Jahre waren bei Steiff bereits<br />

2000 Mitarbeiter beschäftigt, und es gab vermutlich in<br />

bundesrepublikanischen Haushalten kaum ein Kind, das<br />

ohne Steiff-Tier aufwachsen musste. Der Händlerkatalog<br />

des Jahres 1966 war über 60 Seiten stark und umfasste<br />

ein Angebot von mehreren hundert verschiedenen n<br />

Tieren. Neben den vierbeinigen Freunden hatte man<br />

zu dieser Zeit das Angebot an anderen Spielwaren<br />

bereits ebenfalls stark erweitert. Es gab Stoff- und<br />

Kunststoffdrachen, Holzbauspiele, Kinderschubkarren<br />

und Holzroller im Sortiment. Besonders umfangreich<br />

war das Angebot an robusten Spielfahrzeugen, die für<br />

den Einsatz im Sandkasten konzipiert waren und zuerst<br />

aus Hartholz, später auch aus Plastik gefertigt wurden.<br />

Bei Sammlern heute besonders beliebt und gesucht sind<br />

das Modell des Mercedes Unimog und der VW Transporter vom<br />

Typ 1 mit Doppelkabine! Leider haben von diesen Fahrzeugen viele den<br />

Einsatz im Garten nicht überstanden und wurden früher oder später<br />

weggeworfen, so dass es jetzt, 40 Jahre später, sehr schwer<br />

ist, wirklich gut erhaltene Spielfahrzeuge von Steiff<br />

zu bekommen.<br />

Bei Liebhabern ebenfalls heiß<br />

begehrt sind Tiere, welche bereits<br />

vor 40 oder 50 Jahren eher für erwachsene<br />

Sammler gefertigt wurden oder<br />

bei den Kindern nicht auf die von<br />

Steiff erhoffte Nachfrage trafen. Von<br />

diesen Tieren gibt es<br />

eine ganze Menge,<br />

und man staunt, was<br />

damals alles an exotischen<br />

Tieren vertrieben wurde: Bei den<br />

Meerestieren gab es etwa den Hummer<br />

Crabby, eine Forelle und ein Seepferd.<br />

Besonders ausgefallen und fast unmöglich<br />

zu finden ist der Seestern Starly als<br />

Sitzkissentier. Auch die Vogelwelt ist<br />

im Steiff-Programm der 50er und 60er<br />

Jahre stark vertreten: Das reicht von<br />

den üblichen Enten und Gänsen<br />

über einen Pelikan und<br />

Truthähne bis zu einem<br />

Vogel Strauß in beeindruckender<br />

Lebensgröße<br />

von 220 Zentimetern. Für<br />

Dackel Waldili<br />

Kinder, die sich eher der<br />

Urzeit verschrieben hatten,<br />

stellte man den Neandertaler in zwei Größen<br />

her, und exklusiv für Amerika gab es zwei verschiedene<br />

Dinosaurier. Zu Dekorationszwecken<br />

in Spielwarengeschäften wurde ein fast vier<br />

Meter langer Dinosaurier produziert. Für das<br />

deutsche Publikum war dieser, ebenso wie seine<br />

zum Verkauf gedachten kleineren Pendants –<br />

ein Tyrannosaurier, ein Brontosaurier und ein<br />

Stegosaurier –, aber wohl zu modern. Zumindest<br />

wurden sie nur in den USA abgesetzt.<br />

Neandertaler<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 81<br />

Relativ häufig auf Flohmärkten zu finden sind<br />

die drei Zwerge Gucki, Lucki und Pucki, allerdings<br />

sind sie meist nicht gut erhalten. Da gingen in den vergangenen<br />

Jahrzehnten doch viele Hüte und Schuhe verloren. Der Dackel<br />

Waldili in grüner Jägeruniform mit Holzgewehr wiederum war mit<br />

Sicherheit nicht als Spielzeug für Kinder gedacht, da hatte man<br />

vermutlich eher erwachsene Jäger im Blick. Eines der kuriosesten<br />

Tiere, das gleichermaßen von Sportfans, Designfreunden und<br />

Steiff-Tiersammlern gesucht wird, ist der „Olympia Waldi",<br />

das Maskottchen der Olympischen Spiele<br />

von München 1972. Bunter als dieser Hund<br />

in Regenbogenfarben geht es nicht. Otl<br />

Aicher, der Gestaltungsbeauftragte der<br />

Olympischen Spiele in München, zeichnete<br />

für den in bester Pop-Art und<br />

Hippiemanier gestalteten Hund verantwortlich,<br />

bei dem es sich<br />

übrigens um das erste offizielle<br />

Olympia-Maskottchen seit<br />

1896 handelte.<br />

U<br />

nd schließlich gab es da noch<br />

eine unglaubliche Vielzahl an<br />

Tieren, die im Auftrag verschiedenster<br />

Unternehmen hergestellt wurden.<br />

In Stuttgart seit Jahrzehnten bekannt<br />

und beliebt ist der „Breuni-Bär" des Kaufhauses<br />

Breuninger, natürlich gab es den auch von Steiff. Und wer nach<br />

Ulm kam, um das Münster zu besichtigen, kaufte sich vielleicht<br />

eine Miniaturausführung des Ulmer Spatzen, der daran<br />

scheiterte, Nestbaumaterial quer in sein Nest<br />

zu bringen. Weniger bekannt sind dagegen<br />

Tiere wie die Blattlaus Peck, die in kleinster<br />

Stückzahl zu Werbezwecken für<br />

ein Pflanzenschutzmittel hergestellt<br />

und wohl verschenkt wurde. Deutlich<br />

im vierstelligen Eurobereich<br />

liegt hingegen heute der<br />

Sammlerpreis<br />

für den originalen<br />

„Bärenmarke<br />

Bären", der in<br />

Mini-Auflage 1960 zu<br />

Werbezwecken für Deutschlands<br />

beliebteste Dosenmilch angefertigt wurde.<br />

Wer aufmerksam über Flohmärkte<br />

geht oder Zeit hat, um intensiv im<br />

Spinne Spidy<br />

Internet zu stöbern, kann immer wieder schöne<br />

und oft sogar seltene Tiere zu einem güns tigen Preis<br />

erwerben. Man sollte aber genau aufpassen, was man kauft,<br />

denn immer wieder werden bei Tieren der Knopf im Ohr<br />

oder das Brustschild ausgetauscht bzw. nachgemachte<br />

eingesetzt. Für den Sammlerwert eines Steiff-Tieres<br />

ist neben der Seltenheit in erster Linie der Zustand<br />

entscheidend. Ein sehr gut erhaltenes Tier kann<br />

das Mehrfache eines weniger gut erhaltenen wert<br />

sein. Besonderes Augenmerk legen Sammler auf<br />

besagten Knopf im Ohr, auf die mit dem Knopf<br />

befestigte Fahne und das Brustschild. Das<br />

Fehlen eines dieser Merkmale mindert den Wert<br />

des Objekts mindestens um 20 bis 30 Prozent.<br />

Beim Sammeln von Steiff-Tieren gilt eben das<br />

Gleiche wie bei vielen anderen Sammelgebieten:<br />

Wichtig ist es, auf die Qualität der Sammlung<br />

zu achten, nur hochwertige Stücke kann man<br />

wieder zu einem vernünftigen Preis verkaufen.<br />

Hunderte schmuddeliger Steiff-Katzen oder<br />

-Hunde taugen<br />

dagegen meist nur<br />

als Staubfänger und<br />

machen dann recht<br />

schnell keine Freude mehr.<br />

Peck,<br />

die Blattlaus<br />

Bambi


Schnitzler gegen Löwenthal<br />

Der Kalte Krieg<br />

auf der Mattscheibe<br />

Von Oliver Schuh<br />

Für den einen war "<br />

das Leben im Westen schlecht und<br />

die Verhältnisse armselig", während für den anderen die<br />

Friedensbewegung aus "<br />

Moskauer Partisanen" und die sozialdemokratischen<br />

Vertreter der neuen Ostpolitik aus "<br />

kommunistischen<br />

Agenten" bestanden. Weiter auseinander als "<br />

Der<br />

schwarze Kanal" im DDR-Fernsehen und das "<br />

<strong>ZDF</strong>-Magazin"<br />

im westdeutschen Kanal können Politsendungen nicht liegen.<br />

Karl Eduard von Schnitzler – Nachwende-Spitzname „Sudel-Ede" –<br />

verteufelte in seiner Propagandasendung 29 Jahre lang die Zustände<br />

in der Bundesrepublik, indem er angeblich entlarvende Ausschnitte aus<br />

dem Westfernsehen zeigte. Da es noch keine Magnetaufzeichnungen<br />

gab, filmte Schnitzler anfangs die Sendungen direkt vom Bildschirm ab.<br />

Bezeichnend war schon der Vorspann des „Schwarzen Kanals": Der<br />

Bundesadler mit schwarz-weiß-rotem Brustband – Ausdruck der angeblich<br />

nationalkonservativen West-Gesinnung – landet etwas wackelig<br />

auf einem Wald von Fernsehantennen, kann das Gleichgewicht nicht<br />

halten und stürzt jäh ab. Symbolisieren sollte dieser Trickfilm den von<br />

Schnitzler unterstellten Versuch westlicher Medien, Propagandalügen<br />

über den real existierenden Sozialismus zu verbreiten.<br />

Die gezeigten Szenen waren meist von Schnitzler sinnentstellend gekürzt<br />

bzw. speziell angeordnet worden. Zusammengeschnittene Originalzitate<br />

von Lübke, Strauß und Adenauer konnten so ein manipuliertes Bild vom<br />

„Klassenfeind" aufzeigen.<br />

Speziell in den 60er sowie Anfang der 70er Jahre wurde „Der schwarze<br />

Kanal" im Politikunterricht bei der Nationalen Volksarmee sowie den<br />

Grenztruppen verwendet, und auch für den Staatsbürgerkunde-Unterricht<br />

bildete die Sendung eine Grundlage. Als die Entspannungspolitik zwischen<br />

den beiden deutschen Staaten in Gang gekommen war, wurde Schnitzler<br />

angewiesen, keine Attacken mehr gegen bestimmte deutsche West-<br />

Politiker zu reiten. Fortan schwenkte er auf Systemkritik um und prangerte<br />

nun Themen wie Waffengeschäfte<br />

des Westens, Frauendiskriminierung,<br />

Arbeitslosigkeit etc. an.<br />

Dagegen setzte Gerhard Löwenthal in<br />

der BRD die „Hilferufe von drüben".<br />

Sein „<strong>ZDF</strong>-Magazin" sollte nach dem<br />

Verständnis des Moderators auch ein<br />

Forum für DDR-Bürger sein, in dem sie<br />

unter anderem als Opfer der SED-Diktatur ihre Sorgen loswerden konn-<br />

ten. Erstmals am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 1975 ausgestrahlt,<br />

verzeichnete die Rubrik „Hilferufe" einen stetigen Anstieg der<br />

Zahl von Meldungen „von drüben", in denen DDR-Bürger ihren Wunsch<br />

nach Ausreise bekräftigten. Die Aktion wurde insbesondere deshalb kritisiert,<br />

weil Löwenthal komplette Angaben zu Name und Anschrift der<br />

jeweiligen Beschwerdeführer machte.<br />

Gerhard Löwenthal polarisierte im Westen mehr als Karl Eduard von<br />

Schnitzler im Osten. Gerne machte man sich über das grimmige Gesicht<br />

des Ersteren lustig, der laut Tagespresse manchmal dreinblickte, als<br />

hätten die Kommunisten die Sendezentrale besetzt. Über Schnitzler<br />

kursierte der Witz des „Schni": Dieser Namensfetzen entspricht einem<br />

Hundertstels der Zeit, die man brauchte, um zu Beginn von „Der schwarze<br />

Kanal" das TV-Programm zu wechseln.<br />

Löwenthal positionierte das „<strong>ZDF</strong>-Magazin" als rechtskonservativen<br />

