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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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IV. Zum notwendigen Anspru<strong>ch</strong> des Re<strong>ch</strong>ts auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit<br />

Mit alledem ist illustriert, daß tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> und regelmäßig ein normativer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sgehalt<br />

im positiven Re<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>weisbar ist, <strong>der</strong> es erlaubt, die Frage na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> moralfreien<br />

(re<strong>ch</strong>tspositivistis<strong>ch</strong>en) o<strong>der</strong> moralabhängigen (naturre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en) Konzeptualisierung<br />

des Re<strong>ch</strong>tsbegriffs hier offen zu lassen: für Juristen bildet ni<strong>ch</strong>t erst die<br />

analytis<strong>ch</strong>e, son<strong>der</strong>n bereits die normative <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdimension des Re<strong>ch</strong>ts einen<br />

hinrei<strong>ch</strong>enden Grund, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sfragen zu studieren. Do<strong>ch</strong> läßt diese Feststellung<br />

bisher offen, ob <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bloß kontingent, o<strong>der</strong> ob sie notwendig vom Re<strong>ch</strong>t<br />

gefor<strong>der</strong>t wird. Bloß kontingent wäre sie, wenn ein Re<strong>ch</strong>tssystem auf jeden <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbezug<br />

verzi<strong>ch</strong>ten und glei<strong>ch</strong>wohl weiter 'Re<strong>ch</strong>t' genannt werden könnte.<br />

In dieser Frage läßt si<strong>ch</strong> die Brücke zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> weiter verstärken,<br />

ohne in den Streit zwis<strong>ch</strong>en Naturre<strong>ch</strong>t und Re<strong>ch</strong>tspositivismus zu verfallen.<br />

Denn das Re<strong>ch</strong>t erhebt ni<strong>ch</strong>t bloß kontingent, son<strong>der</strong>n notwendig einen Anspru<strong>ch</strong> auf<br />

Ri<strong>ch</strong>tigkeit: <strong>der</strong> Begriff des Re<strong>ch</strong>ts kann ohne einen wie au<strong>ch</strong> immer gearteten Bezug<br />

zur Ri<strong>ch</strong>tigkeit ni<strong>ch</strong>t bestimmt werden 55 . Dieser implizite Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong> ist<br />

inhaltsoffen und kann deshalb selbst von denjenigen anerkannt werden, die einen begriffli<strong>ch</strong><br />

notwendigen, inhaltli<strong>ch</strong>en Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t und Moral besteiten.<br />

Der Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong> ist inhaltsoffen, weil <strong>der</strong> Begriff des Re<strong>ch</strong>ts no<strong>ch</strong><br />

keine universelle Begründbarkeitsbehauptung impliziert, son<strong>der</strong>n nur (aber au<strong>ch</strong> immerhin)<br />

eine sol<strong>ch</strong>e aus Si<strong>ch</strong>t des Re<strong>ch</strong>ts. Wer als Akteur des Re<strong>ch</strong>ts, etwa als Ri<strong>ch</strong>ter<br />

o<strong>der</strong> Gesetzgeber, erstens die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Re<strong>ch</strong>ts behauptet, zweitens dessen Begründbarkeit<br />

impliziert und drittens damit die Erwartung verbindet, daß es als ri<strong>ch</strong>tiges<br />

Re<strong>ch</strong>t anerkannt werde 56 , <strong>der</strong> sagt damit no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts über die Inhalte dieses Anspru<strong>ch</strong>s<br />

auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit. Immerhin könnte die Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Re<strong>ch</strong>ts allein darin gesehen<br />

werden, daß die kompetentiell ermä<strong>ch</strong>tigten Organe im vorges<strong>ch</strong>riebenen Verfahren<br />

und unter Wahrung <strong>der</strong> gebotenen Form handeln. We<strong>der</strong> einzelne Re<strong>ch</strong>tsnormen<br />

no<strong>ch</strong> bestimmte Kriterien <strong>der</strong> Normbegründung begleiten die Erkenntnis,<br />

daß es zu den Charakteristika von 'Re<strong>ch</strong>t' gehört, einen (wie au<strong>ch</strong> immer gearteten)<br />

Anspru<strong>ch</strong> auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit zu erheben.<br />

Zum Streit zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tspositivismus und Naturre<strong>ch</strong>t verhält si<strong>ch</strong> diese Erkenntnis<br />

folgli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> neutral. Denno<strong>ch</strong> verstärkt sie die Brücke zwis<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>t und<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> von einer bloß tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und regelmäßigen zu einer notwendigen<br />

Beziehung. Denn <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> betrifft, wie no<strong>ch</strong> im Detail zu zeigen sein wird 57 , die<br />

Ri<strong>ch</strong>tigkeit sozialbezogenen Handelns – au<strong>ch</strong> diejenige des re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> geregelten Handelns.<br />

Damit erweist si<strong>ch</strong> die Begründung <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Re<strong>ch</strong>ts als Teil einer<br />

umfassenden <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegründung. Entspre<strong>ch</strong>end wurde s<strong>ch</strong>on oben festgestellt:<br />

Ri<strong>ch</strong>tigkeit des Re<strong>ch</strong>ts ist ni<strong>ch</strong>ts an<strong>der</strong>es als <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> im Re<strong>ch</strong>t 58 . Bezogen<br />

auf den notwendigen Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong> des Re<strong>ch</strong>ts kann nunmehr formuliert<br />

55 Dazu und zum folgenden R. Alexy, Law and Correctness (1998), S. 205 ff. m.w.N. Ausdrückli<strong>ch</strong><br />

für einen Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong> als Element des Re<strong>ch</strong>tsbegriffs au<strong>ch</strong> J.P. Müller, Demokratis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

(1993), S. 149.<br />

56 Zu dieser 'Trilogie' des Anspru<strong>ch</strong>s auf Ri<strong>ch</strong>tigkeit R. Alexy, Law and Correctness (1998), S. 208 f.<br />

57 Dazu soglei<strong>ch</strong> S. 50 ff. (D 1 ).<br />

58 Dazu oben Fn. 28 (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> und ri<strong>ch</strong>tiges Re<strong>ch</strong>t).<br />

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