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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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4. Eine handlungsbezogene Definition <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (D 1 )<br />

Dur<strong>ch</strong> die Transponierbarkeitsthese ist belegt, daß si<strong>ch</strong> alle <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteile<br />

dur<strong>ch</strong> eine handlungsbezogene Definition <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> erfassen lassen. Es soll<br />

deshalb zunä<strong>ch</strong>st eine allgemeine handlungsbezogene <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinition gegeben<br />

werden, die später dur<strong>ch</strong> eine normbezogene zu ergänzen sein wird 35 :<br />

D 1 :<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist die Ri<strong>ch</strong>tigkeit und Pfli<strong>ch</strong>tigkeit eines<br />

Handelns in bezug auf an<strong>der</strong>e unter dem Gesi<strong>ch</strong>tspunkt<br />

<strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit. 36<br />

Anhand dieser Definition lassen si<strong>ch</strong> die einzelnen Elemente des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprädikats<br />

besser erläutern als mit einer normbezogenen Definition, weil bei letzterer die<br />

Definitionselemente weitgehend im Begriff <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snorm aufgehen 37 .<br />

II.<br />

Fünf begriffli<strong>ch</strong> notwendige Bezüge des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprädikats<br />

Jedes <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteil im Sinne von D 1 , jede Verknüpfung des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprädikats<br />

mit einem Objekt ('x ist gere<strong>ch</strong>t'), weist fünf begriffli<strong>ch</strong> notwendige Bezüge<br />

auf: den Handlungs-, Ri<strong>ch</strong>tigkeits-, Sollens-, Sozial- und Glei<strong>ch</strong>heitsbezug. Ein Urteil,<br />

bei dem einer dieser Bezüge fehlt, hat mit dem <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff, wie er in<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> verwendet wird, ni<strong>ch</strong>ts zu tun. Wer beispielsweise sagt:<br />

'Die göttli<strong>ch</strong>en Gaben sind ungere<strong>ch</strong>t verteilt!', <strong>der</strong> verwendet einen an<strong>der</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff<br />

als den hier interessierenden, denn für sol<strong>ch</strong>e '<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>' ist<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Handeln ohne Belang 38 . Um die Eignung einzelner <strong>Theorien</strong> ni<strong>ch</strong>t von<br />

vornherein dur<strong>ch</strong> Begriffsbildung zu präjudizieren 39 , werden im folgenden die fünf<br />

Bezüge, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heitsbezug 40 , so bestimmt, daß ein weiter Begriff <strong>der</strong><br />

35 Dazu unten S. 75 (D 1N ). Im Ergebnis ähnli<strong>ch</strong> für einen Handlungs- und Normbezug des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs<br />

R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 98: Hauptgegenstände des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>surteils<br />

seien Handlungen und Handlungssubjekte, Normen und Normordnungen. Ähnli<strong>ch</strong><br />

R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1978), S. 36 f.: »Eine Norm o<strong>der</strong> ein einzelnes<br />

Gebot, das den dur<strong>ch</strong> die Diskursregeln bestimmten Kriterien genügt, kann als gere<strong>ch</strong>t bezei<strong>ch</strong>net<br />

werden.« (Hervorhebung bei Alexy). An<strong>der</strong>s dagegen I. Tammelo, Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1977), S. 77: »'Gere<strong>ch</strong>t' ist eine positive, ethis<strong>ch</strong>e, soziale Wertqualität, die korrelative Re<strong>ch</strong>t-<br />

Pfli<strong>ch</strong>t-Beziehungen und die Zuteilung des Gebührenden an jeden betrifft.« Zu sol<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

als Werthaftigkeit vgl. unten S. 55 (D 1A ).<br />

36 Vgl. R. Alexy, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Ri<strong>ch</strong>tigkeit (1997), S. 105: »<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist Ri<strong>ch</strong>tigkeit in bezug<br />

auf Verteilung und Ausglei<strong>ch</strong>.« Dur<strong>ch</strong> die von Alexy gewählte, weite Ausdeutung dessen, was<br />

no<strong>ch</strong> als Perspektive <strong>der</strong> Verteilung o<strong>der</strong> des Ausglei<strong>ch</strong>s angesehen werden kann, kommen si<strong>ch</strong><br />

diese Definitionen sehr nah; vgl. ebd., S. 104 (Mutter-Kind-Beispiel). D 1 bietet den Vorteil, daß offen<br />

bleiben kann, ob eine Verteilungs- o<strong>der</strong> Ausglei<strong>ch</strong>sproblematik vorliegt. Zum Element <strong>der</strong><br />

'Pfli<strong>ch</strong>tigkeit' im Gegensatz zur 'Werthaftigkeit' siehe soglei<strong>ch</strong> S. 52 ff. (55); zum Glei<strong>ch</strong>heitsbezug<br />

ausführli<strong>ch</strong> unten S. 56 ff.<br />

37 Zu diesem Effekt vgl. unten S. 72 ff. (D NG und D 1N ).<br />

38 Dazu unten S. 68 (holistis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff).<br />

39 So etwa O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 74 ff., <strong>der</strong> bereits mit einer Begriffsanalyse von<br />

Legitimation und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> eine Kritik des Utilitarismus beginnt.<br />

40 Dazu unten S. 56 ff. (Glei<strong>ch</strong>heitsbezug).<br />

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