Gegenpol zu den linksliberalen Politmagazinen wie „Panorama"<br />

und „Monitor". Hierbei erhielt er ausdrückliche Unterstützung der<br />

Karl Eduard von Schnitzler<br />

Gerhard Löwenthal<br />

Sendeleitung. Sein Credo: „nach schadhaften Stellen in unserer<br />

Demokratie zu fahnden" sowie „unabhängig, entschieden und furchtlos"<br />

Stellung zu beziehen.<br />

Letzteres tat er auch bei Wahlkampfveranstaltungen der CDU und<br />

CSU, was ihm unter anderem viele Unmutsbekundungen im Sender<br />

einbrachte, allerdings eher von der Basis. Die Redakteursversammlung<br />

des <strong>ZDF</strong> forderte 1970 die Umbenennung der Sendung, weil der Titel<br />

dem Zuschauer suggeriere, für die politische Ausrichtung des ganzen<br />

Senders zu stehen.<br />

Auch tendenziell rechtslastige Äußerungen wurden von der Senderspitze<br />

weder moniert noch sanktioniert. Nach der Weigerung Löwenthals, sich<br />

von entsprechenden Kommentaren zu distanzieren, baten immerhin<br />

9 von 13 Redakteuren um ihre Versetzung. Mit Feststellungen wie<br />

„Heinrich Böll ist ein Sympathisant des Linksfaschismus!" hatte sich<br />

der Moderator nicht unbedingt nur<br />

Freunde gemacht.<br />

Der „Schreibtischtäter" (Zitat<br />

Willy Brandt) und „internationale<br />

Störenfried" (Zitat Herbert Wehner)<br />

wurde im Dezember 1987 „unter<br />

dem Druck des Linkskartells in die<br />

Zwangspensionierung<br />

geschickt"<br />

(Zitat Gerhard Löwenthal). Dabei hatte er mit 65 Jahren schlichtweg<br />

die Altersgrenze erreicht. Die Darstellung dieses Umstandes fand in der<br />

DDR natürlich ganz anders statt. Löwenthals Ruhestand wurde vom<br />

Ministerium für Staatssicherheit gefeiert wie ein Sieg.<br />

Aber die Realpolitik holte nicht zuletzt den „schwarzen Kanal" ein. Am<br />

30. Oktober 1989 wurde auch diese Sendung abgesetzt. Unterm Strich<br />

hatte sie immerhin mit 1519 zu 591 Ausgaben gewonnen.<br />

Gerhard Löwenthals Stasi-Akte füllte 25 Aktenordner, von denen 16<br />

noch erhalten sind.<br />

Schnitzlers letzte Worte auf Sendung waren: „Der Klassenkampf geht<br />

weiter, also auch die aktuelle streitbare Polemik. In diesem Sinne werde<br />

ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die<br />

einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus<br />

fortsetzen, als Waffe im Klassenkampf zur Förderung<br />

und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes.<br />

Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und<br />

Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: auf<br />

Wiedersehen."<br />

Seite 82 ■ GoodTimes 2/2014


<strong>kult</strong>! Abo-Schein<br />

✘❏ Ja,<br />

ich möchte ein<br />

<strong>kult</strong>! -Abonnement<br />

• kostenlose Lieferung<br />

• Zustellung früher als im Einzelhandel<br />

• sicher verpackt<br />

• keine Ausgabe verpassen<br />

Auch bestellbar unter:<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

Kommende geplante Ausgaben:<br />

Nr. 11 (1/2015) erscheint am 17.10.2014<br />

Nr. 12, Nr. 13 usw.<br />

(Nr. 1–10 weiterhin erhältlich)<br />

❏<br />

per Bankeinzug<br />

Es wird die jeweils anstehende Ausgabe mit dem aktuell gültigen Copypreis (derzeit € 6,50 – keine Versandkosten)<br />

abgebucht. Das Abo kann laufend gekündigt werden.<br />

Bank: _____________________________________________ BIC (nur Ausland): _____________________________<br />

IBAN: ________________________________________________________________________________________________<br />

Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />

Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />

Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />

PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />

Telefon: ____________________ Fax: _____________________ E-Mail: _______________________________<br />

❏<br />

per Vorabüberweisung<br />

Überweisen Sie bitte vorab für ein oder auch mehrere künftige <strong>kult</strong>!-Ausgaben (je 6,50 €) auf folgendes Konto:<br />

NikMa Verlag · Kreissparkasse Ludwigsburg · Konto: 108 294 · BLZ: 604 500 50<br />

IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94 · BIC: SOLADES1LBG · Betreff: <strong>kult</strong>!-Abo Ausgabe(n) Nr. 11, 12 usw.<br />

Abo-Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 83


<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong><br />

Uwe Hübner<br />

erinnert<br />

sich an die<br />

spannenden<br />

Neunziger<br />

Von Philipp Roser<br />

Journalist,<br />

Sprecher, Redakteur,<br />

Dramaturg und Moderator führt<br />

das mehr oder weniger allwissende<br />

Online-Lexikon Wikipedia als berufliche<br />

Tätigkeiten von Uwe Hübner an. Damit sind<br />

aber längst nicht alle Tätigkeitsfelder des inzwischen<br />

53-Jährigen abgedeckt, der am 10. Januar<br />

1990 als Nachfolger von Viktor Worms erstmals die<br />

<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong>" moderierte – bis zum Dezember<br />

"<br />

2000, ganze elf Jahre lang. Grund genug, anlässlich<br />

der Veröffentlichung der jeweils drei Tonträger<br />

umfassenden CD- und DVD-Boxen 45 Jahre <strong>ZDF</strong><br />

"<br />

<strong>Hitparade</strong>" mit Uwe Hübner zu sprechen.<br />

Herr Hübner, Sie gehen übermorgen aufs Schiff – warum?<br />

Ich begleite eine Howard-Carpendale-Fanreise.<br />

Sie sind multi-aktiv – als Chefredakteur von "<br />

Hit-Paradies", als<br />

Manager von Künstlern und im Rahmen einer Eventagentur. Da<br />

haben Sie gut zu tun?!<br />

Ja (lacht), in der Tat. Das „Hit-Paradies" ist ein Branchenmagazin, für<br />

die Schlagerszene inzwischen das meinungsbildende und trendsetzende<br />

Magazin. Dann gibt es die Beach-<strong>Hitparade</strong>, Deutschlands wohl größter<br />

DJ-Pool. Dazu mache ich das Management interessanter Künstler wie<br />

Michael Fischer, der für mich eine Ausnahmestimme hat. Seit Rosenstolz<br />

ist er für mich die größte Entdeckung. Er macht sehr moderne Schlager.<br />

Wie lief das bei Rosenstolz?<br />

Bei der IFA-Talentshow 1993 habe ich die durchgedrückt, damit sie zum<br />

ersten Mal Fernsehen bekamen. Das <strong>ZDF</strong><br />

wollte nicht, das war denen zu schräg, aber<br />

ich habe das moderiert und gesagt: Wir müssen<br />

auch mal andere Wege gehen, es sollte<br />

durchaus auch mal ein bisschen ungewöhnlich,<br />

schräg und schrill sein. Gerade in Berlin<br />

bei der Internationalen Funk-Ausstellung ...<br />

In diesen Tagen erscheinen die neuen<br />

CD- und DVD-Boxsets "<br />

45 Jahre <strong>ZDF</strong><br />

<strong>Hitparade</strong>" – da kommen bei Ihnen sicher<br />

viele Erinnerungen hoch?<br />

Natürlich. Ich muss sagen, ich war gar nicht so unfroh, als es aufgehört<br />

hat, weil man als Moderator in Deutschland immer in einer Schublade<br />

steckt. Ich habe damals auch schon Sport moderiert oder Talkshows<br />

gemacht, aber das wollte man dem Hübner nicht zubilligen, weil er<br />

immer nur auf der Schlagerschiene war. Deswegen war mein eigener<br />

Abschied nicht so traurig, aber ich habe danach feststellen müssen,<br />

dass für die Schlagerfans ein echtes Loch entstanden ist. Das hatte ich<br />

mir so nicht vorgestellt, dass keine Sendung nachkommt, die den aktuellen<br />

deutschen Musikmarkt so umfassend beleuchtet, wie das in der<br />

<strong>Hitparade</strong> der Fall war. Wenn Sie mich vor vier, fünf Jahren gefragt hätten,<br />

hätte ich gesagt: Eine <strong>Hitparade</strong> hat momentan keinen Sinn – weil<br />

wir noch keine neuen Persönlichkeiten hatten. Da hätten wir dieselben<br />

alten Verdächtigen nehmen müssen wie damals. Doch jetzt kommen<br />

neue Leute nach, wie Helene Fischer, Andreas Gabalier oder Santiano.<br />

Deswegen wäre heute so eine Sendung interessant, aber die Macher<br />

gehen da nicht ran, das ist ihnen zu heikel. Deswegen mache ich eine<br />

DJ-<strong>Hitparade</strong>. Da lassen wir mit den jungen, tanzbaren Themen die gute<br />

alte Zeit wieder aufleben.<br />

Wie sind Sie damals überhaupt zu dem Moderatoren-Job bei<br />

der "<br />

<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong>" gekommen?<br />

Der damalige Unterhaltungschef des <strong>ZDF</strong>, Wolfgang Penk, hat sich bei<br />

RTL umgehört. Dort gab es ein geheimes Moderatorenranking, wer<br />

gerade beim Publikum gut ankommt. Ich<br />

hatte das Glück, zur damaligen Zeit bei RTL<br />

der Hauptpräsentator des Abendprogramms<br />

zu sein und eine ziemlich freche Spielshow<br />

zu moderieren. Penk wollte keinen Schlager-<br />

Fuzzi, keinen Redakteur, keinen, der mit der<br />

Szene verbunden ist, sondern jemand ganz<br />

Frischen, der mit Schlagern nichts zu tun<br />

hatte.<br />

Sie haben sich zum Ende der <strong>Hitparade</strong><br />

kritisch geäußert, auch über das Nicht-<br />

Verhältnis zu Ihrem Vor-Vorgänger Dieter Thomas Heck. Hat sich<br />

das seit 2000 geändert?<br />

Nein. Er weicht mir bei Veranstaltungen aus, hat bei RTL in die Kamera<br />

gesagt: „Hübner – wer ist das?" Ich weiß nicht, was ihn da treibt. Ich<br />

finde es sehr schade, weil ich ihn früher klasse fand. Meine Mutter hat<br />

mir erzählt, dass ich seine Sendung liebend gerne gesehen habe und<br />

dann nach der Sendung mit der Zahnbürste im Kinderzimmer verschwunden<br />

sei und nicht gesungen, sondern moderiert hätte. Da habe<br />

ich zu spüren bekommen, wie das in dem knallharten Geschäft ist, als<br />

Seite 84 ■ GoodTimes 2/2014


Fotos: © Sony Music<br />

Einzelkämpfer, als Moderator. Und ich habe einen, entscheidenden Fehler<br />

gemacht. Er hatte gehofft, dass man ihn zurückholt, wenn Viktor Worms<br />

keinen Erfolg hat, dass er wieder alles pur deutsch und mit Livegesang<br />

macht. Ich habe das gemacht, was er machen wollte – ohne dass ich<br />

das wusste. Ich habe das auch immer im <strong>ZDF</strong> gesagt: Ihr müsst wieder<br />

pur-deutsch werden, ihr müsst live werden, ihr müsst Leistung zeigen,<br />

weil die Menschen draußen eine Sendung erleben wollen, in der man<br />

sieht, wer wirklich singen kann. Erst hat sich das <strong>ZDF</strong> quergestellt, aber<br />

ich habe mich dann doch durchsetzen dürfen. Das hat ja auch alles mehr<br />

Geld gekostet, es musste ein Probentag entwickelt werden. Und das hat<br />

er (Heck) mir wohl übelgenommen, dass ich seine Idee kaputtgemacht<br />

habe. Am Anfang war ich darüber sehr betrübt und habe mich sehr geärgert,<br />

auch weil die „Bild am Sonntag" instrumentalisiert wurde, um mich<br />

zu zerstören. Wenn Sie auf dem Titel der „Bild" sind und eine Seite im<br />

Blatt haben, wo es heißt: „Ekelt der kleine Hübner den großen<br />

Heck raus?", dann können Sie sich vorstellen, dass ich<br />

damals nicht die Verbindungen zur „Bild" hatte, sondern<br />

der große Heck. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen.<br />

Wie war das Verhältnis zu Viktor Worms?<br />

Gut, weil Viktor seine Sendung sehr gelassen losgelassen hat.<br />

Er war ein hervorragender Programmdirektor bei Antenne<br />

Bayern und ein super Moderator. Dass ihm die Sendung<br />

per se nicht so gelegen hat, weil er kein so großer<br />

Schlagerfan ist, hat er selber irgendwann eingestanden.<br />

Ich war auch kein Schlagerfan, als ich da angefangen<br />

habe. Wie gesagt, ich war fachfremd und habe mich da<br />

eingearbeitet – aber ich war sehr interessiert. Ich liebe<br />

Menschen und bin sehr neugierig auf sie. Deswegen war<br />

ich interessiert: Wie ist eine Gitte, wie ist ein Rex Gildo,<br />

wie ist ein Roy Black? Von daher war das eine spannende<br />

Geschichte für mich, bis heute.<br />

Als Sie die Sendung übernahmen, gab es ein paar<br />

Neuerungen: die Show-News, die Ermittlung der<br />

Sieger wieder mit dem TED. Dazu haben Sie auch<br />

die Nummer 1 der damaligen DDR präsentiert. War<br />

das auf Ihrem Mist gewachsen?<br />

Nein, Wolfgang Penk hatte das schon vor. Er wollte das ein bisschen<br />

journalistischer machen, und er wuss te, dass ich Journalist<br />

bin. Er wollte es ein bisschen boulevardesker machen und wusste,<br />

dass ich von RTL komme, da eine leichte Spielform hatte, also<br />

kein öffentlich-rechtlich geprägter Moderator war. Und nach<br />

dem Fall der Mauer war es ganz logisch, dass man das mit<br />

der Nummer 1 der DDR machte. Ich muss auch ganz ehrlich sagen,<br />

die ersten ein, zwei Jahre waren hart, weil ich schnell merkte, dass in<br />

der Sendung etwas nicht stimmte, dass der Livegesang wiederkommen<br />

und auch wieder Leistung gezeigt werden musste. In den ersten<br />

zwei Jahren war nur ein Mensch nervös, und das war der Moderator.<br />

Weil der live moderieren musste. Die anderen kamen ja nur und haben<br />

den Mund auf- und zugemacht – das hat irgendwie nicht gestimmt.<br />

Dann habe ich gesagt: Ich höre da gerne auf nach<br />

zwei Jahren, wenn ihr das nicht umstellt.<br />

Sie haben sich durchgesetzt<br />

...<br />

Das war ganz interessant: Bei<br />

der Sendung habe ich keine<br />

Plattenfirmen-Bosse kennen<br />

gelernt, sondern nur immer<br />

die Promotion-Damen, die in<br />

Berlin dabei waren. Dann gab<br />

es plötzlich eine Krisensitzung<br />

beim <strong>ZDF</strong>, und da waren sie alle da,<br />

die führenden Köpfe der Industrie. Die<br />

Aktuell im Handel<br />

wollten alle das kleine Rumpelstilzchen Hübner kennenlernen, der die<br />

ultimative Forderung stellte, dass in der <strong>Hitparade</strong> wieder live gesungen<br />

