Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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lungssphären niemand mehr sagen kann, auf wel<strong>ch</strong>e Handlungsweisen ein Re<strong>ch</strong>t besteht<br />
und auf wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t. Damit aber verliert das Paket seine Taus<strong>ch</strong>fähigkeit.<br />
Denn zum Taus<strong>ch</strong> in Höffes Theorie gehört <strong>der</strong> Freiheitsverzi<strong>ch</strong>t. Man kann zwar darauf<br />
verzi<strong>ch</strong>ten, die eigene Freiheit so zu gebrau<strong>ch</strong>en, daß die Integrität von Leib, Leben,<br />
Eigentum, Ehre o<strong>der</strong> Religion an<strong>der</strong>er beeinträ<strong>ch</strong>tigt wird. Man kann aber ni<strong>ch</strong>t<br />
darauf verzi<strong>ch</strong>ten, die eigene Freiheit so zu gebrau<strong>ch</strong>en, daß die Handlungsfreiheit<br />
an<strong>der</strong>er beeinträ<strong>ch</strong>tigt ist. Denn das ist bei je<strong>der</strong> Handlung mit Sozialbezug <strong>der</strong> Fall.<br />
Wann immer meine Handlungssphäre diejenige einer an<strong>der</strong>en Person berührt, ist <strong>der</strong>en<br />
Handlungsfreiheit betroffen.<br />
Drittens – und dies kann als gewi<strong>ch</strong>tigster Kritikpunkt gelten – gerät Höffe mit seiner<br />
Anwendung <strong>der</strong> Taus<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit in ein unauflösli<strong>ch</strong>es Dilemma. Er will<br />
Taus<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit frei von moralis<strong>ch</strong>em Vorverständnis wirken lassen 108 . Das<br />
kann er nur, wenn er die natürli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>iede <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en beim Taus<strong>ch</strong> uneinges<strong>ch</strong>ränkt<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigt. Es muß trotz <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>iede gezeigt werden können,<br />
daß alle Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf einen Taus<strong>ch</strong> einlassen würden, denn<br />
Taus<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit steht unter <strong>der</strong> Bedingung, daß au<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> getaus<strong>ch</strong>t<br />
wird 109 . Da es von Natur aus unstreitig 'Starke' und 'S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e' gibt, gewinnen die<br />
Mens<strong>ch</strong>en im Naturzustand eine vers<strong>ch</strong>iedene Taus<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>t. Unter diesen Bedingungen<br />
ist es ni<strong>ch</strong>t rational, daß sie si<strong>ch</strong> gegenseitig alle dasselbe Paket von Re<strong>ch</strong>ten<br />
gewähren. Bu<strong>ch</strong>anan hat sehr viel überzeugen<strong>der</strong> dargelegt, wie ein Taus<strong>ch</strong> bei moralis<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t vorgeprägter Ausgangssituation aussehen müßte 110 . Erst na<strong>ch</strong> einem<br />
'Kampf bis aufs Messer' stellt si<strong>ch</strong> eine natürli<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tslage ein, in <strong>der</strong> die<br />
Parteien nur no<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> gegenseitige Abrüstungspakte ihre Lage verbessern können.<br />
Der für beide Seiten vorteilhafte Taus<strong>ch</strong> muß dann keinesfalls glei<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>te zeitigen.<br />
Es kann sogar die Versklavung <strong>der</strong> einen dur<strong>ch</strong> die an<strong>der</strong>en bei<strong>der</strong>seits vorteilhaft<br />
sein, wenn nur die Unters<strong>ch</strong>iede in <strong>der</strong> Verhandlungsma<strong>ch</strong>t groß genug sind 111 .<br />
Dann sieht <strong>der</strong> Abrüstungsvertrag vor, daß Sklaven ein Re<strong>ch</strong>t auf Leib und Leben<br />
erhalten, die Herren aber zusätzli<strong>ch</strong> das Re<strong>ch</strong>t, die Arbeitskraft <strong>der</strong> Sklaven auszubeuten<br />
112 . Dieses Gegenmodell zeigt das Dilemma, in dem si<strong>ch</strong> die Theorie Höffes<br />
befindet. Ohne die von ihr ni<strong>ch</strong>t gewollte Moralisierung des Ausgangszustands<br />
kann sie ni<strong>ch</strong>t begründen, warum <strong>der</strong> Taus<strong>ch</strong> im Naturzustand eine Glei<strong>ch</strong>heit <strong>der</strong><br />
Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te erzeugen soll 113 . Dieses Dilemma wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong> auf-<br />
108 O. Höffe, Politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1987), S. 402: »Weil die entspre<strong>ch</strong>enden Freiheitsverzi<strong>ch</strong>te für<br />
jeden vorteilhaft sind, bleiben sie Gebote <strong>der</strong> Klugheit und verlangen keine darüber hinausgehende<br />
Moralität.«<br />
109 Zu dieser Bedingtheit M. Kettner, Otfried Höffes transzendental-kontraktualistis<strong>ch</strong>e Begründung<br />
<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te (1997).<br />
110 Hierzu und im folgenden J.M. Bu<strong>ch</strong>anan, Limits of Liberty (1975), S. 23 ff., 59 f.<br />
111 Zur Versklavung in <strong>der</strong> Theorie Bu<strong>ch</strong>anans oben S. 178 (Drohspiel als Sozialvertrag).<br />
112 Vgl. J.M. Bu<strong>ch</strong>anan, Limits of Liberty (1975), S. 23 ff., 60: »A contract of slavery would, as other<br />
contracts, define individual rights, and, to the extent that this assignment is mutually accepted,<br />
mutual gains may be secured from the consequent reduction in defense and predation effort.« Zu<br />
dieser Konsequenz P. Koller, Otfried Höffes Begründung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und des Staates<br />
(1997), S. 289 f.; J. Nida-Rümelin, <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> bei John Rawls und Otfried Höffe (1997), S. 310 f.<br />
113 Ausführli<strong>ch</strong> zu dieser Kritik K. Günther, Kann ein Volk von Teufeln Re<strong>ch</strong>t und Staat moralis<strong>ch</strong> legitimieren?<br />
(1991), S. 199 ff.; P. Koller, Zur ethis<strong>ch</strong>en Begründung von Re<strong>ch</strong>t und Staat (1989),<br />
S. 480 – mit dem Beispiel einer Bu<strong>ch</strong>anan-Situation des Sklavereivertrags; <strong>der</strong>s., Otfried Höffes Be-<br />
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