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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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lung über Thomas von Aquin 6 , Leibniz 7 und Kant 8 einen festen Platz in <strong>der</strong> europäis<strong>ch</strong>en<br />

Geistesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te gewonnen haben 9 . Glei<strong>ch</strong> ob als Gebot <strong>der</strong> Tugend- o<strong>der</strong><br />

Re<strong>ch</strong>tslehre, in jedem Fall bleibt die For<strong>der</strong>ung 'Jedem das Seine' – genau wie die übrigen<br />

praecepta 10 – eine inhaltli<strong>ch</strong> ausfüllungsbedürftige Formel, eine leere, bloß formale<br />

Hülle, die für fast beliebige Konkretisierungen ('Jedem das Glei<strong>ch</strong>e', 'Jedem<br />

na<strong>ch</strong> seiner Leistung', 'Jedem na<strong>ch</strong> seinen Bedürfnissen' u.v.m.) genutzt werden kann<br />

und genutzt wurde 11 . Bedingt dur<strong>ch</strong> die Formelhaftigkeit des 'suum cuique' wird <strong>der</strong><br />

Begriff <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in Philosophie und Re<strong>ch</strong>tsphilosophie sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong><br />

bestimmt 12 . Allein <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> formalen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> ist seit Perelmanns Studie<br />

über <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> in unumstrittener Weise bestimmt 13 . Im übrigen fielen die Definitionsversu<strong>ch</strong>e,<br />

soweit sie überhaupt gewagt wurden, in ihrer Unbestimmtheit wenig<br />

überzeugend aus 14 .<br />

5 Ausführli<strong>ch</strong> hierzu U. Manthe, Stois<strong>ch</strong>e Würdigkeit und die iuris praecepta Ulpians (1997), S. 1 ff.,<br />

12 ff.<br />

6 Vgl. Thomas von Aquin, ST, II-II, 58, 1; dazu oben Fn. 2.<br />

7 Bei Leibniz no<strong>ch</strong> als Tugendlehre, die alle Vernunftelemente des römis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ts, <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Tradition und <strong>der</strong> philosophis<strong>ch</strong>en Traktate zu einer iustitia universalis zusammenfassen will,<br />

in die au<strong>ch</strong> die praecepta eingehen: »Ex hac consi<strong>der</strong>atione fit ut justitia universalis appellatur et<br />

omnes alias virtutes comprehendat« (Hervorhebung bei Leibniz); G.W. Leibniz, De notionibus Juris<br />

et Iustitiae (1693), Vorrede des Codex Juris Gentium diplomaticus, zitiert na<strong>ch</strong> dem Textabdruck<br />

bei M. Dießelhorst, Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinition Ulpians (1985), S. 201 ff. (203 f.). Ausführli<strong>ch</strong>er<br />

no<strong>ch</strong> in G.W. Leibniz, Méditation sur la notion commune de la justice (ca. 1674), S. 668: »Während<br />

nun die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> nur eine Tugend ist, ... darf man behaupten, daß sie, sobald man sie auf<br />

Gott und die Na<strong>ch</strong>ahmung Gottes gründet, zur 'iustitia universalis' wird und alle Tugenden umfaßt.<br />

... Die iustitia universalis wird nun dur<strong>ch</strong> die oberste Vors<strong>ch</strong>rift bezei<strong>ch</strong>net: 'honestere, h.e.<br />

probe, pie vivere', ... 'suum cuique tribuere' ... 'neminem lae<strong>der</strong>e'.«<br />

8 Bei Kant bewußt umgestaltet zu Re<strong>ch</strong>tspfli<strong>ch</strong>ten; I. Kant, MdS (1797), A 43 / B 43: »(suum cuique<br />

tribue) ... Tritt in einen Zustand, worin je<strong>der</strong>mann das Seine gegen jeden an<strong>der</strong>en gesi<strong>ch</strong>ert sein<br />

kann.« Zur Rezeption bei Leibniz und Kant außerdem M. Dießelhorst, Die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinition<br />

Ulpians (1985), S. 201 ff., 208 ff.<br />

9 U. Manthe, Stois<strong>ch</strong>e Würdigkeit und die iuris praecepta Ulpians (1997), S. 23 ff. m.w.N.<br />

10 Bei alterum non lae<strong>der</strong>e ist <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ädigungsbegriff, bei honeste vivere <strong>der</strong> Ehrli<strong>ch</strong>keitsbegriff unbestimmt.<br />

11 R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 99; kritis<strong>ch</strong> zu sol<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sformeln<br />

H. Kelsen, Das Problem <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1960), S. 366 ff.; <strong>der</strong>s., Was ist <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>? (1975), S. 29<br />

ff. (Goldene Regel), 33 (Jedem das Seine); kritis<strong>ch</strong> gegenüber Kelsens Kritik etwa I. Tammelo, Theorie<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1977), S. 24 ff. Vgl. au<strong>ch</strong> L.L. Weinreb, The Complete Idea of Justice (1984),<br />

S. 802 ff. – zur Unbestimmtheit <strong>der</strong> Formel hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er/moralis<strong>ch</strong>er Ansprü<strong>ch</strong>e und<br />

re<strong>ch</strong>tspositivistis<strong>ch</strong>er/naturre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er <strong>Theorien</strong>.<br />

12 Übersi<strong>ch</strong>ten über die vertretenen Begriffe etwa bei C.K. Allen, Aspects of Justice (1958), S. 3 ff.;<br />

M. Kriele, Kriterien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1963), S. 42 ff.; C. Perelman, Eine Studie über die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1945), S. 14 ff.; K. Engis<strong>ch</strong>, Auf <strong>der</strong> Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1971), S. 147 ff.; G. Robbers,<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> als Re<strong>ch</strong>tsprinzip (1980), S. 15 ff.; M.R. Deckert, Folgenorientierung in <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsanwendung<br />

(1995), S. 171 f., 192 ff. (Folgenorientierung und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>). Sieht man auf Details,<br />

so kann man sogar sagen, daß es zumindest ebensoviele Varianten des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs gibt<br />

wie <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien vertreten werden; W. Kersting, Herrs<strong>ch</strong>aftslegitimation (1997), S. 29.<br />

13 Dazu unten S. 62 (formaler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff). Vereinzelt gibt es selbst zu dieser Begriffsbildung<br />

wie<strong>der</strong> Kritik: J. S<strong>ch</strong>roth, Über formale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1997), S. 497 ff.<br />

14 Vgl. nur B.H. Levy, Cardozo and Frontiers of Legal Thinking (1938), S. 75: »Justice can thus be said<br />

to be ... legally organizable morality.«; G. Vlastos, Justice and Equality (1962), S. 53: »An Action is<br />

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