werden müsse. Da stand ich wie vor einem Tribunal, bin dann rausgegangen<br />

und habe gedacht: Jetzt hast du dich selbst abgeschossen.<br />

Nach einer dreistündigen Sitzung kamen sie dann<br />

und sagten: Hübner, du hast gewonnen, wir machen das,<br />

du kriegst deinen Tag mehr – wir ziehen das jetzt durch.<br />

Und wie lief es dann mit dem Livesingen?<br />

Die Zuschauer haben es geliebt! Ich wollte Leute wie<br />

Pe Werner, die Prinzen oder Pur fördern, dass die nach<br />

vorne kommen – und die konnten ja was! Es waren<br />

Versprecher drin, all diese charmanten Kleinigkeiten,<br />

diese menschlichen Schwächen kamen durch den<br />

Livegesang wieder in die Sendung. Juliane Werding<br />

hat sich knallhart versungen, die Künstler hatten<br />

wieder richtig Lampenfieber. Da hat eine Jule Neigel<br />

Resonanzübungen mit einem Papierkorb gemacht,<br />

eine Andrea Jürgens hatte Ohnmachtsanfälle. Vicky<br />

Leandros hat damals den Titelsong von „Titanic" live<br />

auf Deutsch gesungen. Sie gab mir hinter den Kulissen<br />

zitternd die Hand – ich habe noch nie eine so kalte<br />

Hand gehalten, so aufgeregt war dieser Weltstar –,<br />

nur weil wir live gesungen haben! Wie haben die sich<br />

angestrengt!<br />

Sie hatten auch Dieter Bohlen in der ersten Sendung<br />

...<br />

Genau. Und Dieter war gar nicht begeistert, als wir<br />

das umstellten, hatte Angst um seine damals wichtigste<br />

Plattform. Er musste ja auch live singen und sich auch mal<br />

anstrengen (lacht).<br />

(Richard The Lionheart)<br />

Alle 13 deutschen Folgen<br />

des UK-Serienklassikers von 1962<br />

Extras:<br />

· Booklet inkl. Folgenguide<br />

· deutsche Vor- und Abspänne<br />

· englische Sprachfassung<br />

· digital restauriert<br />

Jetzt auf DVD GoodTimes — auch im 2/2014 Buchhandel ■ Seite 85 erhältlich


Als die Alm ein<br />

Sündenpfuhl war<br />

Wir schreiben das Jahr 1968: Der Förster<br />

im Silberwald aus der Heimatfilm-Ära der<br />

50er Jahre hat sein Pulver längst verschossen.<br />

Erneut droht die heimische Idylle in den<br />

Bergen aus dem Gleichgewicht zu geraten.<br />

Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd? Von wegen!<br />

In den 70er Jahren entstanden Heimatfilme",<br />

"<br />

in denen sich die Balken nicht unbedingt vor<br />

lauter Lügen bogen.<br />

Von Thorsten Pöttger<br />

A<br />

ls ein Wegbereiter des Softsexfilms, der das sündige<br />

Treiben auf der Alm zum Inhalt hatte, kann Produzent<br />

Hans Billian bezeichnet<br />

werden, der 1968 in „Pudelnackt<br />

in Oberbayern" unter der<br />

Mitwirkung von Beppo Brem<br />

(„Der Komödienstadl") und Hans<br />

von Borsody („Privatdetektiv<br />

Cliff Dexter") auf der Leinwand<br />

als erster die Themen Sex und<br />

Heimat miteinander kombinierte.<br />

Schon dieses mit Ausnahme<br />

einer gemischten Saunaszene<br />

relativ „zugeknöpfte" Debüt über<br />

eine Kellnerin, die mit gewissen<br />

Reizen zur Umsatzsteigerung<br />

der Dorfschänke beiträgt, rief<br />

die katholische Kirche auf den<br />

Plan. Von nun an bliesen die<br />

Glaubenshüter mit immer wiederkehrenden er<br />

en<br />

den<br />

Begründungen ng<br />

en des<br />

Katholischen Filmdienstes (zum Beispiel „primitive, unverdauliche<br />

Mischung aus Heimat- und Sexfilmelementen") zur regelmäßigen<br />

Attacke auf sämtliche Machwerke dieser Art. Dass sich 1970 mehr<br />

als die Hälfte der deutschen Filmproduktionen um das Thema Sex<br />

drehte, meistens noch unter dem Deckmantel der Dokumentation à<br />

la „Schulmädchenreport", konnten die Sittenwächter jedoch nicht<br />

verhindern.<br />

In den nächsten Jahren stieg der Anteil der Sexklamotten im<br />

Verhältnis zu den Pseudoreportagen weiter an. Wem sei es ange-<br />

sichts der frischen Luft und des saftigen Grüns in tausenden Metern<br />

Höhe zu verdenken, dass ihn da nicht nur der Hafer stach? Aus der<br />

Anfangszeit sind „Die liebestollen Baronessen" und ihr Hantieren<br />

mit einem Keuschheitsgürtel nicht nur wegen der Mitwirkung von<br />

Solvi Stübing, Barbara Capell und Andrea Rau, sondern auch aufgrund<br />

des Leinwanddebüts von Ingrid Steeger erwähnenswert. Ein<br />

weiterer Vorkämpfer in Sachen Alpensex ist mit Alois Brummer zu<br />

nennen. Nicht nur, dass er 1969 im Meisterwerk „Graf Porno und<br />

die liebesdurstigen Töchter" selbst eine Rolle übernommen hatte,<br />

für über weitere zehn Jahre<br />

betätigte er sich bis kurz vor<br />

seinem Tod 1984 als Produzent,<br />

Autor und Regisseur. 1975 ließ<br />

er beispielsweise die von einer<br />

gewissen Almschönheit namens<br />

Heidi in der Großstadt erworbenen<br />

Kompetenzen nach ihrer<br />

Rückkehr in die Heimat mit<br />

den schneidigen Dorfburschen<br />

weiter fördern („Unterm Dirndl<br />

wird gejodelt"). Dass das<br />

Mädel im Biologieunterricht<br />

besonders gut aufgepasst hat,<br />

braucht nicht weiter erwähnt<br />

zu werden. Die Videoversion<br />

von Brummers „Alpenröschen<br />

im<br />

Dirndlhöschen" – im Kino<br />

ohne<br />

Probleme gelaufen en – landete auf dem Index. Dass die<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Mitte der 80er<br />

Jahre (!) so entschied, dürfte am Drehbuch gelegen haben, anhand<br />

Seite 86 ■ GoodTimes 2/2014<br />

201


dessen eine Minderjährige im Beichtstuhl<br />

ihre amourösen Erlebnisse schildert<br />

(ursprünglicher Titel des Films: „Beichte<br />

einer Liebestollen") und von ihrem Stiefvater<br />

zum Sex gedrängt wird. Ebenso wurden die<br />

„Urlaubsgrüße aus dem Unterhöschen" von<br />

„Schulmädchenreport"-Macher Walter Boos<br />

in die Verbannung geschickt. Vermutlich<br />

wurde darin der Tourismus auf ebenso<br />

heftige wie fragwürdige Weise angekurbelt.<br />

Dasselbe Los zog Brummers „Gefährlicher<br />

Sex frühreifer Mädchen", als dieser unter<br />

dem VHS-Titel „Gipfelglück im Dirndlrock"<br />

zu erneuten<br />

Höhepunkten n<br />

führen sollte.<br />

Offensichtlich h<br />

waren die nymphomanischen Internatsschülerinnen<br />

zu wahllos in ihren<br />

a n r ü c h i g e n<br />

Handlungen und<br />

der Hausmeister<br />

zu stark an<br />

einer<br />

Tätigkeit<br />

interessiert,<br />

für<br />

die es zahlreiche<br />

Synonyme<br />

aus dem handwerklichen<br />

en Bereich ei<br />

gibt. Nicht einmal einer<br />

der ersten Auftritte von Rinaldo Talamonti<br />

konnte den Film vor dem Verbot bewahren,<br />

obwohl der italienische „Stecher der Nation"<br />

und ehemalige „Graf Porno" sich anschickte,<br />

nicht nur im Ruhrpott, sondern auch in den<br />

Bergen viel für die Völkerverständigung zu<br />

tun. War das etwa die Anerkennung für seine<br />

tatkräftige Unterstützung der bayerischen<br />

Gemeinde Vögelbrunn 1974 in<br />

„Alpenglüh’n im Dirndlrock", dank der<br />

in dem Dorf die noch fehlenden sieben<br />

Einwohner geboren werden konnten,<br />

die zur Erlangung des Status’ der<br />

Marktgemeinde nötig waren?<br />

Neben Talamonti und der ebenso in<br />

„Alpenglüh’n im Dirndlrock" aktiven<br />

Elisabeth Volkmann („Klimbim")<br />

ist Volksschauspieler Peter Steiner<br />

(„Theaterstadl") wahrscheinlich am<br />

bekanntesten für<br />

deutschen Softsex.<br />

Auch wenn er sich<br />

später von Filmen<br />

solcher Machart distanzierte, haben sie seiner<br />

Karriere gerade im Hinblick auf komödiantische<br />

Rollen nicht geschadet, lautete seine<br />

Aufgabe in den Lederhosenfilmen doch<br />

eher, er<br />

für Lacher zu sorgen statt jeder schönen Maid schnellstmöglich<br />

an die Wäsche zu gehen. Untrennbar verknüpft ist sein Name<br />

mit der neben „Lass jucken Kumpel" erfolgreichsten deutschen<br />

Filmreihe zum Thema: „Liebesgrüße aus der Lederhose".<br />

Diese Errungenschaft bedingt die Kuriosität, dass „Lass<br />

jucken Kumpel 4 – Zwei Kumpel auf der Alm" gleichzei-<br />

tig der zweite Teil der „Liebesgrüße aus der Lederhose"<br />

ist, zumal für beide Serien Regisseur Franz Marischka<br />

verantwortlich zeichnete. Auch diesmal naht über dem<br />

Brenner potente Hilfe in<br />

Person unseres bekannten<br />

feurigen Italieners, als der<br />

Kurschatten in „Liebesgrüße<br />

aus der Lederhose" wegen<br />

starker Abnutzung die<br />

Flinte ins Korn zu werfen<br />

droht.<br />

Sicherlich muss zugegeben<br />

werden, dass<br />

den Bayern-Filmen im Gegensatz<br />

zu den inhaltlich ähnlich gestrickten<br />

Ruhrpottwerken<br />

jegliche Sozialkritik am<br />

problembehafteten Alltagsleben en<br />

eines es<br />

Bergmannes<br />

ne<br />

abging. Die Alpen bildeten ausschließlich das<br />

Panorama für die liebestollen Handlungen, in denen<br />

das Fensterln – mit oft peinlichen Ergebnissen –<br />

zum Pflichtprogramm wurde. Dennoch sei zuguterletzt<br />

auf den bunten Themenreigen weiterer Streifen<br />

mit Jodelunterton verwiesen: Après-Ski-Pionierarbeit<br />

(„Beim Jodeln juckt die Lederhose", mit Liedermacher<br />

Konstantin Wecker in der Rolle des Sepp), eine Suche<br />

nach einem napoleonischen Schatz („Hey Marie, ich<br />

brauch mehr Schlaf …") und durch ein Volksfest verursachte<br />

Polygamie („Oktoberfest – Da kann man fest<br />

…"; Germanisten müssen in Gedanken ein Verb nach<br />

Wahl hinzudenken).<br />

Als der Höhepunkt des bumsfidelen Treibens<br />

bereits überschritten war, mussten für den zotigen<br />

Ringelpiez mit Anfassen neue Gebiete außerhalb<br />

Bayerns erkundet werden. Dies geschah entweder<br />

durch Export von Lederhosenträgern in exotische und<br />

thematisch dennoch<br />

bereits erschlossene<br />

Gefilde wie Thailand<br />

(„Was treibt die Maus<br />

im Badehaus?") oder<br />

durch Import rassiger<br />

Skandinavierinnen<br />

(„Drei Schwedinnen<br />

in Oberbayern",<br />

„Zwei Däninnen in Lederhosen")<br />

in die Alpenregion. Die Spitze des<br />

Eisbergs mit seltsam getriebenen<br />

Blüten bildeten die Filme „Ach<br />

jodel mir noch einen" und „Graf<br />

Dracula beißt jetzt in Oberbayern".<br />

Während in letzterem<br />

der Fürst der<br />

Finsternis – ganz im<br />

Zeichen der Zeit –<br />

von Discomusik (!)<br />

aus dem Tiefschlaf f<br />

erweckt wird,<br />

machen in ersterem<br />

außerirdische<br />

Damen vom<br />

Stoßtrupp Venus<br />

Jagd auf männlichen<br />

Samen. Rette<br />

sich, wer kann …<br />

GoodTimes 2/2014 2014 ■ Seite 87


Josef Göhlen<br />

„Biene Maja”,<br />

„Captain Future”,<br />

„Timm Thaler” & Co.<br />

Wie sind Sie auf die "<br />

Simpsons" aufmerksam<br />

geworden, die Sie dann nach<br />

Deutschland geholt haben?<br />

Die Serie fand ich bei der Vorstellung<br />

neues ter TV-Produktionen („L.A.<br />

Screenings") in Los Angeles. Die Reaktion<br />

meines Programmdirektors nach fünf<br />

Minuten lautete: „So ein Sch...!", wohl<br />

wegen des gewöhnungsbedürftigen<br />

Designs. Ich überzeugte ihn jedoch<br />

davon, RTL – wo man das <strong>ZDF</strong> als<br />

„Rheumadecke der Nation" verspottete – etwas entgegenzusetzen.<br />

Das Konzept, die „Simpsons" einmal wöchentlich um 18 und<br />

22 Uhr zu zeigen, ging allerdings nicht auf: Am Vorabend, dem<br />

Werberahmenprogramm von ARD und <strong>ZDF</strong>, erreichten wir rund<br />

900.000 Kinder; die Werbefritzen wollten aber Erwachsene als<br />

Zielgruppe. Daher wurden keine weiteren Staffeln eingekauft.<br />

Es gab noch andere Kritik ...<br />

Puppen und Zeichentrick standen für Kinderfernsehen, Cartoons für<br />

Erwachsene waren erst im Kommen. Mit der „Muppet Show", „Alf"<br />

und den „Simpsons" habe ich versucht, diese Programmfarbe auch im<br />

deutschen Fernsehen zu etablieren. Ich war meiner Zeit wohl zu weit<br />

voraus: Die „Simpsons" wurden erst später Kult – zu Recht!<br />

Für viele war die "<br />

Biene Maja" eine der ersten TV-Erfahrungen überhaupt.<br />

Wie kam diese Zeichentrickserie zustande?<br />

Ich kannte Waldemar Bonsels' „Die Biene Maja und ihre Abenteuer"<br />

aus meiner eigenen Kindheit. Kinderprogramm war für mich immer<br />

Josef Göhlen leitete in den 70er bis 90er<br />

Jahren zunächst das <strong>ZDF</strong>-Kinder- und<br />

Jugend-, später das Vorabendprogramm<br />

und brachte viele bekannte Serien ins<br />

deutsche Fernsehen. Wir sprachen mit ihm<br />

über die damaligen Zeiten und den aktuellen<br />

Retro-Trend.<br />

Josef Göhlen mit "<br />

Alf"<br />

Familienprogramm, und die besten<br />

Kinderbücher sind meiner Meinung<br />

nach die, die auch Erwachsene lieben,<br />

etwa „Robinson Crusoe" oder heutzutage<br />

„Harry Potter". Nach dieser Devise<br />

bin ich immer vorgegangen und habe<br />

so zum Beispiel „Wickie" entdeckt –<br />

noch bevor das Buch den Deutschen<br />

Jugendbuchpreis gewann.<br />

© Archiv Peter Engelmeier<br />

Die "<br />

Biene Maja" war eine der<br />

wenigen nicht-männlichen Serienhelden.<br />

Gab's viel Lob von Feministinnen?<br />

Damals wurde behauptet, Maja<br />

habe keine Botschaft zu verkünden<br />

– allenfalls eine Flucht<br />

in die Idylle. Die Kritiker begriffen<br />

nicht, dass Maja im Grunde<br />

eine emanzipatorische Figur ist.<br />

Wir haben ihr mit dem trotteligen<br />

Willi einen dramaturgischen<br />

Partner beigesellt, der nicht<br />

aus der Buchvorlage stammt.<br />

Eberhard Storeck, einer der<br />

Kreativsten, mit denen ich je<br />

zusammenarbeiten durfte, hat ihm mit Text und Synchronstimme den<br />

unvergesslichen Charakter verpasst.<br />

Seite 88 ■ GoodTimes 2/2014


© <strong>ZDF</strong>/Apollo Film<br />

dass die Serie an den Zeitgeist angepasst<br />

werden müsse. Die Geschichte<br />

muss stimmen – und stimmt heute<br />

immer noch! Meiner Ansicht nach<br />

geht es eher darum, neu zu verkaufende<br />

Verwertungsrechte zu schaffen.<br />

Die „Cover-Version" ist zwar<br />

um Übernahme des alten Charmes<br />

2013 kehrte die<br />

Maja" als moderne<br />

" Biene<br />

Zeichentrickserie<br />

in 3D-Optik<br />

ins Fernsehen zurück.<br />

Was halten Sie davon?<br />

Die für die Neufassung<br />

angeführten Argumente<br />

verstehe ich nicht. Es ist<br />

doch totaler Blödsinn,<br />

Bill Bo" –<br />

Augsburger<br />

"<br />

Puppenkiste<br />

" Oliver<br />

Maass"<br />

© Pressefotos<br />

Biene Maja und Willi, der in der<br />

Buchvorlage nicht vorkommt<br />

" Anna"<br />

Wespentaille:<br />

die Biene<br />

Maja in der<br />

3D-Neufassung<br />

der<br />

TV-Serie<br />

bemüht; durch das knallfarbige und plastilinhaft wirkende<br />

Design, die technikbestimmten Bewegungen und die oftmals<br />

hektisch-kühle Textsynchronisation wird ihr das aber schwerfallen.<br />

Doch das müssen die jungen, mit „Maja" neu konfrontierten<br />

Zuschauergenerationen entscheiden.<br />

Viel Kritik mussten Sie auch bei Heidi" wegen des japanischen"<br />

Aussehens der Hauptfigur einstecken. "<br />

Wie kam es dazu? "<br />

Die Japaner drängten damals auf den europäischen Markt<br />

und suchten verwertbare Stoffe. Sie hatten durch ihre Mangas<br />

und Animes langjährige Erfahrung im Zeichentrickbereich<br />

und boten die Möglichkeit, viel Material in kurzer Zeit zu<br />

produzieren – deutlich günstiger als europäische Studios. Mit<br />

wenigen Ausnahmen stellten diese Serien aber echte Co-Produktionen<br />

dar: Die Japaner waren nicht lediglich<br />

Dienstleister, sondern Partner, mit<br />

denen wir gemeinsam Ideen wirklichten. Dabei mischten wir<br />

ver-<br />

japanischen mit europäischem<br />

Stil.<br />

Und wie war das mit Captain ture"? Fast alle Folgen "<br />

Fuwurden<br />

nur<br />

geschnitten gezeigt, einige liefen<br />

überhaupt nicht im <strong>ZDF</strong> ...<br />

Ich war überzeugt, dass<br />

Science-Fiction und diese<br />

Art der Erzählung<br />

bei Kindern gut ankommen<br />

würde. „Captain Future" ist<br />

dann ja richtig Kult geworden,<br />

mit Tauschbildern, Comic-<br />

Heften usw. Dramaturgisch<br />

nicht notwendige<br />

Gewaltszenen haben wir<br />

geschnitten. Dennoch schien die<br />

Serie insgesamt vielen Erziehern<br />

und Eltern zu viel Gewalt zu<br />

enthalten. Es gab ein starkes<br />

negatives Medienecho. Auch<br />

der <strong>ZDF</strong>-Fernsehrat, der erst<br />

nach 26 Folgen aufmerksam<br />

wurde, sprach ein negatives<br />

Urteil …<br />

Eine der Figuren der Augsburger<br />

Puppenkiste", Bill "<br />

Bo, war<br />

Hauptperson in zwei Büchern,<br />

die Sie damals schrieben. Gab<br />

es ihn eigentlich schon vorher?<br />

Die „Puppenkiste" brauchte<br />

Stoffe, in denen Menschen und<br />

Tiere eine Rolle spielten. Eines<br />

Tages fanden wir in der Literatur<br />

" Timm<br />

Thaler"<br />

© <strong>ZDF</strong>/Studio 100 Media<br />

kein entsprechendes Material mehr. Und ich<br />

wollte schon immer eine Erzählung für<br />

Kinder schreiben, bekam dazu die Erlaubnis<br />

des Senders und machte mich ans Werk.<br />

Einfälle für Charaktere und Handlung<br />

kamen mir an einem Abend in einer<br />

Hotelbar, nachdem ich zum wiederholten<br />

Male in Grimmelshausens „Simplicissimus"<br />

hineingelesen hatte.<br />

Vorläufer der heutigen TV-Events waren die Weihnachtsserien,<br />

die Sie im <strong>ZDF</strong> einführten, etwa Timm Thaler", Anna" oder<br />

Oliver Maass" ...<br />

" "<br />

"<br />

Zwischen den Jahren fiel feiertagsbedingt oft die Werbung aus, so dass wir<br />

ein alternatives Programm anbieten konnten; außerdem waren die Kinder<br />

in den Schulferien zu Hause. Ich habe daher überlegt, welche Art täglicher<br />

Serie man für sie machen könnte. „Timm Thaler" zog sich mit 13 Mal<br />

25 Minuten aber doch<br />

zu lange hin; spätere<br />

Weihnachtsserien<br />

hatten weniger, dafür<br />

längere Folgen. Ich<br />

versuchte immer wieder,<br />

Lücken für Neues<br />

zu finden und ein<br />

Programm zu machen,<br />

das auffällt. Auch das<br />

<strong>ZDF</strong>-Ferienprogramm<br />

war eine Erfindung<br />

Josef Göhlen zur Show von mir. Dessen<br />

1, 2 oder 3"<br />

" Moderatoren Anke<br />

Engelke und Benny<br />

Schnier sind noch immer bekannte Namen. Heute dürfte so etwas angesichts<br />

der Konkurrenz allerdings deutlich schwerer sein – die meisten<br />

Zuschauer konnten<br />

damals ja nur drei Sender empfangen.<br />

Ist die Retro-Welle im Fernsehen nur eine vorübergehende Modeer-<br />

scheinung, oder besinnt man sich tatsächlich auf alte Werte?<br />

Es<br />

geht den Verantwortlichen heutzutage darum, das<br />

Misserfolgsrisiko zu minimieren. Bei neuem Material fragt man<br />

erst, ob es in einem anderen Medium schon Erfolg gehabt hat<br />

– sonst wird es gar nicht erst ausprobiert. Der Retro-Trend ist<br />

aufgekommen, weil er Sicherheit bietet: Offenbar fehlt der<br />

Mut für neue Ideen, weil man zunächst nur Gefahren<br />

des Scheiterns sieht. Dazukommt, dass man meint, das<br />

Programm handwerklich und dramaturgisch einem nicht<br />

näher<br />

definierten Zeitgeist anpassen zu müssen. Früher<br />

hatte<br />

es noch einen Hauch von Poesie und Originalität<br />

und zugleich eine Botschaft. Mir scheint, das Programm<br />

wird in erster Linie nur noch als Lizenzträger und für<br />

Merchandising-Produkte gebraucht, also nicht für die<br />

Zuschauer gemacht, sondern fürs Geschäft. Ich denke,<br />

so deutlich muss man das sagen dürfen.<br />

Wenn Sie jetzt t noch das Sagen hätten, was würden Sie ändern im Fernsehen?<br />

Mehr Innovationen wagen! Gutes Programm muss ankommen und<br />

zugleich anecken. Bei Erstsendungen fragte ich immer: „Wie war die<br />

Kritik? Schlecht? Toll!" Ich würde heute wie damals wertvolle Geschichten<br />

suchen, mit nachempfindbaren Charakteren, die dem<br />

Zuschauer existenzielle Fragen und Antworten<br />

ermöglichen – und erst danach dramaturgische<br />

Mittel wie schnelle oder langsame Schnitte te legen. Ich würde mit gewisser literarischer Qualität<br />

über-<br />

erzählen und nicht zuvorderst auf Möglichkeiten der<br />

Weitervermarktung schielen. Da bin ich konservativ:<br />

Das Publikum zählt, nicht der Kommerz.<br />

Dr. Jörn Krieger & Jörg Weese<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 89<br />

Das komplette Interview mit Josef Göhlen finden<br />

Sie unter www.goodtimesmagazin.de<br />

© Archiv Peter Engelmeier<br />

Wickie": erst Buch, dann<br />

"<br />

TV-Serie, dann Kinofilm<br />

© <strong>ZDF</strong>/2004 Junior.TV GmbH & Co. KG


© Joh. Heider Verlag<br />

Wer mich besucht, dem dürfte schon im<br />

Flur ein farbiger Druck auffallen, der einen<br />

Indianer zeigt. Die wirklich blendend aussehende<br />

Rothaut, die auch einem Winnetou<br />

alle Ehre machen würde, hält in der einen<br />

Hand den Zügel seines Pferdes, in der anderen<br />

eine Winchester. Der ernste, wohl auch<br />

sorgenvolle Blick des Mannes geht vorbei am<br />

Betrachter und verliert sich irgendwo in der<br />

Ferne. Den Grund für seine Sorgen sieht man im<br />

Hintergrund des Bildes. Dort kämpft sich eine lange<br />

Karawane von Männern, Frauen und Kindern mühsam<br />

den Hang eines hohen, mit Schnee bedeckten Berges hinauf:<br />

Das Volk dieses Mannes ist auf der Flucht ...<br />

Erst kurz vor seinem Tod<br />

erhält Dill endlich die längst<br />

verdiente Auszeichnung:<br />

Für sein Lebenswerk als<br />

Filmplakatmaler wird ihm<br />

1997 das "<br />

Filmband in<br />

Gold" verliehen.<br />

Dieses eindrucksvolle Bild wie auch viele andere aus dem Repertoire<br />

des Künstlers haben meine Kindheit geprägt wie nur wenig<br />

anderes aus der Populär<strong>kult</strong>ur. Klaus Dill heißt der Mann, aus<br />

dessen Feder dieses kleine Kunstwerk von plastischer Schönheit stammt.<br />

Ein Kunstwerk, das zumindest in seiner Entstehungszeit – irgendwann<br />

in den späten<br />

60er Jahren – aber<br />

nie als solches begriffen<br />

wurde. Denn Dill<br />

zeichnet dieses Motiv<br />

und viele, viele andere<br />

damals nicht als für<br />

sich selbst stehendes<br />

Gemälde, sondern als<br />

Cover für die populäre<br />

Comic-Serie „Bessy"<br />

sy"<br />

aus dem Bastei-Verlag.<br />

Es<br />

sind diese Coverbilder, die<br />

den<br />

Leser er geradezu ez sogartig ins Heft<br />

und damit in die Abenteuer des jungen Ranchersohns Andy Cayoon<br />

und seiner Collie-Hündin Bessy hineinziehen. Und es dürfte kaum<br />

eine Übertreibung sein, wenn man behauptet, dass der unerhörte<br />

Erfolg von „Bessy" – zwischen 1965 und 1985 bringt es die<br />

Reihe auf 992 Hefte – ohne Dill, der mehr als<br />

600 Cover beisteuert, kaum möglich gewesen<br />

wäre.<br />

Der Mann,<br />

der die<br />

legendären<br />

" Bessy "-<br />

Titelbilder<br />

schuf<br />

Von Andreas Kötter<br />

Denn die hohe Qualität und die<br />

damit verbundene Attraktivität<br />

der Cover-Motive spiegeln sich<br />

in den Zeichnungen im Heft<br />

selbst nur in den ersten Jahren<br />

wider, als noch der große Ligneclaire-Künstler<br />

Willy Vandersteen<br />

höchstpersönlich oder einer seiner<br />

besten Angestellten, Karel<br />

Verschuere, für „Bessy" buchstäblich<br />

verantwortlich zeichnen. Später<br />

dagegen, in Folge eines gesteigerten<br />

Erscheinungsrhythmus, können „Bessy"-<br />

Hefte kaum noch das halten, was Dills Cover<br />

noch lange versprechen werden. Das ist mir Anfang der<br />

70er Jahre aber natürlich noch nicht bewusst. Im Gegenteil: Jedesmal<br />

aufs Neue bedeutet der Gang zum Kiosk ein Highlight meiner Woche.<br />

Jedesmal betrachte ich schon durch die Scheibe staunend das Titelbild,<br />

das wieder Abenteuer und Dramatik pur verspricht. Ich wage gar<br />

zu behaupten, dass neben der eigentlichen Hauptfigur der „Bessy"-<br />

Abenteuer, Andy Cayoon, der Indianer auf besagtem Farbdruck in meinem<br />

Flur, Andys Blutsbruder Schneller Hirsch, mehr zu meiner Sozialisation<br />

beigetragen hat als so manche Schulweisheit. Denn dieser Indianer<br />

scheint die Würde eines rechtschaffenen Mannes zu besitzen, der sich<br />

allen Schurkereien und Gemeinheiten zum Trotz nie dazu verleiten lässt,<br />

die eigenen hohen Maximen zu verraten. Ein Mann wie Winnetou eben.<br />

Eine Assoziation, die schon deshalb passt, weil das Studio Vandersteen<br />

damals auch den Geschichten von Karl May eine Albumserie widmet. Als<br />

die Erscheinungsweise von „Bessy" bei Bastei von monatlich über 14-tägig<br />

Dynamik pur: Dills "<br />

Bessy"-Titelbilder machen süchtig!<br />

© Joh. Heider Verlag<br />

© Joh. Heider Verlag<br />

Seite 90 ■ GoodTimes 2/2014


schließlich auf wöchentlich umgestellt e lt wird und das Material auszugehen<br />

droht, entscheidet sich Vandersteen kurzerhand dafür, einige der Karl-May-<br />

Geschichten buchstäblich in „Bessy"-Abenteuer umzumontieren. So wird<br />

aus Old Shatterhand dank eines anderen Kopfes Andy, und Bessy, in den<br />

Karl-May-Folgen logischerweise nicht vorhanden, wird irgendwo ins Bild<br />

platziert, ohne dass die Hündin dramaturgisch eine Rolle spielen würde.<br />

Für Dill macht das aber keinen Unterschied. Denn der Arbeitsprozess bleibt<br />

stets der gleiche. Er erhält einen kurzen Abriss der Handlung und fertigt<br />

daraufhin zunächst eine Skizze an, die er dem jeweiligen Bastei-Redakteur<br />

zuschickt. Der gibt dann sein Okay bzw.<br />

nennt seine Änderungswünsche für das<br />

fertige Bild. So geht das über viele Jahre,<br />

in der die Qualität der Geschichten ständig<br />

nachlässt, die der Cover aber stets<br />

gleich hochbleibt.<br />

Heute, 14 Jahre nach seinem Tod,<br />

genießt Klaus Dill bei den 40-<br />

und 50-Somethings in Comic-Sammler-<br />

Kreisen Kultstatus. Seinem tatsächlichen<br />

Können aber wird diese begrenzte<br />

Anerkennung kaum gerecht. Ein universaler<br />

Ruf wie er etwa Dills Onkel, dem<br />

Impressionisten Otto Dill, zuteil wurde,<br />

ist dem am 6. Oktober 1922 in Neustadt<br />

an der Weinstraße geborenen Populärkünstler nie vergönnt. Dabei kann<br />

man ihn im buchstäblichen Sinne durchaus auch als eine Art Pop-Art-<br />

Künstler verstehen. Dafür stehen mehr noch als die „Bessy"-Titelbilder<br />

seine Arbeiten als Maler von Kinoplakaten. Während der großen Zeit<br />

des klassischen Hollywood-Kinos in den 40er und 50er<br />

Jahren zeigen Filmplakate noch gemalte Darstellungen<br />

der Inhalte, nicht Fotos. Ob Sandalen- oder Ritterfilme wie<br />

„Spartacus" mit Kirk Douglas oder „Prinz Eisenherz" mit<br />

Robert Wagner, ob Thriller oder Film Noir wie Hitchcocks<br />

„Marnie" oder „Tokio<br />

Story" mit Robert<br />

Ryan, ob Western wie<br />

„Der gebrochene Pfeil"<br />

mit James Stewart<br />

oder „12 Uhr mittags"<br />

mit Gary Cooper –<br />

kein Genre, dem Dill<br />

© Joh. Heider-Verlag<br />

nicht seinen unverwechselbaren ech<br />

en<br />

Stempel aufdrückt. „Filmgeschichte<br />

in Gesichtslandschaften" hat das<br />

die „Frankfurter Rundschau" einmal sehr treffend genannt, wirken Dills<br />

Plakate doch mit der Authentizität von Fotos auf den Betrachter, ohne<br />

dass die Poesie seiner Zeichnungen dabei verlorengehen würde.<br />

Für annähernd 650 Kinofilme stellt Dill seine Kunst (die er selbst nie<br />

als Kunst, sondern eher als Handwerk verstanden wissen wollte) zur<br />

Verfügung. Gemeinsam mit seinen Arbeiten für Bastei und „Bessy",<br />

aber auch für andere Verlage und Serien wie Moewig und „FBI" entsteht<br />

so über die Jahrzehnte ein mehr als reicher Kanon. Ein Werk<br />

aber auch, das über die gesamten mehr als fünf Jahrzehnte Dill’scher<br />

Schaffenskraft vor allem dem Western zugewandt ist, zu dem er immer<br />

wieder zurückkehrt. Es trifft den Nagel auf den Kopf, wenn im Bildband<br />

„Klaus Dill – WesternArt" einer der Autoren, Peter Bischoff, schreibt:<br />

„Klaus Dill leistete ab Beginn der 50er<br />

Jahre einen wesentlichen<br />

Beitrag zur bildlichen Vorstellung vom Wilden Westen in Deutschland.<br />

Er stellte sein Können nicht nur in den Dienst der Filmplakatkunst,<br />

sondern er sorgte auch dafür, dass sich ein großes Lesepublikum der<br />

ansonsten unbebilderten Westernromane durch seine ansprechenden<br />

Buchdeckel- und Buchumschlag-Illustrationen bildlich in die Welt des<br />

amerikanischen Westens hineinversetzen konnte." Buchreihen wie „Tom<br />

Prox" oder die Zane-Grey-Romane im Franz Schneider Verlag sollen<br />

hier exemplarisch genannt werden. Und auch als der Western längst<br />

Für Dill eine<br />

Herzensangelegenheit:<br />

Karl Mays "<br />

Winnetou".<br />

nicht mehr das Leitgenre der Film- und<br />

Unterhaltungs<strong>kult</strong>ur ist, bleibt Dill diesem<br />

uramerikanischen Archetyp verbunden.<br />

Denn als Mitte, Ende der 80er Jahre<br />

durch das Ende von „Bessy" bzw. die<br />

Verdrängung der Kino-Plakat-Malerei<br />

durch die Fotografie Dills Karriere vorübergehend<br />

schon beendet scheint, ist<br />

es der Western, der ihn „rettet". In<br />

einem Interview mit dem Herausgeber<br />

der „Bastei Freunde Klubzeitung",<br />

Martin Hilland, sagt der Künstler 1992:<br />

„In den letzten Jahren gab es Zeiten,<br />

wo ich keine Aufträge mehr hatte und<br />

nicht wusste, wie es weiterging. Deshalb<br />

kam ich vor drei Jahren auf die Idee,<br />

das Thema Winnetou zu illustrieren." Tatsächlich zeichnet Dill in diesen<br />

Jahren die Titelmotive der 33-bändigen „Winnetou"-Reihe des damaligen<br />

Haffmanns Verlags aus Zürich. Und ab 1995 bis fast zu seinem<br />

Lebensende gilt all seine Aufmerksamkeit schließlich noch einer weiteren<br />

großen Indianergestalt, diesmal aber keiner literarischen,<br />

sondern einer historischen: Tecumseh. Diesem vielleicht<br />

berühmtesten aller amerikanischen Ureinwohner, nach dem<br />

unter anderem vier Schiffe der United States Navy benannt<br />

wurden, widmet er einen großformatigen Bilderzyklus, der<br />

als das unbestrittene Highlight seines Spätwerkes gelten<br />

darf. Für diesen Zyklus und sein gesamtes Schaffenswerk<br />

wird Dill, zudem seit 1997 Filmpreisträger in Gold, von<br />

der Landesbildstelle Baden-Württemberg 1999 schließlich<br />

mit einer umfangreichen Einzelausstellung geehrt. Ein<br />

versöhnlicher, weil rechtzeitiger Abschluss einer großen<br />

Karriere: Am 19. Februar 2000 stirbt Klaus Dill in Frankfurt<br />

am Main. Für mich aber ist er bis heute lebendig geblieben.<br />

Durch „Bessy" und durch den Druck an der Wand im Flur. Übrigens:<br />

Der Titel dieses Bildes, den ich nie vergessen werde, lautet „Der Tod in<br />

den Bergen". Und auch die Heftnummer der Bastei-Ausgabe habe ich<br />

tatsächlich noch immer parat, Nummer 54! Klaus Dill<br />

hätte sich darüber wohl gefreut.<br />

Liste weiterführender Literatur:<br />

– "<br />

Klaus Dill – WesternArt", Joh. Heider Verlag<br />

– "<br />

Klaus Dill – Ein Künstlerleben für Literatur und Film",<br />

Joh. Heider Verlag<br />

– Kunst fürs Kino – Die Plakate des Filmpreisträgers s<br />

"<br />

Klaus Dill", Henschel Verlag<br />

– Bastei Freunde Klubzeitung Nr. 4,<br />

Klaus Dill Gedenkausgabe"<br />

"<br />

– Bastei Freunde Klubzeitung Nr. 10,<br />

Die Rückkehr des Geächteten"<br />

"<br />

– Die Sprechblase Nr. 163, Die Bessy Story"<br />

"<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 91


Pin-ups heben die Moral!<br />

Über eine oft totgesagte<br />

Kunstform,<br />

die in den letzten<br />

Jahren ein Revival<br />

erlebt<br />

Das Malheur folgt ihr üblicherweise auf Schritt und Tritt: Mal ist es ein Nagel, der genau an der<br />

richtigen" Stelle ihr Kleid zerreißt, dann ist es wieder ein Windstoß, der an einem warmen<br />

"<br />

Sommertag ihren Rock aufbauscht. Als Lehrbeispiel für diesen plakativen Symbolismus<br />

darf jenes Mädchen gelten, das den Rock hochhält, den sie mit Ketchup bekleckerte (das<br />

eigentlich einem Würstchen im Hot Dog zugedacht war) und dabei wohlgeformte Beine<br />

mit Strumpfhaltern entblößt.<br />

Von Roland Schäfli<br />

Die Themen sind allesamt erotisch aufgeladen, doch sie bleiben<br />

suggestiv. Immer jedoch zeigt das Gesicht des Pin-ups dabei<br />

diese Mischung aus Koketterie und Einladung: der gespitzte<br />

knallrote Mund, die in derselben Farbe errötenden Wangen,<br />

die rehbraunen Augen, die sich direkt an den Betrachter<br />

wenden, als wollten sie sagen: „Ich brauche die Hilfe eines<br />

starken Mannes!" Die Botschaft, die solcherart vermittelt<br />

wird, ist schon seit Jahrzehnten die gleiche. Und<br />

tatsächlich sorgten<br />

Sittenwächter<br />

sich schon 1869, dass (die zarten<br />

Vorläufer der) Pin-ups die Moral<br />

unterwanderten und vom rechten<br />

Weg ablenkten. Dita<br />

von Teese, das bekannte<br />

Aushängeschild des<br />

New Burlesque – welche<br />

die Pin-up-Szene<br />

der letzten Jahre<br />

revitalisierte –, hat<br />

indes eine dezidierte<br />

Meinung zur Frage,<br />

ob die typischen<br />

Posen, egal ob<br />

gemalt wie früher<br />

oder fotografiert<br />

wie heute, der Unterdrückung der Frau in die<br />

Hände spielt: „Es geht nicht um die Verführung<br />

der Männer, es geht um die Umarmung der<br />

Weiblichkeit."<br />

Spätestens mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die<br />

Meinung, leicht beschürzte Mädchen würden der Moral schaden,<br />

sogar ins Gegenteil verkehrt: Es begann der Siegeszug des Pin-ups<br />

als „Morale Booster". Nicht nur der legendäre General MacArthur,<br />

sogar der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen und spätere<br />

US-Präsident Eisenhower wies – notabene in öffentlichen<br />

Ansprachen – auf den Nutzen dieser Bilder zur<br />

Förderung des Kampfgeistes hin: Pin-up-Girls würden<br />

die Moral heben! Die aufreizenden Bilder spornten<br />

die Kämpfenden an, denn die Mädchen versinnbildlichten,<br />

wofür sie kämpften: den American<br />

Way Of Life. Bedeutende Unternehmen lancierten<br />

darob ihre Werbekampagnen im selben Stil und<br />

Geist: Man erinnere sich etwa an die beiden<br />

Colatrinkenden Matrosen, die einem hübschen<br />

Mädchen hinterherpfeifen, eine Werbung, die<br />

heutzutage so wohl kaum noch denkbar wäre.<br />

Es ist also gar nicht vermessen zu<br />

sagen, dass die „Aufhänge-Mädchen"<br />

das massenwirksamste Medium der<br />

Kriegspropaganda waren. Denn anders<br />

als der Propagandafilm kam das Pinup<br />

ohne jede Infrastruktur aus. Ein<br />

Platz im Spind reichte. Das auf diese<br />

Weise am weitesten verbreitete Pinup<br />

des Weltkriegs war Betty Grable.<br />

1943 lichtete ein Studiofotograf<br />

der 20th Century Fox<br />

die Schauspielerin im<br />

Seite 92 ■ GoodTimes 2/2014<br />

Bet<br />

ty Gra<br />

ble


Badeanzug ab, was ihre<br />

„Millionen-Dollar-Beine"<br />

am besten zur Geltung<br />

brachte – die ikonografische<br />

Pose zeigt sie von<br />

hinten, einladend über<br />

die Schulter lächelnd.<br />

Daraufhin erhielt<br />

die Filmgesellschaft<br />

wöchentlich über 20.000<br />

Briefe von amerikanischen<br />

Männern, die das Foto<br />

bestellen wollten. In Billy<br />

Wilders Film „Stalag 17"<br />

ist ein Kriegsgefangener<br />

so in Betty Grable vernarrt, dass ihr Spindfoto ihn sogar in den<br />

Wahnsinn treibt. Der Krieg war aber auch Karrieresprungbrett für weitere<br />

Schönheiten, die als Pin-ups legendär wurden: Lana Turner etwa<br />

war das „Sweater Girl", nachdem sie in einem engen Pullover posiert<br />

hatte, und Ann Sheridan wurde den Spitznamen „Oomph Girl" nicht<br />

mehr los, als das sie in einem Wettbewerb ermittelt wurde. Mit dem<br />

Magazin „Yank" kam das amerikanische Pin-up-Girl an die Front –<br />

und somit schließlich auch nach Europa.<br />

Viele Kunsthistoriker schreiben es Amerika zu, die Werbe-<br />

Illustration als Kunstform hervorgebracht zu haben. Ein<br />

Museum mit Gemälden zu besuchen, ja überhaupt sich mit Kunst<br />

zu beschäftigen, war lange Zeit der Oberschicht vorbehalten.<br />

Der einfache Arbeiter hatte weder das Geld noch die Zeit<br />

dafür. Seine Kunstform war die Illustration. Magazine wie<br />

„Harper’s Weekly" oder die „Saturday Evening<br />

Post", die ihre Geschichten von Künstlern<br />

bebildern ließen, erreichten ein stetig wachsendes<br />

Publikum. Kurzromane, Pulp genannt,<br />

generierten noch höhere Leserzahlen, wenn<br />

sie publikumswirksam illustriert waren.<br />

Verleger mit Geschäftssinn realisierten bald,<br />

wie wichtig<br />

ein knalliges Bild<br />

auf dem Umschlag<br />

für den Absatz an<br />

den Kiosken war. In<br />

dieser Zeit „erfanden"<br />

die Maler das Pin-up,<br />

das Ganzkörperbild einer<br />

attraktiven Frau. Ganze<br />

Heerscharen meist unbekannter<br />

Auftragskünstler erschufen diese<br />

erotisch knisternde Welt. Während<br />

des Weltkriegs empfahlen die<br />

Kommandierenden der Truppe,<br />

Lesestoff mitzubringen, neben<br />

dem Kriegshandwerk also auch<br />

fürs zivile Handwerk zu lernen.<br />

Durch gewagte Pin-ups auf den Umschlagbildern wurden dann nicht<br />

nur die Umsatzzahlen dieser Taschenbücher gesteigert, sondern die<br />

Amerikaner überhaupt an reißerische Cover-Abbildungen gewöhnt.<br />

Ein Querverweis, wie populär seinerzeit etwa die Kalender mit gemalten<br />

Pin-ups waren, findet sich im Filmklassiker „Die Brücke am<br />

Kwai": Da schaut selbst der japanische Kommandant<br />

eines brutal geführten Kriegsgefangenenlagers<br />

den Termin auf einem amerikanischen Kalender<br />

nach, auf dem das Mädchen mit jedem<br />

verstreichenden Monat weiter entblättert<br />

wird.<br />

Nach dem Krieg war<br />

die Blütezeit des<br />

Kalendermädchens<br />

jedoch längst<br />

nicht vorbei. Eines der bekanntesten Pin-ups überhaupt, Rita<br />

Hayworth, die auf der Titelseite von „Life" im schwarzen Unterrock<br />

abgebildet war, wurde mit Ausbruch des Korea-Kriegs zur neuen<br />

„Königin des Pin-ups". 2500 Soldaten schrieben ihrer Regierung,<br />

um das Unterrock-Foto anzufordern – wöchentlich. Viel später war<br />

sie Namenspatin für Stephen Kings Novelle „Rita Hayworth And The<br />

Shawshank Redemption"; auch in der erfolgreichen Verfilmung<br />

des Buches mit dem Titel „Die Verurteilten" tarnt der<br />

Protagonist die Öffnung seines Fluchttunnels mit Ritas<br />

Pin-up ...<br />

Ein Mann namens Hugh Hefner schrieb dann die Erfolgsstory<br />

des Pin-ups fort, als er 1953 für läppische 500 Dollar<br />

einem Kalenderverlag einige Aktfotos abkaufte und damit<br />

den ersten „Playboy" bestückte: Es handelte sich um die<br />

Aufnahmen der sich auf rotem Samt räkelnden Marilyn<br />

Monroe – und das Heft war in Kürze ausverkauft. Hefner<br />

machte anschließend kurzerhand das klassische Pin-up-<br />

Foto zur Geschäftsidee des Centerfolds, des ausfaltbaren<br />

Bilds seines Magazins. Und der Erfolg gab ihm Recht.<br />

Trotz dieses Popularitätsschubs sollte es allerdings<br />

noch bis in die 60er Jahre dauern, bis Fotos die<br />

gemalten Mädchen schließlich verdrängten. Als 1964<br />

Pirelli seinen ersten Fotokalender herausbrachte,<br />

schien das Schicksal der gepinselten Girls besiegelt.<br />

Was auch das berufliche Ende für viele der<br />

Grafiker und Maler mit sich brachte. Manche<br />

der Künstler, die als Werbe-Illustratoren<br />

anfingen, fanden Arbeit als Plakatmaler<br />

für die Filmindustrie und beeinflussten so<br />

das Frauenbild weiterer Generationen. Erst<br />

als schließlich namhafte Künstler wie Norman Rockwell, der wie<br />

kein anderer die heile Welt des amerikanischen Traums darzustellen<br />

wusste, Elemente der Pin-ups in seine Bilder aufnahm, wurde allgemein<br />

aber von „Kunst" gesprochen. Obwohl diesen (meist, aber nicht<br />

ausschließlich) männlichen Künstlern nie abgesprochen wurde, ihr<br />

Handwerk meisterlich zu beherrschen, hat sich<br />

die Illustration als Kunstform erst in den<br />

80er Jahren wirklich etabliert. Dass<br />

Pin-up-Gemälde seither als „seriöse<br />

Kunst" gelten, zeigt sich auch<br />

daran, dass der Kunsthandel die<br />

Originale zu schätzen weiß.<br />

Eine späte Genugtuung<br />

für die Pin-ups.<br />

Rit<br />

a<br />

Hay<br />

ywor<br />

th


Zoe Scarlett<br />

Profi-Pin-up<br />

Zoe Scarlett hat sich auf die 50er Jahre spezialisiert und bezieht sich in kreativer Weise<br />

auf die Posen der legendären Pin-ups. Sie ist das Gesicht von Chevrolet und wirbt als<br />

Retro-Model für Campari und Burger King.<br />

Wir befinden uns in einer Retro-Bewegung. Man<br />

wünscht sich die "<br />

gute alte Zeit" zurück. Spürst du das<br />

auch als Pin-up-Girl?<br />

Die 50er Jahre haben immer wieder ein Revival. Ich mache nichts<br />

anderes, als dem alten Stil neues Leben einzuhauchen. Aber natürlich<br />

genieße ich auch die Vorzüge der modernen Welt: Ohne iPhone<br />

oder Laptop geht bei mir gar nichts mehr.<br />

Welche Posen bzw. Figuren werden von den<br />

Auftraggebern für Kalender und Werbe-Shootings<br />

gewünscht?<br />

Diese Frage ist nur sehr schwierig zu beantworten. Jeder Kunde hat<br />

seine eigene Vorstellung: ob man nun Modernes mit Altem kombiniert,<br />

ob ein Auftrag bis ins Detail den 50ern entsprechen muss,<br />

oder ob man meinen Look ganz neu interpretiert. Mir ist einfach<br />

sehr wichtig, dass es Stil und Klasse hat.<br />

Wirkt das Pin-up auf Feministinnen nicht wie ein rotes<br />

Tuch, stellt es doch einen klischierten Männertraum<br />

dar?<br />

Was Feministinnen über meine Arbeit denken, interessiert mich<br />

nicht. Jeder er soll l seine eigene Meinung haben dürfen und sich dabei<br />

glücklich fühlen! Meine Arbeit<br />

macht mich glücklich, und nur<br />

das zählt.<br />

Die Illustration der<br />

leichtbekleideten Frau<br />

wird erst seit den 80ern<br />

als eigene "<br />

amerikanische<br />

Kunstform" wahrgenommen.<br />

Auch heute noch scheint dem Begriff<br />

wenig Seriöses anzuhaften.<br />

Das finde ich absolut nicht. Ein klassisches Pin-up, illustriert oder<br />

real, zeigt eine wunderschöne Frau, die angezogen in den verschiedensten<br />

Szenen oder Posen, mal witzig, mal keck oder auch<br />

mal verführerisch, posiert. Die Bezeichnung „Pin-up" hat sich aber<br />

weiterentwickelt, das ist der Lauf der Zeit. Wenn die bekannteste<br />

deutsche Tageszeitung eine nackte Frau abbildet und diese dann als<br />

Pin-up bezeichnet, kann ich das nicht beeinflussen ...<br />

Roland Schäfli<br />

Fotos: © Marco Nietlisbach<br />

Seite 94 ■ GoodTimes 2/2014


<strong>kult</strong>!<br />

Gerne... können Sie uns schreiben, ein Fax schicken oder eine E-Mail senden:<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz · Fax: 0 70 42-102 862 · E-Mail: goodtimes@nikma.de<br />

Leserbriefe<br />

Liebes <strong>kult</strong>!-Team!<br />

Soeben halte ich eure neue <strong>kult</strong>!-Ausgabe in den Händen und habe<br />

erstmal „quergelesen". Mal wieder einsame Spitze!<br />

Ich hätte einen Themenvorschlag: „Damals" – ab 1971– beschäftigte<br />

ich mich als 17-Jähriger – zusammen mit einigen Gleichgesinnten<br />

– mit der Super8-Schmalfilmerei. Wir drehten eigene Filme und<br />

beschäftigten uns auch mit der Technik (Filme schneiden, kleben etc.,<br />

später auch Unterwasserfilmerei). Die fast besten und preisgünstigsten<br />

Geräte hatte damals Quelle mit der Marke Revue. (Meine Kameras:<br />

Revue S8 Sound De Luxe, später eine Beaulieu 3008, als Letzte ein<br />

NIZO 4080, zwischendurch eine Eumig-Nautica Unterwasserkamera.<br />

Die S8-Kassetten hatten übrigens nur eine Laufzeit von ca. 3,25<br />

Minuten für ca. 15 DM!<br />

Nur die S8-Filme mussten immer von Kodak sein! Die sind noch<br />

heute farblich okay – nach fast 45 Jahren! Das Thema Film hat<br />

mich bis heute nicht losgelassen – jetzt natürlich digital. Die<br />

S8-Schmalfilmgeschichte ist sehr interessant und hat viele Facetten;<br />

schließlich wurde sie von Video überrollt ...! Ich könnte mir vorstellen,<br />

dass das ein Thema für euch wäre.<br />

Ein weiteres Thema wäre sicherlich das Leben als Schüler in den<br />

70ern, stark beeinflusst von der Gesinnung der 68er-Generation und<br />

der Hippie-Kultur (ja! – wirklich!) mit der Hoffnung auf eine bessere<br />

„Let the Sunshine in"- und „Gleichheit für Alle"-Welt.<br />

Ich erinnere mich mit meinen Freunden und auch (!) Freundinnen<br />

(!) an ein freies Leben am FKK-Strand und Parties mit Gitarre und<br />

Rotwein am Lagerfeuer; wir lebten einen Traum – auch unter der<br />

Woche.Vietnam, die Todesschüsse auf John F. Kennedy und Martin<br />

Luther King zeigten uns dann das wahre Gesicht dieser Welt ...<br />

okay, das wär's erstmal. Weiter so!<br />

Lieber Gruß (von eurem treuen Abonnenten) Uwe Marx, Witzhave<br />

Hallo zusammen,<br />

gratuliere zur neuen <strong>kult</strong>!-Ausabe, lese sie immer von A bis Z durch<br />

und bin jedes Mal frustriert, wenn ich zur letzten Seite komme. Ja,<br />

so ist es.<br />

Ich freu mich aufs nächste GoodTimes und das nächste <strong>kult</strong>!<br />

Herzliche Grüße<br />

René Marty, Bülach, Schweiz<br />

Hallo Herr Leibfried,<br />

zunächst einmal ein ungeheuer großes Lob für Ihr Magazin und die<br />

gesamte Machart. Seit Ausgabe #2 bin ich nun dabei und erwarte<br />

jede weitere Ausgabe mit großer Spannung. Als ich Ihr Magazin zum<br />

ersten Mal in unserem Zeitschriftenladen entdeckt habe, war ich direkt<br />

hin und weg. Da man meine Hobbies wohl unter dem Gesamtbegriff<br />

„Nostalgie" betrachten kann, war Ihr Magazin natürlich DER Kracher<br />

für mich. Es ist eine richtige Wundertüte, mit jeder Menge Themen<br />

und Bereiche, und genau das macht es so interessant und spannend.<br />

Ob Sport, Mode, Musik, Spielzeug oder Autos, alle Themen werden<br />

abgedeckt und das auf sehr unterhaltsame und spannende Weise.<br />

Viele Dinge wurden in den letzten Jahren ja unter den Begriffen<br />

„Kult" und „Nostalgie" im TV oder sonstwo abgehandelt; zumeist<br />

aber immer sehr oberflächlich und ohne Inhalt. Bei Ihrem Magazin<br />

hat man jedoch das Gefühl, dass die Autoren das entsprechende<br />

Thema selbst als Hobby betreiben oder es zumindest ernst nehmen.<br />

Auch das Layout ist fantastisch, und die jeweilige Farbgebung zu den<br />

einzelnen Themen ist sehr passend gewählt.<br />

Anfangs habe ich befürchtet, dass ein weiteres Magazin es am Markt<br />

schwer haben würde und nach ein paar Ausgaben vermutlich Schluss<br />

wäre. Umso mehr hat es mich so gefreut, dass immer stetig weitere<br />

Ausgaben veröffentlicht wurden. Da ich auch ein großer Film-Comic-<br />

und Spielzeug-Fan bin, sind immer wieder tolle Artikel zu finden.<br />

Außerdem gibt es meines Wissens wohl kein weiteres Magazin mit<br />

so einem speziellen Schwerpunkt (Nostalgie), aber gleichzeitig so viel<br />

Themenfülle dazu.<br />

Puh, viel Lob, nicht wahr?! Nicht dass ich unglaubwürdig klingen<br />

möchte; aber wenn etwas sehr gut und vor allem mit viel Liebe zum<br />

Detail gemacht ist, muss man dies auch mal aussprechen. Betrachten<br />

Sie es als Form des früheren Leserbriefes (eigentlich doch auch eine<br />

Kategorie, über die es sich lohnen würde, mal nachzudenken, oder??).<br />

Zählen Sie mich auf jeden Fall weiterhin zu Ihren treuen Lesern, denn<br />

es ist immer ein Riesenspaß, die neueste Ausgabe durchzuforsten; bei<br />

dem Umfang habe ich tagelang etwas davon. Ich wünsche Ihnen,<br />

Ihren Mitarbeitern und allen, die sonst noch daran beteiligt sind,<br />

weiterhin viel Glück und vor allem weiterhin viel Erfolg mit <strong>kult</strong>! und<br />

hoffe noch auf viele Ausgaben! Die Vergangenheit war ja sehr lang,<br />

und da wartet sicher noch eine Unmenge von Themen auf uns.<br />

Mit allerbesten Wünschen und Grüßen, Lars Schumacher<br />

Werte Kult-Redaktion, sehr geehrter Herr Leibfried,<br />

Von Ihrem <strong>kult</strong>!-Magazin bin ich total begeistert. Als „Nostalgiker" liebe<br />

ich diese Wiederbelebung der 60er, 70er und 80er Jahre. Eben habe<br />

ich einige zurückliegende Hefte zugesandt bekommen, und die Freude<br />

geht mit mir wieder durch. Der bunte Mix von „alten" Schlagerstars,<br />

Autos, Spielzeugen, „Winnetou"-Filmen, Comics (als begeisterter<br />

Hansrudi-Wäscher-Fan hat mein Auto das Kennzeichen KR-AKIM 1),<br />

Musikern, alten TV-Serien, <strong>kult</strong>igen Getränken, und, und ...<br />

Ein unbedingtes Muss sind die Poster. Bitte nicht davon abweichen. Mit<br />

den Kaugummibildern haben Sie wieder „Neuland" betreten. Darüber<br />

würde ich gerne noch mehr erfahren. Und zu den Getränken möchte<br />

ich einen Vorschlag machen, und zwar zu „Libella". Hierzu meine<br />

ganz persönliche Geschichte: Erlauben Sie mir, kurz meine Liebe zu<br />

diesem nostalgischen Getränk zu erklären: Als kleiner Junge machte ich<br />

erstmals Ende der 50er Jahre Bekanntschaft mit „Libella". Mein Vater<br />

war Hafenarbeiter in Krems, das auch als das untere Tor der Wachau<br />

bezeichnet wird. Dort gab es in der Kantine diese Orangenlimonade.<br />

Meines Wissens verschwand sie anfangs der 60er Jahre vom Markt. Im<br />

Keller meines Elternhauses stand lange Zeit eine alte Holzsteige mit<br />

den gerillten, dunkelorangenen Flaschen, ehe sie auch entsorgt wurde.<br />

In den letzten Jahrzehnten kam ich öfter nach Deutschland. Und siehe<br />

da, auf der A3-Autobahn nach Köln zur InterComic überholte ich mal<br />

einen „Libella"-Transporter. Schlagartig wurde ich wieder an meine<br />

Kindheit erinnert. Obwohl ich mir fest vornahm, am Ziel nach „Libella"<br />

zu fragen, vergaß ich dann leider die Begegnung. Umso freudiger<br />

war ich überrascht, als ich vor rund zehn Jahren bei uns zu Hause<br />

in einem Tankstellenlokal eine „Libella"-Werbung entdeckte. Keine<br />

Frage, dass ich mir gleich ein Fläschchen bestellte und so den Kontakt<br />

zum Getränke-Hersteller fand. Inzwischen kaufe ich jedes Jahr einige<br />

Kisten mit diesem <strong>kult</strong>igen Getränk für besondere Anlässe, das 1951 in<br />

Deutschland auf den Markt kam und zwei Jahre später auch die Kinder<br />

in Österreich begeisterte.<br />

Viel Erfolg für die Zukunft wünscht Ihnen aus Österreich,<br />

Karl Aigner<br />

Sehr geehrter Herr Leibfried (und das GoodTimes-<strong>kult</strong>!-Team),<br />

als Comic-Fan habe ich mich über den Robert-Crumb-Tribute-Band<br />

sehr gefreut. Ich wünsche Ihnen (Euch) weiterhin viel Erfolg für<br />

GoodTimes-<strong>kult</strong>! Die Themenmischung ist immer gut gelungen, und<br />

ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe. Besonders über die<br />

Artikel aus der Comic-Welt.<br />

Mit den besten Grüßen<br />

Helmut Tank, Marl<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 95


Unter der Totenkopf-Flagge<br />

über die Weltmeere<br />

Es ist die große Zeit der „Gesamtausgaben „ : Beliebte Serien von einst, mit einem Wort<br />

Klassiker, werden als geschmackvolle Bücher neu aufgelegt, ergänzt um die eine oder<br />

andere optische Rarität und Kommentare zur Entstehungsgeschichte der Comics. Liebhabern<br />

des Genres eröffnet das die Chance, längst vergriffenes Material, mit dem womöglich<br />

nostalgische Eindrücke verbunden sind,<br />

erneut zu lesen. Dergestalt sind auch Titel der Reihe „Der Rote Korsar „ die<br />

, die<br />

nun in der Egmont Comic Collection ihre<br />

Wiederauferstehung feiern.<br />

sich<br />

auf eine Holzkrücke. Sie alle vereinen<br />

die Gier nach Gold und die stete<br />

Suche nach dem Schatz, der irgendwo an<br />

einem exotischen Platz vergraben liegt.<br />

Piraten, Freibeuter, Korsaren … Allein diese<br />

Begriffe lassen vor dem geistigen Auge<br />

unzählige Bilder entstehen. Spontan<br />

denkt man da an Bücher wie „Die Schatzinsel"<br />

von Robert Louis Stevenson oder an „Peter<br />

Pan" von James Matthew Barrie. Man erinnert<br />

sich an unzählige Filme wie „Der Herr der<br />

Sieben Meere" von Michael Curtiz mit Errol<br />

Flynn in der Hauptrolle, an Roman Polanskis<br />

„Piraten" mit Walter Matthau oder in der jüngeren<br />

Vergangenheit an „Fluch der Karibik"<br />

mit Johnny Depp. Long John Silver, Captain<br />

Hook, Geoffrey Thorpe, Captain Red und Jack<br />

Sparrow heißen die wilden Gesellen, die dafür<br />

sorgten, dass im allgemeinen Bewusstsein ein<br />

schwärmerisches Bild vom Seeräuber verankert<br />

ist. Kauzige Typen, gelegentlich einen<br />

In der Nr. 414 von „Pilote „ vom 28. Oktober<br />

1965 startet das Abenteuer „La Mission secrète<br />

de l’Épervier „ / „In geheimer Mission „ .<br />

sprechenden Papagei auf der Schulter,<br />

mit oder ohne Augenklappe, den Kopf<br />

mal prunkvoll mit Federhut geschmückt, mal<br />

schäbig mit Kopftuch bedeckt, wecken die<br />

Sehnsucht nach<br />

Freiheit und<br />

nach dem großen<br />

Abenteuer.<br />

Geschickt führen<br />

sie den Säbel in<br />

der Hand, sofern<br />

diese nicht durch<br />

einen eisernen<br />

Haken ersetzt<br />

werden musste,<br />

und schwingen<br />

sich gewandt<br />

Jean-Michel Charlier<br />

durch die Takelage. Besonders malträtierte<br />

t<br />

Draufgänger tragen ein Holzbein oder stützen<br />

Das<br />

große Abenteuer war eine Disziplin,<br />

mit<br />

der sich auch Jean-Michel Charlier,<br />

geboren am 30. Oktober 1924 in<br />

Lüttich, gestorben am 10. Juli 1989<br />

in Paris, bestens auskannte. Mehr als<br />

450 Drehbücher und Texte für Comics,<br />

Radio- und Fernsehsendungen, Magazine<br />

und Romane hat er verfasst und steht damit<br />

im Ruf, einer der produktivsten und einfallsreichsten<br />

europäischen Autoren seines Fachs<br />

gewesen zu sein. Nicht nur die Fliegerhelden<br />

„Buck Danny" und „Tanguy und Laverdure"<br />

sowie den tollkühnen „Leutnant Blueberry"<br />

hat er ersonnen,<br />

auch „Barbe<br />

Rouge", der in<br />

der deutschsprachigen<br />

Fassung<br />

zu „Der Rote<br />

Korsar" wurde, ist<br />

seiner<br />

Fantasie<br />

entsprungen.<br />

Die Kaperfahrten<br />

des Teufels der<br />

Karibik, der mit<br />

Victor Hubinon<br />

seiner<br />

wilden<br />

Crew die Weltmeere unsicher macht, entstanden<br />

einst für das französische Jugendmagazin<br />

Seite 96 ■ GoodTimes 2/2014


Das Skript von Charlier und die gezeichnete Seite von Hubinon. Notiert ist, dass Baba das „r „ nicht spricht.<br />

„Pilote", das Charlier zusammen<br />

mit den „Asterix"-Vätern René<br />

Goscinny (1926–1977) und Albert<br />

Uderzo (*1927) ins Leben rief und<br />

über Jahre als Chefredakteur leitete. e.<br />

„Rotbart", wie der Titelheld eigentlich<br />

in Anlehnung an den englischen<br />

Piraten Blackbeard heißt,<br />

gehörte von der Erstausgabe vom<br />

29. Oktober 1959 an zu „Pilote"<br />

und galt als eine der beliebtesten<br />

realistischen Serien im Heft.<br />

Großen Anteil daran hatte Victor<br />

Hubinon (1924–1979), der die<br />

Skript-Vorgaben in wirkungsvollen<br />

Bildfolgen zu<br />

Papier brachte. Bis zu seinem<br />

Lebensende gestaltete<br />

der belgische Zeichner<br />

zum Thema 18 Alben,<br />

die heute einen gewissen<br />

Kultstatuts genießen<br />

und tatsächlich auch die<br />

besten in der Serie<br />

sind.<br />

(Dennoch<br />

sei erwähnt, dass<br />

„Barbe<br />

Rouge"<br />

von<br />

anderen<br />

Autoren wie Jijé,<br />

Christian<br />

Gaty,<br />

Patrice<br />

Pellerin<br />

oder<br />

Marc<br />

Bourgne bis ins<br />

Jahr 2004 fortgeführt<br />

wurde,<br />

ohne dass diese<br />

dem Stoff aber<br />

die<br />

verspielte<br />

Leichtigkeit der frühen<br />

Jahre zurückgeben<br />

konnten.)<br />

Die Comic-Serie „Der<br />

Rote Korsar" beginnt im<br />

Jahr 1715 irgendwo in der<br />

Karibik mit dem Überfall<br />

des<br />

Seeräuberschiffs<br />

Schwarzer Falke auf eine<br />

spanische<br />

Galeone.<br />

Von deren Besatzung<br />

bleibt nur ein kleiner<br />

Junge am Leben, den<br />

der Freibeuter adoptiert.<br />

In ihm wähnt<br />

der Anführer der unter der<br />

Totenkopf-Flagge segelnden<br />

Teufelskerle seinen<br />

Nachfolger. Zu diesem Zweck lässt<br />

er<br />

ihn vom gebildeten Dreifuß (mit<br />

Holzbein und Holzkrücke) und dem<br />

bärenstarken Baba (mit dem für<br />

Kreolen typischen<br />

Sprachfehler) erziehen.<br />

Doch dann<br />

kommt es ganz<br />

anders: Rick (im<br />

Original: Éric) sieht<br />

sich nicht zum<br />

Piraten berufen. Aus<br />

dieser Konstellation<br />

heraus<br />

entwickelt<br />

Charlier einen Spannungsbogen<br />

in epischer Breite, der die beiden<br />

zentralen Figuren mitunter als<br />

Widersacher, meist aber vereint<br />

im Kampf gegen die Engländer<br />

und Spanier im Dienst des französischen<br />

Königs sieht. Wie in<br />

den Fortsetzungs romanen alter<br />

Prägung, von denen Charlier<br />

zeitlebens begeistert war, lässt<br />

er seiner Fantasie freien Lauf<br />

und zieht damit den Leser in<br />

Bann.<br />

In Deutschland erschien „Der<br />

Rote Korsar" erstmals 1970/71<br />

in der gleichnamigen, 15 Titel<br />

umfassenden Heftreihe im Bastei<br />

„Der Rote Korsar – Gesamtausgabe „<br />

erschienen im Egmont Ehapa Verlag<br />

Verlag. Allerdings litt diese Ausgabe unter<br />

dem Zusammengeschnippel der Originalseiten<br />

und einer recht dümmlichen Textbearbeitung.<br />

Sehr viel mehr Lesevergnügen bereiteten die<br />

von Carlsen veröffentlichten Alben zwischen<br />

1985 und 1993. Kult Editionen legte diese<br />

Der erste von vielen weiteren gescheiterten<br />

Piraten-Überfällen in „Asterix als Gladiator „ .<br />

mit kartoniertem Umschlag ab 1996 teilweise<br />

noch einmal neu auf, ergänzt um die bis<br />

dahin unveröffentlichten Bände sowie fünf<br />

Titel in der Reihe „Die Jugend des Roten<br />

Korsaren". Mit der 2013 in der Egmont<br />

Comic Collection gestarteten<br />

Gesamtausgabe – zwei Bücher<br />

sind bereits erschienen, ein drittes<br />

ist für 2014 angekündigt<br />

– segelt „Der Rote Korsar" nun<br />

unter demselben Verlagssignet<br />

wie „Asterix". Das passt eigentlich<br />

ganz gut zusammen, denn<br />

ihre große Popularität haben<br />

der rotbärtige Käpt'n mit der<br />

Augenklappe, Dreifuß und<br />

Baba nicht zuletzt den beiden<br />

Galliern Asterix und Obelix<br />

zu verdanken. Was ursprünglich<br />

als einmaliger Witz von<br />

René Goscinny gedacht war, ihr<br />

Auftritt im Band „Asterix als<br />

Gladiator", wuchs sich nämlich<br />

zu einem Running Gag aus.<br />

Bedeutsamer Unterschied:<br />

Während die Schrecken der<br />

Meere im Original von Charlier-<br />

Hubinon heldenhaft in Szene<br />

gesetzt sind, müssen sie in<br />

den „Asterix"-Bänden ein ums<br />

andere Mal die Segel streichen<br />

...<br />

Horst Berner<br />

Abb.: © Dargaud 2014, by Charlier and Hubinon / 2014 Egmont Comic Collection<br />

GoodTimes 2/2014 ■ Seite 97


VALERIAN & VERONIQUE<br />

Reisen in neue<br />

Dimensionen<br />

Abbildungen: © Carlsen-Verlag<br />

„Vor uns hatte niemand Abenteuer wie diese erzählt. In dieser<br />

Serie ist einfach alles möglich, und jedes neue Album<br />

bringt uns dorthin, wo wir es wollen." Daß sein Zeitreisen-<br />

Comic „Valerian & Veronique" über zwei Agenten des „Raum-<br />

Zeit-Service" für das Genre bahnbrechend sein<br />

würde und künftig Kultstatus erlangen sollte, hat<br />

Zeichner Jean-Claude Mézières vor fast einem halben<br />

Jahrhundert allerdings nicht voraußehen köen.<br />

Zeitsprung ins Jahr 1967: Es ist der 9. November. Im französischen<br />

Comic-Magazin „Pilote" schlägt den beiden<br />

Raum-Zeit-Agenten Valerian und Veronique die Geburtsstunde. e.<br />

Sie treffen erstmals auf Seite 11 des ersten Abenteuers<br />

aufeinander, als Valerian ins Frankreich des Jahres<br />

1000 geschickt wird. Zwar haben Zeichner Jean-<br />

Claude Mézières und Texter Pierre Christin „Schlechte<br />

Träume" gar nicht als Fortsetzungsgeschichte angelegt,<br />

sondern als abgeschlossene Episode. Erzählstil<br />

und Zeichenstrich weisen noch nicht die Meisterschaft<br />

späterer Werke auf. Doch schnell wird deutlich, Figuren<br />

und Setting besitzen Potenzial für eine ganze Reihe.<br />

Und so erhalten die beiden Agenten,<br />

die von Galaxity aus operieren, der<br />

Hauptstadt der Zukunft, schon bald neue Aufträge,<br />

das Gleichgewicht der Galaxie wiederherzustellen.<br />

Das zentrale Motiv der Zeitreise wirkt als Thema<br />

natürlich auch noch nicht so abgenutzt wie heute,<br />

allerdings ist es keinesfalls neu: So kreierte H.G. Wells<br />

bereits 1895 in seinem epochemachenden Roman<br />

„The Time Machine" den plausiblen Prototypen des<br />

Zeitreisenden, der zahlreiche Nachahmer fand. In<br />

„Valerian & Veronique" entpuppt sich die technische<br />

Möglichkeit, it die Zeit selbst zu überwinden, jedoch nicht als plumper<br />

Selbstzweck. Die Geschichten haben einen durchaus philosophischen<br />

Ansatz: So findet sich das Duo in totalitären Systemen wieder, wo<br />

Klassenkampf und soziale<br />

Ungerechtigkeit herrschen,<br />

oder sie greifen<br />

in Machtkämpfe<br />

außerirdischer<br />

Staatsformen ein.<br />

Doch wie weit<br />

weg sie sich auch<br />

Die Apokalypse im Jahr 1986: Typisch für das Zeitalter, in<br />

dem die Comicfi guren entstanden, ist der Weltuntergang<br />

auf eine Atomkatastrophe zurückzuführen.<br />

© Rita Scaglia/DARGAUD<br />

Jean-Claude Mézières<br />

Seite 98 ■ GoodTimes 2/2014<br />

Ein Duo, das die künftige Entwicklung der Gleichstellung von Mann und<br />

Frau vorwegnahm: "<br />

Valerian & Veronique".<br />

von ihrem Heimatplaneten entfernen: Dem geneigten Leser<br />

entgehen die Ähnlichkeiten mit vertrauten Systemen nicht.<br />

Die Begegnungen mögen außerirdisch sein – die treibende<br />

Kraft hinter der Erzählung ist stets der Humanismus.<br />

Zeitsprung ins Jahr 1977: Mézières wohnt einer Vorabaufführung<br />

von „Star Wars" bei. Die Parallelen zwischen dem Film und seinen<br />

Comics bezüglich Kostümen, Design etc. entgehen ihm nicht.<br />

Fast scheint es so, als habe George Lucas „Valerian & Veronique"<br />

als Blaupause für sein eigenes Universum genommen. Zahlreiche<br />

Anleihen sind, bei strenger Auslegung, fast gar an der Grenze<br />

zum Plagiat. Auch wenn das allenfalls unterbewusst geschah,<br />

veranschaulicht es doch eindrucksvoll, dass die Comicserie aus<br />

Frankreich, die es schnell zu internationalem Ruhm gebracht hatte,<br />

die Sehgewohnheiten maßgeblich beeinflusste und zu Recht als<br />

vielleicht i bester Science-Fiction-Comic gilt.<br />

Zurück ins Jahr 1967: Das öffentliche Leben<br />

in Frankreich wird zwar immer noch von der konservativen<br />

Regierung Charles De Gaulles bestimmt,<br />

doch ist bereits ein Flackern am Horizont zu erkennen.<br />

Das erste Abenteuer Valerians und Veroniques<br />

entsteht quasi am Vorabend der Kulturrevolution<br />

von '68: So nehmen die beiden Schöpfer der<br />

Comics mit der Figur der charmanten Veronique<br />

(im Original hieß sie Laureline, was die deutschen<br />

Übersetzer wohl als zu sperrig empfanden) etwa<br />

die Gleichstellung der Frau vorweg. Denn Veronique ist – entgegen der<br />

typischen Frauenrolle in diesem Genre – nicht nur eine ansehnliche<br />

Zugabe, sondern gleichberechtigte Partnerin von Valerian, ist dem eher<br />

sachlich veranlagten Valerian intellektuell sogar überlegen.<br />

Was allerdings nicht heißt, dass sie ihren engen Raumfahrer-<br />

Dress nicht ab und zu doch abstreifen würde, allerdings nicht<br />

so häufig, wie das beispielsweise Barbarella tut. Nacktheit ist<br />

in der Zukunft eben eine ganz natürliche Sache, und auch die<br />

männliche Hauptfigur ist mitunter so zu sehen, wie Gott –<br />

pardon –, wie Mézières und Christin ihn schufen ...<br />

Zeitsprung ins Jahr 1972: Die beiden Zeitreisenden erreichen<br />

Deutschland. Im neugegründeten Magazin „Zack" werden die<br />

Geschichten um das ungleiche Agentenpaar als Fortsetzungen<br />

abgedruckt. Ab 1978 publiziert sie dann der Carlsen Verlag, der<br />

seit 2013 eine ansprechende Gesamtausgabe herausgibt.<br />

So entstehen in 40 Jahren insgesamt 20<br />

Alben. Und was Pierre Christin, der Texter,<br />

einst postulierte, hat in all diesen Jahren<br />

seine Gültigkeit behalten: „Science-Fiction<br />

ist eine wunderbare Möglichkeit, der<br />

Wirklichkeit zu entfliehen."<br />

Roland Schäfli<br />

Piee Christin<br />

© Pressefoto


Wir können Musik!<br />

Alle zwei<br />

Monate<br />

NEU!<br />

Auch als eMagazine<br />

erhältlich.<br />

Nr. 2/2014<br />

Nr. 1/2014 Nr. 6/2013<br />

Nr. 5/2013<br />

Nr. 4/2013<br />

Nr. 3/2013<br />

Nr. 2/2013<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz · E-Mail: goodtimes@nikma.de


45 JAHRE – DIE KULTSHOW!<br />

<strong>ZDF</strong> hitparade<br />

Uwe Hübner präsentiert<br />

DIE ECHTEN HITS<br />

„Ich wünsche viel Spaß mit meiner<br />

ganz persönlichen Zusammenstellung der<br />

<strong>ZDF</strong> <strong>Hitparade</strong>!“<br />

Als 3DVDund<br />

3CD-Set,<br />

jetzt überall<br />

erhältlich!<br />

www.sonymusic.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!